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Interview mit TV-Star<br />
Birgit Schrowange<br />
Auf die besten Jahre!<br />
Silberne Sexualität<br />
<strong>Leben</strong>, Lust und Liebe der Generation Ü50<br />
Über Leidenschaft und Liebe in reiferem<br />
Alter wird gern die Bettdecke des<br />
Schweigens gebreitet. Warum eigentlich? 08<br />
Geldquellen ausschöpfen<br />
Minijob, Leibrente oder Aktienfond<br />
können die Rente aufbessern. Wichtig:<br />
Erst recherchieren, dann entscheiden! 10<br />
Glücksforscher weiß Rat<br />
Wenn die Zufriedenheitskurve<br />
mitten <strong>im</strong> <strong>Leben</strong> auf Talfahrt geht,<br />
gibt es ein Gegenmittel. 24<br />
Foto: © bernardbodo - Fotolia.com, Adler Modemärkte AG
SEITE 2 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Inhalt<br />
Liebe Leser<br />
und Leserinnen,<br />
es muss ein Wink des<br />
Schicksals sein, wenn ausgerechnet<br />
während der Arbeit<br />
am <strong>Ratgeber</strong> „<strong>Mitten</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Leben</strong>“ ein runder Geburtstag<br />
<strong>im</strong> Kalender steht. Ein<br />
Tag <strong>im</strong> November macht aus<br />
einer Frau von Ende 40 eine<br />
50-jährige. Ü wie über statt<br />
U wie unter: ein kleiner<br />
Schritt für die Menschheit,<br />
ein großer für die Frau. Die<br />
Herzensfreundin – sie hat<br />
sich auf ein paar Monate<br />
Altersvorsprung schon<br />
<strong>im</strong>mer mächtig viel eingebildet<br />
– sendet den ersten<br />
Glückwunsch: „Glaub nur<br />
nicht an die Mär, dass 50<br />
das neue 30 ist! 50 ist 50 ist<br />
Gleitsicht ist Hitzewallung<br />
ist St<strong>im</strong>mungsschwankung<br />
ist Kinder aus dem Haus ist<br />
nicht mehr verhüten müssen<br />
ist gleich grenzenloser Sex<br />
und all das andere.“ Klingt<br />
doch fair, oder? Zumal auch<br />
Glücks- und Altersforscher<br />
durchaus einige gute Nachrichten<br />
für die kommenden<br />
Jahrzehnte haben.<br />
Viel Vergnügen be<strong>im</strong> Lesen,<br />
Marlis Tautz<br />
Redakteurin<br />
Nachrichten<br />
Lesen Sie die besten Neuigkeiten für<br />
die Generation Ü50 auf Seite ... 3<br />
Geschenkideen<br />
Kunst <strong>im</strong> Müsli, Wissensquiz oder<br />
Plattenspieler — Gaben zum Fest. 4<br />
Interview<br />
Fernsehmoderatorin Birgit Schrowange<br />
mag ihre grauen Haare und fühlt sich<br />
mit 60 fitter denn je. 5<br />
Forschung<br />
Mit 66 Jahren fängt das <strong>Leben</strong> an —<br />
Wissenschaftler haben diese Altersgruppe<br />
unter die Lupe genommen. 6<br />
Sexualität<br />
Lust und Leidenschaft bei älteren<br />
Menschen sind mit vielen Tabus<br />
behaftet. Warum nur? 8/9<br />
Pausentaste<br />
Haben Sie schon mal über eine Job-<br />
Auszeit vor der Rente nachgedacht? 10<br />
Barrierefreiheit<br />
Vorsorgen ist besser als nachrüsten:<br />
Wer baut, sollte schon früh ans Alter<br />
denken. 11<br />
Foto: Susann Salzmann<br />
Seite 19<br />
vorsorge<br />
Was tun, wenn die vertrackte Rentenlücke<br />
droht? 12<br />
Leibrente<br />
Experten verraten, was hinter der<br />
„Rente aus Stein“ steckt. 13<br />
Finanzen<br />
Aufgepasst: Nicht alle Versicherungen,<br />
die <strong>im</strong> Berufsleben wichtig sind, werden<br />
<strong>im</strong> Rentenalter noch gebraucht. 14<br />
Minijob<br />
Für viele Menschen geht das Arbeiten<br />
nach der Rente weiter. 15<br />
Lernen<br />
Studienangebote für ältere Semester?<br />
Liegen näher als gedacht. 16<br />
Leserporträt<br />
Wie der Neubrandenburger Gerhard<br />
Stoll seine beiden Söhne für<br />
Skandinavien begeistert hat. 17<br />
Gewusst?<br />
3,3 Mill<strong>im</strong>eter misst der kleinste<br />
Knochen des Menschen — spannende<br />
Zahlen aus dem <strong>Leben</strong>. 18<br />
LeserpoRträt<br />
Warum Wolfgang Reggentin aus Waren<br />
mitten <strong>im</strong> <strong>Leben</strong> seinen zweiten Geburtstag<br />
feiert. 19<br />
LeserpoRträt<br />
Wie Silvia Hofert aus Prenzlau in der<br />
Uckermark mit Mitte 40 Glück und<br />
Freiheit neu entdeckt hat. 20<br />
Technik<br />
Wir stellen nützliche Apps vor, die<br />
den Alltag erleichtern und helfen,<br />
geistig fit zu bleiben. 21<br />
Forschung<br />
Wie alt können Frauen und Männer<br />
werden? Ein Professor gibt Antwort. 22<br />
Debatte<br />
Menschen aus vier Altersgruppen<br />
beleuchten die besten Jahre. 24/25<br />
Wellness<br />
Sauna-Wärme tut den Gelenken gut<br />
und stärkt die Abwehrkräfte. 26<br />
<br />
Sprechstunde<br />
Ein Neurologe, ein Schlafmediziner<br />
und eine Apothekerin beantworten<br />
Fragen unserer Leserschaft. 28/29<br />
Gesundheit<br />
Damit die Zahnpflege <strong>im</strong> Alter nicht<br />
vernachlässigt wird, kommen<br />
Zahnärzte ins Pflegehe<strong>im</strong>. 30<br />
Schlusspunkt<br />
Was kluge Köpfe über <strong>Leben</strong>, Lust und<br />
Liebe <strong>im</strong> Alter gesagt haben? Ein Griff<br />
in die Sprüchekiste. 31<br />
Seite 20<br />
Foto: Claudia Marsal<br />
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sich nicht <strong>im</strong>mer vorbereiten kann.<br />
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Freitag, 30. November 2018 Seite 3<br />
<strong>Mitten</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Leben</strong><br />
Mit kraftvollem Herzen über 100 Jahre alt<br />
werden? Sich selbst und anderen Gutes tun?<br />
Die Rente genießen? Nebenher arbeiten<br />
wollen oder gar müssen? Wie die Aussichten<br />
der Generation Ü50 sind — dazu hat<br />
unser Redaktionsteam Zahlen, Trends<br />
und Neuigkeiten zusammengestellt.<br />
Nur 15 Minuten<br />
vorlesen helfen<br />
Wiesbaden. Eine gute<br />
Nachricht für Eltern,<br />
Großeltern und nicht zuletzt<br />
für Kinder: Schon<br />
15 Minuten Vorlesen am<br />
Tag reichen aus, um Mädchen<br />
und Jungen in der<br />
Schule das Lesenlernen<br />
deutlich zu erleichtern.<br />
Das belegt eine Studie<br />
der Stiftung Lesen. Demnach<br />
berichten in einer<br />
Gruppe von Grundschülern,<br />
denen regelmäßig<br />
vorgelesen wird, nur<br />
28 von 100 von frustrierenden<br />
Leseerfahrungen.<br />
Unter Gleichaltrigen,<br />
denen nur selten vorgelesen<br />
wird, sind es 52 von<br />
100. Bei der Auswahl der<br />
Lektüre zum Lesenlernen<br />
empfiehlt die Stiftung,<br />
„den Interessen der<br />
Kinder, nicht denen der<br />
Eltern zu folgen“. Vor allem<br />
<strong>im</strong> Sinne von Jungen<br />
seien männliche Vorleser<br />
wichtig — als Vorbild und<br />
Prävention für fatale<br />
Rollenklischee.<br />
Ein junges Herz<br />
ist kein Zufall<br />
Berlin. Wie fit und belastbar<br />
das Herz <strong>im</strong> Alter<br />
ist, kann jeder selbst<br />
beeinflussen. Darauf hat<br />
Prof. Ursula Müller-Werdan<br />
von der Charité in<br />
Berlin hingewiesen. Denn<br />
Herzen und Gefäße von<br />
Menschen, die ihr Risiko<br />
für eine Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankung klein halten,<br />
altern gewissermaßen<br />
langsamer. Die wichtigsten<br />
Stellschrauben: nicht<br />
rauchen, gesund essen<br />
und viel Bewegung. Zudem<br />
müssen ein Diabetes,<br />
Bluthochdruck oder<br />
hohe Cholesterinwerte<br />
möglichst früh erkannt<br />
und konsequent behandelt<br />
werden.<br />
Geschieht dies nicht,<br />
werden zunächst die Gefäßwände<br />
beeinträchtigt,<br />
erklärt die Expertin. Daraus<br />
resultierende Herzerkrankungen<br />
können sich<br />
daraufhin gegenseitig<br />
verstärken und das Herz<br />
schwächen.<br />
Jahrhundert der Hundertjährigen<br />
Rostock. Die Menschen<br />
werden <strong>im</strong>mer älter – und<br />
noch ist kein Ende in Sicht.<br />
Das sagt Jutta Gampe,<br />
Statistikerin am Rostocker<br />
Max-Planck-Institut für<br />
demografische Forschung.<br />
Ursache sei das Zusammenwirken<br />
verschiedener<br />
Effekte wie bessere<br />
Umweltbedingungen,<br />
Fortschritte in der Medizin<br />
sowie das wachsende<br />
Wissen über Ernährung<br />
und Krankheitsprävention.<br />
Die Statistik zeige, dass<br />
die <strong>Leben</strong>serwartung in<br />
Deutschland pro Jahr um<br />
drei Monate steigt. Diese<br />
Entwicklung habe nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg begonnen<br />
und verlangsame<br />
sich nicht. Ein Mädchen,<br />
das heute geboren werde,<br />
habe unter den aktuellen<br />
Verhältnissen eine<br />
durchschnittliche <strong>Leben</strong>serwartung<br />
von 83 Jahren<br />
— theoretisch. Praktisch<br />
können es durchaus auch<br />
100 Jahre werden.<br />
Wissenschaftler diskutieren<br />
ein physiologisches<br />
Max<strong>im</strong>alalter kontrovers.<br />
Der isralische Molkularbiologe<br />
Cha<strong>im</strong> Cohen<br />
vertritt die Ansicht,<br />
Menschen können künftig<br />
Rattey am Rande der Brohmer Berge zählt zu den nördlichsten Weinanbaugebieten in Deutschland. Foto: STEFAN Sauer<br />
Sehr zum Wohle! 2018 ist ein Spitzen-Jahrgang<br />
Wiesbaden. Winzer und<br />
Winzerinnen landauf landab<br />
jubeln: Der Lese-Jahrgang<br />
2018 ist der beste der vergangenen<br />
zwei Jahrzehnte.<br />
Seit 1999 wurde nicht mehr<br />
Gefragte<br />
Generation<br />
Berlin. Auch für ältere<br />
Arbeitnehmer bleibt das<br />
Thema Weiterbildung<br />
wichtig, um <strong>im</strong> Job Anschluss<br />
zu halten. Das<br />
gilt etwa für die Babyboomer,<br />
also die Berufstätigen<br />
der Jahrgänge<br />
1955 bis 1965, sagte<br />
Clemens Tesch-Römer,<br />
Institutsleiter des Deutschen<br />
Zentrums für Altersfragen<br />
der Zeitschrift<br />
„Pro Alter“. Aufgrund<br />
des Fachkräftemangels<br />
ist die Generation 50 plus<br />
für Arbeitgeber wieder<br />
sehr wichtig. Die Erwartungen<br />
<strong>im</strong> Job erfordern<br />
jedoch oftmals noch<br />
Fortbildungen.<br />
älter als 120 und sogar bis<br />
140 Jahre alt werden. Er<br />
beruft sich auf Exper<strong>im</strong>ente<br />
an Fliegen, Mäusen und<br />
Ratten, deren <strong>Leben</strong>szeit<br />
sich durch gentechnische<br />
Eingriffe, Ernährung und<br />
medikamentöse Behandlung<br />
um bis zu 30 Prozent<br />
steigern ließ. US-amerikanische<br />
Ärzte vom<br />
College of Medicine in New<br />
York widersprechen dem<br />
jedoch mti Blick auf ihre<br />
Forschungsergebnisse: Es<br />
sei extrem unwahrscheinlich,<br />
dass Menschen jemals<br />
älter als 125 Jahre werden.<br />
Lesen Sie dazu mehr auf Seite 22<br />
Ostdeutsche gehen früher in<br />
Rente, arbeiten aber weiter<br />
Dresden. Ostdeutsche<br />
gehen nach einer Untersuchung<br />
des Dresdner Ifo-<br />
Institutes früher in Rente<br />
als Westdeutsche. Demnach<br />
nutzten <strong>im</strong> vergangenen<br />
Jahr 42 Prozent aller Neurentner<br />
<strong>im</strong> Osten die abschlagsfreie<br />
Rente mit 63;<br />
in Westdeutschland waren<br />
es nur 30 Prozent. Bei der<br />
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der Bundeswehr<br />
so viel von den Weinbergen<br />
geholt, wie in diesem<br />
Herbst. Im Vergleich zum<br />
Vorjahr sei ein Plus von<br />
46 Prozent zu verzeichnen,<br />
teilte das Statistische Bundesamt<br />
in Wiesbaden mit.<br />
Die Produzenten rechnen<br />
damit, rund 10,9 Millionen<br />
Hektoliter Wein keltern zu<br />
können — 1,46 Milliarden<br />
Dreiviertelliter-Flaschen.<br />
frühzeitigen Rente mit Abschlägen<br />
liege die Quote<br />
<strong>im</strong> Osten bei 27 Prozent, <strong>im</strong><br />
Westen sind es 17 Prozent.<br />
Der Ifo-Forscher Joach<strong>im</strong><br />
Ragnitz erklärt dies damit,<br />
dass es in DDR üblich war,<br />
schon früh ins Erwerbsleben<br />
zu starten, so dass<br />
bereits viele Menschen mit<br />
63 Jahren die für die Rente<br />
Auch die Qualität der<br />
Beeren ist außerordentlich.<br />
Die häufigsten Rebsorten<br />
der Republik sind Riesling,<br />
Müller-Thurgau und Blauer<br />
Spätburgunder.<br />
erforderlichen Jahre vorweisen<br />
können, was sowohl<br />
für Männer als auch Frauen<br />
gilt. Doch offenbar ist das<br />
Arbeitsleben für viele<br />
Neurentner damit nicht<br />
vorbei. Wie neue Studien<br />
zeigen, gehen <strong>im</strong>mer mehr<br />
Senioren dann einem<br />
Minijob nach.<br />
Lesen Sie dazu mehr auf Seite 15<br />
Neubrandenburger Möbelspedition<br />
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Große Hunde gelten mit<br />
sechs Jahren als alt, kleine<br />
erst mit acht. Foto: s. S<strong>im</strong>unovic<br />
Mit älteren Tieren<br />
einmal <strong>im</strong> Jahr zum Arzt<br />
Berlin. Hunde und Katzen<br />
können altersbedingte<br />
Krankheiten bekommen.<br />
Dazu zählen unter anderem<br />
Herz-Kreislauf- sowie,<br />
Nieren- und Leberleiden<br />
aber auch Stoffwechselstörungen<br />
und Demenz.<br />
Da viele dieser Erkrankungen<br />
<strong>im</strong> Alter zunächst<br />
unbemerkt entstehen,<br />
sollten Halter ihre Tiere<br />
mindestens einmal <strong>im</strong><br />
Jahr untersuchen lassen,<br />
rät die Tierärztekammer<br />
Berlin. Zusätzlich zur<br />
klinischen Untersuchung<br />
ist auch eine Blutabnahme<br />
bei Hund und Katze<br />
ratsam. Dadurch lassen<br />
sich viele Krankheiten <strong>im</strong><br />
Frühstadium entdecken<br />
und besser behandeln.<br />
Je nach Größe und Rasse<br />
des Hundes spricht man<br />
ab sechs Jahren (große<br />
Rassen) beziehungsweise<br />
acht bis neun Jahren<br />
(kleine Rassen) von alten<br />
Hunden. Katzen zählen ab<br />
etwa neun Jahren zu den<br />
Senioren.<br />
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SEITE 4 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Fünf Jahre sind eine ziemlich lange Zeit, in der wir unzählige<br />
Dinge erleben, Erfahrungen sammeln, Menschen begegnen<br />
und Geschichte schreiben — unsere Geschichte. Mit diesem<br />
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Dr. Roland T<strong>im</strong>mel<br />
Unzufrieden mit dem<br />
Hörgerät?<br />
Foto: privat<br />
Eine Hörgeräte-Anschaffung ist<br />
insbesondere bei Erstversorgungen<br />
schwierig, weil<br />
-essehr viele verschiedene Hörgeräte-Modelle<br />
gibt,<br />
-der Kunde als Laie überhaupt<br />
nicht einschätzen kann, welche<br />
der Produkteigenschaften nun<br />
wirklich wichtig für ihn sind,<br />
-Werbung meist suggeriert, daß mit<br />
dem Erwerb „alles wieder gut“<br />
wird<br />
-die damit verbundene Arbeit des<br />
Akustikers, d.h. der Zeitaufwand<br />
(Termine!) aber auch<br />
-die nötige Mitarbeit des Kunden<br />
und möglichst auch die Hilfe der<br />
ebenfalls betroffenen Mitmenschen<br />
(Familie) völlig unterschätzt<br />
wird usw.<br />
Da die meisten der überwiegend älteren<br />
Betroffenen und ihre Angehörigen<br />
keine Erfahrungen mit diesem<br />
Thema haben, können auch leicht<br />
unrealistische Erwartungen zu Enttäuschung<br />
führen. Insbesondere,<br />
wenn die Schwerhörigkeit schon<br />
längere Zeit (mitunter Jahre!) besteht,<br />
bevor Hörgeräte angeschafft<br />
werden, sind diese oft auch schwer<br />
gewöhnungsbedürftig. Diese Anfangsschwierigkeiten<br />
können zwar<br />
mit teurerer Technik gegenüber den<br />
Nulltarifgeräten verringert werden,<br />
lassen sich aber nicht gänzlich<br />
vermeiden. Da muß der Betroffene<br />
durch. Weraufgibt, der tut sich<br />
überhaupt keinen Gefallen, denn die<br />
soziale Isolation ist nicht nur unerfreulich<br />
sondern verstärkt auch das<br />
Risikodement zu werden erheblich.<br />
Grundsätzlich verkaufen Akustiker<br />
nur nach gründlicher, umfassender<br />
Beratung. Aber aufgrund von<br />
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z.B. Eitelkeit, Fehleinschätzungen,<br />
Zeitnot usw. kommt es schon auch<br />
einmal vor, daß nach einiger Zeit<br />
festgestellt werden muß, daß der<br />
Erwerb nicht opt<strong>im</strong>al war. Frust ist<br />
verständlich, aber Resignation des<br />
Betroffenen oder der Familie sollten<br />
vermieden werden.<br />
Deshalb mein Tipp -kommen Sie<br />
zur Beratung!<br />
Warten Sie nicht. Das löst keine<br />
Probleme. Wir analysieren die Situation.<br />
In vielen Fällen kann mit<br />
einer mechanischen Nacharbeit,<br />
einem besseren Labor-Ohrstück<br />
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eine deutliche Verbesserung erzielt<br />
werden.<br />
Die Analyse machen wir nicht nur<br />
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FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 5<br />
Interview<br />
Gern mehr Sahne auf dem Eis<br />
Rund war der Geburtstag, den Birgit Schrowange in diesem Frühling gefeiert hat.<br />
Doch die Fernsehmoderatorin pfeift auf schnöde Zahlen, fühlt sich fitter denn je und kreierte<br />
gerade ihre erste eigene Modekollektion. Gerlinde Bauszus sprach mit der Sauerländerin über<br />
dieses, jenes und die Frage, wovon es wohl ein bisschen mehr oder weniger sein darf.<br />
Mit 19 Jahren gingen Sie zum<br />
Westdeutschen Rundfunk,<br />
moderierten unter anderem<br />
das Schulfernsehprogramm,<br />
waren dann elf Jahre<br />
ZDF-Fernsehansagerin. Im<br />
nächsten Jahr feiern Sie<br />
den 25. Geburtstag von<br />
„RTL-Extra“-und stehen<br />
damit seit 36 Jahren vor<br />
der Kamera. Hat sich diese<br />
Medien-Karriere so ergeben,<br />
oder war es ein lang gehegter<br />
Berufswunsch?<br />
Ich wollte unbedingt vor die<br />
Kamera. Deshalb bewarb ich<br />
mich be<strong>im</strong> Westdeutschen<br />
Rundfunk in Köln zunächst<br />
als Redaktionsassistentin.<br />
Damit hatte ich schon mal<br />
einen Fuß in der Fernsehtür.<br />
Nach diesem ersten Schritt<br />
dachte ich mir, das könnte<br />
vielleicht mit der Fernsehkarriere<br />
klappen. Also nahm ich<br />
parallel zum Job privat Schauspiel-<br />
und Sprechunterricht.<br />
Schließlich bin ich denen so<br />
lange auf die Nerven gegangen,<br />
bis ich an Castings teilnehmen<br />
durfte. Das war dann<br />
der Anfang.<br />
Woher kam dieser offenbar<br />
starke Wunsch, unbedingt<br />
vor die Kamera zu wollen?<br />
Ich weiß nicht warum, aber<br />
dieser Wunsch war tief in<br />
mir drin. Schon als Kind<br />
habe ich mir einen Fernseher<br />
aus Pappe gebastelt und<br />
meine Freundin angesagt, die<br />
Sängerin werden wollte. Wir<br />
haben nachgespielt, was wir<br />
<strong>im</strong> Fernsehen gesehen haben.<br />
Für mich war sehr früh<br />
klar: Modezeichnerin oder<br />
Fernsehansagerin, eins von<br />
beidem sollte es unbedingt<br />
werden. Taffe Journalistinnen<br />
oder Talkmasterinnen<br />
waren zu meiner Zeit noch<br />
nicht allzu häufig <strong>im</strong> TV zu<br />
erleben. Eine Elftraud „Elfi“<br />
von Kalckreuth oder Petra<br />
Schürmann waren damals<br />
Stars, die ich bewunderte. Das<br />
wollte ich auch machen. Also<br />
überlegte ich: Wie schaffe ich<br />
es? Wie komme ich da hin?<br />
Dann habe ich meine Bewerbung<br />
losgeschickt.<br />
Seit 1994 moderieren Sie<br />
„RTL-Extra“. Welche<br />
Menschen und Geschichten<br />
sind Ihnen in diesen<br />
25 Jahren besonders<br />
in Erinnerung geblieben?<br />
Da gibt es natürlich einige: Elton<br />
John, Bryan Adams, Kevin<br />
Costner und die Spice Girls<br />
gehören auf jeden Fall dazu.<br />
Exklusiv für Deutschland<br />
habe ich 2006 Natascha Kampusch<br />
interviewt. Außergewöhnlich<br />
war sicher auch das<br />
Treffen mit Monica Lewinsky,<br />
zu dem ich 1999 nach York<br />
geflogen bin. Damals gehörte<br />
ich zu den wenigen, die sie<br />
interviewen durfte.<br />
Worin liegt für Sie der Reiz bei<br />
diesem Fernsehformat?<br />
Dass wir das Magazin <strong>im</strong>mer<br />
wieder ein bisschen neu erfinden<br />
können. Ich moderiere<br />
nicht nur, sondern bin<br />
auch unterwegs, mit meinem<br />
Kollegen Burkhard Kress habe<br />
ich einige interessante Reportagen<br />
gemacht, etwa aus dem<br />
Drogenmilieu in Frankfurt.<br />
Welche Persönlichkeiten<br />
würden Sie gern für Ihre<br />
Sendung interviewen?<br />
Ex-Bundeskanzler Gerhard<br />
Schröder, ein sehr charismatischer<br />
Mann. Ihn und seine<br />
damalige Frau Doris Schröder-Köpf<br />
durfte ich mal drei<br />
Tage als Moderatorin begleiten.<br />
Kürzlich traf ich ihn<br />
mit seiner Frau Soyeon K<strong>im</strong><br />
in Zürich. Ihn würde ich gern<br />
mal zum Thema Heiraten<br />
interviewen (lacht). Immerhin<br />
ist es seine fünfte Ehe.<br />
Auch Brad Pitt würde ich gern<br />
mal fragen, wie das mit seiner<br />
Angelina Jolie war ... Also die<br />
zwischenmenschlichen Beziehungen<br />
reizen mich schon<br />
am meisten.<br />
„Es darf gern ein bisschen<br />
mehr sein“, heißt der Titel<br />
Ihrer Biografie. Wovon darf es<br />
ein bisschen mehr sein und<br />
wovon ein bisschen weniger?<br />
Ein bisschen mehr <strong>Leben</strong>sfreude<br />
und Sahne auf dem<br />
Eis – ein bisschen weniger<br />
Stress. Ich möchte Frauen ermuntern,<br />
ihre oft allzugroße<br />
Bescheidenheit über Bord zu<br />
werfen, öfter auch mal an<br />
sich zu denken. Weil viele<br />
von ihnen <strong>im</strong>mer noch so<br />
programmiert sind, dass sie<br />
sich für alles verantwortlich<br />
fühlen. Ob es nun um Kindererziehung,<br />
Haushalt oder den<br />
Job geht, sie wuppen unwahrscheinlich<br />
viel und bleiben<br />
dabei selbts manchmal auf<br />
der Strecke. Deshalb hoffe<br />
ich — auch mit meiner Zeitschrift<br />
„Birgit, Lust auf mehr“<br />
— Frauen zu ermuntern, hin<br />
und wieder mutiger zu sein.<br />
Sie organisieren mit Ihrer<br />
Zeitschrift „Birgit – Lust<br />
auf mehr“ regelmäßig<br />
Events mit Frauen ...<br />
Ja. Diese tollen Treffen sind<br />
<strong>im</strong>mer sehr schön. Vor Kurzem<br />
hatten wir einen Workshop<br />
inklusive Gesangstraining<br />
in Köln. Etwa 60 Frauen<br />
kamen. Wir haben zusammen<br />
gesungen, Sekt getrunken,<br />
uns über alles Mögliche<br />
unterhalten. Ein rundum<br />
schöner Nachmittag.<br />
Und wie war das<br />
mit Ihrem spontanen<br />
Sternschnuppen-Tattoo<br />
zum 60. Geburtstag?<br />
Das ZDF hat vor zwei Jahren<br />
ein kleines Porträt über mich<br />
gedreht. Dabei landeten wir<br />
auch in einem Tätowier-Laden,<br />
und ich hatte die fixe<br />
Idee, mir ein Tattoo stechen<br />
lassen. Das war aber nicht zu<br />
meinem 60. Geburtstag, sondern<br />
einfach so.<br />
In modernen Netzwerken tauschen<br />
Sie sich regelmäßig mit<br />
Ihrer Fangemeinde aus. Wie<br />
wichtig ist Ihnen das?<br />
Na ja, ich versuche, mindestens<br />
jeden zweiten Tag etwas<br />
zu posten. Man muss da schon<br />
ein bisschen mit der<br />
Zeit gehen. Aber<br />
andererseits<br />
sollte man<br />
diesem<br />
Zeiträuber<br />
nicht<br />
allzu viel Platz einräumen.<br />
Gerade junge Leute überbewerten<br />
manche Inhalte, da<br />
wird oft auch etwas vorgegaukelt,<br />
was in Wirklichkeit gar<br />
nicht so ist. Manchmal denke<br />
ich schon, dass unsere Gesellschaft<br />
<strong>im</strong>mer narzisstischer<br />
wird.<br />
Birgit Schrowange<br />
hat mit Hilfe einer Designerin<br />
eine eigene Kollektion für die<br />
Adler Modemärkte kreiert.<br />
<br />
Foto: Adler Modemärkte AG<br />
Seit zehn Jahren<br />
sind Sie Markenbotschafterin<br />
für<br />
Adler. In diesem<br />
Jahr kreierten Sie Ihre erste<br />
eigene Modekollektion. Wie<br />
groß ist Ihr Anteil daran?<br />
Diese Kollektion habe ich gemeinsam<br />
mit einer Düsseldorfer<br />
Modedesignerin entworfen.<br />
Natürlich war es ein<br />
Riesenspaß, genau das zu kreieren,<br />
was ich mir vorgestellt<br />
habe. Auf jeden Fall gehören<br />
das kleine Schwarze, eine<br />
Jacke <strong>im</strong> Chanel-Look und<br />
die Hose in Lederoptik dazu.<br />
Nicht zu vergessen natürlich<br />
mein Lieblingsstück aus dieser<br />
Kollektion: eine echte Lederjacke.<br />
Sogar die haben wir<br />
durchbekommen.<br />
Man stellt sich das <strong>im</strong>mer<br />
irgendwie anders vor:<br />
Etwa so, dass Promis nur<br />
ihren Namen hergeben …<br />
Nein, so war das nicht. Ich<br />
bin ja auch für meine Zeitschrift<br />
aktiv, recherchiere,<br />
mache Interviews, nehme<br />
an Redaktionskonferenzen<br />
teil. Einfach nur seinen<br />
Namen zu geben, wäre<br />
mir zu wenig. Das merkt<br />
auch der Leser, Kunde,<br />
Zuschauer, wenn etwas<br />
nicht authentisch ist.<br />
Welche Musik<br />
mögen Sie privat?<br />
Das ist total unterschiedlich:<br />
Von italienischen<br />
Opernarien<br />
über Popmusik bis hin<br />
zum deutschen Schlager<br />
ist alles dabei. Momentan<br />
höre ich sehr gern die Songs<br />
von Max Giesinger. Auch die<br />
Band Ich + Ich und Maite Kelly<br />
mag ich gern.<br />
Und singen auch<br />
ganz gern mal mit ...<br />
Ja, am liebsten be<strong>im</strong> Schlager.<br />
Natürlich ist mir klar, dass<br />
ich keine begnadete Sängerin<br />
bin, es macht mir eben einfach<br />
Spaß. Vor Jahren habe<br />
ich mit meinem damaligen<br />
Freund, dem Moderator Werner<br />
Schüssler, sogar eine Platte<br />
herausgebracht. Ich singe<br />
aber auch schon mal vor der<br />
Kamera, zum Beispiel war ich<br />
in den TV-Shows von Florian<br />
Silbereisen und Andrea Berg.<br />
Oder als Gast in Ina Müllers<br />
Late-Night-Talk-Sendung, wo<br />
wir zwei ein Liedchen geschmettert<br />
haben. Am häufigsten<br />
singe ich mit meiner<br />
Freundin, der Schauspielerin<br />
Isabel Varell. Na ja, und<br />
so manche Geburtstagsparty<br />
läuft natürlich auch nicht<br />
ohne eine lustige Gesangseinlage.<br />
Ist Ihre Fitness „gottgegeben“<br />
oder steckt ein knallhartes<br />
Training dahinter?<br />
Ich mache mindestens zwe<strong>im</strong>al<br />
wöchentlich Krafttraining<br />
oder Pilates. Gerade<br />
wenn man älter wird, finde<br />
ich es besonders wichtig, die<br />
Muskeln zu stärken. Ich glaube,<br />
das ist fast noch wichtiger<br />
als Herz-Kreislauf Training.<br />
Moderatorin<br />
und Autorin<br />
1958 in Nordrhein-Westfalen<br />
geboren, wuchs<br />
Birgit Schrowange mit<br />
zwei Geschwistern in<br />
Brilon, Nehden <strong>im</strong> Sauerland<br />
auf und absolvierte<br />
nach der Realschule eine<br />
Ausbildung zur Rechtsanwalts-<br />
und Notargehilfin.<br />
Seit 1981 moderiert<br />
sie diverse TV-Formate,<br />
darunter eigene Shows,<br />
Infotainment- und<br />
Lifestyle-Sendungen<br />
sowie seit 1993 das<br />
wöchentliche Magazin<br />
„Extra, das RTL Magazin“.<br />
Hierfür ist die<br />
60-Jährige auch als<br />
Reporterin bei investigativen<br />
Reportagen<br />
unterwegs. Schrowange<br />
spielte zudem in diversen<br />
Serien (Kr<strong>im</strong>i-Serie „Ein<br />
Fall für zwei“„Klinik unter<br />
Palmen“), ist oft Gast<br />
in Talkshowsendungen,<br />
