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mathe<br />
für<br />
formelallergiker<br />
Das Ziegenproblem<br />
Das Mondexperiment<br />
Comic: Kauender Konflikt
Impressum<br />
Mathe für Formelallergiker | 1. Ausgabe | November 2018<br />
Josef-Effner-Gymnasium Dachau<br />
Erich-Ollenhauer-Straße 12<br />
D-85221 Dachau<br />
formelallergiker@gmail.com<br />
Chefredaktion: Philip Neumer, Ann-Kathrin Betz<br />
Art-Direktor:<br />
Philip Neumer<br />
Bilder:<br />
Google Earth, Medium, Ann-Kathrin Betz<br />
Illustrationen: Ann-Kathrin Betz<br />
Verkaufspreis: 1 €<br />
Druck:<br />
ReprokopieDachau GmbH<br />
Auflage: 100<br />
V.i.S.d.P.:<br />
P. Mareis<br />
Seminarleitung: R. Laenen<br />
© 2018 Betz/Neumer<br />
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des<br />
Verlages und der Autoren unzulässig. Dies gilt insbesondere für elektronische oder sonstige Vervielfältigung,
mathe<br />
für<br />
formelallergiker<br />
Inhalt
mathe<br />
für<br />
formelallergiker<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
jeder von Euch kennt wahrscheinlich so jemanden (oder ist dieser Jemand sogar selbst):<br />
Eine Person, die mit Mathe einfach überhaupt nichts anfangen kann und sich bei dem Begriff<br />
sofort „ausklinkt“ und gedanklich abschaltet.<br />
Zu Beginn der 11. Klasse startete unser P-Seminar „Mathe für Formelallergiker“, in dem<br />
wir uns mit Aufgaben beschäftigten, deren Ziel es war, Mathe für Schüler ansprechender<br />
zu machen. Dabei wurde uns relativ schnell klar, dass das nicht einfach werden würde.<br />
Trotzdem kamen wir schon nach kurzer Zeit zu dem Schluss, dass wir ein <strong>Magazin</strong> entwerfen<br />
wollten. Auch die passenden Aufgaben hatten wir schnell gewählt. Die größte<br />
Hürde hatten wir jedoch noch vor uns: die kreative und anschauliche Darstellung unserer<br />
Aufgaben, sodass sie auch für Mathemuffel interessant wären.<br />
Wichtig war uns vor allem, dass nicht nur ältere Schüler mit mehr Mathekentnissen das<br />
<strong>Magazin</strong> lesen können. Also haben wir versucht, Aufgaben von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad<br />
zu finden, sodass für jeden etwas dabei ist.<br />
Da Mathe zudem oft sehr trocken ist, haben wir uns bemüht, den vielleicht etwas komplizierteren<br />
Text durch Abbildungen und Diagramme zu veranschaulichen.<br />
Wenn ihr euch also mit den einzelnen Aufgaben auf den nächsten Seiten beschäftigt, dann<br />
hoffen wir, dass diese Euch Mathe ein Stück näher bringen und eventuell sogar ein bisschen<br />
dafür begeistern können.<br />
Viel Spaß mit der ersten Ausgabe unseres <strong>Magazin</strong>s „Mathe für Formelallergiker“<br />
Philip Neumer<br />
Ann-Kathrin Betz
Das Ziegenpr
oblem
S<br />
pielshows sind uns wohl allen<br />
bekannt. Einerseits gibt<br />
es Shows, wie „Wer wird<br />
Millionär?“ (RTL) oder das<br />
„Quizduell“ (ARD). Hier müssen die<br />
Kandidaten in der Hoffnung auf das<br />
„große Geld“ ihr Wissen beweisen.<br />
Andererseits gibt es auch Shows wie<br />
zum Beispiel die Sat1-Sendung „Deal<br />
