GELASSENHEIT GROSS GESCHRIEBEN - Hannoveraner Verband

TRAINING
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GELASSENHEIT GROSS
GESCHRIEBEN
Entertainer
überschreitet ruhig und
gelassen die Plane
pferdesport bremen 5•2012

Vielfach wird eine Unterscheidung zwischen Sportpferd und Freizeitpferd
gemacht. Doch schließt die Zuordnung eines Pferdes zu der einen
Kategorie die jeweils andere wirklich aus? Immer mehr Turnierveranstalter
schreiben neben den klassischen Prüfungen auch Gelassenheitsprüfungen
für Sport- und Freizeitpferde (GHP) aus.
Diese richten sich an Pferde jeglicher
Rassen und Herkunft. Bei diesem Wettbewerb
zählen nicht die sportlichen Leistungen,
sondern allein die Gelassenheit des
Pferdes.
Sein Pferd auf eine GHP vorzubereiten
und diese vielleicht auch erfolgreich zu bestreiten,
ist unter verschiedenen Gesichtspunkten
durchaus sinnvoll, und zwar für all
diejenigen, die das Verständnis und die
Kommunikation zwischen sich und ihrem
Pferd und somit auch den Gehorsam verbessern
möchten.
Ein gelassenes Pferd bewältigt die ihm
gestellten Aufgaben aufmerksam aber ruhig
und gehorsam. Auch wenn Pferde sich von
Natur aus in Temperament und der Ausprägung
ihres Fluchtinstinktes unterscheiden,
können innere Ruhe und Nervenstärke
durch Vertrauen zum Menschen, Respekt
und Gehorsam bei jedem Pferd erreicht
werden.
Je mehr vermeintliche Gefahrensituationen
ein Pferd kennengelernt hat, umso
mehr Sicherheit gewinnt derjenige, der mit
dem Pferd umgeht. Die Gefahr von Unfällen
wird deutlich verringert.
Auch für Turnierpferde empfehlen sich
die Teilnahme an einer GHP oder zumindest
die „Trockenübungen“ zu Hause. Ein
gelassenes Pferd wird sich auch im Sport
nicht so leicht von seiner Umgebung beeinflussen
und ablenken lassen.
Es gibt zwei verschiedene geführte Gelassenheitsprüfungen
und eine gerittene
Auf der Brücke muss der Wallach für einen Moment
ruhig verharren
pferdesport bremen 5•2012
Gelassenheitsprüfung, an der ein Paar erst
dann teilnehmen darf, wenn es eine geführte
GHP erfolgreich absolviert hat. Bei der
gerittenen GHP stellt der Reiter das Pferd
an der Hand vor und absolviert dann im
Sattel im Schritt zehn Aufgaben in einer
vom Veranstalter festgelegten Reihenfolge.
Er soll feinfühlig und kaum sichtbar auf das
Pferd einwirken. Mit etwas Geduld im Training
fassen die Pferde Vertrauen und bleiben
dabei ruhig.
INITIATIVE
„HANNOVERANER
ERLEBEN“
Auch der Hannoveraner Verband stellt
Attribute wie Gelassenheit, Handlichkeit
und Geländesicherheit im Rahmen der Initiative
“Hannoveraner erleben” in den Vordergrund.
Dabei soll vermehrt die Eignung
des Hannoveraners als Freizeitpartner herausgestellt
werden. Viele Hannoveraner
Zucht- und Ausbildungsbetriebe, die Pferde
und/oder Dienstleistungen speziell für
den Freizeitbereich anbieten, haben sich der
Initiative angeschlossen.
Zu den Themen “Erziehung und Ausbildung”
wurde eine Zusammenarbeit mit
dem bekannten Western- und Freizeitpferdeausbilder
Peter Kreinberg vereinbart. Ziel
ist es, die Bodenarbeit nach “The Gentle
Touch®” in die Ausbildung junger Pferde
einzubauen, um diese somit besser für
ihren Einsatz als Reitpferd für die verschiedensten
Sparten vorzubereiten.
Auch die Bremer Züchterin Renate
Schwab-Flake aus Oberneuland ist begeistert
von der Initiative Hannoveraner erleben.
Sie hat mit dem vierjährigen Entertainer
ihr erstes selbst gezogenes Pferd unter
dem Sattel, die nächsten beiden Jungpferde
stehen in den Startlöchern.