schrieb zwei Bücher („So<br />
viel Lust zu leben“, Marion<br />
von Schröder Verlag,<br />
München; „Es darf gern<br />
ein bisschen mehr sein!“,<br />
Nymphenburger Verlag,<br />
München) Die Moderatorin<br />
ist Preisträgerin<br />
der Verdienstmedaille<br />
des Verdienstordens der<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
für ihr Engagement<br />
für sozial benachteiligte<br />
Kinder.<br />
Birgit Schrowange wohnt<br />
in Köln.<br />
Ihr 18-jähriger Sohn<br />
Laurin lernt in einem<br />
Internat in England.<br />
Ist dieses Training eher<br />
ein Vergnügen für Sie<br />
oder doch mehr Einsicht<br />
in die Notwendigkeit?<br />
Ganz ehrlich?! Mehr Notwendigkeit!<br />
(lacht)<br />
Ihr Typwechsel von braunem<br />
zu grauen Haar hat <strong>im</strong><br />
vorigen Jahr ein enormes<br />
Medienecho ausgelöst.<br />
Eine spontane Idee?<br />
Nein, nein, das war natürlich<br />
geplant. Vor allem war es ein<br />
Herzenswunsch, die grauen<br />
Haare endlich wachsen zu lassen.<br />
Aber meine Chefs waren<br />
lange Zeit dagegen. Bis ich<br />
mich durchgesetzt habe. Und<br />
mir gefällt dieser Look <strong>im</strong>mer<br />
noch sehr gut.<br />
Mit welchen beruflichen<br />
Plänen werden Sie in<br />
das nächste Jahr starten?<br />
Ich werde das Gesicht einer<br />
neuen Kampagne – darüber<br />
darf ich aber jetzt noch nichts<br />
Genaueres verraten.<br />
Kontakt zur Autorin<br />
g.bauszus@nordkurier.de
SEITE 6 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Forschung<br />
Lust auf <strong>Leben</strong><br />
Wenn die Wissenschaftler recht behalten, haben diese fünf allen Grund zu lachen.<br />
Der Generation 65 plus soll es so gut wie nie zuvor gehen.<br />
Aber die Forscher haben auch eine Botschaft, die nachdenklich st<strong>im</strong>mt.<br />
Von Antje Wegwerth<br />
Berlin. Wie wird das Alter<br />
werden? Wie stark werden<br />
wir körperlich und geistig<br />
abbauen, in unserer Aktivität<br />
eingeschränkt sein, fremde<br />
Hilfe brauchen, jeden<br />
Cent umdrehen müssen? All<br />
das macht uns Sorgen. Doch<br />
was viele Menschen vielleicht<br />
auch zunehmend wahrnehmen<br />
und Forscher inzwischen<br />
untersucht haben, passt weniger<br />
dazu: Wir erleben eine<br />
Generation 65 plus, die das <strong>Leben</strong><br />
nach der Rente in vollen<br />
Zügen genießt; die körperlich<br />
und geistig so gut aufgestellt<br />
ist, dass sie weiter und öfter<br />
reist, als sie es <strong>im</strong> Berufsleben<br />
je getan hat; die sich ehrenamtlich<br />
engagiert; manchmal<br />
noch lange über die Rente<br />
hinaus arbeitet und den<br />
Kindern und Enkelkindern<br />
enorm unter die Arme greift.<br />
Berliner Persönlichkeitspsychologen<br />
attestieren dieser<br />
neuen Generation in einer<br />
Studie eine „Dolce-Vita“-Persönlichkeit,<br />
die genussvoll<br />
die Freiheiten des Alters genießt.<br />
„Unsere Ergebnisse zeigen,<br />
dass 75-Jährige mit Blick<br />
auf ihre geistigen Leistungen<br />
derzeit <strong>im</strong> Mittel fast zwanzig<br />
Jahre jünger sind als 75-Jährige<br />
in den frühen 1990er-Jahren“,<br />
fasst Psychologe Denis<br />
Gestorf die Studienergebnisse<br />
zusammen.<br />
Können wir also getrost<br />
unsere Sorgen über Bord<br />
werfen und auf einen schönen<br />
<strong>Leben</strong>sabend hoffen?<br />
Zumindest ist das aktuell für<br />
einen großen Teil der älteren<br />
Bevölkerung in Deutschland<br />
wahrscheinlich. Allerdings<br />
Wissenschaftler bescheinigen dieser Generation eine genussvolle „Dolce-Vita“-Persönlichkeit. <br />
sind dieser relative Wohlstand,<br />
die Freiheiten und die<br />
gute Gesundheit der Generation<br />
65 plus sehr stark von<br />
ökonomischen, politischen<br />
und sozialen Bedingungen<br />
abhängig. Selbst in Deutschland<br />
finden sich regionale<br />
Unterschiede. So zeigt eine<br />
neue Studie der deutschen<br />
Versicherungswirtschaft,<br />
dass in Mecklenburg-Vorpommern<br />
viele Ältere ihre<br />
<strong>Leben</strong>squalität durch eine zu<br />
geringe Rente und wenig Teilhabe<br />
am gesellschaftlichen<br />
<strong>Leben</strong> eingeschränkt sehen.<br />
Senioren <strong>im</strong> Saarland kennen<br />
diese Sorgen nicht. Dafür gaben<br />
überdurchschnittlich<br />
viele Menschen in MV und<br />
Brandenburg an, das Gefühl<br />
zu haben, „gesund zu altern“.<br />
Alles in allem sind das also<br />
sehr positive Nachrichten<br />
fürs Alter. Dennoch will die<br />
Forschung bislang nicht von<br />
einem Happy End sprechen.<br />
Denn so genussvoll und aktiv<br />
diese Generation auch das<br />
<strong>Leben</strong> angeht, die letzten drei<br />
bis fünf Jahre vor dem Tod<br />
In Mecklenburg-<br />
Vorpommern und<br />
Brandenburg haben<br />
überdurchschnittlich<br />
viele Menschen das<br />
Gefühl, gesund zu altern.<br />
Im November 2018<br />
veröffentlichte Studie „Good<br />
Aging Index“ der deutschen<br />
Versicherungswirtschaft<br />
stehen offenbar noch einmal<br />
unter einem anderen Stern.<br />
Laut Studien werden diese<br />
Jahre bei vielen Menschen<br />
nach wie vor durch starke<br />
gesundheitliche Einschränkungen<br />
und zunehmende<br />
Hilfebedürftigkeit geprägt.<br />
„Es kommt zu einem<br />
deutlichen Absinken des individuellen<br />
Wohlbefindens,<br />
der Kontrollüberzeugung<br />
und vieler anderer wichtiger<br />
Faktoren“, erklärt die Berliner<br />
Psychologie-Professorin<br />
Jule Specht. „Daran hat sich<br />
in den letzten Jahrzehnten<br />
kaum etwas geändert. Obwohl<br />
wir <strong>im</strong>mer gesünder<br />
altern und ein relativ hohes<br />
Wohlbefinden <strong>im</strong> höheren<br />
Alter beibehalten können,<br />
sind diese letzten <strong>Leben</strong>sjahre<br />
<strong>im</strong>mer noch so beschwerlich<br />
wie vor mehreren Jahrzehnten.<br />
Wir konnten bisher<br />
nicht dazu beitragen, dass<br />
diese letzten Jahre <strong>im</strong> Durchschnitt<br />
leichter zu ertragen<br />
sind“, sagt sie. Aus ihrer Sicht<br />
haben Wissenschaft und Gesellschaft<br />
dieses Thema viel<br />
Foto: © Photographee.eu - Fotolia.com<br />
zu lange ignoriert. Die Menschen<br />
„müssen in dieser<br />
Phase enorme Belastungen<br />
verkraften: eigene schwere<br />
Erkrankungen, manchmal<br />
den Verlust des Partners oder<br />
der Partnerin und sind nicht<br />
zuletzt mit dem eigenen nahenden<br />
Tod konfrontiert“,<br />
sagt Jule Specht.<br />
Die Forscherin ist aber opt<strong>im</strong>istisch,<br />
dass zumindest<br />
für künftige Generationen<br />
die letzten <strong>Leben</strong>sjahre nicht<br />
mehr so beschwerlich sein<br />
werden. Die Wissenschaft<br />
habe dann „hoffentlich bessere<br />
Antworten darauf, „was<br />
in dieser letzten <strong>Leben</strong>sphase<br />
psychisch passiert und wie<br />
sie so gestaltet werden kann,<br />
dass es den Menschen gelingt,<br />
trotz des Alters ein soziales,<br />
selbstbest<strong>im</strong>mtes <strong>Leben</strong> zu<br />
führen.“<br />
Kontakt zur Autorin<br />
a.wegwerth@nordkurier.de<br />
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Menschen das Gefühl,<br />
ihr <strong>Leben</strong> unter Kontrolle<br />
zu haben. Be<strong>im</strong><br />
Verlust eines geliebten<br />
Wegbegleiters, beispielsweise<br />
dem Partner,<br />
scheint es jedoch<br />
umgekehrt zu sein. „Wir<br />
vermuten, dass Menschen<br />
mit hoher Kontrollüberzeugung<br />
der<br />
Meinung sind, selbst für<br />
alles verantwortlich zu<br />
sein und dadurch das<br />
Gefühl entsteht, sich<br />
vor sich selbst rechtfertigen<br />
zu müssen, dass<br />
sie nicht alles gegeben<br />
haben, das schl<strong>im</strong>me<br />
Ereignis, also den Tod<br />
abzuwenden oder<br />
hinauszuzögern“, sagt<br />
Psychologie-Professorin<br />
Jule Specht. „Wenn<br />
man mit dem Tod der<br />
Partnerin oder des<br />
Partners konfrontiert<br />
wird, ist es von Vorteil,<br />
wenn man anerkennt,<br />
dass man selbst nur<br />
einen begrenzten Einfluss<br />
auf das hat, was<br />
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SEITE 8 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Sexualität<br />
Kann denn Liebe<br />
Sünde sein?<br />
Der Mensch ist zum Mond geflogen, hat die Quantenphysik entdeckt und das Genom entschlüsselt.<br />
Doch so beeindruckend wendig und neugierig der menschliche Geist sein kann, so sehr kann er<br />
sich auch verschließen. In Sachen Sexualität <strong>im</strong> Alter ist die Erde jedenfalls noch eine Scheibe.<br />
Von Antje Wegwerth<br />
Neubrandenburg/Frankfurth/Main.<br />
Die Frage, ob es<br />
eine eigene Sexualität <strong>im</strong> Alter<br />
gibt, ist spannend – aber<br />
auch ein bisschen unbehaglich.<br />
Was mag da wohl kommen?<br />
Ratschläge, von denen<br />
man rote Ohren bekommt?<br />
Oder über die man doch eher<br />
schmunzeln muss? Nun,<br />
selbst wenn wir es wollten,<br />
wir könnten gar keine Tipps<br />
geben. Denn die traurige<br />
Wahrheit ist, über die Sexualität<br />
in der zweiten <strong>Leben</strong>shälfte<br />
ist so wenig bekannt,<br />
dass man schon von einem<br />
weißen Fleck sprechen muss.<br />
Das mag ein bisschen verwundern,<br />
denn eine Vorstellung<br />
davon, wie Int<strong>im</strong>ität <strong>im</strong><br />
Alter wohl aussehen wird,<br />
haben die meisten von uns<br />
schon. Das zumindest zeigen<br />
Studien. Viele Menschen glauben<br />
danach zum Beispiel, dass<br />
Sex <strong>im</strong> Alter praktisch kaum<br />
bis gar keine Rolle spielt.<br />
Andere wiederum sind überzeugt,<br />
die sexuellen Bedürfnisse<br />
werden zwar geringer,<br />
lassen sich aber „zum Besseren“<br />
therapieren. Manche<br />
vermuten auch, die Lust steige<br />
mit dem Alter an und wiederum<br />
andere glauben, die<br />
Sexualität sei durch eine viel<br />
stärkere emotionale und weniger<br />
durch eine körperliche<br />
Int<strong>im</strong>ität geprägt.<br />
Aber was st<strong>im</strong>mt? Alles?<br />
Oder gar nichts? Ehrlich gesagt,<br />
ab jetzt beginnt die<br />
Phase, in der die Forschung<br />
<strong>im</strong> Dunkeln tappt. Zum einen<br />
stehen die Wissenschaftler<br />
vor dem Problem, dass sie<br />
keine aussagekräftigen Studien<br />
zustandenbekommen,<br />
weil sie zu wenige Freiwillige<br />
finden, die ihre Fragebögen<br />
beantworten. Scham könnte<br />
dabei eine große Rolle spielen.<br />
Doch das ist nicht das<br />
einzige Hindernis, wie der<br />
Fall der deutschen Soziologin<br />
und Psychologin Ilka Quindeau<br />
verdeutlicht.<br />
Sie ist inzwischen Präsidentin<br />
der International<br />
Professorin Ilka Quindeau<br />
<br />
Foto: privat<br />
Psychoanalytic University in<br />
Berlin und hat sich zuvor in<br />
ihrer Zeit als Professorin für<br />
Klinische Psychologie an der<br />
Universität Frankfurt am<br />
Main einen Namen mit ihren<br />
Veröffentlichungen zur Sexualität<br />
gemacht.<br />
Doch als sie ein Forschungsvorhaben<br />
beantragte, das<br />
Alte Menschen halten<br />
entweder sich selbst<br />
häufig für asexuell<br />
oder fürchten, dass<br />
sexuelles Interesse<br />
in ihrem Alter unnormal<br />
und unpassend wäre.<br />
speziell der Frage nachgehen<br />
sollte, welche Bedeutung die<br />
Sexualität <strong>im</strong> Alter für die<br />
Partnerschaft hat, welche<br />
Wünsche und Ängste die<br />
Partner beschäftigen, flatterte<br />
ihr eine Absage ins Haus.<br />
Der Forschungsantrag wurde<br />
vom Bundesministerium für<br />
Bildung und Forschung mit<br />
der Begründung abgelehnt,<br />
eine solche Frage habe „keine<br />
gesellschaftliche Relevanz“.<br />
Warum werden ihre<br />
Forschungen zur Sexualität<br />
in der Blüte des <strong>Leben</strong>s gefördert<br />
und die <strong>im</strong> Alter nicht,<br />
fragte sich Quindeau, wenn<br />
doch so wenig über die Sexualität<br />
<strong>im</strong> Alter bekannt ist? Sie<br />
hat darauf nur eine plausible<br />
Antwort gefunden: Wenn die<br />
Sexualität einer ganzen Generation<br />
als „nicht relevant“<br />
bezeichnet werde, sei das sowohl<br />
eine Fehleinschätzung<br />
als auch ein Fall von „Altersdiskr<strong>im</strong>inierung.“<br />
Um das genauer zu untersuchen,<br />
wertete Ilka Quindeau<br />
Studien aus, die es zu<br />
diesem Thema bereits gab.<br />
Zunächst einmal fand sie in<br />
globalen Studien keine Belege<br />
dafür, dass Sexualität mit<br />
fortschreitendem Alter gar<br />
keine Rolle mehr spielt. Vielmehr<br />
gaben zum Beispiel in<br />
einer schwedischen Studie<br />
98 Prozent der Männer zwischen<br />
50 und 59 Jahren an,<br />
mindestens „etwas Interesse“<br />
an Sexualität zu haben,<br />
zwischen 70 und 80 Jahren<br />
lag der Prozentsatz noch bei<br />
72 Prozent. Frauen wurden in<br />
dieser Studie nicht befragt.<br />
Kann man daraus zumindest<br />
schließen, dass die<br />
Mehrheit der Männer ab der<br />
zweiten <strong>Leben</strong>shälfte nach<br />
wie vor Lust verspüren, aber<br />
weniger als in jungen Jahren?<br />
Quindeau rät zur Vorsicht bei<br />
solchen Schlüssen: Die Tabuisierung<br />
nach dem Motto „Es<br />
kann nicht sein, was nicht sein<br />
darf“ hätten möglicherweise<br />
auch die Befragten verinnerlicht.<br />
Alte Menschen „halten<br />
entweder sich selbst häufig<br />
für asexuell oder fürchten,<br />
dass sexuelles Interesse in<br />
ihrem Alter unnormal und<br />
unpassend wäre“, erklärt sie.<br />
Mit anderen Worten, mit zunehmenden<br />
Alter scheint es<br />
uns selbst wichtig zu werden,<br />
möglichst keine Bedürfnisse<br />
zu verspüren, weil wir das für<br />
normal halten.<br />
Neben dem Tabu <strong>im</strong> eigenen<br />
Kopf könne das abnehmende<br />
Interesse auch Folge<br />
Lesetipp: Ein indiskretes Fragebuch verlangt Antworten<br />
Wer sich fragt, wie seine<br />
Sexualität <strong>im</strong> Alter aussehen<br />
könnte, werde die<br />
Antwort darauf kaum bei<br />
einem Experten finden,<br />
sagt die Psychologin Ilka<br />
Quindeau <strong>im</strong> obigen Beitrag.<br />
Nicht, weil es keine<br />
Antworten darauf gebe,<br />
sondern weil wir sie am<br />
besten bei uns selbst<br />
finden, wenn wir uns fragen,<br />
welche Bedürfnisse<br />
wir denn bisher hatten.<br />
Doch möglicherweise ist<br />
das leichter gesagt, als<br />
getan. Wie oft fragen wir<br />
uns schon, was unsere<br />
eigenen Bedürfnisse sind<br />
oder die unseres Partners<br />
oder unser Partnerin?<br />
Wo fängt man da an?<br />
Der Psychoanlytiker<br />
Ulrich Clement hat in<br />
dem Wissen darum ein<br />
Buch veröffentlicht, das<br />
nichts anderes enthält, als<br />
Fragen an uns selbst. Die<br />
danach fragen, was wir in<br />
welchem Moment genossen,<br />
geliebt und begehrt<br />
haben. <br />
aw<br />
Ulrich Clement: Das indiskrete<br />
Fragebuch, 208 Seiten, 14 Euro<br />
ISBN: 978-3-0369-5792-0<br />
zunehmender Beeinträchtigungen<br />
der körperlichen und<br />
seelischen Gesundheit sein,<br />
wie Ilka Quindeau sagt. Ältere<br />
Menschen würden zum<br />
Beispiel häufiger an Depressionen<br />
leiden, die sich stark auf<br />
die Libido auswirken. Obwohl<br />
das bekannt und unbestritten<br />
ist, zeigt eine englische Studie<br />
jedoch, dass Mediziner zwar<br />
jüngere aber nicht ältere Menschen<br />
darüber aufklären, dass<br />
eine Depression sich negativ<br />
auf das Lustempfinden auswirke,<br />
genauso wie Schmerz.<br />
Durch die fehlende Thematisierung<br />
vermag der Einzelne<br />
kaum zu erkennen, was Ursache<br />
und was Wirkung ist.<br />
Wenn man Fantasien<br />
und Erinnerungen als<br />
maßgeblich für sexuelle<br />
Erregung betrachtet,<br />
kann es keine<br />
altersspezifische<br />
Sexualität geben.<br />
Hinzu kommen nach Einschätzung<br />
der Forscherin gesellschaftliche<br />
Vorstellungen,<br />
wonach Sexualität zwingend<br />
zum Orgasmus führen müsse<br />
(vor allem bei Männern) und<br />
nur junge Körper sexuell attraktiv<br />
seien (vor allem bei<br />
Frauen). Auch dieses jugendlich-potente<br />
Leitbild erschwere<br />
den Zugang zur eigenen<br />
Lust. Zummindest aus Sicht<br />
der Psychoanalyse sind Fantasien<br />
und Erinnerungen<br />
viel maßgeblicher für eine<br />
sexuelle Erregung — und die<br />
sind wohl von Paar zu Paar<br />
und Mensch zu Mensch sehr<br />
unterschiedlich. Insofern führe<br />
schon die Idee, dass es so<br />
etwas wie eine typische Alterssexualität<br />
geben könne, in die<br />
Irre, so Ilka Quindeau.<br />
Wer wissen will, wie seine<br />
Sexualität <strong>im</strong> Alter aussehen<br />
könnte, sollte sich am besten<br />
fragen, wie die eigenen Bedürfnisse<br />
denn bisher waren,<br />
rät Ilka Quindeau. Denn der<br />
wichtigste Faktor dafür, wie<br />
unsere Sexualität <strong>im</strong> Alter<br />
sein wird, sei der, wie wir<br />
auch schon in jungen Jahren<br />
geliebt haben; welchen Stellenwert<br />
die Sexualität in unserem<br />
<strong>Leben</strong> hatte.<br />
Literaturhinweis:<br />
Ilka Quindeau: Silver Sex. Gibt es eine<br />
altersspezifische Sexualität? Psychosozialverlag<br />
2016, Bestell-Nr.: 20451<br />
Kontakt zur Autorin<br />
a.wegwerth@nordkurier.de<br />
Was ein Paar um die 7<br />
Von Marlis Tautz<br />
Mit einem Tabubruch hatte<br />
Regisseur Andreas Dresen<br />
2008 eine kontroverse<br />
Debatte angestoßen. Lust<br />
<strong>im</strong> Alter funktioniert nicht<br />
nur als Komödie.<br />
Neubrandenburg. Liebe<br />
kennt kein Alter – wer<br />
diesen Satz hört, wird<br />
gewiss nicht zögern ihn<br />
abzunicken. Klar, in der<br />
Theorie, <strong>im</strong> Großen und<br />
Ganzen, glauben die meisten<br />
Menschen an die altersgrenzenlose<br />
– ja überhaupt<br />
grenzenlose – Liebe.<br />
Was aber, wenn‘s konkret<br />
wird? Wenn es um die Gefolgschaft<br />
der Liebe, um<br />
Begehren und Fleischeslust<br />
geht? Zum Beispiel<br />
auf der Kinoleinwand, die<br />
sich ja als Spiegel von <strong>Leben</strong><br />
und Traum versteht.<br />
Da bleibt das Liebesspiel<br />
mit glühenden Küssen<br />
und leidenschaftlichem<br />
Sex in den allermeisten<br />
Fällen den jüngeren und<br />
mittleren Jahrgängen,<br />
den straffen Leibern also,<br />
vorbehalten. Die älteren,<br />
welkenden dürfen gerade<br />
mal Händchenhalten — oh<br />
wie süß, so alt und <strong>im</strong>mer<br />
noch verliebt! Dass es den<br />
Betroffenen dabei erfahrungsgemäß<br />
doch – und<br />
<strong>im</strong>mer wieder – um mehr<br />
geht, erhält höchsten noch<br />
einen Platz in der komischen<br />
Nische.<br />
So wie gerade in dem<br />
Hollywood-Streifen „Book<br />
club“, der <strong>im</strong> Untertitel das<br />
vollmundige Versprechen<br />
abgibt „Das Beste kommt<br />
noch“. Er war <strong>im</strong> Herbst<br />
in die Kinos gekommen.<br />
Große Schauspielerinnen<br />
wie Jane Fonda (80), Diane<br />
Keaton (72), Mary Steenburger<br />
(65) und Candice<br />
Bergen (72) spielen vier<br />
Freundinnen Anfang 60,<br />
denen das Alter — wie<br />
könnte es anders sein —<br />
„Es hat mi<br />
dass die<br />
<strong>im</strong>mer äl<br />
aber<br />
dazugehö<br />
gibt – Lie<br />
hören<br />
best<strong>im</strong>m<br />
schein<br />
exist<br />
Regisseur A
SEITE 9<br />
Erfüllter Sex mit über 80:<br />
Geht das denn überhaupt?<br />
0 auf „Wolke 9“ bewirkt hat<br />
ch angeödet,<br />
Gesellschaft<br />
ter wird, es<br />
nicht die<br />
rigen Bilder<br />
be und Sex<br />
ab einem<br />
ten Alter<br />
bar auf zu<br />
ieren.“<br />
ndreas Dresen<br />
natürlich kaum anzusehen<br />
ist. Sie kennen sich schon<br />
ihr halbes <strong>Leben</strong> und treffen<br />
sich regelmäßig, um<br />
über Bücher zu plaudern.<br />
Eines Tages schleppt eine<br />
der Damen einen Sado-Maso-Bestseller<br />
an und erntet<br />
zunächst pikiertes Naserümpfen.<br />
Der Club diene<br />
dazu, „den Geist zu st<strong>im</strong>ulieren“<br />
und nicht irgendetwas<br />
anderes.<br />
Das ändert sich natürlich<br />
schlagartig. Das Quartett<br />
gerät in allerlei erotische<br />
Abenteuer, in denen<br />
die alten Ehemänner,<br />
Kabelbinder und Viagra<br />
ebenso vorkommen, wie<br />
Rendezvous und ein neuer<br />
Liebhaber. Denn das Beste<br />
kommt ja angeblich noch.<br />
Das alles ist unterhaltsam,<br />
ja durchaus witzig<br />
anzusehen und zeigt vor<br />
allem, wie gut es ist, auch<br />
mit grauem Haar noch<br />
über sich selbst lachen zu<br />
können. Viel rosaroter Zuckerguss<br />
für die Liebe Ü60.<br />
Leichte Kost.<br />
Ganz anders der Film<br />
„Wolke 9“, mit dem der<br />
deutsche Regisseur Andreas<br />
Dresen 2008 für Aufsehen<br />
gesorgt hatte. Er erzählt,<br />
wie sich Inge (Ursula<br />
Werner, Jahrgang 1943),<br />
<strong>im</strong> Film Ende 60, nach<br />
mehr als 30 Ehejahren in<br />
den 76-jährigen Karl (Horst<br />
Westphal, Jahrgang 1929)<br />
verliebt. Mit allem, was an<br />
Körperlichkeit dazu gehört.<br />
Von Anfang an macht<br />
der Film klar, dass er keine<br />
Tabus duldet. Er beginnt<br />
mit einer Bettszene. Kein<br />
Violinen-Crescendo, kein<br />
Weichzeichner, kein gnädiges<br />
Abblenden: Die Sequenz<br />
zeigt ohne Scheu Sex Ü60<br />
mit all den Falten, die kaum<br />
jemand freiwillig zeigen<br />
mag, und die — ja auch<br />
das — nur wenige gern<br />
anschauen wollen. Das<br />
Publikum war gefordert,<br />
in weiten Teilen aber auch<br />
Foto: © bernardbodo - Fotolia.com<br />
fasziniert. Zumal die Protagonisten<br />
ihr Tun selbst<br />
mit einem Schuss Ironie<br />
betrachten.<br />
Bei Festivals hatten Andreas<br />
Dresen und seine Crew<br />
viel Lob erfahren. Die Motivation,<br />
sich des Themas<br />
anzunehmen, beschrieb der<br />
Regisseur so: „Es hat mich<br />
angeödet, dass die Gesellschaft<br />
<strong>im</strong>mer älter wird,<br />
es aber nicht die dazugehörigen<br />
Bilder gibt – Liebe<br />
und Sex hören ab einem<br />
best<strong>im</strong>mten Alter scheinbar<br />
auf zu existieren.“ In<br />
den Köpfen halte sich das<br />
Klischee, dass Liebe <strong>im</strong> Rentenalter<br />
schwer vorstellbar<br />
sei. „Besonders, dass Menschen,<br />
die deutlich älter<br />
sind als man selbst, überhaupt<br />
noch Sex haben.“<br />
„Wolke 9“ hat geholfen,<br />
daran behutsam etwas zu<br />
ändern.<br />
Kontakt zur Autorin<br />
m.tautz@nordkurier.de<br />
Der Templiner Urologe<br />
Thomas Herrmann kennt<br />
viele Männer, die mit<br />
Potenzproblemen zu ihm<br />
kommen. Das kann schon<br />
mal passieren. Hauptsache,<br />
man spricht über das<br />
Problem, erklärt der<br />
Mediziner <strong>im</strong> Interview mit<br />
Frank Wilhelm.<br />
Können Mann und Frau<br />
denn wirklich noch mit mehr<br />
als 80 Jahren Sex haben?<br />
Auf jeden Fall, be<strong>im</strong> Sex gibt<br />
es keine Altersbeschränkung.<br />
Ich kenne den einen oder anderen<br />
Senior in dem Alter,<br />
der noch Freude <strong>im</strong> Bett hat.<br />
Es n<strong>im</strong>mt aber mit zunehmendem<br />
Alter ab.<br />
Warum?<br />
Weil <strong>im</strong>mer mehr Krankheiten<br />
in den Vordergrund<br />
rücken, die die Gesundheit<br />
– und damit auch die sexuelle<br />
Leistungsfähigkeit – einschränken.<br />
Dafür gibt es doch dann aber<br />
die berühmte blaue Pille<br />
namens Viagra?<br />
Gerade wenn man schon diverse<br />
andere Krankheiten mit<br />
sich herumschleppt, kann die<br />
Einnahme von Viagra gefährlich<br />
werden. Deshalb rate ich<br />
auch dringend davon ab, Viagra<br />
und andere Potenzmittel<br />
ohne medizinische Beratung<br />
einzunehmen.<br />
15<br />
...bis 20% der<br />
65-Jährigen kämpfen<br />
mit Erektionsproblemen.<br />
Bei den 40-Jährigen<br />
sind es nach Angaben<br />
von Urologen 1 bis 2%.<br />
Thomas Herrmann, Urologe<br />
Templin Foto: Frank Wilhelm<br />
Zwei Klicks am Computer<br />
und ich kann mir Viagra<br />
auch <strong>im</strong> Internet kaufen,<br />
ohne Rezept. Warum soll ich<br />
noch zum Arzt gehen?<br />
Ich rate dringend davon<br />
ab, sich Viagra auf dem<br />
Schwarzmarkt zu beschaffen.<br />
In Deutschland gibt es<br />
eine Rezeptpflicht für dieses<br />
Medikament. Das hat seinen<br />
guten Grund: Viagra fördert<br />
die Durchblutung <strong>im</strong> Beckenbereich.<br />
Das birgt insbesondere<br />
für Männer mit Herzund<br />
Kreislaufkrankheiten<br />
Risiken. Ein Mediziner kann<br />
einschätzen, ob Viagra ohne<br />
Gefahr eingenommen werden<br />
kann. Der Arzt ist auch<br />
in der Lage, mögliche Nebenwirkung<br />
mit anderen Medikamenten<br />
einzuschätzen,<br />
was insbesondere für ältere<br />
Menschen, die täglich viele<br />
Tabletten zu sich nehmen,<br />
wichtig ist.<br />
Sie arbeiten etwa 30 Jahre<br />
als Urologe. Ist das Thema<br />
Sex <strong>im</strong> Alter <strong>im</strong>mer noch<br />
ein Tabu?<br />
Nicht mehr so wie früher. Die<br />
Hemmschwelle bei Männern,<br />
über dieses Thema zu sprechen,<br />
ist gesunken. Trotzdem,<br />
wenn ich die Männer<br />
frage, was ihre Frau zu ihrem<br />
Potenzproblem sagt, höre ich<br />
oft: Das habe ich ihr noch gar<br />
nicht erzählt. Die Partner<br />
sollten über solche Probleme<br />
sprechen. Ich als Urologe<br />
habe ab und an auch Frau<br />
und Mann zusammen zur<br />
Beratung in der Praxis sitzen.<br />
Ich rate dringend davon<br />
ab, Viagra oder andere<br />
Potenzmittel ohne<br />
medizinische Beratung<br />
einzunehmen.<br />
Wann sollte ich Sie denn<br />
konsultieren?<br />
Zu mir kommen Leute, die<br />
erst sechs Wochen Probleme<br />
habe. Dann sollte man noch<br />
abwarten. Wenn die Potenzprobleme<br />
ein halbes Jahr<br />
existent sind, empfehlen sich<br />
eine Untersuchung und Beratung.<br />
Oft sind es „nur“ Stresssituationen,<br />
die verhindern,<br />
1998<br />
...kam Viagra auf den<br />
Markt und wurde als<br />
Wundermittel gegen<br />
Potenzprobleme<br />
berühmt. Heute gibt es<br />
eine Vielzahl Präparate.<br />
dass Mann zuverlässig kann.<br />
Wenn der Stress weg ist, ist<br />
die Potenz oft auch wieder da.<br />
Können Sie Männern, bei<br />
denen <strong>im</strong> Bett nichts mehr<br />
geht, auch wirklich helfen?<br />
Auf jeden Fall. Drei Monate<br />
nach dem Beratungsgespräch<br />
lade ich die Männer in der<br />
Regel wieder ein. Dann höre<br />
ich oft: Das Mittel hat super<br />
gewirkt. Ich habe keine Problem<br />
mehr. Ich brauche auch<br />
gar kein Viagra mehr.<br />
Wer zahlt bei Potenzproblemen?<br />
Die Krankenkasse?<br />
Leider nicht. Für die medizinische<br />
Beratung und die<br />
Medikamente müssen die<br />
Patienten selbst aufkommen.<br />
Zum Glück sind nicht<br />
mehr nur die sündhaft teuren<br />
