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Ultraläufer Holger Boller

Artikel über unseren Lokalmatador aus Kleinmaischeid und Ultraläufer Holger Boller in der "Aktiv Laufen". Beste Glückwünsche noch zu den letztjährigen Erfolgen und ein gutes Gelingen für den diesjährigen UTMB (171km und 10.300m) Ende August. Ich hoffe dich optimal mit meinen Möglichkeiten zum Höhepunkt des Jahres unterstützen zu können!

Artikel über unseren Lokalmatador aus Kleinmaischeid und Ultraläufer Holger Boller in der "Aktiv Laufen".

Beste Glückwünsche noch zu den letztjährigen Erfolgen und ein gutes Gelingen für den diesjährigen UTMB (171km und 10.300m) Ende August.
Ich hoffe dich optimal mit meinen Möglichkeiten zum Höhepunkt des Jahres unterstützen zu können!

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Erlebnis<br />

UTMB<br />

Von<br />

WÖlfen<br />

und<br />

BergeN<br />

Text Christian Bruneß<br />

Es ist der Superbowl des Ultratrails, das<br />

Klassen-treffen der Weltelite: Der Ultra-Trail<br />

du Mont-Blanc. Wir haben den deutschen <strong>Holger</strong><br />

<strong>Boller</strong> auf Schritt und Tritt begleitet.<br />

ieselregen und Nebelschwaden bilden einen<br />

grauen Schleier über Champex-Lac. Bei schönem<br />

N<br />

Wetter ist der an einem Bergsee gelegene Ort<br />

mitten in den französischsprachigen Schweizer<br />

Alpen absolut postkartentauglich, oder anders ausgedrückt:<br />

Instaready. Einmal im Jahr steht ein großes weißes Zelt am<br />

Ortseingang. Wer sich in diesen Tagen in der Region um<br />

den Mont-Blanc aufhält, weiß meistens, warum das Zelt<br />

dort steht. Es ist einer der vielen Verpflegungspunkte (VP)<br />

des Ultra-Trail du Mont-Blanc, auch UTMB genannt, des<br />

größten und populärsten Ultratrails der Welt. Wir warten<br />

auf <strong>Holger</strong>, Startnummer 322. Wir, das ist <strong>Holger</strong>s Supportcrew<br />

bestehend aus <strong>Holger</strong>s Freund und Crewcaptain Jörg,<br />

dessen Partnerin Andrea, <strong>Holger</strong>s Ehefrau Petra und mir.<br />

<strong>Holger</strong> <strong>Boller</strong> aus dem beschaulichen rheinlandpfälzischen<br />

