Jetzt Konsequenzen tragen - Expertenmeinung mißachtet
Mit freundlicher Genehmigung von Frau Nicole Scholmann, Segeberger Zeitung
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4 MEINUNG<br />
SONNABEND, 8. DEZEMBER 2018<br />
KOMMENTAR<br />
KRISTIAN BLASEL<br />
KIELER LOKALCHEF<br />
Es wird niemals Routine<br />
Blindgänger bleiben ein Kieler Problem<br />
Im Großraumbüro unserer Lokalredaktion<br />
hängt eine Liste, auf der sämtliche Bombenentschärfungen<br />
in Kiel seit dem Jahr 2003<br />
aufgeführt sind. Gestern ist Nummer 62 hinzugekommen.<br />
Doch die Sprengung in Gaarden<br />
ist kaum mit den Einsätzen davor zu vergleichen.<br />
Zu knapp ist die Stadt diesmal an<br />
einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Zu ungewöhnlich<br />
war die Aufregung während der<br />
kurzfristig eingeleiteten Rettungsaktion. Eine<br />
kleine Erschütterung hätte genügt, um in<br />
dem dichtbewohnten Gebiet verheerende<br />
Schäden herbeizuführen.<br />
Ja, wir haben uns alle daran gewöhnt, dass<br />
die alten Bomben regelmäßig professionell<br />
und unspektakulär entschärft werden. Die<br />
vielen Bautätigkeiten in der Stadt und immer<br />
bessere Auswertungen alter Luftaufnahmen<br />
führen zu Dauereinsätzen der Kampfmittelräumer<br />
– und zu dem trügerischen Gefühl,<br />
dass nichts mehr schiefgehen kann. Aber bei<br />
diesem Thema wird es niemals Routine geben.<br />
Die am Ende glücklicherweise kontrollierte<br />
Detonation hat klar gemacht, wie groß<br />
die Gefahren rund um die Förde bleiben.<br />
Um so wichtiger ist es, dass im Einsatzfall<br />
alle zusammenarbeiten. Die haupt- und ehrenamtlichen<br />
Helfer haben den Ernst der Lage<br />
am Donnerstag schnell begriffen. Die<br />
Menschen vor Ort in einigen wenigen Fällen<br />
leider nicht. Das Risiko im Boden lässt sich<br />
nicht komplett entschärfen. Der Faktor<br />
Mensch jedoch, er könnte beherrschbar sein<br />
– wenn alle Beteiligten in den entscheidenden<br />
Minuten so vernünftig wären, wie es<br />
weiterhin nötig ist.<br />
Merz machte<br />
den Eindruck<br />
eines in die<br />
Arena zurück<br />
stolpernden<br />
Politrentners,<br />
unsicher in<br />
Sachfragen und<br />
ungeschickt in<br />
der Außendarstellung.<br />
Der Gewinner ist: Habeck<br />
Kramp-Karrenbauer muss deutlich zulegen, will sie Kanzlerin werden<br />
Die CDU hat sich entschieden: für einen<br />
Kurs der Mitte, für Kontinuität, gegen eine Koordinaten-Verschiebung<br />
nach rechts und wieder<br />
für eine Frau: Annegret Kramp-Karrenbauer<br />
ist nun erste Anwärterin aufs Kanzleramt.<br />
Die Saarländerin, deren Name in keine<br />
Überschrift passt und die damit leben muss,<br />
wenig charmant AKK genannt zu werden, ist<br />
eine sympathische Politikerin mit einem festen<br />
Wertegerüst, das hat sie in Hamburg bewiesen.<br />
Der Parteitag aber hinterlässt Zweifel, ob<br />
es Deutschland wirklich hilft, wenn aus AKK<br />
KKK werden sollte, die nächste Kanzlerin.<br />
Viel ist in den vergangenen Wochen über<br />
den frischen Wind gesprochen worden, der<br />
jetzt durch die Union wehe; über eine neue Debattenkultur,<br />
offenen Austausch auch über<br />
strittige Fragen, der nun wieder möglich sei.<br />