Originalpräparate auf<br />
dem Markt. Früher kostete<br />
eine Viagra-Tablette noch<br />
15 Euro. Heute liegt der Preis<br />
bei vier bis fünf Euro.<br />
Wie viele Pillen braucht<br />
Mann denn, um zum Glück<br />
zu kommen?<br />
Viagra gibt es in unterschiedlichen<br />
Größen. Ich empfehle<br />
in der Regel, mit einer halben<br />
100-Milligramm-Tablette anzufangen.<br />
Die sollte eine halbe<br />
bis eine Stunde nach der<br />
Einnahme ihre Wirkung entfalten.<br />
Und wenn nicht, einfach<br />
noch zwei weitere Pillen einwerfen?<br />
Um Gottes Willen nein. Setzt<br />
die erhoffte Wirkung nicht<br />
ein, kann man noch die andere<br />
Hälfte nehmen. Dann<br />
sollte aber Schluss sein.<br />
Wir haben bislang nur über<br />
Medikamente als Hilfsmittel<br />
gesprochen. Unterstützt denn<br />
auch eine gesunde <strong>Leben</strong>sweise<br />
unser Sexualleben?<br />
Unbedingt. Das verhält sich<br />
genauso wie mit der allgemeinen<br />
Leistungsfähigkeit<br />
des Menschen. Sport und<br />
ausgewogene Ernährung sind<br />
wichtig. Rauchen ist dagegen<br />
ein Potenzkiller, genauso wie<br />
Drogen und übermäßiger Alkoholgenuss.<br />
20<br />
...Prozent der Frauen<br />
haben zeitweise mit<br />
Scheidentrockenheit zu<br />
tun. Behandlungsbedarf<br />
besteht erst bei länger<br />
anhaltenden Problemen.<br />
Im Spielfilm „Wolke 9“ von 2008 verlieben sich Inge (Ursula Werner) und Karl (Horst Westphal)<br />
ineinander — mit allem, was dazu gehört. <br />
Foto: Senator
SEITE 10 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Pausentaste<br />
Schon mal über eine Auszeit<br />
vor der Rente nachgedacht?<br />
Schreibtisch gegen Hängematte eintauschen? Wer ein Sabbatical plant, muss vorab einiges beachten und organisieren. Foto: Stefanie Päffgen<br />
Von Christina Bachmann<br />
Mal rauskommen aus dem<br />
Job und was ganz anderes<br />
machen — von einem<br />
Sabbatjahr träumen viele<br />
Beschäftigte. Den Chef<br />
zu überzeugen ist nur der<br />
erste Schritt. Danach muss<br />
gründlich kalkuliert werden.<br />
Wichtig: Die Versicherungen<br />
nicht vergessen!<br />
Potsdam/Berlin. Das typische<br />
Sabbatjahr ist eigentlich kein<br />
Jahr. Die meisten nehmen<br />
sich in Deutschland drei bis<br />
sechs Monate lang eine Auszeit,<br />
sagt der Arbeitszeitberater<br />
Andreas Hoff aus Potsdam.<br />
Manche Arbeitgeber<br />
bieten diese Möglichkeit ganz<br />
offensiv an, bei anderen müssen<br />
die Arbeitnehmer Überzeugungsarbeit<br />
leisten.<br />
Die Gründe für einen zeitweisen<br />
Ausstieg sind vielfältig:<br />
langgehegte Wünsche,<br />
wie eine große Reise; mehr<br />
Zeit für ihre Familie; die<br />
Chance, die Akkus wieder<br />
aufzuladen. Manchen geht<br />
es aber auch um Arbeit: „Sie<br />
nehmen eine Auszeit, um ein<br />
großes Projekt zu realisieren“,<br />
sagt Sabbatical-Coach<br />
Andrea Oder aus Berlin.<br />
Einen Rechtsanspruch auf<br />
ein Sabbatical gibt es nicht,<br />
aber doch Möglichkeiten, den<br />
Chef davon zu überzeugen.<br />
Dafür hilft es, sich vorher zu<br />
fragen: Was verspreche ich<br />
mir davon? Gibt es da etwas,<br />
was für meinen Arbeitgeber<br />
von Interesse ist? Falls jemand<br />
verhindern möchte, ins<br />
Burnout zu rutschen, hätte<br />
auch die Firma etwas davon.<br />
Wer sich sozial engagieren<br />
oder Sprachkenntnisse<br />
erwerben will, hat bei manchen<br />
Arbeitgebern ebenfalls<br />
gute Karten. Vorm Gespräch<br />
mit dem Chef sollte klar<br />
sein, wann genau die Auszeit<br />
stattfinden soll, und wie der<br />
Arbeitsausfall zu kompensieren<br />
wäre. Eine Vereinbarung<br />
sollte schriftlich festgehalten<br />
werden. Ganz wichtig sei,<br />
dass der Mitarbeiter auf denselben<br />
Arbeitsplatz zurückkommen<br />
kann, sagt die Beraterin.<br />
Deshalb beließen es<br />
die meisten bei eher kurzen<br />
Sabbaticals. „Längere Sabbaticals<br />
würde ich <strong>im</strong>mer nur<br />
zwischen zwei Positionen machen,<br />
wenn das gerade passt.“<br />
Möglichkeiten, den befristeten<br />
Ausstieg zu gestalten,<br />
gibt es viele. Etwa die Blockteilzeit:<br />
Für ein dre<strong>im</strong>onatiges<br />
Sabbatical zum Beispiel<br />
wird für ein Jahr 75 Prozent<br />
Teilzeit ausgehandelt. „Dann<br />
arbeiten Sie neun Monate voll<br />
und drei Monate gar nicht<br />
und kriegen die ganze Zeit<br />
75 Prozent gezahlt“, erklärt<br />
Andrea Hoff. Für kürzere<br />
Sabbaticals eignet sich diese<br />
Variante, weil man durchgehend<br />
kranken- und sozialversichert<br />
ist.<br />
Eine andere Möglichkeit<br />
ist unbezahlter Urlaub. Damit<br />
lässt sich die Auszeit<br />
schneller organisieren, wirkt<br />
dafür nachteilig auf die Rente.<br />
Und der Betreffende muss<br />
sich selbst um Kranken- und<br />
Pflegeversicherung kümmern.<br />
Wer bisher gesetzlich<br />
versichert war, kann sich in<br />
der Sabbatzeit freiwillig gesetzlich<br />
versichern. Der Beitrag<br />
wird individuell berechnet,<br />
liegt aber bei mindestens<br />
180 Euro pro Monat. Eine<br />
private Krankenversicherung<br />
lohnt sich eventuell für jüngere,<br />
gesunde Arbeitnehmer.<br />
Ann Marini vom GKV-Spitzenverband<br />
rät, früh Kontakt<br />
mit der Krankenkasse aufzunehmen.<br />
Mit vielen Ländern<br />
bestehen Sozialversicherungsabkommen.<br />
Woanders<br />
ist eine Auslandskrankenversicherung<br />
nötig.<br />
Wer andere Versicherungsbeiträge<br />
nicht weiterzahlen<br />
kann oder will, sollte den Versicherer<br />
ansprechen. Nach<br />
Auskunft des Gesamtverbandes<br />
der Deutschen Versicherungswirtschaft<br />
ist bei einer<br />
<strong>Leben</strong>sversicherung nach<br />
zwei bis drei Jahren Laufzeit<br />
eine Beitragsfreistellung<br />
möglich. Ruhen darf der Vertrag<br />
in der Regel max<strong>im</strong>al ein<br />
Jahr. Jedoch verringern sich<br />
Risikoschutz und Versicherungssumme<br />
erheblich.<br />
Ein weiteres Sabbat-Modell<br />
sind Zeitwertkonten, bei<br />
denen zum Beispiel Urlaubsgeld,<br />
Überstunden oder Zuschläge<br />
eingezahlt werden<br />
Freizeitforscher:<br />
Berufliche Auszeiten sind <strong>im</strong> Trend<br />
Eine berufliche Auszeit zu nehmen, ist bei Arbeitnehmern<br />
in Deutschland nach Expertenansicht <strong>im</strong> Trend.<br />
„Sabbaticals werden in weiten Teilen der Bevölkerung<br />
<strong>im</strong>mer beliebter“, sagt Prof. Ulrich Reinhardt von der<br />
Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. Viele würden<br />
gerne für eine längere Auszeit Überstunden oder<br />
Urlaubstage ansparen können: Das gelte für mehr als<br />
zwei Drittel der Gesamtbevölkerung und vier von fünf<br />
Vertretern der sogenannten Generation Y — also den<br />
zwischen den frühen 80ern-Jahren und der Jahrtausendwende<br />
geborenen Menschen. „Häufig geäußerte<br />
Wünsche für eine Auszeit sind, einfach mal Zeit für<br />
sich, für Hobbys und Reisen zu haben“, erklärt Ullrich<br />
Reinhardt. Nur wenige wollten Sabbaticals nutzen, um<br />
ihre berufliche Karriere zu fördern oder neu durchzustarten.<br />
Ein Sabbatical gleiche dem Ausbrechen aus<br />
der Eintönigkeit des Alltags. Wichtig dabei sei aber<br />
auch die Sicherheit: Denn viele kehren nach einer Auszeit<br />
zurück in ihr „altes“ <strong>Leben</strong>.<br />
können, erklärt Andrea<br />
Hoff. „Es ist relativ aufwendig,<br />
denn es muss Insolvenzschutz<br />
geben, der Arbeitgeber<br />
muss eine Verzinsung garantieren“,<br />
davor scheuten gerade<br />
kleinere Betriebe zurück.<br />
Für welche Variante man<br />
sich auch entscheidet, ein<br />
finanzieller Puffer ist <strong>im</strong>mer<br />
hilfreich, sagt Sabbatical-Coach<br />
Andrea Oder. Wer<br />
eine Auszeit plant, sollte sich<br />
fragen: „Was kann ich monatlich<br />
zurücklegen?“ Dann<br />
eröffnet der Aussteiger ein<br />
separates Konto und richtet<br />
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Tag und Nacht
FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 11<br />
Barrierefreiheit<br />
Vorbeugen ist besser als nachrüsten<br />
Mit Weitsicht und guter Planung lassen sich die eigenen vier Wände so gestalten,<br />
dass sie bis ins hohe Alter als schönes und komfortables Zuhause dienen können.<br />
Von Katja Fischer<br />
Berlin/Bonn. Bis ins hohe<br />
Alter <strong>im</strong> eigenen Haus wohnen<br />
– das wünschen sich<br />
viele Menschen. „Mit etwas<br />
Weitsicht und guter Planung<br />
können Bauherren ihre Immobilie<br />
von vornherein barrierefrei<br />
errichten“, sagt Eva<br />
Reinhold-Postina vom Verband<br />
Privater Bauherren in<br />
Berlin. „Das ist oft möglich,<br />
ohne die Baukosten nennenswert<br />
zu erhöhen. Auch Komfort<br />
und Ausstrahlung müssen<br />
nicht darunter leiden.“<br />
Stufen am Eingang<br />
„Stufen am Eingang oder <strong>im</strong><br />
Garten können zu Hindernisse<br />
werden.“ Sie zur Schräge<br />
umzubauen, braucht Platz.<br />
Der Verband Privater Bauherren<br />
rechnet vor: Ein Gefälle<br />
von sechs Prozent be<strong>im</strong><br />
Ersatz einer 16 Zent<strong>im</strong>eter<br />
hohen Eingangsstufe hätte<br />
eine Rampenlänge von rund<br />
2,67 Metern zur Folge. Viele<br />
Häuser haben sogar zwei oder<br />
drei Stufen. Erhard Hackler<br />
von der Deutschen Seniorenliga<br />
in Bonn rät, von vornherein<br />
Schrägen statt Stufen<br />
einzuplanen. „Wo es geht,<br />
möglichst ebenerdig bauen.“<br />
Enge Türen<br />
Türen sollten breit genug sein<br />
für Rollstühle. „Das Idealmaß<br />
sind 90 Zent<strong>im</strong>eter“, erklärt<br />
Reinhold-Postina. Umsichtige<br />
Bauherren planen vor allen<br />
Türen <strong>im</strong> Haus eine Fläche<br />
von 1,50 mal 1,50 Meter ein.<br />
Den Platz brauchen Rollstuhlfahrer<br />
zum Rangieren.<br />
Steile Treppen<br />
Enge, steile Treppen sind<br />
schon für jüngere Leute nervig.<br />
Im Alter kommt Sturzgefahr<br />
hinzu. „Statt einer<br />
schicken Wendeltreppe ist<br />
es ratsam, eine einfache und<br />
breite Treppenform zu wählen<br />
und sie blendfrei auszuleuchten.<br />
Handläufe an beiden<br />
Seiten geben zusätzliche<br />
Sicherheit“, rät Reinhold-<br />
Postina.<br />
Ausreichend Steckdosen<br />
Ältere Häuser haben zu wenige<br />
Steckdosen, da sie nach<br />
dem Bedarf vor 20, 30 Jahren<br />
konzipiert wurden. Wer<br />
heute ein Haus baut oder<br />
modernisiert, sollte an jedem<br />
Wandabschnitt mindestens<br />
eine Doppelsteckdose vorsehen.<br />
„So müssen später keine<br />
Verlängerungskabel verlegt<br />
werden, die eine Stolpergefahr<br />
darstellen“, sagt Michael<br />
Conradi von der HEA – Fachgemeinschaft<br />
für effiziente<br />
Energieanwendung in Berlin.<br />
Stufen am Eingang oder<br />
<strong>im</strong> Garten können zu<br />
Hindernissen werden.<br />
Wo es geht, möglichst<br />
ebenerdig bauen.<br />
Erhard Hackler von der<br />
Deutschen Seniorenliga<br />
In Zukunft werden eher mehr<br />
Elektroanschlüsse benötigt,<br />
zur Vernetzung von Computern<br />
und Hausgeräten ebenso<br />
wie für Assistenzsysteme.<br />
„All diese Systeme sind mit<br />
dem elektrischen Leitungsnetz<br />
verbunden, das auf die<br />
Bedürfnisse der Bewohner<br />
Wer lange <strong>im</strong> eigenen Zuhause leben möchte, sollte die eigenen vier Wände und auch den<br />
Gartenbereich möglichst barrierefrei gestalten.<br />
Foto: Westend61/Rainer Berg<br />
ausgelegt sein muss“, sagt<br />
Conradi. Um für zukünftige<br />
Anwendungen gerüstet zu<br />
sein, empfiehlt er, Leerrohre<br />
zu verlegen, die elektrische<br />
Leitungen nachträglich aufnehmen<br />
können.<br />
Bodengleiche Dusche<br />
Im Bad sollte man früh an<br />
eine bodengleiche Dusche<br />
denken. Älteren fällt es<br />
schwer, Duschen mit hohem<br />
Einstieg zu benutzen. „Auch<br />
dabei muss der größere Platzbedarf<br />
berücksichtigt werden.<br />
Für Rollstuhlfahrer 1,50<br />
mal 1,50 Meter, mindestens<br />
jedoch 1,20 mal 1,20 Meter“,<br />
sagt Reinhold-Postina. Zudem<br />
empfiehlt er in Nass- und<br />
Außenbereichen sowie der<br />
Küche Fliesen der Rutschfestigkeitsklassen<br />
R10 bis R12.<br />
Flexibilität in der Küche<br />
Auch hier ist vorbeugen besser<br />
als nachrüsten. „Höhenverstellbare<br />
Küchenschränke,<br />
Arbeitsflächen, an denen<br />
man <strong>im</strong> Sitzen arbeiten kann,<br />
ein absenkbares Kochfeld<br />
– auf diesen Komfort sollte<br />
man be<strong>im</strong> Küchenkauf achten.<br />
Dann muss <strong>im</strong> Fall der<br />
Fälle keine neue Küche her“,<br />
erklärt Hackler.<br />
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SEITE 12 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Vorsorge<br />
Damit <strong>im</strong> Alter das Geld reicht<br />
Von Falk Zielke<br />
und Isabelle Modler<br />
Es gibt eine Flut von<br />
Möglichkeiten, für das Alter<br />
vorzusorgen. Aber welche<br />
haben Sinn? Das kann von<br />
Fall zu Fall unterschiedlich<br />
sein. Darum sollte ein<br />
Rentenberater bei der<br />
Entscheidung helfen, ein<br />
unabhängiger wohlgemerkt.<br />
Berlin. Längst steht fest:<br />
Die gesetzliche Rente allein<br />
reicht nicht mehr. „Um die<br />
Einschnitte des Gesetzgebers<br />
auszugleichen, sollte jeder<br />
zusätzlich eine private oder<br />
betriebliche Altersvorsorge<br />
abschließen“, rät Manuela<br />
Budewell von der Deutschen<br />
Rentenversicherung Bund.<br />
Also stellt sich die Frage: Riestern,<br />
Fondssparen oder eine<br />
private Rentenversicherung<br />
abschließen?<br />
Es gibt eine Flut an Produkten,<br />
um für das Alter vorzusorgen.<br />
Was für den Einzelnen<br />
das Richtige ist, ist eine sehr<br />
individuelle Entscheidung.<br />
„Dadurch sind die Anforderungen<br />
an die Rentenberatung,<br />
aber auch an den einzelnen<br />
Verbraucher gewachsen“,<br />
sagt Bernd Brückmann von<br />
der Stiftung Warentest. Zum<br />
Teil haben die Menschen mehrere<br />
Verträge. „Gerade dann<br />
ist es für sie schwer zu erkennen,<br />
wie hoch die Rente<br />
ausfällt, und ob sie <strong>im</strong> Alter<br />
reicht.“ Ein Rentenberater<br />
kann helfen.<br />
Unterstützung findet man<br />
etwa bei der Deutschen Rentenversicherung<br />
Bund, bei<br />
den Verbraucherzentralen<br />
oder bei einem Honorarberater.<br />
Wer bereits einen Vorsorgevertrag<br />
hat, bekommt meist<br />
auch eine Beratung bei dem<br />
Vermittler.<br />
Auch sonst informieren<br />
Mitarbeiter von Banken und<br />
Versicherungen über Produkte<br />
– oft aber nicht produktunabhängig<br />
und nur scheinbar<br />
kostenlos. „In der Regel kassieren<br />
die Anbieter bei erfolgreichem<br />
Vertragsabschluss<br />
eine Provision“, erklärt Ralf<br />
Scherfling von der Verbraucherzentrale<br />
NRW. Er empfiehlt<br />
produktunabhängige<br />
Berater.<br />
Diese sollten laut Brückmann<br />
alle Anwartschaften<br />
erfassen und bei den Berechnungen<br />
Steuern und Sozialausgaben<br />
für die Anspar- und<br />
Viele Menschen denken mit Sorge an die Rente und fragen, ob das Einkommen dann noch reichen wird. Fürs Alter vorzusorgen, ist<br />
derzeit nicht einfach. Sichere Anlagen werfen angesichts niedriger Zinsen einfach zu wenig ab.<br />
Foto: Christin Klose<br />
Experten: Wer sein Geld vermehren will, wird um Aktien kaum herumkommen<br />
Für <strong>Leben</strong>sversicherungen<br />
gibt es keine Garantien<br />
mehr, langfristige Sparverträge<br />
mit guten Zinsen<br />
werden gekündigt, und<br />
Bausparer sollen gute alte<br />
gegen neue schlechtere<br />
Verträge eintauschen.<br />
Sogar den Pensionskassen<br />
bereiten die niedrigen<br />
Zinsen Probleme, wie Niels<br />
Nauhauser, Finanzexperte<br />
der Verbraucherzentrale<br />
Baden-Württemberg in<br />
die Auszahlphase berücksichtigen.<br />
„Idealerweise erhalten<br />
Verbraucher am Ende eine<br />
Übersicht, die sie mit nach<br />
Hause nehmen können.“<br />
Bei der Deutschen Rentenversicherung<br />
Bund können<br />
Verbraucher einen Termin<br />
telefonisch oder online vereinbaren.<br />
Die Berater berechnen<br />
die voraussichtliche Höhe<br />
der Rente sowie die Rentenlücke<br />
und geben einen Überblick<br />
über Vorsorgemodelle.<br />
Diese Beratung ist kostenlos<br />
und produktneutral. „So besteht<br />
nicht die Gefahr, dass<br />
man mit einem Vertrag rauskommt,<br />
den man gar nicht<br />
Stuttgart sagt. Wie kann<br />
die Altersvorsorge da<br />
gelingen? Wer sein Geld<br />
langfristig vermehren will,<br />
wird um ein wenig mehr<br />
Risiko <strong>im</strong> Depot kaum<br />
herumkommen. Langfristig<br />
machen Anleger mit<br />
Aktien meist Plus. „Das gilt<br />
vor allem für Aktienindizes<br />
wie den Dax“, erklärt<br />
Lothar Koch, Leiter des<br />
Portfoliomanagements<br />
bei der GSAM + Spee<br />
haben will“, sagt Brückmann.<br />
Doch auch diese Beratung hat<br />
ihre Grenzen. „Wir sind zur<br />
Neutralität verpflichtet und<br />
dürfen keine konkreten Produktempfehlungen<br />
geben“,<br />
sagt Budewell.<br />
Asset Management AG in<br />
Düsseldorf. „Selbst nach<br />
den stärksten Kursverlusten<br />
Anfang der 2000er-<br />
Jahre war der Dax nach<br />
15 Jahren des Haltens bei<br />
einem Plus von 3,5 Prozent<br />
Rendite pro Jahr.“<br />
Sein Tipp: Wer mit Kursschwankungen<br />
leben kann,<br />
kauft einen kostengünstigen,<br />
passiven Indexfonds<br />
(ETF) und hält ihn lange.<br />
Ein Mix aus sicheren und<br />
Gut vorbereitet<br />
zum Berater gehen<br />
Brückmann hat als Projektleiter<br />
die Leistungen von Rentenberatern<br />
untersucht. Fazit<br />
der Stichprobe: Die Qualität<br />
variiert stark. Umso wichtiger,<br />
dass sich Verbraucher auf das<br />
Gespräch gut vorbereiten.<br />
Eine erste Orientierung<br />
bietet die Renteninformation.<br />
Die erhalten Arbeitnehmer<br />
meist ab 27 Jahren. „Darin<br />
steht, welche Ansprüche<br />
man bis dato erworben hat<br />
und wie hoch die Rente bei<br />
gleichbleibenden Einzahlungen<br />
voraussichtlich ausfällt“,<br />
erklärt Budewell. Wichtig:<br />
Der Versicherungsverlauf auf<br />
dem Konto muss vollständig<br />
sein. „Für die Rente zählt jeder<br />
Monat, in dem man in<br />
die gesetzliche Rentenversicherung<br />
eingezahlt hat“, sagt<br />
Budewell.<br />
Sollten Zeiten fehlen, empfiehlt<br />
sie, vorab einen Antrag<br />
auf Rentenkontoklärung zu<br />
stellen oder entsprechende<br />
chancenreichen Investments<br />
hilft bei der Altersvorsorge,<br />
das Risiko zu<br />
händeln. „Die Altersvorsorge<br />
sollte auf mehrere<br />
Säulen verteilt werden“,<br />
rät Andreas Görler, Vermögensberater<br />
bei der Wellinvest-<br />
Pruschke & Kalm<br />
GmbH. Wichtige Standbeine<br />
sind aus seiner Sicht<br />
nach wie vor die gesetzliche<br />
Rente und die betriebliche<br />
Altersvorsorge.<br />
Unterlagen und Nachweise<br />
zum Termin mitzunehmen.<br />
Wer seine Daten überprüft<br />
hat und seine voraussichtliche<br />
gesetzliche Rente kennt, muss<br />
seinen Finanzbedarf <strong>im</strong> Alter<br />
ermitteln. Die Faustregel<br />
lautet: 80 bis 85 Prozent des<br />
letzten Nettoverdiensts sollten<br />
einem als Nettorente zur<br />
Verfügung stehen. Ansonsten<br />
sprechen Experten von einer<br />
Rentenlücke.<br />
„Noch besser ist es, wenn<br />
man individuell durchrechnet,<br />
wie viel Geld man <strong>im</strong> Alter<br />
braucht“, rät Scherfling.<br />
Schließlich können Ausgaben<br />
wegfallen, etwa für Versicherungen<br />
oder Arbeitswege.<br />
Oder Kosten kommen<br />
hinzu, etwa für Reisen oder<br />
die Unterstützung der Enkel.<br />
Hilfreich ist es, vorab zu überlegen,<br />
wie viel Geld man pro<br />
Monat für die Altersvorsorge<br />
beiseitelegen kann. „Außerdem<br />
sollte man sich erkundigen,<br />
was der Arbeitgeber <strong>im</strong><br />
Bereich Altersvorsorge anbietet“,<br />
empfiehlt Budewell.<br />
Sind die Eckdaten klar,<br />
kann es zum Berater gehen.<br />
Unbedingt die aktuellen<br />
Standmitteilungen der gesetzlichen<br />
Rentenversicherung<br />
mitnehmen. Wer bereits private,<br />
betriebliche oder staatlich<br />
geförderte Vorsorgeverträge<br />
abgeschlossen hat, sollte die<br />
Unterlagen mitnehmen, ebenso<br />
den letzten Steuerbescheid<br />
und Gehaltsabrechnungen.<br />
„Notieren Sie vorab die wichtigsten<br />
Fragen und haken Sie<br />
nach, wenn Sie etwas nicht<br />
verstehen“, rät Brückmann.<br />
So früh wie möglich mit<br />
dem Sparen beginnen<br />
Mit dem Thema Rente sollten<br />
sich Verbraucher so früh wie<br />
möglich beschäftigen. „Denn<br />
je später sie beginnen, umso<br />
höher müssen die monatlichen<br />
Sparraten ausfallen“,<br />
erklärt Scherfling. Allerdings<br />
sollten sie die Entscheidung<br />
auch nicht überstürzen. „Eine<br />
Fehlentscheidung kann später<br />
<strong>im</strong> Alter mehrere tausend bis<br />
zehntausend Euro Einbußen<br />
bedeuten“, warnt er.<br />
Wissen Verbraucher, welches<br />
Vorsorgemodell zu ihnen<br />
passt, können sie nach Anbietern<br />
suchen. Die Stiftung<br />
Warentest bewertet regelmäßig<br />
Vorsorgeprodukte. Scherfling<br />
rät: „Holen Sie sich von<br />
mehreren Banken und Versicherungen<br />
Angebote, die zu<br />
Ihrer Situation passen.“ Man<br />
kann auch die Verbraucherzentrale<br />
oder einen neutralen<br />
Honorarberater konsultieren.<br />
Hier erhält man gegen Gebühr<br />
eine neutrale Bewertung.<br />
„Ein guter Berater versucht<br />
nicht, einem ein Produkt zu<br />
verkaufen“, sagt Scherfling.<br />
Vielmehr berät er individuell,<br />
erfragt den Familienstand,<br />
den Wunschtermin für die<br />
Rente und bestehende Vorsorgeverträge.<br />
Warnglocken<br />
sollten angehen, wenn er zum<br />
Vertragsabschluss drängt –<br />
etwa damit, dass das Angebot<br />
nur noch diese Woche gültig<br />
sei. „Dann besser Finger weg!“<br />
Was tun, wenn die vertrackte Rentenlücke droht?<br />
Von Falk Zielke<br />
Die gesetzliche Rente reicht<br />
vielen künftig nicht aus.<br />
Längeres Arbeiten allein<br />
hilft aber auch nicht.<br />
Bochum. Zeit für den Garten,<br />
Reisen, die Enkel unterstützen<br />
— so stellen sich viele<br />
den Ruhestand vor. Doch wer<br />
sich allein auf die gesetzliche<br />
Rentenversicherung verlässt,<br />
wird mit dem Geld vermutlich<br />
kaum auskommen.<br />
Politiker sehen <strong>im</strong> längeren<br />
Arbeiten eine Möglichkeit,<br />
das Problem zu lösen.<br />
Auch manche Arbeitnehmer<br />
hoffen darauf. Ob und<br />
wie sich die Rentenlücke<br />
schließen lässt, wenn alle<br />
bis 70 arbeiten? Diese Frage<br />
beleuchtet eine Studie der<br />
Ruhr-Universität Bochum.<br />
Auf Basis geltenden Rentenrechts<br />
wurden Modellrechnungen<br />
erstellt. Prämisse: Bei<br />
Rentenbeginn sollte das Einkommen<br />
85 Prozent des verfügbaren<br />
Nettoeinkommens<br />
<strong>im</strong> letzten Erwerbsjahr betragen.<br />
Die Studie zeigt, längeres<br />
Arbeiten allein reicht nicht.<br />
Zwar wird die Rentenlücke<br />
kleiner, wenn Beschäftigte<br />
mit 70 statt 67 in Rente gehen.<br />
Ohne zusätzliche Vorsorge<br />
lässt sich der <strong>Leben</strong>sstandard<br />
aber nicht halten.<br />
Ein Beispiel: Ein Facharbeiter,<br />
Jahrgang 1975, verheiratet,<br />
ein Kind, verdient<br />
derzeit 38 899 Euro brutto<br />
pro Jahr. Geht er mit 67 Jahren<br />
in Rente, beträgt seine<br />
Nettorente 1645 Euro <strong>im</strong><br />
Monat. Gemessen an seinem<br />
letzten Nettoeinkommen vor<br />
Renteneintritt — 2922 Euro<br />
—ergibt das eine Rentenlücke<br />
von 839 Euro <strong>im</strong> Monat.<br />
Geht der Facharbeiter erst<br />
mit 70 in Rente, steigt seine<br />
monatliche Nettorente<br />
auf 2019 Euro. Die Rentenlücke<br />
schrumpft auf 585<br />
Euro, verschwunden ist sie<br />
damit aber noch lange nicht.<br />
Für Dirk Ulbricht, Direktor<br />
des Instituts für Finanzdienstleistungen<br />
(iff) in Hamburg,<br />
zeigt das ziemlich klar:<br />
Ohne etwas Risiko schaffen<br />
es Anleger kaum, das nötige<br />
Kapital anzusparen. Dabei<br />
zeigt die Studie: Je früher<br />
das Sparen beginnt, desto geringer<br />
kann die monatliche<br />
Rate ausfallen. Im Beispielfall<br />
heißt das: Beginnt der Facharbeiter<br />
bei Berufseintritt zu<br />
sparen, muss er monatlich<br />
180 Euro beiseite legen, um<br />
bei 67 Jahren die Rentenlücke<br />
zu schließen. Spart er<br />
dagegen erst, wenn er noch<br />
rund 25 Jahre zu arbeiten<br />
hat, muss er 393 Euro pro<br />
Monat aufbringen. Zugrunde<br />
gelegt wurde eine Rendite<br />
von drei Prozent pro Jahr.<br />
Da solche Wertentwicklungen<br />
mit Zinsprodukten<br />
derzeit aber kaum möglich<br />
sind, kommen Sparer um<br />
schwankungsanfälligere Anlagen<br />
nicht herum. Wer breit<br />
gestreut auf Aktien setzt,<br />
n<strong>im</strong>mt zwar das Kursrisiko in<br />
Kauf, kann dafür langfristig<br />
aber auch mit einer höheren<br />
Rendite rechnen, erklärt die<br />
Stiftung Warentest. Angst vor<br />
Crashs müssen Anleger dabei<br />
nicht haben: Selbst nach<br />
schweren Rückschlägen hat<br />
sich der weltweite Aktienmarkt<br />
in der Vergangenheit<br />
<strong>im</strong>mer wieder berappelt.<br />
Drei Lesetipps<br />
• Brigitte Wallstabe-<br />
Watrermann: „Anlegen<br />
mit ETF — Geld investieren<br />
mit ETF und<br />
Indexfonds“, Stiftung<br />
Warentest 2018<br />
• Thomas Hammer:<br />
„Geldanlage — Einfache<br />
Strategien für ihre<br />
Finanzplanung“, Verbraucherzentrale<br />
NRW<br />
• Stefanie Kühn, Markus<br />
Kühn: „Handbuch Geldanlage<br />
— Aktien, Fonds,<br />
Anleihen, Festgeld,<br />
Gold und Co.“, Stiftung<br />
Warentest 2017
FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 13<br />
Leibrente<br />
_Stadt.Land.Klassik!<br />
Geschenkidee<br />
Wohnen und dafür Geld bekommen? Das Modell der Leibrente macht es möglich.<br />
Vom eigenen Haus<br />
gut leben<br />
Als „Rente aus Stein“ wird die Leibrente bezeichnet. Senioren verkaufen<br />
ihre Immobilie schon zu Lebzeiten, können aber trotzdem drin wohnen bleiben.<br />
Das Modell klingt reizvoll, birgt aber auch Risiken.<br />
Von Monika Hillemacher<br />
Fotos: Bernd Settnik, © 1000 Words - Fotolia<br />
Vorschau 2019<br />
17.02.19, 16 Uhr in Pasewalk,<br />
Historisches U<br />
Werke von Weber, C. Saint-Saëns<br />
und Beethoven<br />
18.02.19, 19 Uhr in Ueckermünde,<br />
Volksbühne<br />
Werke von Weber, C. Saint-Saëns<br />
und Beethoven<br />
19.02.19, 19 Uhr in Demmin,<br />
St. Bartholomaei<br />
Werke von Weber, C. Saint-Saëns<br />
und Beethoven<br />
Hamburg. Aus der vertrauten<br />
Umgebung wollen viele<br />
Rentner nicht wegziehen.<br />
Eine Immobilien-Leibrente<br />