Kleinmaischeid hat sich monatelang auf<br />

diesen Tag vorbereitet. Der von Columbia Sportswear<br />

gesponserte <strong>Ultraläufer</strong> hat in Zusammenarbeit mit seinem<br />

Trainer Patrick Klein einen anspruchsvollen Trainingsplan<br />

ausgearbeitet und hat lange Läufe, Hügelintervalle und<br />

Höhenmeter en Masse abgespult. Alles, um an diesem Tag<br />

auf den rund 170 km um den Mont-Blanc in Bestform sein<br />

zu können. Es ist sein zweiter UTMB. Ein Wiederholungstäter,<br />

wie viele von den Teilnehmern hier. Wer diesen<br />

spektakulären Lauf und diese einzigartige Atmosphäre<br />

einmal erlebt hat, den lässt der UTMB nicht mehr los. Der<br />

Start ist bombastisch: In den engen Gassen von Chamonix,<br />

direkt am Dorfplatz vor einem Kirchturm, steht das große<br />

unübersehbare Start- und Zieltor. Tausende bunt gekleidete<br />

Trailläufer warten gebannt auf den Startschuss, der<br />

traditionell von dem episch anmutenden und Gänsehaut<br />

verursachenden Klängen von „Conquest of Paradise“ von<br />

Vangelis angekündigt wird.<br />

Nicht wenige im Startfeld haben dabei Tränen in den<br />

Augen. Ganz vorn steht die Weltelite. Allein beim Hören von<br />

Namen wie Kilian Jornet, Jim Walmsley und Zach Miller<br />

bei den Männern oder Caroline Chaverot, Mimmi Kotka<br />

und Clare Gallagher bei den Frauen, beschleunigt der Puls<br />

der meisten Traillauffans. Vielleicht ist die Bedeutung des<br />

UTMB vergleichbar mit dem Iron Man auf Hawaii, dem<br />

Superbowl im American Football oder den Königsetappen<br />

bei der Tour de France.<br />

Die Qualen des Ultramarathons<br />

Händeklatschen, „Allez, allez!“-Rufe und das Läuten von<br />

Kuhglocken, das ist die Geräuschkulisse vor dem Zelt in<br />

Champex-Lac. Jörg und ich gehen ein paar Schritte den<br />

abschüssigen Pfad entlang, den die Läufer erklimmen müssen,<br />

um in den Ort und den VP zu gelangen. Die Läufer, die<br />

uns entgegenlaufen – ein paar trabend, die meisten gehend<br />

– sehen müde aus, viele sind verdreckt. Kein Wunder, denn<br />

an diesem Punkt sind sie bereits eine Nacht durchgelaufe<br />

72<br />

aktivLaufen aktivLaufen<br />

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74<br />

Erlebnis<br />

UTMB<br />

Widrige Wetterverhältnisse und<br />

die Dunkelheit bei Nacht sind<br />

zusätzliche Herausforderungen<br />

für die Athleten.<br />

und haben etwa 125 Kilometer und knapp 7.000 Höhenmeter<br />

hinter sich. Seit knapp 22 Stunden fahren wir <strong>Holger</strong> nun<br />

schon hinterher. Von VP zu VP, durch die Nacht hindurch.<br />

Und wie es aussieht, wird es auch in der kommenden Nacht<br />

keinen Schlaf geben – solange <strong>Holger</strong> nicht im Ziel ist, ist<br />