or No Deal“, bei der die Höhe des<br />
Gewinns für die Teilnehmer absolut<br />
zufällig scheint. Aber wie viel Glück<br />
steckt hinter diesen Shows wirklich,<br />
und kann man die beste Entscheidung<br />
„berechnen“?<br />
Um diese Frage zu beantworten, haben<br />
wir uns eins der wohl bekanntesten<br />
Probleme dieser Art ausgesucht:<br />
das Ziegenproblem. Dieses wurde<br />
erstmals 1975 im „American Statistician“<br />
vom Biostatistiker Steve Selvin in<br />
einem Leserbrief vorgestellt. Bekannt<br />
wurde es aber eigentlich erst durch<br />
Marilyn vos Savant. Sie galt von 1986<br />
bis 1989 als die Person mit dem<br />
höchsten Intelligenzquotienten und<br />
schrieb die Kolumne „Ask Marilyn“<br />
in der Sonntagszeitung „Parade’s“, in<br />
der sie Fragen, meist mathematischer<br />
oder sprachlicher Art, beantwortete.<br />
1990 erhielt sie von Craig Whitaker<br />
folgende Frage in Form eines Leserbriefs:<br />
„Nehmen Sie an, Sie wären in einer<br />
Spielshow und hätten die Wahl zwischen<br />
drei Türen. Hinter einer der<br />
Türen ist ein Auto, hinter den anderen<br />
sind Ziegen. Sie wählen eine Tür,<br />
sagen wir Tür Nummer 1, und der<br />
Showmaster, der weiß, was hinter den<br />
Türen ist, öffnet eine andere Tür, sagen<br />
wir Nummer 3, hinter der eine<br />
Ziege steht. Er fragt Sie nun:<br />
‚Möchten Sie die Tür Nummer 2?‘<br />
Ist es von Vorteil, die Wahl der Tür<br />
zu ändern?“<br />
Das Ziegenproblem<br />
Diesmal geht es um das weit verbreitete Ziegenproblem, bekannt aus einer Gameshow der 60er-Jahre. Was genau<br />
steckt hinter der Aufgabe und kann man die Gewinnchancen durch Mathematik beeinflussen?<br />
Diese Frage basiert auf der 60er-Jahre<br />
Gameshow „Let’s Make a Deal“, moderiert<br />
von Monty Hall und sieht so<br />
aus: Der Kandidat hat die Wahl zwischen<br />
drei Türen, wobei eine Tür den<br />
„Big Deal“, meist ein Auto oder eine<br />
Reise, und eine weitere Tür einen<br />
„mittleren“ Preis enthält, der jedoch<br />
immer mehr wert ist als das, was sich<br />
der Kandidat bereits im Laufe der<br />
Sendung erspielt hatte. Die letzte Tür<br />
enthält einen Trostpreis. Jetzt aber<br />
zurück zu der Frage von Craig Whitaker:<br />
Ist es von Vorteil, die Wahl der<br />
Tür zu ändern? Eine Frage, auf die<br />
die erste Antwort der meisten wahrscheinlich<br />
wäre: Es ist egal! Aber ist es<br />
wirklich egal?<br />
Original-Leserbrief aus vos Savant‘s<br />
Kolumne in der Zeitschrift<br />
„Parade‘s“ <br />
Führen wir das ganze doch mal an<br />
einem Fallbeispiel durch: Wie in<br />
dem Leserbrief haben wir drei Türen.<br />
Der Gewinn befindet sich, sagen wir,<br />
hinter Tür zwei, was unser Kandidat<br />
natürlich nicht weiß. Im ersten<br />
Schritt wählt er nun Tür Nummer<br />
drei. Der Showmaster öffnet daraufhin<br />
Tür Nummer eins. Jetzt frägt er<br />
den Kandidat, ob er bei seiner Wahl<br />
bleiben oder zur verbliebenen Tür,<br />
Nummer zwei, wechseln möchte. Unser<br />
Kandidat entscheidet sich, bei Tür<br />
drei zu bleiben, also öffnet der Moderator<br />
