05.02.2019 Aufrufe

1_2013_SuchtMagazin

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Historischer Überblick | Internationale Perspektiven | Ethische Refl exionen | Substitution im Alter |<br />

NaSuKo <strong>2013</strong> | Rechtliche Bestimmungen in verschiedenen Ländern | Behandlungsempfehlungen der SSAM |<br />

Substitution in der Behandlungskette | Substitution im Gefängnis | Methadonabgabe in den K&A |<br />

1|<strong>2013</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

4 Substitutionsgestützte Behandlung:<br />

Ein historischer Überblick<br />

Ruedi Stohler<br />

7 Eine Reise nach Genf – Tagungsbericht zur 3. NaSuKo<br />

Luis Falcato<br />

11 Heroingestützte Behandlung heute und die<br />

Substitutionsbehandlung der Zukunft<br />

Michael Krausz, Johannes Strasser<br />

14 Ethische Überlegungen zur<br />

substitutionsgestützen Behandlung<br />

Andreas Bachmann<br />

19 Rechtliche Aspekte der Substitutionsbehandlung<br />

Olivier Guillod<br />

23 Substitutionsgestützte Behandlung<br />

in der Grundversorgung<br />

Hans Gammeter, Daniel Meili<br />

27 Substitution in der Behandlungskette<br />

Thilo Beck<br />

30 Substitution im Alter<br />

Regula Hälg, Kenneth M. Dürsteler-MacFarland<br />

35 Substitutionsbehandlung im Gefängnis<br />

Bidisha Chatterjee<br />

38 Methadonabgabe in den K&A<br />

Regine Hoffmann, Ines Bürge<br />

42 Fotoserie<br />

Ethan Oelman<br />

44 Neue Bücher<br />

45 Veranstaltungen<br />

47 Newsfl ash<br />

Bilder dieser Ausgabe<br />

Ethan Oelman<br />

(Jg. 1964), lebt und arbeitet in Zürich. www.ethan-oelman.com<br />

Anzeige


Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Impressum<br />

Erscheinungsweise:<br />

6 Ausgaben pro Jahr<br />

39. Jahrgang<br />

Druckauflage: 1’400 Exemplare<br />

Kontakt: <strong>SuchtMagazin</strong>,<br />

Redaktion, Konstanzerstrasse 13,<br />

CH-8280 Kreuzlingen,<br />

Telefon +41 (0)71 535 36 14,<br />

info@suchtmagazin.ch,<br />

www.suchtmagazin.ch<br />

Herausgeber: Infodrog, Eigerplatz 5,<br />

Postfach 460, CH-3000 Bern 14<br />

Abonnemente:<br />

Infodrog, Telefon +41 (0)31 376 04 01,<br />

abo@suchtmagazin.ch<br />

Inserate: www.suchtmagazin.ch/<br />

mediadaten.pdf<br />

Inserateschluss Ausgabe 2|<strong>2013</strong>:<br />

25. März <strong>2013</strong><br />

Redaktionsleitung: Marcel Krebs<br />

Redaktionskomitee:<br />

Toni Berthel, Richard Blättler, Corinne<br />

Caspar, Simon Frey, Marianne König,<br />

Corina Salis Gross, Sandra Wüthrich<br />

Gestaltung dieser Nummer:<br />

Thilo Beck, Regula Hälg, Marcel Krebs,<br />

René Stamm<br />

Lektorat: Marianne König,<br />

Gabriele Wolf<br />

Layout: Roberto da Pozzo<br />

Druck: SDV GmbH,<br />

D-66793 Saarwellingen<br />

Vertrieb: Stiftung Wendepunkt,<br />

CH-4665 Oftringen<br />

Jahresabonnement:<br />

Schweiz CHF 90.–, Europa € 75.–,<br />

Kollektivabonnement ab 5 Stück<br />

CHF 70.–, Schnupperabonnement<br />

(3 Ausgaben) CHF 30.–, Europa € 25.–<br />

Einzelnummer:<br />

Schweiz CHF 18.–, Europa € 13.–<br />

Kündigungsfrist:<br />

1 Monat, Kündigung jeweils auf Ende<br />

Kalenderjahr<br />

In Genf hat am 18./19. Oktober 2012 die dritte nationale und internationale Substitutionskonferenz<br />

NaSuKo stattgefunden (Präsentationen unter www.nasuko3.ch). Ein guter Anlass,<br />

sich in einer Ausgabe des <strong>SuchtMagazin</strong> dem Thema der Substitutionsgestützten Behandlung<br />

(SGB) zu widmen, die Entwicklungen der letzten zehn Jahre Revue passieren zu lassen und die<br />

zukünftigen Herausforderungen zu skizzieren.<br />

In dieser Ausgabe werden zentrale Themen, die anlässlich der NaSuKo in den Referaten und<br />

Workshops diskutiert wurden, von verschiedenen AutorInnen vertieft. Die Gelegenheit für<br />

einen Überblick zum Inhalt der NaSuKo fi ndet sich im Beitrag von Luis Falcato. Zum<br />

inhaltlichen Leitthema der NaSuKo, den rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen und<br />

ihrem Einfl uss auf die Gestaltung der substitutionsgestützten Behandlung liefert Andreas<br />

Bachmann in seinem Beitrag aus ethischer Sicht grundsätzliche Überlegungen zur Behandlung<br />

bei Opioidabhängigkeit. Das aufgrund ethischer Grundsätze abgeleitete Recht auf Behandlung<br />

ist in der Schweiz für opioidabhängige Personen jedoch nicht überall und gleichermassen<br />

gewährleistet, wie auch der Zugang zur heroingestützten Behandlung nicht in allen Regionen<br />

der Schweiz besteht. Die von Olivier Guillod durchgeführte staatsrechtliche Studie weist<br />

darüber hinaus auch auf grosse und rational nicht begründbare Ungleichheiten in den<br />

untersuchten Ländern Schweiz, Belgien, Frankreich und Québec hin.<br />

Nebst dem Recht auf Behandlung betonen Bachmann und Guillod insbesondere das Recht auf<br />

Selbstbestimmung. Welche Unterstützung ist zu leisten, wenn diese Personen in ihrer<br />

Autonomie eingeschränkt sind? Und wer bestimmt, wann und in welchem Ausmass die<br />

Autonomie eingeschränkt ist? Diese Fragen sind gerade im Hinblick auf die Zunahme der<br />

älteren Personen mit einer Opioidabhängigkeit relevant (Hälg/Dürsteler-MacFarland). Sie<br />

stellen sich aber auch bei der Aufnahme und Sicherstellung von Substitutionsbehandlungen<br />

im Gefängnis (Chatterjee).<br />

Die an der NaSuKo vorgestellten überarbeiteten Behandlungsempfehlungen für<br />

substitutionsgestützte Behandlung der Schweizerischen Fachgesellschaft für Suchtmedizin<br />

(SSAM) geben einen Überblick über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

(Gammeter/Meili). Die Empfehlungen sollen als Leitplanken zur Umsetzung dieser<br />

Erkenntnisse in die Behandlungspraxis dienen (Beck).<br />

Im Sinne einer niederschwelligen Suchtarbeit wurde in den Kontakt- und Anlaufstellen in Bern<br />

und Zürich die Methadonabgabe eingeführt (Hoffmann/Bürge). Dies erleichtert den Zugang zu<br />

Drogenabhängigen, die sich noch in keiner Substitutionsbehandlung befi nden.<br />

Die zeitgleiche Durchführung mit dem Troisième colloque international francophone sur le<br />

traitement de la dépendance aux opioïdes TDO ermöglichte einen Einblick in die<br />

Behandlungspraxis opioidabhängiger Personen in frankophonen Ländern, mit einem<br />

anregenden Austausch über good practice und die erforderlichen Strukturen und<br />

Rahmenbedingungen. Die Initiative für die zweijährlich stattfi ndenden Treffen TDO kommt<br />

aus Belgien, Kanada, Frankreich und der Schweiz. Nach den beiden ersten Treffen in Montreal<br />

(2008) und Paris (2010) konnten bei dieser dritten Konferenz in Zusammenarbeit mit dem<br />

Netzwerk MedNET der Pompidou Gruppe (e ine Dienststelle des Europarates zur Bekämpfung<br />

der Drogenprobleme) auch Teilnehmende aus Algerien, Ägypten, Jordanien, Libanon, Marokko<br />

und Tunesien begrüsst werden. Eine Zusammenfassung über die Beiträge an der TDO sowie<br />

die Präsentationen fi nden sich unter www.tdo3.ch.<br />

Die Weiterentwicklung der SGB stellt auch für uns in der Schweiz eine ständige<br />

Herausforderung und eine Verpfl ichtung unseren PatientInnen und KlientInnen gegenüber<br />

dar, die wir gerne annehmen.<br />

Als Einstieg in diese Nummer empfehlen wir Ihnen die beiden ersten Artikel. Diese geben einen<br />

Überblick über die SGB aus historischer (Stohler) und internationaler Perspektive (Krausz).<br />

Wir wünschen eine interessierte Lektüre<br />

Thilo Beck, Regula Hälg, René Stamm, Marcel Krebs<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 3


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Substitutionsgestützte<br />

Behandlung:<br />

Ein historischer Überblick<br />

Im folgenden Artikel wird die (vorwiegend) US-amerikanische Geschichte der<br />

Suchtbehandlung bis zur Entdeckung der Substitutionsbehandlung mit Methadon<br />

durch Dole und Nyswander dargestellt. Spezielles Interesse gilt dabei den<br />

Auffassungen der Temperenzler, die dem Prohibitionsgedanken in den USA<br />

zum Durchbruch verhalfen. Auch die psychoanalytische Defekttheorie, die als<br />

vermeintlicher Ausweg aus der Sackgasse zu sehen ist, in die die Prohibition<br />

geführt hatte, wird skizziert. Dreh- und Angelpunkt der kontroversen Theorien<br />

war die Auseinandersetzung um die Abstinenz.<br />

Ruedi Stohler<br />

PD Dr. med., Leitender Arzt, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich,<br />

Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen, Selnaustr. 9, CH-8001 Zürich,<br />

Tel. +41 (0)44 205 58 10, stohler@dgsp.uzh.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Opioidabhängigkeit | Geschichte | Suchtbehandlung |<br />

Einleitung<br />

Substitution und die substitutionsgestützte Behandlung<br />

SGB sind weit verbreitet und gut akzeptiert. Man denke an<br />

den teilweisen Ersatz zuckerhaltiger Getränke durch zuckerlose<br />

oder die Verabreichung von Schilddrüsenhormonen oder<br />

Insulin bei PatientInnen mit ungenügender Eigenproduktion.<br />

Allgemein gesprochen handelt es sich um den Ersatz einer für<br />

ein adäquates Leben unverzichtbaren Substanz oder um den<br />

Austausch eines potentiell ungünstigen Stoffes durch einen<br />

(vermeintlich) weniger schädlichen.<br />

Die opioidgestützte Behandlung (im englischen Sprachraum<br />

meist Opioid Maintenance Treatment, OMT [Opioid-Erhaltungsbehandlungen])<br />

als Sonderfall einer Substitution besteht<br />

in der Schweiz seit 1974, damals allerdings nur für eine kleine<br />

Gruppe. So führte ein sogenannter Beikonsum, der Konsum<br />

von Alkohol beispielsweise, zur Nichtaufnahme resp. zum Ausschluss<br />

aus der Behandlung. Das Gleiche galt, falls weiterhin<br />

Heroin konsumiert wurde oder Termine der psychosozialen<br />

Behandlung nicht eingehalten wurden. Substitutionsbehandlungen<br />

galten als Behandlungen 2. Wahl, da sie die «Sucht an<br />

sich» nicht angingen. Heute betreffen die Differenzen eher die<br />

Form der Behandlung, deren rechtliche Rahmenbedingungen<br />

und deren Anpassung an schon eingetretene oder zu erwartende<br />

Entwicklungen der zu Behandelnden.<br />

Aus der Geschichte der Methadonbehandlung<br />

Die Publikation des Artikels «A Medical Treatment for Heroin<br />

Addiction – A Clinical Trial with Methadone Hydrochloride»<br />

von Vincent Dole und Marie Nyswander im Journal of the American<br />

Medical Association im Jahre 1965 1 war eine Sensation.<br />

Er stellte das damals vorherrschende Dogma, dass nur Entzug<br />

eine adäquate Behandlung der Heroinabhängigkeit sei, zentral<br />

4 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong><br />

und empirisch fundiert in Frage. Zwar waren Dole und Nyswander<br />

nicht die ersten, die, motiviert durch die weitgehende<br />

Erfolglosigkeit von Abstinenzbehandlung, Heroinabhängige<br />

mit Ersatzopioiden zu behandeln begonnen hatten. Aber bis<br />

zu diesem Zeitpunkt waren kaum wissenschaftliche Untersuchungen<br />

darüber publiziert worden. Die Narcotics Clinics der<br />

USA, die Opioidabhängige (allerdings vorwiegend Angehörige<br />

der «weissen» Mittelschicht) mit legalem Heroin und Morphin<br />

versorgt hatten, waren bis 1923 alle geschlossen worden. Etwa<br />

25‘000 ÄrztInnen wurden in den USA zwischen 1919 und 1935<br />

wegen Opioidverordnungen an «aktiv» Abhängige angeklagt,<br />

etwa 25‘00 mussten Gefängnisstrafen antreten. 2 Was mit den<br />

PatientInnen geschah, ist weniger klar. Teilweise wurden sie<br />

institutionalisiert, teilweise wurden sie rückfällig. Offenbar<br />

gelang es einem vergleichsweise grossen Teil, heroinabstinent<br />

zu bleiben, allerdings häufi g zum Preise eines «Umstiegs» auf<br />

andere Substanzen. In einer der wenigen Follow-up-Untersuchungen<br />

(hier der New Haven Morphine Maintenance Clinic,<br />

die 1920 geschlossen wurde) fanden Musto und Ramos, dass<br />

das durchschnittliche Todesalter von Ex-InsassInnen 56 Jahre<br />

gewesen sei – 13 Jahre jünger als das Durchschnitts-Todesalter<br />

der «Normalbevölkerung». Dieses Todesalter war vergleichbar<br />

mit demjenigen von nicht heroinabhängigen Angehörigen<br />

niedriger sozioökonomischer Gruppen. Die Todesursache war<br />

selten Drogenkonsum, dagegen häufi g Alkohol, Infektionen,<br />

Suizid und Unfälle. 3 Dabei ist festzuhalten, dass die New Haven<br />

Clinic einerseits speziell gut ausgestattet war und andererseits<br />

eine vergleichsweise gut situierte Abhängigengruppe<br />

bediente. Musto und Ramos waren bei ihrer Analyse auch fast<br />

ausschliesslich auf Todesscheine weisser PatientInnen angewiesen;<br />

die der afro-amerikanischen liessen sich nicht fi nden.<br />

Ihre «Resultate» sind somit vermutlich günstiger als diejenigen<br />

von Durchschnittskliniken.<br />

Nur Abstinenz zählte als Erfolg. Und eine solche liess sich mit<br />

Substitution und Opioidlangzeitbehandlung nicht erreichen. 4<br />

In England dagegen hatte sich die Tradition der Substitution,<br />

wohl aufgrund der grösseren politischen Verankerung der<br />

Ärzteschaft, erhalten. In der Schweiz wären zwar Langzeitbehandlungen<br />

rechtlich möglich gewesen und wurden wohl auch


vereinzelt durchgeführt. Das Problem Opioidabhängigkeit war<br />

aber ein marginales und kam fast nur bei Medizinalpersonen in<br />

Form von Morphinismus vor.<br />

Abstinenz – Kern- und Angelpunkt der Debatte<br />

Die ProtagonistInnen von Substitutionsbehandlungen<br />

mussten ihre Therapie somit vor allem gegen die damals vorherrschende<br />

Abstinenzideologie verteidigen. Letztere entwickelte<br />

sich in den USA aus «radikalen» Strömungen der Temperenzlerbewegung<br />

(eigentlich «Mässigungsvereinigung»)<br />

und die angeblich anzustrebende Abstinenz umfasste alle psychotropen<br />

Stoffe, allen voran den Alkohol. Wie einer ihrer «opinion<br />

leaders» 1877 schrieb, laste ein Fluch auf der Menschheit,<br />

gegen den es nur Abstinenz auf individueller und Prohibition<br />

auf Staatsebene gäbe. 5<br />

Die Neuformulierung des Abstinenzparadigmas<br />

nach dem Scheitern der Prohibition<br />

Das Scheitern der Alkoholprohibition wurde bis zum Jahre<br />

1920 offensichtlich. Das Postulat nach Abstinenz aller Menschen<br />

musste revidiert werden, zumindest in Bezug auf Alkohol.<br />

Was folgte, war die sogenannte Defekttheorie, die speziell<br />

unter PsychoanalytikerInnenn beliebt war. Gemäss der Defekttheorie<br />

waren ab nun die weniger mit psychischen Störungen<br />

Belasteten in der Lage, adäquat mit Alkohol umzugehen. Hingegen<br />

litten die kompulsiven DrogengebraucherInnen unter<br />

einer zentralen Schwäche, unter einer Schwäche im Kern ihrer<br />

Persönlichkeit. Sie litten unter einem «Selbstdefekt». 6 Nur unter<br />

Einhaltung von Abstinenz sei es möglich, die der Abhängigkeit<br />

zugrunde liegende narzisstische Störung zu «bearbeiten».<br />

7 Die Lehrmeinung in der Schweiz war eine ähnliche. Ich<br />

kann mich gut an die Äusserung eines in der Schweiz führenden<br />

Professors für Kinder- und Jugendpsychiatrie erinnern, der<br />

erklärte, dass der Protest von Jugendlichen, der sich teilweise<br />

in Heroinkonsum äussere, nicht pharmakologisch mit Methadon<br />

zugedeckt werden dürfe.<br />

Die metabolische Theorie der Abhängigkeit<br />

Als Dole und Nyswander in den frühen 1960er Jahren in<br />

New York mit Opioid-Ersatzbehandlungen für Heroinabhängige<br />

zu experimentieren begannen, glaubten sie feststellen<br />

zu können, dass Erhaltungsbehandlungen mit kurzwirksamen<br />

Opioiden (vorwiegend Morphin und Heroin) fast unmöglich<br />

seien. «Die Dosen mussten laufend erhöht werden und ich<br />

war gezwungen, rund um die Uhr Rezepte zu schreiben. Die<br />

PatientInnen waren nicht zufrieden, schauten immer wieder<br />

auf ihre Uhren, waren entzügig und dann wieder intoxikiert<br />

und höchstens für kurze Zeit, vielleicht eine Stunde, zufrieden.<br />

Sie zogen sich nicht an und hatten kein anderes Ziel als den<br />

nächsten Schuss.» Dieses Verhalten änderte sich dramatisch,<br />

als Dole und Nyswander Methadon einzusetzen begannen. Die<br />

PatientInnen standen auf, zogen sich an, hörten auf, sich um<br />

Drogen zu sorgen und begannen, in Abendschulen zu gehen. 8<br />

Diese Beobachtungen führten Dole zur Formulierung seiner<br />

«metabolischen Theorie der Opioidabhängigkeit». Gemäss<br />

dieser Theorie sei die «neurologische Basis» der Sucht eine<br />

Störung der endogenen «Liganden-Rezeptor-Funktion», deren<br />

Wesen und Ursache zwar noch nicht klar sei, und optimal<br />

dosiertes Methadon könne diese Störung korrigieren. Dass<br />

die Narcotics Clinics gescheitert seien, liege vor allem daran,<br />

dass die falschen Opiate (Morphin, Heroin) verwendet worden<br />

seien. Wichtig sei eine konstante Besetzung der Opiatrezeptoren,<br />

die mit kurzwirksamen Opiaten nicht zu erreichen sei.<br />

Personen, die konstante Dosen von Methadon über Monate<br />

bis Jahre eingenommen hätten, seien ununterscheidbar von<br />

normalen Altersgenossen. Trotz täglicher hoher Dosen, die


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

bei Nicht-Toleranten ein Koma induzierten, seien sie normal<br />

alert und funktional; sie lebten ein aktives Leben, nähmen<br />

verantwortungsvolle Jobs ein, hätten Erfolg in der Schule,<br />

kümmerten sich um ihre Familien, hätten ein funktionierendes<br />

Sexualleben und normale Kinder und seien nicht häufi ger von<br />

Psychopathologien oder anderen medizinischen Problemen<br />

betroffen als deren drogenfreie KollegInnen. 9 Dass Dole und<br />

Nyswander zu solchen Schlüssen kamen, hatte sicher auch<br />

damit zu tun, dass sie eine hochselektionierte Gruppe Monoabhängiger<br />

in einem mit grossem Enthusiasmus verfolgten<br />

klinischen Versuch behandelten. Und möglicherweise waren<br />

die verabreichten Heroin- und Morphindosen ungenügend.<br />

Haltbares und Unhaltbares<br />

Heute, nach entsprechenden Versuchen in der Schweiz,<br />

Deutschland, den Niederlanden, Spanien und zuletzt in Kanada,<br />

wird eine Heroin-Erhaltungsbehandlung in einigen Ländern<br />

als optimale Behandlung für PatientInnen angesehen, die<br />

nicht von «traditionelleren» Behandlungsformen profi tieren<br />

können.<br />

Die Auseinandersetzung um die «richtige» Substitutionssubstanz<br />

soll hier als Beispiel dienen für die historische und<br />

kontextuelle Bedingtheit unserer Erkenntnisse in der Suchtbehandlung<br />

und darauf hinweisen, dass auch zukünftig Debatten<br />

und Untersuchungen nötig sind. Das heisst nicht, dass<br />

Substitutionsbehandlungen an sich zu hinterfragen seien.<br />

Diese haben ihre Effektivität weltweit bewiesen und auch in<br />

der Schweiz konnte gezeigt werden, dass die Drogenmortalität<br />

parallel zu deren Ausweitung sank. 10 Zudem hat sie die<br />

Reduktion der Inzidenz der Heroinabhängigkeit vermutlich<br />

mitbedingt, zumindest aber nicht verhindert. 11 Der Rückgang<br />

der Inzidenz drückt sich auch aus im zunehmenden Alter derjenigen,<br />

die in solchen Behandlungen stehen.<br />

Zur Situation in den Gefängnissen<br />

Es ist hier darauf hinzuweisen, dass Substitutionsbehandlungen<br />

in Gefängnissen nach wie vor vielfach nicht optimal<br />

sind. So wurde beispielsweise bis vor kurzem in Luzerner Gefängnissen<br />

Methadon nicht zugelassen, in Zürcher Gefängnissen<br />

ist demgegenüber Buprenorphin noch immer nicht<br />

erlaubt. Vielfach wird Personal des Justizvollzugs zur Verabreichung<br />

der Substitutionsmedikation eingesetzt. Eine solche<br />

Vorgehensweise verletzt das Recht auf Geheimhaltung und<br />

kann absichtlich oder nicht zu Stigmatisierungen oder sogar<br />

zu Erpressungen führen. Dabei ist unbestritten, dass Sachzwänge,<br />

wie sie von Chatterjee 12 beschrieben werden, einer<br />

lege artis durchgeführten Behandlung entgegenstehen und<br />

nicht korrekt durchgeführte Opioiderhaltungsbehandlungen<br />

besser sind als keine. Die Missstände sind aber einschneidend<br />

und müssen beseitigt werden.<br />

Hausärztemangel<br />

Auf das Problem des voraussehbaren Hausärztemangels<br />

machen Gammeter und Meili 13 aufmerksam. Hausärzte sind<br />

die HauptakteurInnen auf dem Substitutionsfeld. Die von ihnen<br />

als eine Gegenmassnahme verlangte verbesserte Entlohnung<br />

von Substitutionsbehandlung ist ein richtiges und wichtiges<br />

Postulat.<br />

In den USA mit ihrem chronischen Mangel an «treatment<br />

slots» (Behandlungsplätzen) wurden teilweise sogenannte<br />

«interim methadone maintenance treatments» (interimistische<br />

Methadonsubstitutionsbehandlungen) erprobt. Diese<br />

unterscheiden sich im Wesentlichen von regulären Behandlungen<br />

durch den Wegfall der psychosozialen Betreuung und<br />

das Verordnen von Einheitsdosen. 14 Behandlungsergebnisse<br />

sind nicht schlechter als die von regulären «Programmen».<br />

Diese und ähnliche Resultate wissenschaftlicher Untersuchungen<br />

betonen eine in vielen Artikeln geäusserte Kritik an<br />

administrativen und inhaltlichen Aufl agen, die teilweise nicht<br />

evidenzbasiert sind und Behandlungshürden darstellen. Bis<br />

zu einem gewissen Grad lässt sich das für die in den meisten<br />

Kantonen vorgeschriebene psychosoziale Behandlung sagen,<br />

die nicht immer segensreich ist. 15 Offensichtlich drängt sich<br />

eine differenziertere Evaluation der black-box «psychosoziale<br />

Betreuung/Behandlung» auf. Möglicherweise ist obligatorische<br />

Teilnahme an beispielsweise kognitiv-behaviouralen<br />

Gruppenpsychotherapiesitzungen eher ungünstig, wohingegen<br />

eine Unterstützung bei der Wohnungssuche vermutlich<br />

meist günstige Auswirkungen haben dürfte..<br />

Literatur<br />

Amato, L./Minozzi, S./Davoli, M./Vecchi, S. (2011): Psychosocial<br />

combined with agonist maintenance treatments versus<br />

agonist maintenance treatments alone for treatment of opioid<br />

dependence. Cochrane Database System Review 2011: CD004147.<br />

Arthur, T.S. (1877): Grappling with the Monster.<br />

www.tinyurl.com/awooxxh, Zugriff 07.01.<strong>2013</strong>.<br />

Berridge, V. (2009): Heroin prescription and history. New England<br />

Journal of Medicine 361(8): 820-821.<br />

Courtwright, D. T./Nyswander, M. (1977): The prepared mind. Methadone<br />

maintenance, and the metabolic theory of addiction. Addiction 92:<br />

257-265.<br />

Dole, V. (1988): Implications of Methadone Maintenance for Theories of<br />

Narcotic Addiction. JAMA 260: 3025-3029.<br />

Dole, V.P./Nyswander, M.A. (1965): Medical treatment for<br />

diacetylmorphine (heroin) addiction: a clinical trial with<br />

methadone hydrochloride. JAMA 193: 646-650.<br />

Kleber, H.D. (2008): Methadone Maintenance. Four Decades Later.<br />

Thousands of Lives Saved But Still Controversial. JAMA 300: 2303-<br />

2305.<br />

Kohut, H. (1977): Preface. In: NIDA (eds.): Psychodynamics of Drug<br />

Dependence. Research Monograph 11. Washington D. C. www.<br />

tinyurl.com/aoy4f5x, Zugriff 12.02.<strong>2013</strong>.<br />

Musto, D.F/Ramos M.R. (1981): Notes on American medical history: a<br />

follow-up study of the New Haven morphine maintenance clinic of<br />

1920. The New England Journal of Medicine 304(18): 1071-1077.<br />

Nordt, C./Stohler, R. (2006): Incidence of heroin use in Zurich,<br />

Switzerland: a treatment case register analysis. Lancet 367: 1830-<br />

1834. Erratum in: Lancet 368: 118.<br />

Nordt, C./Stohler, R. (2009): Low-threshold methadone treatment,<br />

heroin price, police activity and incidence of heroin use: the Zurich<br />

experience. International Journal of Drug Policy 20: 497-501.<br />

Schwartz, R.P./Kelly, S.M./O‘Grady, K.E./Gandhi, D./Jaffe, J.H. (2012):<br />

Randomized trial of standard methadone treatment compared<br />

to initiating methadone without counseling: 12-month fi ndings.<br />

Addiction 107: 943-952.<br />

Endnoten<br />

1 «Eine medizinische Behandlung für Heroinabhängigkeit – ein<br />

klinischer Versuch mit Methadonhydrochlorid» Vgl. Dole/<br />

Nyswander 1965.<br />

2 Vgl. Musto/Ramos 1981.<br />

3 Vgl. Kleber 2008.<br />

4 Vgl. ebd.<br />

5 «The curse is upon us and there is but one cure: abstinence for the<br />

individual and prohibition for the state». Vgl. Arthur 1877.<br />

6 «... the affl icted individual suffers from a central weakness, from<br />

a weakness in the core of his personality. He suffers from the<br />

consequences of a defect in the self». Vgl. Kohut 1977: vii.<br />

7 Vgl. Kohut 1977.<br />

8 Vgl. Courtwright 1977.<br />

9 Vgl. Dole 1988.<br />

10 Vgl. Nordt/Stohler 2009.<br />

11 Vgl. Nordt/Stohler 2006.<br />

12 Vgl. den Artikel von Chatterjee in dieser Ausgabe.<br />

13 Vgl. den Artikel von Gammeter und Meili in dieser Ausgabe.<br />

14 Vgl. Schwartz/Kelly et al. 2012.<br />

15 Vgl. Amato/Minozzi et al. 2011.<br />

6 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Eine Reise nach Genf –<br />

Tagungsbericht zur 3. NaSuKo<br />

Namhafte ReferentInnen zeichneten an der Nationalen und Internationalen<br />

Substitutionskonferenz NaSuKo die Herausforderungen in der Drogenpolitik<br />

der letzten 25 Jahre nach und zeigten aus eigener Erfahrung auf, wie sie<br />

erfolgreich bewältigt werden konnten. Es wurde diskutiert, wie diese<br />

Errungenschaften angesichts eines im Drogenbereich bevorstehenden<br />

Generationenwechsels bewahrt werden können und aktuelle Themen<br />

besprochen: die gegenwärtige internationale wissenschaftliche Evidenz<br />

ebenso wie ethische Aspekte und offene Fragen im Zusammenhang mit der<br />

Behandlung von Störungen durch Opioide und andere Substanzen.<br />

Luis Falcato<br />

Lic. Phil. I., Arud Zentren für Suchtmedizin,<br />

Konradstrasse 32, CH-8005 Zürich, Tel. +41 (0)58 360 50 50, l.falcato@arud.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Drogenpolitik | Substitution | Opioidabhängigkeit |<br />

«Eine Reise nach Genf» heisst nicht nur ein Kriminalroman,<br />

der sich um die Ermordung eines Politikers dreht und<br />

sich an reale Ereignisse anlehnt. 1 Eine solche Reise musste<br />

auch antreten, wer am vergangenen 18./19. Oktober 2012 an<br />

der – im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG organisierten<br />

– Nationalen und Internationalen Substitutionskonferenz<br />

(NaSuKo) teilnahm, die nach 2001 und 2007 erstmals im<br />

internationalen Konferenzzentrum Genf stattfand.<br />

Die Veranstaltung hob sich durch eine verstärkt internationale<br />

Ausrichtung von den vorangegangenen ab: Neben der<br />

Ausstrahlung der Stadt Genf, die als Sitz vieler internationaler<br />

Institutionen sinnbildlich steht für eine weltumspannende<br />

Perspektive, zeigte sich dies auch schon an der Hinzufügung<br />

«International» im Titel. Insbesondere aber war die Einbettung<br />

der Konferenz in das jährliche Meeting der internationalen<br />

Gesellschaft für Suchtmedizin ISAM und das «Colloque<br />

international francophone du traitement de la dépendance<br />

aux opioides» TDO, die parallel durchgeführt wurden – eine<br />

organisatorische Leistung. Beste Voraussetzungen für den die<br />

Länder- und Sprachgrenzen übergreifenden Austausch, von<br />

den zahlreich erschienenen Teilnehmenden rege genutzt.<br />

Ein zentrales Thema dieser Tagung war die Drogenpolitik,<br />

deren Geschichte der vergangenen 25 Jahre – in der Schweiz,<br />

wie auch in anderen Ländern – durchaus als Skript für einen<br />

Politthriller herhalten würde. So mein Eindruck aus den facettenreichen<br />

Rückschauen, die verschiedene namhafte ReferentInnen<br />

in farbigen und engagierten Referaten präsentierten,<br />

wie bspw. Ruth Dreifuss, Altbundesrätin und heutiges Mitglied<br />

der Global Commission on Drug Policy, 2 Thomas Zeltner, ehemaliger<br />

Direktor des Bundesamtes für Gesundheit BAG, Thomas<br />

Kessler, ehemaliger Drogendelegierter und Integrationsbeauftragter<br />

des Kantons Basel Stadt, David Nutt, Professor<br />

für Neuropsychopharmakologie und ehemaliger Berater der<br />

Englischen Regierung, der Suchtmediziner und Vorsitzende<br />

der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, Markus Backmund,<br />

der aus Deutschland stammende Professor für Psychiatrie,<br />

Epidemiologie und Public Health Michael Krausz, heute<br />

Leiter der Suchtforschung in British Columbia (Kanada) oder<br />

SSAM-Präsident Robert Hämmig.<br />

Erfolgreiche Schweizer Drogenpolitik<br />

In ihren Ergebnissen kann die Schweizer Drogenpolitik als<br />

Erfolgsstory gewertet werden. Es wurde viel erreicht, speziell<br />

was die medizinische Substitutionsbehandlung Heroinabhängiger<br />

betrifft: 3 namentlich die heroingestützte Behandlung. 4 In<br />

den Präsentationen waren als Illustrationen auffällig häufi g,<br />

so schien mir, Bergmotive zu sehen, sei es aus den Schweizer<br />

Alpen, Quebec oder Bayern; ästhetische Genüsse für das Publikum,<br />

aber auch passende Metaphern: Dürften so manchen ihre<br />

Aufgaben im Drogenbereich im übertragenen Sinne wie eine<br />

Herausforderung erscheinen, Berge zu bezwingen oder gar zu<br />

versetzen. Sei es in der Behandlung und Betreuung von Drogenkonsumierenden,<br />

sei es bei der Überzeugungsarbeit in der<br />

Gesellschaft, betreffend der öffentlichen Meinung in der Bevölkerung<br />

oder unter EntscheidungsträgerInnen in Politik und<br />

Verwaltung. Mir kam dabei auch die Assoziation des Steins aus<br />

der griechischen Mythologie, der ohne kontinuierlichen Krafteinsatz<br />

sogleich wieder den Hang hinunterrollt und Albert Camus‘<br />

philosophischer Essay über die Absurdität des Daseins,<br />

angesichts derer nur über die Revolte zur Selbstverwirklichung<br />

gefunden werden kann. 5 Hierzu durfte ich in diesen zwei Tagen<br />

von «erfahrenen KämpferInnen» lernen, dass es neben wissenschaftlicher<br />

Evidenz und Fachkenntnissen vor allem auch<br />

Mut und Optimismus braucht, um Fortschritte zu erzielen.<br />

Mut und Optimismus sind nicht bei allen gleich ausgeprägt;<br />

Die Geschichte der Schweizer Drogenpolitik wurde auch durch<br />

herausragende Persönlichkeiten gestaltet, ohne deren Wirken<br />

sie wohl anders verlaufen wäre.<br />

Generationenwechsel und Herausforderung<br />

Ich habe mich gefragt, ob die verstärkte internationale Perspektive<br />

ein Ausdruck der gegenwärtigen drogenpolitischen<br />

Situation in der Schweiz sein könnte, die sich, nach Jahren in<br />

der Vorreiterrolle, während derer «die ganze Welt» auf un-<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 7