„Erst seitdem ich im Ruhestand bin,
kann ich meinen Traum verfolgen, Pferde
mit einem gewissen Edelblutanteil zu züchten.
Eigentlich sollte mein Reitpferd Violett
von Veritas X Begründerin dieser Zucht
werden. Leider war dieser Versuch nicht erfolgreich“,
beschreibt Schwab-Flake die Anfänge
ihres Züchterdaseins.
Da ihre eigene Stute sich also nicht in der
Zucht einsetzen ließ, nutzte sie im gleichen
Jahr das Angebot, die Hannoveraner Zuchtstute
Marina, im Besitz einer Bekannten,
von Earl decken zu lassen, einem für Dressur
und Springen gleichermaßen veranlagten
Landbeschäler. Marina hat den Landbeschäler
Matcho AA zum Vater, doppelt veranlagt
und ebenfalls Anglo-Araber wie der
Vater von Violett.
Earl und Matcho AA haben beide die
Hengstleistungsprüfung in Adelheidsdorf
in ihrem jeweiligen Jahrgang gewonnen.
„Den Sieg des lackschwarzen Matcho AA
hatte ich 1982 persönlich miterlebt“, erinnert
sich Schwab-Flake.
ARTGERECHTE AUFZUCHT
IM HERDENVERBAND
Im Mai 2008 wurde ein langbeiniges,
braunes Hengstfohlen mit einem runden
weißen Fleck auf der Stirn geboren und mit
Umsicht artgerecht auf dem Hof Grotheer
in Wührden großgezogen. Schon als Fohlen
bestach Entertainer, wie er genannt wurde,
durch Gelassenheit und Selbstständigkeit.
Im Galopp zeigte er besondere Geschicklichkeit,
indem er nach Wendungen immer
auf dem richtigen Fuß landete. „Daneben
hat er von seiner Mama einen überragenden
Schritt geerbt“, freut sich die Züchterin.
Im Alter von 2,5 Jahren wurde der
Hengst gelegt und im Winter an Trense und
Longe gewöhnt. Halfterführig war er schon
als Fohlen. Den Sommer 2011 konnte er
noch einmal mit seinen Artgenossen auf
der Weide genießen.
„Durch eine alte Freundin aus Studentenreiterzeiten
lernte ich Carolin Wittmann
kennen, die auf dem Hof Heitgreß in Lienen
junge Pferde für das Programm „Hannoveraner
erleben“ anreitet und ausbildet“,
so Schwab-Flake.
Schwab-Flake vertraute Carolin Wittmann
ab Oktober 2011 den jungen Wallach
an. Zwischen Reiterin und Pferd entwickelte
sich, angeleitet durch Werner Heitgreß,
eine kleine Erfolgsgeschichte. Entertainer
bestach von Anfang an durch Gelehrigkeit,
Gelassenheit und Engagement. Am Leitseil
und unter dem Sattel wurde er nach der
Methode von Peter Kreinberg ausgebildet
und lernte verschiedene Elemente der Gelassenheitsprüfung
kennen. Daneben zeigte
er überragendes Springvermögen beim
Freispringen und später auch unter dem
Sattel im Gelände und auf dem Springplatz.
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Dieses Hindernis lässt sich leicht mithilfe eines Sprungständers und eines
Schirm mit Flatterbändern nachbauen
Am 24.06.2012 machte die Emotion
Tour des Hannoveraner Verbandes und der
Uelzener Versicherung auf dem Hof Heitgreß
Station und Entertainer nahm vor
großem Publikum am Schaubild „Western
meets Classic“ teil.
BUNDESWEITES CHAMPIONAT
DES FREIZEITPFERDES
Die sicher größte Herausforderung für
Carolin Wittmann und Entertainer war die
Teilnahme am bundesweiten Championat
des Freizeitpferdes am 26.08.2012 auf der
VERDIANA in Verden. Dieses Championat
wird als kombinierter Wettbewerb mit 6
Teilprüfungen ausgetragen, die alle bewältigt
werden müssen. Dazu gehören eine Rittigkeitsprüfung
unter Eigenreitern und
Fremdreitern, ein Gruppengeländeritt mit
wechselnder Tete, Springen über Geländesprünge,
Einreiten in eine Wasserstelle sowie
die Bewältigung eines Gehorsamsparcours
in Schritt, Trab und Galopp mit Elementen
einer GHP (Gelassenheitsprüfung).
Beispielsweise gehörten hierzu Rappelsack,
Überreiten einer Wasserplane, Auf-
sitzen mit Aufsteighilfe,
Stillstehen, Rückwärtsrichten,Stangenlabyrinth
usw.
Die Bewältigung
dieses Programms war
für den vierjährigen
Entertainer und seine
Reiterin eine Herausforderung,
da die einzelnen
Prüfungsteile
sich über 6 Stunden
(mit Pausen) hinzogen.
Die beiden wurden
schließlich an 8.
Stelle von 16 Teilnehmern
platziert.
Alles in allem
macht diese Prüfung
deutlich, wie gehorsam,
aber auch wie
sportlich vielseitig sogenannte
„Freizeitpferde“ sein müssen.
„Die auf den ersten drei Rängen platzierten
Champions waren übrigens alle bereits 5jährig“,
fügt Schwab-Flake hinzu, die sichtlich
stolz auf die Leistung ihres vierjährigen
Schützlings ist.
SCHRECKGESPENSTER
MARKE EIGENBAU
Natürlich hat Carolin Wittmann den
braunen Wallach intensiv auf seine Aufgaben
vorbereitet. Auf dem Hof Heitgreß
steht eine Reihe von Hindernissen, davon
einige, die auch bei einer GHP vorzufinden
sind. Beim Bau der Schreckgespenster und
Hindernisse sind der Fantasie nahezu keine
Grenzen gesetzt. Werner Heitgreß hat neben
dem Reitplatz ein Areal umzäunt, auf
dem die vielen Stationen für das Gelassenheitstraining
ihren Platz haben. Mit viel
Liebe zum Detail wurden die verschiedenen
Hindernisse errichtet und animieren den
Betrachter zum Nachbau. Relativ schnell
lassen sich die Voraussetzungen der offiziellen
GHP-Aufgabe „Plane überqueren“
schaffen. Hierfür wird eine Plane aus reiß-
festem Material mit einer Größe von ca. 3,5 x
3,5 m auf den Boden gelegt. Das Pferd soll
so darüber geführt werden, dass der
Führende nicht vor das Pferd gerät.
Großes Vertrauen zum Reiter verlangt
auch das Überqueren einer Brücke ab. Die
Brücke von Werner Heitgreß basiert auf
stabilen Paletten, auf die massive Holzbretter
aufgenagelt wurden. Mit Kanthölzern in
Bauweise eines Handlaufs wurde das Hindernis
zudem seitlich begrenzt. Ein Wall
mit Stufen aus Eisenbahnschwellen verlangt
dem Pferd einiges an Geschick ab, um
nicht ins Stolpern zu kommen.
Ein weiteres Element des Geschicklichkeits-Parcours
auf dem Hof Heitgreß ist das
Tor, welches vom Pferd aus zu öffnen sowie
nach dem Passieren wieder zu schließen ist.
Ein Hindernisständer mit einem an der
Spitze befestigtem Regenschirm sowie daran
befestigten Flatterbändern muss vom
Pferd ruhig umrundet werden. Natürlich
fehlt auch der berüchtigte „Rappelsack“
nicht, der sich am besten aus einem mit leeren
Konservendosen gefüllten Jutesack basteln
lässt. Er wird von einem Helfer an einem
Band direkt hinter dem Pferd über
den Boden gezogen.
Schnell errichten lässt sich auch der sogenannte
Kreuzgang. Bei diesem Hindernis
wird aus Hindernisstangen ein Quadrat gelegt.
Die Stangen werden dabei so gelegt,
dass sie sich kreuzen, also zwei Stangen erhöht
zum Liegen kommen. Der Führende
führt das Pferd diagonal über dieses Hindernis,
sodass das Pferd über die sich kreuzenden
Stangen treten muss.
Für weitergehende Informationen ist ein
Besuch der Seiten hannoveraner.com sowie
pferd-akuell.de lohnenswert. Auf letztgenannter
Seite der FN kann auch eine Informationsbroschüre
„GHP“ angefordert bzw.
heruntergeladen werden.
Entertainer steht übrigens zum Verkauf.
Wer auf der Suche nach einem vielseitigen,
gut erzogenen und vor allem auch gelassenen
Freizeit- und Sportpartner ist, sollte
sich den Wallach unbedingt ansehen.
Text und Fotos: Julia Würzburg
pferdesport bremen 5•2012