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Eine wichtige Rolle dabei spielt Dr. Andreas<br />
Wurpts, Bauingenieur und Leiter der Forschungsstelle<br />
Küste des Niedersächsischen Landesbetriebs<br />
für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz<br />
(NLWKN) auf Norderney. Der 46-Jährige befasst<br />
sich seit Jahren mit dem Flüssigschlick. Mit<br />
seinen Kollegen geht er den Vorgängen in der<br />
Wassersäule der Ems auf den Grund, um zu<br />
verstehen, wie sich der flüssige Schlick unter Strömungseinflüssen<br />
verhält. „Nur so“, sagt Wurpts,<br />
„können wir die Tidesteuerung zum Erfolg führen:<br />
Wenn wir wissen, auf was und unter welchen<br />
Bedingungen der Flüssigschlick auf Strömungen<br />
reagiert, kann die Tidesteuerung so justiert werden,<br />
dass sie den Fluss tatsächlich befreit.“<br />
Mit mehreren speziell angepassten Messverfahren<br />
ermitteln die Forscher auf monatlichen Messfahrten<br />
den Zustand der Ems. Was dadurch seit<br />
langem bekannt ist: Zwischen dem frei fließenden<br />
Wasser an der Oberfläche und dem festen Grund<br />
gibt es vor allem im Sommer eine teilweise mehrere<br />
Meter dicke Schicht, die<br />
wegen der hohen Sedimentkonzentration<br />
einen physikalischen<br />
Zustand zwischen Wasser<br />
und Festkörper erreicht.<br />
„Das untere Drittel der Wassersäule<br />
fließt nicht“, erklärt<br />
Wurpts. Der Flüssigschlick<br />
weist Konzentrationen von 8<br />
bis 300 Gramm Feststoffen pro<br />
Liter Wasser aus – im Vergleich<br />
zu anderen Tideflüssen wie<br />
Weser und Elbe eine um den<br />
Faktor 100 bis 1000 höhere<br />
Konzentration. Das führt dazu,<br />
dass die Schlickwolke sich trotz<br />
ihrer „flüssigen“ Konsistenz<br />
von den Gezeitenströmungen<br />
im Fluss nicht auflösen oder<br />
mitreißen lässt; am oberen<br />
Rand des Flüssigschlicks – in<br />
mehreren Metern Tiefe, aber<br />
weit über dem Grund – bildet sich ein Bereich<br />
still stehender Flüssigkeit, so Wurpts. Das Wasser<br />
fließt oberhalb dieser Flüssigschlickschicht.<br />
Weil der Flüssigschlick durch die enthaltenen<br />
Tonminerale, organischen Stoffe (etwa aus<br />
Torfpartikeln) und durch das Wirken bakterieller<br />
Einflüsse ein Netzwerk von Flocken bildet,<br />
sinkt die Suspension nicht ab, sondern bleibt als<br />
Schicht über der Sohle bestehen und wabert mit<br />
der Strömung in der Unterems hin und her. Und<br />
das über viele Kilometer zwischen Terborg und<br />
Papenburg. Mit den bekannten Folgen: Die Sauerstoffzehrung<br />
der organischen Substanzen im<br />
Schlick macht die Unterems zu einem teilweise<br />
für Lebewesen unbewohnbaren Fluss, jener Anteil,<br />
der sich am Ende doch absetzt, überschlickt<br />
Lebensräume am Ufer und am Grund der Ems.<br />
Häfen und Fahrrinne setzen sich zu.<br />
Zum Verständnis der Vorgänge in der „geschichteten<br />
Ems“ drängen sich dem Laien eingängige<br />
Vergleiche auf; verhält sich der Flüssigschlick<br />
etwa wie ein Gel, wie Ketchup etwa, den man<br />
erst mit einem harten Schlag dazu bringen muss,<br />
aus der Flasche zu fließen? Dr. Andreas Wurpts<br />
ist das nicht präzise genug: „Wir haben herausgefunden,<br />
dass der Flüssigschlick nicht allein auf<br />
die Stärke der Strömung reagiert, sondern auch<br />
auf die Dauer ihrer Einwirkung auf die Grenze<br />
zwischen Wasser und Flüssigschlick. Auch davon<br />
hängt ab, ob er in Bewegung kommt oder nicht<br />
und wie flüssig er dabei wird.“ Für die Planung<br />
Dicke Decke: Die Ufer der Ems<br />
verschlicken zunehmend<br />
der Tidesteuerung ist das entscheidend; nicht<br />
nur die Energie der Strömung ist entscheidend,<br />
sondern auch ihre Dauer. Doch wie kann der<br />
Transfer zwischen Grundlagenwissen und konkreter<br />
Planung erfolgen?<br />
Wurpts und sein Team übersetzen die Erkenntnisse,<br />
die sie über die Physik des Flüssigschlicks<br />
masterplan ems Herbst 2018 17