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

ser Land blickte, gegenwärtig in einem Neuorientierungsprozess<br />

befi ndet und dafür wieder verstärkt «in die Welt hinaus»<br />

schaut, wo inzwischen andere Länder als Pioniere auszumachen<br />

sind (z. B. Portugal). 6<br />

Es ist zu hoffen, dass es gelingen wird, hierzulande einen<br />

fruchtbaren Boden für das Nachwachsen mutiger und optimistischer<br />

ProtagonistInnen zu schaffen. Die anwesenden<br />

ExpertInnen waren sich darüber einig, dass in der Schweiz<br />

für den Drogenbereich in der Gesundheitsversorgung und der<br />

Politik ein genereller Generationenwechsel bevorsteht, dass<br />

dieser potenziell zu strukturellen Versorgungslücken sowie<br />

einem Verlust von konzeptuellem und praktischem Wissen<br />

und Errungenschaften führen könnte und dass dieses Problem<br />

proaktiv anzugehen sei.<br />

Für mich war die Beschäftigung mit solchen Fragen sehr<br />

befruchtend. Planungsbezogene Überlegungen – wie viele welcher<br />

Angebote es geben solle, wie sie auszugestalten und zu<br />

fi nanzieren seien, wie sie zusammenspielen sollten – erschienen<br />

mir eher im Hintergrund. Dies widerspiegelt wohl auch die<br />

komplexen schweizerischen Rahmenbedingungen, die durch<br />

eine Vielzahl von AkteurInnen, föderale Strukturen sowie eine<br />

Verfl echtung staatlicher Planung und Steuerung mit wettbewerblichen,<br />

privatwirtschaftlichen Elementen gekennzeichnet<br />

sind. In den verschiedenen Angeboten ist die Substitutionsbehandlung<br />

mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden,<br />

z. B. in der Hausarztpraxis 7 oder in den Kontakt- und<br />

Anlaufstellen. 8<br />

Es wurde auch klar, dass selbst auf so kleinem Raum wie<br />

in der Schweiz immer noch grosse regionale Unterschiede bestehen.<br />

Sowohl bei den vorhandenen Versorgungsstrukturen<br />

(z. B. Injektionsräume, Spritzenabgabe im Gefängnis), als auch<br />

in den Lösungsansätzen für die anstehenden Aufgaben. In der<br />

Frage der Nachwuchsförderung hatte ich z. B. den Eindruck,<br />

dass ein Teil der Anwesenden, wohl mehrheitlich deutschsprachige,<br />

einen Ansatz favorisierte, der dem Einbezug der Vereinigungen<br />

von Suchtfachleuten (z. B. Netzwerk Praxis Suchtmedizin,<br />

9 Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM, 10<br />

Fachverband Sucht 11 etc.) und der Vernetzung eine wichtige<br />

Rolle zuweist. Ein anderer Ansatz – tendenziell eher von frankophoner<br />

Provenienz – baut eher auf eine Stärkung universitärer<br />

Strukturen (z. B. Lehrstühle und Curricula für Suchtmedizin).<br />

Recht auf Behandlung als Ausdruck sozialer<br />

Gerechtigkeit<br />

Es wurde intensiv über Ethik und über Rechte gesprochen:<br />

Kann es ein Recht auf Gesundheit überhaupt geben oder sollte<br />

es nicht eher Recht auf Behandlung heissen? Welche Rechte<br />

sind unverlierbar, welche nicht, was bedeutet Autonomie und<br />

welcher Wert kommt ihr zu? 12 Für mich war eine gegenseitige<br />

Bestätigung und gemeinsame Bestärkung in einer grundsätzlich<br />

liberalen, humanistischen Grundhaltung unter den<br />

Teilnehmenden zu spüren. Der Umgang mit Drogen (abhängigen)<br />

ist jedoch typischerweise fast zwangsläufi g durch<br />

Ambivalenzen und Dilemmas gekennzeichnet: So erscheint<br />

die ethische Überlegung eines (unverlierbaren?) Rechts auf<br />

soziale Gleichheit vernünftig. Gleichzeitig hat die Erfahrung<br />

gezeigt, dass Gleichbehandlung im Sinne eines «One size fi ts<br />

all»-Vorgehens kein erfolgreiches Konzept ist, weder politisch<br />

noch therapeutisch. Oder wie Thomas Babor in seiner Review<br />

zur Auswirkung der Drogenpolitik auf die öffentliche Gesundheit<br />

für die Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse in<br />

effektive Drogenpolitik schlussfolgert: «There is no single drug<br />

problem within or across societies; neither is there a magic<br />

bullet that will solve the drug problem». 13<br />

Vielversprechender dürfte es sein, möglichst auf die individuellen<br />

und lokalen Verhältnisse und Problemlagen abgestimmte<br />

Vorgehensweisen zu wählen. Hinsichtlich des therapeutischen<br />

Angebots gäbe es ein gemeinsames Ziel: einen guten Zugang<br />

für alle Menschen zu qualitativ hochwertigen Behandlungen<br />

und die Wahlfreiheit zwischen sinnvollen Alternativen (inkl.<br />

Verzicht auf Behandlung) zu gewährleisten. Solche Forderungen<br />

liessen sich für Medizin und Soziale Arbeit im Allgemeinen<br />

erheben, sie sind jedoch gerade im Drogenbereich keine<br />

Selbstverständlichkeit: Gemäss einer kürzlich erschienenen<br />

Analyse neoliberaler Metaphern im wirtschaftspolitischen<br />

Diskurs 14 herrsche allseits Angst vor explodierenden Gesundheitskosten<br />

und verbreitete Ablehnung von Menschen in der<br />

sozialen Hängematte mit Vollkasko-Mentalität. Zwar «zeigt<br />

eine Gesellschaft ihr Antlitz im Umgang mit ihren schwächsten<br />

Mitgliedern», 15 so die Autoren – in unserem Zusammenhang<br />

könnte dies vielleicht auf Drogenkonsumierende im Alter 16<br />

oder in Gefängnissen 17 verweisen, – jedoch trifft auch die Kritik<br />

von Sebastian Friedrich zu, dass «zu verdeutlichen wäre, wie<br />

diese und andere Gruppen zu Schwachen gemacht werden, um<br />

nicht die Deutung weiterzutragen, dass sie schwach sind.» 18<br />

Womit ich wieder bei der Politik angelangt wäre.<br />

Politik heisst, dass Entscheide aufgrund von Machtverhältnissen,<br />

Interessen und Überzeugungen ausgehandelt werden.<br />

Sie ist somit immer auf Interpretation und Bewertung angewiesen,<br />

auch wenn sie sich auf empirische, wissenschaftliche<br />

Evidenz stützt. Selbst die für die Wissenschaft geforderte Wertefreiheit<br />

darf angezweifelt werden. 19 Umso wichtiger sind,<br />

wie an dieser Tagung immer wieder betont wurde, die Kommunikation,<br />

das Informieren, die Demontage von Mythen und<br />

Propaganda durch Aufzeigen von Zusammenhängen – respektvolles<br />

Zuhören ebenso wie eine gewinnende Präsentation.<br />

Die neuen Behandlungsempfehlungen<br />

An der Konferenz wurden auch die 2012 frisch überarbeiteten<br />

medizinischen Empfehlungen für substitutionsgestützte<br />

Behandlungen SGB bei Opioidabhängigkeit 2012 der<br />

SSAM vorgestellt. 20 Die aktualisierte und erweiterte Fassung<br />

widerspiegelt den in den vergangenen fünf Jahren gefestigten<br />

Stellenwert der Substitution als Behandlung erster Wahl bei<br />

Opioidabhängigkeit. Die Empfehlungen geben eine umfassende<br />

Darstellung des gegenwärtigen, auf internationaler Evidenz<br />

basierten medizinischen Wissens zu den Grundlagen und<br />

der Durchführung der Behandlung, den verschiedenen zur Auswahl<br />

stehenden Substitutionssubstanzen, sowie speziellen<br />

Behandlungsaspekten und PatientInnengruppen.<br />

Die neuen SSAM-Empfehlungen verdeutlichen ebenfalls, dass<br />

sich die Ergebnisse klinischer Studien nicht gewissermassen<br />

«automatisch», in einer einzig möglichen, zwingenden wissenschaftlichen<br />

Logik, auf den Einzelfall und den klinischen<br />

Alltag im schweizerischen Kontext übertragen lassen. Angesichts<br />

der Komplexität der vielfältigen, kombinierten, gesundheitlichen<br />

und sozialen Problemstellungen bleiben «Leerräume»<br />

zwischen Forschung und (medizinischer/politischer)<br />

Praxis, die es durch plausible Rückschlüsse zu überbrücken<br />

gilt. Dabei kann in der Schweiz auf die Erfahrungen und den<br />

dazugehörenden Diskurs aus über vierzig Jahren zurückgegriffen<br />

werden. Dennoch gibt es noch nicht zu allen Fragen eine<br />

einheitliche Lehrmeinung, z. B. betreffend die Verschreibung<br />

von Benzodiazepinen an Benzodiazepinabhängige. Für diese<br />

Substanzgruppe ist der Substitutionsansatz, trotz naheliegender<br />

Analogien zur Behandlung der Opioidabhängigkeit,<br />

noch ein avantgardistisches Konzept, auch wenn dieses in der<br />

Praxis bereits angewendet wird. 21<br />

8 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Benzodiazepine in der substitutionsgestützten<br />

Behandlung<br />

Im Workshop «Benzodiazepine in SGB: Therapie? Substitution?<br />

Entzug?» (Marc Vogel und Carlo Cafl isch) wurde dieses<br />

Thema vertieft und die dazu vorhandene Forschungsliteratur<br />

vorgestellt. Es wurde aufgezeigt, dass es sich nicht um ein<br />

Randphänomen handelt: Mehr als die Hälfte der Personen in<br />

substitutionsgestützter Behandlung nehmen Benzodiazepine<br />

BZD, ein Grossteil auf ärztliche Verschreibung und etwa die<br />

Hälfte versorgt sich (auch) auf dem Schwarzmarkt. Es gibt dabei<br />

jedoch regionale Unterschiede und Veränderungen über die<br />

Zeit. Bei PatientInnen stosse der Substitutionsansatz teilweise<br />

auf Ablehnung, da sich ihnen der BZD-Gebrauch so mehr als<br />

eine Abhängigkeit präsentiere und weniger als die pharmakologische<br />

Behandlung eines psychischen Problems. Die Frage,<br />

welche BZD-Präparate für die Behandlung am geeignetsten<br />

sind, konnte nicht abschliessend beantwortet werden. Wenn<br />

ich die historische Entwicklung im Bereich der Opioidsubstitution<br />

betrachte, wo sich neben dem Methadon, mit zunehmender<br />

Erfahrung, nach und nach immer mehr alternative<br />

Substitutionsmittel etablierten, über deren optimale Eignung<br />

im Einzelfall entschieden werden muss, hege ich aber auch<br />

grundsätzliche Zweifel, ob sich dies so pauschal beantworten<br />

lässt. Es wurde jedoch klar, dass verschiedene Faktoren auf die<br />

Verschreibungspraxis Einfl uss nehmen: neben den Wünschen<br />

der PatienInnen, wissenschaftlicher Evidenz und klinischen<br />

Erfahrungen ebenso die Regularien, wie z. B. die Ausgestaltung<br />

der Melde- und Rezeptfl icht oder die Limitationen durch die<br />

Krankenkassen. Auch wurden länderspezifi sche Unterschiede<br />

zwischen der Schweiz, Österreich und Deutschland deutlich.<br />

Dabei sehen sich substituierende ÄrztInnen in den Nachbarländern<br />

auch diesbezüglich in einem Masse durch strafrechtliche<br />

Verfahren bedroht, die in der Schweiz unbekannt sind.<br />

Schadensminderung als Haltung<br />

Ein wichtiges Thema wurde im Workshop «Der therapeutische<br />

Effekt von Schadenminderung» von Robert Hämmig<br />

behandelt. Die Schadenminderung (Harm reduction) spielt<br />

eine zentrale Rolle für die schweizerische «Vier-Säulen-Drogenpolitik»,<br />

war es doch die eigentliche innovative Leistung<br />

anfangs der 1990er-Jahre, die bestehende Triade «Prävention<br />

– Repression – Therapie» in diesem Sinne zu ergänzen und<br />

inhaltlich herauszufordern. Um die einfache Kernbotschaft<br />

«Fuck safe – shoot clean» herum entwickelte sich eine zunehmend<br />

elaboriertere alternative Sichtweise zur moralischen<br />

und kriminellen Stigmatisierung und sozialen Ausgrenzung<br />

wie auch zum Krankheitsmodell und zu paternalistischen therapeutischen<br />

Konzepten. Auch nach über zwanzig Jahren gibt<br />

es jedoch verschiedene Ansichten darüber, was darunter zu<br />

verstehen und wessen geistiges Kind sie sei: Eine Basisbewegung<br />

betroffener Personen, um sich gegenseitig Wissen zu vermitteln,<br />

selbst zu befähigen und zu schützen? Ein Standpunkt<br />

aus dem Gesundheitswesen, der die weltweite Drogenpolitik<br />

beeinfl usst? Eine Form von Psychotherapie? Sexualerziehung?<br />

Entkriminalisierung von Drogen? In diesem Zusammenhang<br />

sei auf das Buch von G. Alan Marlatt hingewiesen, in welchem<br />

die Autoren betonen, dass es bei der Schadenminderung mehr<br />

um eine Haltung gehe als um ein fest umrissenes Massnahmenpaket.<br />

Eine humanitäre Haltung, die voraussetzt, dass jedem<br />

Leben vorbehaltslos Würde zusteht, erleichtert es, «sich<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 9


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

im Anderen selbst zu erkennen» und auf dieser Grundlage einfühlende,<br />

pragmatische Herangehensweisen in verschiedenen<br />

Bereichen, wie öffentliche Gesundheit, Prävention, Intervention,<br />

Aufklärung, Unterstützung und Hilfe unter Mitbetroffenen<br />

und Parteinahme zu entwickeln. 22<br />

Gesetzliche Regulierung im Spannungsfeld von<br />

Wissenschaft und Politik<br />

Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik ist ein schwieriges:<br />

Während sich in anderen Bereichen (z. B. Atom-, Gen-,<br />

Nanotechnologie etc.) nach und nach wesentliche Debatten<br />

um die gesellschaftliche Steuerung der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisproduktion und deren Gebrauch entwickeln, 23 ist<br />

im Drogenbereich schon lange ein ausgeprägtes Bedürfnis<br />

nach gesetzlicher Regulierung auszumachen. Eine neue, im<br />

Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG durchgeführte<br />

und am Kongress, von Studienleiter Olivier Guillod erstmals<br />

präsentierte, international vergleichende Untersuchung zur<br />

Gesetzgebung im Bereich Substitutionsbehandlung aus juristischer<br />

Perspektive, zeigt, dass in der Schweiz eine vergleichsweise<br />

sehr dichte, labyrinthisch verschachtelte Regulierung<br />

besteht, die sich auf Substanzen, PatientInnen, Personal und<br />

Behandlungen erstreckt. Auch wenn eine drogenpolitische<br />

Bewertung im Vergleich zu anderen Ländern nicht möglich<br />

erschien, stellte er doch die Frage, ob es sich hier nicht um eine<br />

Überregulierung handle bzw. die Regulierungen zu detailliert<br />

seien. 24 Umgekehrt fi ndet im Drogenbereich der Ruf nach einer<br />

vermehrt wissenschaftlich abgestützten Politik scheinbar weiterhin<br />

ziemlich wenig Gehör – so etwa das Leitbild «Herausforderung<br />

Sucht», 25 das eine kohärente, integrative Suchtpolitik<br />

empfi ehlt, die sich im Umgang mit psychoaktiven Substanzen<br />

am tatsächlichen Schadenspotenzial und der tatsächlichen<br />

Problemlast orientiert, oder die von David Nutt vorgestellte<br />

Multi Criteria Decision Analysis MCDA, eine in England ähnlich<br />

der Delphi-Methode durchgeführte ExpertInnen-Befragung zur<br />

wissenschaftlichen Beurteilung der Schädlichkeit verschiedener<br />

legaler und illegaler Substanzen. 26,27<br />

«Die Strafe für den Gebrauch einer Droge sollte nicht<br />

schädlicher sein als die Droge selbst.» Eine einleuchtende<br />

Feststellung, seit Jahrzehnten bekannt (sie wird Jimmy Carter,<br />

Präsident der USA 1977-1981 zugeschrieben), verhinderte nicht<br />

die Politik des «Kriegs gegen Drogen», welche eben diesen<br />

Grundsatz prinzipiell missachtete. In jüngerer Zeit scheint hier<br />

jedoch ein gewisses Umdenken stattzufi nden. Die Global Commission<br />

on Drug Policy 28 hält fest, dass der von den Vereinten<br />

Nationen eingeschlagene Weg zur Drogenkontrolle gescheitert<br />

ist. Am Kongress äusserte sich Gilberto Gerra, Direktor des United<br />

Nation’s Offi ce on Drugs and Crime UNODC, dahingehend,<br />

es sei die Position des UNODC, 29 dass es keine Bestrafung und<br />

keine Zwangsbehandlung von DrogenkonsumentInnen geben<br />

sollte, 30 was auch den geltenden internationalen Abkommen<br />

entspreche (Single Convention on Narcotic Drugs, 1961; Convention<br />

on Psychotropic Substances, 1971; Convention against<br />

Illicit Traffi c in Narcotic Drugs and Psychotropic Substances,<br />

1988). 31 Ob solche Einsichten bald zu grundsätzlichen Veränderungen<br />

in der globalen Drogenpolitik führen werden, die darüber<br />

hinausgehen, was Hans Cousto als «Ruhestand-Drogenpolitiker-Erleuchtungs-Syndrom»<br />

32 bezeichnete, wird sich nach<br />

Barack Obamas Wiederwahl vielleicht bald weisen können und<br />

auch was dies für die Schweiz bedeutet. Es gibt gute Chancen<br />

für eine vernünftige Entwicklung in der Drogenpolitik und ich<br />

bin gespannt, was an der NaSuKo in fünf Jahren darüber zu<br />

erfahren sein wird..<br />

Literatur<br />

Babor, T.F. (2012): The Public Health Impact of Drug Policies.<br />

Yale Center for the Study of Globalization.<br />

www.tinyurl.com/cy5umpu, Zugriff 07.12.2012.<br />

BAG - Bundesamt für Gesundheit (2010): Herausforderung Sucht.<br />

Grundlagen eines zukunftsfähigen Politikansatzes für die<br />

Suchtpolitik der Schweiz. Steuerungsgruppe der drei Eidg.<br />

Kommissionen für Alkoholfragen, für Drogenfragen und für<br />

Tabakprävention. www.tinyurl.com/6vvlrb3, Zugriff 02.01.2012.<br />

BEIGEWUM - Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische<br />

Alternativen – (2012): imagine economy. Neoliberale Metaphern im<br />

wirtschaftspolitischen Diskurs. Wien: Löcker Verlag.<br />

Berndorf, J. (2002): Eine Reise nach Genf. Ein Siggi-Baumeister-Krimi.<br />

Goldmann.<br />

Camus, A. (2000): Der Mythos des Sisyphos. Reinbeck: Rohwolt.<br />

Cousto, H. (2012): Das Ruhestand-Drogenpolitiker-Erleuchtungs-<br />

Syndrom. www.tinyurl.com/celtjwu, Zugriff 07.12.2012.<br />

Friedrich, S. (2012): Sprache des Neoliberalismus. kritisch-lesen.de.<br />

www.tinyurl.com/d43ulf7, Zugriff 07.12.2012.<br />

Global Commission on Drug Policy (2012): Der Krieg gegen die Drogen<br />

und HIV/Aids. Wie die Kriminalisierung des Drogenkonsums die<br />

globale Pandemie anheizt. www.tinyurl.com/crmt7j9,<br />

Zugriff 02.01.<strong>2013</strong>.<br />

Greenwald, G. (2009): Drug decriminalization in portugal: lessons for<br />

creating fair and successful drug policies. Washington, D.C.: Cato<br />

Institute.<br />

Liebrenz, M./Boesch, L./Stohler, R./Cafl isch, C. (2010): Agonist<br />

substitution – a treatment alternative for high-dose<br />

benzodiazepine-dependent patients? Addiction 105(11): 1870-1874.<br />

Marlatt, G.A./Larimer, M.E./Witkiewitz, K. (2012): Harm Reduction:<br />

Pragmatic Strategies for Managing High-Risk Behaviors. New York:<br />

Guilford Press.<br />

Nutt, D.J./King, L.A./Phillips, L.D. (2010): Drug harms in the UK: a<br />

multicriteria decision analysis. Lancet 376 (9752): 1558-1565.<br />

Putnam, H. (2004): The Collapse of the Fact/Value Dichotomy and Other<br />

Essays. Harvard University Press.<br />

SSAM - Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (2012): Medizinische<br />

Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlungen (SGB) bei<br />

Opioidabhängigkeit 2012. SSAM.<br />

Stehr, N. (2003): Wissenspolitik. Die Überwachung des Wissens.<br />

Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

UNODC - United Nations Offi ce on Drugs and Crime (2010): From coercion<br />

to cohesion: Treating drug dependence through health care, not<br />

punishment. Discussion paper based on a scientifi c workshop<br />

UNODC Vienna October 28-30 2009. New York: United Nations.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. Berndorf 2002.<br />

2 Vgl. Bericht Global Commission on Drug Policy 2012.<br />

3 Siehe Beitrag Hämmig/Stohler in dieser Ausgabe.<br />

4 Siehe Beitrag Krausz in dieser Ausgabe.<br />

5 Vgl. Camus 2000.<br />

6 Vgl. Greenwald 2009.<br />

7 Siehe Beitrag Meili/Gammeter in dieser Ausgabe.<br />

8 Siehe Beitrag Bürge/Hoffmann in dieser Ausgabe.<br />

9 www.fosumos.ch/praxis-suchtmedizin<br />

10 www.ssam.ch<br />

11 www.fachverbandsucht.ch<br />

12 Siehe Beitrag Bachmann in dieser Ausgabe.<br />

13 «Es gibt kein einheitliches Drogenproblem, weder innerhalb einer<br />

Gesellschaft noch länderübergreifend und auch kein Allheilmittel,<br />

dass «das» Drogenproblem lösen wird». Babor 2012: 80.<br />

14 Vgl. BEIGEWUM 2012.<br />

15 Ebd.: 120.<br />

16 Siehe Beitrag Hälg/Dürsteler in dieser Ausgabe.<br />

17 Siehe Beitrag Chatterjee in dieser Ausgabe.<br />

18 Vgl. Friedrich 2012.<br />

19 Vgl. Putnam 2004.<br />

20 Vgl. SSAM 2012.<br />

21 Vgl. Liebrenz et al. 2010.<br />

22 Vgl. Marlatt et al. 2012.<br />

23 Vgl. Stehr 2003.<br />

24 Siehe Beitrag Guillod in dieser Ausgabe.<br />

25 Vgl BAG 2010.<br />

26 Vgl. Nutt et al. 2010.<br />

27 www.drugscience.org.uk<br />

28 www.globalcommissionondrugs.org<br />

29 www.unodc.org<br />

30 Vgl. United Nations Offi ce on Drugs and Crime 2010.<br />

31 www.unodc.org/unodc/en/treaties/index.html<br />

32 Vgl. Cousto 2012.<br />

10 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Heroingestützte<br />

Behandlung heute und die<br />

Substitutionsbehandlung<br />

der Zukunft<br />

Die heroingestützte Behandlung HeGeBe ist seit den 1990er Jahren integrierter<br />

Bestandteil der substitutionsgestützten Behandlung SGB in der Schweiz. International<br />

ist sie die bestuntersuchte suchtmedizinische Intervention überhaupt.<br />

Trotzdem ist sie erst in sieben europäischen Ländern als Regelversorgung<br />

verfügbar. Die Erfahrungen mit diesem Behandlungsansatz und die Herausforderungen<br />

angesichts einer alternden PatientInnenpopulation und neuen<br />

Substitutionsmitteln und Applikationsformen waren Gegenstand der Diskussion<br />

auf der Nationalen Substitutions Konferenz NASUKO in Genf Ende 2012.<br />

Michael Krausz<br />

Prof. Dr., University of British Columbia (UBC), 5950 University Boulevard, Vancouver,<br />

BC Canada 6VT 1Z3, michael.krausz@ubc.ca<br />

Johannes Strasser<br />

Dr. med., Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Wilhelm Klein-Strasse 27,<br />

CH-4012 Basel, Tel. +41 (0)61 325 51 29, johannes.strasser@upkbs.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Heroingestützte Behandlung | Opioidabhängigkeit | Suchtmedizin |<br />

In Referenz zu den zwei Jahrzehnten heroingestützter Behandlung<br />

HeGeBe in der Schweiz waren die nationalen wie internationalen<br />

Erfahrungen mit diesem Behandlungsansatz ein<br />

zentrales Thema an der «Nationalen Substitutionskonferenz<br />

2012» in Genf. Die Entwicklung seit dem «Platzspitz» Anfang der<br />

1990er Jahre hat die Substitutionsbehandlung ebenso wie die internationale<br />

Suchtforschung verändert und die HeGeBe in bisher<br />

insgesamt sieben europäischen Staaten möglich gemacht.<br />

Diese zwei Jahrzehnte waren sicher die dynamischste Phase in<br />

der Behandlung der Opioidabhängigkeit. Was wurde dabei zur<br />

Verbesserung der Substitution international beigetragen und<br />

wie sieht die Bilanz im Einzelnen aus?<br />

Anfänge im angelsächsischen Raum<br />

Angefangen hat die HeGeBe Anfang des letzten Jahrhunderts<br />

dort, wo sie entgegen aller wissenschaftlichen Evidenz heute<br />

noch am heftigsten negiert und stigmatisiert wird: in den USA.<br />

Ausgehend vom internationalen Opiumabkommen von Den Haag<br />

(1912), das übrigens massgeblich durch US-amerikanische Interessen<br />

an einer Kontrolle opiumkonsumierender chinesischer<br />

Einwanderer zustande kam, 1 wurde Heroin in den 1920er Jahren<br />

im Rahmen einer international neu einsetzenden punitiven Drogenpolitik<br />

wieder verboten (Harison Narcotic Act). 2 Die Kliniken<br />

wurden einfach geschlossen, die Betroffenen kriminalisiert und<br />

sich selbst überlassen. Der internationale Einfl uss einer solch<br />

moralisierenden und diskriminierenden Sichtweise von Sucht<br />

und speziell Opioidbhängigkeit ist heute zwar weniger dominant,<br />

aber die «war on drugs»-Perspektive ist immer noch von<br />

zentraler Bedeutung für den Umgang z. B. mit der Substitution.<br />

International haben immer mehr Länder z. B. in Südamerika und<br />

Europa eine neue Richtung in der Drogenpolitik eingeschlagen<br />

und Substitution, Schadensminderung und zusätzliche Therapieanstrengungen<br />

verschiedener Art implementiert. Trotzdem<br />

zeigt die juristische Verfolgung deutscher substituierender<br />

Ärzte, u. a. in Bayern im Jahre 2011, 3 dass eine vollständige Orientierung<br />

an den Behandlungsbedürfnissen der PatientInnen<br />

und vorhandener wissenschaftlicher Evidenz noch nicht selbstverständlich<br />

ist.<br />

Die besondere Rolle von Grossbritannien sollte in diesem<br />

Kontext nicht unerwähnt bleiben. Durch das Rollestone Committee<br />

(Departmental Committee on Morphine and Diamorphine<br />

Addiction), welches 1926 die Verschreibung von Diamorphin<br />

als Behandlungsmöglichkeit einer Opioidabhängigkeit zuliess,<br />

konnte Heroin im Vereinigten Königreich sehr pragmatisch verschrieben<br />

werden, inklusive «take-home»-Mitgaben für Heroin.<br />

Im Zentrum der HeGeBe stehen dort Ärzte mit speziellen<br />

Lizenzen aufgrund besonderen Trainings. Sie stellen entsprechende<br />

Rezepte aus und kontrollieren die Vergabe auch über<br />

spezielle Substitutionskliniken. Leider wurde diese Behandlungsform<br />

aber über lange Zeit kaum beforscht und sehr zurückhaltend<br />

eingesetzt. In Grossbritannien ist auch – inspiriert<br />

durch Studien in anderen Ländern und deren vielversprechenden<br />

Ergebnissen und dank der internationalen Kooperation auch mit<br />

Schweizer Forschungsgruppen – wieder zur HeGeBe und u. a. zur<br />

intravenösen Methadonapplikation geforscht worden. 4<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 11


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Positive Veränderungen der Rahmenbedingungen<br />

Insgesamt sind die Veränderungen der politischen und wissenschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen aber bemerkenswert und<br />

überwiegend positiv.<br />

Die Prinzipien von Risikominimierung und «Harm Reduction»<br />

sind in den USA wie Kanada mittlerweile weitgehend akzeptiert.<br />

Therapieziele jenseits von Abstinenz werden in der Suchttherapie<br />

zunehmend klinische Realität. In Kanada – insbesondere in<br />

Vancouver – wird aufbauend auf die europäischen Erfahrungen<br />

zur HeGeBe geforscht und in Nordamerika wird Pionierarbeit<br />

im Bereich der «Safe Injection Rooms» geleistet. «SALOME»<br />

ist eine der wenigen aktuell laufenden klinischen Studien, in<br />

der HeGeBe und hydromorphingestützte Behandlung intravenös<br />

und oral miteinander verglichen werden, 5 die sich z. Z. in<br />

der Rekrutierungsphase befi ndet. «INSITE» in der Vancouver<br />

Downtown Eastside ist bisher der einzige offi zielle Safe Injection<br />

Room in Nordamerika, 6 der trotz starkem Druck der konservativen<br />

Regierung in Ottawa bisher weiterarbeiten darf und seine<br />

Erfolge eindrucksvoll nachweisen konnte.<br />

Das hat zur Entwicklung des internationalen Dialogs zur HeGeBe<br />

und zur Substitution insgesamt signifi kant beigetragen.<br />

Die am besten untersuchte suchtmedizinische<br />

Intervention<br />

Durch den politischen Druck Ende der 1980er und Anfang der<br />

1990er Jahre auf die Substitution insgesamt und jede «Originalstoffvergabe»<br />

im Besonderen war eine Veränderung des Behandlungsangebotes<br />

nur im Rahmen wissenschaftlicher Studien<br />

denkbar. Entscheidungsträger in Politik und Versorgung wollten<br />

wissenschaftliche Evidenz als Grundlage des Umsteuerns.<br />

Zu keiner Therapie oder keinem therapeutischen Setting wurde<br />

seitdem so intensiv und auf methodisch höchstem Evidenzniveau<br />

gearbeitet. Mehrere tausend PatientInnen waren in der<br />

Schweiz, 7 den Niederlanden, 8 Deutschland, 9 Spanien 10 und England<br />

Teil von randomisierten klinischen Studien. 11 Diese haben<br />

die Kernhypothesen zu diesem Behandlungsansatz geprüft:<br />

Für den überwiegenden Teil der im Rahmen von Stichproben<br />

gewählten PatientInnen, die sich durch Substitutionsbehandlungen<br />

mit Methadon nicht ausreichend stabilisieren konnten,<br />

ist die HeGeBe ein wirksamerer Therapieansatz, der zur signifi -<br />

kanten Verbesserung des körperlichen und psychischen Gesundheitszustandes<br />

führt.<br />

Die Therapie ist sicher und in den von den meisten PatientInnen<br />

gewählten spezialisierten Zentren für substitutionsgestützte<br />

Behandlung mit Diacetylmorphin gut durchzuführen. Sie ist der<br />

Methadonsubstitution in der gewählten Zielgruppe auch unter<br />

Aspekten der Kosteneffi zienz überlegen. Andere Applikationsformen,<br />

wie die Inhalation oder Tabletten 12 sind effektiv und eine<br />

reale Alternative zur intravenösen Verabreichung.<br />

Die Schweizer Entwicklung als «Game Changer»<br />

Das besondere Verdienst der Schweizer Suchtmedizin und<br />

Forschung war es, mit der Schweizer Heroinstudie PROVE 13 das<br />

Thema Substitution mit Heroin im Kontext der HIV-Epidemie und<br />

der offenen Drogenszenen in Europa neu auf die Tagesordnung<br />

gesetzt 14 und demonstriert zu haben, dass sie ein wichtiger Teil<br />

einer Lösung sein kann. Dies war verbunden mit der grundlegenden<br />

und niedrigschwelligen Verfügbarkeit von Substitution und<br />

anderer suchttherapeutischer Angebote – wie des qualifi zierten<br />

Entzugs oder stationärer Langzeittherapien, – die in vielen anderen<br />

Ländern nur sehr eingeschränkt vorhanden sind.<br />

Die PROVE-Studie hatte von Anfang an aufgrund der Grössenordnung<br />

und der politischen Unterstützung durch das Schweizerische<br />

Bundesamt für Gesundheit BAG und die verantwortlichen<br />

PolitikerInnen klinische Bedeutung über den begrenzten wissenschaftlichen<br />

Versuch auf Basis der rigiden RCT-Methodologie<br />

nach «Good Clinical Practice» 15 hinaus. Auf der Grundlage der<br />

positiven Behandlungseffekte sowie der Auswirkungen auf die<br />

Gemeinden im Sinne einer deutlichen Reduktion der Kriminalität<br />

und einer Entlastung des öffentlichen Raums ergab sich ein<br />

fl iessender Übergang in die Implementierung, verbunden mit<br />

einem intensiven nationalen wie internationalen Dialog. Diese<br />

einzigartige Verbindung von Forschung, Versorgung und Drogenpolitik<br />

hat zum grossen Einfl uss der Schweizer Erfahrungen<br />

in Europa beigetragen und die wissenschaftlichen Initiativen<br />

sowie deren Umfeld in den Niederlanden 16 und Deutschland 17<br />

besonders beeinfl usst.<br />

Seitdem hat sich auch das Behandlungsnetz in der Schweiz weiterentwickelt.<br />

Aktuelle klinische Entwicklungen und Herausforderungen<br />

in der Schweiz<br />

Das Behandlungsangebot der HeGeBe wurde in der Schweiz<br />

laufend ausgebaut, konzeptuell verändert, systematisiert und<br />

den vielfältigen medizinischen, psychiatrischen und sozialen<br />

Bedürfnissen angepasst. Knapp 20 Jahre nach Einführung ist die<br />

Behandlung gefestigt. Der Umgang mit Diacetylmorphin wurde<br />

professionalisiert und viele Abläufe sind zur Routine geworden.<br />

Die in den Anfängen der HeGeBe politisch notwendigen engen<br />

bundesrechtlich-zentralistischen Vorgaben wurden hingegen<br />

nur bedingt angepasst, was zu einer eigenartigen Sonderstellung<br />

der HeGeBe geführt hat. Denn die hoch reglementierte<br />

Errungenschaft, ein «verbotenes Betäubungsmittel» ärztlich<br />

kontrolliert zu verabreichen, hat weitgehend zu in sich abgekapselten<br />

Behandlungssystemen geführt, in welchen Heroin<br />

unwidersprochen idealisiert werden kann, ohne Notwendigkeit,<br />

neue Impulse zu setzen und sich weiterzuentwickeln.<br />

Allerdings ist die Entwicklung der HeGeBe auch nicht stillgestanden.<br />

Die seit 2011 offi ziell geschaffene Möglichkeit, das<br />

pharmazeutische Heroin in schluckbarer Form als sogenannte<br />

Diaphintabletten verschreiben zu können, darf durchaus als<br />

revolutionär für die Entwicklung der HeGeBe in der Schweiz<br />

angesehen werden. Mit steigender Tendenz erhalten bereits<br />

heute mehr als ein Drittel aller PatientInnen in den HeGeBe ihr<br />

gesamtes Diaphin oder einen Teil davon in Tablettenform.<br />

Das Bild von den Schwerstabhängigen mit der Spritze im Arm<br />

als typischen HeGeBe-PatientInnen muss dementsprechend<br />

gründlich revidiert werden. Durch die Möglichkeit, Heroin in<br />

Tablettenform anbieten zu können, erschliessen sich wichtige<br />

neue Behandlungsaspekte. Bspw. mussten bislang PatientInnen,<br />

die nicht mehr injizieren konnten oder wollten, oft auf<br />

ein ungewünschtes perorales Substitut – meistens Methadon<br />

– wechseln. Kommt hinzu, dass damit auch oft die Behandlung<br />

in einer HeGeBe beendet war und die Behandlungsinstitution<br />

gewechselt werden musste, ohne die wichtige und gewünschte<br />

Beziehungskontinuität aufrechterhalten zu können.<br />

Inzwischen sind auch Take-Home-Vergaben von Diaphintabletten<br />

in der Schweiz möglich, was den Behandlungsspielraum<br />

noch weiter öffnet und angesichts der zukünftig zu erwartenden<br />

Problemstellungen ein wichtiges Bindeglied in der Versorgungskette<br />

multimorbid erkrankter PatientInnen darstellen wird.<br />

Denn die sich verändernden äusseren Umstände, allen voran<br />

das Phänomen der alternden PatientInnenpopulation, zeigen<br />

bereits heute zunehmend interdisziplinär herausfordernde<br />

Schwierigkeiten auf, für die aktiv Lösungen gesucht und Versorgungs-<br />

und Behandlungskonzepte erstellt werden müssen. Die<br />

HeGeBe in ihrer abgekapselten Sonderstellung wird hier besonders<br />

gefordert sein. Sie wird neue Wege zu beschreiten haben<br />

und zwingend neue Kooperationen eingehen müssen. Dabei<br />

wird die Aufmerksamkeit vor allem auf die Einbettung Heroin-<br />

12 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


substituierter in das gesamte medizinische und psychosoziale<br />

Versorgungsnetz zu richten sein.<br />

Für die kommenden Jahre gilt es, den politisch begründeten<br />

Sonderstatus des pharmazeutischen Heroins zu durchbrechen<br />

und sich unvoreingenommen wesentlichen Fragen der HeGeBe<br />

zuzuwenden:<br />

– Welche medizinisch und nicht politisch begründeten<br />

Indikationskriterien gelten für die HeGeBe?<br />

– Welche PatientInnenprofi le passen am besten zum<br />

speziellen Angebot der HeGeBe?<br />

– Welche Behandlungen sollen zukünftig in den HeGeBe-<br />

Institutionen angeboten werden? Welche Behandlungen<br />

sollen allen Opioidabhängigen fl ächendeckend zur<br />

Verfügung stehen (z. B. Diacetylmorphin-Tabletten in der<br />

Apotheke)?<br />

So gesehen sind im gesamten Substitutionsumfeld der Schweiz<br />

ganz neue Konzepte und Innovationen gefragt, die sich wieder<br />

mit den Kernfragen einer substitutionsgestützten Behandlung<br />

auseinandersetzen, etwa mit den Möglichkeiten einer echt<br />

diversifi zierten substitutionsgestützten Behandlung und einer<br />

tatsächlich individuell auf die Bedürfnisse heroinabhängiger<br />

Menschen abgestimmten Therapie.<br />

Klinische Realität in Europa heute<br />

Die Schweiz hat mit ca. 1‘400 Behandlungsplätzen, was 8%<br />

der Substituierten entspricht, sowohl absolut wie relativ das<br />

grösste und qualifi zierteste Behandlungsangebot. In der Bundesrepublik<br />

Deutschland werden ungefähr 1‘200 PatientInnen<br />

behandelt. Neue Standorte für spezialisierte Kliniken sind u. a.<br />

für Berlin bereits beschlossen. In den Niederlanden gibt es ca.<br />

1‘000, im Vereinigten Königreich um die 500 und als letztes<br />

Land ist Dänemark mit 240 KlientInnen in fünf Zentren dazugekommen.<br />

Die Kapazität der Heroinstudien wurde also etwas<br />

ausgebaut und neue Staaten kommen auch ohne eigene wissenschaftliche<br />

Versuche hinzu. Eine lange geplante Studie in Belgien<br />

stockt aus logistischen und politischen Gründen.<br />

Die substitutionsgestützte Behandlung mit Diacetylmorphin<br />

erfolgt nach wie vor in spezialisierten Kliniken/Zentren und nach<br />

dem in den Studien erprobten Vorgehen.<br />

Die Substitutionsbehandlung der Zukunft und die<br />

heroingestützte Behandlung<br />

Die HeGeBe war in allen bisherigen Versuchen und ist in ihrer<br />

aktuellen klinischen Verwendung ein therapeutischer Ansatz der<br />

zweiten Wahl. Je nach Land und den politisch vorgegebenen Indikationskriterien<br />

können unter 18-Jährige, schwangere Frauen<br />

und PatientInnen mit besonderen körperlichen Risiken von der<br />

Behandlung ausgeschlossen sein. Die Schweiz hingegen erlaubt<br />

den Einschluss Schwangerer, wenn es keine medizinischen Kontraindikationen<br />

gibt. Sie ist somit eine Ergänzung des breiter<br />

werdenden Angebots an Substitutionsmitteln von Methadon,<br />

Buprenorphin, Polamidon, Codein und retardierten Morphinen.<br />

Andere potente Opioide wie Hydromorphin (Dilaudid) werden<br />

zurzeit bzgl. ihres Einsatzes in der Substitution erforscht, kommen<br />

aber gegebenenfalls auch eher als Alternative zum Diacetylmorphin<br />

in Frage.<br />

Die Differentialindikationen, wann welches Substitutionsmittel<br />

welche Vorteile hat, sind dabei bisher nur unzureichend untersucht,<br />

ebenso wie die Gründe für unterschiedliche Präferenzen<br />

der Opioidabhängigen für bestimmte Substitutionsmittel. Das<br />

bleibt intensiverer Forschung zu Wirkungsmechanismen vorbehalten.<br />

Die zunehmende Verwendung von oralem Heroin (Diaphintabletten)<br />

in der Schweizer HeGeBe ist ein deutlicher Indikator,<br />

dass alternative Applikationsformen in der Zukunft mehr Beachtung<br />

fi nden sollten. Zum einen, da die PatientInnen älter werden<br />

und damit auch der Gefässstatus Injektionen erschwert, zum<br />

anderen, da das auch die Rahmenbedingungen und Kostensituation<br />

der HeGeBe verbessern könnte. Auch in diesem Feld könnte<br />

die Schweizer Suchtmedizin wieder eine wichtige Vorreiterrolle<br />

spielen.<br />

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die HeGeBe<br />

die Substitutionsbehandlung insgesamt verändert hat. Sie ist<br />

heute die bestuntersuchte suchtmedizinische Intervention. Die<br />

Schweizer Suchtmedizin und Forschung hat zu dieser Entwicklung<br />

massgeblich beigetragen..<br />

Literatur<br />

Ferri, M./Davoli, M./Perucci, C. (2011): Heroin maintenance for chronic<br />

heroin-dependent individuals. Cochrane Database of systematic<br />

reviews (online). doi: 10.1002/14651858.CD003410.pub4.<br />

Grob, P. (2009): Zürcher «Needle-Park»: Ein Stück Drogengeschichte und<br />

-politik 1968-2008. Zürich: Chronos Verlag.<br />

Haasen, C./Verthein, U./Eiroa-Orosa, F./Schäfer, I./Reimer, J. (2010): Is<br />

heroin-assisted treatment effective for patients with no previous<br />

maintenance treatment? Results from a German randomised<br />

controlled trial. European addiction research 16(3): 124-130.<br />

ICH Expert Working Group (1996): ICH harmonised tripartite guideline:<br />

guideline for good clinical practice, E6(R1). International conference<br />

on harmonisation of technical requirements for registration of<br />

pharmaceuticals for human use.<br />

www.tinyurl.com/4duczor, Zugriff 17.1.<strong>2013</strong>.<br />

March, J./Oviedo-Joekes, E./Perea-Milla, E./Carrasco, F./PEPSA team (2006):<br />

Controlled trial of prescribed heroin in the treatment of opioid<br />

addiction. Journal of substance abuse<br />

treatment 31(2): 203-211.<br />

Musto, D. (1973): The American disease. New Haven:<br />

Yale University Press.<br />

Renggli, R./Tanner, J. (1994): Das Drogenproblem: Geschichte,<br />

Erfahrungen, Therapiekonzepte. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.<br />

Rook, E./Huitema, A./van den Brink, W./van Ree, J./Beijnen, J. (2006):<br />

Pharmacokinetics and pharmacokinetic variability of heroin and its<br />

metabolites: review of the literature. Current clinical pharmacology<br />

1(1): 109-118.<br />

Steffen, T./Uchtenhagen, A./Gutzwiller, F./Dobler-Mikola, A./Blättler, R.<br />

(1999): Heroin-assisted treatment of opiate dependent patients.<br />

Experiences from Swiss trials for medical prescription of narcotics<br />

(PROVE). Der Internist 40(6): 651-656.<br />

Strang, J./Metrebian, N./Lintzeris, N. et al. (2010): Supervised injectable<br />

heroin or injectable methadone versus optimised oral methadone<br />

as treatment for chronic heroin addicts in England after persistent<br />

failure in orthodox treatment (RIOTT): a randomised trial.<br />

The Lancet Vol. 375 Issue 9729: 1885-1895.<br />

Uchtenhagen, A./Dobler-Mikola, A./Steffen, R./Gutzwiler, F./Pfeifer, S.<br />

(2000): Betäubungsmittelverschreibung an Heroinabhängige:<br />

Auswertung der Ergebnisse. Basel: Karger.<br />

Vos, J./van den Brink, W./Ufkes, J. (1995): Pharmacokinetics of methadon<br />

and its primary metabolite in twenty opiate addicts. European<br />

journal of clinical pharmacology 48(5): 361-366.<br />

Wood, E./Kerr, T./Lloyd-Smith, E. et al. (2004): Methodology for evaluating<br />

Insite: Canada's fi rst medically supervised safer injection facility for<br />

injection drug users. Harm Reduction Journal 1(9). doi: 10.1186/1477-<br />

7517-1-9.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. Renggli/Tanner 1994.<br />

2 Vgl. Musto 1973.<br />

3 Vgl. dazu die Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für<br />

Suchtmedizin vom 7. November 2011, www.tinyurl.com/abpueqv,<br />

Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong>.<br />

4 Vgl. Strang et al. 2010.<br />

5 Forschungsleitung M. Krausz& E. Oviedo Joekes.<br />

6 Vgl. Wood et al. 2004.<br />

7 Vgl. Uchtenhagen et al. 2000.<br />

8 Vgl. Vos/van den Brink/Ufkes 1995.<br />

9 Vgl. Haasen/Verthein/Eiroa-Orosa et al. 2010.<br />

10 Vgl. March/Oviedo-Joekes/Perea-Milla et al. 2006.<br />

11 Vgl. Ferri/Davoli/Perucci 2011.<br />

12 Vgl. Rook/Huitema/van den Brink 2006.<br />

13 Vgl. Steffen/Uchtenhagen/Gutzwiller et al. 1999.<br />

14 Vgl. Grob 2009.<br />

15 Vgl. ICH Expert Working Group 1996.<br />

16 Vgl. Vos/van den Brink/Ufkes 1995.<br />

17 Vgl. Haasen/Verthein/Eiroa-Orosa et al. 2010.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 13


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Ethische Überlegungen<br />

zur substitutionsgestützen<br />

Behandlung<br />

Opioidabhängige sind aus ethischer Sicht PatientInnen und Personen. Als<br />

PatientInnen haben sie einen Anspruch auf angemessene medizinische<br />

Behandlung und soziale Unterstützung. Als Personen haben sie einerseits das<br />

Recht auf Respektierung ihrer PatientInnenautonomie. Andererseits haben sie<br />

die Pflicht, die Rechte Dritter zu achten und sich an geltende Regeln zu halten.<br />

Tun sie dies nicht, können Sanktionen gerechtfertigt sein. Der Umgang mit<br />

Opioidabhängigen sollte sich an diesen ethischen Kriterien orientieren - und<br />

nicht an politischen Opportunitäten oder ideologisch geprägten Vorstellungen.<br />

Andreas Bachmann<br />

Dr. phil., Geschäftsführer ethik im diskurs GmbH,<br />

Restelbergstrasse 60, CH-8044 Zürich, bachmann@ethikdiskurs.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Ethik | Autonomie | Fürsorge |<br />

Einleitung<br />

In der Schweiz ist die substitutionsgestützte Behandlung<br />

SGB eine rechtlich und politisch anerkannte suchtmedizinische<br />

Behandlungsmethode. 1 Daraus lässt sich aber nicht<br />

ableiten, dass diese Methode auch ethisch positiv zu beurteilen<br />

ist. Aus ethischer Sicht ist es vielmehr eine offene Frage,<br />

ob sich die SGB überhaupt rechtfertigen lässt; und falls ja, auf<br />

welche Weise. Zudem ist es, solange eine solche Rechtfertigung<br />

nicht vorliegt, auch nicht möglich, konkrete Aspekte der<br />

gegenwärtigen Praxis, etwa die kantonal unterschiedlichen<br />

Zugangsregelungen oder die Sanktionierung von Opioidabhängigen,<br />

die sich nicht an die Regeln der Substitutionszentren<br />

halten, ethisch zu bewerten. 2<br />

Im Folgenden möchte ich mich auf die Rechtfertigungsfrage<br />

konzentrieren. Zum einen, um deutlich zu machen, wie<br />

voraussetzungsreich eine ethische Rechtfertigung der SGB ist.<br />

Ich werde einen Vorschlag skizzieren, wie eine solche aussehen<br />

könnte. Zum anderen, weil eine ethische Beurteilung der<br />

erwähnten praxisbezogenen Aspekte der SGB davon abhängt,<br />

auf welcher ethischen Grundlage diese Art der Therapie beruht.<br />

Moral, Ethik, Recht<br />

Zunächst muss geklärt werden, was unter «Ethik» zu verstehen<br />

ist. Anders als in der Alltagssprache wird in der philosophischen<br />

Fachsprache zwischen Moral und Ethik unterschieden.<br />

Moral bezieht sich auf die nicht theoretisch refl ektierten<br />

Alltagsüberzeugungen hinsichtlich dessen, was zu tun geboten,<br />

verboten oder erlaubt ist. Ethik bezeichnet die Wissenschaft<br />

der Moral. Als normativer Disziplin geht es ihr darum, zu<br />

bestimmen, welche dieser vortheoretischen Überzeugungen<br />

begründet bzw. gerechtfertigt sind und welche nicht.<br />

Was das Verhältnis zwischen Moral und Recht betrifft, ist<br />

wichtig, sich vor Augen zu halten, dass moralische Normen<br />

Rechtsnormen normativ vor- bzw. übergeordnet sind. Das<br />

Lebensrecht und das ihm entsprechende Tötungsverbot<br />

bspw. sind moralische Normen, die von so grundsätzlicher<br />

Bedeutung sind, dass sie auch positivrechtlich kodifi ziert und<br />

damit rechtlich einklagbar werden. Aber sie würden auch dann<br />

gelten, wenn sie nicht rechtlich festgeschrieben wären. Das<br />

gilt auch für das mit Blick auf die SGB wichtige Recht auf<br />

Gesundheit. Wenn es dieses Recht und eine entsprechende<br />

Hilfspfl icht gibt, dann zunächst in einem moralischen Sinn<br />

und erst daraus abgeleitet auch in einem rechtlichen Sinn.<br />

Ist im Folgenden von diesem Recht die Rede, ist dies, falls<br />

nicht anders vermerkt, stets moralisch gemeint. Dabei ist<br />

ein moralisches Recht ein moralischer Anspruch auf etwas,<br />

z. B. auf eine bestimmte medizinische Hilfeleistung. Diesem<br />

Anspruch korrespondiert eine Pfl icht, diese Hilfeleistung zu<br />

gewährleisten bzw. zu erbringen.<br />

Konsequentialismus oder Deontologie? 3<br />

Beim moralischen Recht auf Gesundheit handelt es sich<br />

um eine Spezifi zierung eines allgemeineren Rechts auf Fürsorge.<br />

Die diesem Recht zugeordnete Pfl icht ist die Pfl icht zur<br />

Fürsorge. Diese Formulierung gibt einen Hinweis, wie man das<br />

Recht begründen kann. Fürsorge (bzw. Hilfe) ist geboten, wenn<br />

eine Person ein Recht auf Fürsorge hat. Dieses Recht hat sie<br />

u. a., wenn sie Hilfe benötigt und diese erbittet. Das mag auf<br />

den ersten Blick einleuchtend klingen. Dabei darf man aber<br />

nicht übersehen, dass die gewählte Begriffl ichkeit auf eine bestimmte<br />

ethische Theorie verweist, die nicht unumstritten ist.<br />

Diese Theorie bezeichnet man als Deontologie.<br />

Gemäss der Deontologie sind für die ethische Beurteilung von<br />

Handlungen nicht nur die Folgen massgebend. Vielmehr gibt<br />

es Handlungen eines bestimmten Typs, wie etwa das Töten<br />

Unschuldiger oder das Einhalten von Versprechen, die unabhängig<br />

von den Konsequenzen zu unterlassen bzw. auszuführen<br />

sind. Letzteres unterscheidet die Deontologie vom Konsequentialismus.<br />

Damit wird jene ethische Position bezeichnet,<br />

nach der man immer die Handlungsoption wählen muss, die<br />

14 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


voraussichtlich die besten Folgen hat. In dieser Theorie kann<br />

es keine moralischen Rechte und Pfl ichten geben – und damit<br />

kein Recht auf Gesundheit – weil diese ja gerade dazu dienen,<br />

Folgeüberlegungen zu beschränken. 4 Es gibt nur die für alle<br />

Handlungen geltende allgemeine Pfl icht, das zu tun, was den<br />

zu erwartenden Nettonutzen für alle Betroffenen maximiert.<br />

Begründungsprobleme<br />

Welche der beiden Theorien plausibler ist, ist strittig. Das<br />

Problem des Konsequentialismus besteht darin, zu begründen,<br />

warum es eine Pfl icht zur Nutzenmaximierung gibt. Eine<br />

überzeugende Begründung dieser Pfl icht liegt bis heute nicht<br />

vor.<br />

Das Problem der Deontologie besteht darin, zu begründen,<br />

warum es moralische Pfl ichten und Rechte gibt und welche das<br />

sind. Gemäss der kantianischen Version ergeben sich diese aus<br />

der Menschenwürde, die ihrerseits auf dem absoluten Wert der<br />

Autonomie beruht. Während diese Version ausnahmslos gültige<br />

Unterlassungspfl ichten postuliert, wie etwa ein absolutes<br />

Lügenverbot, geht der alternative Ansatz von W. D. Ross davon<br />

aus, dass es nur Prima facie-Pfl ichten gibt. Hierbei handelt<br />

es sich um Pfl ichten, die nicht absolut gelten, sondern unter<br />

Umständen durch andere Pfl ichten überwogen werden können.<br />

Auch diesen prominenten deontologischen Ansätzen gelingt<br />

es nicht, die von ihnen postulierten Pfl ichten plausibel zu<br />

begründen. Kants Argumente für den absoluten Wert der<br />

Autonomie sind ebenso unbefriedigend wie Ross‘ Behauptung,<br />

die Gültigkeit der Prima facie-Pfl ichten sei so evident wie ein<br />

mathematisches Axiom. 5<br />

Interessenbasierte Ethik<br />

Eine Alternative zu diesen zwei Ansätzen bietet die Interessenbasierte<br />

Ethik. Sie sucht moralische Pfl ichten und Rechte<br />

durch Rekurs auf das Eigeninteresse vernünftiger Wesen zu<br />

begründen. Ihr zufolge gibt es bestimmte basale Interessen,<br />

die allen rationalen Individuen gemeinsam sind. Hierzu gehört<br />

etwa das Interesse, selbst bestimmen zu können, wie man<br />

sein Leben gestalten will; oder das Interesse, nicht in einer<br />

Gesellschaft zu leben, in der man stets damit rechnen muss,<br />

von anderen getötet zu werden. Es ist demnach für jeden von<br />

Vorteil, eine allgemeine Norm zu akzeptieren, der zufolge jeder<br />

selbst entscheiden darf, wie er leben will bzw. eine Norm, der<br />

zufolge andere nicht getötet werden dürfen. Dies allerdings<br />

nur, wenn alle anderen diese Norm auch akzeptieren und damit<br />

bereit sind, auf einen Teil der eigenen Freiheit zu verzichten.<br />

Auf diese Weise kann man das Recht auf Selbstbestimmung<br />

oder das Recht auf Leben und das ihm entsprechende Tötungsverbot<br />

allgemein nachvollziehbar begründen. Analog kann<br />

man eine generelle Hilfs- bzw. Fürsorgepfl icht begründen.<br />

Da niemand ausschliessen kann, einmal schutz- und hilfsbedürftig<br />

zu sein, ist es im Interesse eines jeden, Hilfe zu<br />

bekommen, wenn er sie benötigt und wünscht. 6 Zudem lässt<br />

sich auf diese Weise deutlich machen, warum im Falle eines<br />

Konfl ikts zwischen Selbstbestimmung (Autonomie) und Fürsorge<br />

die Autonomie das grössere Gewicht hat. Der Grund ist,<br />

dass niemand ein Interesse daran hat, Hilfe zu erhalten, die er<br />

autonom ablehnt.<br />

Auch gegen die Interessenbasierte Ethik können Einwände<br />

vorgebracht werden, die Zweifel an ihrer Plausibilität als<br />

gerechtfertigt erscheinen lassen. 7 Ein Einwand lautet, es sei<br />

nicht möglich, die Moral mit ihren kategorischen Geboten<br />

auf dem Eigeninteresse vernünftiger Wesen und damit auf<br />

Klugheitsüberlegungen aufzubauen. Ein anderer Einwand geht<br />

dahin, dass gemäss dieser Theorie moralische Normen nur<br />

befolgen sollte, wer damit rechnen muss, andernfalls mehr<br />

Nachteile als Vorteile zu erleiden. Damit sei es möglich, dass<br />

besonders mächtige Menschen, die aufgrund ihrer Macht<br />

kaum Sanktionen zu befürchten hätten, die Moral ignorieren<br />

könnten und dafür nicht einmal kritisiert werden dürften.<br />

Ohne dies hier zeigen zu können, gehe ich davon aus, dass die<br />

Interessenbasierte Ethik diese Einwände entkräften kann. Ich<br />

möchte nun zeigen, wie aus Sicht einer solchen Ethik die SGB<br />

zu bewerten ist.<br />

Recht auf Gesundheit oder Recht auf Behandlung?<br />

Ich habe oben gesagt, das Recht auf Gesundheit sei eine<br />

Spezifi zierung des Rechts auf Fürsorge bzw. Hilfe: Es bezieht<br />

sich auf die Situationen, in denen ein kranker Mensch medizinischer<br />

Hilfe bedarf (und sie, sofern er autonom ist, auch<br />

beansprucht). Das ist deshalb wichtig, weil es impliziert, dass<br />

Opioidabhängigen ein Recht auf Gesundheit nur zukommt,<br />

falls Abhängigkeit eine entweder heilbare oder chronische<br />

Krankheit ist.<br />

Freilich liegt dem eine bestimmte, keineswegs unumstrittene<br />

Interpretation des Begriffs der Gesundheit zugrunde.<br />

Verstünde man Gesundheit nämlich in einem anderen Sinne,<br />

etwa dem der Weltgesundheitsorganisation WHO, gemäss<br />

der Gesundheit ein «Zustand des vollständigen körperlichen,<br />

geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen<br />

von Krankheit oder Gebrechen» ist, 8 müsste man das Recht auf<br />

Gesundheit viel extensiver auslegen. Allerdings ist die WHO-<br />

Defi nition genau aus diesem Grund derart problematisch,<br />

dass es vorzuziehen ist, Gesundheit in einem engeren Sinn als<br />

Gegenbegriff zu Krankheit zu verstehen. Indes ist die Bezeichnung<br />

«Recht auf Gesundheit» auch dann noch fragwürdig.<br />

Denn es ist unklar, was mit dem Begriff «Krankheit» gemeint<br />

ist. 9 Und selbst wenn Krankheit in einem klar defi nierten biomedizinischen<br />

Sinn verstanden wird, ist der Begriff «Recht auf<br />

Gesundheit» nicht glücklich. Er suggeriert nämlich, dass es<br />

sich hierbei um einen moralischen Anspruch handelt, gesund<br />

zu sein und im Falle von Krankheit gesund gemacht, das heisst<br />

geheilt zu werden. 10 Geht man von einer Reziprozität von Rechten<br />

und Pfl ichten aus, würde dies bedeuten, dass die Ärzte<br />

selbst dann eine moralische Pfl icht hätten, PatientInnen zu<br />

heilen, wenn es beim Stand des medizinischen Wissens gar<br />

keine kurative Therapie gäbe. So etwas kann die Moral sinnvollerweise<br />

nicht verlangen. Denn moralisch etwas zu fordern<br />

setzt voraus, dass man in der Lage ist, das Geforderte zu tun<br />

(«ought implies can»). Es ist daher angemessener, statt von<br />

einem Recht auf Gesundheit von einem Recht auf Behandlung<br />

zu sprechen.<br />

Ziele der SGB und die Aufgabe des Staates<br />

Gemäss dem skizzierten interessenbasierten Begründungsansatz<br />

ist das Recht auf Behandlung zweifellos ein<br />

gerechtfertigter moralischer Anspruch. Denn es liegt im Interesse<br />

jeder vernünftigen Person, im Falle einer Krankheit<br />

medizinische Hilfe zu erhalten, wenn sie sich nicht selbst helfen<br />

kann und die Hilfe in Anspruch nehmen will. Ist die Abhängigkeit<br />

von Opioiden eine Krankheit, steht dieses Recht<br />

auch den Opioidabhängigen zu. Dies ist aus folgendem Grund<br />

von besonderer Bedeutung: Hat jemand einen moralischen<br />

Anspruch auf etwas, kann er diesen Anspruch nicht verlieren<br />

oder verwirken. Auch im Alter und auch wenn sie sich im Spital<br />

oder im Gefängnis befi nden, dürfen Opioidabhängige zu Recht<br />

erwarten, auf angemessene Weise medizinisch behandelt zu<br />

werden. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Pfl icht besteht,<br />

diese Behandlung zu garantieren. Diese Pfl icht kann aus deontologischer<br />

Sicht nicht durch ökonomische Überlegungen<br />

eingeschränkt werden. Selbst wenn volkswirtschaftlich die<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 15


Kosten der SGB wesentlich höher wären als die durch die SGB<br />

erzielbaren Einsparungen (was nicht der Fall ist), wäre dies irrelevant.<br />

Wenn es eine Behandlungspfl icht gibt, dürfen solche<br />

volkswirtschaftlichen Überlegungen keine Rolle spielen.<br />

Nur, wem obliegt es, dafür zu sorgen, dass alle, die eine SGB<br />

benötigen, diese auch bekommen? Ungeachtet der Rolle der<br />

Eigenverantwortung und der damit verbundenen Möglichkeit<br />

privater Vorsorge liegt es im Interesse aller, dass eine staatliche<br />

Absicherung vorliegt, die eine Person im Fall von Krankheit<br />

(oder Unfall) auffängt, wenn sie selbst dazu fi nanziell nicht<br />

in der Lage ist. Allein der Staat hat die Möglichkeit, auf Grund<br />

seines Gewaltmonopols die Mittel zu erheben, die es braucht,<br />

um das Recht auf Behandlung im Allgemeinen, das Recht auf<br />

eine SGB im Besonderen zu gewährleisten. Es ist daher die<br />

Pfl icht des staatlichen Gesundheitssystems, zu garantieren,<br />

dass alle Opioidabhängigen einen Zugang zu einer SGB haben<br />

und dies ungeachtet der damit verbundenen Kosten.<br />

Recht auf Behandlung<br />

Was ist genau gemeint, wenn man sagt, Opioidabhängige<br />

hätten ein Recht auf Behandlung? Allgemein ist es das<br />

Recht, diejenige medizinische Therapie und psychotherapeutische<br />

Begleitung zu erhalten, die der Krankheit angemessen<br />

ist. (Dies impliziert auch ein Recht auf die nötigen Voraussetzungen<br />

für eine erfolgversprechende Behandlung, also bspw.<br />

ein Obdach, eine Basisbeschäftigung oder die Deckung der<br />

basalen Lebenskosten.) Das lässt offen, worin das Behandlungsziel<br />

besteht. Heute scheint man sich unter SuchtmedizinerInnen<br />

weitgehend einig zu sein, dass Abstinenz zumindest<br />

kein vorrangiges Ziel mehr ist. Denn Substanzabhängigkeit sei<br />

eine chronische Krankheit, die nicht kurativ, sondern primär<br />

palliativ zu behandeln ist. Das Ziel wäre dann, die Abhängigen<br />

soweit wie möglich vor gesundheitlichen Schäden zu schützen<br />

und ihre Lebensqualität zu verbessern.<br />

Therapieziele im Spannungsverhältnis von Autonomie und<br />

Fürsorge<br />

Freilich scheint mir dies eine etwas einseitige Zielbestimmung<br />

zu sein. Zwar gibt es auch aus der Perspektive der hier<br />

vertretenen ethischen Position keinen Grund, die Therapie am<br />

Ziel der Abstinenz auszurichten. Dennoch ist problematisch,<br />

wenn sich diese überwiegend an Begriffen wie Schadensminderung<br />

und Lebensqualität orientiert. Dies aus folgendem<br />

Grund: Formuliert man die Therapieziele in erster Linie anhand<br />

solcher Begriffe, rückt der Aspekt der Fürsorge in den Mittelpunkt<br />

der Behandlung. Man betrachtet dann die Abhängigen<br />

primär als hilfsbedürftige kranke Menschen. Dabei vergisst<br />

man aber, dass sie auch selbstbestimmungsfähige Personen<br />

sind, die ein Recht haben, als Personen behandelt zu werden.<br />

Im Hinblick auf das Behandlungsziel würde dies bedeuten,<br />

dass die Rückgewinnung der Selbstbestimmung bezüglich<br />

des Konsums der Droge ein wichtiges Ziel der Therapie sein<br />

sollte. 11 Das darf nicht mit Abstinenzorientierung verwechselt<br />

werden, schon gar nicht im Sinn des dogmatischen Begriffs<br />

der Abstinenz, nach dem nur ein Leben ohne Drogen ein<br />

gutes Leben sein kann. Es meint vielmehr, dass suchtkranke<br />

Menschen in die Lage versetzt werden sollen, autonom zu<br />

entscheiden, ob sie eine psychoaktive Substanz konsumieren<br />

wollen oder nicht; und dass sie, falls sie auf den Konsum nicht<br />

verzichten können oder wollen, die Fähigkeit erlangen, auf<br />

nicht oder möglichst wenig selbstschädigende (risikoarme)<br />

Weise zu konsumieren.<br />

16 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Die Opioidabhängigen als Personen:<br />

Rechte und Pflichten<br />

Suchtkranke Menschen sind zwar als PatientInnen zu betrachten,<br />

die auf medizinische Unterstützung angewiesen<br />

sind. Zugleich sind sie aber auch Personen, die in der Lage sind,<br />

das eigene Leben gemäss eigener Vorstellungen zu führen. Aus<br />

interessenbasierter Sicht ist es im Interesse eines jeden, dass<br />

diese Fähigkeit durch ein moralisches Recht geschützt wird.<br />

Denn niemand kann objektiv bestimmen, worin das für den<br />

anderen Gute besteht. Das muss und kann letztlich nur jede<br />

Person für sich selbst entscheiden.<br />

Personen haben demnach ein Recht auf Selbstbestimmung<br />

bzw. Autonomie. Ihre Entscheidungen sind zu respektieren,<br />

sofern dadurch nicht die Rechte anderer Personen verletzt werden.<br />

Dies gilt auch dann, wenn Personen Entscheide treffen,<br />

mit denen sie sich selbst schädigen. Solange nur sie selbst<br />

davon betroffen sind, ist der Grad der Selbstschädigung unerheblich.<br />

Auch bei massivster Selbstschädigung sind paternalistische<br />

Eingriffe, also Eingriffe ohne das Einverständnis der<br />

betroffenen autonomen Person, mit dem Ziel, deren Wohl zu<br />

fördern, ethisch unzulässig.<br />

Zum Konzept der Person gehört aber auch, dass Personen für<br />

ihr Tun und Unterlassen verantwortlich sind. Das heisst u. a.,<br />

dass man die Einhaltung moralischer und rechtlicher Regeln<br />

von ihnen einfordern und sie für Regelverstösse bestrafen darf.<br />

Was bedeutet dies nun mit Blick auf suchtkranke, insbesondere<br />

opioidabhängige Menschen? 12 Es bedeutet zum einen, dass<br />

sie neben dem Recht auf Behandlung auch ein Recht darauf<br />

haben, dass ihre Autonomie geachtet wird. Zum anderen<br />

bedeutet es, dass sie als Personen auch bestimmte moralische<br />

Pfl ichten haben, bei deren Nichtbefolgung sie sanktioniert<br />

werden dürfen.<br />

Hier könnte man einwenden, suchtkranke Menschen seien gar<br />

nicht autonom. Autonom könne nur sein, wer fähig sei, die<br />

Konsequenzen seines Handelns zu verstehen und sich auf dieser<br />

Basis frei, das heisst ohne inneren und äusseren Zwang für<br />

oder gegen etwas zu entscheiden. Hinsichtlich der Abhängigkeit<br />

bestehe aber diese Freiheit nicht. Das ist zweifellos richtig.<br />

Nur, aus dem Umstand, dass Opioidabhängige bezüglich ihrer<br />

Abhängigkeit nicht autonom sind, folgt nicht, dass sie generell<br />

nicht autonom sind. Im Gegenteil: Es ist, sofern es keine klaren<br />

Indizien gibt, die in eine andere Richtung weisen, davon<br />

auszugehen, dass sie in allen anderen Bereichen zu selbstbestimmten<br />

Entscheiden fähig sind. Das betrifft insbesondere<br />

ihre Autonomie als PatientInnen. Diese kommt ihnen im vollen<br />

Umfang zu. Demzufolge haben die Abhängigen das Recht, frei<br />

zu entscheiden, ob sie eine SGB wollen oder nicht. Sie haben<br />

das Recht auf Information und Aufklärung über Chancen und<br />

Risiken einer SGB. Weiter haben sie das Recht, die Behandlung<br />

jederzeit abzubrechen, auch gegen den Willen der Ärzte.<br />

Schliesslich haben sie auch das Recht, selbst zu bestimmen,<br />

ob sie Abstinenz bzw. Nicht-Abhängigkeit oder eine stabile,<br />

kompensierte Abhängigkeit anstreben wollen.<br />

Recht auf soziale Integration<br />

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie weit drogenabhängige<br />

Menschen ein Recht auf soziale Integration haben.<br />

Sicher haben sie einen solchen Anspruch, soweit Integration<br />

eine Bedingung für eine SGB ist. Und sicher ist es – nicht<br />

zuletzt um das Rückfallrisiko zu senken – sinnvoll, ihnen Arbeitsangebote<br />

zu machen und darauf hinzuwirken, dass sie<br />

vielleicht sogar einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt fi nden.<br />

Dabei sollte man sie aber immer als Personen behandeln, an<br />

die man bestimmte Erwartungen richten kann, etwa die Erwartung,<br />

dass sie Abmachungen einhalten und für ihr Leben<br />

auch eine gewisse Eigenverantwortung tragen.<br />

Als Personen haben Opioidabhängige weitere moralische<br />

Pfl ichten, etwa die Pfl icht, Dritte nicht zu schädigen. Verstösse<br />

gegen diese Pfl icht werden zu Recht sanktioniert. Spätestens<br />

dann, wenn es die Option einer SGB gibt, ist etwa Beschaffungskriminalität<br />

moralisch nicht mehr zu entschuldigen.<br />

Ebenso unentschuldbar ist aggressives oder gar gewalttätiges<br />

Verhalten gegenüber ÄrztInnen oder anderen Behandelnden.<br />

Das Recht auf Behandlung ist als ein moralisch gerechtfertigter<br />

Anspruch zwar nicht verlier- bzw. verwirkbar. Aber das<br />

bedeutet nicht, dass es die Abhängigen berechtigt, die sie<br />

behandelnden Personen nicht zu respektieren oder die in<br />

den einschlägigen Institutionen geltenden Regeln (Hausordnungen)<br />

zu missachten.<br />

Dennoch sind Sanktionen gegen suchtkranke Menschen eine<br />

heikle Sache. Zum einen haben sie den Charakter einer Strafe.<br />

Sie zielen darauf ab, den Betroffenen als für ihr Tun Verantwortlichen<br />

klar zu machen, dass sie sich auf eine nicht akzeptable<br />

Weise verhalten und dass sie ihr Recht auf Behandlung<br />

nur in Anspruch nehmen können, wenn sie die Rechte anderer<br />

respektieren und sich an die geltenden Regeln halten. Zum<br />

anderen handelt es sich bei den Sanktionierten um besonders<br />

vulnerable Menschen, die auf ein hohes Mass an Toleranz angewiesen<br />

sind. Um kontraproduktive Resultate zu vermeiden, die<br />

unter Umständen eine SGB grundsätzlich gefährden, sollten<br />

daher Sanktionen sparsam und zielgerichtet eingesetzt werden.<br />

Zielgerichtet heisst insbesondere, dass sie so gering wie<br />

möglich sein sollten und dass man darauf verzichten sollte, die<br />

Abhängigen mit erhobenem Zeigefi nger moralisch erziehen<br />

zu wollen. Welche Sanktionen in diesem Sinn angemessen<br />

sind, muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der jeweils<br />

besonderen Umstände bestimmt werden.<br />

Fazit<br />

Aus der hier skizzierten interessenbasierten ethischen<br />

Sicht ist die SGB durch das Recht auf Behandlung abgedeckt.<br />

Opioidabhängige haben damit einen gerechtfertigten moralischen<br />

Anspruch auf eine entsprechende medizinische Therapie<br />

sowie auf soziale Unterstützung. Dabei sind sie jedoch<br />

nicht nur als PatientInnen, sondern stets auch als Personen zu<br />

behandeln, die ein Recht darauf haben, dass ihre Entscheide<br />

akzeptiert werden, die aber für diese Entscheide auch verantwortlich<br />

sind und unter Umständen dafür zur Verantwortung<br />

gezogen werden können.<br />

JedeR Opioidabhängige hat den gleichen Anspruch auf eine<br />

angemessene SGB. Dies zu garantieren, ist Sache des staatlichen<br />

Gesundheitswesens. Dabei ist darauf zu achten, dass<br />

alle Betroffenen den gleichen Zugang zu dieser Behandlung<br />

haben. Da es sich um verletzliche Menschen handelt, die sich<br />

in einer schwierigen Situation befi nden, sollte der Zugang<br />

zudem möglichst unkompliziert und schnell (niederschwellig)<br />

sein. Wichtig ist, dass sich Zugangsregelungen und Ablauf<br />

einer SGB an den Rechten und individuellen Bedürfnissen<br />

der Abhängigen und den für die Behandlung erforderlichen<br />

medizinischen und sozialen Massnahmen orientieren. Ideologische<br />

oder politische Erwägungen haben hier nichts verloren.<br />

Bei allem Verständnis für den schweizerischen Föderalismus<br />

sollten die kantonalen Bestimmungen nach Massgabe dieser<br />

Kriterien erfolgen und dabei auf unnötige Aufl agen verzichten.<br />

Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass die Ziele<br />

der SGB erreicht werden können. Dies kommt am Ende allen zu<br />

Gute, insbesondere aber denen, um die es im Kern geht: den<br />

Opioidabhängigen..<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 17


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Literatur<br />

Kant, I. (1974): Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Werkausgabe<br />

Band VII. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.<br />

Kant, I. (1974): Kritik der praktischen Vernunft. Werkausgabe Band VII.<br />

Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.<br />

Rippe, K.P. (2010): Ethik in der Wirtschaft. Paderborn: mentis Verlag.<br />

Ross, W.D. (1930): The Right and the Good. Oxford: Clarendon Press.<br />

Schramme, T. (Hrsg.) (2012): Krankheitstheorien. Berlin: Suhrkamp<br />

Verlag.<br />

SSAM - Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (2009): Neurowissenschaften<br />

und Sucht. www.tinyurl.com/d8xocnd, Zugriff<br />

13.12.2012.<br />

SSAM - Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (2012): Medizinische<br />

Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlungen SGB<br />

bei Opioidabhängigkeit 2012. www.tinyurl.com/cyyortv, Zugriff<br />

13.12.2012.<br />

Endnoten<br />

1 SSAM 2012: 5. Gemäss der Schweizerischen Gesellschaft für<br />

Suchtmedizin SSAM umfasst die substitutionsgestützte<br />

Behandlung SGB neben der Substitution als Basisbehandlung<br />

zusätzliche medizinische Behandlungen und Unterstützung im<br />

Sozialbereich. «Das ganze Hilfsangebot kann als ‹somato-psychosoziales<br />

Unterstützungssystem› betrachtet werden».<br />

2 Es ist eine Frage der ethischen Theorie, ob es einen moralisch<br />

gerechtfertigten Anspruch auf eine SGB gibt und falls ja, wie sich<br />

dieser Anspruch begründen lässt. Erst aus dieser Begründung<br />

ergibt sich auch, wie der Zugang zu Substitutionsmitteln in<br />

verschiedenen Settings konkret geregelt sein sollte. Lässt sich<br />

etwa zeigen, dass es ein Recht auf eine SGB gibt, das allen<br />

Opioidabhängigen gleichermassen zusteht, folgt daraus bspw.,<br />

dass sie unabhängig vom Alter und vom Ort, an dem sie sich<br />

befi nden, angemessen zu behandeln sind, also auch dann, wenn<br />

sie betagt sind oder im Gefängnis eine Strafe absitzen. Natürlich<br />

kann man auf der Basis der Alltagsmoral einzelne Aspekte einer<br />

SGB auch ohne ethische Theorie bewerten. Aber eine solche<br />

Bewertung kann nicht allgemein gültig sein, da Aussagen der<br />

Alltagsmoral auf Intuitionen (im Sinne von nicht theoretisch<br />

refl ektierten moralischen Überzeugungen) beruhen, die einer<br />

Begründung bedürfen.<br />

3 Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist, dass religiöse<br />

Überzeugungen nicht rational begründet werden können und<br />

daher ausgeklammert werden müssen; dass aber auch alternative<br />

Ansätze wie etwa der Mittlere-Prinzipien-Ansatz oder die<br />

Tugendethik mit rational unlösbaren Begründungsproblemen<br />

behaftet sind und darum als theoretische Optionen für eine<br />

säkulare Ethik nicht in Frage kommen. Religiöse Überzeugungen<br />

können nicht allgemein verbindlich sein, weil sie sich auf<br />

übernatürliche Entitäten (Gott) beziehen, die nicht bewiesen<br />

werden können. Der in der (angewandten) Ethik weit verbreitete<br />

Mittlere Prinzipien-Ansatz, der mit den von allen Theorien<br />

anerkannten ethischen Prinzipien arbeitet ohne diese Prinzipien<br />

weiter zu begründen, scheitert daran, dass ethische Grundsätze<br />

wie Autonomie oder Fürsorge nicht nur inhaltlich, sondern auch<br />

hinsichtlich ihres moralischen Gewichts kontrovers sind – und<br />

dass diese Kontroverse nur durch Bezug auf die grundlegenden<br />

ethischen Theorien entschieden werden kann. Die Tugendethik<br />

scheitert daran, dass sie weder plausibel begründen kann, warum<br />

moralische Tugenden Bestandteil eines guten Lebens sind; noch,<br />

warum es moralisch gefordert ist, die entsprechenden Tugenden<br />

zu entfalten.<br />

4 Spricht man von moralischen Rechten, impliziert dies, dass<br />

es entsprechende Pfl ichten gibt, diese Rechte zu achten. Mit<br />

moralischer Pfl icht ist ein moralisches Müssen gemeint. «Müssen»<br />

bedeutet: Der Adressat einer Pfl icht hat etwas zu tun oder zu<br />

unterlassen, unabhängig von eigenen Interessen. Pfl ichten sind<br />

also auch dann zu befolgen, wenn sie für eine Person mit negativen<br />

Folgen verbunden sind: Man muss eine Ertrinkende auch dann zu<br />

retten versuchen, wenn einem deswegen ein lukratives Geschäft<br />

entgeht. Dies muss man tun, weil (bzw. sofern) die Ertrinkende<br />

ein Recht, d. h. einen gerechtfertigten moralischen Anspruch auf<br />

Hilfe hat. Gleiches gilt auch für das Recht auf Gesundheit, wenn<br />

sich ein solches Recht denn begründen lässt. Dieses Recht darf<br />

deontologisch nur gegen andere Rechte oder Pfl ichten abgewogen<br />

(und gegebenenfalls eingeschränkt) werden, nicht aber gegen<br />

private oder öffentliche Interessen. Das bedeutet insbesondere,<br />

dass es unabhängig von den damit verbundenen ökonomischen<br />

Kosten zu garantieren ist. Für diese Konzeption von Rechten und<br />

Pfl ichten hat es in einer konsequentialistischen Theorie keinen<br />

Platz. Denn in dieser Theorie sind die Folgen einer Handlung das<br />

einzige Kriterium für das moralisch Gebotene.<br />

5 Vgl. Kant 1974; Ross 1930/2002: 29.<br />

6 Das Akzeptieren der Hilfe ist nur eine Bedingung für<br />

Personen, d. h. selbstbestimmungsfähige (autonome) Wesen.<br />

Gegenüber nicht-autonomen Menschen wie etwa Menschen<br />

mit einer fortgeschrittenen Alzheimer-Demenz ist Hilfe auch<br />

dann eine Pfl icht, wenn sie abgelehnt wird (wie etwa bei<br />

Pfl egeverweigerungen). Dies bedeutet, dass medizinische oder<br />

pfl egerische Interventionen gegen den Willen dieser Menschen<br />

auch bei (erheblicher) Selbstgefährdung und nicht nur bei<br />

Fremdgefährdung ethisch gerechtfertigt sein können.<br />

7 Rippe 2010: 79ff.<br />

8 Vgl. Verfassung der Weltgesundheitsorganisation,<br />

www.admin.ch/ch/d/sr/0_810_1, Zugriff 08.01.<strong>2013</strong>.<br />

9 Vgl. Schramme 2012.<br />

10 Rechtlich gesehen ist das Recht auf Gesundheit ein<br />

Menschenrecht, das in Art. 12 des UNO-Paktes über wirtschaftliche,<br />

soziale und kulturelle Rechte verankert ist. Dieser Artikel<br />

garantiert gemäss Absatz 1 das «Recht eines jeden auf das<br />

für ihn erreichbare Höchstmass an körperlicher und geistiger<br />

Gesundheit». Diese Formulierung erinnert zwar an die WHO-<br />

Defi nition. Absatz 2 macht aber deutlich, dass das Recht auf<br />

Gesundheit auf Massnahmen zur Vorbeugung, Behandlung<br />

und Bekämpfung von Krankheiten ausgerichtet ist. Insofern<br />

ist dieses Recht kein Recht auf Gesundsein oder Gesund-<br />

(gemacht)werden, sondern ein Recht auf eine breit verstandene<br />

medizinische Unterstützung, die nicht bloss Therapie, sondern<br />

auch Prävention umfasst. (Wobei unklar ist, was mit «highest<br />

attainable standard» gemeint ist, insbesondere, ob dies relativ<br />

zu den jeweils vorhandenen Ressourcen zu verstehen ist oder<br />

nicht.) Man könnte daher sagen, das oben postulierte moralische<br />

Recht auf Behandlung decke nur einen Teil des juristischen Rechts<br />

auf Gesundheit ab. Allerdings ändert das nichts daran, dass die<br />

Bezeichnung «Recht auf Gesundheit» missverständlich ist.<br />

11 Dieses Ziel ergibt sich, wenn man die Abhängigkeit als Krankheit<br />

unter dem Aspekt der Autonomie betrachtet und dann fragt,<br />

was eine Heilung bedeuten würde. Freilich haben die Kranken als<br />

autonome Personen das Recht, dieses aus dem Blickwinkel der<br />

Autonomie anzustrebende Behandlungsziel für sich abzulehnen.<br />

12 In der Suchtmedizin unterscheidet man zwischen Abhängigkeit<br />

(Drang zur Fortsetzung des Konsums, um die negativen Folgen des<br />

Konsumstopps (subjektives Unwohlsein) zu vermeiden) und Sucht<br />

(übermächtiges Verlangen, eine Substanz zu konsumieren, aber<br />

auch substanzungebundene zwanghafte Verhaltensschemata)<br />

(Vgl. SSAM 2009). Der vorliegende Artikel orientiert sich dagegen<br />

eher an der Alltagssprache, die nicht auf diese Weise klar zwischen<br />

Sucht und Abhängigkeit unterscheidet. Dies hat aber auf die<br />

Argumentation keine Auswirkungen.<br />

18 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Rechtliche Aspekte der<br />

Substitutionsbehandlung<br />

Die Gesetzgebungen der frankophonen Länder (Belgien, Frankreich,<br />

Québec und Schweiz) verlangen meistens eine staatliche Bewilligung für<br />

die Aufnahme einer Substitutionsbehandlung und regeln eingehend die<br />

Modalitäten für deren Durchführung. Im Folgenden werden die verschiedenen<br />

Aspekte dieser Regulierungen der Substitutionsbehandlung näher betrachtet.<br />

Die Substitutionsbehandlung gehört heute zu den medizinisch verfügbaren<br />

Behandlungsmethoden. Die Aufgabe des Staates wäre hier aber weniger<br />

medizinische Modalitäten zu regulieren als vielmehr auf eine gute klinische<br />

Praxis hinzuwirken, die auf wissenschaftlicher Evidenz beruht.<br />

Olivier Guillod<br />

Professor, Direktor des Institut de droit de la santé, Universität Neuenburg,<br />

Av. du 1er-Mars 26, CH-2000 Neuenburg, Tel. +41 (0)32 718 12 85,<br />

olivier.guillod@unine.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Behandlung | Gesetz | International | Selbstbestimmung |<br />

Einleitung<br />

Wie der Name schon sagt, muss die Substitutionsbehandlung<br />

von opioidabhängigen Personen unter rechtlichen Gesichtspunkten<br />

als eine besondere Form der medizinischen Behandlung<br />

und nicht als eine behördlich angeordnete Massnahme gesehen<br />

werden. Auf die Substitutionsbehandlung sind deshalb in erster<br />

Linie einmal die auf internationaler Ebene und in den einzelnen<br />

Ländern bestehenden Bestimmungen über den Zugang zu<br />

medizinischen Dienstleistungen und die Beziehungen zwischen<br />

den PatientInnen und den Fachpersonen des Gesundheitswesens<br />

anwendbar. Nach einem Überblick über diesen allgemeinen<br />

rechtlichen Rahmen werden im Folgenden verschiedene Aspekte<br />

der Regulierung der Substitutionsbehandlung in vier frankophonen<br />

Ländern (Belgien, Frankreich, Québec und Schweiz) näher<br />

betrachtet.<br />

Die Garantie des Zugangs zur<br />

Substitutionsbehandlung<br />

Die vier untersuchten Länder haben alle den Internationalen<br />

Pakt vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und<br />

kulturelle Rechte (Pakt I) 1 der unter der Ägide der Organisation<br />

der Vereinten Nationen (UNO) entstand, ratifi ziert. Art. 12 von<br />

Pakt I lautet: «Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines<br />

jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmass an körperlicher<br />

und geistiger Gesundheit an.» Zu diesem Zweck müssen die Vertragsstaaten<br />

eine Reihe von Massnahmen treffen, namentlich<br />

«zur Vorbeugung, Behandlung und Bekämpfung epidemischer,<br />

endemischer, Berufs- und sonstiger Krankheiten» und «zur<br />

Schaffung der Voraussetzungen, die für jedermann im Krankheitsfall<br />

den Genuss medizinischer Einrichtungen und ärztlicher<br />

Betreuung sicherstellen».<br />

Diese Bestimmung von Pakt I verpfl ichtet die Staaten, nach<br />

Massgabe ihrer fi nanziellen Möglichkeiten nach und nach jeder<br />

Person das Recht auf Gesundheit zu garantieren und namentlich<br />

die Verfügbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen sowie den<br />

nicht-diskriminierenden physischen und fi nanziellen Zugang zu<br />

diesen Leistungen sicherzustellen, unter Berücksichtigung von<br />

kulturellen Verschiedenheiten und ethischen Aspekten. 2<br />

Ziel der Therapie von drogenabhängigen Personen ist es, die<br />

Abhängigkeit zu beseitigen oder wenigstens den Konsum der<br />

jeweiligen Substanzen zu vermindern, um es so den Betroffenen<br />

zu ermöglichen, ihre Gesundheit wiederzuerlangen oder wenigstens<br />

so zu stabilisieren, dass sie sich gemäss ihren Wünschen<br />

am gesellschaftlichen Leben beteiligen können. Um dieses Ziel zu<br />

erreichen, muss die Verschreibung von Opiaten auf Grund einer<br />

individuellen Indikation erfolgen. Dies bringt zahlreiche Vorteile<br />

für die opioidabhängigen Personen (Senkung der Mortalität,<br />

Reduzierung von Folgeschäden, Verbesserung der Lebensqualität)<br />

und ganz allgemein für die öffentliche Gesundheit und die<br />

öffentliche Sicherheit (namentlich Rückgang der Delinquenz). 3<br />

Unter Berücksichtigung der Erfahrungen in der Suchtmedizin<br />

sind die Staaten, die den Pakt I ratifi ziert haben, meiner Ansicht<br />

nach verpfl ichtet, opioidabhängigen Personen die Möglichkeit<br />

zu geben, sich einer Substitutionsbehandlung zu unterziehen.<br />

Diese Personen leiden unter einer Beeinträchtigung ihrer<br />

Gesundheit und haben wie alle anderen Personen mit einem<br />

physischen oder psychischen Gesundheitsproblem das Recht auf<br />

Behandlung. Jeder Staat muss ihnen also nach Massgabe der<br />

ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen diejenigen Therapien<br />

verfügbar machen, die sich aus medizinischer Sicht bewährt<br />

haben, und dazu gehören heute unzweifelhaft auch die Substitutionsbehandlungen.<br />

Der Respekt des Selbstbestimmungsrechtes<br />

des Patienten<br />

Das Recht jeder Person, über ihren Körper und ihre Gesundheit<br />

selber zu bestimmen, 4 wird in allen vier untersuchten frankophonen<br />

Ländern mit ähnlichen Formulierungen garantiert.<br />

Für drogenabhängige Personen bedeutet der Grundsatz der<br />

Selbstbestimmung, dass sie selber wählen können, ob sie sich<br />

einer Behandlung unterziehen wollen und welche Behandlungsmethoden<br />

sie gegebenenfalls wünschen bzw. ablehnen. Das<br />

Recht auf Selbstbestimmung schliesst aber nicht das Recht ein,<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 19


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Behandlungsformen zu verlangen, die den geltenden fachlichen<br />

Regeln zuwiderlaufen, z. B. aufgrund nachgewiesener Wirkungslosigkeit,<br />

zu hoher Risiken oder übermässiger Kosten. Die Substitutionsbehandlung<br />

gehört zu den möglichen Optionen, da sie<br />

den fachlichen Regeln entspricht, wirksam, nicht übermässig<br />

riskant und nicht übertrieben teuer ist.<br />

Der Grundsatz der Selbstbestimmung des Individuums verpfl<br />

ichtet den Staat auch, die freie Behandlungswahl einer<br />

drogenabhängigen Person zu respektieren. Wenn sich der Staat<br />

die Möglichkeit vorbehalten will, gegenüber einer drogenabhängigen<br />

Person beim Vorliegen von ausserordentlichen Umständen<br />

eine Massnahme gegen deren Willen anzuordnen, so muss er<br />

dies in einer klaren und präzisen Gesetzesbestimmung vorsehen<br />

(Erfordernis der gesetzlichen Grundlage) und zwingende Gründe<br />

zur Rechtfertigung der Massnahme anführen können. Diese<br />

Prinzipien gelten z. B. für Platzierungen und für therapeutische<br />

Massnahmen.<br />

Der rechtliche Rahmen der Substitutionsbehandlung<br />

Die Substitutionsbehandlung wird im Allgemeinen im komplexen<br />

Rahmen der Gesetzgebungen zu den Arzneimitteln und<br />

den Betäubungsmitteln geregelt. Die beiden Gesetzgebungen<br />

sind in vielen Punkten nicht von der gleichen Philosophie geprägt.<br />

Die Arzneimittelgesetzgebung ist klar auf die Anliegen<br />

der öffentlichen Gesundheit ausgerichtet, während die Betäubungsmittelgesetzgebung<br />

in vielen Ländern auch heute noch<br />

von einem traditionell repressiven Ansatz gegenüber Drogen<br />

geprägt wird. So wird denn die Substitutionsbehandlung sehr<br />

strikt und bis in alle Einzelheiten geregelt, was Ausdruck der ambivalenten<br />

Haltung der Behörden ihr gegenüber ist.<br />

In der Schweiz wird die Verwendung von Betäubungsmitteln<br />

als Heilmittel durch das Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000<br />

über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz<br />

HMG) 5 geregelt. Darüber hinaus regelt das Bundesgesetz vom 3.<br />

Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen<br />

Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG), 6 dessen tiefgreifende<br />

Revision am 1. Juli 2011 in Kraft getreten ist und mit dem das<br />

4-Säulen-Modell verankert wurde, die Prävention, Therapie,<br />

Schadensminderung und Repression sowie die Herstellung, die<br />

Abgabe, den Bezug und die Verwendung von Betäubungsmitteln.<br />

Art. 1b BetmG koordiniert die beiden Gesetze und hält fest, dass<br />

die Bestimmungen des BetmG anwendbar sind, soweit das HMG<br />

keine oder eine weniger weit gehende Regelung trifft.<br />

Die Substitutionsbehandlung wird eingehender in der Verordnung<br />

des Bundesrates vom 25. Mai 2011 über Betäubungsmittelsucht<br />

und andere suchtbedingte Störungen (Betäubungsmittelsuchtverordnung,<br />

BetmSV) 7 geregelt, die sich namentlich mit<br />

diacetylmorphingestützten Behandlungen 8 befasst .<br />

Gemäss Art. 3e Abs. 1 BetmG braucht es für die Verschreibung,<br />

die Abgabe und die Verabreichung von Betäubungsmitteln zur<br />

Behandlung von betäubungsmittelabhängigen Personen eine<br />

besondere Bewilligung des Kantons. Für die heroingestützten<br />

Behandlungen braucht es zusätzlich eine Bewilligung des<br />

Bundes (Art. 3e Abs. 3 BetmG).<br />

Die Kantone haben somit im Allgemeinen sehr detaillierte<br />

Bestimmungen über die Verwendung von Betäubungsmitteln<br />

– ausser Heroin – erlassen. Dazu kommen medizinische Empfehlungen<br />

insbesondere diejenigen des Bundesamtes für Gesundheit<br />

(BAG), der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin<br />

(SSAM) und der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte<br />

Schweiz (VKS) 9 betreffend die substitutionsgestützten<br />

Behandlungen bei Opioidabhängigkeit.<br />

Staatliche Bewilligungspflicht der Behandlung<br />

In der Schweiz (Art. 3e BetmG) und in Québec (Art. 56 und<br />

57 Loi réglementant certaines drogues et autres substances


LRDS 10 ) erfolgt die Kontrolle der zulässigen Verwendung von<br />

Betäubungsmitteln über eine Bewilligungspfl icht, wobei die<br />

Bewilligungen von einer staatlichen Behörde ausgestellt werden.<br />

In Frankreich wird nur den ÄrztInnen der Centres de soins,<br />

d’accompagnement et de prévention en addictologie CSAPA<br />

(Suchtbehandlungszentren) eine Bewilligung durch den Generaldirektor<br />

der regionalen Gesundheitsagentur (Agence régionale<br />

de santé) zum Besitz, zur Kontrolle, Verwaltung und Abgabe der<br />

Medikamente ausgestellt (Art. D 3411-9 und 10, R 5124-45 Code<br />

de la santé publique 11 ) / Gesundheitsgesetzbuch). In Belgien<br />

müssen die Centres d’accueil (Aufnahmezentren), die Réseaux<br />

de prise en charge pour usagers de drogue (Netzwerke für die<br />

Betreuung Drogenkonsumierender) und die Centres spécialisés<br />

(Fachzentren) auf Grund von Art. 3 des Arrêté royal réglementant<br />

le traitement de substitution (ARTS) 12 ebenfalls über eine Bewilligung<br />

verfügen. Keine Bewilligung brauchen hingegen die privat<br />

praktizierenden Ärzte.<br />

In der Schweiz ist für betäubungsmittelgestützte Behandlungen<br />

eine kantonale Bewilligung erforderlich (Art. 3e Abs. 1 BetmG).<br />

Für die heroingestützte Behandlung ist zudem eine Bewilligung<br />

des Bundes erforderlich (Art. 3e Abs. 3 BetmG). Sie wird den Institutionen<br />

(Art. 16 und 17 BetmSV, Institutionsbewilligung), den<br />

ÄrztInnen (Art. 18, 19 und 20 BetmSV, Arztbewilligung) und den<br />

PatientInnen (Art. 21, 22 und 23 BetmSV, Patientenbewilligung)<br />

erteilt. Die kantonalen Bewilligungen werden ihrerseits den ÄrztInnen<br />

oder Spitälern erteilt.<br />

In den Schweizer Kantonen, in Frankreich und in Québec wird<br />

die Bewilligung zeitlich unbegrenzt ausgestellt, in Belgien hingegen<br />

für die Höchstdauer von 5 Jahren (Art. 3 ARTS). Auch die<br />

Bundesbewilligung für die Verschreibung von Diacetylmorphin,<br />

die in der Schweiz an Institutionen und Ärzte ausgestellt wird,<br />

ist höchstens während 5 Jahren gültig, kann aber verlängert<br />

werden (Art. 16 Abs. 4 und Art. 18 Abs. 2 BetmSV). Die Patientenbewilligung<br />

gilt höchstens für zwei Jahre, kann aber auf Gesuch<br />

hin erneuert werden, sofern die Bewilligungsvoraussetzungen<br />

weiterhin erfüllt sind (Art. 21 Abs. 3 BetmSV).<br />

Die Bewilligung bezieht sich in Frankreich, in Québec und in<br />

Belgien nicht auf eine bestimmte Zahl von PatientInnen. Die<br />

kantonale Bewilligung in der Schweiz gilt hingegen oft nur für<br />

einen Patienten (z. B. Bern, Neuenburg und Tessin), bzw. 10 PatientInnen<br />

(Genf). In Belgien darf ein privat praktizierender Arzt<br />

(der keine Bewilligung braucht) gleichzeitig für höchstens 120<br />

PatientInnen eine Substitutionsbehandlung durchführen (Art. 11<br />

ARTS).<br />

Im Allgemeinen ist die Behandlung auf den Einsatz bestimmter<br />

Produkte beschränkt. In der Schweiz dürfen z. B. im Rahmen<br />

von bewilligungspfl ichtigen Substitutionsbehandlungen Diacetylmorphin,<br />

Methadon, Benzodiazepine und Buprenorphin<br />

verschrieben werden. Die gesetzlichen Regelungen in Frankreich<br />

und Belgien beziehen sich nur auf Methadon und Buprenorphin. In<br />

Québec ist das Methadon zurzeit das einzige für die Behandlung<br />

von opiatabhängigen Personen zugelassene Betäubungsmittel.<br />

In diesem Land ist aber die Verschreibung von Benzodiazepinen<br />

auf Grund der allgemein gültigen Regeln zugelassen.<br />

Die Behandlung ist bestimmten Patienten<br />

vorbehalten<br />

Was die persönlichen Anforderungen an die Patienten betrifft,<br />

so können die nationalen Regelungen für die Substitutionsbehandlung<br />

in drei Kategorien aufgeteilt werden.<br />

Die belgische Regelung schweigt sich über die Bedingungen, die<br />

ein Patient erfüllen muss, um in den Genuss einer Substitutionsbehandlung<br />

zu kommen, aus. Selbstverständlich fi nden aber die<br />

allgemeinen für alle ärztlichen Behandlungen geltenden Regeln<br />

Anwendung, namentlich der Grundsatz der informierten und<br />

freien Zustimmung des Patienten.<br />

Die französische Regelung ist nicht viel ausführlicher. Sie<br />

verlangt einfach die Freiwilligkeit der Behandlung, weil sie den<br />

Erfolg begünstigt, und sieht vor, dass die Substitutionsbehandlung<br />

für stark opiatabhängige PatientInnen vorbehalten ist, die<br />

mindestens 15 Jahre alt sein müssen.<br />

In der Schweiz und in Québec enthalten die entsprechenden<br />

Regelungen wesentlich detailliertere Vorschriften über die Bedingungen,<br />

unter welchen einE PatientIn in den Genuss einer<br />

Substitutionsbehandlung kommen kann.<br />

In der Schweiz muss z. B. der Bundesrat dafür sorgen, dass Diacetylmorphin<br />

nur an betäubungsmittelabhängige Personen verschrieben<br />

wird, bei denen andere Behandlungsformen versagt<br />

haben oder deren Gesundheitszustand andere Behandlungsformen<br />

nicht zulässt (Grundsatz der Subsidiarität der Heroinverschreibung:<br />

Art. 3e Abs. 3 Bst. a BetmG). Die Person muss weiter<br />

(unter Vorbehalt der Ausnahmen gemäss Art. 10 Abs. 2 BetmSV)<br />

mindestens 18 Jahre alt sein, seit mindestens zwei Jahren schwer<br />

heroinabhängig sein, mindestens zwei Behandlungsversuche<br />

mit einer anderen anerkannten ambulanten oder stationären<br />

Therapie abgebrochen oder erfolglos absolviert haben und Defi -<br />

zite im psychischen, körperlichen oder sozialen Bereich aufweisen<br />

(Art. 10 Abs. 1 BetmSV).<br />

Die schweizerischen Kantone haben ihrerseits eine Reihe von<br />

Indikationskriterien für eine Substitutionsbehandlung mit<br />

anderen Substanzen als Diacetylmorphin festgelegt.<br />

Mehrere Schweizer Kantone verlangen genau wie Québec, dass<br />

die PatientInnen einen Behandlungsvertrag unterzeichnen. Die<br />

Richtlinien für die Verschreibung von Methadon bei der Behandlung<br />

von Drogenabhängigen in Québec schreiben z. B. einen von<br />

PatientIn und Arzt/Ärztin zu unterzeichnenden Behandlungsvertrag<br />

vor, der die einzuhaltenden Regeln, die vorzunehmenden<br />

Kontrollen und die Möglichkeiten zum Abbruch der Behandlung<br />

regelt. Ein solcher Vertrag kann natürlich auch in den anderen<br />

Ländern abgeschlossen werden, wo er als sinnvolles therapeutisches<br />

Instrument dienen kann.<br />

Behandlung durch bestimmte Fachpersonen<br />

Die Regelungen der einzelnen Länder legen meist auch fest,<br />

welche Gesundheitsfachpersonen und welche Institutionen<br />

Substitutionsbehandlungen durchführen dürfen.<br />

In Frankreich darf z. B. die Erstverschreibung von Methadon<br />

nur durch Ärzte erfolgen, welche in Gesundheitsinstitutionen<br />

oder CSAPA arbeiten. In Belgien müssen sich alle ÄrztInnen,<br />

die gleichzeitig bei mehr als zwei PatientInnen Substitutionsbehandlungen<br />

durchführen, bei einem zugelassenen Aufnahmezentrum,<br />

einem zugelassenen Netzwerk für die Betreuung<br />

Drogenkonsumierender oder einem zugelassenen Fachzentrum<br />

registrieren lassen (2 § 2 ARTS). In Québec besteht eine Liste von<br />

ÄrztInnen, die Methadon verschreiben dürfen, sowie von ApothekerInnen,<br />

die dieses abgeben. In der Schweiz darf Diacetylmorphin<br />

nur von spezialisierten ÄrztInnen 13 in hierfür geeigneten<br />

Einrichtungen verschrieben werden (Art. 3e Abs. 3 Bst. b BetmG).<br />

Um zur Behandlung berechtigt zu sein, müssen die Institutionen<br />

die in Art. 14 und 15 BetmSV aufgezählten Bedingungen erfüllen.<br />

Die schweizerischen und belgischen Regelungen legen auch<br />

berufl iche Qualifi kationen, welche die verschreibenden Ärzt-<br />

Innen erfüllen müssen, und deren Pfl icht zur Weiterbildung fest.<br />

Behandlung hat nach bestimmten Regeln zu erfolgen<br />

Die zahlreichen nationalen Gesetzgebungen enthalten auch<br />

Anforderungen mit Bezug auf die Behandlung selber, die von<br />

Land zu Land stark abweichen. Dabei geht es namentlich um die<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 21


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Modalitäten der Behandlung und um die Kontrollen, die von den<br />

beteiligten Fachpersonen des Gesundheitswesens durchzuführen<br />

sind.<br />

Die schweizerischen Bestimmungen heben sich dabei auch hier<br />

durch ihre Regelungsdichte ab. Die Verabreichung und Einnahme<br />

des Diacetylmorphins müssen grundsätzlich innerhalb einer<br />

Institution (Art. 16 BetmSV) unter Sichtkontrolle eines Mitglieds<br />

des Behandlungsteams erfolgen (Art. 13 Abs. 1 BetmSV). In indizierten<br />

Ausnahmefällen kann das Diacetylmorphin zu Hause<br />

unter Sichtkontrolle der zuständigen Ärztin oder des zuständigen<br />

Arztes oder einer von ihr oder ihm beauftragten Person<br />

verabreicht werden (Art. 13 Abs. 2 BetmSV). Den PatientInnen<br />

können ausnahmsweise bis zu zwei Tagesdosen mitgegeben<br />

werden, wenn sie für mindestens sechs Monate ununterbrochen<br />

in einer diacetylmorphingestützten Behandlung waren, wenn<br />

sie gesundheitlich und sozial genügend stabilisiert sind, wenn<br />

die beiden letzten Urinproben ausser dem Diacetylmorphin keine<br />

Betäubungsmittel aufweisen und wenn keine Missbrauchsgefahr<br />

besteht (Art. 13 Abs. 3 BetmSV).<br />

Die kantonalen Gesetzgebungen legen ihrerseits die üblichen<br />

Modalitäten für die Verabreichung anderer Produkte und Betäubungsmittel,<br />

namentlich von Methadon und Buprenorphin fest<br />

(im Allgemeinen: Einnahme unter Sichtkontrolle eines Arztes,<br />

eines Apothekers oder einer Hilfsperson dieser Personen). Es<br />

gibt Ausnahmen, die von Kanton zu Kanton variieren, z. B. für<br />

die Verabreichung an Sonn- und Feiertagen und in den Ferien<br />

(Aushändigung mehrerer Dosen an die PatientInnen), oder wenn<br />

sich der Zustand der PatientInnen stabilisiert hat (z. B. Abgabe<br />

von Wochendosen in Zürich und im Tessin).<br />

Auch bezüglich der Urinproben, die von drogenabhängigen Personen<br />

im Rahmen einer Substitutionsbehandlung abgegeben<br />

werden müssen, sind die kantonalen Regelungen nicht einheitlich.<br />

Bern und Zürich (wie auch Québec und Frankreich) verlangen<br />

solche Kontrollen, Neuenburg verzichtet darauf.<br />

Die klinischen Aspekte der Substitutionsbehandlungen mit<br />

Methadon und Buprenorphin sind überdies Gegenstand von<br />

Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin.<br />

14<br />

Die Gesetzgebungen der einzelnen Länder sehen schliesslich<br />

auch verschiedene Gründe für den Abbruch einer Substitutionsbehandlung<br />

vor. Alle lassen es ausdrücklich oder in Anwendung<br />

allgemeiner Behandlungsgrundsätze zu, dass die PatientInnen<br />

jederzeit die Substitutionsbehandlung abbrechen können. Das<br />

schweizerische Recht räumt weiter dem Bundesamt für Gesundheit<br />

die Befugnis ein, den PatientInnen die Bewilligung für die<br />

diacetylmorphingestützte Behandlung zu entziehen, wenn sie<br />

z. B. nicht ärztlich verschriebene Betäubungsmittel in der Institution<br />

konsumieren, die im Rahmen der Therapie abgegebenen<br />

Präparate weitergeben oder verkaufen, Mitglieder des Behandlungspersonals<br />

bedrohen oder gegen diese Gewalt ausüben<br />

(Art. 23 BetmSV).<br />

Schlussfolgerungen<br />

Die Gesetzgebungen der frankophonen Länder verlangen<br />

meistens eine staatliche Bewilligung für die Aufnahme einer<br />

Substitutionsbehandlung und regeln eingehend die Modalitäten<br />

für deren Durchführung. Da es sich um eine Behandlungsform<br />

handelt, die durch Ärzte durchgeführt wird, sind solche Reglementierungen<br />

etwas paradox. Wieso muss sich der Staat unbedingt<br />

in eine ärztliche Entscheidung einmischen?<br />

Der gesetzlich vorgegebene Rahmen bildet natürlich nur eines<br />

von mehreren Elementen der Antwort der Gesellschaft auf die<br />

Probleme des Umgangs mit drogenabhängigen Personen. Wenn<br />

sich aber ein Land für die Umsetzung des 4-Säulen-Modells entscheidet,<br />

anerkennt es damit, dass man Personen, die unter<br />

einer Suchterkrankung leiden, eine angemessene Behandlung<br />

zukommen lassen muss. Aus medizinischer Sicht steht aber<br />

heute ausser Zweifel, dass die Substitutionsbehandlung zwingend<br />

zu den verfügbaren Behandlungsmethoden gehören muss.<br />

Mit einer fl exiblen Regelung auf der Basis des Vertrauens in die<br />

beteiligten Fachpersonen müsste das Recht aber klarer auf eine<br />

gute klinische Praxis hinwirken, die auf wissenschaftlicher Evidenz<br />

beruht und frei von den Ängsten und Fantasmen ist, die der<br />

Konsum sogenannter illegaler Substanzen in der Gesellschaft<br />

auch heute noch hervorruft..<br />

Literatur<br />

BAG – Bundesamt für Gesundheit (2009): Substitutionsgestützte<br />

Behandlungen bei Opioidabhängigkeit. Empfehlungen des<br />

Bundesamtes für Gesundheit (BAG), der Schweizerischen<br />

Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM), der Vereinigung der<br />

Kantonsärztinnen und Kantonsärzte Schweiz (VKS).<br />

www.tinyurl.com/d69sy55, Zugriff 23.01.<strong>2013</strong>.<br />

Clapham, A./Robinson, M. (Hrsg) (2009): Realizing the Right to Health.<br />

Bern: Rüffer & Rub.<br />

SSAM – Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (2012): Medizinische<br />

Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlungen (SGB) bei<br />

Opioidabhängigkeit 2012.<br />

www.tinyurl.com/<br />

cyyortv, Zugriff 13.12.2012.<br />

Vereinte Nationen (2000): Allgemeine Bemerkung Nr. 14 des Ausschusses<br />

für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Das Recht auf das<br />

erreichbare Höchstmass an Gesundheit. Genf.<br />

Endnoten<br />

1 Der Pakt ist in der Schweiz am 18.09.1992 in Kraft getreten, vgl. www.<br />

admin.ch/ch/d/sr/c0_103_1.html und<br />

www.admin.ch/ch/d/sr/i1/0.103.1.de.pdf, Zugriff 17.01.<strong>2013</strong>.<br />

2 Vgl. Vereinte Nationen 2000, und Clapham et al. 2009.<br />

3 BAG 2009: 7.<br />

4 Vgl. dazu auch den Beitrag von Bachmann in dieser Ausgabe.<br />

5 Vgl. www.admin.ch/ch/d/sr/c812_21.html, Zugriff 17.1.<strong>2013</strong>.<br />

6 Vgl. www.admin.ch/ch/d/sr/c812_121.html, Zugriff 17.1.<strong>2013</strong>.<br />

7 Vgl. www.admin.ch/ch/d/sr/c812_121_6.html, Zugriff 17.1.<strong>2013</strong>.<br />

8 Diacetylmorphin ist pharmazeutisch hergestelltes Heroin; die<br />

Begriffe diacetylmorphingestützte und heroingestützte Behandlung<br />

werden synonym verwendet.<br />

9 Vgl. BAG 2009 und aktualisierte Empfehlungen der SSAM 2012.<br />

10 Gesetz über die Reglementierung bestimmter Drogen und anderer<br />

Substanzen, www.tinyurl.com/ayqdfxa, Zugriff 23.01.<strong>2013</strong>.<br />

11 Gesundheitsgesetzbuch, tinyurl.com/alsgec6, Zugriff 23.01.<strong>2013</strong>.<br />

12 Königliches Dekret zur Reglementierung der<br />

Substitutionsbehandlung, www.tinyurl.com/b446stp; deutsche<br />

Übersetzung, www.tinyurl.com/a2fo6nr, Zugriff 23.01.<strong>2013</strong>.<br />

13 wenn sie über Erfahrung in der Behandlung von schwer<br />

heroinabhängigen Personen verfügen: Art 18, Abs. 1 BetmSV.<br />

14 Vgl. SSAM 2012.<br />

22 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Substitutionsgestützte<br />

Behandlung in der Grundversorgung<br />

Mit der Erarbeitung von offiziellen medizinischen Empfehlungen für substitutionsgestützte<br />

Behandlungen SGB für Opioidabhängige und der zunehmenden<br />

Vereinheitlichung der kantonalen Rahmenbedingungen verbesserte sich die<br />

Zugänglichkeit und die Qualität der SGB in der Grundversorgung der Schweiz<br />

weiter. Gefährdet wird diese Versorgung aber durch den vorhersehbaren Mangel<br />

an HausärztInnen, die derzeit das zentrale Standbein der Suchtmedizin<br />

darstellen. Gefragt sind neue Konzepte, damit substanzabhängige Menschen<br />

nicht erneut medizinisch marginalisiert werden.<br />

Hans Gammeter<br />

Dr. med. Allgemeine Medizin FMH, Tropen- und Reisemedizin FMH,<br />

Kantonsarzt Stv., Präsident FOSUMOS, Oberer Graben 32, CH-9001 St. Gallen,<br />

www.fosumos.ch, hans.gammeter@sg.ch<br />

Daniel Meili<br />

Dr. med. Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Rämistrasse 33, CH-8001 Zürich,<br />

Vorstandsmitglied Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM,<br />

www.ssam.ch, dmeili@hispeed.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Grundversorgung | Opioidabhängigkeit |<br />

Suchtmedizin | Empfehlungen | HausärztIn |<br />

Einleitung<br />

HausärztInnen sind die zentrale Stütze der suchtmedizinischen<br />

Versorgung in der Schweiz. Sie betreuen ca. 60% aller<br />

Opioidabhängigen mittels Substitution, bzw. substitutionsgestützter<br />

Behandlung SGB. Zusätzlich gewährleisten sie deren allgemeinmedizinische<br />

Grundversorgung. Als Substitutionsmittel<br />

wird derzeit vorwiegend Methadon eingesetzt, auch wenn der<br />

breitere Einsatz von anderen Substanzen angezeigt wäre. Spezialisierte<br />

suchtmedizinische Zentren spielen vor allem in den<br />

grösseren Agglomerationszentren und für die Diacetylmorphin-<br />

Substitution (Heroingestützte Behandlung, HeGeBe) eine Rolle.<br />

Die kantonalen Regelungen zur Substitution und deren Anwendung<br />

durch die ÄrztInnen waren über Jahrzehnte sehr unterschiedlich.<br />

Mit der Erarbeitung der medizinischen Empfehlungen für<br />

substitutionsgestützte Behandlungen SGB bei Opioidabhängigkeit<br />

durch die Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM im<br />

Jahr 2007 wurde schweizweit die Grundlage für wissenschaftlich<br />

begründete rechtliche Rahmenbedingungen und einheitlichere<br />

Behandlungen geschaffen. Die Empfehlungen wurden 2012<br />

vollständig aktualisiert. 1 Für den nicht-medizinischen Bereich<br />

(Soziales und Beratung) fehlen leider entsprechende Leitlinien.<br />

Die baldige Pensionierung vieler substituierender HausärztInnen,<br />

der erwartete Mangel an NachfolgerInnen und die verminderte<br />

Motivation von jüngeren GrundversorgerInnen an der SGB (s. u.)<br />

macht die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte nötig, um die<br />

Grundversorgung Opioidabhängiger auch zukünftig zu gewährleisten.<br />

Entwicklung der Empfehlungen für SGB<br />

Trotz vieler fundierter Erkenntnisse zur Substitution (Substanzverschreibung)<br />

und zur SGB (Kombination von Substitution<br />

und somatischen, psychiatrisch/psychotherapeutischen und<br />

sozialen Angeboten) seit der Einführung von Methadon in den<br />

1960er Jahren waren bis zum Beginn dieses Jahrhunderts weltweit<br />

sämtliche Behandlungs-Guidelines ein Gemisch von wissenschaftlichen,<br />

moralisch und politisch motivierten Aussagen und<br />

Anweisungen. Obwohl schon seit vielen Jahren bekannt ist, dass<br />

Opioidabhängigkeit eine chronische Erkrankung darstellt und nur<br />

eine Minderheit der PatientInnen eine langfristige Abstinenz erreicht,<br />

blieb die Substitution weitgehend eine Therapie zweiter<br />

Wahl hinter der abstinenzorientierten Behandlung bzw. das Ziel<br />

der Abstinenz stand auch bei einer SGB hierarchisch an erster<br />

Stelle.<br />

Auch in der Schweiz bestanden lange Zeit viele Ungereimtheiten<br />

in rechtlicher Hinsicht und in der Behandlungspraxis. Die<br />

«Methadonberichte» (1984, 2 1989 3 und 1995 4 ) stellten die Basis<br />

für die kantonalen rechtlich bindenden Rahmenbedingungen dar.<br />

Im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG erarbeitete<br />

die SSAM 2007 erstmals «Medizinische Empfehlungen für substitutionsgestützte<br />

Behandlungen (SGB) bei Opioidabhängigkeit»<br />

nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin, d. h. nach wissenschaftlichen<br />

Kriterien und unter Einbezug der breiten praktischen<br />

Behandlungserfahrungen.<br />

2009 wurde ein Meilenstein erreicht, der medizinisch und politisch<br />

wesentlich zur weiteren Koordination und Qualitätsverbesserung<br />

der SGB beitrug: Basierend auf den Empfehlungen der SSAM<br />

einigten sich das BAG, die Vereinigung der Kantonsärztinnen<br />

und Kantonsärzte der Schweiz VKS und die SSAM erstmals auf<br />

gemeinsame Empfehlungen. 5 Sie dienten in der Folge als Basis für<br />

standardisierte Empfehlungen für kantonale Behandlungsrichtlinien<br />

und für die Übernahme der Behandlungskosten durch die<br />

Krankenkassen.<br />

Ausgehend von der Pionierarbeit des Forum Suchtmedizin<br />

Ostschweiz FOSUMOS 6 wurde für die Anwendung bei der täglichen<br />

Arbeit der Grundversorgenden, von der Arbeitsgemeinschaft der<br />

suchtmedizinischen Netzwerke der Schweiz – neben FOSUMOS<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 23


sind dies FOSUMIS, 7 COROMA, 8 ticino addiction 9 – auf der Plattform<br />

www.praxis-suchtmedizin.ch ein dreisprachiges Handbuch für<br />

SGB entwickelt. Seit der Gründung dieser Netzwerke vor etwa<br />

10 Jahren verfolgen diese das Ziel, den Hausarzt/die Hausärztin<br />

in seiner/ihrer suchtmedizinischen Arbeit zu unterstützen. Dabei<br />

wird versucht, für die HausärztInnen relevante Informationen<br />

und Fortbildungsinhalte anzubieten und diese – wenn möglich<br />

– durch suchtmedizinisch aktive HausärztInnen und nichtärztliche<br />

Suchtfachpersonen als ModeratorInnen zu vermitteln<br />

um die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Bereits<br />

bestehende Qualitätszirkel der GrundversorgerInnen wie auch die<br />

regelmässigen Fortbildungsveranstaltungen der Spitäler für die<br />

GrundversorgerInnen eignen sich dafür hervorragend.<br />

Seit 2007 erschienen verschiedene internationale Leitlinien, die<br />

die Erkenntnisse der Schweizer Empfehlungen bestätigten und<br />

den zentralen Stellenwert der SGB in der Behandlung Opioidabhängiger<br />

festigten. So z. B. die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation<br />

WHO, 10 der World Federation of Societies of Biological<br />

Psychiatry WFSBP 11 und dem National Institute for Health and<br />

Clinical Excellence NICE. 12 Methadon und Buprenorphin gehören<br />

heute zu den essentiellen Basismedikamenten, empfohlen durch<br />

die WHO.<br />

2012 wurde eine Aktualisierung der Empfehlungen für die<br />

Schweiz durch die SSAM vorgenommen, welche die grosse Anzahl<br />

neu erschienener Publikationen berücksichtigt, kapitelweise eine<br />

ausführliche wissenschaftliche Referenzierung beinhaltet und der<br />

zukünftigen Entwicklung Rechnung trägt. 13<br />

24 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong><br />

Einige Schwerpunkte der Empfehlungen<br />

Ethik und Menschenrechte<br />

Um der Stigmatisierung und Ausgrenzung der Opioidabhängigen<br />

entgegenzuwirken, deren Krankheit oft nicht als solche anerkannt<br />

wird, wird das Recht auf Behandlung dieser Krankheit<br />

nach Kriterien der international verbindlichen Grundrechte des<br />

Menschen abgehandelt. 14<br />

Chronische Erkrankung<br />

Analog zu anderen chronischen Erkrankungen, wird die SGB<br />

nicht mehr als Sonderfall einer Behandlung, sondern als «normale»<br />

medizinische Therapie mit Berücksichtigung aller Begleitumstände<br />

betrachtet. Falls von PatientInnen erwünscht, soll der Weg<br />

in die Abstinenz sinnvoll begleitet, aber keinesfalls erzwungen<br />

oder vorausgesetzt werden.<br />

Diversifi zierung der Substitute<br />

Da Methadon nicht für alle Opioidabhängigen günstig wirkt,<br />

sehr unangenehme oder auch gefährliche Nebenwirkungen verursachen<br />

kann (z. B. Herzrhythmusstörungen), ist in solchen<br />

Fällen der alternative Einsatz anderer Substitutionssubstanzen<br />

sinnvoll. Derzeit zugelassen sind Buprenorphin und Diacetylmorphin<br />

(pharmazeutisch hergestelltes Heroin). Neu wird Morphin<br />

berücksichtigt, das sich im Zulassungsprozess befi ndet und heute<br />

nur limitiert eingesetzt werden kann. Ebenfalls Erwähnung fi ndet<br />

Levomethadon (wirksamer Bestandteil von Methadon), welches<br />

ein günstigeres Nebenwirkungsprofi l aufweist als Methadon und<br />

möglicherweise Zulassung fi nden wird. Für HausärztInnen ist diese<br />

Diversifi zierung oft noch Neuland, da sie über Jahre nur mit<br />

Methadon arbeiteten. Diese Substanzen sollten in der Basisversorgung<br />

einen wichtigeren Stellenwert erhalten, um die SGB zu<br />

optimieren.<br />

Komorbide Störungen<br />

Die meisten komorbiden Störungen, d. h. gleichzeitiges Vorliegen<br />

weiterer Erkrankungen, lassen sich gleich oder sehr ähn-


lich behandeln wie bei Erkrankten ohne Abhängigkeit. Dies bezieht<br />

sich sowohl auf psychische Störungen (z. B. Schizophrenie,<br />

Depression, Angst, Trauma), wie auch auf somatische Erkrankungen,<br />

insbesondere HIV und Hepatitiden, die sich unter SGB<br />

ebenso erfolgreich behandeln lassen, wie bei Nichtabhängigen,<br />

selbst bei komplexen Koinfektionen (z. B. gleichzeitiges Vorliegen<br />

von HIV und Hepatitis). Auf Interaktionen der Medikamente, auch<br />

mit dem Substitutionsmittel und zusätzlichem Substanzkonsum,<br />

ist besonders zu achten.<br />

Alter<br />

Das durchschnittliche Alter der in Substitution stehenden PatientInnengruppe<br />

ist steigend. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts<br />

wird eine beachtliche Gruppe auf die Infrastruktur der Altersmedizin<br />

(SPITEX, Alters- und Pfl egebetreuungseinrichtungen)<br />

angewiesen sein. Hierfür sind heute einzuleitende Massnahmen<br />

erforderlich. 15<br />

SGB im Spital und im Gefängnis<br />

Bei Spitalaufenthalt (somatisch oder psychiatrisch) ist eine<br />

Fortführung oder die Einleitung einer SGB sinnvoll oder gar notwendig,<br />

da ein erzwungener Entzug eine Behandlung gefährdet.<br />

Auch im Gefängnis, wo Insassen dasselbe Recht auf Behandlung<br />

einer Krankheit haben wie in Freiheit, muss die SGB als selbstverständliche<br />

Option der Behandlung Opioidabhängiger zur Verfügung<br />

stehen und fachgerecht durchgeführt werden können. 16<br />

Soziales<br />

Da es sich bei den Empfehlungen um medizinische Empfehlungen<br />

handelt, wird dem wichtigen sozialarbeiterischen/sozialpädagogischen<br />

Aspekt nur so weit Rechnung getragen, wie es für<br />

ÄrztInnen zur interdisziplinären Zusammenarbeit wichtig ist. Die<br />

Erarbeitung schweizweit gültiger Empfehlungen im Umgang mit<br />

Opioidabhängigen im Sozialbereich wäre zu begrüssen.<br />

Demographie der medizinischen Grundversorger<br />

So wie die Kohorte der PatientInnen unter SGB älter wird,<br />

nimmt auch das Alter der substituierenden HausärztInnen zu.<br />

Etliche der jetzt in diesem Bereich engagierten Grundversorger-<br />

Innen begannen als Pioniere per «learning by doing», lange bevor<br />

es fachlich fundierte Empfehlungen gab. Die meisten nutzten<br />

Fortbildungsangebote. Die kontinuierliche, über Jahre dauernde,<br />

bei Bedarf auch niederschwellige Beziehungsarbeit zwischen PatientIn<br />

und Arzt/Ärztin gilt als einer der Erfolgsfaktoren von SGB.<br />

In den letzten Jahren kam es durch erste Pensionierungen zu einer<br />

Konzentration von SGB-PatientInnen bei einzelnen GrundversorgerInnen.<br />

Im Kanton St. Gallen bspw. führen zwar noch 205 PraktikerInnen<br />

die insgesamt 730 SGB durch. Über 50% dieser ÄrztInnen<br />

sind aber über 55-jährig und 10 ÄrztInnen betreuen 247, also etwa<br />

33% aller PatientInnen. Kürzliche Erfahrungen zeigten, dass PraxisnachfolgerInnen<br />

nicht gewillt sind, eine grössere Anzahl von<br />

SGB-PatientInnen zu übernehmen.<br />

Kernkompetenz: chronische Krankheiten<br />

Die in der Grundversorgung Tätigen beschäftigen sich schwergewichtig<br />

mit chronischen Krankheiten, deren Behandlung oft<br />

durch Behandlungsunterbrüche durch die PatientInnen erschwert<br />

werden oder die unheilbar langsam zum Tod führen (Diabetes,<br />

Herzkrankheiten, Tumorleiden). Insofern sind ihnen die Charakteristika<br />

einer SGB grundsätzlich nicht fremd.<br />

Qualität der Behandlung<br />

Die SGB soll dazu beitragen, eine instabile, dekompensierte<br />

Abhängigkeit in eine stabile, kompensierte Abhängigkeit über-<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 25


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

zuführen. Als dekompensiert gilt eine Abhängigkeit, wenn sie<br />

zentrale Lebensbereiche wie Selbstfürsorge, soziale Beziehungen<br />

ausserhalb der Szene von Abhängigen, Erwerbstätigkeit oder<br />

sinngebende Beschäftigung massgeblich einschränkt. Um diese<br />

Einschränkungen zu reduzieren, stehen folgende Zielsetzungen<br />

im Vordergrund: Die Verringerung der Mortalität, die Verbesserung<br />

der Gesundheitssituation, präventiv die Reduktion des Risikos<br />

neuer zusätzlicher Erkrankungen, die Erhöhung sozialer Kompetenzen<br />

und der sozialen Integration und die Steigerung der<br />

Lebensqualität. Die wichtigsten Qualitätskriterien sind das Verbleiben<br />

in der Behandlung und die Reduktion des Zusatzkonsums.<br />

Sowohl die klassischen HausärztInnen als EinzelkämpferInnen<br />

wie «disease management»-Ansätze, d. h. systematische Formen<br />

der Behandlung chronischer Krankheiten in modernen Formen<br />

der Grundversorgung können versuchen, ihre Behandlungen an<br />

diesen Zielsetzungen auszurichten.<br />

Prozess- versus Strukturqualität<br />

Die aktuelle Situation ist paradox. Die Zeit der Grabenkriege<br />

ist vorbei. Noch nie wussten wir so gut, wie SGB im medizinischen<br />

Bereich durchgeführt werden sollte und noch nie gab es so wenig<br />

Differenzen zwischen den involvierten AkteurInnen (suchtmedizinische<br />

Fachgesellschaft, nicht-ärztliche Suchtfachpersonen,<br />

BAG und KantonsärztInnen). Das kochbuchartige internetbasierte<br />

Handbuch, sowie die regelmässigen Fortbildungsangebote der<br />

suchtmedizinischen Netzwerke garantieren eine auf die Gewohnheiten<br />

der GrundversorgerInnen zugeschnittene Wissensvermittlung.<br />

Die KantonsärztInnen haben sich auf einen Richtlinien-<br />

Mustertext geeinigt, worin sie die gesetzlichen Bestimmungen<br />

und Richtlinien auf das administrativ notwendige Minimum beschränken<br />

und den behandelnden ÄrztInnen auf der Grundlage<br />

der SSAM-Empfehlungen möglichst viel therapeutische Freiheit<br />

gewähren (die Kantone sind aber frei, diesen Vorschlag zu übernehmen).<br />

Damit sind viele Voraussetzungen für eine optimale<br />

Prozessqualität gegeben. Und jetzt zeigen sich Schwächen in der<br />

Versorgungsstruktur: zu wenige, zunehmend überlastete GrundversorgerInnen,<br />

welche in Genuss der erwähnten Veränderungen<br />

kommen könnten. Das schlechte Image von SGB-PatientInnen,<br />

oft geprägt von Einzelfällen, macht es schwer, die nachrückende<br />

Ärzteschaft in der Grundversorgung für diese Aufgabe zu gewinnen.<br />

Dabei spielt auch das veränderte Selbstbild der neuen Grundversorgergeneration<br />

(unselbstständige Teilzeitarbeit, geringere<br />

Risikobereitschaft) und deren Sozialisierung (bspw. durch Ausbildung<br />

im Ausland) eine Rolle. Das bewährte Viersäulenmodell mit<br />

den Schwerpunkten Therapie, Prävention, Schadensminderung<br />

oder Harmreduction und Repression ist bei dieser Generation oft<br />

nicht mehr verinnerlicht.<br />

26 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong><br />

Unterwegs zu neuen Strukturen<br />

Die skizzierten Strukturprobleme sind noch nicht allen Kantonen<br />

bewusst, bzw. nehmen in der Prioritätenliste der Lösungsansätze<br />

zukünftiger Versorgungsprobleme in der Grundversorgung<br />

keinen Spitzenplatz ein. Die suchtmedizinischen Netzwerke<br />

(mitfi nanziert durch die Kantone) sollten die KantonsärztInnen<br />

– verantwortlich für die Umsetzung des Betäubungsmittelgesetzes<br />

und damit die korrekte und fl ächendeckende Versorgung<br />

mit SGB – darauf aufmerksam machen und Situationsanalysen<br />

anbieten. Zusammen mit den KantonsärztInnen sollten die Netzwerke<br />

in Zukunft vermehrt gezielt GrundversorgerInnen zu SGB-<br />

Grundkursen einladen, wie dies bspw. in St. Gallen geschieht mit<br />

Veranstaltungen zu «SGB – State of the Art 201x», einem Modell,<br />

das sich sehr bewährt. Um einen minimalen Behandlungsstandard<br />

zu erreichen, kann es auch sinnvoll sein, die Bewilligung zur<br />

Abgabe von Substitutions-Substanzen vom Besuch eines Einführungskurses<br />

abhängig zu machen, wie dies der Kanton Zürich seit<br />

Jahren tut. Dabei soll die korrekte Behandlung der Opioidabhängigkeit<br />

als chronischer Krankheit vermittelt, aber auch auf spezifi<br />

sche Fragestellungen eingegangen werden wie Komedikation<br />

(z. B. Benzodiazepine), Motivierende Gesprächsführung, Umgang<br />

mit störenden Faktoren (Zahlungsmoral, Zuverlässigkeit bezüglich<br />

Terminen), Rolle der medizinischen PraxisassistentInnen,<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit etc.). Jüngere GrundversorgerInnen<br />

erleben es als Entlastung, wenn durch vermehrte Zusammenarbeit<br />

mit Apotheken, Suchtfachstellen und ambulanter<br />

Psychiatrie die Verantwortlichkeit aufgeteilt werden kann. Auch<br />

hier sind die suchtmedizinischen Netzwerke gefordert, die entsprechenden<br />

Prozesse einer integrierten SGB-Versorgung vorzubereiten<br />

und die beteiligten Fachleute darin einzuführen. Wichtig<br />

wäre auch, die fi nanzielle Abgeltung für die SGB durch Hausärzt-<br />

Innen im TARMED dem Aufwand entsprechend festzulegen. Dies<br />

alles wird erleichtert durch zusätzliche Bestrebungen des BAG zur<br />

Steigerung der Attraktivität der Hausarztmedizin. 17 Durch eine<br />

optimale Motivation und Unterstützung sollte es möglich sein,<br />

für GrundversorgerInnen die «undankbare» Aufgabe der Suchtbehandlung<br />

wieder zu einer herausfordernden, attraktiven Behandlung<br />

zu machen..<br />

Literatur<br />

BAG - Bundesamt für Gesundheit (2009): Substitutionsgestützte<br />

Behandlungen bei Opioidabhängigkeit. Empfehlungen des<br />

Bundesamtes für Gesundheit (BAG), der Schweizerischen Gesellschaft<br />

für Suchtmedizin (SSAM), der Vereinigung der Kantonsärztinnen<br />

und Kantonsärzte Schweiz (VKS). www.tinyurl.com/d69sy55, Zugriff<br />

28.12.2012.<br />

Eidgenössische Betäubungsmittelkommission (1984): Methadonbericht,<br />

Suchtmittelersatz in der Behandlung Heroinabhängiger in der Schweiz.<br />

Beilage zum Bulletin des Bundesamt für Gesundheitswesen Nr. 3.<br />

Eidgenössische Betäubungsmittelkommission (1989): Methadonbericht,<br />

Suchtmittelersatz in der Behandlung Heroinabhängiger in der<br />

Schweiz (zweite Aufl age); Herausgegeben vom Bundesamt für<br />

Gesundheitswesen. Bern: Eidgenössische Druck- und Materialzentrale.<br />

Eidgenössische Betäubungsmittelkommission (1995): Methadonbericht,<br />

Suchtmittelersatz in der Behandlung Heroinabhängiger in<br />

der Schweiz (dritte Aufl age); Herausgegeben vom Bundesamt<br />

für Gesundheitswesen. Bern: Eidgenössische Druck- und<br />

Materialzentrale.<br />

NICE - National Institute for Health and Clinical Excellence (2007):<br />

Methadone and buprenorphine for the management of opioid<br />

dependence, www.guidance.nice.org.uk.<br />

Soyka, M./Kranzler, H.R./van den Brink, W./Krystal, J./Moller, H.J./Kasper,<br />

S. (2011): The world federation of societies of biological psychiatry<br />

(WFSBP) guidelines for the biological treatment of substance use<br />

and related disorders. Part 2: Opioid dependence. World Journal of<br />

Biological Psychiatry 12: 160-87.<br />

SSAM - Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (2012): Medizinische<br />

Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlungen (SGB) bei<br />

Opioidabhängigkeit, www.ssam.ch<br />

WHO - World Health Organization (2009): Guidelines for the psychosocially<br />

assisted pharmacological treatment of opioid dependence.<br />

www.tinyurl.com/dxmpwfz, Zugriff 08.12.2012.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. SSAM 2012.<br />

2 Vgl. Eidgenössische Betäubungsmittelkommission (1984).<br />

3 Vgl. Eidgenössische Betäubungsmittelkommission (1989).<br />

4 Vgl. Eidgenössische Betäubungsmittelkommission (1995).<br />

5 Vgl. BAG 2009.<br />

6 www.fosumos.ch<br />

7 Forum Suchtmedizin Innerschweiz, www.fosumis.ch<br />

8 collège romand de médecine de l’addiction,<br />

www.romandieaddiction.ch<br />

9 ticino(addiction), www.ticinoaddiction.ch<br />

10 Vgl. WHO 2009.<br />

11 Vgl. Soyka et al. 2011.<br />

12 Vgl. NICE 2007.<br />

13 Weiterführende Literatur zum Artikel vgl. Referenzen jeweils am<br />

Kapitelende der Langversion der Empfehlungen zur SGB, SSAM 2012.<br />

14 Vgl. auch den Artikel von Bachmann in dieser Ausgabe.<br />

15 Vgl. auch den Artikel von Hälg & Dürsteler-MacFarland in dieser<br />

Ausgabe.<br />

16 Vgl. auch den Artikel von Chatterjee in dieser Ausgabe.<br />

17 Vgl. auch den «Masterplan Hausarztmedizin und medizinische<br />

Grundversorgung» vom Bundesamt für Gesundheit BAG,<br />

www.tinyurl.com/bcgecrn, Zugriff 12.01.<strong>2013</strong>.


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Substitution in der<br />

Behandlungskette<br />

Auf ihrem Behandlungspfad – sowohl stationär als auch ambulant – sollte<br />

opioidabhängigen Personen jederzeit eine substitutionsgestützte Behandlung<br />

(SGB) zugänglich sein. Die Opioidabhängigkeit geht häufig mit weiteren<br />

psychischen und körperlichen Erkrankungen einher, deren teilweise<br />

anspruchsvolle Behandlung oft erst im Setting einer SGB möglich wird. Bei<br />

mehreren in die Behandlung involvierten SpezialistInnen ist eine Fallkoordination<br />

angezeigt, wobei substituierenden HausärztInnen eine wichtige Rolle<br />

zukommt. Bei Abstinenzphasen sollte die mögliche Wiederaufnahme einer<br />

SGB gut vorbereitet sein.<br />

Thilo Beck<br />

Dr. med., Chefarzt Psychiatrie, Arud Zentren für Suchtmedizin,<br />

Konradstrasse 32, CH-8005 Zürich, t.beck@arud.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Behandlung | Fallkoordination | Opioidabhängigkeit |<br />

SGB für wen?<br />

In der Schweiz konsumieren etwa 25’000 Personen problematisch<br />

Heroin. 1 Im Gegensatz zu den USA, wo im Zusammenhang<br />

mit dem Konsum nicht verschriebener opioidhaltiger Schmerzmittel<br />

eine zunehmende Zahl von jüngeren Opioidabhängigen festgestellt<br />

wird, 2 sind in der Schweiz kaum NeueinsteigerInnen zu verzeichnen.<br />

3 Hier handelt es sich bei den opioidabhängigen Personen<br />

um eine alternde Gruppe mit einem Durchschnittsalter von aktuell<br />

zirka 42 Jahren. 4<br />

Nach heutigem Erkenntnisstand ist die SGB bei dekompensierter<br />

Opioidabhängigkeit als Behandlung der ersten Wahl zu sehen. SGB<br />

sollte auch nach erreichter Stabilisierung langfristig weitergeführt<br />

werden, angesichts einer im weiteren Verlauf zu erwartenden<br />

Abstinenzrate von nur 2-3% pro Jahr. Die Sterblichkeit Opioidabhängiger<br />

kann unter SGB stark gesenkt werden, Abbrüche einer<br />

laufenden SGB führen damit zu vermeidbaren Todesfällen, psychosozialer<br />

Destabilisierung und einer Erhöhung des Risikos weiterer<br />

Selbstschädigung. Abstinenzorientierte Ansätze sollten nur nach<br />

eingehender Vorbereitung und immer mit der Option einer Wiederaufnahme<br />

der SGB zur Anwendung kommen.<br />

Opioidabhängigkeit als chronische Erkrankung<br />

Die Opioidabhängigkeit ist eine chronische Erkrankung, die Betroffene<br />

in über die Zeit wechselnder und individuell unterschiedlicher<br />

Ausprägung über Jahrzehnte und teilweise das ganze Leben<br />

lang begleitet. 5 Der Verlauf der Erkrankung ist nicht als lineare Entwicklung<br />

zu verstehen, Phasen eines exzessiven, unkontrollierten<br />

Konsums können sich in allen möglichen Reihenfolgen mit Perioden<br />

eines moderaten oder kontrollierten Konsums und mit Phasen<br />

der Abstinenz abwechseln.<br />

Das Modell des «Chronic Care Management»<br />

in der Medizin<br />

Im Bereich der Inneren Medizin fi ndet zur Behandlung des<br />

steigenden Anteils chronischer Erkrankungen wie Diabetes oder<br />

Hypertonie der Ansatz des «Chronic Care Managements» 6 zunehmend<br />

Beachtung. Dabei geht es um eine kontinuierliche und aktive<br />

Einbindung häufi g multimorbider PatientInnen in das Behandlungssystem.<br />

Zusammen mit dem Patienten/der Patientin werden<br />

nach eingehender Information über Krankheitsmechanismen,<br />

Chancen und Risiken der Behandlung die zu verändernden Zielsymptome<br />

defi niert und die zur Zielerreichung notwendigen bzw.<br />

vereinbarten bio-psycho-sozialen Interventionen anhand regelmässiger<br />

Routinekontrollen entweder in der Praxis oder telefonisch/<br />

webbasiert laufend überprüft und angepasst. Diese Begleitung<br />

wird durch den Hausarzt in Zusammenarbeit mit einer speziell ausgebildeten<br />

Pfl egekraft oder PraxisassistentIn gewährleistet, mit<br />

der Möglichkeit des Beizugs weiterer SpezialistInnen bei Bedarf.<br />

Ziel dieses Ansatzes ist es, die PatientInnen aktiv über eine koordinierende<br />

Anlaufstelle in eine oft multimodale und interdisziplinäre<br />

Behandlung einzubeziehen und zu einer langfristigen, informierten<br />

Mitarbeit zu motivieren. Damit sollen mögliche Probleme im Behandlungsverlauf<br />

frühzeitig erkannt oder gar vermieden werden.<br />

Episodisch orientiertes Behandlungsverständnis im<br />

Suchtbereich<br />

Das im Bereich der Inneren Medizin erprobte «Chronic Care<br />

Management» eignet sich in hohem Masse für die Anwendung bei<br />

PatientInnen mit Substanzstörungen, da es eine pragmatische,<br />

längerfristige Zusammenarbeit mit ihnen unterstützt und durch<br />

seinen koordiniert interdisziplinären Ansatz die Behandlung der<br />

auch bei Substanzstörungen häufi gen komorbiden Erkrankungen<br />

einbezieht. Ein solcher langfristig und präventiv ausgerichteter,<br />

umfassender Ansatz wird im Suchtbereich aber noch kaum angewendet.<br />

Nur ein kleiner Teil der Betroffenen befi ndet sich überhaupt<br />

in Behandlung (im Alkoholbereich z. B. nur 10-20% der problematisch<br />

Konsumierenden 7 ) und wird typischerweise episodisch,<br />

anlässlich akuter Krisen behandelt – mit häufi gem Kontaktverlust<br />

nach Abschluss einer Nachsorge/Entwöhnungsbehandlung.<br />

Günstigere Ausgangslage für Opioidabhängige<br />

Etwas anders präsentiert sich die Ausgangslage bei der Gruppe<br />

der opioidabhängigen Personen. In der Schweiz befi nden sich 60%<br />

der problematisch Konsumierenden in einer Substitutionsbehandlung,<br />

8 etwa 90% haben sich schon mindestens einmal einer SGB<br />

unterzogen. Die SGB bietet damit durch ihre Verbreitung und ihr<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 27


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

strukturiertes Setting (regelmässige Kontakte bei Substanzbezug)<br />

ausgezeichnete Voraussetzungen und Rahmenbedingungen als<br />

Zugangspforte zu den Betroffenen und für die Umsetzung umfassender<br />

Behandlungsangebote im Sinne eines Chronic Care Management.<br />

Durch die im Rahmen der SGB gegebenen längerfristigen und<br />

regelmässigen Kontakte mit der Behandlungsstelle eröffnet sich<br />

die Möglichkeit der Herstellung einer nachhaltigen, intrinsischen<br />

Therapiemotivation und einer entsprechenden Therapietreue. Die<br />

im Bereich der Suchttherapie entwickelte und zunehmend auch bei<br />

der Behandlung anderer chronischer Erkrankungen in der Inneren<br />

Medizin und der Infektiologie angewendete Methode der motivierenden<br />

Gesprächsführung (MI) nach Miller & Rollnick 9 hat sich zu<br />

diesem Zweck sehr bewährt.<br />

Herausforderungen<br />

Eine Herausforderung bezüglich der Aufrechterhaltung der<br />

Kontinuität der Behandlung und der Gewährleistung des notwendigen<br />

Informationsfl usses zwischen den BehandlerInnen stellen<br />

die bei einem Teil der PatientInnen in der SGB immer wieder zu<br />

beobachtenden unangekündigten Behandlungsabbrüche dar. 10 Die<br />

SGB wird in der Regel nach einem gewissen Intervall und oft verbunden<br />

mit einem BehandlerInnenwechsel wieder aufgenommen.<br />

Die Abbrüche sind wohl am ehesten mit ungenügend geklärten<br />

konfl iktiven Erwartungen zwischen PatientIn und BehandlerIn zu<br />

erklären. Hier muss zur Verbesserung der Therapietreue der Fokus<br />

wohl noch stärker auf eine transparente Zusammenarbeit mit den<br />

PatientInnen und auf eine Klärung der für sie relevanten Zielsetzungen<br />

der SGB gesetzt werden. Dies bedarf einer empathischen,<br />

wertschätzenden und unterstützenden therapeutischen Haltung<br />

zur Förderung der intrinsischen Motivation, wie sie über die Anwendung<br />

von MI sehr gut vermittelt werden kann.<br />

Eine weitere Herausforderung liegt in der Breite des potentiell<br />

zur Verfügung zu stellenden therapeutischen Angebots, das ja<br />

über die sucht- und substitutionsspezifi schen Aspekte hinaus<br />

auch weitere psychotherapeutisch/psychiatrische, somatische<br />

und soziale Problemstellungen abdecken sollte. Spezialisierte<br />

Einrichtungen können ein derartiges interdisziplinäres Angebot<br />

unter einem Dach realisieren. Andere Institutionen sind hier auf<br />

eine gute und strukturierte Zusammenarbeit mit SpezialistInnen<br />

aus den jeweiligen Fachgebieten angewiesen, wobei die Frage der<br />

Fallführung bei dieser Form der Kooperation jeweils besonders<br />

zu beachten und zu klären ist. Vor allem für Hausärzte, die im<br />

Schweizer Versorgungsmodell einen unverzichtbaren Beitrag zur<br />

Gewährleistung fl ächendeckend und niederschwellig verfügbarer<br />

Substitutionsangebote leisten, stellt sich angesichts der zunehmenden<br />

Komplexität der Behandlungen das Problem des Zugangs<br />

zu entsprechendem fachspezifi schem Wissen aus den Bereichen<br />

Psychiatrie, Infektiologie und Soziale Arbeit. Hier müssen zur<br />

Förderung des für den Grundversorger notwendigen Fachwissens<br />

und zum Aufbau weiterführender, interdisziplinärer Informationsund<br />

Behandlungsnetzwerke entsprechende Kooperationsmodelle<br />

mit suchtmedizinischen Facheinrichtungen sowie die Informationsvermittlung<br />

und Vernetzung über geeignete internetbasierte<br />

Plattformen dringend ausgebaut werden.<br />

Individualisierte Behandlungsansätze<br />

Angesichts der oft komplexen Problemstellungen mit psychischen,<br />

somatischen und sozialen komorbiden Erkrankungen und<br />

Störungen in unterschiedlichen Kombinationen und wechselnden<br />

zeitlichen Ausprägungen sollten therapeutische Angebote nach<br />

individueller Abklärung bedarfs- und ressourcengerecht zusammengestellt<br />

werden. Dabei ist auch bei jedem Wechsel des Behandlungssettings<br />

die Frage zu klären, ob und in welcher Form<br />

eine Substitutionsbehandlung angezeigt ist. Bei der Wahl der Substitutionsbehandlung<br />

selbst sollten unbedingt die Möglichkeiten<br />

der verschiedenen zur Ersatzbehandlung zur Verfügung stehenden<br />

28 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong><br />

Substanzen für eine möglichst nebenwirkungsarme und gut verträgliche<br />

Einstellung berücksichtigt werden. Einmal erarbeitete<br />

Therapiekonzepte sollten im Verlauf immer wieder überprüft und<br />

angepasst werden.<br />

Die Bedeutung eines tragfähigen Behandlungsnetzes<br />

Über die Jahre beschreiten Substitutions-PatientInnen vielfältige<br />

Behandlungswege mit meist kurzfristigen stationären oder<br />

teilstationären Kriseninterventionen und Behandlungen in psychiatrischen<br />

Kliniken, längerfristigen stationären Drogentherapien<br />

mit rehabilitativem Charakter, stationären medizinischen Interventionen,<br />

Gefängnisaufenthalten, begleitetem Wohnen und ambulanten<br />

psychiatrischen/psychotherapeutischen und/oder medizinischen<br />

Behandlungsabschnitten. Hier kann von regelrechten<br />

Netzen gesprochen werden, mit den entsprechend zu pfl egenden<br />

Schnittstellen zwischen den verschiedenen zeitgleich oder aufeinanderfolgend<br />

zum Einsatz kommenden BehandlerInnen. Dazu<br />

bedarf es eines gemeinsamen Grundverständnisses des therapeutischen<br />

Vorgehens und eines genügenden Informationsfl usses,<br />

um bei Überweisungen die individuellen Problemsituationen der<br />

PatientInnen und die daraus abgeleiteten therapeutischen Massnahmen<br />

adäquat zu erfassen. Die Prinzipien der Anwendung der<br />

SGB müssen von allen AkteurInnen des Netzwerkes verstanden<br />

werden, und sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich<br />

muss eine den heutigen Standards entsprechende SGB stets<br />

verfügbar sein.<br />

SGB als Grundlage für die Behandlung weiterer psychischer<br />

und körperlicher Erkrankungen und sozialer<br />

Problemstellungen<br />

Das Setting der SGB eignet sich aufgrund der durch den Substanzbezug<br />

gegebenen regelmässigen Kontakte in idealer Weise<br />

als Grundlage für die ansonsten bei dieser Klientel im ambulanten<br />

Bereich oft schwierig zu realisierende Behandlung komorbider psychischer<br />

und somatischer Erkrankungen. Abklärung, Behandlung<br />

und Verlaufskontrollen lassen sich zwanglos im strukturierten<br />

SGB-Setting integrieren. So können z. B. auch anspruchsvolle infektiologische<br />

Behandlungen (HIV, HCV) im Setting der SGB mit<br />

vergleichbaren Erfolgsraten wie in der Behandlung von Personen<br />

ohne Substanzstörung realisiert werden. 11<br />

Alterung der Patientengruppe<br />

Das zunehmende Alter der Opioidabhängigen in der Schweiz<br />

stellt eine grosse Herausforderung an das Behandlungssystem dar,<br />

indem mit einer zunehmenden Zahl behandlungsbedürftiger Erkrankungen<br />

zusätzlich zur Suchtstörung gerechnet werden muss. 12<br />

Auch hier bietet das Setting der SGB eine solide Grundlage für die<br />

Behandlung weiterer psychischer und körperlicher Erkrankungen. 13<br />

Andererseits muss im Zuge einer adäquaten Integration der SGB<br />

für AlterspatientInnen neu zu defi nierenden Behandlungsangeboten<br />

(ambulante Spitex-Betreuung, Pfl egeheime) besondere Beachtung<br />

geschenkt werden. 14<br />

SGB in Gefangenschaft<br />

Personen in Haft haben den gleichen Anspruch auf eine umfassende<br />

medizinische Versorgung wie die restliche Bevölkerung. Die<br />

Indikationskriterien für die Aufnahme oder Weiterführung einer<br />

SGB gelten also auch unter Haftbedingungen. In Haft werden illegale<br />

Drogen zwar seltener aber oft risikoreicher konsumiert. Zudem<br />

ist das Risiko beträchtlich, dass es nach der Abstinenz unter<br />

Haftbedingungen bei einer Wiederaufnahme des Heroinkonsums<br />

nach der Haftentlassung zu einer tödlichen Intoxikation kommt. 15<br />

Deshalb ist der schützende Effekt der SGB für Personen, die eine<br />

Haftstrafe zu verbüssen haben, als besonders hoch einzuschätzen,<br />

und zwar für den Zeitraum während der Haftverbüssung wie auch<br />

nach der Entlassung. 16


Ausblick<br />

Angesichts des chronischen Verlaufs der Opioidabhängigkeit,<br />

des hohen Anteils dauerhaft Substituierter und des zunehmenden<br />

Alters der Opioidabhängigen in der Schweiz kommt der SGB zur<br />

Stabilisierung und Optimierung der Behandlungsverläufe dieser<br />

oft multimorbiden Personen im ambulanten und stationären Setting<br />

eine wichtige und im Hinblick auf die Alterung immer grössere<br />

Bedeutung zu. Eine hoch individualisierte, bedarfsgerechte SGB<br />

sollte in allen Settings als Grundpfeiler eines interdisziplinären Angebots<br />

zur Verfügung stehen. HausärztInnen, die bei Bedarf durch<br />

spezialisierte Einrichtungen und Informationsplattformen unterstützt<br />

werden, kommt im Hinblick auf eine möglichst umfassende<br />

und fl ächendeckende Versorgung eine grosse Bedeutung zu. Die<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit, Koordination und Vernetzung<br />

muss in allen Settings über die Schnittstellen hinweg weiterentwickelt<br />

und ausgebaut werden..<br />

Literatur<br />

BAG - Bundesamt für Gesundheit (2010): Die Nationale Methadon-Statistik.<br />

www.tinyurl.com/dyzkrjy, Zugriff 26.01.<strong>2013</strong>.<br />

Fareed, A. et al. (2009): Benefi ts of retention in methadone maintenance and<br />

chronic medical conditions as risk factors for premature death among<br />

older heroin addicts. Journal of Psychiatric Practice 15 (3): 227-234.<br />

Hellard, M. et al. (2009): Hepatitis C treatment for injection of drug users: a<br />

review of the available evidence. Oxford Journals 49 (4): 561-573.<br />

Holmes, D. (2012): Prescription drug addiction: the treatment challenge.<br />

Lancet 379(9810): 17-8.<br />

Keppler, K et al. (2010): Prison Health is Public Health! Angleichungs- und<br />

Umsetzungsprobleme in der gesundheitlichen Versorgung Gefangener<br />

im deutschen Justizvollzug Bundesgesundheitsblatt 53: 233–244.<br />

Maffl i, E./Delgrande, Jordan, M. (2012): Altersentwicklung in der Suchthilfe:<br />

neue Herausforderungen für die Praxis? <strong>SuchtMagazin</strong> 3/2010: 16-19.<br />

McKenzie, M. et al. (2012): A randomized trial of methadone initiation prior to<br />

release from incarceration. Substance Abuse: 33 (1): 19-29.<br />

Nordt, C./Stohler, R. (2011): Heroinabhängigkeit. Ein Update zur Problemlage<br />

und Versorgung im Kanton Zürich. Methadonevaluation des Kantons<br />

Zürichs. Bericht der Begleitevaluation Nr. 17.<br />

Nordt, C. et al. (2009): Estimating incidence trends in regular heroin use in<br />

26 regions of Switzerland using methadone treatment data. Substance<br />

Abuse Treatment Prevention, Policy: 4-14. www.tinyurl.com/aq9nyw6,<br />

Zugriff 26.01.<strong>2013</strong>.<br />

Nordt, C. et al. (2004): Gründe für die Beendigung von<br />

Methadonbehandlungen. Methadonevaluation des Kantons Zürichs.<br />

Bericht der Begleitevaluation Nr. 11.<br />

Rollnick, S./William, R. (2009): Motivierende Gesprächsführung. Freiburg:<br />

Lambertus.<br />

Rosen, D. et al. (2008): The prevalence of mental and physical health<br />

disorders among older methadone patients. American Journal of<br />

Geriatric Psychiatry 16 (6): 488-497.<br />

Rumpf, H.J./Meyer, C. (2000): Inanspruchnahme suchtspezifi scher Hilfen<br />

von Alkoholabhängigen und -Missbrauchern: Ergebnisse der TACOS<br />

Bevölkerungsstudie. Sucht 46: 9–17.<br />

Wagner, E.H. et al. (1996): Improving outcomes in chronic illness. Managed<br />

Care Quarterly 4 (2): 12-25.<br />

WHO - World Health Organization (2009): Guidelines for the psychosocially<br />

assisted pharmacological treatment of opioid dependence. www.<br />

tinyurl.com/dxmpwfz, Zugriff 26.01.<strong>2013</strong>.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. BAG 2010.<br />

2 Vgl. Holmes 2012.<br />

3 Vgl. Nordt 2009.<br />

4 Vgl. Maffl i/Delgrande et al. 2012; Jordan 2010. Vgl. auch den Beitrag von<br />

Hälg/Dürsteler-MacFarland in dieser Ausgabe.<br />

5 Vgl. WHO 2009.<br />

6 Vgl. Wagner et al. 1996.<br />

7 Vgl. Rumpf/Meyer 2000.<br />

8 Vgl. Nordt 2011.<br />

9 Vgl. Rollnick/William 2009.<br />

10 Vgl. Nordt et al. 2004.<br />

11 Vgl. Hellard et al. 2009.<br />

12 Vgl. Rosen et al. 2008.<br />

13 Vgl. Fareed et al. 2009.<br />

14 Vgl. auch den Beitrag von Hälg/Dürsteler-MacFarland in dieser<br />

Ausgabe.<br />

15 Vgl. Keppler 2010.<br />

16 Vgl. McKenzie et al. 2012. Vgl. auch den Beitrag von Chatterjee in dieser<br />

Ausgabe.


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Substitution im Alter<br />

Personen in substitutionsgestützter Behandlung werden zunehmend älter.<br />

Mit dem Alter nehmen komorbide Störungen und soziale Defizite zu und haben<br />

u. a. Einschränkungen der Mobilität zur Folge. Dies erfordert einen Ausbau an<br />

altersgerechten Wohnformen, welche den spezifischen Bedürfnissen dieser<br />

Gruppe von Personen gerecht werden.<br />

Regula Hälg<br />

Lic. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin Infodrog, Eigerplatz 5,<br />

Postfach 460, CH-3000 Bern 14, r.haelg@infodrog.ch, www.infodrog.ch<br />

Kenneth M. Dürsteler-MacFarland<br />

Dr. des. phil., Klinischer Psychologe, Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen,<br />

UPK Basel, Wilhelm Klein-Str. 27, CH-4012 Basel, kenneth.duersteler@upkbs.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Behandlung | Alter | Wohnform | Komorbidität | Pharmakologie |<br />

Durchschnittsalter substituierter Personen steigt<br />

In der Schweiz befi nden sich rund 19‘000 Personen in einer<br />

substitutionsgestützten Behandlung. 1 Als solche wird die<br />

Kombination der Substitution mit den derzeit registrierten<br />

Medikamenten Methadon, Buprenorphin und Diacetylmorphin<br />

als Basisbehandlung mit medizinischen Behandlungen sowie<br />

Unterstützung im Sozialbereich verstanden. 2 Ende 2011 waren<br />

1’392 Personen in heroingestützter Behandlung (Substitution<br />

mit Diacetylmorphin). 3 Das Durchschnittsalter der PatientInnen<br />

betrug 2011 41.6 Jahre, die Spannweite reicht von 21 bis<br />

74 Jahren. Die folgende Abbildung zeigt die Altersverteilung der<br />

PatientInnen in heroingestützter Behandlung für die Jahre 1994<br />

bis 2011. Im Jahr 1994 waren lediglich 1.6% der PatientInnen über<br />

45 Jahre alt; dieser Anteil betrug 2011 bereits 36.2%.<br />

Die Zahl der Neueintritte in die heroingestützte Behandlung<br />

ist seit 2005 konstant und beträgt zwischen 100 und 150 Personen.<br />

Abb. 2 zeigt, dass das Alter bei Neueintritt ebenfalls angestiegen<br />

ist: Seit 2005 ist jede zweite Person, die neu eintritt,<br />

über 35 Jahre alt und rund 10% der neu Eingetretenen sind über<br />

45 Jahre alt.<br />

Der Anstieg des Alters bei den neu eintretenden Personen<br />

wirft die Frage auf, ob Heroinabhängigkeit ein Kohortenphänomen<br />

ist, also ein Phänomen, das sich auf altersgleiche Personengruppen<br />

mit vergleichbaren Sozialisationsbedingungen<br />

bezieht. Wäre dies der Fall, müsste allerdings das durchschnittliche<br />

Alter der Ersteintritte jedes Jahr um ein Jahr höher sein.<br />

Andererseits lässt sich die Heroinabhängigkeit nicht als reines<br />

Altersphänomen (als in den gleichen Lebensjahren entstehend)<br />

sehen, denn dann wäre das durchschnittliche Alter bei den Neueintritten<br />

konstant, was aber durchaus nicht der Fall ist. Bei der<br />

Inanspruchnahme einer heroingestützten Behandlung spielen<br />

sowohl Kohorten- wie auch Alterseffekte eine Rolle. 6<br />

Dieselbe Entwicklung zeigt sich auch bei der substitutionsgestützten<br />

Behandlung mit Methadon und Buprenorphin. Per<br />

Ende 2011 befanden sich rund 18‘000 Personen in Behandlung. 7<br />

In der nationalen Methadonstatistik erfolgt allerdings keine<br />

Ausdifferenzierung der Alterskategorien ab 40. 8 Der Anteil der<br />

MethadonbezügerInnen über 40 Jahre beträgt jedoch in den<br />

meisten Kantonen rund 50%.<br />

Exemplarisch sei hier die Altersverteilung der Personen in<br />

Methadonbehandlung (Abb. 4) und die Entwicklung des Anteils<br />

der über 40 jährigen Personen in Methadonbehandlung über die<br />

letzten 4 Jahre hinweg (Abb. 5) für den Kanton Bern dargestellt.<br />

Dabei wird ersichtlich, dass der Anteil dieser Gruppe um gut 10%<br />

(von 43.1% auf 53.6%) angestiegen ist.<br />

Gesundheitliche Probleme der älter werdenden<br />

Personen in substitutionsgestützter Behandlung<br />

Dank der deutlich gestiegenen Lebenserwartung nehmen<br />

– analog zur nicht abhängigen Allgemeinbevölkerung – altersbedingte<br />

Begleiterkrankungen bei substituierten PatientInnen<br />

stetig zu. 11 Körperliche Erkrankungen setzen bei den häufi g vorgealtert<br />

wirkenden PatientInnen allerdings meist früher und<br />

z. T. ausgeprägter ein als bei nicht abhängigen Personen, 12 was<br />

möglicherweise einer chronischen Aktivierung des Immunsy-<br />

100%<br />

unter 25 26 bis 34 35 bis 44 45 bis 54 über 54<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

2010<br />

2011<br />

Abb. 1: Verteilung des Alters aller<br />

HeGeBe-PatientInnen, Schweiz. 4<br />

30 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


stems geschuldet ist, z. B. bei bronchialen, oralen oder dermatologischen<br />

Infektionsherden. 13 Generell scheinen Gesundheitsprobleme,<br />

die vom jahrelangen illegalen Substanzkonsum und<br />

den damit verbundenen Risiken herrühren, die «normalen» altersbedingten<br />

körperlichen und psychischen Funktionseinbussen<br />

zu verschärfen. 14<br />

Somatische Komorbidität<br />

Gegenüber jüngeren mit vergleichbarer Situation, was<br />

Konsum und Lebensführung angeht, weisen ältere SubstitutionspatientInnen<br />

denn auch häufi ger einen schlechteren Allgemeinzustand<br />

auf. 15 Auch bei den Todesursachen unterscheiden<br />

sich ältere erheblich von jüngeren PatientInnen, wie eine<br />

englische Studie zeigt. 16 So hingen die Todesursachen bei in<br />

Behandlung stehenden unter 40-jährigen PatientInnen zu etwa<br />

50% direkt mit dem Drogenkonsum zusammen, während dies<br />

bei den über 40-jährigen nur für etwa einen Viertel galt. Auch in<br />

den nicht direkt drogenassoziierten Todesursachen fanden sich<br />

deutliche Unterschiede. Während bei jüngeren PatientInnen Erkrankungen<br />

der Leber und vorsätzliche Selbstschädigung häufi g<br />

auftraten, waren bei den älteren neben Lebererkrankungen der<br />

Reihe nach vor allem Tumore, Erkrankungen der Lunge sowie<br />

Virushepatitis von Bedeutung.<br />

Die Begleiterkrankungen älterer substituierter PatientInnen<br />

erhöhen nicht nur die Anforderungen an die behandelnden<br />

ÄrztInnen und Institutionen, sondern erfordern meist eine multi-<br />

und interdisziplinäre Zusammenarbeit in einem gut funktionierenden<br />

Versorgungsnetzwerk. Neben den gegenüber der<br />

Allgemeinbevölkerung markant höheren Durchseuchungsraten<br />

mit Infektionskrankheiten wie HCV, HBV und HIV fi nden sich<br />

unter älteren SubstitutionspatientInnen auch gehäuft andere<br />

somatische Leiden, die eine langfristige und regelmässige<br />

medizinische Behandlung erfordern. In einer Studie von Rosen<br />

et al. 17 wurde bei mehr als der Hälfte der über 50-jährigen PatientInnen<br />

eine Arthritis diagnostiziert; bei 45% eine Hypertonie,<br />

bei je über 20% eine chronische Lungenkrankheit, ein Magengeschwür<br />

bzw. ein spastisches Kolon (Reizdarm). Je ein Zehntel<br />

der PatientInnen litt zudem an Herzproblemen, Leberzirrhose<br />

oder Diabetes mellitus. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung<br />

scheinen bei substituierten PatientInnen bestimmte chronische<br />

Leiden häufi g früher aufzutreten. Hierzu zählen u. a. Bluthochdruck,<br />

Gelenkprobleme (Arthrose, Arthritis), Diabetes mellitus,<br />

Osteoporose sowie Leber- und Niereninsuffi zienz. Trotz des klaren<br />

Bedarfs an kontinuierlicher medizinischer Behandlung hat<br />

laut einer US-amerikanischen Studie aber nur ein Bruchteil der<br />

SubstitutionspatientInnen regelmässigen Kontakt zu einem<br />

somatischen Arzt. 18 Für die Schweiz liegen zu dieser Thematik<br />

noch keine verlässlichen Zahlen vor. Bei anhaltendem Substanzkonsum<br />

ist zudem von einer erheblichen Zunahme des im Alter<br />

allgemein erhöhten Sturzrisikos mit der Gefahr von Frakturen<br />

auszugehen. 19 Laut einer grossen dänischen Fall-Kontroll-<br />

Studie scheint dieses Risiko bei einer Medikation mit Morphin<br />

und Methadon vergrössert zu sein, während sich unter den mit<br />

Buprenorphin Behandelten keine Risikoerhöhung fand. 20 Allerdings<br />

beschränkte sich diese bevölkerungsbasierte Studie nicht<br />

auf opioidabhängige PatientInnen. Besonders problematisch<br />

sind in diesem Zusammenhang Befunde einer verminderten<br />

Knochendichte und eines erhöhten Osteoporoserisikos in substituierten<br />

Populationen. 21 Dabei scheint die Knochendichte bei<br />

opiatabhängigen PatientInnen mit fortschreitendem Alter im<br />

Vergleich zur Allgemeinbevölkerung übermässig stark abzunehmen.<br />

22<br />

Psychiatrische Komorbidität<br />

Chronische psychische Störungen, an denen opiatabhängige<br />

Menschen überdurchschnittlich häufi g leiden, 23 klingen nicht<br />

einfach ab, sondern bestehen auch in höherem Lebensalter<br />

fort. 24 Neben Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen<br />

und affektiven Erkrankungen wie Depressionen sind<br />

hier vor allem Persönlichkeitsstörungen und andauernde Persönlichkeitsänderungen,<br />

z. B. nach psychischer Erkrankung zu<br />

nennen, die das Beziehungsverhalten auch im Alter prägen<br />

und zu sozialen Problemen nicht nur im Allgemeinen, sondern<br />

auch in der psychotherapeutischen Beziehung beitragen können.<br />

25 Natürlich treten psychiatrische Störungen wie affektive<br />

Erkrankungen im Alter auch erstmalig auf, in Zusammenhang<br />

mit zunehmenden körperlichen Beschwerden und Verlust der<br />

allgemeinen Leistungsfähigkeit sowie sozialer Ausgrenzung<br />

und Vereinsamung. Eine psychiatrisch-psychotherapeutische<br />

Spezialisierung der behandelnden ÄrztInnen wäre hier sicherlich<br />

wünschenswert, um eine adäquate Behandlung dieser Störungen<br />

zu gewährleisten, insbesondere auch im Hinblick auf die<br />

Erkennung suizidaler Gedanken und Verhaltensweisen. 26<br />

Eine Besonderheit stellt der Alterungsprozess von Patient-<br />

Innen in heroingestützter Behandlung dar. So können der im<br />

Alter zunehmend heiklere Venenstatus aber auch Tremor oder<br />

Sehprobleme die intravenöse Applikation verunmöglichen.<br />

Hier stellt sich die Frage nach der Umstellung auf eine andere<br />

Darreichungsform und/oder auf ein anderes Substitut. Da misslungene<br />

Therapieversuche mit einem peroralen Substitut ein<br />

Kriterium für die Aufnahme von opiatabhängigen Menschen<br />

in die heroingestützte Behandlung darstellen, sollte man jede<br />

Umstellung behutsam angehen, um Rückfälle in den illegalen<br />

Drogenkonsum zu vermeiden.<br />

100%<br />

bis 25 26 bis 30 31 bis 35 36 bis 40 41 bis 45 46 bis 50 über 50<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

2008<br />

2009<br />

2010<br />

2011<br />

Abb. 2: Alter der Neueintritte<br />

heroingestützte Behandlung,<br />

Schweiz. 5<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 31


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Bern 2010<br />

40 jährig und älter<br />

Männer: 1044 (56.2% aller Männer)<br />

Frauen: 351 (47.2% aller Frauen)<br />

Abb. 3: Methadonbehandlungen<br />

nach Alter und Geschlecht,<br />

N=2602, Kt. BE, 2010. 9<br />

bis 19 jährig<br />

20-24 jährig<br />

25-29 jährig<br />

30-34 jährig<br />

35-39 jährig<br />

40 jährig und älter<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />

Pharmakologische Aspekte<br />

Die im Alter gehäuft auftretenden Beschwerden und Erkrankungen<br />

bedingen bei älteren SubstitutionspatientInnen<br />

oft eine vielfältige und komplizierte Medikation. Diese ist in<br />

Bezug auf Interaktionen bei medikamentösen Kombinationsbehandlungen,<br />

die auch das Substitut betreffen, zunehmend<br />

schwieriger zu überblicken. Hier empfi ehlt sich die Zuhilfenahme<br />

einer webbasierten Interaktionssoftware (www.mediq.<br />

ch oder www.epocrates.com). 27 Mögliche Wechselwirkungen<br />

wie auch etwaige altersbedingte Veränderungen der Verstoffwechselung<br />

von Medikamenten müssen bei der Substitutionsbehandlung<br />

in jedem Fall berücksichtigt werden. Veränderte<br />

pharmakologische Bedingungen wie verminderte renale und<br />

hepatische Elimination (verminderter First-Pass-Effekt) 28 und<br />

das durch den niedrigeren Wassergehalt des Körpers im Vergleich<br />

zu Jüngeren reduzierte Verteilungsvolumen führen bei<br />

älteren PatientInnen zu einer stärkeren und längeren Wirkung<br />

von einer Reihe von psychoaktiven Medikamenten (u. a. auch<br />

von Methadon), aber auch von Alkohol und wahrscheinlich auch<br />

von anderen psychotropen Substanzen wie Nikotin. Obwohl Methadon<br />

vor allem über die Cytochrom-P450-Enzyme der Leber<br />

metabolisiert wird, kann bei einer schweren Leberzirrhose auch<br />

eine Dosiserhöhung notwendig werden, da die Speicherung und<br />

Freisetzung aus der Leber vermindert sind. 29 Bei Opioiden, die<br />

wie Morphin vor allem renal ausgeschieden werden, kann auch<br />

das reduzierte Gesamtvolumen des gefi lterten Primärharns pro<br />

Zeiteinheit (glomeruläre Filtrationsrate) zu einer Wirkungsverstärkung<br />

führen. 30 Dosissteigerungen des Substituts sollten bei<br />

älteren PatientInnen in aller Regel langsamer und vorsichtiger<br />

erfolgen (start low, go slow). Letztendlich muss aufgrund der<br />

zum Teil widersprüchlichen Befunde gelten, dass die Dosis des<br />

Substituts individuell und behutsam gefunden werden muss,<br />

zumal viele ältere PatientInnen höhere Substitutionsdosen zu<br />

bevorzugen scheinen. 31<br />

Bei manchen PatientInnen kann der Umstand, dass sie neben<br />

dem Substitut noch weitere Medikamente einnehmen müssen,<br />

Kanton Bern, Nationale Methadonstatistik, 40 jährig und älter<br />

Jahr Männer in % Frauen in % Total in %<br />

2007 846 45.0 282 28.2 1128 43.1<br />

2008 950 49.1 325 43.2 1275 47.5<br />

2009 977 50.8 335 45.6 1312 49.4<br />

2010 1044 56.2 351 47.2 1395 53.6<br />

Abb. 4: MethadonbezügerInnen, 40 jährig und älter, im Jahresvergleich<br />

2007-2010, Kt. BE. 10<br />

zu Problemen in der korrekten Handhabung der Medikation<br />

führen. Generell sind einmal tägliche Gaben von Präparaten<br />

anzustreben, die die PatientInnen so wenig wie möglich in ihrer<br />

neurokognitiven Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Gemeinsam<br />

mit ihnen müssen Vor- und Nachteile der Reduktion oder<br />

des Absetzens von kognitiv beeinträchtigenden Medikamenten<br />

erwogen werden. Dies gilt auch für die in der Praxis verbreitete<br />

Substitution einer begleitenden Benzodiazepinabhängigkeit. 32<br />

Die langjährige Einnahme dieser Präparate kann gerade im Alter<br />

neurokognitive Einbussen verursachen und die Sturzneigung<br />

erhöhen. 33 Diese Einschränkungen sind jedoch bei Abstinenz<br />

von Benzodiazepinen zumindest teilweise reversibel. 34 Allerdings<br />

sind die Auswirkungen von anhaltendem Drogenkonsum<br />

auf das alternde Gehirn noch unzureichend untersucht. Es gibt<br />

aber Hinweise darauf, dass neurotoxische Effekte, bspw. durch<br />

Kokain oder Amphetamine, im Alter stärker ausgeprägt sind. 35<br />

Neurokognitive Defizite<br />

Obgleich die Gruppenmittelwerte in den meisten Studien nicht<br />

im defi zitären Bereich liegen, zeigen viele opiatabhängige PatientInnen<br />

bereits frühzeitig neurokognitive Einbussen. Zu den neurokognitiven<br />

Auffälligkeiten, die bei ihnen gehäuft festzustellen<br />

sind, gehören u. a. Einschränkungen der Aufmerksamkeit, der<br />

Merkfähigkeit, Psychomotorik und der exekutiven Funktionen,<br />

die für die Verhaltenssteuerung zuständig sind. 36 Chronische<br />

Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis C können sich<br />

negativ auf die Gehirnfunktionen auswirken. 37 Der oftmals langjährige<br />

Konsum von Substanzen wie Alkohol, Benzodiazepinen<br />

oder Kokain trägt ebenfalls zu diesen Beeinträchtigungen bei. 38<br />

Neurokognitive Einbussen können erhebliche Auswirkungen auf<br />

die Behandlungsplanung und -führung haben. So mindern defi -<br />

zitäre Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktionen bspw. auch<br />

die Erfolgsaussichten von nicht-pharmakologischen Therapien<br />

mit psychoedukativen und kognitiven Schwerpunkten. Nicht<br />

selten steht eine geringe Compliance in Zusammenhang mit<br />

neurokognitiven Funktionsstörungen, was die Behandlung von<br />

opiatabhängigen Menschen erschwert. 39 Auf der Beziehungsebene<br />

können unerkannte neurokognitive Störungen zudem<br />

zu erheblichen Schwierigkeiten und schlimmstenfalls zu Therapieausschlüssen<br />

oder -abbrüchen führen. Bei bestehenden<br />

neurokognitiven Defi ziten stellt sich auch die Frage nach der<br />

Zuverlässigkeit der Medikamenteneinnahme. Eine Abgabe im<br />

Wochendosierer (bei der die Medikamente für die Einnahme<br />

nach Tageszeiten und Wochentagen vorbereitet werden) oder<br />

der tägliche Bezug der Medikation können in solchen Fällen<br />

hilfreich sein. Letzteres bedeutet für viele langjährig stabile<br />

PatientInnen jedoch einen Eingriff in ihre autonome Lebensfüh-<br />

32 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


ung und sollte deshalb im Vorfeld mit ihnen eingehend erörtert<br />

werden.<br />

Aufgrund vorbestehender neurokognitiver Defi zite kann die<br />

Identifi kation einer dementiellen Erkrankung erschwert sein.<br />

Allerdings sollte bei neurokognitiver Verschlechterung immer<br />

an eine solche Erkrankung gedacht werden, um eine frühzeitige<br />

Behandlung einleiten zu können. Bislang ist jedoch noch unklar,<br />

welche neuropsychologischen Tests zur Diagnostik bei opiatabhängigen<br />

PatientInnen am besten geeignet sind. 40<br />

Hilfsbedürftigkeit versus Autonomieansprüche<br />

Ein allgemeines Problem in der adäquaten Versorgung älterer<br />

substituierter PatientInnen besteht in der zunehmenden Hilfebedürftigkeit,<br />

die den Autonomieansprüchen der Betroffenen<br />

meist entgegengesetzt ist. Wie in der Allgemeinbevölkerung ist<br />

der Konfl ikt zwischen dem Bedürfnis nach Eigenständigkeit und<br />

steigender Hilfsbedürftigkeit bei SubstitutionspatientInnen<br />

mit zunehmendem Alter regelmässig zu beobachten. Der Konfl<br />

ikt manifestiert sich oft verschärft, z. B. aufgrund des dünnen<br />

sozialen Netzes, und meist auch deutlich früher. Auf der einen<br />

Seite steht der Wunsch, die eigene Autonomie, ohnehin eingeschränkt<br />

durch die teilweise rigiden Regeln der Substitutionsbehandlung,<br />

zu bewahren. Dies kann sich bspw. im Festhalten<br />

an der eigenen Wohnung, an grosszügigen Bezugszeiträumen<br />

oder eigener Finanzverwaltung äussern. Darüber hinaus berichten<br />

viele PatientInnen von negativen Erfahrungen mit dem<br />

Helfersystem, so dass grosse Angst davor besteht, auf andere<br />

Menschen angewiesen zu sein. Die hohe Belastung dieser Population<br />

mit traumatischen Kindheitserfahrungen und Inkonsistenzerleben<br />

im Rahmen der Herkunftsfamilie spielen hierbei<br />

wahrscheinlich auch eine wichtige Rolle. 41 Auf der anderen<br />

Seite stehen zunehmende körperliche und psychisch-kognitive<br />

Veränderungen, die eine Anpassung der Behandlung oder der<br />

gesamten Lebenssituation erfordern. Unter Umständen ist ein<br />

Übertritt in intensiver betreute Wohnformen nicht vermeidbar.<br />

Bei kognitiven Einschränkungen, aber auch bei Verwahrlosung,<br />

drängen sich allenfalls auch Massnahmen des Erwachsenenschutzes<br />

auf, wie z. B. die Errichtung einer Beistandschaft nach<br />

Art. 390 ZGB oder eine fürsorgerische Unterbringung nach Art.<br />

426 ZGB. Das neue Erwachsenenschutzgesetz ist per 01.01.<strong>2013</strong><br />

in Kraft getreten; 42 welche und ob es Auswirkungen auf die Betreuung<br />

von älteren substituierten Personen hat, muss sich erst<br />

noch zeigen.<br />

Altersgerechte Wohnformen<br />

Adäquate Wohnformen für ältere suchtmittelabhängige Personen<br />

sind von zunehmender Bedeutung. 43 Eine zentrale Debatte<br />

kann unter «Integration versus Separation» zusammengefasst<br />

werden: Sollen Suchtmittelabhängige in bestehende<br />

Strukturen (Alters-/Pfl egeheime) integriert oder sollen spezifi<br />

sche Institutionen für diese Personen geschaffen werden? In<br />

der Schweiz sind beide Lösungsansätze zu beobachten. 44 Um<br />

der bestehenden Stigmatisierung sowie einer Ghettoisierung<br />

von suchtmittelabhängigen Personen entgegenzuwirken, ist es<br />

wünschenswert, wenn sich Alters-/Pfl egeheime für diese Klientel<br />

öffnen. Damit eine Integration gelingt, sind verschiedene<br />

Aspekte zu berücksichtigen. Die Erarbeitung und Verankerung<br />

eines Konzepts für die Pfl ege und Betreuung dieser Personen<br />

lohnt sich. Hierzu gehören Schulungen für das Personal zu Themen<br />

wie «Grenzen setzen» oder «eine akzeptierende Grundhaltung<br />

gegenüber Suchtmittelabhängigen einnehmen». Zu<br />

beachten sind zudem die spezifi schen Bedürfnisse von älteren<br />

Personen mit einer Opioidabhängigkeit, wie z. B. die Möglichkeit,<br />

rauchen oder Cannabis konsumieren zu können, Beikonsum<br />

von weiteren illegalen Substanzen, der oftmals veränderte<br />

Tagesrhythmus sowie Respekt und Akzeptanz. 45 Verschiedene<br />

stationäre Einrichtungen schliessen mit den BewohnerInnen<br />

Verträge ab, welche die gegenseitigen Rechte und Pfl ichten –<br />

inkl. Umgang mit Konsum – festlegen. Zu berücksichtigen ist<br />

ebenfalls, dass die übrigen – nicht suchtmittelabhängigen – BewohnerInnen<br />

sowie deren Angehörige entsprechend vorbereitet<br />

und informiert werden. 46 Eng verknüpft mit der Frage nach<br />

altersgerechten Wohnformen ist die Frage der Finanzierung,<br />

die nicht immer geklärt und je nach Kanton unterschiedlich<br />

geregelt ist. 47 Bei Personen in substitutionsgestützter Behandlung,<br />

die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, braucht es verschiedene<br />

Möglichkeiten von Wohnformen. Diese reichen von<br />

selbständigem Wohnen, z. B. unterstützt durch die Spitex, über<br />

betreute Wohnformen bis hin zu den Bedürfnissen dieser Gruppe<br />

angepassten Plätzen in Alters- und Pfl egeheimen..<br />

Literatur<br />

Abrams, R.C./Horowitz, S.V. (1999): Personality disorders after age 50: a<br />

meta-analytic review of the literature. P. 55-68 in: E. Rosowsky/R.<br />

C. Abrams/ R. Zweig (Eds.), Personality disorders in older adults:<br />

emerging issues in diagnosis and treatment. Mahwah, NJ: Lawrence<br />

Erlbaum Associates.<br />

BAG - Bundesamt für Gesundheit BAG (2012): Die Heroingestützte<br />

Behandlung / Behandlung mit Diacetylmorphin (HeGeBe) im Jahr<br />

2011. www.tinyurl.com/cj5wu8p, Zugriff 26.01.<strong>2013</strong>.<br />

Bates, M.E./Convit, A. (1999): Neuropsychology and neuroimaging<br />

of alcohol and drug abuse. P. 342-75 in: A. Calev (Ed.),<br />

Neuropsychological functions in psychiatric disorders. Washington,<br />

DC: American Psychiatric Press.<br />

Beynon, C.M./Roe, B./Duffy, P./Pickering, L. (2009): Self reported health<br />

status, and health service contact, of illicit drug users aged 50 and<br />

over: a qualitative interview study in Merseyside, United Kingdom.<br />

BMC Geriatrics 9: 45.<br />

Beynon, C./McVeigh, J./Hurst, A./Marr, A. (2010): Older and sicker:<br />

Changing mortality of drug users in treatment in the North West of<br />

England. International Journal on Drug Policy 21(5): 429-1.<br />

Brooner, R.K./King, V.L./Kidorf, M./Schmidt, C.W. Jr./Bigelow, G.E. (1997):<br />

Psychiatric and substance use comorbidity among treatmentseeking<br />

opioid abusers. Archives of General Psychiatry 54(1): 71-80.<br />

Callaly, T./Trauer, T./Munro, L./Whelan, G. (2001): Prevalence of<br />

psychiatric disorder in a methadone maintenance population.<br />

Australian and New Zealand Journal of Psychiatry 35(5): 601-5.<br />

Chalupny, H. (2010): Dank euch werden wir alt, aber wo sollen<br />

wir leben? Über pfl egebedürftige Drogenkonsumierende in<br />

Langzeitinstitutionen. Diplomarbeit zum Erwerb des Bachelor-<br />

Diploms. Berner Fachhochschule Soziale Arbeit.<br />

Co persino, M.L./Fals-Stewart, W./Fitzmaurice, G./Schretlen, D. J./<br />

Sokoloff, J./Weiss, R.D. (2009): Rapid cognitive screening of<br />

patients with substance use disorders. Experimental and Clinical<br />

Psychopharmacology 17(5): 337-44.<br />

Da vies, G./Kingswood, C./Street, M. (1996): Pharmacokinetics of opioids<br />

in renal dysfunction. Clinical Pharmacokinetics 31(6): 410-22.<br />

Do wling, G.J./Weiss, S.R./Condon, T.P. (2008): Drugs of abuse and the<br />

aging brain. Neuropsychopharmacology 33(2): 209-18.<br />

Du be, S. R./Felitti, V.J./Dong, M./Chapman, D.P./Giles, W.H./Anda, R.F.<br />

(2003): Childhood abuse, neglect, and household dysfunction and<br />

the risk of illicit drug use: the adverse childhood experiences study.<br />

Pediatrics 111(3): 564-72.<br />

Dürsteler-MacFarland, K.M./Herot Cereghetti, K./Wiesbeck, G.A. (2005):<br />

Neurocognitive impairment: an underdiagnosed comorbid entity in<br />

the treatment of substance use disorders? p. 115-36 in: R. Stohler/W.<br />

Rössler (Eds.), Dual diagnosis – the evolving conceptual framework.<br />

Basel: Karger.<br />

Dürs teler-MacFarland, K.M./Kowalewski, R./Bloch, N./Wiesbeck,<br />

G.A./Kraenzlin, M.E./Stohler, R. (2011): Patients on injectable<br />

diacetylmorphine maintenance have low bone mass. Drug and<br />

Alcohol Review 30(6): 577-82.<br />

Ersche, K.D./Jones, P.S./Williams, G.B./Robbins, T.W./Bullmore, E.T. (<strong>2013</strong>):<br />

Cocaine dependence: a fast-track for brain ageing? Molecular<br />

Psychiatry 18(2): 134-5.<br />

Fareed, A./Casarella, J./Amar, R./Vayalapalli, S./Drexler, K. (2009): Benefi ts<br />

of retention in methadone maintenance and chronic medical<br />

conditions as risk factors for premature death among older heroin<br />

addicts. J Psychiatr Pract 15(3): 227-34.<br />

Firoz, S./Carlson, G. (2004): Characteristics and treatment outcome<br />

of older methadone-maintenance patients. American Journal of<br />

Geriatric Psychiatry 12(5): 539-41.<br />

Goldb erg, R.J./Grabowski, R. (2003): Methadone maintenance: its future in<br />

skilled nursing facilities. Journal of the American Medical Directors<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 33


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Association 4(2): 98-100.<br />

Gonzalez, R./Cherner, M. (2008): Co-factors in HIV neurobehavioural<br />

disturbances: substance abuse, hepatitis C and aging. International<br />

Review of Psychiatry 20(1): 49-60.<br />

Hilckmann, M. (2011): Wohn- und Pfl egegemeinschaften für ältere<br />

Drogenkonsumenten mit HIV und AIDS: Modellprojekt am<br />

Beispiel von «ZIK – zuhause im Kiez» in Berlin. In: Vogt, I.<br />

(Hg.): Auch Süchtige altern. Probleme und Versorgung älterer<br />

Drogenabhängiger. Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag.<br />

Hser, Y.I./Gelberg, L./Hoffman, V./Grella, C. E./McCarthy, W./Anglin, M.D.<br />

(2004): Health conditions among aging narcotics addicts: medical<br />

examination results. Journal of Behavioral Medicine 27(6): p. 607-22.<br />

Kim, T.W./Alford, D.P./Malabanan, A./Holick, M.F./Samet, J.H. (2006):<br />

Low bone density in patients receiving methadone maintenance<br />

treatment. Drug and Alcohol Dependence 85(3): 258-62.<br />

Liebrenz, M./ Boesch, L./Stohler, R./Cafl isch, C. (2010): Agonist<br />

substitution-a treatment alternative for high-dose benzodiazepinedependent<br />

patients? Addiction 105(11):1870-4.<br />

Lofwall, M.R./Brooner, R.K./Bigelow, G.E./Kindbom, K./Strain, E.C. (2005):<br />

Characteristics of older opioid maintenance patients. Journal of<br />

Substance Abuse Treatment 28(3): 265-72.<br />

Morse, J.Q./L ynch, T.R. (2000): Personality disorders in late life. Current<br />

Psychiatry Reports 2(1): 24-31.<br />

Paterniti, S. /Dufouil, C./Alperovitch, A. (2002): Long-term benzodiazepine<br />

use and cognitive decline in the elderly: the Epidemiology of<br />

Vascular Aging Study. Journal of Clinical Psychopharmacology 22(3):<br />

285-93.<br />

Rajaratnam, R./Sivesind, D./Todman, M./Roane, D./Seewald, R. (2009):<br />

The aging methadone maintenance patient: treatment adjustment,<br />

long-term success, and quality of life. Journal of Opioid Management<br />

5(1): 27-37.<br />

Reece, A.S. ( 2010): Chronic immune stimulation as a contributing cause<br />

of chronic disease in opiate addiction including multi-system<br />

ageing. Medical Hypotheses 75(6): 613-9.<br />

Rosen, D./Smith, M.L./Reynolds, C.F.3rd (2008): The prevalence of mental<br />

and physical health disorders among older methadone patients.<br />

American Journal of Geriatric Psychiatry 16(6): 488-97.<br />

SSAM - Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (2012): Medizinische<br />

Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlungen (SGB)<br />

bei Opioidabhängigkeit 2012. http://tinyurl.com/cyyortv, Zugriff<br />

13.12.2012.<br />

Smith, H./Passik, S. (2008): Pain and Chemical Dependency. Oxford:<br />

University Press.<br />

Soyka, M./Apelt, S.M./Wittchen, H.U. (2006): Insuffi cient involvement of<br />

psychiatrists in substitution treatment. Nervenarzt 77(11): 1368-72.<br />

Stewart, S.A. (2005): The effects of benzodiazepines on cognition. Journal<br />

of Clinical Psychiatry 66(Suppl 2): 9-13.<br />

Tegeder, I./Lötsc h, J./Geisslinger, G. (1999): Pharmacokinetics of opioids in<br />

liver disease. Clinical Pharmacokinetics 37(1):17-40.<br />

Teichner, G./Horner, M. D./Roitzsch, J. C./Herron, J./Thevos, A. (2002):<br />

Substance abuse treatment outcomes for cognitively impaired and<br />

intact outpatients. Addictive Behavior, 27(5): 751-63.<br />

Vestergaard, P./Re jnmark, L./Mosekilde, L. (2006): Fracture risk<br />

associated with the use of morphine and opiates. Journal of Internal<br />

Medicine 260(1): 76-87.<br />

Vogt, I. (Hg.)(2011): Auch Süchtige altern. Probleme und Versorgung<br />

älterer Drogenabhängiger. Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag.<br />

Weiner, D.K./Hanlon, J.T./Studenski, S. A. (1998): Effects of central nervous<br />

system polypharmacy on falls liability in community-dwelling<br />

elderly. Gerontology 44(4): 217-21.<br />

Woods, S.P./Moore, D. J./Weber, E./Grant, I. (2009): Cognitive<br />

neuropsychology of HIV-associated neurocognitive disorders.<br />

Neuropsychology Review 19(2): 152-68.<br />

Woolcott, J.C./Richar dson, K.J./Wiens, M.O./Patel, B./Marin, J./Khan, K.M.,<br />

et al. (2009): Meta-analysis of the impact of 9 medication classes<br />

on falls in elderly persons. Archives of Internal Medicine 169(21):<br />

1952-60.<br />

Yucel, M./Lubman, D.I ./Solowij, N./Brewer, W. J. (2007): Understanding<br />

drug addiction: a neuropsychological perspective. Australian and<br />

New Zealand Journal of Psychiatry 41(12): 957-68.<br />

Endnoten<br />

1 www.bag.admin.ch/themen/drogen/00042/00629, Zugriff 23.11.2012.<br />

Weitere rund 1‘100 Personen befi nden sich in stationären Therapien.<br />

2 Vgl. SSAM 2012. Siehe dort betreffend Verwendung weiterer<br />

Medikamente für die Substitutionsbehandlung.<br />

3 Vgl. BAG 2012. Die Heroingestützte Behandlung / Behandlung mit<br />

Diacetylmorphin (HeGeBe) im Jahr 2011, Juni 2012.<br />

4 Die nötigen Angaben und die Tabellen wurden durch das Schweizer<br />

Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF zur Verfügung<br />

gestellt, 2012. Die Zahl der HeGeBe-Fälle liegt seit 2002 stabil bei<br />

etwa 1500.<br />

5 Ebd.<br />

6 Ebd.<br />

7 Die defi nitiven Zahlen per 2011 liegen noch nicht vor, Ende 2010<br />

befanden sich gemäss der Nationalen Methadonstatistik 18‘101<br />

Personen in Behandlung. Rund 90% der PatientInnen werden mit<br />

Methadon substituiert, die restlichen Behandlungen werden mit<br />

Buprenorphin, Morphin oder Codein durchgeführt. Die HeGeBe<br />

machen 8% sämtlicher Substitutionsbehandlungen in der Schweiz<br />

aus. Derzeit erlaubt die nationale Methadonstatistik keine genauen<br />

Angaben darüber, wie häufi g Methadon, Buprenorphin oder weitere<br />

Substitutionsmedikamente verschrieben werden.<br />

8 Die Einführung einer neuen Software zur Erhebung von Daten für<br />

die Methadonstatistik ist geplant; damit soll auch eine bessere<br />

Differenzierung nach Alter erfolgen (persönliche Kommunikation<br />

von Urs Künzi, im Auftrag des BAG zuständig für die nationale<br />

Methadonstatistik, Dezember 2012).<br />

9 Vgl. BAG Die nationale Methadonstatistik (N=2602),<br />

http://tinyurl.com/dyzkrjy<br />

10 Ebd.<br />

11 Vgl. Lofwall et al. 2005; Rajaratnam et al. 2009; Rosen et al. 2008.<br />

12 Vgl. Beynon et al. 2009; Fareed et al 2009; Hser et al 2004.<br />

13 Vgl. Reece 2010.<br />

14 Vg. Ebd.<br />

15 Vgl. Lofwall et al. 2005; Firoz/Carlson 2004.<br />

16 Vgl. Beynon et al. 2010.<br />

17 Vgl. Rosen et al. 2008.<br />

18 Vgl. Rajaratnam et al. 2009.<br />

19 Vgl. Kim et al. 2006; Weiner et al. 1998.<br />

20 Vgl. Vestergaard et al. 2006.<br />

21 Vgl. Dürsteler-MacFarland et al. 2011; Kim et al. 2006.<br />

22 Vgl. Dürsteler-MacFarland et al. 2011.<br />

23 Vgl. Brooner et al. 1997; Callaly et al. 2001.<br />

24 Vgl. Morse/Lynch 2000; Rosen et al. 2008.<br />

25 Vgl. Abrams/Horowitz 1999; Morse/Lynch 2000.<br />

26 Vgl. Soyka et al. 2006.<br />

27 Die Nutzung von webbasierten Interaktionsprogrammen ermöglicht<br />

ÄrztInnen, das Interaktionspotential von medikamentösen<br />

Kombinationsbehandlungen einzuschätzen.<br />

28 Vgl. Tegeder et al. 1999.<br />

29 Vgl. Smith/Passik 2008.<br />

30 Vgl. Davies et al. 1996.<br />

31 Vgl. Goldberg/Grabowski 2003.<br />

32 Vgl. Liebrenz et al. 2010.<br />

33 Vgl. Paterniti et al. 2002; Woolcott et al. 2009.<br />

34 Vgl. Stewart 2005.<br />

35 Vgl. Dowling et al. 2008; Ersche et al. <strong>2013</strong>.<br />

36 Vgl. Dürsteler-MacFarland et al. 2005; Yucel et al. 2007.<br />

37 Vgl. Gonzalez/Cherner 2008; Woods et al. 2009.<br />

38 Vgl. Bates/Convit 1999; Ersche et al. 2012.<br />

39 Vgl. Dürsteler-MacFarland et al. 2005; Teichner et al. 2002.<br />

40 Vgl. Copersino et al. 2009.<br />

41 Vgl. Dube et al. 2003.<br />

42 Vgl. hierzu die Ausführungen des Bundesamtes für Justiz zur<br />

Revision des Vormundschaftsrechts www.tinyurl.com/coa6tc6,<br />

sowie die neuen Bestimmungen<br />

www.admin.ch/ch/d/as/2011/725.pdf, Zugriff 06.12.2012.<br />

43 Mehrere Arbeiten haben sich mit der Frage nach adäquaten<br />

Wohnformen für ältere Personen in substitutionsgestützter<br />

Behandlung befasst: Vgl. Vogt 2011; Chalupny 2010. Auch die<br />

«Wohnkonferenz Region Bern» hat anlässlich einer Veranstaltung<br />

ein Papier «WOK-Forum vom 21.03.2012 zum Thema ‹Altern von<br />

Suchtmittelabhängigen›, Pfl egebedürftigkeit, intensive Begleitung,<br />

Platzierungsschwierigkeiten?» erarbeitet.<br />

Vgl. www.tinyurl.com/cpubadu, sowie www.wohnkonferenz.ch,<br />

Zugriff, 06.12.2012.<br />

44 Der Kanton Bern befürwortet bspw. die Integration in bestehende<br />

Strukturen und unterstützt die hierzu notwendigen Anpassungen.<br />

Es gibt jedoch auch einige spezifi sche für diese Klientel<br />

ausgerichtete Strukturen (z. B. Sune-Egge in Zürich). In Deutschland<br />

scheint eher eine Tendenz zur Schaffung von separaten Strukturen<br />

zu bestehen. Vgl. Vogt 2011; Hilckmann 2011.<br />

45 Vgl. Chalupny 2010: 27f.; 31-34.<br />

46 Weitere Aspekte siehe das Papier der «Wohnkonferenz Region Bern».<br />

Vgl. Endnote 43.<br />

47 Die Finanzierung der Substitutionsbehandlung einerseits und<br />

der stationären Unterbringung sowie Pfl ege andererseits ist<br />

unterschiedlich geregelt, ein Überblick fehlt. Teilweise festgelegte<br />

Vollpauschalen für IV-Plätze sind bei PatientInnen mit vielen und/<br />

oder teuren Medikamenten (HIV/Hepatitis, Karzinome etc.) zu tief,<br />

die «Rendite» zu niedrig. Vgl. Papier der Wohnkonferenz Region<br />

Bern, Endnote 43. Auf diesen Punkt wird auch bei Chalupny 2010: 27,<br />

hingewiesen; die stationäre Platzierung von HIV-positiven Personen<br />

sei schwierig, wenn Alters-/Pfl egeheime mit den Krankenkassen<br />

über eine Vollpauschale abrechnen, da die Kosten mit der Pauschale<br />

nicht gedeckt werden können.<br />

34 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Substitutionsbehandlung<br />

im Gefängnis<br />

Für Personen in Substitutionsbehandlung stellen sich bei einem Gefängnisaufenthalt<br />

besondere Probleme in der Gewährleistung der Behandlungskette.<br />

Deshalb ist es wichtig, dass die Verhältnisse und Abläufe im Gefängnis und<br />

in den Vollzugsanstalten bekannt sind. Insbesondere die Schnittstellen beim<br />

Ein- und Austritt sowie die Betreuung von Personen ohne festen Wohnsitz in<br />

der Schweiz führen vielmals zu schwierigen Situationen.<br />

Bidisha Chatterjee<br />

Dr. med., Fachärztin für Innere Medizin FMH, Amtsärztin (Gefängnisärztin<br />

und Anstaltsärztin), Amt für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern,<br />

Dunantstrasse 7c, CH-3400 Burgdorf. Tel. +41 (0)31 635 60 26,<br />

bidisha.chatterjee@pom.be.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Substitution | Gefängnis | Reintegration |<br />

Äquivalenzprin zip<br />

Die Substitutionsbehandlung im Gefängnis sollte eigentlich<br />

kein eigenes Kapitel darstellen, da den GefängnisinsassInnen<br />

die gleiche medizinische Behandlung wie Personen<br />

ausserhalb der Gefängnismauern zustehen müsste. Dieses<br />

Äquivalenzprinzip wird in den Richtlinien des Europarates 1<br />

und in den Richtlinien der SAMW 2 als eine der wichtigsten<br />

Maßnahmen in der Gefängnismedizin genannt. Es gilt hier anzumerken,<br />

dass die Eingewiesenen äquivalent zur Versorgung<br />

in der entsprechenden Region behandelt werden sollten. D. h.<br />

der medizinische Standard in einem Gefängnis im Kongo entspricht<br />

nicht dem eines schweizerischen Gefängnisses.<br />

Auch in der Schweiz wird aber das Äquivalenzprinzip nicht<br />

vollumfänglich umgesetzt, vielerorts fehlen personelle Ressourcen<br />

und auch fi nanzielle Mittel. Die freie Arztwahl ist nicht<br />

umsetzbar. In vielen Institutionen der Schweiz gibt es (noch)<br />

keinen Gesundheitsdienst, das bedeutet, die medizinischen<br />

Probleme der Eingewiesenen können gar nicht erfasst werden.<br />

In vielen Institutionen ist zwar ein Gesundheitsdienst<br />

vorhanden, personell aber nicht ausreichend dotiert, so dass<br />

die Eingewiesenen zwar betreut werden können, aber eine<br />

standardisierte Eintrittsuntersuchung und die kontinuierliche<br />

Medikamentenabgabe durch Pfl egefachpersonal nicht gewährleistet<br />

sind. Die medizinisch-psychiatrische Versorgung ist von<br />

Region zu Region unterschiedlich – von einer Abdeckung über<br />

24 Stunden bis zu einer Sprechstunde einmal in der Woche gibt<br />

es alle Varianten. Häufi g fehlen auch medizinische Unterlagen,<br />

da bei Verlegungen von Personen der Gesundheitsdienst und<br />

die zuständigen Ärzte nicht immer informiert sind und so die<br />

knappen Ressourcen für die Organisation von Unterlagen verwendet<br />

werden müssen.<br />

Finanzielle Probleme stellen sich in vielen Fällen, da Eingewiesene<br />

teilweise keinen Wohnsitz in der Schweiz haben<br />

(demnach nicht unter das Krankenversicherungsgesetz fallen)<br />

oder unregelmässig Prämien einbezahlt haben und bei<br />

Eintritt ins Gefängnis keinen Versicherungsschutz aufweisen.<br />

Häufi g müssen Sozialdienste für die medizinischen Kosten<br />

aufkommen, auch hier gibt es Einschränkungen, sei es in der<br />

ausserkantonalen Behandlung oder bei planbaren (selektiven)<br />

Operationen (welche medizinisch indiziert sind, um Notfallsituationen<br />

zu vermeiden). Das sind medizinische Leistungen,<br />

die im Krankenversicherungsgesetz aufgelistet sind und ärztlich<br />

angeordnet werden und dennoch werden vielfach zusätzlich<br />

Kostengutsprachen angefordert und diese anschliessend<br />

teilweise auch abgelehnt. Für die medizinische Versorgung von<br />

Personen in Ausschaffungshaft ist grundsätzlich nur medizinische<br />

Nothilfe vorgesehen.<br />

Schwierigkeiten im Gefängnis mit<br />

Substitutionsbehandlung<br />

Die Behandlungskette<br />

Wie sich diese Einschränkungen in der Abklärung und Versorgung<br />

im Zusammenhang mit der Substitutionsbehandlung<br />

Das Gefängnis: Begriffsdefinitionen<br />

Im Zusammenhang mit Substitutionsbehandlung ist es wesentlich,<br />

den Begriff Gefängnis differenziert darzustellen.<br />

Im Zuge einer Verhaftung wird eine Person vorläufi g festgenommen<br />

und innerhalb von 24 Stunden entweder entlassen oder bei erhärtetem<br />

Verdacht auf Gefahr vom Haftrichter in Untersuchungshaft gesetzt.<br />

Diese Zeit verbringt sie in einem Untersuchungsgefängnis. Der Alltag<br />

in dieser Institution ist eintönig, 23 Stunden täglich verbringt die Person<br />

in der Zelle, mit einer Stunde Ausgang im Spazierhof. Arbeit und<br />

Besuche von Angehörigen sind selten. Die Dauer der Untersuchungshaft<br />

richtet sich nach den Ermittlungen des Staatsanwaltes, dies<br />

bedeutet auch, dass Personen zur Einvernahme, zu Gegenüberstellungen<br />

mit anderen Personen im Zusammenhang mit Kollusionsgefahr<br />

(Verdunkelungsgefahr) von einem Tag auf den anderen in ein anderes<br />

Gefängnis verlegt werden können. Die medizinische Betreuung und<br />

somit auch die Substitutionstherapie sind hier hintenan gestellt. Eine<br />

bestehende Substitutionstherapie wird nach Überprüfung der Angaben<br />

weitergeführt, aber eine neue Behandlung mit Substitutionsmedikamenten<br />

wird nicht begonnen. Entzugssymptome werden meistens mit<br />

Benzodiazepinen behandelt.<br />

Bereits verurteilte Personen können sich auch im Untersuchungsgefängnis<br />

befi nden – einerseits in Fällen, in denen noch kein geeigneter<br />

Haftplatz gefunden werden konnte oder andererseits in Fällen von<br />

sehr kurzer Haftdauer (einige Tage bis wenige Wochen). Auch hier wird<br />

die bestehende Substitutionstherapie weitergeführt, in wenigen Fällen<br />

sogar modifi ziert.<br />

Anders verhält es sich in Vollzugs- und Massnahmeanstalten. Der<br />

Alltag der eingewiesenen Personen beinhaltet eine Arbeitspfl icht.<br />

Im Vollzugsplan werden Ziele im Hinblick auf den Austritt und die<br />

damit einhergehende Reintegration in die Gesellschaft festgelegt.<br />

In Bezug auf die Substitutionstherapie bieten sich in dieser Phase<br />

mehr Möglichkeiten: die Therapie kann neu angesetzt, weitergeführt<br />

oder gezielt abgebaut werden; insgesamt kann sie mehr im Sinne der<br />

substitutionsgestützten Behandlung SGB 6 durchgeführt werden als im<br />

Untersuchungsgefängnis.<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 35


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

auswirken, soll im Folgenden dargelegt werden. Die Ausführungen<br />

beziehen sich dabei vor allem auf die Gegebenheiten<br />

im Kanton Bern.<br />

Bei der Substitution spielen fi nanzielle Bedingungen glücklicherweise<br />

eine untergeordnete Rolle. Die personellen Ressourcen<br />

haben hingegen einen Einfl uss auch auf die Substitutionsbehandlung:<br />

die Abgabe von bewilligungspfl ichtigen<br />

Medikamenten (inkl. Substitutionsmedikamente) unter Sicht;<br />

die Beaufsichtigung und Verschreibung der Medikation durch<br />

einen Arzt oder eine Ärztin bei Eintritt kann nicht überall<br />

gewährleistet werden. Häufi g muss hier das Gefängnispersonal<br />

die Rolle einer medizinischen Hilfsperson einnehmen.<br />

Fast noch schwieriger als die Regelung innerhalb einer Institution<br />

gestaltet sich die Überbrückung der Schnittstelle zwischen<br />

«draussen» und «drinnen». Die eingewiesene Person<br />

kann zwar in den meisten Fällen Auskunft geben, was sie wann<br />

und wo bezieht, aber die Überprüfung der Angaben ist nicht nur<br />

sehr aufwändig, sondern gelegentlich sogar unmöglich: Die<br />

telefonische Erreichbarkeit der Abgabestellen und Apotheken<br />

ist beschränkt, ebenso die Auskunftsstelle beim Kantonsarzt.<br />

Da die Eintritte in ein Untersuchungsgefängnis zu jeder Tageszeit<br />

erfolgen (auch in der Nacht und am Wochenende), können<br />

diese Angaben nicht immer kurzfristig überprüft werden. Die<br />

Substitutionsbehandlung muss in den ungünstigsten Fällen<br />

ein bis maximal zwei Tage unterbrochen werden.<br />

Grundsätzlich wird eine Substitutionsbehandlung auch im<br />

Gefängnis weitergeführt. Die einzige Einschränkung hierin ist<br />

die heroingestützte Behandlung, die in der Schweiz nur in zwei<br />

Institutionen für Männer (Justizvollzugsanstalt Realta, 7408<br />

Cazis, Strafanstalt Schöngrün, 4501 Solothurn) angeboten<br />

wird, für Frauen gibt es diesbezüglich keine Möglichkeit. Im<br />

Unterschied zur Substitutionsbehandlung «draussen», gibt es<br />

«drinnen» keine Möglichkeit zur Mitgabe und Selbstverwaltung.<br />

Die Medikamente werden zu festgelegten Abgabezeiten<br />

unter Sicht verabreicht. Insbesondere bei Substitutionsbehandlungen<br />

mit Benzodiazepinen führt dies manchmal zu<br />

Unmut und Diskussionen, da die Personen gewohnt sind, ihre<br />

Medikation nur teilweise unter Sicht an der Abgabestelle einzunehmen<br />

und den Rest der Tages- oder Wochendosis nach<br />

ihrem eigenen Rhythmus einzuteilen. Auf der anderen Seite<br />

werden auch Benzodiazepine abgegeben, die bisher nur illegal<br />

konsumiert wurden. Sie werden zur Vorbeugung einer Entzugssymptomatik<br />

verabreicht und bei einer Verlegung in eine<br />

Vollzugsanstalt auch für die bewilligte Substitution beim Kantonsarzt<br />

(für die Dauer des Gefängnisaufenthaltes) beantragt.<br />

Die Schnittstelle von «drinnen» nach «draussen» kann<br />

besser gepfl egt werden, weil bei Kurzstrafen im Gefängnis<br />

oder längeren Strafen in einer Vollzugsanstalt das Austrittsdatum<br />

bekannt ist und die Weiterbehandlung insbesondere<br />

am Austrittstag und auch in den folgenden Tagen durch das<br />

Gesundheitspersonal organisiert werden kann. Bei Personen<br />

in Untersuchungshaft oder bei vorläufi gen Festnahmen bleibt<br />

der Austritt häufi g unberechenbar und damit kann auch die<br />

lückenlose Weiterbehandlung nicht immer gewährleistet werden.<br />

Vollzugsauftrag: Stabilisation und<br />

Rückfallverminderung<br />

In den Vollzugsanstalten wird die Substitution weitergeführt<br />

und kann auch neu angefangen werden. Der Vollzugsauftrag<br />

beinhaltet als oberste Ziele die Rückfallminimierung und<br />

die Vorbereitung der Reintegration der eingewiesenen Person.<br />

Bei Personen mit Suchterkrankungen sind Substitutionsprogramme,<br />

die erwiesenermassen 3 die Infektionsgefahr und die<br />

Kriminalität senken, ein wichtiger Baustein im Hinblick auf die<br />

Entlassung. Den illegalen Konsum von Drogen einzudämmen<br />

ist sowohl für den Alltag in der Vollzugsanstalt wie auch für die<br />

Zeit nach der Verbüssung der Strafe unabdingbar.<br />

Nebst der Stabilisierung wird in Absprache mit der eingewiesenen<br />

Person versucht, während des Strafvollzugs die Benzodiazepindosierung<br />

zu reduzieren. Auch Themen wie Prävention<br />

und Abklärung von Infektionskrankheiten werden angegangen.<br />

Leider gibt es bisher im Kanton Bern nur in einer Anstalt<br />

eine für die Prävention von Infektionskrankheiten zuständige<br />

Fachperson. In den meisten Anstalten übernehmen MitarbeiterInnen<br />

des Gesundheitsdienstes diese Aufgabe mithilfe<br />

von Broschüren und weiteren Informationsunterlagen, die in<br />

vielen Sprachen erhältlich sind. 4<br />

Im Unterschied zu einem Substitutionsprogramm «draussen»<br />

stehen innerhalb der Mauern die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit<br />

nicht im Vordergrund. Die Abgabe der Substitutionsmedikamente<br />

unter Sicht erfolgt gezielt und soll den<br />

ganzen Beschaffungsstress ausschalten. Die Medikamente<br />

werden gemörsert und das Methadon in Sirup aufgelöst, dies<br />

ermöglicht auch eine «blinde» Reduktion, wenn dies von der<br />

Person gewünscht ist.<br />

Im Unterschied zu Vollzugsanstalten ist die oben erwähnte<br />

Praxis im Gefängnis nur in Situationen möglich, die am ehesten<br />

den Gegebenheiten in der Vollzugsanstalt entsprechen (Gesundheitsdienst<br />

vor Ort, Austrittsdatum klar, Aufenthaltsdauer<br />

mindestens ein Monat) – meistens ist die Aufenthaltsdauer<br />

unklar, es erfolgen viele Verlegungen, so dass eine gute Betreuung<br />

und Einstellung auf eine Substitution häufi g nicht möglich<br />

ist oder erschwert wird. Auch ist die Motivation der eingewiesenen<br />

Person nicht die gleiche: bei kurzen Strafen von einigen<br />

Tagen bis ein paar Wochen ist der Wille für den Beginn eines<br />

Substitutionsprogrammes häufi g nicht vorhanden.<br />

Eingewiesene Personen mit ausgedehntem Konsum von illegalen<br />

Substanzen aber ohne Substitutionsbewilligung durch den<br />

Kantonsarzt stellen für das Personal eine grosse Herausforderung<br />

dar: illegal konsumierte Substanzen können im Gefängnis<br />

nicht abgegeben werden. Für die Bewältigung des Alltags<br />

im Gefängnis muss die Entzugssymptomatik aber behandelt<br />

werden können, d. h. es werden bestimmte Präparate für die<br />

Dauer des Entzuges ärztlich verordnet. Hierbei werden Benzodiazepine<br />

abgegeben, aber teilweise nicht die von den eingewiesenen<br />

Personen normalerweise konsumierten Präparate.<br />

Eine allfällige Entzugssymptomatik, die vorgegebenen fi xen<br />

Abgabezeiten und die psychische Stresssituation durch die<br />

Inhaftierung machen die medizinische Betreuung anspruchsvoll.<br />

Die eingewiesenen Personen sind häufi g nicht zu einer<br />

Zusammenarbeit bereit und eine gute und ausreichende Medikation<br />

ist schwierig einzustellen. Sind nur ein paar Tage Haft<br />

zu verbüssen, ist die Zeit im Gefängnis geradezu gefährlich:<br />

Viele Personen «verlieren» die Gewöhnung an ihre «Dosis».<br />

Wenn sie nach dem Austritt die gleichen Mengen wie vor dem<br />

Eintritt konsumieren, kann dies nach dem Aufenthalt in Haft in<br />

einer Überdosis und lebensbedrohlichen Situationen enden. 5<br />

Spezielle Gegebenheiten in der Ausschaffungshaft<br />

Schwierig ist die Situation auch bei Personen in Ausschaffungshaft.<br />

Die wenigsten von ihnen befi nden sich in einem<br />

Substitutionsprogramm, viele konsumieren illegal Benzodiazepine<br />

und zeigen bei Eintritt ins Gefängnis eine Entzugssymptomatik.<br />

Während dem Aufenthalt können – wie weiter oben<br />

erwähnt – der Entzug behandelt und für die Zeit der Inhaftierung<br />

Benzodiazepine verabreicht werden. Im Hinblick auf den<br />

Austritt verkomplizieren sich die Verhältnisse: häufi g bleibt<br />

unklar, ob die Person weggewiesen wird, selbst ausreisen soll<br />

oder untertauchen wird und schlussendlich in der Schweiz<br />

36 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


leibt, oder ob sie direkt vom Gefängnis an den Flughafen und<br />

in das Heimatland oder den Schengenraum gebracht wird. Unklar<br />

bleibt dann auch die rechtliche Situation im Ankunftsland<br />

– häufi g weiss niemand ganz genau, ob die Person in Freiheit<br />

leben oder erneut inhaftiert wird. Es ist grundsätzlich möglich<br />

für eine Person, die in ein anderes Land ausreisen muss und<br />

in einem Substitutionsprogramm ist, beim Kantonsarzt eine<br />

bestimmte Menge Methadon wie auch Benzodiazepine für die<br />

Rückreise und die Übergangszeit zu beantragen. Wenn eine<br />

Bewilligung erteilt wird, erhält die Person zusätzlich zu den<br />

Medikamenten auch eine Bestätigung für die Zollbehörden.<br />

Allerdings wird eine solche Bewilligung nur sehr selten beantragt<br />

– zu unsicher und unklar sind der Aufenthaltsstatus<br />

und die Zustände bezüglich der Substitutionsprogramme im<br />

entsprechenden Land..<br />

Literatur<br />

BAG - Bundesamt für Gesundheit (2012): Übertragbare Krankheiten und<br />

Abhängigkeiten im Gefängnis. Vademekum.<br />

www.tinyurl.com/b4wl843, Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong><br />

Council of Europe Committee of Ministers (1998): Recommendation No. R<br />

(98) 71 of the Committee of Ministers to Member States concerning<br />

the ethical and organizational aspects of Health Care in Prison.<br />

www.tinyurl.com/auj3ghu, Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong>.<br />

Egli, N./Pina, M./Skovbo Christensen, P./Aebi, M.F./Killias, M. (2009):<br />

Effects of drug substitution programs on offending among drugaddicts.<br />

Oslo: The Campbell Collaboration.<br />

www.campbellcollaboration.org/lib/download/739,<br />

Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong>.<br />

Masia, M./Achermann, C./Richter, M./Hostettler, U. (2007): Analyse<br />

von Präventionsmassnahmen und Behandlungsangeboten von<br />

Infektionskrankheiten und Drogenabhängigkeit in Schweizer<br />

Anstalten des Freiheitsentzugs. Auswertungsbericht zur<br />

Fragebogenerhebung. Freiburg: Universität Freiburg.<br />

www.tinyurl.com/abxy2gb, Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong>.<br />

SAMW - Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften<br />

(2002): Ausübung der ärztlichen Tätigkeit bei inhaftierten<br />

Personen. Medizinisch-ethische Richtlinien der SAMW.<br />

www.tinyurl.com/bfz3uuz, Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong>.<br />

SAMW - Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften<br />

(2012): Anhang zu den medizinisch-ethischen Richtlinien<br />

«Ausübung der ärztlichen Tätigkeit bei inhaftierten Personen.»<br />

Hinweise zur praktischen Umsetzung der Richtlinien «Ausübung<br />

der ärztlichen Tätigkeit bei inhaftierten Personen.».<br />

www.tinyurl.com/bzku2eu, Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong>.<br />

SSAM - Schweizerische Gesellschaft für Suchtmedizin (2012): Medizinische<br />

Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlungen (SGB) bei<br />

Opioidabhängigkeit, www.tinyurl.com/az2vuh7,<br />

Zugriff 19. Januar <strong>2013</strong>.<br />

Endnoten<br />

1 Vgl. Council of Europe Committee of Ministers 1998.<br />

2 Vgl. SAMW 2002; SAMW 2012.<br />

3 Vgl. Egli et al. 2009; Masia et al. 2007.<br />

4 Im Zusammenhang mit dem Projekt BiG, Bekämpfung von<br />

Infektionskrankheiten im Gefängnis 2008-12, durchgeführt vom<br />

Bundesamt für Gesundheit und dem Bundesamt für Justiz BJ wurde<br />

eine illustrative und umfassende Broschüre erstellt. Vgl. BAG 2012.<br />

5 Auf der Seite von Praxis Suchtmedizin Schweiz fi nden<br />

HausärztInnen konkrete/praktische Informationen für<br />

PatientInnen in einer substitutionsgestützten Behandlung SGB,<br />

die ins Gefängnis müssen, www.tinyurl.com/bftjez9. Weitere<br />

Informationen für HausärztInnen fi nden sich auch in den<br />

Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin<br />

(Kapitel V10.2), Vgl. SSAM 2012.<br />

6 Siehe Empfehlungen der SSAM, Vgl. SSAM 2012.


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

Methadonabgabe<br />

in den K&A<br />

In den Kontakt- und Anlaufstellen K&A Bern und Zürich wird seit einiger Zeit<br />

Methadon abgegeben. Die anfängliche Skepsis war gross – doch die Erfahrung<br />

zeigt, dass diese Projekte durchaus Sinn machen und die Zielsetzungen in den<br />

meisten Fällen erreicht werden können. In beiden Städten wurden die Projekte<br />

als fester Bestandteil des K&A-Angebotes installiert.<br />

Regine Hoffmann<br />

Leiterin Kontakt- und Anlaufstellen Zürich,<br />

Selnaustrasse 27, CH-8001 Zürich, Tel: +41 (0)44 215 24 81,<br />

Regine.Hoffmann@Zuerich.ch, www.stadt-zuerich.ch/sd<br />

Ines Bürge<br />

Leiterin Kontakt und Anlaufstelle Contact Netz,<br />

Hodlerstrasse 22, CH-3011 Bern, Tel: +41 (0)31 310 06 52,<br />

Ines.Buerge@contactmail.ch, www.contactnetz.ch<br />

Schlagwörter:<br />

Kontakt- und Anlaufstelle | Überlebenshilfe | Substitution | Methadon |<br />

Das Angebot in Bern und Zürich<br />

In den Kontakt- und Anlaufstellen der Städte Bern und<br />

Zürich können drogenabhängige Menschen ab 18 Jahren selbst<br />

mitgebrachte Drogen unter hygienischen Bedingungen in<br />

überwachten Konsumräumen konsumieren. Die KlientInnen<br />

haben Zugang zu Überlebenshilfeleistungen (Spritzentausch,<br />

Aufenthaltsraum, günstige Verpfl egung usw.) und erhalten<br />

soziale und medizinische Beratung und Betreuung. Die Gesundheitsprävention<br />

(Hepatitis C, HIV) wird u. a. im Rahmen<br />

von Aktionswochen betrieben. Es bestehen unterschiedliche<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten wie Kochen, Thekendienst, Umgebungspfl<br />

ege, Putzen.<br />

Die Polikliniken Crossline und Lifeline der Stadt Zürich bieten<br />

abhängigen Menschen Substitutionsbehandlungen mit<br />

spritz- oder schluckbaren Medikamenten wie Diaphin, Methadon,<br />

Subutex u. a. an. Ein interdisziplinäres Team aus ÄrztInnen,<br />

Pfl egefachpersonen und Sozialarbeitenden betreut<br />

und begleitet die PatientInnen bei der Therapie und unterstützt<br />

sie bei Problemen.<br />

Das ZAS Bern ist das Zentrum für ambulante Suchtbehandlung<br />

der Stiftung Contact Netz. Das Angebot richtet sich in<br />

erster Linie an opioidabhängige Menschen. Für die Behandlung<br />

werden vorwiegend die Medikamente Methadon und Buprenorphin<br />

eingesetzt. Das Behandlungsteam ist interdisziplinär<br />

zusammengesetzt (ÄrztInnen, SozialarbeiterInnen und<br />

Pfl egefachpersonen).<br />

Ausgangslage<br />

Warum Methadon in der K&A?<br />

Im Rahmen der Überlebenshilfe ist der Umgang mit dem<br />

Drogenkonsum und den entsprechenden Begleiterscheinungen<br />

in allen Kontakt- und Anlaufstellen Alltagsthema. Die<br />

Mitarbeitenden sprechen die KlientInnen regelmässig auf die<br />

Inanspruchnahme einer Substitutionsbehandlung an. Sowohl<br />

in Bern wie in Zürich besteht eine enge Zusammenarbeit mit<br />

entsprechenden Institutionen. In den K&A sind zu bestimmten<br />

Zeiten und in regelmässigen Intervallen Fachleute der<br />

Substitutionsbehandlungen vor Ort. Sie suchen das Gespräch<br />

mit den KlientInnen, erläutern das Behandlungsangebot und<br />

verteilen Informationsmaterial. Trotz der gut ausgebauten<br />

Substitutionseinrichtungen und den erwähnten Massnahmen<br />

nehmen rund 30% der K&A-BenutzerInnen keine Substitutionsbehandlung<br />

in Anspruch. Handelt es sich um individuelle<br />

oder strukturelle Gründe? Geht es um einen bewussten und<br />

eigenverantwortlichen Entscheid? Oder ist der Eintritt in ein<br />

Programm für ein gewisses KlientInnensegment zu hochschwellig?<br />

Besteht eine Informationslücke über die Behandlungsangebote?<br />

Muss die Zusammenarbeit zwischen Substitutionsinstitutionen<br />

und den K&A optimiert werden?<br />

Um Antworten auf diese Fragen zu fi nden, resp. eine allfällige<br />

Versorgungslücke zu schliessen, haben die K&A Bern<br />

und Zürich die Methadonabgabe in Form eines Pilotprojektes<br />

eingeführt. 1 In Zürich wurde die Methadonabgabe nach der<br />

Pilotphase gestoppt und ist im Januar <strong>2013</strong> wieder angelaufen.<br />

Vorgängig wurden Bedarfsabklärungen durchgeführt. Diese<br />

zeigten, dass die Nachfrage bei nicht substituierten Personen<br />

nach einem entsprechenden Angebot durchaus vorhanden<br />

war. So gaben im Jahr 2007 in Zürich 45% der Befragten ohne<br />

Substitution an, sie würden an einem Methadonprogramm<br />

in der K+A teilnehmen. In Bern meldeten im Jahr 2010 31% der<br />

Befragten ohne Substitution Interesse an. Laut Schätzungen<br />

und punktuellen Erhebungen befi nden sich 55-70% der K&A-<br />

KlientInnen 2 in einer substitutionsgestützten Behandlung. Es<br />

ist eine Tatsache, dass auch substituierte Menschen das Angebot<br />

der Kontakt- und Anlaufstellen in Anspruch nehmen. Beikonsum<br />

ist eine Realität, die akzeptiert werden muss. Zudem<br />

bieten die K&A vielen KlientInnen ein Stück Heimat, wo sie<br />

den Tag verbringen, sich beschäftigen und günstig verpfl egen<br />

können. Auch soziale Kontakte können gepfl egt und Beratung<br />

in Anspruch genommen werden.<br />

Völlig übertrieben? – Die Skepsis im Vorfeld<br />

Das Projekt «Methadonabgabe in der K&A» löste zu Beginn<br />

sowohl bei KlientInnen wie Mitarbeitenden kritische Fragen<br />

aus.<br />

– «Jetzt übertreibt ihr’s aber, ihr müsst uns doch das<br />

Methi nicht noch nachtragen... ist doch nicht zuviel<br />

verlangt, in die Abgabestelle zu laufen.»<br />

– «Gehört es tatsächlich zum Auftrag einer Kontakt- und<br />

38 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Anlaufstelle, den KlientInnen auch noch Methadon auf<br />

dem Silbertablett zu servieren?»<br />

– «Wieso müssen wir K&A-MitarbeiterInnen<br />

Dienstleistungen anbieten, die in spezifi schen<br />

Substitutionseinrichtungen mit entsprechendem<br />

Fachpersonal Bestandteil des Angebotes sind?»<br />

Die kritischen Infragestellungen hatten durchaus ihre Berechtigung<br />

und wurden in der Projektphase miteinbezogen.<br />

Ziele<br />

Zwei der wichtigsten Ziele der K&A sind die Erreichbarkeit<br />

der Drogenabhängigen und die Entlastung des öffentlichen<br />

Raums. Der primäre Arbeitsauftrag besteht darin, die Überlebenschancen<br />

der Zielgruppe zu verbessern, ihre physische<br />

und psychische Gesundheit zu stabilisieren und eine soziale<br />

Integration in die Gesellschaft zu fördern. Das Angebot der<br />

Kontakt- und Anlaufstellen ist niederschwellig. Die Niederschwelligkeit<br />

defi niert sich dahingehend, dass die Angebote<br />

der Überlebenshilfe (Konsumräume, Spritzentausch, Waschmöglichkeiten,<br />

Duschen, Aufenthalt) unbürokratisch und ohne<br />

Aufl agen in Anspruch genommen werden können. Die KlientInnen<br />

werden nicht zur Abstinenz verpfl ichtet, sondern erhalten<br />

in jedem Zustand Unterstützung. Zwecks Stabilisation<br />

des physischen und psychischen Gesundheitszustandes ist<br />

die Substitutionsbehandlung ein probates Mittel. Aus diesem<br />

Grund wurde im Sinne eines niederschwelligen Intakes resp.<br />

einer späteren Triagierung in Substitutionseinrichtungen die<br />

Methadonabgabe in den K&A initiiert. Drogen konsumierende<br />

KlientInnen, die sich nicht in einer Substitutionsbehandlung<br />

befi nden, sollen das Methadon in diesem neuen Setting für<br />

eine befristete Zeit in den K&A beziehen können.<br />

Die konkreten und differenzierten Zielsetzungen der<br />

niederschwelligen Methadonabgabe defi nieren sich wie folgt:<br />

– Kurzfristig kann der Konsum von Strassenheroin und<br />

die Gefahr von Opiatüberdosierungen reduziert werden.<br />

Die Risiken und Schäden bei illegalem Drogenkonsum<br />

können somit gesenkt und der gesundheitliche Zustand<br />

verbessert werden.<br />

– Mittelfristig können im Rahmen des<br />

Methadonprogramms physische und psychische<br />

Krankheitsbilder thematisiert und betroffene<br />

KlientInnen an entsprechende Fachstellen triagiert<br />

werden.<br />

– Längerfristig sollen die KlientInnen in eine verbindliche<br />

und etablierte Substitutionsbehandlung eingebunden<br />

werden. Mit der Einbindung in die externen<br />

Behandlungen wird eine der Grundlagen geschaffen,<br />

um die Integrationschancen zu erhöhen. Durch das<br />

entsprechende medizinische Fachwissen im Rahmen<br />

einer substitutionsgestützten Behandlung erhöht<br />

sich die Chance für die Behandlung infektiologischer<br />

(Hepatitis C- und HIV-Infektionen) und physischer/<br />

psychischer Erkrankungen. Dadurch können allenfalls<br />

drogenbedingte und andere Gesundheitskosten gesenkt<br />

werden.<br />

– Grundsätzlich erhöht sich durch Einbindung der<br />

KlientInnen in eine Substitutionsbehandlung<br />

die Chance, dass die KlientInnen sich auch in<br />

Tagesstrukturen integrieren und dadurch der öffentliche<br />

Raum entlastet wird.<br />

Eintrittsphase<br />

Potentielle KandidatInnen für die Methadonabgabe in den<br />

K&A sind in der Regel langjährig bekannte KlientInnen, mit<br />

denen eine Vertrauensbasis erarbeitet worden ist und deren<br />

soziale Integration im Rahmen der Bezugspersonenarbeit gefördert<br />

wird. Die Aufnahmekriterien entsprechen den Zutrittskriterien<br />

der jeweiligen K&A (Mindestalter, Einzugsgebiete).<br />

Die Opiatabhängigkeit muss mittels Urintest bewiesen sein.<br />

Der Versicherungsschutz ist über eine gültige Krankenkassenpolice<br />

gewährleistet. Das Aufnahmeverfahren beinhaltet die<br />

Überprüfung der Personalien sowie ein Indikationsgespräch. 3<br />

Sofern nicht bereits Bezugspersonen der K&A und der kooperierenden<br />

Substitutionseinrichtung festgelegt sind, werden<br />

diese bei Eintritt bestimmt.<br />

Behandlungsphase<br />

Die Abgabe fi ndet in bestimmten Zeitfenstern während der<br />

Öffnungszeiten der K&A statt. Das Methadon wird in Bern in<br />

Flüssigform verabreicht, in Zürich ab Januar <strong>2013</strong> in gemörserter<br />

Tablettenform. An einem Wochentag wird das Methadon<br />

im Crossline resp. ZAS abgegeben, um den Kontakt zur Substitutionseinrichtung<br />

und dem zuständigen Personal zu fördern.<br />

Bei Beginn der Behandlung gilt folgendes Aufdosierungsschema:<br />

Erster Tag = 30 mg, zweiter Tag = 40 mg, dritter Tag = 50<br />

mg. Die MethadonbezügerInnen können ihre Methadondosis<br />

täglich um 10 mg steigern, bis sie die vom Arzt verordnete Maximaldosis<br />

(100 mg) erreicht haben. Zwischen der Abgabe von<br />

Methadon und dem Konsum der selbst mitgebrachten Drogen<br />

in der K&A gibt es keine zeitliche Sperrfrist, da hierbei keine<br />

Gefahr von Überdosierung besteht.<br />

Übertrittsphase<br />

Die Behandlungsdauer in den K&A beträgt maximal drei<br />

Monate. Innerhalb dieser Zeit muss ein Übertritt in eine Substitutionseinrichtung<br />

oder zu einem anderen Anbieter erfolgen.<br />

Ein früherer Übertritt ist jederzeit möglich. Die MethadonbezügerInnen<br />

werden rechtzeitig an den Ablauftermin der<br />

K&A-Methadonabgabe erinnert und bei der Organisation des<br />

Fortsetzungsprogrammes unterstützt. Die Sperrfrist für eine<br />

Wiederaufnahme der Methadonabgabe in den K&A beträgt<br />

drei Monate.<br />

Projekterfahrungen und Fallbeispiele<br />

Die im Pilotprojekt gesammelten Erfahrungen sind in beiden<br />

Städten als grundsätzlich positiv zu bezeichnen. Die Anzahl<br />

der teilnehmenden KlientInnen mag zwar gering erscheinen<br />

(Abb. 1), doch die Nachfrage war gegeben. Grundsätzlich<br />

wurde nicht die Quantität der Personen als Erfolgskriterium<br />

bewertet, sondern die Qualität des Angebotes im Hinblick auf<br />

die oben erwähnten Zielsetzungen.<br />

Erfolge<br />

Einer der wichtigsten Effekte ist die gute Erreichbarkeit von<br />

KlientInnen innerhalb der K&A. Die KlientInnen frequentieren<br />

die K&A oft täglich. Sie können vor Ort über die niederschwellige<br />

Methadonabgabe informiert und beraten werden. Der Bezug<br />

der Substitutionsmedikamente im vertrauten Umfeld der<br />

K&A baut Hemmschwellen ab. Es müssen weder Öffnungszeiten<br />

einer zusätzlichen Institution noch Sprechstundenund<br />

Schaltertermine der regulären Substitutionsprogramme<br />

eingehalten werden. Die Wegstrecke entfällt, was vor allem<br />

älteren KlientInnen mit eingeschränkter Mobilität entgegenkommt.<br />

Bei den Aufnahmeabklärungen werden oft zusätzliche Problemfelder<br />

manifest, die im Rahmen der Bezugspersonenarbeit<br />

oder in Zürich auch mittels Case Management bearbeitet<br />

werden können, bspw. die fällige Beschaffung von Ausweispapieren,<br />

die Klärung allfälliger Ausstände bei der Krankenkasse,<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 39


Dossier: Substitutionsgestützte Behandlung<br />

die Suche nach einem Zimmer usw. Die Ressourcenerschliessung<br />

und die Bearbeitung von mehrdimensionalen Fragestellungen<br />

ist eine häufi ge Folge des Aufnahmegespräches für das<br />

Methadonprogramm.<br />

Auch nach einem Ausland- oder Hafturlaub kann der niederschwellige<br />

Zugang zu einem Methadonprogramm im Sinne<br />

einer unbürokratischen Übergangslösung von Nutzen sein. Die<br />

KlientInnen gewinnen Zeit, um ihre Angelegenheiten zu regeln.<br />

Nebst den positiven Auswirkungen auf Ebene KlientIn haben<br />

sich auch eine Intensivierung und Verbesserung der Zusammenarbeit<br />

zwischen K&A und Substitutionseinrichtungen<br />

ergeben. Der regelmässige betriebsübergreifende Austausch<br />

im Bezugspersonensetting, insbesondere während der Übertrittsphase,<br />

wird wahrgenommen und geschätzt. Die Transparenz<br />

und das Verständnis für das jeweilige Kerngeschäft erhöhen<br />

sich. Wenn einE KlientIn in die Substitutionseinrichtung<br />

übergetreten ist, erfolgt die weitere Zusammenarbeit situativ<br />

und bedarfsorientiert. In der Regel geht es um gesundheitliche<br />

Themenbereiche (Verschlechterung physischer oder psychischer<br />

Gesundheitszustand, Schwangerschaft o. Ä.) Fachliche<br />

Inputs u. a. von ÄrztInnen der Substitutionseinrichtungen<br />

stossen auf grosses Interesse seitens der MitarbeiterInnen<br />

der K&A. Durch die Vertiefung von Fachwissen bezüglich Substitution<br />

gewinnt die Alltagsarbeit an Qualität.<br />

Einige KlientInnen der K&A Bern, welche über die Abgabe in der<br />

K&A in eine Substitutionsbehandlung ausserhalb der K&A aufgenommen<br />

wurden, konnten in bestehende Tagesstrukturen,<br />

wie Arbeitsprogramme, integriert werden. Dadurch wird auch<br />

der öffentliche Raum entlastet.<br />

Beispiel Hugo 4 : 44 Jahre alt, Sozialhilfebezüger, obdachlos,<br />

Polytoxikomane, langjähriger K&A-Benutzer in Zürich. Gemäss<br />

eigener Aussage hat er ab und zu Methadon von der Gasse konsumiert,<br />

das er oft geschenkt bekommen hat. Seine Obdachlosigkeit<br />

erschwerte ihm die Organisation einer geregelten<br />

Tagesstruktur, der Umgang mit Ämtern und Versicherungen<br />

gestaltete sich schwierig. Ob er über eine gültige Krankenkasse<br />

verfügte, wusste er nicht. Hugo äusserte im Oktober<br />

2010 Interesse am Methadonprogramm. Der medizinische<br />

Kurzstatus ergab, dass Hugo sich in einem guten Allgemeinzustand<br />

befand, ein Telefon mit der Krankenkasse bestätigte<br />

eine gültige Police und keine Ausstände. Seine zuständige Sozialarbeiterin<br />

beglich die Prämienrechnungen jeweils direkt.<br />

Bereits nach einer Woche äusserte Hugo, dass er seit der Methadoneinnahme<br />

viel weniger gestresst sei, dass er besser<br />

schlafe und sich allgemein sehr wohl fühle. Anfang November<br />

2010 wurde Hugo ermuntert, mit der Substitutionseinrichtung<br />

Crossline Kontakt aufzunehmen, um eine Aufnahme in die<br />

heroingestützte Behandlung abzuklären. Nach einigen vergeblichen<br />

Anläufen erreichte er die zuständige Mitarbeiterin und<br />

vereinbarte einen Termin für ein Aufnahmegespräch, das er<br />

tatsächlich wahrnahm. Am 01.12.2010 konnte Hugo in die heroingestützte<br />

Behandlung des Crossline übertreten.<br />

Bespiel Manfred: Manfred verdiente sich schon sehr jung<br />

seinen Lebensunterhalt mit Betteln in der Stadt Bern. Er blieb<br />

immer freundlich zu den PassantInnen, die er um Geld anfragte.<br />

Ab und zu verreiste er ins Ausland mit dem Ziel, von<br />

den Drogen loszukommen. Einige Monate später zurück in<br />

Bern dauerte es nur wenige Wochen, bis er wieder regelmässig<br />

konsumierte. In die K&A Bern kam er täglich, verbrachte<br />

jedoch nicht die ganzen 7,5 Stunden dort. Manfred gab es nie<br />

auf, immer und immer wieder zu versuchen, ein Leben ohne<br />

Drogen zu erreichen. Für Manfred war die Kombination zweier<br />

gleichzeitiger Angebote der Schlüssel zum Erfolg: Er trat ins<br />

Zaska (s. Angebotsinformation Kasten) ein und nahm gleichzeitig<br />

am KISS-Programm 5 teil, welches in der K&A für eine<br />

Gruppe angeboten wurde. Er setzte sich in dieser Zeit stark mit<br />

seiner Sucht auseinander. Noch vor Ablauf der drei Monate gelang<br />

es ihm, in eine Entzugsklinik einzutreten und sich für eine<br />

anschliessende stationäre Therapie anzumelden. Die letzte<br />

Meldung, die das K&A-Team erhielt, war sehr positiv: Manfred<br />

war erfolgreich in der Therapie, es gehe ihm gut.<br />

Stolpersteine und Grenzen<br />

Vor dem 01.01.2012 waren Ausstände bei der Krankenkasse<br />

und Leistungssperren häufi ge Stolpersteine, weil aufgrund<br />

mangelnder Kapazität des Personals und unkooperativen Verhaltens<br />

seitens der KlientInnen keine zeitnahe Lösung in Form<br />

einer Krankenkassendeckung erreicht werden konnte – ein<br />

klassisches soziales Integrationsproblem. Dass mittlerweile<br />

keine Leistungssperren mehr erhoben werden, kommt der<br />

Behandlung der Klientel zugute. Wenn zusätzlich zur Krankenkassenproblematik<br />

ungeregelte Meldeverhältnisse und<br />

unklare Zuständigkeiten betreffs wirtschaftlicher Sozialhilfe<br />

vorhanden waren, erreichte die Situation einen hohen Komplexitätsgrad.<br />

Sowohl in Zürich wie in Bern entstanden zeitliche Engpässe,<br />

wenn das Tagesteam der K&A während hektischer Phasen<br />

in der regulären Öffnungszeit Methadon abgeben musste. In<br />

beiden Städten konnte kein zusätzliches Personal für die Abgabe<br />

gestellt werden. Sowohl die Abgabe als auch der logistische<br />

und administrative Aufwand (Transport Methadon, Dokumentation<br />

usw.) mussten kostenneutral umgesetzt werden.<br />

Ebenfalls ist für einige (wenige) KlientInnen selbst nach<br />

einer dreimonatigen «Einstellungs-Zeit» die Schwelle in ein<br />

reguläres Substitutionsprogramm zu hoch. Die Bereitschaft,<br />

minimale Aufnahmeanforderungen zu erfüllen, fehlt vereinzelt.<br />

In solchen Fällen ist der eigenverantwortliche Entscheid<br />

der Klientel zu akzeptieren. Zudem wollen nicht alle Drogenabhängigen<br />

in eine Substitutionsbehandlung eintreten und sich<br />

behandeln lassen. Dies ist eine Tatsache, die es zu respektieren<br />

gilt.<br />

Dass in Zürich während der Pilotphase (Mai bis September<br />

2010) die Methadondosis auf 30 mg beschränkt war, erwies<br />

sich als grosses Hindernis. 30 mg Methadon sind für langjährig<br />

chronisch Drogen Konsumierende ein Tropfen auf den heissen<br />

Stein. Der Anreiz, mit dieser Maximaldosis in eine Substitution<br />

einzusteigen, war oft zu gering.<br />

Beispiel Martin: Martin ist 44 Jahre alt und konsumiert seit<br />

vielen Jahren Heroin und Kokain. Er verkehrt täglich in der K&A<br />

Bern und bleibt da fast die ganzen 7,5 Stunden, in denen der Betrieb<br />

geöffnet hat. Seit einem schweren traumatischen Erlebnis<br />

ist er meist ruhig und in sich gekehrt. In der K&A ist er sehr<br />

hilfsbereit – wo er Arbeit sieht, packt er mit an. Er bezieht Sozialhilfe<br />

und wohnt in einem Wohnangebot des Contact Netz. Im<br />

Dezember 2011 konnte ihn seine Bezugsperson motivieren, ins<br />

Methadonprojekt Zaska einzusteigen. Da er sowieso täglich<br />

in der K&A war, bezog er seine Dosis regelmässig. Ab und zu<br />

musste ihn das Team daran erinnern, da er nicht immer selber<br />

daran dachte. Es schien, als hätte das Methadon für ihn keinen<br />

grossen Stellenwert – er nahm es einfach. Mit dem wöchentlichen<br />

Bezug im ZAS hatte er Mühe. Er beschwerte sich nicht,<br />

dorthin gehen zu müssen. Er ging einfach nicht. Ermahnungen,<br />

Angebote für Begleitungen ins ZAS blieben mehr oder weniger<br />

erfolglos. Irgendwann waren die drei Monate um. Martin nahm<br />

es zur Kenntnis. Ins ZAS trat er nicht ein, sondern «mischelte»<br />

und organisierte sich wieder, was er brauchte, um nicht Entzugserscheinungen<br />

zu haben. Nach drei Monaten hätte er die<br />

Möglichkeit gehabt, nochmals einen Anlauf zu nehmen und<br />

via Zaska ins ZAS einzusteigen. Stattdessen versuchte er eine<br />

40 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


Zeitlang, die Abgabetermine im ZAS einzuhalten, was ihm aber<br />

kaum gelang.<br />

Beispiel Leo: Bei Leo, 33 Jahre, Migrationshintergrund, Polytoxikomane,<br />

IV-Bezüger, obdachlos, offenbarten sich Grenzen<br />

für eine erfolgreiche Einbettung ins Methadonprogramm in<br />

Zürich. Leo trat nach dem Indikationsgespräch und Gesundheitscheck<br />

mit dem K&A-Arzt im Juni 2010 ins Methadonprogramm<br />

der K&A ein. Aufgrund der Problemlage – unklarer<br />

Aufenthaltsstatus, fehlende Krankenkasse – wurde ein Case<br />

Management eingerichtet. Diverse Termine beim Sozialamt,<br />

beim Amt für Zusatzleistungen, beim Case Manager, im Crossline<br />

nahm Leo nur sporadisch wahr. Es entwickelte sich ein<br />

Katz-und-Maus-Spiel mit Versprechungen, Ausweichmanövern,<br />

Fehlinformationen seitens Leos. Die Obdachsuche, die<br />

durch die Schwangerschaft seiner Freundin an Dringlichkeit<br />

gewann, beschäftige Leo sehr. Infolge der schwierigen Situation<br />

konnte er ausnahmsweise trotz ausstehender Krankenkasse<br />

Methadon beziehen. Im Herbst erhielt Leo ein einmonatiges<br />

Hausverbot wegen Beschimpfung und Bedrohung eines K&A-<br />

Mitarbeiters. Während dieser Zeit bezog er das Methadon im<br />

Crossline und konnte anschliessend in die K&A zurückkehren.<br />

Nachdem aber über Wochen keine Verbesserung der Verbindlichkeit<br />

erreicht wurde, musste Leo aus dem Methadonprogramm<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Zahlen und Fakten<br />

In Bern und Zürich wurden nicht die gleichen Kennzahlen<br />

erhoben. Bei den vergleichbaren Zahlen zeigen sich Unterschiede<br />

bei den Übertritten. Diese werden hier nicht genauer<br />

untersucht.<br />

Zürich<br />

Auswertung und Kennzahlen, Mai bis September 2010<br />

Standortgespräche bezüglich Status Substitution 46<br />

Notwendige Abklärungen (Krankenkasse, Wohnort usw.) 12<br />

Eintritt Methadonprogramm K&A 10<br />

Übertritt Crossline 6<br />

Übertritt in andere Substitutionseinrichtung 2<br />

Abbruch Methadonprogramm 2<br />

Bern<br />

Auswertung und Kennzahlen, April 2011 bis Oktober 2012<br />

Eintritt Methadonprogramm K&A (Zaska) mit späterem Übertritt<br />

14<br />

ins ZAS<br />

Vermittlungsgespräche in K+A mit direktem Eintritt ins ZAS 11<br />

Abb 1.: Auswertung und Kennzahlen in Zürich und Bern.<br />

Weiteres Vorgehen<br />

Ausblick in Zürich<br />

Im Oktober 2010 wurde die Methadonabgabe in den Dienstleistungskatalog<br />

der K&A in Zürich integriert, doch das Angebot<br />

verlief im Sand. Dies ist in erster Linie auf die bereits<br />

erwähnte niedrige Dosierung von 30 mg zurückzuführen. Andererseits<br />

wurde auch festgestellt, dass seit der repräsentativen<br />

Befragung im Jahr 2007 vermehrt KlientInnen eine Substitutionsbehandlung<br />

in Anspruch nehmen. Die Gründe für die<br />

vermehrte Inanspruchnahme einer Substitutionsbehandlung<br />

sind nicht klar eruierbar. Sicherlich hat sich die Zusammenarbeit<br />

zwischen K&A und Polikliniken in den letzten Jahren und<br />

insbesondere im Laufe des Pilotprojektes intensiviert und verbessert;<br />

das ist eine mögliche Erklärung für den gesteigerten<br />

Bekanntheitsgrad des Substitutionsangebotes und der vermehrten<br />

Triagierung. Trotzdem wird im Januar <strong>2013</strong> auch eine<br />

Reaktivierung des Angebotes sowohl in einer innerstädtischen<br />

Tageseinrichtung wie in einer peripheren Abendeinrichtung<br />

geplant. Die maximale Dosierung wird auf 100 mg erhöht.<br />

Ausblick in Bern<br />

Die Nachfrage nach der Methadonabgabe hat seit Projektstart<br />

in der Tendenz abgenommen. Im letzten Halbjahr ist<br />

nur noch ein Klient ins Zaska eingetreten. Dies kann nicht als<br />

Misserfolg gewertet werden. Diejenigen KlientInnen, welche<br />

diesen Zwischenschritt für den Eintritt in die höherschwellige<br />

Substitutionsbehandlung brauchten, konnten ihn tun. Fast die<br />

Hälfte der angesprochenen KlientInnen konnte direkt ins ZAS<br />

integriert werden, was der Zielsetzung ebenfalls entspricht.<br />

Ende 2012 wird das Zaska als fester Bestandteil der Angebote<br />

ZAS und K&A aufgenommen.<br />

Weitere Städte<br />

Die Stadt Basel prüft zurzeit die Möglichkeit einer Methadonabgabe<br />

in den K&A. Ob weitere Städte den Beispielen von<br />

Bern und Zürich folgen, ist nicht bekannt.<br />

Fazit<br />

Wichtige Erfolgsfaktoren für das Angebot einer Methadonabgabe<br />

in den K&A sind die Dosierung und zentrale Standorte,<br />

aber auch die sorgfältige Schulung der Mitarbeitenden.<br />

Diese müssen «ins Boot» geholt werden, um das Angebot<br />

entsprechend bewerben und umsetzen zu können. Durch Informationsveranstaltungen<br />

in Teamsitzungen, Fragerunden<br />

mit dem zuständigen Arzt und Mitarbeitenden der Substitutionseinrichtungen,<br />

Erfahrungsaustausch mit den Projektverantwortlichen<br />

können Unsicherheiten abgebaut und die Compliance<br />

erhöht werden. Selbstverständlich müssen auch die<br />

KlientInnen umfassend informiert werden, sei es durch Flyer<br />

oder im persönlichen Gespräch mit dem Arzt und den Mitarbeitenden.<br />

Die Implementierung von neuen Angeboten in den<br />

Kontakt- und Anlaufstellen ist erfahrungsgemäss ein langer<br />

Prozess.<br />

Auch wenn weiterhin mit keinem Grossandrang zu rechnen<br />

ist, wird die Dienstleistung im Sinne der Gesundheitsförderung,<br />

der sozialen Integration und der Entlastung des öffentlichen<br />

Raums als wichtig erachtet und in die Angebotspalette<br />

integriert. Nicht die Menge zählt, sondern das Einzelschicksal.<br />

Jeder Klient und jede Klientin, die informiert, abgeholt und<br />

nach Bedarf in eine Substitutionsbehandlung integriert werden<br />

kann, ist ein Erfolg..<br />

Endnoten<br />

1 In Bern wird das Methadonprojekt Zaska genannt, in Zürich IMP<br />

(Interimsmethadonprogramm).<br />

2 BE, Umfrage 2010: 31% ohne Substitutionsprogramm, 61% mit<br />

Substitutionsprogramm (wovon 33% Zentrum für ambulante<br />

Suchtbehandlung ZAS, 10% Heroingestützte Behandlung KODA,<br />

52% Hausarzt/Apotheke, 5% andere Behandlung).<br />

3 ZH: Indikationsgespräch mit dem K&A-Arzt. BE: Indikationsgespräch<br />

mit SozialarbeiterIn und Arzt des ZAS.<br />

4 Die Namen wurden in allen Beispielen geändert.<br />

5 KISS steht für «Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum»<br />

und ist ein verhaltenstherapeutisches Selbstmanagementprogramm<br />

zur gezielten Reduktion des Konsums legaler und illegaler<br />

Drogen. Weitere Infos unter: www.kiss-heidelberg.de<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 41


Fotoserie<br />

Ethan Oelman<br />

(Jg. 1964), lebt und arbeitet in Zürich.<br />

www.ethan-oelman.com<br />

Nebst meiner Tätigkeit als frei arbeitender<br />

Fotograf arbeite ich in Teilzeit im Zentrum<br />

Horgen der Arud (die Arud betreibt<br />

vier Zentren für Suchtmedizin in und um<br />

Zürich). In meiner Funktion als Betriebsleiter<br />

habe ich viele Einblicke in eine – zuvor auch für mich<br />

– unbekannte Welt erhalten. