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Zeitweit

Die Wandlung einer Ungeduldigen. Zeichnungen. www.cambra-skade.de www.cambraskade.wordpress.com

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<strong>Zeitweit</strong> werden<br />

Die Wandelgeschichte einer Ungeduldigen<br />

Cambra Skadé


Davon gibt es viele, von den Ungeduldigen.<br />

Sie haben einen hohen Ungeduldsfaktor. Fünfzehn oder höher.


Wenn man tief hineinschaut, lugt die Angst vor Versäumnis heraus.<br />

Sie begleitet die Ungeduldigen und gibt sich als Verbündete<br />

und gute Beraterin aus.<br />

Sie sagt, sie wisse, wie man Zeit gewinnt.


Sie tarnt sich und weil sie sich unsichtbar machen kann, erkennen die<br />

meisten sie nicht als solche und wissen nicht, wer da warum antreibt.<br />

Und so sehen sie nur eine umtriebige, effiziente und gut organisierte<br />

Frau. Eine, die das Wesentliche zu nehmen weiß und nichts Wichtiges<br />

versäumt. Gut, sie ist schon streng und kann ordentlich Druck aufbauen,<br />

viel fordern, antreiben. Sie will nicht warten, aber wer will das schon.<br />

Unduldsam ist sie bisweilen, aber wer ist das nicht mal.<br />

So eine Ungeduldige kann man sich leicht schönreden, weil so viel so<br />

gut vorangeht und sie so gut in diese schnelle Zeit passt. Manchen geht<br />

sie allerdings ziemlich auf die Nerven mit ihrem eiligen Tun und all den<br />

anderen Merkmalen, wie dem ewigen auf´s-Gas-gehen. Das höchst<br />

effiziente Unterwegssein und das viele Perfekte kann jedoch blenden.


Ein Segen ist es, wenn die Ungeduldige endlich selber die Schnauze<br />

voll hat. Sie sieht andere, die nicht von Ungeduld getrieben sind und<br />

ahnt, dass es auch anders gehen kann.<br />

Die große Herausforderung ist zunächst das Erforschen.


Dabei begegnet sie einer irritierenden Wesenheit. Diese ist schwarz<br />

gekleidet, wie eine Richterin, auf Stelzen. Sie trägt eine Peitsche und<br />

gibt ständig antreibende Kommandos von sich. Wie eine riesige<br />

Dämonin steht sie vor ihr – die Angst vor Versäumnis.<br />

Das gefällt ihr gar nicht. Immer mehr zeigt sich das Angstgewebe.


In ihrer Not ruft sie um Hilfe und die Närrin kommt. „Vergrößere<br />

es lupenartig,“ sagt diese, „zum besseren Betrachten. Mach das so<br />

lange, bis du in der Übertreibung das Absurde erkennst, bis du der<br />

durchgeknallten Ungeduldigen in die Augen schauen kannst und<br />

ihr dein Lachen von Herzen entgegenschallt.“


Die Wege sind mühsam und steil, das Gelände unwegsam und immer<br />

wieder scheint es nicht mehr weiterzugehen und stillzustehen.<br />

Rückschritte sind zu verkraften und doch gibt es kein Zurück mehr.<br />

Denn eine ist aufgebrochen für Veränderung.


Sie schaut in viele Schattenspiegel, sieht immer die Zeit, die schnell<br />

vergehende Zeit, Ziele, Pläne, sieht die Rennfahrerin, das Tempo, wie<br />

sie zupackt, Ziele bewältigt, ihre gewonnen Sekunden hütet, antreibt,<br />

vorantreibt, getrieben ist.


An dem Punkt wünscht sie sich, in einer Wundergeschichte zu sein<br />

und zwar so, dass Selbiges in absehbarer Zeit kommt. Das ist aber<br />

in der Geschichte der Wandlung nicht vorgesehen und so wird sie<br />

dranbleiben und weitergehen müssen.


-


Dann begegnet ihr Kala,<br />

-<br />

die Zeit.<br />

„Du kannst mich nicht beherrschen,“ sagt sie.<br />

„Doch, ich muss,“ sagt die Angst, „ich überliste dich.“<br />

Die Zeit lächelt milde.


Das Ungeduldsgewebe wird reißen. Irgendwann. Davor hat die<br />

Ungeduldige Angst, denn sie meint, dann sterben zu müssen. Und<br />

das hieße, dass sie keine Lebenszeit mehr sinnvoll füllen könnte.<br />

Andererseits macht die Angst vor Versäumnis ihren Lebenstanz so<br />

schnell und anstrengend, dass sie sich machmal danach sehnt, dass<br />

alles stillsteht, dass es ein Ende hat.