die Crew für ihn da, ohne Wenn und Aber. Dann sehen<br />

wir ihn in der Ferne. „Schwarze Jacke, schwarze Hose –<br />

das perfekte Outfit um unentdeckt zu bleiben“, scherzt<br />

Jörg. Er rennt<br />

zurück ins Zelt,<br />

um sich auf den<br />

„Pitstop“ vorzubereiten.<br />

Ich<br />

warte auf unseren<br />

Läufer. Es<br />

heißt, man soll<br />

einen <strong>Ultraläufer</strong> während eines Wettkampfs nicht nach<br />

seinem Befinden fragen. Das muss ich auch gar nicht.<br />

„Der Tank ist leer …“, sagt <strong>Holger</strong> schwer atmend und<br />

mit gezeichnetem Gesicht.<br />

Etwa vier Wochen vor Chamonix treffen wir uns<br />

allesamt in einem Café im rheinland-pfälzischen Bendorf.<br />

<strong>Holger</strong> erzählt bei einem alkoholfreien Hefeweizen von<br />

seiner Teilnahme an diversen Ultraläufen. Die Läufe nennen<br />

sich Junut, Hexenstieg, WiBoLT oder TorTour de Ruhr,<br />

alles Läufe mit einer Länge von über 200 Kilometern und<br />

häufig tausenden Höhenmetern. Wer diese vier Läufe<br />

UTMB<br />

Hard Facts<br />

Länge<br />

171 Kilometer<br />

Höhenmeter<br />

10.000 Meter<br />

Zeitlimit<br />

46 ½ Stunden<br />

Starter/Finisher 2018<br />

2.561/1.771<br />

Nationalitäten 2018<br />

76<br />

Sieger 2018<br />

Männer: Xavier Thevernard<br />

(FR), 20:44:16<br />

Frauen: Francesca Canepa<br />

(ITA), 26:03:48<br />

innerhalb von zwei Jahren gelaufen ist, der hat die sogenannte<br />

„Millenium Quest“ vollendet. Seitdem trägt der<br />

<strong>Ultraläufer</strong> mit den hellblauen Augen den Spitznamen<br />

„Wolf“, ein Erkennungsmerkmal der nur sehr wenigen<br />

Finisher dieser anspruchsvollen Laufserie. Das Laufen<br />

von sehr langen Distanzen in hügeligen und bergigen<br />

Landschaften, das ist Leidenschaft des „Wolfs“. Was das<br />

Höhenprofil angeht, zählt der UTMB allerdings zu den<br />

anspruchsvollsten<br />

Ultramarathons, die<br />

Unter diesen Bedingungen war das<br />

mein bislang härtester Lauf.<br />

<strong>Holger</strong> <strong>Boller</strong><br />

man so machen<br />

kann: Über 10.000<br />

Höhenmeter im<br />

Auf- und Abstieg<br />

sind zu bewältigen.<br />

Das wäre so, als<br />

wenn man rund 26 Mal die Treppen des Empire State<br />

Buildings emporsteigen würde. Nur ohne Geländer und<br />

auf teilweise matschigen, steinigen und alpinen Pfaden.<br />

Zurück im Zelt des VPs. Hier herrscht Gewusel und<br />

eine laute Atmosphäre. Man hört Französisch, Englisch<br />

und Deutsch, aber auch Russisch, Chinesisch oder Spanisch.<br />

Nicht zu Unrecht wird der UTMB in der Trailszene auch<br />

als Weltmeisterschaft des Sports bezeichnet. Die ganze<br />

Trailwelt ist in diesen Tagen zu Gast in der Region rund<br />

um den Mont-Blanc. Es riecht nach nasser Erde, Schweißfüßen<br />

und Fritteusenfett von dem Stand, der Bratwurst<br />

aktivLaufen<br />

Getty Images (5), Privat (1), UTMB (1)<br />

und Pommes verkauft. Das Zelt ist zweigeteilt. Eine<br />

Hälfe gehört den Athleten und einem vorher bestimmten<br />

Betreuer, der dem Läufer assistieren darf. Freunden,<br />

Familie und Schaulustigen gehört die andere Hälfte des<br />

Zeltes. Der „Wolf“ sitzt mit hängendem Kopf auf einer<br />

Bank, während Jörg seine Wasserflaschen befüllt und ihm<br />

gut zuredet. Es sind diese Momente, die entscheidend<br />

sind. Schafft es der erschöpfte Läufer, den immer stärker<br />

werden Impuls aufzuhören und alles hinzuschmeißen, zu<br />

überwinden? Wird <strong>Holger</strong> die Willenskraft aufbringen<br />

können? Jörg flüstert ihm etwas ins Ohr und klopft ihm<br />

auf die Schulter. Ein kleines Lächeln huscht über <strong>Holger</strong>s<br />

Miene. Er sieht zu uns rüber. Und dann steht er auf. Am<br />

Ende des etwa 15 minütigen Stopps verlässt <strong>Holger</strong> das<br />

Zelt und es geht weiter. In wenigen Stunden wird es<br />

wieder dunkel werden und die zweite Nacht wird bald<br />

anbrechen. Es sind manchmal nur Fragmente, kleine<br />

Bilder, die einen große Geschichte erzählen können, und<br />

für diesen UTMB bleibt mir folgende Szene im Gedächtnis:<br />

