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Muehl-Funkenflug-Leseprobe

Novellen des Alltags »Es blieb das Gefühl, dass wir alle im Unbestimmten Segelnde sind« Begegnungen sind oft mehr als zufällige Treffen. Wieviel mehr darin enthalten sein kann und welche Macht und Faszination, welche Intensität der Gefühle sich daraus entwickeln, das zeigt Karl Otto Mühl in diesen einfühlsamen Novellen des Alltags, in dem ja immer schon das wahre Leben steckt, wie alle wissen, die vergeblich in den »großen« Momenten die Erfüllung ihres Glücks erhofften.

Novellen des Alltags

»Es blieb das Gefühl, dass wir alle
im Unbestimmten Segelnde sind«


Begegnungen sind oft mehr als zufällige Treffen.
Wieviel mehr darin enthalten sein kann und welche Macht und Faszination, welche Intensität der Gefühle sich daraus entwickeln, das zeigt Karl Otto Mühl in diesen einfühlsamen Novellen des Alltags, in dem ja immer schon das wahre Leben steckt, wie alle wissen, die vergeblich in den »großen« Momenten die Erfüllung ihres Glücks erhofften.

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Achim, den es fast vor Hunger zerriss, musste höflich<br />

und ausführlich antworten.<br />

Nach einer Weile öffnete Sarah einen Schrank und<br />

holte Kleider ihres Mannes heraus. »Die müssten dir<br />

passen«, sagte sie.<br />

»Wir haben das alles doch nicht gewusst, Sarah.«<br />

»Blöd wart Ihr, bös und blöd«, sagte Sarah zornig.<br />

»Und viele von euch waren auch vorher schon so.«<br />

Achim Meckenstock senkte den Kopf.<br />

»Na gut«, sagte Sarah schließlich. Sie sah ihm zu,<br />

während er die Kleider anzog. Dann stellte sie ihm<br />

den Teller hin und brachte Brot. »Willst du Tee dazu<br />

trinken?«<br />

Achim Meckenstock nickte dankbar.<br />

Als Achim gegessen hatte, saßen die beiden<br />

schweigend da. Sarah mit ihrem schmalen Gesicht<br />

und den großen runden Augen sah den verstummten<br />

Mann ab und zu an und wusste nicht, was sie noch<br />

sagen sollte.<br />

Schließlich ging sie hinaus vor die Hütte und<br />

brachte einen Tannenzweig herein, neben dem sie<br />

eine Kerze anzündete.<br />

Als dann das Radio Weihnachtsmusik spielte,<br />

musste der Schwager sich die Augen wischen.<br />

»Da hast du die richtige Musik«, sagte Sarah.<br />

»Ihr habt ja Weihnachten, ihr Christen. Das Fest<br />

der Liebe.«<br />

»Das ist sehr freundlich von dir«, sagte Achim<br />

verlegen. »Wegen mir wäre das aber nicht nötig.<br />

Du weißt ja, ich hatte nicht viel mit der Kirche im<br />

Sinn.«<br />

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