„Wo ist der Weg heraus?“ fragt sie Kala.<br />

-<br />

„Schau deiner Angst in die Augen,“ ist die Antwort<br />

„Betrachte sie. Lerne sie kennen. Sie ist eine alte Begleiterin, diese<br />

Angst, eine denkbar schlechte Beraterin und niemals eine Freundin.<br />

Suche deine wirklichen Hilfskräfte.“


Sie macht sich auf den Weg und wird irgendwann das Verzögern<br />

finden. Es sitzt am Wegrand und wartet.


Es weiß, wie man sich ein Haus voller Muße baut, um darin zu<br />

wohnen. Es wird am Rand der großen Stadt sein, nah an der Wildnis.<br />

Es ist ein kleines, gemütliches Haus, das Gäste aufnehmen kann.


Ihnen wird Tee geboten und sie spüren dort etwas Heimatliches.<br />

Die Ruhe und die Gründlichkeit wohnen dort.


Es gibt Räume des Zuhörens, des Abwartenkönnens, des Verweilens<br />

und der Ruhe.


Das Jetzt bietet sich auch als Verbündete an. Es sagt, dass sich mit<br />

ihm die Zeit dehnt und unwichtig wird, weil es immer ist.<br />

Dass alles kostbarer Moment ist, dass es die Magie des Augenblicks<br />

als Geschenk bereithält. Mit ihm würde die Angst, etwas zu versäumen<br />

in die Auflösung gehen.<br />

„Ich laufe dir nicht weg. Du verlierst mich nie, ich begleite dich,<br />

immer.“


Und schließlich wartet Kala<br />

-<br />

selbst, die Zeit, als mächtige Verbündete<br />

auf die Ungeduldige. „An mir kommt niemand vorbei, überlasse es<br />

mir, dass sich die Dinge richten. Warte es ab. Du brauchst es nicht zu<br />

beschleunigen. Vertraue mir als deiner loyalen Verbündeten.“


Und es beginnt sich zu ordnen.


<strong>Zeitweit</strong>e Räume öffnen sich.


Neue Wege, neue Verbündete, neue Beraterinnen zeigen sich.


Sie sind auch Lehrende, wie es geht, das Nichtstun zu geniessen.<br />

Das ist eine lange und schwierige Lektion.<br />

Doch sie bringt die Milde mit sich und ein seltsam wohltuendes<br />

Verständnis für Langsamkeit.


Die neuen Verbündeten lernen der Ungeduldigen, wie sie etwas gut<br />

abwarten kann und wie sie sich, ohne Kontrolle und Absicherung,<br />

der Zeit anvertraut.


Die Spitzen der Angst sind schon mal gebrochen und die Angst wird<br />

weiter schmelzen, wie der Schnee in der Frühlingssonne.


Der Blick ins Morgen wird ruhig, die Muße kehrt ein.


Lange Weile und unstrukturierte Zeiten sind Labsal und freudig<br />

begrüßte Passagen. Vieles ist einfacher geworden, langsamer, näher.


Niemand käme später auf die Idee, dass in dem kleinen Häuschen<br />

eine wohnt, die so intensiv mit der Angst vor Versäumnis getanzt<br />

hat.


Nur, wenn jemand sie fragt, was zu tun ist mit dieser ewigen<br />

Ungeduld, spürt man eine große Kenntnis über die gefährlichen<br />

Passagen der Angstfelder. Sie scheint die Pfade zu kennen und<br />

auch die Raststätten entlang des Weges.


„Dann war das Durchwandern all dessen wenigstens dafür gut,“<br />

sagt sie den Fragenden, „dass ich dir ein paar Landkartenteile<br />

geben kann. Vielleicht helfen sie dir.“


Und dabei schlendert sie durch den Garten mit den wilden<br />

Obstbäumen, gestattet sich eine Mußezeit auf der Schaukel<br />

und fühlt in den Tag hinein.


Wenn sie einmal mit ihrem Auto in die große Stadt fährt, dann freut<br />

sie sich darüber, wie gut sie sich auf die Kunst des Bremsens versteht.<br />

Zu recht, denn für eine ehemalige Rennfahrerin ist das nicht selbstverständlich.


Das ist die Geschichte einer Ungeduldigen,<br />

deren Verbündete die Zeit geworden ist.<br />

www.cambra-skade.de<br />

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