ermöglicht ihnen, weiter<br />
<strong>im</strong> Eigenhe<strong>im</strong> zu wohnen<br />
und gleichzeitig Geld dafür<br />
zu bekommen. Dabei wird<br />
das Haus verkauft und geht<br />
mit Vertragsabschluss in das<br />
Eigentum des Käufers über.<br />
Die Verkäufer erhalten das<br />
lebenslange Wohnrecht und<br />
monatliche Rentenzahlungen<br />
bis zu ihrem <strong>Leben</strong>sende. Das<br />
Modell will aber gut durchdacht<br />
sein.<br />
Im Vergleich zu angelsächsischen<br />
Ländern ist die Immobilien-Leibrente<br />
in Deutschland<br />
kaum bekannt, wie<br />
Dirk Ulbricht, Direktor des<br />
Instituts für Finanzdienstleistungen<br />
(iff) in Hamburg,<br />
erklärt. Lediglich in der Landwirtschaft<br />
hat sie Tradition:<br />
Wird der Betrieb komplett an<br />
einen Nachfolger übergeben,<br />
sichert dieser seinem Vorgänger<br />
die Altersvorsorge, indem<br />
er ihm eine monatliche Leibrente<br />
zahlt. Laut Annabel Oelmann,<br />
Vorstand der Verbraucherzentrale<br />
Bremen, ist dies<br />
eine Option für Rentner mit<br />
möglichst schuldenfreier Immobilie,<br />
„die wohnen bleiben<br />
wollen, keine nahestehenden<br />
Erben haben“ und finanziell<br />
flüssig sein wollen.<br />
In Deutschland ist das<br />
klassische Modell üblich<br />
Es gibt zwei Varianten der<br />
„Rente aus Stein“. Bei der<br />
Umkehrhypothek wird die<br />
Immobile mit einem Kredit<br />
belastet und das monatliche<br />
Zubrot aus diesem Darlehen<br />
finanziert. Diese Variante<br />
kommt in Deutschland nicht<br />
mehr vor. „Der Gedanke an<br />
den Kredit belastet die Menschen<br />
emotional zu stark“,<br />
sagt Dirk Ulbricht. Be<strong>im</strong><br />
klassischen Leibrenten-Modell<br />
verkauft der Eigentümer<br />
seine selbst genutzte Immobilie<br />
an ein Unternehmen.<br />
Statt des Kaufpreises erhält<br />
Wer sich für eine Leibrente entscheidet, kann die Rente aufbessern<br />
und in den eigenen vier Wänden bleiben. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert<br />
der Senior eine regelmäßige<br />
Zahlung. „Das Geld kommt<br />
entweder monatlich bis zum<br />
<strong>Leben</strong>sende aufs Konto oder<br />
fließt in Kombination mit<br />
einer Einmalzahlung.“<br />
Das Modell ist vergleichbar<br />
mit einem Hausverkauf auf<br />
Raten. Der Ruheständler darf<br />
<strong>im</strong> Haus bleiben, der Käufer<br />
räumt ein Wohnrecht ein.<br />
„Rente und Wohnrecht werden<br />
in der Regel <strong>im</strong> Grundbuch<br />
eingetragen und sind<br />
damit rechtlich abgesichert“,<br />
so Ulbricht.<br />
Die Höhe der Leibrente<br />
richtet sich nach dem Wert<br />
der Immobilie sowie dem<br />
Alter und dem Geschlecht<br />
der Verkäufer. Grundsätzlich<br />
gilt: „Je älter der Eigentümer,<br />
desto höher die monatlichen<br />
Zahlungen“, sagt<br />
eine Sprecherin des Anbieters<br />
Deutsche Leibrenten Grundbesitz.<br />
Frauen kommen meistens<br />
schlechter weg, weil sie<br />
statistisch gesehen länger leben<br />
als Männer. Grundsätzlich<br />
erlischt die Leibrente mit<br />
dem Tod des Rentners. Stirbt<br />
der ehemalige Eigentümer<br />
wenige Jahre nach dem Abschluss<br />
des Vertrags, hat er<br />
<strong>im</strong> Prinzip draufgezahlt —<br />
der Käufer profitiert. Deshalb<br />
nennen manche das Modell<br />
auch Wette auf den Tod.<br />
Oelmann und Ulbricht<br />
empfehlen deshalb, eine Mindestlaufzeit<br />
für die Auszahlphase<br />
zu vereinbaren: drei,<br />
fünf oder zehn Jahre. Kommt<br />
es innerhalb dieser Zeit zum<br />
Tod, erhalten die Erben das<br />
Geld. Solche Vereinbarungen<br />
haben einen Nachteil: Für<br />
Käufer sind sie ein kalkulatorisches<br />
Risiko, dies geht oft<br />
zu Lasten der Rentenhöhe.<br />
Mit Blick auf die Kosten<br />
arbeiten Anbieter oft mit<br />
einem Mindestalter. Interessenten<br />
sollten laut iff mindestens<br />
65 Jahre alt sein. Die<br />
kirchliche Stiftung Liebenau<br />
aus Baden-Württemberg<br />
n<strong>im</strong>mt Kunden ab 65 Jahren,<br />
die Deutsche Leibrenten<br />
Grundbesitz ab 70 Jahren.<br />
Beide Anbieter sind bundesweit<br />
aktiv.<br />
Im Vertrag müssen viele<br />
Details geregelt werden<br />
Den Wert der Immobilie ermitteln<br />
Gutachter, die häufig<br />
der Käufer bestellt. Verbraucherschützer<br />
raten, deren<br />
Bewertung auf jeden Fall<br />
zu prüfen oder gleich einen<br />
unabhängigen Gutachter zu<br />
beauftragen. Der Wert des<br />
Hauses wird zur Restlebenserwartung<br />
in Bezug gesetzt.<br />
Die monatlich zu erwartende<br />
Leibrente ist häufig dreistellig,<br />
<strong>im</strong> Idealfall vierstellig.<br />
Die Kombination, wohnen<br />
bleiben und zu Lebzeiten<br />
noch Geld für die Immobilie<br />
zu bekommen, sieht Oelmann<br />
als Vorteil der Leibrente. Ein<br />
Nachteil sei, dass wichtige<br />
Fragen oft nicht eindeutig in<br />
den Verträgen geklärt seien.<br />
„Es fehlen allgemeine vertragliche<br />
Standards.“<br />
Verkäufer und Käufer müssen<br />
Details individuell aushandeln:<br />
Wer kommt etwa<br />
für anfallende Renovierungen<br />
und Instandhaltungen auf, so<br />
lange die Alt-Eigentümer das<br />
Haus bewohnen? Ehepaare<br />
sollten den Tod eines Partners<br />
bededenken: Muss der<br />
andere dann raus? Was gilt<br />
be<strong>im</strong> Umzug ins Altenhe<strong>im</strong>?<br />
Wird die Rente weitergezahlt<br />
oder der ausstehende Wert<br />
des Wohnrechts? Darf das<br />
Haus vermietet werden?<br />
Neben den wenigen unternehmerisch<br />
tätigen Anbietern<br />
können auch Privatleute<br />
eine Leibrente vereinbaren.<br />
Ein solcher Deal <strong>im</strong> Freundesund<br />
Verwandtenkreis birgt<br />
eine Menge Konfliktpotenzial<br />
und hat einen Beigeschmack:<br />
„Da freut man sich, wenn der<br />
Opa stirbt.“<br />
20.02.19, 19 Uhr in Malchow,<br />
Reha Klinik am See<br />
Werke von Weber, C. Saint-Saëns<br />
und Beethoven<br />
21.02.19, 19 Uhr in Anklam,<br />
Vorpommersche Landesbühne<br />
Werke von R. Schtschedrin und Beethoven<br />
22.02.2019, 19 Uhr in Waren (Müritz),<br />
Bürgersaal Werke von Weber,<br />
C. Saint-Saëns und Beethoven<br />
07.04.19, 16 Uhr in Eggesin,<br />
Martin-Luther-Kirche<br />
09.04.19, 19 Uhr in Waren (Müritz),<br />
Bürgersaal<br />
10.04.19, 19 Uhr in Pasewalk,<br />
Historisches U<br />
11.04.19, 19 Uhr in Anklam,<br />
Nikolaikirche<br />
12.04.19, 19 Uhr in Malchow,<br />
Werleburg<br />
Es werden für Sie gespielt:<br />
S. Prokofjew „Peter und der Wolf“<br />
und A. Dvořák „Sinfonie Nr. 8“<br />
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zzgl. 3,00 € Gebühren<br />
• unter der kostenfreien<br />
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0800 4575-033 zzgl. Versand<br />
• www.stadt-land-klassik.de<br />
SAISON<br />
2018/<br />
2019<br />
Veranstalter:<br />
In Kooperation mit:
SEITE 14 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Finanzen<br />
Versicherungen: Ballast abwerfen!<br />
Nicht alle Policen, die <strong>im</strong> Erwerbsleben ein Muss waren, werden <strong>im</strong> Rentenalter noch gebraucht.<br />
Es lohnt sich zu überprüfen, welche Verträge <strong>im</strong> Alter nötig sind und welche nicht.<br />
Von Monika Hillemacher<br />
Wichtig:<br />
Die Privathaftpflicht, die<br />
Autohaftpflicht und die<br />
Krankenversicherung bleiben<br />
auch für Senioren ein Muss.<br />
Sie „sichern existenzielle Risiken<br />
ab“, begründet Bianca<br />
Boss vom Bund der Versicherten<br />
(BdV). Wobei die Autohaftpflicht<br />
natürlich nur für<br />
Senioren gilt, die auch ein<br />
Fahrzeug versichert haben.<br />
Die private Haftpflicht<br />
greift bei Personen-, Sachund<br />
Vermögensschäden.<br />
Sogar Haustiere – mit Ausnahmen<br />
von Hunden – sind<br />
eingeschlossen. Die Police<br />
gilt sowohl bei Schäden, die<br />
an Demenz Erkrankte anrichten,<br />
als auch be<strong>im</strong> Umzug ins<br />
Altershe<strong>im</strong>. In dem Fall kann<br />
es lohnen, auf einen Senioren-<br />
oder Singletarif umzusteigen.<br />
Diese sind dann oft<br />
billiger.<br />
Ältere Menschen, die mit<br />
ihren Kindern unter einem<br />
Dach leben, können über deren<br />
Haftpflicht- und Hausrat-Policen<br />
mitgeschützt sein.<br />
Diese Geld sparende Option<br />
sollte geprüft werden, rät der<br />
Bund der Versicherten.<br />
Weniger wichtig:<br />
Eine Rechtsschutz-Versicherung<br />
sollte auf einen Tarif<br />
Senioren können sogar eine eigene Diebstahlversicherung für ihren Rollator abschließen. Aber ist die<br />
wirklich notwenig? <br />
Foto: Cathrin Müller<br />
ohne Berufsrechtsschutz<br />
umgestellt werden, sofern<br />
dieser günstiger ist. „Es ist<br />
kein Arbeitgeber mehr da,<br />
mit dem man streiten kann“,<br />
sagt Frank Golfels vom Bundesverband<br />
der Versicherungsberater.<br />
Der Nutzen einer privaten<br />
Pflegeversicherung ist unter<br />
Fachleuten umstritten. Vor<br />
einer Entscheidung dafür<br />
oder dagegen sollten Senioren<br />
sich in He<strong>im</strong>en ihrer<br />
Umgebung über die Kosten<br />
für einen Platz informieren<br />
und abwägen, ob sie nicht<br />
mit Rente und Leistungen<br />
der gesetzlichen Pflegekasse<br />
über die Runden kommen,<br />
empfiehlt Golfels. Wer sich<br />
für den Abschluss entscheidet,<br />
sollte bedenken, dass der<br />
Beitrag umso höher wird, je<br />
später der Vertrag unterschrieben<br />
wird.<br />
Nichtig:<br />
In die Rubrik Wegfallen ordnet<br />
Golfels die Berufsunfähigkeitsversicherung<br />
(BU) ein.<br />
Der Grund ist einfach: Wer<br />
nicht mehr arbeitet, muss das<br />
Risiko der Berufsunfähigkeit<br />
nicht mehr absichern. Die BU<br />
kann mit dem Rentenbeginn<br />
also gekündigt werden.<br />
Einsparpotenzial sehen<br />
Golfels und Boss rund um die<br />
Gesundheit. Verzichtbar ist<br />
demnach eine Krankenhaustagegeldpolice,<br />
denn mit Beginn<br />
des Ruhestands ist keine<br />
Vorsorge für vorübergehende<br />
Arbeitsunfähigkeit mehr erforderlich.<br />
Eine Versicherung für die<br />
Brille ist nach Ansicht von<br />
Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale<br />
Bundesverband<br />
(vzbv) ebenfalls entbehrlich.<br />
Sein Tipp: Die kaputte Brille<br />
vorübergehend durch ein<br />
Billigmodell ersetzen oder<br />
regelmäßig etwas Geld für<br />
eine neue zurücklegen. Denn<br />
generell hält Gatschke zu Produkten<br />
passende Policen für<br />
Humbug.<br />
Eine Diebstahlpolice für<br />
Rollator und andere Hilfsmittel<br />
von der Krankenkasse<br />
ist ebenfalls nicht notwendig:<br />
„Sofern keine grobe Fahrlässigkeit<br />
beziehungsweise<br />
kein Vorsatz be<strong>im</strong> Bestohlenen<br />
festzustellen ist, wird bei<br />
Verlust und Diebstahl grundsätzlich<br />
problemlos ersetzt“,<br />
heißt es be<strong>im</strong> AOK-Bundesverband.<br />
Aus Seniorensicht auch<br />
kein lohnendes Geschäft:<br />
die Sterbeversicherung, die<br />
für die Beerdigungskosten<br />
aufkommen soll. In sie wird<br />
nach den Erfahrungen der<br />
Experten meist mehr eingezahlt,<br />
als rauskommt.<br />
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FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 15<br />
Minijob<br />
Gebraucht werden, Geld verdienen!<br />
Immer mehr Rentner arbeiten<br />
Auch jenseits von 65 Jahren gehen viele Menschen arbeiten — weil sie wollen oder müssen.<br />
Die Deutsche Rentenversicherung berät, was sich lohnt und was beachtet werden sollte.<br />
Von Sabine Meuter & Basil Wegener<br />
Berlin/Bonn. Als Rentner nur<br />
noch zu Hause die Einfahrt<br />
fegen, das ist nicht jedermanns<br />
Sache. Viele wollen gebraucht<br />
werden oder zusätzlich<br />
zur Rente ein paar Euro<br />
verdienen. Aber: „Man sollte<br />
nur das machen, was man<br />
kann und was einem Spaß<br />
macht“, sagt Erhard Hackler,<br />
Geschäftsführender Vorstand<br />
der Deutschen Seniorenliga.<br />
Laut Bundesagentur für<br />
Arbeit (BA) hatten Ende September<br />
2017 bundesweit<br />
knapp 1,05 Millionen Menschen<br />
über 65 Jahren einen<br />
Mini-Job. „Ob diese über<br />
65-Jährigen mit einem Mini-<br />
Job bereits Rente beziehen<br />
oder nicht, das ist uns nicht<br />
bekannt“, erklärte BA-Sprecher<br />
Paul Ebsen. Denn bei<br />
Erreichen eines best<strong>im</strong>mten<br />
Alters ist man nicht automatisch<br />
Bezieher einer Rente.<br />
„Eine Altersrente gibt es<br />
grundsätzlich nur auf Antrag“,<br />
sagt Dirk von der Heide,<br />
Sprecher der Deutschen<br />
Rentenversicherung Bund.<br />
Arbeitet ein Beschäftigter<br />
nach Erreichen der regulären<br />
Altersgrenze weiter,<br />
dann muss er nicht zwangsläufig<br />
zusätzlich zu seinem<br />
Einkommen seine Rente beziehen<br />
— er kann die Rente<br />
auch hinausschieben. „Für<br />
jeden hinausgeschobenen<br />
Monat erhöht der Arbeitnehmer<br />
seine Rente um einen<br />
Zuschlag von 0,5 Prozent“,<br />
erklärt von der Heide. Wird<br />
der Rentenbeginn um ein<br />
Jahr verschoben, dann ist das<br />
ein Plus von sechs Prozent.<br />
Werden in dieser Zeit weiter<br />
Beiträge zur Rentenversicherung<br />
gezahlt, erhöht sich die<br />
Rente zusätzlich.<br />
Möglich ist auch, eine Altersrente<br />
zu beziehen und<br />
Ehrenamt oder Mini-Job? Vor der Entscheidung sollte der Wahrheit ins Auge gesehen werden: Wo<br />
liegen meine Stärken? Was macht mir Spaß? Wie viel Zeit will ich aufwenden? Foto: © Rido - Fotolia.com<br />
Senioren bilden die größte Gruppe bei den geringfügig Beschäftigten<br />
Im Nordosten bessern<br />
<strong>im</strong>mer mehr Senioren ihre<br />
Rente mit einem Mini-<br />
Job auf. Im vergangenen<br />
Jahr gingen 14 606 über<br />
65-Jährige in Mecklenburg-Vorpommern<br />
einer<br />
geringfügigen Beschäftigung<br />
nach, fast 1500<br />
mehr als ein Jahr zuvor.<br />
nebenbei zu arbeiten. Rentner<br />
können in beliebiger<br />
Höhe hinzuverdienen. „Die<br />
Rente wird dadurch nicht<br />
gekürzt“, sagt von der Heide.<br />
Das zu versteuernde Einkommen<br />
steige aber. Rentenversicherungsbeiträge<br />
müssen die<br />
betroffenen Arbeitnehmer<br />
nicht zahlen. Der Arbeitgeber<br />
zahlt bei abhängig Beschäftigten<br />
weiter in die Rentenkasse<br />
ein. Die Rente erhöht<br />
sich dadurch für den Arbeitnehmer<br />
aber nicht. Beschäftigte<br />
können auch gegenüber<br />
Das geht aus einer Kleinen<br />
Anfrage der Linken <strong>im</strong><br />
Landtag hervor. Die Zahl<br />
ist ein neuer Höchststand<br />
und wächst seither.<br />
Bundesweit hat sich die<br />
Zahl zwischen 2003 und<br />
2017 auf über eine Million<br />
verdoppelt, wie aus einer<br />
Statistik der Bundesagentur<br />
für Arbeit hervorgeht.<br />
Damit stellt die Altersgruppe<br />
65 Jahre und älter<br />
mittlerweile den größten<br />
Anteil an den geringfügig<br />
Beschäftigten.<br />
Im Dezember 2017 gab es<br />
genau 1 074 689 Minijobber,<br />
die 65 Jahre und<br />
älter waren. Ende 2003<br />
ihrem Arbeitgeber erklären,<br />
selbst den Arbeitnehmeranteil<br />
zu entrichten. „Dann erhöht<br />
sich durch die eigenen<br />
und die vom Arbeitgeber<br />
gezahlten Rentenversicherungsbeiträge<br />
die Rente zum<br />
1. Juli des Folgejahres“, so<br />
Arbeiten neben der Rente, zum<br />
Beispiel <strong>im</strong> Reinigungsgewerbe.<br />
<br />
Foto: Frank Rumpenhorst<br />
Für Malerarbeiten noch nicht zu<br />
alt. <br />
Foto: Jan WoitAS<br />
waren es nur 587 046.<br />
Der arbeitsmarktpolitische<br />
Sprecher der Linken<br />
<strong>im</strong> Schweriner Landtag,<br />
Henning Foerster, sieht die<br />
zunehmende Zahl der jobbenden<br />
Senioren mit Sorge<br />
und wertet den Anstieg als<br />
ein Zeichen für Armut <strong>im</strong><br />
Alter.<br />
von der Heide. Wer bereits<br />
eine Rente bezieht, kann sie<br />
übrigens durch die Zahlung<br />
freiwilliger Beiträge erhöhen.<br />
Möglich ist dies für Bezieher<br />
einer Altersrente, solange<br />
sie das reguläre Rentenalter<br />
noch nicht erreicht haben.<br />
Bezieht jemand eine Altersrente<br />
mit Abschlägen,<br />
hat er die Option, diese durch<br />
Sonderzahlungen ganz oder<br />
teilweise auszugleichen.<br />
„Auch hier ist eine Zahlung<br />
nur bis zum Erreichen des<br />
regulären Rentenalters möglich“,<br />
sagt der Experte. In jedem<br />
Fall empfiehlt sich eine<br />
individuelle Beratung durch<br />
die Rentenversicherung.<br />
Beachten sollten Senioren:<br />
Wer eine Altersrente bezieht<br />
und parallel arbeitet, hat<br />
keinen Anspruch auf Krankengeld,<br />
wenn er länger als<br />
sechs Wochen ausfällt. Im<br />
Gegenzug ist der Beitrag zur<br />
Krankenversicherung geringer.<br />
Sind ältere Arbeitnehmer<br />
für längere Zeit krank, dann<br />
kann die Krankenkasse verlangen,<br />
dass der Betroffene<br />
einen Rentenantrag stellt.<br />
„Die Auswirkungen eines<br />
Hinzuverdienstes auf die<br />
Krankenversicherung, aber<br />
auch steuerliche Aspekte<br />
sollten Bezieher von Altersrente<br />
in jedem Fall mit ihrer<br />
Krankenkasse und mit einem<br />
Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein<br />
besprechen“,<br />
rät von der Heide.<br />
Eine andere Form des Zuverdienstes<br />
<strong>im</strong> Alter ist ehrenamtliches<br />
Engagement.<br />
Vor allem wohltätige Einrichtungen<br />
bieten dafür Betätigungsfelder.<br />
Wer auf der<br />
Suche nach einem passenden<br />
Ehrenamt ist, kann Senioreneinrichtungen<br />
oder Gemeindeverwaltungen<br />
ansprechen.<br />
Einkünfte aus dem Ehrenamt<br />
können ebenfalls beitragspflichtiges<br />
Arbeitsentgelt<br />
sein. „Jedoch gilt auch hier,<br />
dass bis zu 6300 Euro <strong>im</strong> Kalenderjahr<br />
anrechnungsfrei<br />
zur Altersrente hinzuverdient<br />
werden können.“<br />
Priester bleibt Priester<br />
Von Frank Wilhelm<br />
Arnold Handke ist schon<br />
seit neun Jahren <strong>im</strong><br />
(Un)-Ruhe-stand. Der<br />
79-Jährige arbeitet aber<br />
nicht des Geldes wegen.<br />
Neubrandenburg. Arnold<br />
Handke weiß schon jetzt,<br />
was er am 24. Dezember<br />
nachmittags untern<strong>im</strong>mt.<br />
Der 79-jährige Neubrandenburg<br />
wird sich in sein Auto<br />
setzen und ins 30 Kilometer<br />
entfernte Röckwitz hinter<br />
Altentreptow fahren. In der<br />
katholischen Gemeinde des<br />
Dorfes hält er den Gottesdienst<br />
zum Heiligen Abend.<br />
Mit fast 80 Jahren ist Arnold<br />
Handke nahezu jeden<br />
Sonntag und feiertags unterwegs,<br />
um das Wort Gottes zu<br />
predigen. „So lange es geht,<br />
Arnold Handke<br />
werde ich das machen“, sagt<br />
der Theologe, der sich <strong>im</strong>merhin<br />
schon seit neun Jahren <strong>im</strong><br />
(Un)-Ruhestand befindet. Mit<br />
70 Jahren wurde der katholische<br />
Pfarrer Rentner.<br />
Aber was heißt schon<br />
Rentner bei einem Mann<br />
Gottes? Einmal Priester <strong>im</strong>mer<br />
Priester. Ohne die Kollegen<br />
<strong>im</strong> Ruhestand würde<br />
es Felix Evers, Pfarrer der<br />
katholischen Gemeinde Neubrandenburg,<br />
schwerfallen,<br />
die Gottesdienste in den umliegenden<br />
Orten abzusichern.<br />
Dabei hätte sich Arnold<br />
Handke einen „richtigen“<br />
Ruhestand redlich verdient.<br />
Stavenhagen, Wismar, Neubrandenburg<br />
und Schwerin –<br />
das waren seine Stationen als<br />
hauptamtlicher Seelsorger.<br />
Aktuell predigt er regelmäßig<br />
sonntags in Stavenhagen und<br />
Malchin. Demnächst wolle er<br />
aber etwas kürzer treten. „Ich<br />
will nicht mehr gar so weite<br />
Autofahrten zu den Kirchen<br />
auf mich nehmen“, sagt er.<br />
Einen Lohn bekommen<br />
Handke und die anderen<br />
ehrenamtlichen Priester <strong>im</strong><br />
Ruhestand nicht. Sie arbeiten<br />
für ihren lieben Gott und die<br />
Gläubigen.<br />
Für alle Fälle <strong>im</strong>mer zur Stelle<br />
Von Frank Wilhelm<br />
Auch wenn er zu Hause<br />
mit Hof und Hühnern genug<br />
zu tun hat, arbeitet der<br />
68-jährige Gerhard Prütz<br />
noch regelmäßig als<br />
Hausmeister. „Ich werde<br />
noch gebraucht“, sagt er.<br />
Neubrandenburg. Wer schon<br />
einmal <strong>im</strong> Medienhaus des<br />
Nordkurier in Neubrandenburg<br />
zu tun hatte, ist möglicherweise<br />
schon Gerhard<br />
Prütz begegnet. Der 68-Jährige<br />
fällt auf. Nicht nur, weil<br />
er eine stattliche Erscheinung<br />
ist und Blaumann trägt. Prütz<br />
hat <strong>im</strong>mer auch ein freundliches<br />
Wort für seine Mitmenschen<br />
auf den Lippen, egal, ob<br />
er gerade den Schneeschieber<br />
oder aber Hammer und Zange<br />
schwingt.<br />
Gerhard Prütz Fotos (2): F. Wilhelm<br />
Schon in den letzten Monaten<br />
seines aktiven Arbeitslebens<br />
als Hausmeister und<br />
Mann für alles be<strong>im</strong> Nordkurier<br />
stand für Prütz fest, dass<br />
mit dem Renteneintritt noch<br />
nicht Schluss sein soll mit<br />
dem Arbeitsleben. Die flexible<br />
Regelung, die der Gesetzgeber<br />
für arbeitende Rentner<br />
gefunden hat, passe ihm sehr.<br />
„Wenn ich gebraucht werde,<br />
ruft man mich an, und dann<br />
komme ich“, sagt er. Prütz<br />
hat sogar zwei Arbeitgeber:<br />
Die He<strong>im</strong>atzeitung und das<br />
„Konsulat“, eine Kneipe in<br />
Neubrandenburg. Er erledigt<br />
alles, was anfällt, bis hin zur<br />
Reinigung der für Journalisten<br />
nicht ganz unwichtigen<br />
Kaffeemaschine.<br />
Auch wenn die finanzielle<br />
Aufbesserung der Rente willkommen<br />
sei, gehe es ihm<br />
gar nicht in erster Linie ums<br />
Geld. „Ich freue mich über jedes<br />
Gespräch. Und ich habe<br />
das Gefühl, gebraucht zu werden“,<br />
sagt der gelernte Molkereifacharbeiter,<br />
der zu Hause<br />
mit Garten und Hühnern<br />
durchaus gut zu tun hat.<br />
Kontakt zum Autor<br />
f.wilhelm@nordkurier.de
SEITE 16 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Lernen<br />
Studieren ist keine<br />
Frage des Alters<br />
Wer an der Uni anfängt, hat sein Berufsleben meist noch vor sich. Doch die Hörsäle<br />
stehen auch älteren Menschen offen. Viele Universitäten werben sogar ganz gezielt um sie.<br />
Von Julia Ruhnau<br />
Späte Genugtuung: Viele der Senioren, die heute <strong>im</strong> Hörsaal<br />
gebannt den Vorlesungen lauschen, hatten in ihrer Jugend nicht<br />
die Möglichkeit zu studieren. Foto: WaltrAUD Grubitzsch<br />
Rostock/Leipzig. Auf dem<br />
Campus der Universität Rostock<br />
geben sich die sprichwörtlichen<br />
älteren Semester<br />
die Klinke in die Hand, wenn<br />
Vorlesungen und Seminare<br />
<strong>im</strong> Rahmen der Seniorenakademie<br />
anstehen. Beobachter<br />
sind <strong>im</strong>mer wieder<br />
überrascht über das große<br />
Interesse. Die <strong>Leben</strong>serwartung<br />
der Menschen hat sich<br />
in den vergangenen Jahren<br />
<strong>im</strong>mer weiter erhöht, was<br />
viele neuen Möglichkeiten<br />
für den Ruhestand mit sich<br />
bringt.<br />
Wer <strong>im</strong> Alter an die Uni<br />
geht, ist geistig fit und will<br />
noch einmal Neues lernen.<br />
Bei den Studenten ist „die<br />
Tendenz eindeutig steigend“,<br />
wie Bernd Werner Schmitt<br />
vom Akademischen Verein<br />
der Senioren (AVDS) sagt.<br />
Neben Volkshochschulen<br />
und freien Trägern bieten<br />
Universitäten Möglichkeiten,<br />
die oft sogar günstig sind.<br />
Einen Überblick gibt der Studienführer<br />
des AVDS. Rund<br />
55 000 Senioren zählt der Verein<br />
derzeit an deutschen Universitäten.<br />
Der Weg in Hörsaal oder<br />
Seminarraum ist einfach. Ein<br />
Abitur ist meist nicht nötig,<br />
eine Altersgrenze besteht<br />
nicht. Bewerben kann man<br />
Studienangebote in der Region<br />
• Die Hochschule Neubrandenburg hat <strong>im</strong> Programm<br />
ihrer Seniorenhochschule Vortragsreihen und ein<br />
Gasthörerstudium. Auskunft unter 0395 56931120<br />
oder www.hs-nb.de<br />
• Die Universität Greifswald bietet be<strong>im</strong> „Studieren<br />
50+“ Vorlesungen und ganze Studiengänge an.<br />
Infos unter Telefon 03834 4200 oder <strong>im</strong> Internet <br />
unter www.uni-greifswald.de<br />
• Die Universität Rostock hat eine Seniorenakademie.<br />
Programm unter www.rsa.uni-rostock.de<br />
sich meist auf das gesamte<br />
Angebot der Uni, mit Ausnahme<br />
einiger NC-Fächer wie<br />
Psychologie. „Die gewünschten<br />
Veranstaltungen müssen<br />
mit einem Gasthörerantrag<br />
bei den Fakultäten beantragt<br />
und auf freie Kapazitäten<br />
geprüft werden“, sagt<br />
Yvonne Weigert von der Uni<br />
Leipzig. Die Gasthörerschaft<br />
beschränkt sich auf einzelne<br />
Veranstaltungen, einen<br />
Abschluss können Senioren<br />
so nicht machen. Die Kosten<br />
schwanken von Uni zu Uni<br />
und je nach Zahl der Kurse<br />
zwischen 40 und 300 Euro.<br />
Zudem gibt es die Möglichkeit,<br />
sich regulär für einen<br />
Studiengang zu <strong>im</strong>matrikulieren.<br />
Die Regularien unterscheiden<br />
sich zwischen den<br />
Bundesländern, manche Universitäten<br />
erheben ab einem<br />
best<strong>im</strong>mten Alter Gebühren.<br />
Wer sich unter den Mittzwanzigern<br />
<strong>im</strong> Hörsaal nicht wohl<br />
fühlt, findet vor allem an den<br />
großen Hochschulen Angebote<br />
speziell für Senioren.<br />
Warum es so viele Ältere<br />
an die Unis treibt? Meist<br />
der Drang, etwas nachzuholen,<br />
so Schmitt vom AVDS.<br />
„Die hätten in den 1950er-,<br />
1960er-Jahren gerne studiert,<br />
damals waren aber die Verhältnisse<br />
nicht so.“<br />
Anzeige<br />
Wenn das Herz aus dem Takt ist<br />
Hin und wieder gerät<br />
bei vielen Menschen<br />
das Herz aus dem Takt.<br />
Wenn allerdings Beschwerden<br />
wie unregelmäßiger<br />
Herzschlag, Herzrasen oder<br />
Herzstolpern über einen<br />
längeren Zeitraum andauern,<br />
sollte man seinen Hausarzt<br />
aufsuchen, um die Ursachen<br />
dafür abklären zu lassen.<br />
Denn manchmal können Herzrhythmusstörungen<br />
auch auf ernst<br />
zu nehmende Erkrankungen hindeuten,<br />
wie koronare Herzerkrankung,<br />
Herzmuskelentzündung,<br />
Über- bzw. Unterfunktion der<br />
Schilddrüse sowie Kalium- oder<br />
Magnesiummangel. Eine der häufigsten<br />
Herzrhythmusstörungen<br />
Christian Scheer, Chefarzt Innere Klinik<br />
Iund II am Kreiskrankenhaus Prenzlau;<br />
Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie<br />
ist das Vorhoffl<strong>im</strong>mern. Etwa 1,8<br />
Millionen Menschen in Deutschland<br />
leiden darunter, wobei das<br />
Risiko für Vorhoffl<strong>im</strong>mern mit<br />
zunehmendem Alter steigt: Liegt<br />
es bei den unter 50-Jährigen nur<br />
etwa bei einem Prozent, so steigt<br />