Wer die Reden der Bewerber verfolgte, der<br />
spürte in Hamburg aber eher ein laues Lüftchen.<br />
Angesichts der enormen Herausforderungen,<br />
vor denen Deutschland steht, angesichts<br />
der Zäsur, die die Merkel-Nachfolge für<br />
die Union, aber auch für das Land insgesamt<br />
bedeutet, bleibt ein Gefühl der Ernüchterung.<br />
Das Ergebnis spiegelt die tiefe Spaltung und<br />
Unsicherheit der CDU wider, aber auch die<br />
Enttäuschung darüber, dass es keinen mitreißenden<br />
Auftritt gab, keine wirklich überzeugende<br />
Figur, die glaubwürdig Aufbruch und<br />
Neuanfang verkörpert.<br />
Jens Spahn hielt noch die beste Bewerbungsrede,<br />
war aber angesichts der Zuspitzung<br />
auf das Duell Merz gegen Kramp-Karrenbauer<br />
von vornherein chancenlos. Spahns<br />
Zeit wird kommen, das dürfte ihm bei aller Ungeduld<br />
ein Trost sein. Friedrich Merz hätte in<br />
LEITARTIKEL<br />
CHRISTIAN LONGARDT<br />
CHEFREDAKTEUR<br />
den Wochen des Wahlkampfs reichlich Gelegenheit<br />
gehabt, sein Image als gefühlskalter<br />
Wirtschaftsliberaler zu revidieren und sich<br />
breiter aufzustellen. Stattdessen machte er<br />
den Eindruck eines in die Arena zurück stolpernden<br />
Politrentners, unsicher in Sachfragen<br />
und ungeschickt in der Außendarstellung.<br />
Dennoch war manche Kritik an ihm unfair und<br />
billig – Vorurteile gegen einen erfolgreichen<br />
Mann der Wirtschaft wurden besonders gern<br />
von Funktionären gepflegt, deren ganze Vita<br />
sich in einem Parteibuch nachlesen lässt.<br />
Kramp-Karrenbauer war in Hamburg sichtbar<br />
um Leidenschaft und Emotion bemüht, so<br />
als wolle sie alle Kritiker widerlegen, die in ihr<br />
nur eine Merkel-Kopie sehen. Das knappe Votum<br />
aber illustriert, wie wenig Zutrauen die<br />
Partei in die Fähigkeit Kramp-Karrenbauers<br />
hat, die CDU zu versöhnen und verlorenes Terrain<br />
bei den Wählern zurückzugewinnen. Als<br />
Kanzlerin müsste sie Deutschland einen, nicht<br />
weniger als das. Was aber ist da ihr Angebot?<br />
Was genau will sie der Alternative für Deutschland<br />
entgegensetzen? Das bleibt leider offen.<br />
Wenn sich die Deutschen nach diesem Parteitag<br />
aussuchen sollten, ob Spahn, Merz oder<br />
Kramp-Karrenbauer ins Kanzleramt einziehen<br />
sollten – sie würden sich wohl für Robert Habeck<br />
entscheiden.<br />
2 chefredaktion@kieler-nachrichten.de<br />
POLITKÖPFE<br />
Frank-Walter<br />
Steinmeier (62),<br />
Bundespräsident,<br />
hat bei seinem<br />
Staatsbesuch in<br />
China den Schutz<br />
der Menschenrechte<br />
und die Regeln der<br />
Vereinten Nationen als Fundament<br />
der internationalen<br />
Ordnung hervorgehoben. Die<br />
Verabschiedung der Erklärung<br />
der Menschenrechte vor 70<br />
Jahren sei ein Glücksfall der<br />
Geschichte, sagte er vor Studenten<br />
der Universität von Sichuan<br />
in der Stadt Chengdu. Zugleich<br />
warb Steinmeier für eine noch<br />
engere Zusammenarbeit.<br />
Rodrigo Duterte<br />
(73), Präsident<br />
der Philippinen,<br />
will im<br />
Kampf gegen<br />
Islamisten das<br />
Kriegsrecht im<br />
Süden des Landes verlängern.<br />
Vom Kongress forderte er ein<br />
weiteres Jahr. Aktivisten befürchten<br />