Draußen vor dem Zelt greift Petra <strong>Holger</strong>s Hand. Hand<br />

in Hand gehen die beiden ein paar Meter des Weges<br />

gemeinsam. Eine Geste, die <strong>Holger</strong> Kraft geben wird. Der<br />

Lauf zerrt auch an ihren Nerven. „Ich habe mitgelitten,<br />

habe mit Angst gehabt“, sagt sie anschließend im Auto,<br />

als wir schon wieder zum nächsten VP nach Trient unterwegs<br />

sind.<br />

Minusgrade und Bergpässe<br />

Das Besondere, ja das Reizvolle an dem Ultralaufen ist der<br />

Abenteueraspekt. Auf einer solchen Distanz, wenn man<br />

Stunden, Tage am Stück läuft, da kann, nein, da wird mit<br />

Sicherheit sehr viel Unvorhersehbares passieren. <strong>Holger</strong><br />

hat bereits am Anfang mit einer defekten Trinkblase zu<br />

kämpfen und ist darüber hinaus zu warm angezogen.<br />

Seine Kleidung ist schnell komplett nassgeschwitzt und die<br />

Wasservorräte reichen nicht aus um, den Flüssigkeitsverlust<br />

zu kompensieren. Ebenfalls im Columbia-Sportswear-Team<br />

ist der Franzose Sébastien Camus. Auch er hat Probleme.<br />

Die kräftezehrende Überquerung des Grand Col Ferret,<br />

ein Pass auf 2.500 Metern Höhe, setzt ihm zu. „Es waren<br />

um die minus 10 Grad da oben, ich war völlig unterkühlt“,<br />

berichtet Camus. Das Wetter ist schlecht. Auch die<br />

Eliteläufer leiden. Viele steigen aus. 2018 wird als das Jahr<br />

des Favoritensterbens in die UTMB-Geschichte eingehen.<br />

Der „Wolf“ aber beißt sich durch, macht Plätze gut und<br />

läuft um 4 Uhr morgens in Chamonix nach 34 Stunden,<br />

7 Minuten und 29 Sekunden über die Ziellinie. <strong>Holger</strong><br />

hat alles gegeben. Vielleicht so viel wie noch nie zuvor.<br />

Überglücklich und erleichtert reißt er seine Hände in<br />

den Himmel. Es ist sein wahrscheinlich schwerster Lauf<br />

gewesen. „Ich habe schon unheimlich viele Wettkämpfe<br />

gemacht, auch alpiner Natur, aber keinen, bei dem ich mit<br />

solchen Wetterbedingungen konfrontiert wurde“, sagt er<br />

und wischt sich den Schweiß des Zielsprints von der Stirn.<br />

Am nächsten Tag sitzen wir mittags in einem Café.<br />

Es kommen noch immer Läufer ins Ziel. <strong>Holger</strong> hat gut<br />

geschlafen und sieht erholt aus. „So wie der Wettkampf<br />

gelaufen ist, bin ich mit dem Ergebnis super zufrieden“,<br />

sagt er, während er sich auf seinen Eisbecher stürzt. Sein<br />

großes Ziel, unter 32 Stunden zu laufen, hätte er zwar<br />

nicht erreicht, aber der Finish sei extrem wichtig gewesen.<br />

Die Analyse ist bereits in vollem Gange. „Es waren<br />

am Ende des Tages die Versorgungsprobleme und mein<br />

Magen. Im Prinzip bin ich ab Courmayeur mit leerem<br />

aktivLaufen<br />

Tank gefahren“, bercihtet der Columbia-Athlet. „Eigentlich<br />

unvorstellbar“, schmunzelt er daraufhin. Ob er wiederkommen<br />

wolle, frage ich ihn. Er blickt kurz hinüber zu<br />

Petra. Beide schauen sich für ein paar Sekunden in die<br />

Augen. Dann dreht er sich zu mir. „Ich glaube schon.“ Der<br />

„Wolf“ ist noch nicht fertig, der Hunger nach einem weiteren<br />

Abenteuer am Mont-Blanc ist bereits in ihm. All das<br />

schwere Training, die Anstrengungen und Entbehrungen<br />

im Vorfeld, das Leiden im Wettkampf, das alles macht<br />

<strong>Holger</strong> am Ende des Tages vor allem zu einem glücklichen<br />

und zufriedenen Menschen. Zugegeben, mit einem klitzekleinen<br />

Laufproblem vielleicht. Aber damit ist er nicht<br />

allein. Zumindest nicht hier, hier an diesen Tagen in<br />

Chamonix.<br />

Der Fokus der Läufer verschiebt<br />

sich im Laufe des<br />

UTMB. Schwinden die Kräfte,<br />

ist ein Schälchen heiße<br />

Brühe reizvoller als ein<br />

schöner Ausblick auf das<br />

Bergpanorama.<br />

<strong>Holger</strong> <strong>Boller</strong><br />

Alter: 48<br />

Team: Columbia Sportswear<br />

Sportliche Erfolge:<br />

u.a. Millenium Quest-Finisher,<br />

UTMB 2016 (33:06:14),<br />

UTMB 2018 (34:07:29)<br />

Beten und meditieren: Für<br />

die große Herausforderung<br />

ersucht so mancher Läufer<br />

Hilfe von oben.<br />

75

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