Tür drei und damit verliert unser<br />
Kandidat. Das war nur eine Möglichkeit,<br />
wie das Spiel hätte ablaufen können.<br />
Aber was wäre, wenn der Kandidat<br />
Tür 1 gewählt hätte? Wenn der<br />
Showmaster eine andere Tür geöffnet<br />
hätte? Wenn der Gewinn hinter Tür<br />
drei gewesen wäre? Um eine eindeutige<br />
Antwort zu erhalten, was man als<br />
Kandidat tun sollte, müssten wir das<br />
Experiment also noch zig Mal durchführen,<br />
um eine eindeutige Antwort<br />
auf unsere Anfangsfrage zu erhalten.<br />
Da dies aber zu aufwendig wäre, werden<br />
wir versuchen, das Problem allgemein<br />
zu lösen.<br />
Dafür brauchen wir Wahrscheinlichkeitsrechnung.<br />
Also betrachten wir<br />
zunächst die Wahrscheinlichkeiten der<br />
einzelnen Möglichkeiten, wenn der<br />
Kandidat nicht wechselt, also bei seiner<br />
ursprünglichen Wahl bleibt.<br />
Die Wahrscheinlichkeit, dass er bei<br />
seiner ersten Wahl die Tür mit dem<br />
Auto „erwischt“, beträgt 33%, da genau<br />
eine der drei Türen ein Auto enthält<br />
(eine von drei Türen, also ein<br />
Drittel bzw. 33%). Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass er, wenn er jetzt nicht<br />
wechselt, das Auto erhält, beträgt<br />
folglich 100%. Das heißt: Wechselt<br />
der Kandidat nicht, so beträgt die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass er das Auto<br />
gewinnt 33% (Wahl des Autos im<br />
ersten Schritt) mal 100% (Kandidat<br />
erhält dann, wenn er nicht wechselt,<br />
zu 100% das Auto), also 33% bzw.<br />
ein Drittel.<br />
Schauen wir jetzt mal, wie das Ganze<br />
aussieht, wenn unser Kandidat seine<br />
Wahl ändert. Wenn der Kandidat<br />
durch Wechseln das Auto gewinnen<br />
soll, dann muss er bei seiner ersten<br />
Wahl eine Zeige „erwischt“ haben.<br />
Dieses „Ereignis“ (so nennt man das<br />
in der Wahrscheinlichkeitstheorie)<br />
tritt mit einer Wahrscheinlichkeit
-<br />
<br />
<br />
von 67% ein, da ja hinter zwei der<br />
drei Türen eine Ziege steht (zwei von<br />
drei Türen, also zwei Drittel bzw.<br />
67%). Nachdem unser Kandidat also<br />
eine Tür gewählt hat, öffnet der<br />
Showmaster eine weitere Tür, hinter<br />
der natürlich eine Ziege steht. Wenn<br />
der Kandidat also bei seiner ersten<br />
Wahl eine Ziege erwischt hat und hinter<br />
der vom Moderator geöffneten<br />
Tür auch eine Ziege steht, dann muss<br />
hinter der letzten Tür das Auto sein!<br />
Wechselt der Kandidat jetzt auf diese<br />
Tür, so gewinnt er das Auto. Die<br />
Wahrscheinlichkeit für den Auto-<br />
Gewinn beträgt demnach 67% (Wahl<br />
einer Ziege im ersten Schritt) mal<br />
100% (Kandidat erhält dann bei<br />
Wechseln zu 100% das Auto), also<br />
67% bzw. zwei Drittel. Nochmal<br />
zusammengefasst: Wechselt der Kandidat<br />
nicht, so beträgt die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass er das Auto gewinnt<br />
33%. Wechselt er jedoch, dann<br />
beträgt die Wahrscheinlichkeit 67%!<br />
Natürlich ist wechseln keine Garantie,<br />
dass man das Auto gewinnt, aber es<br />
verdoppelt die Chancen!
Das Mondexper
iment<br />
Fotos/Illustration: Google Earth, Ann-Kathrin Betz
№2<br />
Das Mondexperiment<br />
Dieser Artikel behandelt ein nicht ganz alltägliches Problem, welches zugleich doch sehr interessant ist. Kann man<br />
mit nur einem DIN A4-Blatt die weite Distanz von der Erde bis zum Mond überbrücken?<br />
N<br />
eil Armstrong war der erste Mensch auf dem<br />
Mond, eine starke Leistung angesichts der<br />
Tatsache, dass der Mond 384.400 km von der<br />
Erde entfernt ist. Aber wie könnte man diese<br />
Distanz verdeutlichen? Zur Veranschaulichung runden wir<br />
die Distanz auf 400.000 km. Ein Blatt ist 0,1 mm dick,<br />
um zum Mond zu kommen, müsste man 4.000.000.000.000<br />
Blätter stapeln.<br />
Was wäre aber, wenn man nur ein A4-Blatt zur Verfügung<br />
hätte? Kann ich nur durch das Falten dieses einzelnen Blattes<br />
von der Erde aus den Mond erreichen?<br />
Wenn man das Problem praktisch angeht, merkt man<br />
schnell, dass das sechste Mal Falten schon schwerfällt. Unter<br />
Mühen ist auch ein siebtes Mal noch möglich, dann ist<br />
jedoch Schluss. Der Grund hierfür ist die Dichte des Blattes,<br />
die dies nicht zulässt. Da wir trotzdem eine Antwort<br />
auf unsere Frage haben möchten, vernachlässigen wir für<br />
unser Problem die Physik.<br />
Wie oben genannt, hat ein Blatt eine Dicke von 0,1 mm.<br />
Faltet man dieses einmal, ist es doppelt so dick, also 0,2<br />
mm. Mit jedem weiteren Falten verdoppelt sich die Dicke<br />
wieder. Wir rechnen also 0,1 mm · 2 · 2 usw. Das sich<br />
wiederholende „· 2“ kann zu 2 x zusammengefasst werden.<br />
Damit ergibt sich eine Formel für die Berechnung der Dicke<br />
nach beliebigen Faltungen:<br />
Die Werte des exponentiellen Wachstums steigen überraschend<br />
rasant an, welches dieses so faszinierend macht.<br />
12<br />
¯¯<br />
f(x) = 0,1mm · 2 x<br />
Für x setzen wir die Anzahl der Faltungen ein und bekommen<br />
somit die Dicke nach x-mal Falten. In der Mathematik<br />
wird dies als exponentielles Wachstum bezeichnet.<br />
Aber was muss nun für x eingesetzt werden, um als Ergebnis<br />
400.000 km zu bekommen? Durch Probieren kann man<br />
sich dem Ergebnis annähern. Für x = 10 bekommt man<br />
eine Dicke von 10,24 cm. Bei 20-mal Falten sind es schon<br />
105 Meter und bei 40-mal Falten 110.000 km. Damit kommen<br />
wir unserem Ziel schon näher. Nach dem 45sten Mal<br />
Falten ist das Blatt 3,5 Millionen Kilometer dick und damit<br />
ist man schon über den Mond hinausgeschossen. Durch<br />
genaueres Probieren kommen wir darauf, dass das Blatt mit<br />
42-mal Falten 439.804 km dick ist und damit ist der<br />
Mond leicht zu erreichen.<br />
f(x) = 0,1 · 2 x<br />
><br />
von Ann-Kathrin Betz
Papier (30x30 cm) ungefaltet<br />
<br />
Einfache Dicke des Papiers<br />
1-mal Falten<br />
<br />
Doppelte Dicke des Papiers<br />
2-mal Falten<br />
<br />
4-fache Dicke des Papiers<br />
3-mal Falten<br />
<br />
8-fache Dicke des Papiers<br />
4-mal Falten<br />
<br />
16-fache Dicke des Papiers<br />
13<br />
¯¯<br />
5-mal Falten<br />
<br />
32-fache Dicke des Papiers<br />
6-mal Falten<br />
<br />
64-fache Dicke des Papiers<br />
Fotos: Ann-Kathrin Betz
Kauender Konflikt<br />
von Oliver Kreis