es bei den über 60-Jährigen bereits<br />
auf 4bis 8Prozent und bei den<br />
über 80-Jährigen sogar auf 9bis 16<br />
Prozent.<br />
Bei diesen Beschwerden<br />
zum Arzt<br />
Auch am Kreiskrankenhaus Prenzlau<br />
gehören Herzrhythmusstörungen<br />
zu den häufigsten Gründen<br />
für die Aufnahme eines Patienten<br />
ins Krankenhaus. „Bei Beschwerden<br />
wie Herzstolpern und Herzschlag<br />
bis zum Hals, Druckgefühl<br />
<strong>im</strong> Brustkorb, Angst, Atemnot,<br />
Schweißausbruch und Schwindelgefühl<br />
sollte unbedingt der Arzt<br />
aufgesucht werden“, rät Christian<br />
Scheer, Chefarzt der Inneren Kliniken<br />
Iund II am Kreiskrankenhaus<br />
Prenzlau. Denn je eher die<br />
Krankheit diagnostiziert werde,<br />
desto eher könne mit der geeigneten<br />
Behandlung begonnen werden.<br />
Das sei extrem wichtig, denn be<strong>im</strong><br />
Vorhoffl<strong>im</strong>mern können schwerwiegende<br />
Gefahren drohen: eine<br />
bleibende Herzschwäche oder <strong>im</strong><br />
schl<strong>im</strong>msten Fall ein Schlaganfall<br />
mit Todesfolge oder bleibenden<br />
Beeinträchtigungen. Denn die<br />
Herzvorhöfe nehmen nicht mehr<br />
an der Pumparbeit des Herzens<br />
teil. Dadurch können sich in den<br />
Vorhöfen Blutgerinnsel bilden,<br />
die vom Blutstrom mitgeschleppt<br />
werden und z. B. in die Hirngefäße<br />
gelangen. „Etwa 20 bis 30<br />
Prozent aller Schlaganfälle gehen<br />
auf Vorhoffl<strong>im</strong>mern zurück, wobei<br />
das Schlaganfallrisiko vom Alter<br />
und von den Begleiterkrankungen<br />
abhängt.“<br />
Diagnosemöglichkeiten<br />
Ist die Krankheit erst einmal<br />
diagnostiziert, können die für den<br />
jeweiligen Patienten am besten<br />
geeigneten Maßnahmen eingeleitet<br />
werden. Mithilfe des EKG klärt<br />
der behandelnde Arzt zunächst<br />
ab, ob die Beschwerden wie länger<br />
andauerndes Herzklopfen oder unregelmäßiger<br />
Herzschlag auf Vorhoffl<strong>im</strong>mern<br />
oder aber auf andere<br />
Rhythmusstörungen zurückzuführen<br />
sind. Da das Vorhoffl<strong>im</strong>mern<br />
in der Anfangsphase allerdings oft<br />
nur kurzzeitig bzw. anfallsartig<br />
auftritt, ist es mit einem normalen<br />
EKG nicht <strong>im</strong>mer nachweisbar.<br />
Dann wird per Langzeit-EKG<br />
über mindestens 24 Stunden die<br />
Herztätigkeit erfasst. Kann auch<br />
damit das Vorhoffl<strong>im</strong>mern nicht<br />
nachgewiesen werden, hilft der<br />
Ereignisrekorder, den der Patient<br />
genau dann aktiviert, wenn die<br />
Herzrhythmusstörung auftritt.<br />
„Manche Herzrhythmusstörungen<br />
werden vom Patienten allerdings<br />
gar nicht bemerkt. Besonders<br />
bei älteren Patienten wird das<br />
Vorhoffl<strong>im</strong>mern oftmals per Zufallsbefund<br />
vom Arzt festgestellt.<br />
Mitunter erst dann, wenn sie einen<br />
Schlaganfall erleiden. Deshalb sollten<br />
gerade Personen ab 60 Jahre<br />
bei jeder Routinekontrolle den<br />
Herzschlag durch Pulsmessung<br />
prüfen lassen“, rät Chefarzt Christian<br />
Scheer.<br />
OP-Zentrum des Kreiskrankenhauses Prenzlau<br />
Ursachen des Vorhoffl<strong>im</strong>merns<br />
behandeln<br />
Ist die Diagnose Vorhoffl<strong>im</strong>mern<br />
gestellt, besprechen Kardiologe<br />
und Patient, welche Therapiemöglichkeiten<br />
infrage kommen. „Es ist<br />
sinnvoll, nicht nur das Vorhoffl<strong>im</strong>mern,<br />
sondern auch die Ursachen<br />
für die Rhythmusstörung zu behandeln“,<br />
betont der Kardiologe.<br />
Denn rund 70 Prozent aller Patienten<br />
mit Vorhoffl<strong>im</strong>mern haben<br />
einen zu hohen Blutdruck. Um<br />
einem erneuten Rückfall vorzubeugen,<br />
werden die Ursachen medikamentös<br />
mit Betablockern oder<br />
spezifischen Antiarrhythmetika<br />
behandelt. „Treten die Anfälle der<br />
Rhythmusstörungen nur sehr selten<br />
auf, kann esauch sinnvoll sein,<br />
die sogenannte „Pill in the Pocket“<br />
–also die Pille in der Tasche -jeweils<br />
zum Ereignis einzunehmen.“<br />
Therapie-Möglichkeiten<br />
Bleibt die medikamentöse Behandlung<br />
auf Dauer ohne Erfolg, kann<br />
mittels Katheterablation das Herz<br />
wieder in den richtigen Rhythmus<br />
gebracht werden. Bei diesem Eingriff<br />
verödet der Arzt einen ganz<br />
best<strong>im</strong>mten Bereich <strong>im</strong> Vorhof<br />
durch Hochfrequenzstrom oder<br />
durch Kälte, so dass keine Stör<strong>im</strong>pulse<br />
mehr weitergeleitet werden<br />
können, die das Vorhoffl<strong>im</strong>mern<br />
Fotos: GLG<br />
auslösen. „Die Erfolgsquote bei<br />
dieser Behandlung liegt bei etwa<br />
60 bis 80 Prozent bei einmaliger<br />
und bei 90 Prozent nach Wiederholung<br />
des Eingriffes“. Wie<br />
Chefarzt Scheer betont, gilt die<br />
Katheterablation als ein sicheres<br />
Verfahren in den darauf spezialisierten<br />
Kliniken. „Komplikationen<br />
treten selten auf. Bei nur etwa<br />
5Prozent aller Eingriffe kann es<br />
zu Gefäßverletzungen, Blutungen<br />
<strong>im</strong> Herzbeutel oder einem Schlaganfall<br />
kommen“. Grundsätzlich<br />
entscheidet der behandelnde Arzt,<br />
welche Therapie bzw. Behandlung<br />
<strong>im</strong> jeweiligen Einzelfall sinnvoll<br />
und erfolgversprechend ist. Das<br />
Ziel ist <strong>im</strong>mer das gleiche: die<br />
Leistungsfähigkeit des Patienten<br />
zu steigern und die <strong>Leben</strong>squalität<br />
sowie die<strong>Leben</strong>serwartung positiv<br />
zubeeinflussen.<br />
G.S.<br />
Christian Scheer <strong>im</strong> Gespräch mit<br />
Schwester Iris von der Diabetologie<br />
–Anzeige –<br />
Gesunde <strong>Leben</strong>sweise<br />
n<strong>im</strong>mt positiven<br />
Einfluss<br />
Der moderne <strong>Leben</strong>sstil begünstigt<br />
Volkskrankheiten wie<br />
BluthochdruckundHerzleiden.<br />
Eine wichtige Rolle dabei spielen<br />
solche Faktoren wie Bewegungsmangel,<br />
Übergewicht,<br />
Stress, Schlaf, Ernährung, Rauchen<br />
und Alkohol. Deshalb ist<br />
es wichtig, diese Krankheiten<br />
nicht nur konsequent mit<br />
Medikamenten zu behandeln,<br />
sondern die Leistungsfähigkeit<br />
und körperliches Wohlbefinden<br />
durch eine gesunde<br />
<strong>Leben</strong>sweise zu unterstützen.<br />
Gerade bei Bluthochdruck<br />
als Hauptursache für das Vorhoffl<strong>im</strong>mern<br />
empfehlen Ärzte,<br />
regelmäßig drei- bis fünfmal<br />
die Woche für 20 bis 30 Minuten<br />
Ausdauersport zu treiben.<br />
Empfehlenswert sind Laufen,<br />
zügiges Gehen, Radfahren und<br />
Schw<strong>im</strong>men. Wer an Übergewicht<br />
leidet, sollte dieses<br />
durch fett- und zuckerarme<br />
Ernährung mit viel frischem<br />
Gemüse, Getreideprodukten<br />
und Obst abbauen. Starkes<br />
Rauchen, chronischer Alkoholmissbrauch<br />
–mehr als 36 g<br />
bzw.zwei Gläser Wein pro Tag<br />
– starker Kaffeekonsum und<br />
opulente Mahlzeiten können<br />
ebenfalls Auslöser des Vorhoffl<strong>im</strong>merns<br />
sein. Deshalb sollte<br />
man sich diesen Genüssen nur<br />
gelegentlich hingeben. Darüber<br />
hinaus istesratsam, extremen<br />
Stress zu vermeiden. Kleine<br />
Pausen <strong>im</strong> Arbeitsalltag,<br />
Spaziergänge an der frischen<br />
Luft und genügend Schlaf sorgen<br />
für Auszeiten, in denen<br />
sich der Körper erholen und<br />
neue Energie tanken kann.<br />
Mehr Informationen<br />
<strong>im</strong> Internet unter:<br />
www.glg-mbh.de
FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 17<br />
Aus dem Familienalbum der Stolls: Drei Männer, eine<br />
Leidenschaft. Das Trio ist regelmäßig in Schweden<br />
und Norwegen unterwegs. Fotos: Gerhard Stoll<br />
LeserPorträt<br />
Wenn Vaters Leidenschaft<br />
die Söhne ansteckt<br />
Seit mehreren Jahren reist der Neubrandenburger Gerhard Stoll regelmäßig mit seinen beiden Söhnen<br />
nach Skandinavien. Zu dritt wandern, klettern und paddeln sie — und genießen die Schönheit des hohen Nordens.<br />
Von Frank Wilhelm<br />
Neubrandenburg. Die Spuren<br />
der Steine haben es<br />
Gerhard Stoll angetan. Seit<br />
Jahrzehnten schon forscht<br />
der Neubrandenburger zur<br />
Geschichte der Eiszeiten, die<br />
das seen- und hügelreiche<br />
Land <strong>im</strong> Nordosten geformt<br />
haben. Es geht Stoll um die<br />
„Mitbringsel“ der einstigen<br />
Gletscher — die Steine, das<br />
Geröll, die Findlinge, die<br />
über Hunderte Kilometer aus<br />
Skandinavien in den Norden<br />
Deutschlands transportiert<br />
wurden. Zu DDR-Zeiten war<br />
es dem heute 77-Jährigen<br />
nicht vergönnt, nach Schweden<br />
und Norwegen zu reisen,<br />
wo die Schöpfer unserer<br />
norddeutschen Endmoränen<br />
herkamen.<br />
Nach 1989 nutzte er mit<br />
seiner Familie die Gunst der<br />
neuen Freiheit. Skandinavien<br />
sollte fortan das Urlaubsziel<br />
Nummer 1 werden. Für Stoll<br />
Senior stehen aber nicht baden<br />
und bummeln, trinken<br />
und essen <strong>im</strong> Mittelpunkt. Er<br />
untern<strong>im</strong>mt Erlebnisreisen,<br />
seit zehn Jahren vorzugsweise<br />
mit seinen zwei Söhnen.<br />
Sie wandern, klettern, paddeln<br />
und erkunden dabei die<br />
unbekannten, rauen Landschaften<br />
des Nordens — ein<br />
generationsübergreifendes<br />
Vergnügen.<br />
Vater Stoll, der seit einigen<br />
Jahren Mitglied <strong>im</strong> Geowissenschaftlichen<br />
Verein Neubrandenburg<br />
ist, hat die Söhne<br />
mit seiner Leidenschaft<br />
angesteckt. 2009 startete Gerhard<br />
Stoll zu seiner ersten Vater-Sohn-Tour.<br />
Anfangs allein<br />
mit seinem Junior, Wolfgang,<br />
Jahrgang 1981, der als Ingenieur<br />
<strong>im</strong> Nordosten arbeitet.<br />
Seit 2015 ist auch der Ältere,<br />
Torsten, geboren 1964, mit<br />
von der Partie. Er ist Schauspieler<br />
in Berlin.<br />
Die Reiserouten bereitet<br />
Gerhard Stoll vor, <strong>im</strong>mer<br />
noch auf traditionelle Art<br />
und Weise. Während viele<br />
ihren Urlaub mittlerweile<br />
mit ein paar Klicks <strong>im</strong> Internet<br />
ordern, zieht Vater Stoll<br />
die gute alte Landkarte zurate.<br />
Davon hat er stapelweise<br />
<strong>im</strong> Schrank, sehr detaillierte<br />
von Schweden und Norwegen<br />
mit möglichst kleinem<br />
Maßstab. Überall finden sich<br />
Kreuze, Linien und Bleistiftnotizen<br />
am Rand. „Da waren<br />
wir schon überall“, erklärt<br />
er. Besonders die schwedische<br />
Ostseeküste hat es ihm<br />
angetan. Hier kennt er fast<br />
jede größere Siedlung und<br />
Insel. Genauso wie <strong>im</strong> Gebiet<br />
nördlich der großen Seen<br />
Vättern und Vänern. Von hier<br />
aus lässt ist auch Norwegen<br />
nicht weit. Nur eine Stadt<br />
meiden die Stoll-Männer. In<br />
der Hauptstadt Stockholm<br />
war das Trio noch nie. „Wir<br />
wollen doch nicht shoppen<br />
<strong>im</strong> Urlaub“, sagt Vater Stoll.<br />
Stolls fühlen sich von der<br />
Natur angezogen, von den<br />
Bergen, dem weiten H<strong>im</strong>mel<br />
und dem Wasser. Gerhard<br />
Stoll kommt ins Schwärmen,<br />
etwa wenn er von den Felsritzungen<br />
bei Tannumshede<br />
spricht. Rund 10 000 etwa<br />
3000 Jahre alte Gravuren<br />
aus der Bronzezeit haben die<br />
Forscher in der westschwedischen<br />
Provinz Bohuslän<br />
nördlich von Göteborg entdeckt.<br />
Mehrere Bereiche der<br />
Felszeichnungen stehen seit<br />
1994 auf der Weltkulturerbe-Liste<br />
der Vereinten Nationen.<br />
Beeindruckend seien<br />
auch die Großsteingräber der<br />
Erstbesiedler Skandinaviens<br />
zwischen Vänern- und Vätternsee.<br />
„Und uns gefällt die<br />
besondere Kultur der Schweden<br />
<strong>im</strong> täglichen <strong>Leben</strong>, ihre<br />
Gelassenheit <strong>im</strong> Umgang miteinander,<br />
nie in Hektik zu<br />
verfallen“, sagt Stoll. „Hier<br />
kann man wirklich Beine und<br />
Seele baumeln lassen.“<br />
Uns gefällt die besondere<br />
Kultur der Schweden <strong>im</strong><br />
täglichen <strong>Leben</strong>, ihre<br />
Gelassenheit miteinander,<br />
nie in Hektik zu verfallen.<br />
Gerhard Stoll<br />
Die Beine allerdings lassen<br />
die Stoll-Männer bei ihren<br />
jährlichen Touren eher selten<br />
baumeln. Um möglichst viel<br />
Kultur und Natur zu „tanken“,<br />
brechen sie früh auf,<br />
mit Rucksack und Marschverpflegung<br />
und natürlich<br />
mit Karte und Kompass. „Ich<br />
wandere noch nach Marschrichtungszahl“,<br />
sagt Stoll. In<br />
der Regel mieten sie sich ein<br />
„Basislager“, früher ein Z<strong>im</strong>mer<br />
in einer Jugendherberge,<br />
heute ein Ferienhaus, von<br />
dem aus sie dann ihre Touren<br />
starten. Abends zuvor wird<br />
geschaut, wo am Tag drauf<br />
das Wetter am besten ist. Als<br />
Ziele peilen sie gerne auch<br />
die norwegischen Berge <strong>im</strong><br />
Zentrum des Landes an, die<br />
von Schweden aus gut zu erreichen<br />
sind. „Bislang hatten<br />
wir nur einmal Pech mit den<br />
Prognosen“, sagt Stoll. Statt<br />
Sonne gab es Regen, und zwar<br />
so viel Regen, dass die Männer<br />
umkehren mussten.<br />
Meist aber gehen die Pläne<br />
für die Tagestouren auf.<br />
In der Regel fahren sie in aller<br />
Frühe mit dem Auto los,<br />
oft mehr als 100 Kilometer<br />
bis zum Tagesziel. Anschließend<br />
werden die Rucksäcke<br />
geschultert. Stundenlang<br />
geht es durch die oft karge<br />
Berglandschaft.<br />
Gerhard Stoll gönnt sich<br />
eine kleine Portion Stolz, dass<br />
er noch <strong>im</strong>mer ohne Probleme<br />
mit seinen Jungs mithalten<br />
kann. Kein Wunder: Der<br />
77-Jährige hat kein Gramm<br />
Fett zu viel am Körper, ist<br />
fit wie der sprichwörtliche<br />
Turnschuh. Es muss aber gar<br />
nicht <strong>im</strong>mer der höchste Gipfel<br />
sein. „Uns ist die Aussicht<br />
wichtig. Der weite Blick in die<br />
skandinavischen Landschaften<br />
ist am schönsten.“<br />
Belohnt werden Gerhard<br />
Stoll und seine Söhne mit<br />
einmaligen Naturerlebnissen,<br />
mit Ruhe und Weite und <strong>im</strong>mer<br />
mal wieder auch mit ungewöhnlichen<br />
Bekanntschaften.<br />
Eines Tages standen vor<br />
dem Fenster ihres Ferienhauses<br />
Rentiere, die sich von den<br />
Menschen offenbar nicht <strong>im</strong><br />
geringsten gestört fühlten.<br />
Natürlich schweißen die<br />
Erlebnisse Vater und Söhne<br />
noch enger zusammen. Es<br />
gibt viel zu erzählen. Beispielsweise,<br />
wenn gemeinsam<br />
gekocht wird. Jeder der drei<br />
Männer steht mal am Herd.<br />
Oft steigen sie nach dem Essen<br />
noch einmal den nächsten<br />
Hügel hinauf, um den<br />
Sonnenuntergang zu sehen.<br />
Vom hohen Norden können<br />
die Drei einfach nicht genug<br />
bekommen.<br />
Kontakt zum Autor<br />
f.wilhelm@nordkurier.de
SEITE 18 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
85 %<br />
der Haushalte in<br />
Deutschland hatten<br />
Anfang 2018 mindestens<br />
einen Flachbildfernseher.<br />
2013 waren es 67 %.*<br />
Zahlen und Fakten<br />
69,5 Millionen<br />
Fahrräder befanden sich 2017 bundesweit in<br />
privater Hand. Der Anteil der E-Bikes steigt: Zuletzt<br />
setzten 6,1 Prozent der Haushalte auf Motorhilfe.*<br />
Mit 69<br />
und 84 Menschen pro<br />
Quadratkilometer sind<br />
MV und Brandenburg<br />
die dünnstbesiedelten<br />
Bundesländer.*<br />
© FOTO: Julian STRATENSchulte<br />
Mit 555<br />
Pkw pro 1000 Einwohner<br />
hatte der<br />
Motorsierungsgrad<br />
<strong>im</strong> Jahr 2016 einen<br />
neuen Höchststand<br />
errreicht.*<br />
51 %<br />
der Bevölkerung<br />
in Deutschland<br />
waren bei der<br />
letzten Zählung<br />
Ende 2016<br />
weiblich.*<br />
2060<br />
sind 31 Prozent der<br />
Deutschen über 65.*<br />
140<br />
Fahrten mit Bus und Bahn<br />
wurden 2017 <strong>im</strong> Schnitt<br />
pro Nase gezählt.*<br />
* Statistisches Bundesamt<br />
** Meinungsforschungsinstitut<br />
Ipsos in Zusammenarbeit<br />
mit dem Hamburger<br />
Zukunftsforscher Horst<br />
Opaschowski<br />
*** Barmer Krankenkasse<br />
**** Weltweiter Glücksreport<br />
***** Techniker Krankenkasse<br />
7,05<br />
beträgt der Glückswert<br />
der Menschen<br />
in Deutschland<br />
anno 2018.<br />
Die Skala reicht<br />
von 0 bis 10.****<br />
13,5 %<br />
der Männer in MV<br />
gingen 2016 zur<br />
Früherkennung von<br />
Prostatakrebs — Rekord<br />
<strong>im</strong> Ländervergleich.***<br />
636,7 Millionen<br />
Euro haben deutsche Unternehmen <strong>im</strong> vergangenen<br />
Jahr für Nudel-Importe ausgegeben. Dafür wurden<br />
524 000 Tonnen Teigwaren eingeführt, 70 Prozent<br />
kamen aus Italien. Im gleichen Zeitraum hat<br />
Deutschland 122 000 Tonnen Nudeln exportiert.*<br />
43,5 %<br />
der Frauen in MV<br />
haben 2016 Angebote<br />
zur Krebsfrüherkennung<br />
genutzt,<br />
bundesweit waren<br />
es 40%.***<br />
12 %<br />
der Familien in<br />
Deutschland hatten<br />
laut Mikrozensus<br />
2016 drei und mehr<br />
Kinder.*<br />
74 %<br />
der Menschen in Deutschland halten<br />
Ehrlichkeit und 62 Prozent Respekt für die wichtigsten<br />
Ziele in der Erziehung von Kindern.*<br />
6,7<br />
Millionen Menschen<br />
bundesweit leiden<br />
an Diabetes. Weitere<br />
gut 2 Millionen<br />
ahnen nichts von der<br />
Erkrankung.*****<br />
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FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 19<br />
Leserporträt<br />
WasKinder brauchen ...<br />
<strong>Mitten</strong> <strong>im</strong> <strong>Leben</strong> ein<br />
zweiter Geburtstag<br />
Gut 30 Jahre lang hing Wolfgang Reggentin aus Waren an der Flasche.<br />
Be<strong>im</strong> Blauen Kreuz fand er Hilfe und die Kraft, die Fessel der Sucht abzuwerfen.<br />
Heute steht er Menschen bei, die dem Alkohol ebenfalls entkommen wollen.<br />
Waren. Serrahn bei Rostock.<br />
Frühjahr 1994. Ein Mann<br />
wirft die Fesseln ab und feiert<br />
fortan einen zweiten Geburtstag.<br />
Es war der Wendepunkt<br />
<strong>im</strong> <strong>Leben</strong> von Wolfgang<br />
Reggentin aus Waren, damals<br />
Ende 40 und alkoholabhängig.<br />
Heute ist er seit mehr als<br />
25 Jahren trocken, ein Mann,<br />
der in sich ruht. Eine Bibel-<br />
Erholungsfreizeit an der Ostsee<br />
mitzumachen, wurde sein<br />
persönlicher Glücksfall.<br />
Zu verdanken hat es Wolfgang<br />
Reggentin dem „Blauen<br />
Kreuz“. Der Verband engagiert<br />
sich in der Suchthilfe,<br />
kümmert sich um suchtgefährdete<br />
und -kranke Menschen<br />
und deren Angehörige.<br />
Seit 1996 ist Reggentin<br />
selbst Mitglied <strong>im</strong> Verein und<br />
n<strong>im</strong>mt sich der Betroffenen<br />
an. In ihren Schicksalen erkennt<br />
der heute 71-Jährige<br />
oftmals Züge seiner selbst<br />
wieder. Vor allem mit jungen<br />
Suchtkranken hat er es zu<br />
tun. Mit solchen, bei denen<br />
— wie einst bei ihm — der<br />
Wille, der Sucht zu entfliehen,<br />
noch fehlt. Meist komme<br />
die Einsicht erst in den<br />
40er oder 50er, stellt er fest.<br />
So wie bei ihm. Seinerzeit<br />
trinkt er seit gut 30 Jahren<br />
regelmäßig Alkohol, zwar nie<br />
während der Arbeit bei der<br />
Deutschen Bahn, aber nach<br />
Feierabend. Den Übergang<br />
vom Genuss zur Sucht habe<br />
er selbst gar nicht bemerkt,<br />
schildert er. Ein schleichender<br />
Prozess sei es gewesen.<br />
Anfangs sind es zwei Bier<br />
bei Familienfeiern oder Betriebsfesten,<br />
dann zehn nach<br />
Dienstschluss, schließlich<br />
20 Flaschen, weil ihn private<br />
und berufliche Sorgen umtreiben<br />
oder schlechte Laune<br />
quält. Er versucht, seine<br />
Probleme zu ertränken. „Zu<br />
Spitzenzeiten habe ich einen<br />
drei viertel Liter Cognac in<br />
fünf Minuten getrunken.“<br />
Wolfgang Reggentin ist nicht<br />
stolz darauf.<br />
Der Ausstieg <strong>im</strong><br />
ersten Anlauf misslingt<br />
Anfangs fühlt er sich Minuten<br />
und Stunden weitgehend<br />
sorgenfrei. Doch die Sucht<br />
n<strong>im</strong>mt ihn mehr und mehr in<br />
den Klammergriff. Je abhängiger,<br />
umso erfinderischer<br />
wird er. Er versteckt Alkohol<br />
<strong>im</strong> Spülkasten der Toilette, erfindet<br />
Ausreden, um etwa Geburtstage<br />
früher zu verlassen,<br />
weil der Durst ruft. Immer<br />
häufiger lügt er. Bis es seiner<br />
Frau 1993 reicht. Sie ruft den<br />
Hausarzt zur Hilfe. Der steckt<br />
Reggentin ins Krankenhaus<br />
und verordnet eine Entgiftungskur.<br />
Zehn Tage dauert<br />
die Prozedur. Der Warener<br />
Von Susann Salzmann<br />
Vom Genuss zur Sucht ist es für<br />
manche Menschen nur ein<br />
kleiner Schritt. Foto: Ch. Klose<br />
zittert am ganzen Leib, hat<br />
Schüttelfrost. Den Absprung<br />
schafft er nicht. „Mir hat zu<br />
diesem Zeitpunkt die richtige<br />
Überzeugung noch gefehlt.“<br />
Die Einsicht stellt sich<br />
erst ein Jahr später ein, als<br />
er die Chance hat, den Führerschein<br />
zu erwerben. Aufgrund<br />
einer Erblindung auf<br />
dem linken Auge war es ihm<br />
zu DDR-Zeiten nicht möglich,<br />
die entsprechende Praxisprüfung<br />
abzulegen. Das holt<br />
der ehemalige Eisenbahner<br />
1994 nach. Wieder lügt er.<br />
Die Theorie hatte er nämlich<br />
bereits 1966 bestanden, die<br />
nunmehr freien Fahrschulstunden<br />
nutzt er zum Trinken.<br />
Dennoch erhält er am<br />
Wolfgang Reggentin hat seine Alkoholsucht besiegt — vor mittlerweile 25 Jahren. Seither engagiert er<br />
sich be<strong>im</strong> Blauen Kreuz, um anderen Betroffenen zu helfen. <br />
Foto: Susann Salzmann<br />
14. März seinen Führerschein<br />
und verliert ihn am<br />
3. Mai. Auf dem Alten Markt<br />
in Waren verursacht er be<strong>im</strong><br />
Parken einen Blechschaden.<br />
Mit 2,3 Promille. Wolfgang<br />
Reggentin kann sich einen<br />
zynischen Kommentar nicht<br />
verkneifen: „Alkohol ist das<br />
beste Lösungsmittel, das es<br />
gibt.“ Seine Frau hat er verloren,<br />
und auch die Kinder haben<br />
sich von ihm abgewendet.<br />
Als er am Tag nach dem<br />
Führerscheinentzug zur<br />
Suchtberatung Waren geht,<br />
wird er ans Blaue Kreuz verwiesen<br />
und dort auf die Bibel-<br />
Erholungsfreizeit aufmerksam<br />
gemacht. Mal eine Woche<br />
lang die Gedanken zur Ruhe<br />
kommen lassen. „Ich wurde<br />
auf der Fahrt so gut behandelt;<br />
keiner hat mir Vorwürfe<br />
gemacht oder mich als ‚Suffkopf‘<br />
abgetan.“ Er ist heute<br />
noch dankbar dafür. Am letzten<br />
Tag jener Woche Ostsee<br />
tritt er vor das Kreuz, beichtet<br />
seine Verfehlungen, bittet um<br />
Verzeihung und erfährt sie.<br />
Die Menschen und die moralische<br />
Unterstützung dieser<br />
Auszeit haben ihm Kraft verliehen.<br />
Den Entschluss, gleich<br />
danach eine vierwöchige Therapie<br />
zu absolvieren, trifft er<br />
selbstständig.<br />
Dankbarkeit motiviert<br />
zu ehrenamtlicher Arbeit<br />
In diesem Jahr konnte Wolfgang<br />
Reggentin auf seinen 25.<br />
Jahrestag als trockener Alkoholiker<br />
zurückblicken. Da er<br />
seit 5. Mai 1994 keinen Tropfen<br />
Alkohol mehr zu sich genommen<br />
hat, feiert er diesen<br />
Tag als zweiten Geburtstag.<br />
Er ist dankbar — auch dafür,<br />
dass er keine schwerwiegenden<br />
Leberschäden oder andere<br />
Erkrankungen durch<br />
den Suff davongetragen hat.<br />
Akribisch achtet er heute auf<br />
<strong>Leben</strong>smittel, die Alkohol<br />
enthalten und ihn wieder<br />
auf dem Geschmack bringen<br />
könnten. Das heißt: kein<br />
Speisesenf, keine Weinsoße,<br />
keine Hustensäfte und auch<br />
keine alkoholhaltige, desinfizierende<br />
Mundschülung<br />
be<strong>im</strong> Zahnarzt. „Die Zunge<br />
ist ein Organ, das Alkohol<br />
spürt“, sagt er.<br />
Mit Hilfe des Blauen Kreuzes<br />
schaffte Wolfgang Reggentin<br />
die Rückkehr in ein<br />
normales <strong>Leben</strong>. Seine Dankbarkeit<br />
gibt er mit ehrenamtlichem<br />
Engagement zurück.<br />
Ende 1996 wurde er in den<br />
Warener Suchtberaterkreis<br />
aufgenommen, seit 1997 leitet<br />
er die Begegnungsstätte<br />
des Blauen Kreuzes und steht<br />
Menschen bei, die den Alkohol<br />
hinter sich lassen wollen.<br />
Kontakt zur Autorin<br />
s.salzmann@nordkurier.de<br />
ältere Menschen aber<br />
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SEITE 20 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Leserporträt<br />
Warum der Luftballon<br />
die Leine liebt<br />
Silvia Hofert fühlt sich mittlerweile sauwohl in ihrem <strong>Leben</strong>. Seit sie bemerkt, wie schnell die Jahre rennen,<br />
sagt sie öfter mal Nein, denkt mehr an sich und genießt bewusst jede Stunde mit ihrem Mann.<br />
Von Claudia Marsal<br />
Prenzlau. „Meine schönsten<br />
Jahre? Ich glaube, die haben<br />
mit Mitte 40 begonnen.“ Silvia<br />
Hofert steht am Tresen<br />
ihrer Praxis für Podologie und<br />
streicht sich nachdenklich<br />
durch ihre jetzt raspelkurz<br />
geschnittenen Haare. „Ja, das<br />
können Sie wirklich schreiben.<br />
Als Frau lernt man vermutlich<br />
erst spät, sich selbst zu wertschätzen<br />
und auf die eigenen<br />
Bedürfnisse zu hören. Davor<br />
reduziert man sich meist zu<br />
lange auf die Mutterrolle“,<br />
setzt sie dann hinzu. Seit ein<br />
paar Jahren nun sind auch bei<br />
ihr die Kinder erwachsen.<br />
Zwei hat sie gemeinsam<br />
mit ihrem Mann großgezogen.<br />
Sohn Markus ist 29 und lebt in<br />
Flensburg. Tochter Friederike<br />
hat mit 23 ihr Modedesignstudium<br />
abgeschlossen und am<br />
Berliner Großstadtleben Gefallen<br />
gefunden. Das Elternhaus<br />
in Wallmow war schon lange<br />
recht leer. Vielleicht auch ein<br />
Grund, warum sich die Hoferts<br />
auf ihre reifen Tage nochmal<br />
zum Bau eines neuen Domizils<br />
entschlossen haben.<br />
Seit diesem Jahr lebt das<br />
Paar in Prenzlau. „Wir haben<br />
uns zu zweit mit Katze eingerichtet“,<br />
verrät die Unternehmerin<br />
lachend. Der Ortswechsel<br />
habe den Vorteil, dass<br />
es für sie jetzt nur noch ein<br />
Katzensprung zur Arbeit sei.<br />
Bei ihrem Mann ändert sich<br />
nichts. Er verdient mit dem<br />
Vertrieb von Sanddorn-Produkten<br />
seine Brötchen und<br />
reist wie eh und je viel durchs<br />
Land. Der Unterschied zu früher<br />
sei, dass sie die gemeinsame<br />
Zeit mit wachsendem<br />
Alter noch mehr zu schätzen<br />
wüssten, versucht Silvia Hofert<br />
auf den Punkt zu bringen,<br />
was „die schönsten Jahre“<br />
ausmacht. „Wir fühlen<br />
Silvia Hofert hat eine Podologie-Praxis gegründet und es nicht bereut. Foto: claudia marsal<br />
uns so wohl miteinander. Da<br />
ist dieses Gefühl, dass man<br />
sich tausendprozentig aufeinander<br />
verlassen kann, und<br />
dieses blinde Verstehen — ich<br />
liebe das.“<br />
Zu zweit in einer<br />
abgelegenen Hütte<br />
Anderen mag das langweilig<br />
erscheinen, aber Silvia<br />
Hofert ist froh, <strong>im</strong>mer noch<br />
den langjährigen Partner an<br />
ihrer Seite zu haben. „Er erdet<br />
mich mit meiner quirligen<br />
Art“, sagt sie. „Manchmal<br />
fühle ich mich wie ein Luftballon,<br />
der noch höher hinaus<br />
will. Aber dann kommt<br />
er, bindet mich unten an und<br />
sagt: Du kannst auch so ein<br />
schöner Luftballon sein.“<br />
Erst kürzlich seien sie beide<br />
allein nach Skandinavien<br />
hoch gereist. „Nur wir zwei in<br />
einer entlegenen Hütte. Den<br />
ganzen Tag nichts tun und<br />
sich umeinander kümmern.<br />
Das ist es, was <strong>im</strong> Alltag oft<br />
zu kurz kommt, was man sich<br />
aber bewahren muss, damit<br />
die Beziehung hält.“ Doch es<br />
ist nicht nur die Erfüllung in<br />
der Partnerschaft, die Silvia<br />
Hoferts neues Wohlfühllevel<br />
mit jetzt 51 <strong>Leben</strong>sjahren definiert.<br />
„Ich bin insgesamt<br />
irgendwie egoistischer geworden,<br />
sage auch mal Nein,<br />
weil ich merke, wie die Jahre<br />
rennen. Wenn ich jetzt nicht<br />
aufpasse, dass ich meine Bedürfnisse<br />
befriedigen kann,<br />
wann dann?“<br />
Eine Zeitlang hat sie be<strong>im</strong><br />
Karneval mitgemacht, um<br />
der Entertainerin in ihr<br />
Raum zu geben. „Das liebe<br />
ich ja: Auf der Bühne stehen<br />
und das Publikum unterhalten.<br />
Wenn du merkst, dass<br />
deine Gags ankommen, alle<br />
lachen — das ist ein tolles<br />
Gefühl.“ Nichts davon sei je<br />
einstudiert gewesen, setzt sie<br />
schnell hinzu: „Es gibt nichts<br />
Schl<strong>im</strong>meres als Alleinunterhalter,<br />
die alles vom Papier<br />
ablesen. So funktioniert Komik<br />
nicht. Die muss aus dem<br />
Bauch kommen. Da darf man<br />
nicht lange überlegen. „Auch<br />
nicht abwägen, ob ein Spruch<br />
geht oder nicht“, fügt sie<br />
spitzbübisch hinzu, wohlwissend,<br />
dass manches vielleicht<br />
auch mal knapp unter der<br />
Gürtellinie war. „Damit muss<br />
man umgehen können.“ Das<br />
könne nicht jeder.<br />
Jahrelang hatte Silvia Hofert<br />
als angestellte Krankenschwester<br />
gearbeitet, bis sie<br />
den Weg in die Selbstständigkeit<br />
wagte. Der Umbau <strong>im</strong><br />
Gesundheitswesen nach der<br />
Wende hatte ihrem Unternehmergeist<br />
Beine gemacht.<br />
Kurz zuvor hatte sie in Wallmow<br />
als Gemeindeschwester<br />
angefangen und riesigen Spaß<br />
dabei. Doch den Job gab es<br />
dann plötzlich nicht mehr. Es<br />
folgte eine Festanstellung bei<br />
einem Diabetologen mit Fuß-<br />
Ambulanz und später ein Jahr<br />
bei einem ambulanten Pflegedienst.<br />
„Die Fußpflege machte<br />
ich da nebenher. Aber das<br />
ging auf Dauer nicht, weil ich<br />
dadurch kaum noch Freizeit<br />
hatte.“ Also die Entscheidung<br />
für die Selbstständigkeit.<br />
Hobbykünstlerin träumt<br />
von einer kleinen Galerie<br />
„Nächtelang habe ich meinem<br />
Mann die Ohren voll<br />
gejammert: Was, wenn keiner<br />
kommt? Was, wenn der<br />
Laden nicht läuft.“ Doch ihr<br />
Mann tröstete und ermutigte<br />
ohne Unterlass. Und er sollte<br />
Recht behalten. Im zwölften<br />
Jahr läuft es gut, sagt Silvia<br />
Hofert, die in Prenzlau und<br />
Templin mittlerweile neun<br />
Angestellte hat.<br />
Gefragt, welchen Wunsch<br />
sie sich noch erfüllen möchte,<br />
hat die Kreisstädterin eine<br />
überraschende Antwort parat.<br />
Die Hobby-Malerin träumt von<br />
einer kleinen Galerie in der<br />
Stadt. Da würde sie gern eigene<br />
Werke verkaufen und auch<br />
anderen Künstlern ein Podium<br />
geben. Ob‘s was wird? Sie weiß<br />
es nicht. „Vermutlich nicht.<br />
Aber was wäre der Mensch<br />
ohne Flausen <strong>im</strong> Kopf? Richtig:<br />
nichts.“<br />
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FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 21<br />
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kommunizieren, organisieren, einkaufen, recherchieren, spielen, fotografieren, filmen und vieles mehr.<br />
Wir haben vier Apps ausgewählt, die auf keinem Seniorenhandy fehlen sollten.<br />
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NeuroNation<br />
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des Alters sind die nachlassenden<br />
Augen. Da sind die<br />
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erwerben. Das funktioniert<br />
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setzen, Texte markieren und<br />
kommentieren.<br />
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wie man sich entwickelt hat. Die<br />
App wurde mit dem Gesundheitspreis<br />
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Rentner haben niemals Zeit:<br />
Zwischen Enkelbetreuung, ehrenamtlichen<br />
Projekten,<br />
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und diversen Projekten<br />
muss man erst einmal den<br />
Überblick behalten. Natürlich<br />
kann man dafür auf gutem<br />
alten Papier Listen schreiben<br />
oder Kalender-Einträge machen.<br />
Doch meist sind nicht alle Familienmitglieder<br />
so ordentlich.<br />
Dann helfen Apps wie Wunderlist<br />
(kostenlos für iOS und<br />
Android). Damit kann man<br />
seine To-do-Listen erstellen und<br />
verwalten und mit der Familie<br />
oder Freunden teilen. Sogar<br />
zwischen den iOS- und Android-Geräten<br />
funktioniert das. Das<br />
Setzen von Erinnerungen hilft<br />
dabei, keine Termine zu vergessen.<br />
Man wird ja schließlich<br />
nicht jünger ...<br />
Viele Senioren nehmen täglich<br />
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SEITE 22 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Forschung<br />
Die verrückte Mitte<br />
Die Menschen werden <strong>im</strong>mer älter. Wo es für unsere Vorfahren schon aufs Ende zuging,<br />
wird heute locker von der Mitte des <strong>Leben</strong>s gesprochen. Und die rückt weltweit<br />
<strong>im</strong>mer weiter nach hinten, wie Professor Roland Rau an der Universität Rostock beobachtet.<br />
Von Marlis Tautz<br />
Professor Dr. Roland Rau ist für den Lehrstuhl Demografie an der Universität Rostock verantwortlich. <br />
Foto: St. Hagedorn<br />
Rostock. Der Nichtraucher<br />
mag schaudern, der Raucher<br />
jubeln: Da hat eine Frau fast<br />
100 Jahre lang geraucht und<br />
hält den Rekord, das bislang<br />
höchste je zuverlässig dokumentierte<br />
<strong>Leben</strong>salter erreicht<br />
zu haben. Die Französin<br />
Jeanne Calment war 122 Jahre<br />
und 164 Tage alt, als sie am<br />
4. August 1997 starb – und bis<br />
zum Schluss „geistig rege“, so<br />
wird berichtet. Geboren wurde<br />
sie am 21. Februar 1875 <strong>im</strong><br />
südfranzösischen Arles. Ab<br />
1896 hatte sie geraucht. Wer<br />
die „Mitte des <strong>Leben</strong>s“ erkunden<br />
will, kommt um Jeanne<br />
Calment nicht herum. Sie<br />
konnte mit 61 Bergfest feiern.<br />
Die Demografie, die Lehre<br />
von der Bevölkerung,<br />
nennt Menschen ab 110 Jahren<br />
Supercentenarians. Das<br />
Max-Planck-Institut für demografische<br />
Forschung in<br />
Rostock hatte 2010 <strong>im</strong> Zuge<br />
einer internationalen Studie<br />
eine Internet-Datenbank eingerichtet,<br />
die Geburts- und<br />
Sterbedaten von Super-Alten<br />
sammelt. Die meisten stammen<br />
aus den Vereinigten<br />
Staaten, Japan, Großbritannien,<br />
Frankreich und Italien,<br />
rund 90 Prozent sind Frauen.<br />
Als ältester Mann ist derzeit<br />
der Däne Christian Mortensen<br />
verzeichnet, der 1998 mit<br />
115 in Kalifornien starb.<br />
In Sachen <strong>Leben</strong>serwartung<br />
haben Frauen bessere<br />
Karten als Männer – von der<br />
Wiege bis zur Bahre. „Es gibt<br />
kein <strong>Leben</strong>salter, in dem Männer<br />
<strong>im</strong> Vergleich zu Frauen<br />
ein geringeres Sterblichkeitsrisiko<br />
hätten“, sagt Professor<br />
Dr. Roland Rau, der an der<br />
Universität Rostock den Lehrstuhl<br />
Demografie führt und<br />
zum Fellow-Programm des<br />
Planck-Instituts gehört.<br />
Erst ab 30 steigt das<br />
Sterberisiko von<br />
Frauen und Männern<br />
relativ gleichmäßig an.<br />
Roland Rau,<br />
Professor für Demografie<br />
Als eine Ursache für den<br />
Frauen-Vorteil gelten biologische<br />
Gründe wie das weibliche<br />
Geschlechtshormon. Hinzu<br />
kommen soziale Faktoren<br />
wie eine gesündere und weniger<br />
gefahrvolle <strong>Leben</strong>sweise.<br />
Mit Blick auf die Sterblichkeitskurve<br />
von Männern<br />
spricht der Wissenschaftler<br />
von einem „Unfall-Hügel“<br />
zwischen dem 16. und 25. <strong>Leben</strong>sjahr.<br />
„Erst ab 30 steigt das<br />
Sterblichkeitsrisiko von Frauen<br />
und Männern dann relativ<br />
gleichmäßig an.“<br />
Raus Forschungsschwerpunkte<br />
sind <strong>Leben</strong>serwartung<br />
und Sterberate, die „Exit-Komponenten“,<br />
wie er sagt. „Demografie<br />
betrachtet ja das<br />
Rein, das Raus und das Dazwischen<br />
bei Bevölkerungen.“ Er<br />
nennt die Demografie „meine<br />
Berufung“. Dabei hatte er<br />
einst als Student in Bamberg<br />
die Fächer Politik, Journalistik<br />
und Volkswirtschaftslehre gewählt,<br />
um Journalist zu werden.<br />
Doch als er <strong>im</strong> Fach Statistik<br />
die Welt der Zahlen und<br />
Formeln entdeckte, wollte er<br />
nichts anderes mehr machen<br />
und wurde Demograf.<br />
Es sind vor allem Berechnungen<br />
und Modelle auf Basis<br />
von Sterbetafeln nötig,<br />
um die durchschnittliche<br />
<strong>Leben</strong>serwartung für Menschen<br />
eines Jahrgangs zu ermitteln.<br />
„Es handelt sich um<br />
eine Momentaufnahme zum<br />
Zeitpunkt der Geburt“, erklärt<br />
der Professor. „In den<br />
vergangenen 150 Jahren sind<br />
die Menschen älter geworden<br />
als berechnet.“ Ein Beispiel:<br />
1890 und 1900 betrug die<br />
statische <strong>Leben</strong>serwartung<br />
von Männern und Frauen <strong>im</strong><br />
Deutschen Reich 40 und 44<br />
Jahre, tatsächlich starben sie<br />
<strong>im</strong> Schnitt mit 46 und 52. Was<br />
insbesondere am Fortschritt<br />
in Medizin und Gesellschaft<br />
liegt. Für Roland Rau, einen<br />
bayrischen Mann, Jahrgang<br />
1975, wurde die <strong>Leben</strong>serwartung<br />
seinerzeit mit 68,07 Jahren<br />
beziffert. „Da kann man<br />
locker noch einmal zehn Jahre<br />
draufpacken.“<br />
Schon seit dem 17. Jahrhundert<br />
beschäftigen sich Forscher<br />
mit der Frage, wie lange<br />
der Mensch leben kann. Zunächst<br />
fehlte es aber an aussagekräftigen<br />
Angaben über<br />
Geburten und Todesfälle. Der<br />
Universalgelehrte Edmond<br />
Halley (1656 bis 1742) – bekannt<br />
als der Entdecker des<br />
Halleyschen Kometen – zählte<br />
zu den Wegbereitern der Demografie.<br />
Er erstellte eine erste<br />
verlässliche Sterbetafel für<br />
die Stadt Breslau und wertete<br />
sie aus, so Roland Rau. Auch<br />
Schweden habe früh begonnen,<br />
Bevölkerungsdaten zu<br />
erfassen. So ließ sich ermitteln,<br />
dass die Menschen dort<br />
1845 <strong>im</strong> Schnitt 45 Jahre alt<br />
wurden.<br />
Mittlerweile können alle<br />
Länder der Welt die <strong>Leben</strong>serwartung<br />
best<strong>im</strong>men, und<br />
sie ist kontinuierlich gestiegen.<br />
Der Exit-Experte<br />
Rau sagt: „Mag es auch ein<br />
trauriges Thema sein, so ist<br />
die Entwicklung, die darin<br />
steckt, positiv.“ Das gilt für<br />
Spitzenreiter ebenso wie für<br />
Schlusslichter. In Japan lag die<br />
<strong>Leben</strong>serwartung für Neugeborene<br />
2017 bei gut 87 Jahren;<br />
in Sierra Leone und der<br />
Zentralafrikanischen Republik<br />
waren es rund 50. „Doch<br />
auch dort geht es voran“,<br />
sagt Roland Rau. Ausnahmen<br />
seien zuletzt lediglich Libyen<br />
und Syrien gewesen, wo<br />
sich die <strong>Leben</strong>serwartung <strong>im</strong><br />
Vergleich von 2005/2010 zu<br />
2010/15 nicht verbessert hat.<br />
In Deutschland sieht ein<br />
Neugeborenes 2018 laut Statistischem<br />
Bundesamt einer<br />
<strong>Leben</strong>sspanne von 78 Jahren<br />
und vier Monaten (männlich)<br />
und 83 Jahren und 2 Monaten<br />
(weiblich) entgegen. Zur<br />
Erinnerung: Im realen <strong>Leben</strong><br />
kommt noch ein deutliches<br />
Plus dazu. Für die Phase „<strong>Mitten</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Leben</strong>“ heißt das: Sie<br />
fällt zwischen 40. und 50. <strong>Leben</strong>sjahr;<br />
und die Erwartungen<br />
steigen. „Als mein Großvater<br />
in den 1980er-Jahren<br />
mit 79 starb, war von einem<br />
,gesegneten Alter‘ die Rede“,<br />
sagt Roland Rau. „Aus heutiger<br />
Sicht würde man eher<br />
fragen, ob da was schief gegangen<br />
ist.“ Er ist sicher, „dass<br />
Die <strong>Leben</strong>serwartung <strong>im</strong> europäischen Durchschnitt lag<br />
2016 für Männer und Frauen bei 78,2 und 83,6 Jahren.<br />
Die Unterschiede zwischen den Ländern sind groß.<br />
Männer Frauen<br />
Schweiz 81,7 Jahre 85,6 Jahre<br />
Norwegen 80,7 Jahre 84,2 Jahre<br />
Spanien 80,5 Jahre 86,3 Jahre<br />
Frankreich 79,5 Jahre 85,7 Jahre<br />
Deutschland 78,6 Jahre 83,5 Jahre<br />
Polen 73,9 Jahre 82,0 Jahre<br />
Weißrussland 69,0 Jahre 79,2 Jahre<br />
<br />
Deutschland ist nicht Spitze<br />
(Quelle: Eurostat, Statistisches Amt der Europäischen Union)<br />
wir bei der <strong>Leben</strong>serwartung<br />
noch nicht am Ende sind“.<br />
Künftig werde es <strong>im</strong>mer mehr<br />
Hundertjährige geben, einige<br />
Forscher halten sogar <strong>Leben</strong>sspannen<br />
von mehr als 120 Jahren<br />
für möglich.Wie der Demograf<br />
selbst sein Höchstalter<br />
ausreizen will? „Wie es jede<br />
Mutter rät: Zieh dich warm<br />
an! Beweg dich! Rauch nicht,<br />
trink nicht!“<br />
Jeanne Calment, die Rekordhalterin<br />
aus dem Süden<br />
Frankreichs, hatte nach<br />
eigenem Bekunden außer<br />
Olivenöl, Portwein, Gemüse<br />
und Knoblauch nicht besonders<br />
viel in ihre Gesundheit<br />
investiert. Zwar musste sie<br />
nie schwer arbeiten, weil sie<br />
nach ihrer Heirat finanziell<br />
abgesichert ihren sportlichen<br />
und künstlerischen Hobbys<br />
nachgehen konnte. Dennoch<br />
hatte sie kein leichtes <strong>Leben</strong>:<br />
Ihr Ehemann war früh an<br />
einer <strong>Leben</strong>smittelvergiftung<br />
gestorben, ihre Tochter erlag<br />
mit Mitte 30 einer Lungenentzündung,<br />
und ihr Enkel kam<br />
als junger Mann bei einem<br />
Motorradunfall um. Jeanne<br />
Calment hatte noch mit 85<br />
fechten gelernt, erst mit 110<br />
zog sie ins Altershe<strong>im</strong>. Als sie<br />
mit 119 das Rauchen aufgab,<br />
spielte nach Einschätzung<br />
ihres Arztes nicht der gesundheitliche<br />
Gedanke, sondern<br />
einzig ihr Stolz die Rolle. Sie<br />
war vollständig erblindet und<br />
wollte niemanden um Feuer<br />
bitten müssen.<br />
Kontakt zur Autorin<br />
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SEITE 24 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Ein Glücksrezept,<br />
… und in der Mitte das <strong>Leben</strong>s besonders beachtet w<br />
Der Neurologie-Professor beantwortet Fragen von Marlis T<br />
Foto: Christian Charisius<br />
„Es ist nur eine Phase, Hase“ wird in<br />
einem aktuellen Bestseller behauptet,<br />
der ein „Trostbuch für Alterspubertierende“<br />
sein will. Alterspubertierende<br />
treibt es demnach zum Kitesurfen<br />
oder Marathon oder zu spiritueller<br />
Selbstfindung. Woran liegt so etwas?<br />
Der Begriff „Alterspubertierende“<br />
kann nur als Scherz gemeint sein,<br />
er ist wissenschaftlich gesehen nicht<br />
seriös zu diskutieren. Unter Pubertät<br />
versteht man den Teil des Erwachsenwerdens,<br />
in dem es zur Geschlechtsreifung<br />
kommt. Dieses Kapitel ist bei<br />
dem Personenkreis, der Anfälligkeiten<br />
für eine Midlife-Crisis zeigt, längst<br />
abgeschlossen. Die genannten Aktivitäten<br />
– spirituelle Selbstfindung,<br />
Marathonlauf oder Kitesurfen – sind<br />
Zeichen einer Auseinandersetzung<br />
mit der gegebenen Alterssituation<br />
und nicht generell abzulehnen.<br />
Woher stammt überhaupt<br />
der Begriff Midlife-Crisis?<br />
Der Begriff stammt aus der Psychoanalyse<br />
und beschreibt einen häufigen<br />
Einschnitt in der Mitte des <strong>Leben</strong>s,<br />
begleitet von Grübelneigung,<br />
einer negativen Sicht der Dinge und<br />
Unzufriedenheit mit dem <strong>Leben</strong>, so<br />
wie es ist.<br />
Wer ist besonders anfällig<br />
für so ein St<strong>im</strong>mungstief?<br />
Studien haben gezeigt, dass Menschen<br />
mittleren Alters, also in der<br />
Zeit zwischen 35 und 55 Jahren, sich<br />
weniger glücklich fühlen als jüngere<br />
aber auch als ältere Menschen. Di<br />
Ursachen sind einerseits biologisch<br />
Faktoren: zum Beispiel die beginnen<br />
de hormonelle Umstellung, die übr<br />
gens Mann und Frau gleichermaße<br />
betrifft. Andererseits wächst das Be<br />
wusstsein, dass die körperliche un<br />
geistige Leistungsfähigkeit schwin<br />
det. Parallel dazu kommt bei viele<br />
Menschen in diesem <strong>Leben</strong>sabschnit<br />
das Gefühl auf, in der Alltagsroutin<br />
zu ersticken, und der Wunsch ke<strong>im</strong><br />
auf, etwas völlig Neues zu erleben<br />
Das Verblüffende ist, dass wir ähnl<br />
che Prozesse auch aus dem Tierreich<br />
kennen.<br />
Eine tierische Midlife-Crisis!<br />
Wie das?<br />
Wärter und Pfleger von 508 Orang<br />
Utans und Sch<strong>im</strong>pansen in mehrere<br />
Zoos wurden aufgefordert, ihre Be<br />
obachtung der Affen zu registrieren<br />
Gefragt wurde nach der St<strong>im</strong>mun<br />
der Tiere, ob sie nach Meinung de<br />
Personals Freude am sozialen Kontak<br />
zur Gruppe hatten und bei Aktivitä<br />
ten und deren Umsetzung erfolgreic<br />
waren. Das Ergebnis war die gleich<br />
U-förmige Kurve wie be<strong>im</strong> Mensche<br />
– übrigens ohne Geschlechtsunter<br />
schied: Weibliche und männlich<br />
Großaffen hatten gleichermaßen<br />
einen Glücksdurchhänger <strong>im</strong> mitt<br />
leren Alter. Damit darf man es al<br />
erwiesen betrachten, dass es auch<br />
biologische Ursachen für den Abfal<br />
Was sind die besten Jahre? reporter und<br />
Johanna Horak (27 Jahre)<br />
Jungsein ist toll<br />
Gerald Bahr (35 Jahre)<br />
Irgendwas ist <strong>im</strong>mer<br />
Die besten Jahre <strong>im</strong> <strong>Leben</strong><br />
eines Menschen? Die Frage<br />
klingt nach einer harten<br />
Nuss, schließlich kann ich ja<br />
mit Ende 20 noch gar nicht<br />
auf allzu viele Erfahrungen<br />
zurückgreifen. Und doch<br />
habe ich mich in ähnlicher<br />
Form durchaus schon mal<br />
mit dem Thema beschäftigt,<br />
denn mit 27 bin ich mittlerweile<br />
näher an der 30 als an<br />
der 20. Diese Tatsache ist aber<br />
nichts, was mir schlaflose<br />
Nächte bereitet, ich kann es<br />
sowieso nicht ändern.<br />
Ganz grundlegend ist für<br />
mich aber schon mal klar:<br />
Jung sein ist toll. Warum?<br />
Weil man morgens aufsteht<br />
und nichts weh tut; weil das<br />
Gesicht noch weitestgehend<br />
frei ist von Falten; und weil<br />
der Körper mit einer kurzen<br />
Nacht ebenso zuverlässig<br />
und schnell fertig wird wie<br />
mit einem ausgewachsenen<br />
Kater. Alles eher oberflächlich,<br />
mag sein, dennoch angenehm.<br />
Darüber hinaus sind die<br />
Jahre von 20 bis 30 vor allem<br />
deshalb toll, weil wahnsinnig<br />
viel Neues passiert. Man zieht<br />
von zu Hause aus, steht das<br />
erste Mal auf eigenen Beinen,<br />
muss sich be<strong>im</strong> Studium oder<br />
in der Ausbildung behaupten,<br />
nebenbei noch den Kühlschrank<br />
füllen und all das,<br />
ohne die sozialen Kontakte<br />
zu vernachlässigen. Man lernt<br />
sich selbst ganz neu kennen<br />
Foto: Ulrike Kielmann<br />
und begibt sich langsam aber<br />
sicher in die Welt der Erwachsenen.<br />
Ist diese jedoch bisweilen<br />
noch zu überwältigend<br />
oder gar gemein, kann man<br />
sich guten Gewissens zurück<br />
in die elterliche Fürsorge<br />
flüchten. Guter Rat kostet<br />
nichts, das überzogene Konto<br />
von den Eltern ausgleichen<br />
zu lassen, kostet hingegen ein<br />
bisschen Stolz.<br />
Ein weiterer Vorteil – gerade<br />
wenn man sich statt für<br />
eine Ausbildung für das Studieren<br />
entschieden hat – ist<br />
die Freizeit. Klar haben auch<br />
Studenten viel zu tun, aber<br />
oftmals lässt sich das trotzdem<br />
mit einem spontanen<br />
Wochenendausflug nach<br />
Rom verbinden. Auslandsaufenthalte<br />
sind mittlerweile<br />
meistens Pflicht an der Uni<br />
und wenn nicht, kann man<br />
sie sich selbst als eine solche<br />
auferlegen. Denn: Steht man<br />
erst einmal <strong>im</strong> Berufsleben,<br />
ist an kurzentschlossenes<br />
oder monatelanges Reisen<br />
nicht mehr ohne Weiteres<br />
zu denken.<br />
Ebenfalls für die 20er<br />
spricht die Tatsache, dass<br />
junge Menschen viel öfter mit<br />
weniger zufrieden sind als ältere.<br />
Klar, oft haben sie noch<br />
kein geregeltes Einkommen,<br />
leben von Bafög oder dem,<br />
was Nebenjobs abwerfen, und<br />
kennen es eben nicht anders.<br />
Doch sind es nicht die kleinen<br />
Sachen, wie Grillen am See<br />
oder Spieleabende mit Freunden,<br />
die glücklich machen?<br />
Es muss nicht <strong>im</strong>mer alles<br />
perfekt laufen, und es muss<br />
auch nicht das Vier-Sterne-<br />
Hotel sein. So was, so scheint<br />
es mir zumindest, verlernen<br />
einige mit zunehmendem Alter<br />
und Einkommen.<br />
Natürlich ist es bekanntlich<br />
so: Man mag, was man<br />
kennt. Wohl auch deshalb<br />
liegt es nahe, dass ich hier ein<br />
Plädoyer dafür schreibe, dass<br />
die Zeit zwischen 20 und 30<br />
die beste ist. Doch vielleicht<br />
stelle in zehn Jahren fest,<br />
dass es Ü30 auch gar nicht so<br />
übel ist, wenngleich sich jetzt<br />
schon noch eine leichte Gänsehaut<br />
auf meinem Rücken<br />
ausbereitet, wenn ich an meinen<br />
30. Geburtstag denke.<br />
Ich glaube, dass jedes<br />
Jahr(zehnt) <strong>im</strong> <strong>Leben</strong> eines<br />
Menschen das Potenzial bietet,<br />
gut, besser, womöglich<br />
gar das beste zu werden, sofern<br />
man es will und zulässt.<br />
Zumindest hoffe ich darauf.<br />
„Irgendwas ist <strong>im</strong>mer“ — diesen<br />
Satz kennt wohl jeder als<br />
Antwort auf die Frage, wie<br />
es denn gerade so geht. Oder<br />
eben auf die Frage, was die<br />
besten Jahre <strong>im</strong> <strong>Leben</strong> sind.<br />
Denn egal welche Altersgruppe<br />
man nun fragt— Teenager,<br />
Studenten, Männer und Frauen<br />
<strong>im</strong> mittleren Alter oder<br />
Senioren – irgendwas ist ja<br />
<strong>im</strong>mer nicht okay. Wie soll<br />
man denn da abwägen, was<br />
die besten Jahre sein könnten?<br />
Jeder <strong>Leben</strong>sabschnitt<br />
hat doch seine Vor- und Nachteile.<br />
Vor allem <strong>im</strong>pliziert<br />
„der beste <strong>Leben</strong>sabschnitt“<br />
ja auch, dass es einen schlechtesten<br />
gibt.<br />
Ich bin jetzt 35, also genau<br />
in dem Alter, das offenbar viele<br />
Menschen zu den besten<br />
Jahren zählen würden. Eben<br />
das macht mich nun zur Zielscheibe<br />
meiner Kollegen, die<br />
mir mit dieser doofen Frage<br />
auf die Pelle rücken, obwohl<br />
sie mir — offen gesagt — völlig<br />
Banane ist. Klingt griesgrämig?<br />
Soll es nicht.<br />
Denn ich bin zufrieden,<br />
bin seit 14 Jahren mit meiner<br />
Partnerin zusammen und<br />
habe einen Job, der mir Spaß<br />
macht. Was fehlt? Zeit und<br />
eine gewisse Freiheit, einfach<br />
in den Tag hineinzuleben. Ich<br />
hätte vor zehn Jahren als Student<br />
nicht gedacht, dass mir<br />
das irgendwann mal fehlen<br />
würde, aber jetzt ist es tatsächlich<br />
so. Damals — schon<br />
Foto: Ulrike Kielmann<br />
das klingt von einem 35-Jährigen<br />
irgendwie verkehrt —<br />
hatte ich Zeit und Freiheit,<br />
aber war ein Pleitegeier mit<br />
Nebenjobs, um mich über<br />
Wasser halten und Miete,<br />
Essen, Trinken und so weiter<br />
bezahlen zu können. Es hat<br />
aber Spaß gemacht, mehr<br />
oder minder tun zu können,<br />
was ich will. Außer eben das,<br />
wozu man dann doch ein<br />
bisschen Geld braucht.<br />
Das geht jetzt, nur fehlen<br />
die Zeit und der Luxus, sich<br />
morgens einfach mal spontan<br />
aus dem Alltag auszuklinken<br />
und irgendwohin zu fahren.<br />
Meine Chefs würden das ganz<br />
sicher nicht so toll finden.<br />
Und dann sind da ja auch<br />
ein paar Sorgen, wie es <strong>im</strong><br />
Alter mal werden soll. Reicht<br />
die Rente, oder fällt der Politik<br />
etwas ein, damit es doch<br />
eng wird? Wie lange muss<br />
ich überhaupt arbeiten? 67<br />
ist eine stolze Zahl, wo ich<br />
doch gerade mal etwas über<br />
die Halbzeit bin. Eine mögliche<br />
Lösung für das Dilemma:<br />
Einfach alle Befürchtungen<br />
ignorieren und sich doch auf<br />
das Rentenalter freuen. Zumindest<br />
Zeit hätte ich dann<br />
vermutlich genug, bestenfalls<br />
auch eine anständige Rente.<br />
Aber irgendwas ist ja <strong>im</strong>mer.<br />
Oder etwas fehlt, vielleicht<br />
die Gesundheit. Es muss gar<br />
nichts Schl<strong>im</strong>mes sein, doch<br />
der Körper lässt nach, man<br />
wird langsam, sieht nicht<br />
mehr so gut, irgendwo zwickt<br />
und zwackt es <strong>im</strong>mer, der<br />
Ständer wird zum Hänger...<br />
Für jemanden, der sein <strong>Leben</strong><br />
lang, sein bisheriges <strong>Leben</strong><br />
lang (!), gerne und viel Sport<br />
getrieben hat, keine schöne<br />
Vorstellung.<br />
War womöglich die Zeit<br />
als Teenager die beste? Man<br />
lebte bei den Eltern, hatte<br />
einigermaßen Zeit, eventuell<br />
einen Job, um das Taschengeld<br />
aufzubessern, brauchte<br />
sich aber insgesamt wenig<br />
Sorgen über die Zukunft zu<br />
machen. Es war noch nicht<br />
so weit, dass schwerwiegende<br />
Entscheidungen getroffen<br />
werden mussten. Keine Sorgen<br />
hieß damals aber auch<br />
wenig Freiheit. Schließlich<br />
streckte man die Füße nicht<br />
unter den eigenen Tisch.<br />
Am Ende sind alle Jahre<br />
die besten, je nachdem, was<br />
man <strong>im</strong> jeweiligen <strong>Leben</strong>sabschnitt<br />
gerade als wichtig<br />
empfindet. Und irgendwas ist<br />
<strong>im</strong>mer.
SEITE 25<br />
das <strong>im</strong>mer gilt ...<br />
erden muss, kennt der Hirnforscher Christof Kessler.<br />
autz zur Midlife-Crisis und verrät, was ihn glücklich macht.<br />
,<br />
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an <strong>Leben</strong>sfreude und die Krise <strong>im</strong><br />
mittleren <strong>Leben</strong>salter gibt.<br />
Sind Frauen und Männer<br />
gleichermaßen davon betroffen?<br />
Der Begriff Midlife-Crisis wird vorwiegend<br />
bei Männern in der <strong>Leben</strong>smitte<br />
verwendet. Denken Sie an das<br />
Klischee „n<strong>im</strong>mt sich eine wesentlich<br />
jüngere Freundin und kauft eine<br />
Harley Davidson“. Dabei kommen die<br />
gleichen Krisensymptome natürlich<br />
auch bei Frauen in diesem Alter auf.<br />
Männer mit Anfang 50 sind, so zeigen<br />
Untersuchungen, mit ihrem <strong>Leben</strong><br />
zufriedener und glücklicher als<br />
Frauen. Dagegen fühlten sich junge<br />
Frauen wiederum generell glücklicher<br />
als junge Männer. Erst mit dem<br />
Älterwerden wendet sich das Blatt.<br />
Im Hinblick auf die typische Glückskurve<br />
mit dem Tiefpunkt in der <strong>Leben</strong>smitte<br />
gibt es allerdings keinen<br />
Unterschied zwischen Männern und<br />
Frauen.<br />
Das heißt ja, Menschen in der<br />
Midlife-Crisis sollten aufs Alter<br />
hoffen. Wie lange kann das Tief denn<br />
dauern?<br />
Man geht davon aus, dass die Zufriedenheitskurve<br />
jenseits des 45.<br />
<strong>Leben</strong>sjahrs wieder ansteigt. Das<br />
Gehirn stellt sich um: vom Angriffsund<br />
Kampfmodus der jugendlichen<br />
Sturm-und-Drang-Zeit auf den etwas<br />
beschaulicheren Funktionsstand des<br />
beginnenden Alters. Es verändert<br />
sich, das Hirnvolumen und die Zahl<br />
der Nervenzellen nehmen ab, vor allem<br />
in den Gehirnanteilen, die für<br />
Gedächtnis und Problemverarbeitung<br />
zuständig sind. Die Umstellung der<br />
Produktion männlicher oder weiblicher<br />
Sexualhormone in den mittleren<br />
Jahren hat ebenfalls seine Auswirkungen<br />
auf Struktur und Funktionsweise<br />
des Gehirns. Sexualhormone haben<br />
allgemein einen schützenden Effekt<br />
auf das Nervensystem und verhindern<br />
den Verlust von Nervenzellen. Das<br />
heißt <strong>im</strong> Klartext: Mit einem letzten<br />
Aufbäumen in Form der Midlife-Crisis<br />
wird das Gehirn vom Kampf- in den<br />
Arzt und Autor<br />
Ruhe-Modus umgestellt. Das erklärt,<br />
warum viele Menschen zwischen dem<br />
35. und 55 <strong>Leben</strong>sjahr eher unglücklich<br />
sind, aber jenseits der 60 die Frage<br />
„Sind Sie glücklich?“ bejahen.<br />
Wie lässt sich vermeiden, mit<br />
zunehmendem Alter mehr und mehr<br />
zum sprichwörtlichen<br />
Griesgram zu werden?<br />
Ein Griesgram kann man einerseits<br />
aufgrund schlechter Erfahrungen<br />
mit seinen Mitmenschen werden, aus<br />
psychologischen Gründen also, aber<br />
auch aufgrund altersbedingter Veränderungen<br />
des Gehirns. Zum Beispiel<br />
Professor Christof Kessler (Jahrgang<br />
1950) lebt und arbeitet in<br />
Greifswald. Von 1994 bis 2016 hatte<br />
er den Lehrstuhl für Neurologie am<br />
Universitätsklinikum der Hansestadt<br />
inne. 2017 gründete er eine Privat-<br />
und Gutachtenpraxis. In seinen<br />
Bücher „Wahn“ und „Männer, die<br />
in Schränken sitzen“ schreibt der<br />
Neurowissenschaftler auf ebenso<br />
lehrreiche wie unterhaltsame Weise<br />
über Menschen mit Hirnerkrankungen,<br />
die erkennen müssen,<br />
Professor Christof Kessler<br />
dass nicht die Welt sondern ihr Ich sich<br />
verändert hat. Zuletzt erschien <strong>im</strong> C. Bertelsmann Verlag das Buch<br />
„Glücksgefühle – Wie <strong>im</strong> Gehirn Glück entsteht“. Es war für den Preis<br />
des besten Wissenschaftsbuches 2018 nominiert.<br />
Foto: privat<br />
sind Menschen mit einem schlecht<br />
behandelten hohen Blutdruck oder<br />
auch Raucher in Gefahr, eine „Mikroangiopathie“<br />
des Gehirns zu bekommen<br />
(eine Erkrankung der kleinen<br />
Blutgefäße, die Red.). Sie geht mit<br />
Durchblutungsstörungen des Gehirns<br />
einher. Die Folge ist ein Schwund an<br />
Gehirnmasse. Das äußert sich vor allem<br />
in Form einer Wesensänderung:<br />
Die Menschen werden vergesslich,<br />
misstrauisch, gereizt und geistig<br />
unflexibel. Solch eine Veränderung<br />
kann verhindert werden, wenn die<br />
Risikofaktoren für Schlaganfall und<br />
Herzinfarkt, also Hypertonus, Blutfette,<br />
Rauchen, mangelnde Bewegung<br />
und Übergewicht, beachtet werden.<br />
Das führt zu einer generellen Prophylaxe<br />
von Griesgrämigkeit. Körperliche<br />
Bewegung, gute soziale Kontakte <strong>im</strong><br />
Freundeskreis und in Vereinen und<br />
gesunde Ernährung helfen zusätzlich.<br />
Wann ist die Grenze von allgemeiner<br />
Verst<strong>im</strong>mung zu einer möglicherweise<br />
behandlungsbedürftigen Erkrankung<br />
überschritten?<br />
Abzugrenzen ist die Midlife-Crisis von<br />
der klinisch relevanten Depression.<br />
Bei dieser Diagnose gibt es aber feste<br />
Kriterien, die die meisten Ärzte<br />
kennen: Traurigkeit, die von innen<br />
kommt, und nicht logisch nachvollzogen<br />
werden kann, ferner Antriebsund<br />
Interessenlosigkeit, Verlust an<br />
Genussfähigkeit und Schuldgefühle<br />
mit geringem Selbstwertgefühl. Das<br />
sind eindeutig nicht die Symptome<br />
einer Midlife-Crisis. Auf der anderen<br />
Seite des Spektrums müssen wir die<br />
„Manie“ unterscheiden, die sich häufig<br />
mit der Depression abwechselt. Sie<br />
äußert sich in einer Art von Besessenheit<br />
und in dem Zwang, Dinge zu tun,<br />
die nicht logisch sind, verbunden mit<br />
Selbstüberschätzung bei stark erregtem<br />
Gemütszustand.<br />
Wodurch kann sich der Mensch<br />
„mitten <strong>im</strong> <strong>Leben</strong>“ glücklich<br />
und erfüllt fühlen?<br />
Es gibt ein allgemeines Glücks-Rezept,<br />
das unabhängig vom Alter gilt,<br />
aber ganz besonders in dem <strong>Leben</strong>sabschnitt,<br />
in dem man für die Midlife-<br />
Crisis anfällig ist, beachtet werden<br />
sollte. Es geht um körperliche Aktivität,<br />
um das Festhalten an sozialen<br />
Beziehungen, um Hobbys, das können<br />
geistige oder auch handwerkliche<br />
Aktivitäten sein. Günstig sind zudem<br />
gesundes Essen, das Meiden von Fast<br />
Food und Fertiggerichten. Dann bleibt<br />
man gesund und glücklich.<br />
Verraten Sie Ihr persönliches<br />
Glücks- oder Wohlfühlrezept?<br />
Ich gehe dre<strong>im</strong>al in der Woche zum<br />
Sport, danach fühle ich mich enorm<br />
wohl und entspannt. Ich lese viel und<br />
genieße es, mit Freunden und Familie<br />
zusammen zu sein.<br />
Kontakt zur Autorin<br />
m.tautz@nordkurier.de<br />
Reporterinnen Unserer Zeitung geben Antwort<br />
Claudia Marsal (49 Jahre)<br />
Die 9 hat alles verändert<br />
Thomas Beigang (58 Jahre)<br />
Zurück auf Start? Nein danke!<br />
Neun Jahre lang war ich fest<br />
überzeugt, mitten drin zu<br />
stecken <strong>im</strong> geilsten Jahrzehnt<br />
meines <strong>Leben</strong>s. Schon vor<br />
dem runden Geburtstag hatte<br />
ich stolz die 40 genannt,<br />
wenn mich jemand nach<br />
dem Alter fragte. Voll die<br />
emanzipierte, taffe Frau. Wer<br />
hat schon Angst vorm Älterwerden?<br />
40 ist die neue 30!<br />
Ich liebe jede Falte und jedes<br />
Gramm an mir! Mit Sprüchen<br />
wie diesen raste ich seither<br />
durchs <strong>Leben</strong>. Wildwasserrafting,<br />
Bergwandern, Motorradfahren,<br />
Strandschlafen — ich<br />
wagte alles und nahm alles<br />
mit. In der seligen Gewissheit,<br />
endlich da angekommen<br />
zu sein, wo ich <strong>im</strong>mer<br />
sein wollte. Beruflich wie<br />
privat. Drei gesunde, kluge<br />
Kinder; endlich ein Partner,<br />
der mich so nahm, wie ich<br />
bin; seit 31 Jahren in einem<br />
Job, der mich erfüllt; wenig<br />
materielle Sorgen und noch<br />
weniger gesundheitliche Malaisen.<br />
Von den Zeichen der<br />
Zeit <strong>im</strong> Gesicht, einer Fernbrille<br />
und in paar Pfunden zu<br />
viel auf Hüften und Po mal<br />
abgesehen...<br />
Doch dann stand plötzlich<br />
eine 9 hinter der 4 und<br />
alles änderte sich. Quasi<br />
über Nacht landete ich vom<br />
H<strong>im</strong>mel-hoch-jauchzend <strong>im</strong><br />
Zu-Tode-betrübt. Ein paar<br />
Wochen zuvor hatte ich noch<br />
schallend gelacht, als mein<br />
kleiner Sohn in der Schule<br />
Foto: Privat<br />
behauptet hatte, dass seine<br />
Mutter <strong>im</strong> 19. Jahrhundert geboren<br />
ist. Ja klar, 1969. Woher<br />
hätte er denn wissen sollen,<br />
dass man das anders sagt.<br />
Doch seit dem 9. Februar<br />
2018 bleibt mir bei Bemerkungen<br />
dieser Art das Lachen<br />
<strong>im</strong> Halse stecken. Die nun<br />
nahende nächste Kerzenzahl<br />
auf der Torte jagt mir Tag<br />
für Tag aufs Neue einen gewaltigen<br />
Schrecken ein. Ich<br />
habe plötzlich Angst vorm Alter<br />
und vorm Altwerden bekommen.<br />
Obwohl von außen<br />
besehen alles be<strong>im</strong> Alten geblieben<br />
ist. Hatte ich vorher<br />
noch Geschichten über Midlife-Crises-geplagte<br />
Menschen<br />
ins Lächerliche gezogen, erkenne<br />
ich nun überall Leidensgenossen.<br />
Ich entwickle<br />
Verständnis für jeden, der an<br />
diesem Punkt noch einmal alles<br />
umkrempeln will.<br />
„Nur zu“, möchte ich<br />
schreien. „Wer weiß, wie viel<br />
Zeit noch bleibt.“ Dabei weiß<br />
ich in meinem konkreten Fall<br />
ja gar nicht, was ich denn ändern<br />
wöllte. Doch allein die<br />
Tatsache, dass in drei Monaten<br />
schon der Sprung ins<br />
SECHSTE <strong>Leben</strong>sjahrzehnt<br />
ansteht, lässt mich erschaudern.<br />
Es ist nicht die Angst,<br />
etwas verpasst zu haben. Es<br />
gab in meinem <strong>Leben</strong> wenig,<br />
das ich ausgelassen habe —<br />
<strong>im</strong> Guten wie <strong>im</strong> Schlechten.<br />
Bis auf Drogen vielleicht, davor<br />
hat mich vermutlich die<br />
Jugend in der DDR bewahrt.<br />
Was mich entsetzt, ist vielmehr<br />
das Bewusstsein, wie<br />
viel <strong>Leben</strong> schon vorbei ist,<br />
und wie wenig rein rechnerisch<br />
noch bleibt. Ich bin<br />
mitten drin <strong>im</strong> letzten Drittel.<br />
So eine Scheiße! Das<br />
Schreckgespenst des 50. Geburtstages<br />
hat sich mittlerweile<br />
zu furchteinflößender<br />
Größe aufgetürmt.<br />
Zum Entsetzen aller habe<br />
ich deshalb verkündet, dass<br />
es nach meinen rauschenden<br />
Festen zum 20., 30. und 40.<br />
Jubiläum diesmal keine Feier<br />
geben wird. Ich werde mich<br />
an diesem Tag verkriechen<br />
und hoffen, dass am Morgen<br />
danach die alte Claudia<br />
wieder erwacht. Die, die zu<br />
schätzen weiß, dass es das<br />
Schicksal bis jetzt überaus<br />
gut gemeint hat mit ihr. Und<br />
die sich mit der ihr eigenen<br />
unbändigen Lust aufs <strong>Leben</strong><br />
endlich wieder in selbiges<br />
stürzt. Volle Pulle! Alle Kraft<br />
voraus!<br />
Das linke Knie zieht. Früher<br />
habe ich dieses Körperteil<br />
und sein rechtes Pendant<br />
kaum wahrgenommen. Die<br />
waren eben da und funktionierten.<br />
Heute, besonders<br />
frühmorgens, wenn ich mich<br />
zwei Minuten nach dem Aufstehen<br />
die drei Treppen zum<br />
Briefkasten runterschleppe,<br />
zieht das Knie. Oder besser,<br />
es zieht <strong>im</strong> Knie. Noch gelingt<br />
mir die Verdrängung,<br />
meistens macht das Gelenk<br />
dann tagsüber auch keinen<br />
Ärger mehr. Wer weiß schon,<br />
was künftig wird. Nur wenig<br />
Trost bietet die Nachricht,<br />
die orthopädische Klinik in<br />
Altentreptow hat sich gerade<br />
wieder Bestnoten verdient.<br />
An Knien wie meinem, vermute<br />
ich mal.<br />
Aber ob es sich wegen des<br />
linken Knies lohnen würde,<br />
in einen Jungbrunnen zu steigen,<br />
der die Zeit um, sagen<br />
wir mal 20 Jahre, zurückdrehen<br />
könnte? Um Gottes<br />
Willen, nein. Vor zwei Jahrzehnten<br />
pubertierte meine<br />
Älteste, die Jüngste musste<br />
x-Mal in der Woche zum<br />
Training gefahren und wieder<br />
abgeholt werden, und ich<br />
saß ganz oft auf langweiligen<br />
Elternversammlungen rum.<br />
Außerdem würden, wäre ich<br />
wieder so jung wie damals,<br />
noch fast 30 Jahre Arbeit auf<br />
mich warten bis zum Ruhestand.<br />
Andere Kollegen vor<br />
mir, die zu ihrer Zeit so alt<br />
Foto: Nicole Weihmann<br />
waren wie ich jetzt, durften<br />
sich begeistert in den Vor-<br />
Ruhestand stürzen, weil sie<br />
die Chance zur Altersteilzeit<br />
oder wie das hieß, ergriffen<br />
haben. Das gilt jetzt nicht<br />
mehr, aber das ist schon wieder<br />
eine andere unerfreuliche<br />
Geschichte.<br />
Wenn der 60. Geburtstag<br />
nicht mehr so weit entfernt<br />
ist wie noch vor Jahren, beginnt<br />
man auch ab und an<br />
die Ruhe zu schätzen. Ich<br />
jedenfalls versuche — so weit<br />
wie es <strong>im</strong> praktischen <strong>Leben</strong><br />
eben geht — Ansammlungen<br />
vieler Menschen zu meiden,<br />
Durcheinandergerede gerät<br />
zu fast unerträglicher Pein,<br />
und nur noch mit äußerster<br />
Höflichkeit gelingt es mir,<br />
Leute auszuhalten, die viel<br />
reden, aber wenig zu sagen<br />
haben.<br />
Mehr Sein als Schein, dies<br />
Leitmotiv gefällt mir <strong>im</strong>mer<br />
besser, je älter ich werde. Und<br />
von wegen Altersdemut oder<br />
Altersnachsicht! Das Gegenteil<br />
— verflixt! — hält mich<br />
in den Klauen. Kaum zu ertragen<br />
für mich fortgeschrittenen<br />
50er sind zur Schau<br />
gestellte Dummheiten und<br />
Böswilligkeiten.<br />
Und trotzdem: Nee, bitte<br />
mich nicht jünger machen.<br />
Auch weil, jetzt reden wir mal<br />
übers Int<strong>im</strong>e, die Bestien der<br />
Vergangenheit nicht mehr <strong>im</strong><br />
gleichen Maße peinigen wie<br />
dereinst. Die begnügen sich<br />
jetzt auch schon mal mit der<br />
Tatsache, brav angeleint und<br />
ohne Zähnefletschereien ihr<br />
Dasein auszuhalten. Man(n)<br />
hat jetzt mehr Zeit für die<br />
wirklich wichtigen Dinge.<br />
(Hihi, ganz bierernst gemeint<br />
ist DAS jetzt aber nicht, um<br />
Missverständnisse gleich aus<br />
dem Weg zu räumen).<br />
In meinem Alter genießt<br />
man anders — und andere<br />
Dinge. Zum Beispiel jene<br />
höchst erfreuliche Tatsache,<br />
viel von den eigenen Kindern<br />
zu lernen. Eben von jenen, für<br />
die man gerade noch wie Gott<br />
war. Heute quatscht man mit<br />
denen auf Augenhöhe. Was<br />
für ein Glück! Abgesehen von<br />
den kleinen „Geschenken“:<br />
Enkel oder/und Enkelinnen<br />
zu „besitzen“. Vieles, Leute,<br />
ist wie mit den eigenen Kindern<br />
früher, aber doch ganz<br />
anders. Diese Lütten sind der<br />
wahre Jungbrunnen, da kann<br />
man meinetwegen den anderen,<br />
der die ewige Jugend verheißen<br />
will, zuschütten.
SEITE 26 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Wellness<br />
Gut für Abwehrkräfte und Gelenke<br />
Sich zurücklehnen und die Wärme genießen! Gerade in der kälteren Jahreszeit<br />
zieht es viele Menschen in die Sauna. Durch das intensive Schwitzen können Senioren<br />
zugleich viel Gutes für ihre Gesundheit tun – wenn sie ein paar Dinge beachten.<br />
Von Teresa Dapp<br />
Berlin. Der eisige Wind pfeift<br />
zum Einzug der kalten Jahreszeit.<br />
Kein Wunder, dass viele<br />
Menschen sich jetzt nach<br />
Wärme sehen: Saunen haben<br />
bei diesem Wetter Hochkonjunktur.<br />
Auch Senioren wollen<br />
in der dunklen Jahreszeit<br />
Körper und Geist etwas Gutes<br />
tun. Grundsätzlich spricht<br />
nichts dagegen, dass ältere<br />
Menschen bei 80 oder mehr<br />
Grad schwitzen. „Saunieren<br />
ist auch für ältere Menschen<br />
sehr gut“, sagt Internist Thomas<br />
Aßmann vom deutschen<br />
Hausärzteverband. Gerade in<br />
der Erkältungszeit können<br />
sie von der trockenen Hitze<br />
profitieren, da der Wechsel<br />
von Warm und Kalt die Abwehrkräfte<br />
stärkt.<br />
Wer <strong>im</strong> fortgeschrittenen<br />
Alter mit dem Saunieren beginnen<br />
will, sollte sich aber<br />
vorher be<strong>im</strong> Hausarzt untersuchen<br />
lassen, rät Anja Kwetkat.<br />
Sie leitet an der Uniklinik<br />
in Jena die Abteilung für<br />
Geriatrie. Denn auch ältere<br />
Menschen, die sich gesund<br />
fühlen, können zum Beispiel<br />
einen erhöhten Blutdruck<br />
haben. „Das spürt man nicht<br />
unbedingt“, sagt die Ärztin.<br />
Intensives Schwitzen auf der<br />
oberen Saunabank und ein<br />
anschließendes Eisbad belasten<br />
den Kreislauf max<strong>im</strong>al<br />
— und können für Menschen<br />
mit Herz- oder Kreislaufproblemen<br />
zum ernsten Gesundheitsrisiko<br />
werden.<br />
Außerdem wird Bluthochdruck<br />
häufig mit wassertreibenden<br />
Medikamenten<br />
behandelt. „Das erhöht in<br />
Wenn draußen der Herbstwind pfeift, tut ein Saunabesuch gut, gerade ältere Menschen profitieren davon. <br />
Zusammenhang mit starkem<br />
Schwitzen das Risiko, auszutrocknen“,<br />
erklärt Anja Kwetkat.<br />
Neben Erkrankungen<br />
des Herz-Kreislauf-Systems<br />
können auch ausgeprägte<br />
Krampfadern ein Grund sein,<br />
sich be<strong>im</strong> Schwitzen zurückzuhalten.<br />
Die Expertin warnt:<br />
„Die Hitze erweitert die Gefäße<br />
zusätzlich, das Thrombose-Risiko<br />
kann steigen.“<br />
Ebenso wie junge Menschen<br />
sollten Senioren auf<br />
die Sauna verzichten, wenn<br />
sie unter einer Bronchitis<br />
oder einer Lungenentzündung<br />
leiden. „Ein einfacher<br />
Schnupfen ist aber noch in<br />
Ordnung“, sagt Internist Aßmann.<br />
Alkohol bleibe besser<br />
tabu. Auch ein voller Magen<br />
belastet den Kreislauf.<br />
Nicht die Uhr, sondern das<br />
Befinden sollte entscheiden<br />
Hat der Hausarzt grünes<br />
Licht gegeben, gilt Kwetkat<br />
zufolge für Senioren ebenso<br />
wie für alle Saunagänger: auf<br />
das eigene Gefühl verlassen.<br />
„Wenn ich mich schlecht<br />
fühle, eine innere Unruhe<br />
spüre, der Pulsschlag sich erhöht,<br />
mir schwindelig wird,<br />
dann sollte ich nicht auf die<br />
Uhr schauen, sondern rausgehen.“<br />
Aßmann empfiehlt,<br />
es langsam angehen zu lassen<br />
und vielleicht erstmal<br />
die Bio-Sauna oder die untere<br />
Sitzbank zu nutzen. „Wie<br />
bei so viele Dingen gilt be<strong>im</strong><br />
Saunieren: besser in Maßen.“<br />
Während des Saunabades<br />
müssen vor allem ältere Menschen<br />
aufpassen, dass sie ausreichend<br />
trinken, denn mit<br />
den Jahren lässt das Durstgefühl<br />
nach. Wie auch an heißen<br />
Sommertagen ist es in<br />
der Sauna wichtig, bewusst<br />
über den gefühlten Bedarf<br />
hinaus Flüssigkeit aufzunehmen.<br />
Außerdem haben ältere<br />
Menschen oft trockene Haut.<br />
„Das Salben zur Rückfettung<br />
Foto: SpreeWAld Therme GmbH<br />
ist dann wichtig“, sagt Ärztin<br />
Anja Kwetkat.<br />
Wenn Senioren diese Regeln<br />
beachten, können sie<br />
vom Saunieren in besonderem<br />
Maße profitieren. Denn<br />
die Wärme tut gut bei degenerativen<br />
Erkrankungen<br />
der Gelenke, die oft als Verschleiß<br />
bezeichnet werden.<br />
„In diesem Fall sollte man<br />
bei der Abkühlung vorsichtig<br />
sein, kneippsche Güsse<br />
sind vielleicht besser als ein<br />
Eisbad“, sagt sie.<br />
Wer das Saunieren einmal<br />
ausprobieren will, kann<br />
in vielen Bädern an speziellen<br />
Seniorentagen Schnäppchenpreise<br />
oder Kursangebote<br />
nutzen. Es empfiehlt sich<br />
also, vor dem Saunabesuch zu<br />
recherchieren.<br />
Selbstüberschätzung kann<br />
zu Problemen führen<br />
In der Kur gehört eine Sauna<br />
fast <strong>im</strong>mer zum Angebot. „Da<br />
unsere Therme zu 70 Prozent<br />
von Senioren besucht wird,<br />
sind alle Saunaangebote auch<br />
für diese Zielgruppe geeignet“,<br />
sagt Uwe Winter, Geschäftsführer<br />
der Bad Bevensen<br />
Marketing GmbH. Eine<br />
neue Sole- und Salzlandschaft<br />
auf Stelzen, die in dem Kurort<br />
in der Lüneburger Heide<br />
<strong>im</strong> Sommer eröffnet werden<br />
soll, ist zum Beispiel mit dem<br />
Aufzug zu erreichen.<br />
Zwischenfälle be<strong>im</strong> Saunieren<br />
gibt es Winter zufolge<br />
vor allem, wenn Besucher<br />
sich überschätzen und beispielsweise<br />
zu viele Saunaaufgüsse<br />
in zu kurzer Zeit<br />
machen. „Wenn dann noch<br />
zu wenig getrunken wird,<br />
können Kreislaufprobleme<br />
auftreten.“ In Bad Bevensen<br />
werden alle 30 Minuten<br />
die Saunen kontrolliert und<br />
schlafende Gäste angesprochen,<br />
ob alles in Ordnung ist.<br />
Wer auf Nummer sicher<br />
gehen will, kann in manchen<br />
Thermalbädern vor dem Saunabesuch<br />
an einem Einführungskurs<br />
teilnehmen. Dort<br />
erfahren Interessierte, was<br />
Saunabaden so gesund macht<br />
und wie man richtig sauniert.<br />
Dem genussvollen und gesunden<br />
Schwitzen sollte dann<br />
nichts mehr <strong>im</strong> Wege stehen.<br />
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können in schwerem Verlauf zu einer Beatmungspflicht führen, das heißt, dass<br />
Patienten mitTrachealkanülen, Beatmungsgeräten oder <strong>im</strong> günstigerenFall mit<br />
Beatmungsmasken, von denen sie zeitweise unabhängig sein können, be<strong>im</strong>Atmen<br />
unterstützt werden müssen. Patienten, die soversorgt werden und nicht<br />
nacheinergewissenZeitentwöhnt werden können, hatten bisher drei Optionen:<br />
mit Beatmung nach Hause zurückkehren und dort von Pflegediensten oder Angehörigen<br />
versorgt zu werden, in eine Wohngemeinschaft ziehen, in der sie von<br />
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die Patienten hier von Physiotherapie, Ergotherapie und Pflege Tagen sofitwie<br />
möglichgemacht, um ihr <strong>Leben</strong> so weitestgehendselbstständigwieder leben zu<br />
können, wie esnurmöglich ist. Die Entwicklung des Gesundheitszustandes eines<br />
jeden einzelnen wird in Kooperation miteinemHaus-,einem Facharzt sowie<br />
einem Weaningzentrum überwacht.<br />
In der Pflege am Malchower See wird mitHerzundVerstand gepflegt, damit die<br />
pflegenden Angehörigen entlastetwerden können, durchatmen undwissen,dass<br />
ihreLieben gut aufgehoben sind.<br />
Altersgerechte Einrichtung<br />
Ein Max<strong>im</strong>um an <strong>Leben</strong>squalität!<br />
Seniorengerechte Einrichtung bietet<br />
das Plus an Komfort, das Sie sich verdient<br />
haben! Gönnen Sie sich z.B. ein<br />
Bett, welches das Liegen bequem und<br />
das Aufstehen ganz leicht macht.<br />
Auch be<strong>im</strong> Sofa oder Sessel finden Sie<br />
<strong>im</strong> Möbelhaus Kuck Lösungen, die stilvoll<br />
und bequem sind. Denn die richtige<br />
Sitzhöhe und -breite trägt entscheidend<br />
zum Wohlgefühl bei.<br />
Und Aufstehhilfen oder verstellbare<br />
Sitzflächen und Rückenlehnen als Zusatzfunktionen<br />
fügen sich ganz diskret<br />
und elegant in das Erscheinungsbild<br />
ein. Ob altersgerechte Möbel oder<br />
behindertengerechtes Wohnen – wir<br />
beraten Sie gerne und ausführlich<br />
und suchen mit Ihnen die Einrichtung<br />
aus, die zu Ihrer selbstbest<strong>im</strong>mten<br />
<strong>Leben</strong>sweise passt.<br />
Wir beantworten Ihre Fragen gern unter:<br />
„Pflege am Malchower See“, August-Bebel-Straße 27, 17213 Malchow<br />
Tel.: 039932-15628, E-Mail: ibp-station@reha-klinik-malchow.de<br />
Ansprechpartner: Suzel Kunze, Ursula Gronwald, Ronny Meyer<br />
Beratung<br />
Ihr Team<br />
vom<br />
Inhaber<br />
Andreas Kuck<br />
Planung<br />
Montage<br />
Hindenburger Straße 7(Gewerbegebiet Süd) |17268 Templin |Tel.: 03987 209 116<br />
Öffnungszeiten: Mo.– Fr. 9:30 –18:00 Uhr, Do.9:30–20:00Uhr |Sa.10:00 –16:00Uhr<br />
www.moebelhaus-kuck.de
SEITE 28 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Unsere Leser fragen – Experten antworten<br />
Kaum noch Durst, <strong>im</strong>mer<br />
mehr Medikamente,<br />
ein unruhiger Schlaf?<br />
Wie sich Probleme,<br />
die mit zunehmendem<br />
Alter auftreten,<br />
bewältigen lassen,<br />
erklären Fachleute <strong>im</strong><br />
Nordkurier-<strong>Ratgeber</strong>.<br />
Haben auch Sie Fragen,<br />
egal ob zum Thema<br />
Gesundheit, Auto oder<br />
Wohnen, dann schreiben<br />
Sie uns an ratgeber@<br />
nordkurier.de oder an<br />
Nordkurier, <strong>Ratgeber</strong>,<br />
Friedrich-Engels-Ring 29,<br />
17033 Neubrandenburg.<br />
Elke Jeske-Saathof<br />
Foto: BERND SCHULTE<br />
Referentin für<br />
Arznei- und Heilmittel<br />
bei der Barmer<br />
Die Apothekerin kennt<br />
sich aus, wenn es um<br />
Medikamente und deren<br />
Wirkungen geht.<br />
Sie erklärt, worauf<br />
Menschen achten<br />
sollten, die mehrere<br />
Arzneien einnehmen.<br />
Foto: TK/HeikeS<br />
Privatdozent Dr. Bernd Ahrens<br />
Facharzt für Neurologie,<br />
Psychiatrie und<br />
Psychotherapie<br />
Der Mediziner arbeitet<br />
als Beratungsarzt <strong>im</strong><br />
Ärztezentrum der<br />
Techniker Krankenkasse.<br />
Er stellt sich den Fragen<br />
von Patienten ebenso<br />
wie Anliegen von<br />
Berufskollegen.<br />
Dr. Dirk Schmid<br />
Foto: Marlis Tautz<br />
Internist, Pulmologe<br />
und Schlafmediziner mit<br />
Praxis in Neustrelitz<br />
Schon als Assistenzarzt<br />
hatte er sich für<br />
das Fachgebiet der<br />
Schlafmedizin<br />
begeistern lassen und<br />
das Schlaflabor <strong>im</strong><br />
Klinikum Neubrandenburg<br />
mit aufgebaut.<br />
Nachtruhe<br />
Den Geist ebenso wie<br />
den Körper auf das<br />
Zubettgehen vorbereiten<br />
Welche Verhaltensweisen<br />
dienen einem gesunden<br />
Schlaf?<br />
Experte Schmid<br />
Wichtig sind die Rahmenbedingungen:<br />
ein ruhiger,<br />
dunkler Ort, eine Temperatur<br />
zum Wohlfühlen. So<br />
wie wir abends die Kleider<br />
ablegen, die Zähne putzen,<br />
den Körper bei der Abendtoilette<br />
aufs Zubettgehen<br />
vorbereiten, sollte auch der<br />
Geist darauf eingest<strong>im</strong>mt<br />
werden. Dazu passen keine<br />
Wortgefechte, keine aufregenden<br />
Filme und kein<br />
Monitor-Fl<strong>im</strong>mern. Der<br />
Tag sollte ruhig ausklingen.<br />
Das ist der wichtigste<br />
Beitrag zur Schlafhygiene.<br />
Schlaf<br />
Gedankenkarussell<br />
erschwert das Einschlafen<br />
N<strong>im</strong>mt die Schlafqualität<br />
mit zunehmendem Alter ab?<br />
Medikamentenplan<br />
Foto: Malte Christians<br />
Alle Pillen gehören be<strong>im</strong><br />
Hausarzt auf den Tisch<br />
Ich habe Diabetes, bekomme<br />
Mittel gegen Bluthochdruck,<br />
Osteoporose und Schlafstörungen.<br />
Woher weiß ich, welche<br />
Tabletten ich miteinander<br />
einnehmen kann?<br />
Expertin Jeske-Saathof<br />
Polypharmazie bedeutet,<br />
fünf verschiedene Arzne<strong>im</strong>ittel<br />
einzunehmen. Um<br />
mögliche Wechselwirkungen<br />
der Medikamente miteinander<br />
auszuschließen,<br />
sollte man dringend seinem<br />
Hausarzt alle Mittel<br />
vorlegen. Dazu gehören<br />
Experte Schmid<br />
Ja, die Schlafeffektivität<br />
verändert sich: Tiefschlafphasen<br />
nehmen ab, Leichtschlafphasen<br />
nehmen zu.<br />
Hinzu kommt eine verschw<strong>im</strong>mende<br />
Schlafwahrnehmung.<br />
Im Schlaflabor<br />
stellen wir regelmäßig fest,<br />
dass Patienten das Gefühl<br />
schildern, kaum und gar<br />
nicht zu schlafen, während<br />
die Messungen einen<br />
physiologisch normalen<br />
Schlaf belegen. Das liegt<br />
daran, dass der Organismus<br />
Schlaf erst ab einem<br />
best<strong>im</strong>mten Stadium, einer<br />
best<strong>im</strong>mten Tiefe als Schlaf<br />
wahrn<strong>im</strong>mt. Als kontraproduktiv<br />
erweist es sich leider<br />
oft, dass die Gedanken unaufhörlich<br />
darum kreisen,<br />
jetzt aber unbedingt schlafen<br />
zu müssen. Ein solcher<br />
Ärger führt zur Unruhe.<br />
auch die ohne Rezept gekauften<br />
Medikamente. Der<br />
Arzt kann dann die Mittel<br />
ausschließen, die in der Gesamtheit<br />
nicht passen. Möglicherweise<br />
kann er auch<br />
Tabletten reduzieren. Das<br />
geht dann, wenn in einer<br />
Arznei der Wirkstoff eines<br />
anderen Mittels bereits enthalten<br />
ist. Bekommt man,<br />
etwa nach einem Krankenhausaufenthalt,<br />
weitere<br />
Tabletten verordnet, sollte<br />
man den Medikationsplan<br />
erneut mit dem Hausarzt<br />
absprechen.<br />
Wenn Menschen mehr als fünf Medikamente einnehmen, wird<br />
von Polypharmazie gesprochen.<br />
Foto: Hans-Jürgen Wiedl<br />
Wasser ist lebenswichtig. Ärzte raten, auch zu Mahlzeiten zu trinken.<br />
Flüssigkeitsbedarf<br />
Trinkration sollte gut<br />
sichtbar bereitstehen<br />
Anders als früher verspüre<br />
ich kaum noch Durst. Was<br />
hilft, damit ich dennoch genug<br />
Flüssigkeit bekomme?<br />
Experte Ahrens<br />
Ältere Menschen haben<br />
häufig ein reduziertes<br />
Durstempfinden. Auch<br />
kann die Angst vor nächtlichen<br />
Toilettengängen<br />
oder Inkontinenz als zusätzliches<br />
Trinkhemmniss<br />
wirken. Mundtrockenheit,<br />
auch Schwindel und Verstopfung<br />
können Symptome<br />
für Flüssigkeitsmangel sein.<br />
Ab wann sind Schlafprobleme<br />
ein Fall für den Arzt?<br />
Experte Schmid<br />
Das Schlafbedürfnis ist<br />
zwar sehr individuell, doch<br />
gehen wir Ärzte davon aus,<br />
dass Menschen, die dauerhaft<br />
weniger als fünf Stunden<br />
am Tag schlafen, krank<br />
werden. Normal wären acht<br />
Steuern Sie dagegen und<br />
stellen sich einen Trinkfahrplan<br />
auf! Am besten stellt<br />
man sich schon morgens die<br />
Trinkration für den Tag an<br />
häufig aufgesuchte Stellen<br />
der Wohnung bereit. So hat<br />
man abends die Übersicht<br />
über die getrunkene Flüssigkeitsmenge.<br />
Trinken Sie<br />
auch zu den Mahlzeiten. Es<br />
ist ein Mythos, dass dadurch<br />
der Verdauungsprozess negativ<br />
beeinflusst wird.<br />
Unser Körper besteht zu<br />
60 bis 70 Prozent aus Wasser,<br />
unser Gehirn sogar zu<br />
bis neun Stunden. Wobei es<br />
natürlich in Ordnung ist,<br />
wenn jemand nur sechs<br />
Stunden schläft und sich<br />
damit ausgeruht und fit<br />
fühlt. Auch der Umstand,<br />
dass phasenweise Stress<br />
oder emotionale Belastungen<br />
den Schlaf stören, ist<br />
normal. Problematisch wird<br />
es, wenn Leidensdruck <strong>im</strong><br />
Foto: LUKAS Schulze<br />
rund 80 Prozent. Störungen<br />
des Wasser- und Elektrolythaushaltes<br />
können zur Entstehung<br />
von Verwirrtheitszuständen<br />
führen. Ärzte<br />
wissen, dass bei betagten<br />
Menschen der Salzmangel<br />
eine der häufigsten Ursachen<br />
eines Delirs ist. Darum<br />
ist auf eine ausreichende<br />
Salzzufuhr zu achten, gerade<br />
wenn die sogenannten<br />
Wassertabletten eingenommen<br />
werden. Doch Vorsicht:<br />
Auch übermäßiges Trinken<br />
verringert den Salzgehalt <strong>im</strong><br />
Körper.<br />
Schlafprobleme<br />
Bei Leidensdruck <strong>im</strong> Alltag<br />
den Arzt zurate ziehen<br />
Alltag entsteht, wenn Menschen<br />
übermüdet und nervös<br />
sind, wenn sie schon<br />
kurz nach dem Aufstehen<br />
wieder einnicken oder <strong>im</strong><br />
Tagesverlauf andere Beschwerden<br />
auftreten. Dann<br />
wäre zu untersuchen, ob<br />
womöglich zusätzlich organische<br />
Störungen den Schlaf<br />
beeinträchtigen.<br />
Arzne<strong>im</strong>ittel<br />
Medikamente<br />
verändern<br />
ihre Wirkung<br />
bei Älteren<br />
Seit Jahre nehme ich ein<br />
Rheumamittel. Warum<br />
will es mir der Arzt nun<br />
wegen der Nebenwirkungen<br />
nicht mehr geben?<br />
Expertin Jeske Saathof<br />
Der Körper und auch die<br />
Körperfunktionen verändern<br />
sich mit zunehmendem<br />
Alter. Beispielsweise<br />
wird der Wasseranteil <strong>im</strong>mer<br />
geringer. Hingegen<br />
steigt der Fettanteil, was<br />
zur Folge hat, dass Medikamente,<br />
die sich <strong>im</strong><br />
Fettgewebe anreichern,<br />
bei Älteren länger wirken.<br />
Einige Medikamente<br />
enthalten zudem<br />
Wirkstoffe, die bei älteren<br />
Menschen ungewünschte<br />
Nebenwirkungen<br />
hervorrufen. Dazu<br />
gehören unter anderem<br />
best<strong>im</strong>mte Schmerz- und<br />
Rheumamittel, die <strong>im</strong><br />
Alter besonders häufig<br />
Magenbluten hervorrufen<br />
können. Andere<br />
Arzneien dürfen bei Älteren<br />
auch nicht mehr<br />
in Kombination gegeben<br />
werden. Die sogenannte<br />
Priscus-Liste enthält alle<br />
Medikamente, die bei Älteren<br />
nicht oder nur mit<br />
Vorsicht verordnet werden<br />
dürfen.<br />
www.priscus.net<br />
Impressum<br />
Verleger<br />
Nordkurier Mediengruppe GmbH & Co. KG<br />
Friedrich-Engels-Ring 29<br />
17033 Neubrandenburg<br />
Geschäftsführer<br />
Lutz Schumacher 0395 4575-100<br />
Redaktion<br />
Chefredakteur<br />
Lutz Schumacher 0395 4575-100<br />
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Druck<br />
Nordkurier Druck GmbH & Co. KG<br />
Flurstraße 2<br />
17034 Neubrandenburg<br />
Geschäftsführer<br />
Rainer Z<strong>im</strong>mer 0395 4575-700<br />
Die Nordkurier-Beilage erscheint am<br />
30.11.2018 in der Gesamtauflage des<br />
Nordkurier.
FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 29<br />
Unsere Leser fragen – Experten antworten<br />
Alkoholkonsum<br />
Wenig Wasser <strong>im</strong> Körper<br />
erhöht den Alkoholpegel<br />
Schadet Alkohol jenseits<br />
der 50 mehr als in<br />
jüngeren Jahren?<br />
Experte Ahrens<br />
Mit steigendem Alter ist es<br />
ratsam, mit Alkohol besonders<br />
vorsichtig umzugehen<br />
und deutlich weniger Alkohol<br />
zu trinken. Denn je älter<br />
man wird, desto geringer ist<br />
der Wasseranteil <strong>im</strong> Körper.<br />
Die gleiche Menge getrunkenen<br />
Alkohols verteilt sich<br />
also bei älteren Menschen<br />
auf weniger Körperflüssigkeit<br />
und führt zu einem<br />
höheren Alkoholspiegel.<br />
Körper und Geist werden<br />
gleichermaßen geschädigt.<br />
Viele Senioren nehmen zudem<br />
Medikamente ein, sei<br />
es, um den Blutdruck zu<br />
senken, das Herz zu stärken<br />
oder um nachts besser<br />
schlafen zu können. Durch<br />
den Genuss von Alkohol<br />
kann sich die Wirkung eines<br />
Im Alter fällt es dem Organismus zunehmend schwerer, Alkohol<br />
abzubauen.<br />
Foto: Daniel Naupold<br />
Arzne<strong>im</strong>ittels verstärken<br />
oder auch abschwächen. Bei<br />
best<strong>im</strong>mten Medikamenten<br />
ist es in Verbindung mit Alkohol<br />
sogar möglich, dass<br />
vermehrt Giftstoffe entstehen.<br />
Ein Beispiel: Be<strong>im</strong><br />
Abbau von Paracetamol,<br />
dem bekannten fiebersenkenden<br />
Medikament, kann<br />
es in Verbindung mit chronischem<br />
und exzessivem<br />
Alkoholgenuss zur verstärkten<br />
Bildung hochtoxischer<br />
Stoffwechselprodukte<br />
kommen. Daraus könnten<br />
schwere Leberschäden entstehen.<br />
Wer langfristig zu<br />
viel trinkt und seinen Kalorienbedarf<br />
und seine Flüssigkeitszufuhr<br />
zum größten<br />
Teil aus Alkohol bezieht,<br />
verringert auch drastisch<br />
seine Chancen, ein selbstständiges,<br />
selbstbest<strong>im</strong>mtes<br />
und aktives <strong>Leben</strong> <strong>im</strong> Alter<br />
zu führen. Also auch be<strong>im</strong><br />
Thema Trinken <strong>im</strong> Alter<br />
gilt wie bei Ernährung und<br />
Bewegung: Halten Sie Maß,<br />
bleiben Sie flexibel und in<br />
dynamischer Balance!<br />
Tabletteneinnahme<br />
Pillendose verhilft zu mehr Übersicht<br />
Welche Wechselwirkungen<br />
können auftreten, wenn ich<br />
mehrere Arzneien nehme?<br />
Expertin Jeske-Saathof<br />
Das hängt von der Kombination<br />
der Mittel ab. Die Wirkung<br />
eines Medikaments<br />
kann durch ein anderes verstärkt,<br />
abgeschwächt oder<br />
neutralisiert werden. Wer<br />
verschiedene Mittel n<strong>im</strong>mt,<br />
muss die Dosierung genau<br />
Trinkmenge<br />
Anderthalb Liter sind für Senioren ideal<br />
Kommt der Mensch, je älter<br />
er wird, mit weniger Flüssigkeitszufuhr<br />
aus?<br />
Experte Ahrens<br />
Die Deutsche Gesellschaft<br />
für Ernährung empfiehlt<br />
Senioren über 65 eine tägliche<br />
Trinkmenge von 1,3,<br />
besser 1,5 Liter. Zusätzlich<br />
benötigte Körperflüssigkeit<br />
speist sich aus dem Wassergehalt<br />
der Nahrung und entsteht<br />
als sogenanntes Oxidationswasser<br />
be<strong>im</strong> Abbau<br />
von Kohlenhydraten, Eiwei-<br />
beachten. Sonst kann es versehentlich<br />
zu gefährlichen<br />
Überdosierungen kommen.<br />
Rund 6,5 Prozent aller unerwünschten<br />
Krankenhauseinweisungen<br />
sind auf die<br />
falsche Einnahme von Medikamenten<br />
zurückzuführen.<br />
Um den Überblick zu behalten,<br />
hilft die Wochenpillendose,<br />
in der die tägliche<br />
Anzahl an Tabletten vorab<br />
abgezählt wird.<br />
Foto:Stratenschulte<br />
ßen und Fetten aus der Nahrung.<br />
Bei einigen Krankheiten<br />
kann, nach Rücksprache<br />
mit dem Arzt, eine Begrenzung<br />
der Trinkmenge nötig<br />
sein. Wer kurzfristig zu wenig<br />
trinkt, spürt schnell die<br />
Folgen: Durst, Müdigkeit,<br />
Konzentrationsschwäche<br />
und Kopfschmerzen. Ein<br />
Flüssigkeitsmangel kann<br />
bereits nach ein paar Tagen<br />
lebensbedrohlich sein,<br />
während wir ohne Nahrung<br />
mehrere Wochen überleben<br />
können. Die günstigsten Getränke<br />
für ältere Menschen<br />
sind — wie <strong>im</strong> Übrigen für<br />
Jüngere auch — Trink- und<br />
Mineralwasser, je nach Verträglichkeit<br />
mit oder ohne<br />
Kohlensäure, Fruchtsaftschorlen<br />
beziehungsweise<br />
verdünnte Fruchtsäfte,<br />
Kräuter- und Früchtetees.<br />
Gegen zwei bis drei Tassen<br />
Kaffee oder schwarzen Tee<br />
am Tag ist nichts einzuwenden.<br />
Die Aussage, Kaffee<br />
oder Tee seien „Wasserräuber“,<br />
ist wissenschaftlich<br />
nicht belegt.<br />
Anzeige<br />
Was macht gute Pflege aus?<br />
Was kann ein Pflegedienst leisten,<br />
was muss erleisten? Damit<br />
setzt sich das Team vom<br />
Neubrandenburger<br />
Pflegedienst<br />
wilma tagtäglich selbstkritisch<br />
auseinander.<br />
Im Gespräch mit Susanne Eichler<br />
gibt Sven Frericks Antworten.<br />
Herr Frericks, bei der Fülle an<br />
Pflegedienstenauf dem Markt<br />
ist der Ihrige – obwohl sehr<br />
jung –doch sehr bekannt. Wie<br />
haben Sie das geschafft?<br />
Das hat zunächst sicher mit<br />
unserem Werbeauftritt zutun:<br />
Wir haben bei den Marketingmaßnahmen<br />
stets der Pflege<br />
ein Gesicht gegeben, indem wir<br />
die Gesichter unserer Mitarbeiter<br />
inden Vordergrund gestellt<br />
haben. Bei der Personalfluktuation,<br />
die es für gewöhnlich <strong>im</strong><br />
Bereich der Pflege zu verzeichnen<br />
gibt, wurde uns davonzwar<br />
abgeraten. Aber wir haben es<br />
dennoch gewagt, weil wir nämlich<br />
überzeugt sind vonunserer<br />
Personalpolitik. Und siehe da:<br />
Alle Leute, die beispielsweise<br />
auf unseren Autos abgebildet<br />
sind, arbeiten nach wie vor bei<br />
uns.<br />
ZUFRIEDENE MITARBEITER BRINGEN<br />
ZUFRIEDENE PATIENTEN<br />
Wie sieht denn Ihre Personalpolitik<br />
aus?<br />
Unsere mittlerweile 150 Mitarbeiter<br />
haben überwiegend Teilzeitverträge.<br />
Jede Überstunde<br />
wird direkt am Monatsende<br />
abgegolten. Mehrarbeit zahlt<br />
sich bei uns aus. Damit ist die<br />
Bereitschaft für Extra-Dienste<br />
besonders groß. Der Einstiegslohn<br />
bei uns beträgt 13 Euro pro<br />
Stunde plus Zuschläge. Das ist<br />
nur ein Aspekt, aber ein wichtiger.<br />
Zufriedene Mitarbeiter<br />
schaffen zufriedene Patienten.<br />
Und das ist wohl ein weiterer<br />
Grund, warum wir so bekannt<br />
sind: die Qualität unserer Leistungen.<br />
Bei der MDK – Qualitätsprüfung<br />
erreichtenwir eine<br />
1,0!<br />
Was macht denn<br />
gute Pflege eigentlich<br />
aus?<br />
Gute Pflege beginnt<br />
aus unserer<br />
Sicht mit guter<br />
Beratung.<br />
Dabei<br />
ist es nicht unser<br />
Patienten<br />
Bestreben,<br />
von<br />
anderen Diensten<br />
zu uns abzuwerben. Andererseits<br />
legen wir aber auch darauf<br />
Wert, dass Patienten nicht<br />
unversorgt sind und weisen<br />
deshalb auch keine einzige Anfrage<br />
ab.<br />
Wie schaffen Sie das? Sie<br />
müssen doch auch auf Ihre<br />
Kapazitäten schauen.<br />
Sven Frericks<br />
Das schaffen wir, indem wir<br />
in Netzwerken arbeiten. Das<br />
heißt, wir laden andere Pflegedienste<br />
dazu ein, das Konkurrenzdenken<br />
abzulegen und uns<br />
besser amMarkt zuergänzen.<br />
Wenn etwa Pflegedienst XY<br />
bereits Patienten inBurg Stargard<br />
betreut, dann regen wir<br />
an, einen Patienten von uns<br />
ebenfalls aus Burg Stargardmit<br />
zu übernehmen. Das schont<br />
Zeit,Geld und auch die Umwelt.<br />
Ohnehin verbringt eine Pflegekraft<br />
etwa 30 Prozent seiner<br />
Arbeitszeit auf der Straße. Da<br />
gilt es, die Touren effizient zu<br />
gestalten. Auch das schafft Mitarbeiterzufriedenheit<br />
über die<br />
Foto: wilma<br />
Bezahlung hinaus.<br />
Am Ende geht es<br />
sowieso um den<br />
Patienten.<br />
Wie? Der Umwelt<br />
zuliebe geben<br />
Sie Patienten<br />
ab?<br />
Uns geht esnicht<br />
um<br />
Gewinnmax<strong>im</strong>ierung.<br />
Mit<br />
Pflege kann man<br />
nichtreich werden. Es seidenn,<br />
man betreibt Ausbeutung am<br />
Mitarbeiter. Davon können wir<br />
uns gänzlich freisprechen. Um<br />
das zu unterstreichen, haben<br />
wir jetzt sogar als Privatunternehmen<br />
die Gemeinnützigkeit<br />
anerkannt bekommen.<br />
Pflegeleistungen sind aus unserer<br />
Gesellschaft nicht mehr<br />
wegzudenken.<br />
Deswegen werden die Kosten<br />
auch von der gesamten Gesellschaft<br />
getragen.<br />
-Anzeige -<br />
Auch das haben wir bei unseren<br />
Beratungen <strong>im</strong> Blick. Da<br />
schauen wir sehr genau, was<br />
das Beste ist für den Patienten.<br />
Pflege istsoindividuell wie<br />
der Patient selbst. Nicht selten<br />
kommen wir dann überein, dass<br />
beispielsweise zunächst eine<br />
Haushaltshilfe oder Betreuung<br />
ausreicht. Keinesfalls wollen<br />
wir die Pflegekassen schröpfen<br />
so gut es geht, sondern möglichst<br />
lange die Selbständigkeit<br />
der Patienten bewahren und<br />
fördern. Wir wiegen <strong>im</strong>mer ab:<br />
Wieviel kann, wieviel muss ein<br />
Pflegedienst leisten? Oft gilt:<br />
weniger ist mehr.<br />
Stärkt Ihnen das neue Pflegestärkungsgesetz<br />
dabei den<br />
Rücken?<br />
In der Tatsind mit dem Pflegestärkungsgesetz<br />
sehr viel<br />
bessere<br />
Rahmenbedingungen<br />
geschaffen worden. Die psychische<br />
Betreuung ist dadurch in<br />
den Vordergrund gerückt worden.<br />
Pflege ist eben oft auch<br />
Anwesenheit. Und so können<br />
unsere Mitarbeiter nun auch<br />
einfach mal mit den Patienten<br />
Bummeln gehen oder sie zu<br />
einem Konzert begleiten. Das<br />
entlastetauch pflegende Angehörige.<br />
Dieskönnen Sie demnächstvon<br />
Ihrer neuen Tagespflegestätte<br />
aus noch besser anbieten.<br />
Wir sind<br />
Genau. Das und noch viel mehr.<br />
Im September werden wir unsere<br />
Tagespflege „Service +<br />
Betreuungszentrum Franz &<br />
Frieda“ in der Neubrandenburger<br />
Innenstadt eröffnen. In den<br />
Namen haben wir ganz bewusst<br />
auch einen männlichen Namen<br />
kontakt@wilma-pflegedienst.de<br />
Tel.: 0395 570 83313<br />
integriert. So wollen wir deutlich<br />
machen, dasshier nichtnur<br />
strickenden Frauen anzutreffen<br />
sein werden. Handwerkern, Zeitungsschau,<br />
Fußballabende,zusammen<br />
einkaufen und kochen<br />
– all das soll dort passieren.<br />
Körperpflegerische und genauso<br />
psychosoziale Bedürfnisse<br />
können wir dann gleichzeitig<br />
abdecken. Zudem trainieren<br />
wir dort Fähigkeiten wie Stulle<br />
schmieren und Schnürsenkel<br />
binden, damit unsere Besucher<br />
solange wie möglich fit für die<br />
eigene Häuslichkeit sind.<br />
Dafür stellen wir <strong>im</strong> Übrigen<br />
weitere zwölf Mitarbeiter ein,<br />
von denen ganz best<strong>im</strong>mt das<br />
eine oder andere Konterfei<br />
bald auch unseren Werbeauftritt<br />
schmücken wird.<br />
www.wilma-pflegedienst.de
SEITE 30 FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
Gesundheit<br />
Bitte das<br />
Zähneputzen<br />
nicht vergessen!<br />
Krankenkassen wollen mehr für die Mundhygiene <strong>im</strong> Alter tun.<br />
Studien zufolge ist es um die Zahngesundheit pflegebedürftiger<br />
Menschen <strong>im</strong> Vergleich mit ihren selbstständigen Altersgenossen<br />
schlechter bestellt. Doch es gibt einen Ausweg.<br />
Von Marlis Tautz<br />
Anzeige<br />
Teterow. Im Pflegebett zum<br />
Zahnarzt – ein solches Angebot<br />
soll künftig nicht mehr<br />
Ausnahme sondern Regel<br />
werden — <strong>im</strong> DRK-Seniorenhe<strong>im</strong><br />
Teterow ist es schon<br />
heute eine Selbstverständlichkeit.<br />
Drei Zahnmediziner und<br />
-medizinerinnen kommen<br />
regelmäßig ins Haus an der<br />
Güstrower Straße, um den<br />
Zahnstatus der Bewohner zu<br />
beurteilen und Hinweise zur<br />
individuellen Mundhygiene<br />
zu geben und nötigenfalls mit<br />
dem Personal abzust<strong>im</strong>men.<br />
Dr. Kathleen Demond betreut<br />
einen der beiden Wohnbereiche<br />
mit 33 Frauen und Männern.<br />
Es kam schon vor, dass<br />
sie am Pflegebett einen Zahn<br />
gezogen hat. „Allerdings ist<br />
das eher die Ausnahme“, sagt<br />
sie. „Ich habe vor allem eine<br />
beratende Funktion.“<br />
Viermal <strong>im</strong> Jahr ist Kathleen<br />
Demond mit ihren<br />
Assistentinnen zur Visite <strong>im</strong><br />
He<strong>im</strong>: Im April und Oktober<br />
begutachtet sie alle Bewohner,<br />
<strong>im</strong> Januar und Juli die<br />
Neuzugänge – vorausgesetzt,<br />
die Patienten beziehungsweise<br />
deren Familien oder<br />
Betreuer sind damit einverstanden.<br />
Nur wenige Bewohner<br />
können noch allein zur<br />
Untersuchung kommen, die<br />
meisten werden von Pflegekräften<br />
begleitet oder direkt<br />
<strong>im</strong> Z<strong>im</strong>mer beziehungsweise<br />
direkt <strong>im</strong> Bett untersucht.<br />
In einem Mundhygieneplan<br />
notiert die Zahnärztin<br />
ihre Befunde und Schlussfolgerungen<br />
daraus: Wie steht<br />
es um Gebiss und Mundschle<strong>im</strong>haut?<br />
Inwieweit<br />
braucht der alte Mensch die<br />
Hilfe des Personals bei der<br />
Zahnpflege? Ist Rücksprache<br />
mit dem Hausarzt oder – sofern<br />
noch vorhanden – mit<br />
dem behandelnden Zahnarzt<br />
erforderlich? „Erkrankungen<br />
in der Mundhöhle können ein<br />
Hinweis auf andere Erkran-<br />
Auch bei der Zahnpflege können behinderte und pflegebedürftige Menschen auf Hilfsmittel wie eine<br />
Zahnbürste mit Halterung zurückgreifen. <br />
Foto: Wolfram Kastl<br />
kungen sein“, sagt Kathleen<br />
Demond. „Beispielsweise für<br />
Herzleiden, Vitaminmangel<br />
oder Diabetes.“<br />
Die Kooperation zwischen<br />
dem Seniorenhe<strong>im</strong> und den<br />
Zahnarztpraxen in Teterow<br />
besteht bereits seit vier Jahren.<br />
Ende 2015 hatten die<br />
Krankenkassen verstärkt für<br />
die zahnärztliche Behandlung<br />
von ambulanten und<br />
stationären Pflegefälle geworben<br />
und begonnen, die<br />
damit verbundenen Leistungen<br />
der Zahnärzte gezielt<br />
zu vergüten. Derzeit ist auf<br />
Bundesebene eine Gesetzesänderung<br />
in der Diskussion,<br />
die eine Ausweitung der Kooperationen<br />
vorsieht. Sie sollen<br />
demnach von einem bislang<br />
freiwilligen Angebot zur<br />
Pflicht gemacht werden, hieß<br />
es von Krankenkasse Barmer<br />
in Schwerin..<br />
Denn bislang profitieren<br />
nur wenige He<strong>im</strong>bewohner<br />
von der Möglichkeit der zahnärztlichen<br />
Begutachtung, wie<br />
der diesjährige Barmer-Zahnreport<br />
belegt hat. Für die<br />
bundesweite Studie wurde<br />
unter anderem ermittelt, wie<br />
viele Versicherte in stationärer<br />
Pflege Zahnarzt-Leistungen<br />
erhalten haben: In Mecklenburg-Vorpommern<br />
und<br />
Brandenburg lag der Anteil<br />
bei 16,2 und 16,6 Prozent, in<br />
Sachsen-Anhalt wurden mit<br />
knapp 27 Prozent die meisten<br />
Patienten erreicht, <strong>im</strong> Saarland<br />
mit weniger als 4 Prozent<br />
die wenigsten.<br />
Dabei belegt der Barmer-<br />
Report ganz klar, dass die<br />
Mundgesundheit in Seniorenhe<strong>im</strong>en<br />
verbessert werden<br />
muss. Pflegebedürftige<br />
Menschen leiden deutlich<br />
öfter an Zahn- und Zahnfleischerkrankungen<br />
als ihre<br />
noch voll selbstständigen<br />
Altersgenossen. Be<strong>im</strong> Vergleich<br />
des Zahnstatus von<br />
75- bis 100-jährigen Frauen<br />
und Männern mit und ohne<br />
Pflegebedarf zeigte sich:<br />
Zahnfleischbluten und völlige<br />
Zahnlosigkeit wurden<br />
in der Gruppe der Pflegebedürftigen<br />
sehr viel häufiger<br />
Dr. Kathleen Demond kommt<br />
mit ihrem Team zur Zahnarzt-<br />
Visite ins He<strong>im</strong>. Fotos: Marlis Tautz<br />
festgestellt; um die Sanierung<br />
ihrer Zahnkaries stand es<br />
schlechter; und die Betreffenden<br />
brauchten <strong>im</strong> Vergleich<br />
dre<strong>im</strong>al häufiger Hilfe bei der<br />
Mundhygiene.<br />
In Teterow erlebt Michaela<br />
Hinz, verantwortlich für die<br />
Pflegedienstleitung, wie oft<br />
ältere Menschen ihre Zahngesundheit<br />
aus den Augen<br />
verloren haben. „In den Aufnahmegesprächen<br />
ist die Frage<br />
nach dem Hausarzt nie ein<br />
Problem“, sagt sie. „Den haben<br />
sie alle.“ Doch wenn es<br />
um den Zahnarzt geht, fallen<br />
die Senioren oder ihre Angehörigen<br />
regelmäßig aus allen<br />
Wolken. „Oh Gott, da waren<br />
wir seit Jahren nicht“, heißt<br />
es dann. Oder: „Darauf haben<br />
meine Eltern keinen großen<br />
Wert gelegt.“<br />
In vielen Fällen geht es<br />
gar nicht mehr um<br />
Zahnersatz, sondern um<br />
eine allgemeine<br />
gesundheitliche Vorsorge.<br />
Dr. Kathleen Demond, Zahnärztin<br />
Offenbar fürchten viele<br />
alte Menschen, wenn sie auf<br />
Hilfe be<strong>im</strong> Arztbesuch angewiesen<br />
sind, ihren Familien<br />
zu sehr zur Last zu fallen und<br />
verzichten dann am ehesten<br />
auf den Gang zum Zahnarzt.<br />
Michaela Hinz ist <strong>im</strong> DRK-<br />
Seniorenhe<strong>im</strong> Teterow für die<br />
Pflegedienstleitung zuständig.<br />
So erlebt es auch Zahnärztin<br />
Demond, wenn sie den<br />
einen oder anderen früheren<br />
Patienten ihrer Praxis nach<br />
längerer Pause <strong>im</strong> Seniorenhe<strong>im</strong><br />
wiedertrifft. „Sie wollten<br />
ihren Angehören die<br />
Umstände ersparen, sagen<br />
sie dann.“ Ihr Appell: Wenigstens<br />
einmal <strong>im</strong> Jahr sollte der<br />
Mensch sein Gebiss ärztlich<br />
kontrollieren lassen, auch<br />
und gerade in höherem Alter.<br />
„In vielen Fällen geht es<br />
gar nicht mehr um Zahnersatz,<br />
sondern um eine allgemeine<br />
gesundheitliche<br />
Vorsorge oder schlicht und<br />
einfach darum, dass die Patienten<br />
beschwerdefrei essen<br />
können“, sagt sie. Wenn der<br />
Appetit plötzlich nachlässt,<br />
könnten durchaus Zahnprobleme<br />
dahinterstecken –<br />
Druckstellen, scharfe Kanten<br />
oder Entzündungen. Denn<br />
wenn Geschick und motorische<br />
Fähigkeiten nachlassen,<br />
leide die Zahnpflege. „Dafür<br />
gibt es dann gute Hilfsmittel“,<br />
erklärt sie.<br />
Bei Fortbildungen <strong>im</strong> Seniorenhe<strong>im</strong><br />
hat die Zahnärztin<br />
die Pflegekräfte über<br />
Besonderheiten der Alterszahnmedizin<br />
und Mundhygiene<br />
informiert. „Ein Gewinn<br />
für die Bewohner und<br />
das Personal“, wie Pflegedienstleiterin<br />
Michaela Hinz<br />
urteilt. Und: „Die Fortschritte<br />
sind sichtbar“, wenn die Teterower<br />
He<strong>im</strong>bewohner die<br />
Zähne zeigen.<br />
Kontakt zur Autorin<br />
m.tautz@nordkurier.de
FREITAG, 30. NOVEMBER 2018<br />
SEITE 31<br />
Schlusspunkt<br />
Und wenn Du glaubst<br />
es geht nicht mehr ...<br />
..., kommt irgendwo ein Lichtlein her, behauptet<br />
der Volksmund. Mit dieser Zuversicht und weiteren<br />
Denkanstößen kluger Köpfe zum Thema <strong>Leben</strong>, Lust<br />
und Liebe Ü50 verabschiedet sich das <strong>Ratgeber</strong>-Team.<br />
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Gerne der Zeiten gedenk‘ ich,<br />
da alle Glieder gelenkig –<br />
bis auf eins. Doch die Zeiten<br />
sind vorüber, steif geworden alle<br />
Glieder – bis auf eins.<br />
Johann Wolfgang von Goethe, Dichterfürst<br />
Beschwer Dich nicht!<br />
Du bist schwer genug.<br />
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„Ich kann die Erotik nicht vom<br />
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