eine Verschlechterung<br />
der Menschenrechtssituation.<br />
Die derzeitige Bewilligung läuft<br />
Ende des Jahres aus. Duterte<br />
hatte das Kriegsrecht wegen<br />
einer monatelangen Belagerung<br />
der Stadt Marawi durch<br />
Extremisten mit Verbindungen<br />
zum IS verhängt.<br />
2 kristian.blasel@kieler-nachrichten.de<br />
ZITAT DES TAGES<br />
Ich weiß sehr wohl, dass<br />
ich Eure Nerven damit sehr<br />
auf die Probe gestellt habe.<br />
Angela Merkel, Bundeskanzlerin, an die<br />
CDU-Delegierten, über ihre Art, nicht<br />
auf jede Attacke wortreich zu reagieren.<br />
KOMMENTAR<br />
NICOLE SCHOLMANN<br />
LOKALREDAKTION<br />
Dalia Grybauskaite<br />
(62),<br />
Litauens Präsidentin,<br />
hat<br />
gestern die<br />
Rücktritte der<br />
Bildungs- und<br />
Wissenschaftsministerin Jurgita<br />
Petrauskiene und der Kulturministerin<br />
Liana Ruokyte-<br />
Jonsson angenommen. Zudem<br />
wurde Umweltminister Kestutis<br />
Navickas abberufen. Regierungschef<br />
Saulius Skvernelis<br />
will mit der Kabinettsumbildung<br />
seine Reformpolitik<br />
beschleunigen. Die Betroffenen<br />
kritisierten Skvernelis für<br />
dessen Arbeitsmethoden und<br />
traten teils aus Protest selbst<br />
zurück.<br />
FOTOS: DPA/AFP<br />
<strong>Jetzt</strong> <strong>Konsequenzen</strong> <strong>tragen</strong><br />
<strong>Expertenmeinung</strong>en missachtet<br />
Wenn ich mir im Restaurant von der Servicekraft<br />
ein Gericht empfehlen lasse und<br />
doch eine andere Wahl treffe, dann hat das keine<br />
weitreichenden Auswirkungen. Ich bin<br />
trotzdem satt und im besten Fall zufrieden.<br />
Was die Wählergemeinschaften WHU und<br />
BFB sowie die FDP im Hauptausschuss der Gemeinde<br />
Henstedt-Ulzburg aber dazu getrieben<br />
hat, die Empfehlungen des Kieler Sozialministeriums,<br />
des Kreisjugendamtes und des<br />
pädagogischen Leiters des Kita-Eigenbetriebes<br />
zu ignorieren und eine neue pädagogische<br />
Fachstelle abzulehnen, bleibt ihr Geheimnis.<br />
In diesem Fall – anders als im Imbiss – geht es<br />
nicht um Currywurst oder Burger, sondern um<br />
den Schutz jedes einzelnen Kindes und die<br />
<strong>Konsequenzen</strong>, die die Ablehnung der pädagogischen<br />
Fachstelle für die Kommune hat.<br />
Wenn sich ehrenamtliche Hobbypolitiker in einem<br />
so speziellen Bereich wie dem der Organisation<br />
des Kinderschutzes herausnehmen, es<br />
besser als die Profis im Ministerium und Jugendamt<br />
zu wissen, dann müssen sie mit den<br />
möglichen <strong>Konsequenzen</strong> leben und die Verantwortung<br />
dafür übernehmen. Vor allem geht<br />
es um die Frage, wie die Verwaltung dann ihrer<br />
gesetzlichen Verpflichtung nachkommen<br />
soll.<br />
Denn als einer der größten Träger von Betreuungseinrichtungen<br />
im Ort mit zehn Kitas<br />
plus etlichen Schulen muss die Gemeinde<br />
Henstedt-Ulzburg sich um den Kinderschutz<br />
und das Kindeswohl kümmern. Die politischen<br />
Mehrheiten werden sich die Frage gefallen<br />
lassen müssen, wie sie dieses künftig erfüllen<br />
wollen.<br />
2 nicole.scholmann@segeberger-zeitung.de<br />
Heather<br />
Nauert (48),<br />
frühere<br />
Fernsehmoderatorin,<br />
soll neue<br />
UN-Botschafterin<br />
Amerikas<br />
werden.<br />
FOTO: TING<br />
SHEN<br />
NAHAUFNAHME<br />
Moderatorin wird Botschafterin<br />
VON KARL DOEMENS<br />
.......................................................<br />
Ex-US-Präsident Bill Clinton schickte die Ex-Sicherheitsberaterin<br />
und Georgetown-Professorin<br />
Madeleine Albright. Barack Obama beauftragte<br />
seine außenpolitische Beraterin Susan Rice. Die<br />
deutsche Kanzlerin Angela Merkel beförderte<br />
ihren langjährigen außenpolitischen Vordenker<br />
Christoph Heusgen: Der Botschafterposten bei<br />
den Vereinten Nationen gilt als äußerst anspruchsvoll<br />
– die Materie ist komplex, das diplomatische<br />
Parkett schwer vermint.<br />
Insofern überrascht es zunächst, dass US-Präsident<br />
Donald Trump eine Frau namens Heather<br />
Nauert ausgewählt hat, um sein Land künftig in<br />
New York zu vertreten. Die 48-Jährige arbeitet<br />
erst seit anderthalb Jahren als Sprecherin im Außenministerium<br />
und verfügt über eine sehr begrenzte<br />
außenpolitische Erfahrung.<br />
Doch die zweifache<br />
Mutter bringt etwas mit, das<br />
für Trump von entscheidender<br />
Bedeutung ist: Sie ist<br />
ihm gegenüber unbedingt<br />
loyal. Und sie hat in der<br />
Vergangenheit als Moderatorin<br />
seiner Lieblingsfernsehsendung<br />
„Fox &<br />
Friends“ eine gute<br />
Figur gemacht.<br />
Nauerts Vorgängerin<br />
Nikki<br />
Haley, die im<br />
Oktober ihren Abschied vom Botschafteramt angekündigt<br />
hatte, war zwar auch keine außenpolitische<br />
Expertin gewesen, als sie den Posten im<br />
Frühjahr 2017 übernahm. Als ehemalige Gouverneurin<br />
von South Carolina brachte sie aber politisches<br />
Gewicht mit und entwickelte sich schnell<br />
zu einer internationalen Ansprechpartnerin, die<br />
den blassen Außenminister Rex Tillerson in den<br />
Schatten stellte. Mehrfach – vor allem in der<br />
Russland-Politik – vertrat sie eigene, vom Präsidenten<br />
abweichende Positionen.<br />
Beides ist von Nauert nicht zu erwarten. Sie<br />
durfte als Sprecherin des Außenministeriums<br />
erst unter dem neuen Amtschef Mike Pompeo in<br />
Erscheinung treten und dankt dies mit unbedingter<br />
politischer Treue. Offenbar wolle Trump<br />
bei der UN lieber „eine hochkarätige Verkäuferin“<br />
haben als „jemand, der eine wichtige Rolle<br />
bei der Festlegung von Politik hat“, urteilt die<br />
„New York Times“. Tatsächlich waren in der Vergangenheit<br />
eine Reihe von Namen für den Posten<br />
gehandelt worden – darunter auch der des<br />
US-Botschafters in Deutschland, Richard Grenell,<br />
dessen Bestätigung im Kongress aber mutmaßlich<br />
auf Widerstand gestoßen wäre. Im Sommer<br />
hatte Trump sogar angedeutet, seine Tochter<br />
Ivanka zu schicken. „Sie wäre eine unglaubliche<br />
Wahl“, twitterte er. Doch Ivanka winkte ab.<br />
Dass Trump nun die weitgehend unbekannte<br />
Außenamtssprecherin Nauert schickt, die er vor<br />
allem lobt, weil sie „seit Langem eine Unterstützerin<br />
ist“, enthält als Subtext auch eine klare Botschaft<br />
an die Vereinten Nationen. Eine respektvolle<br />
Verbeugung ist es nicht.<br />
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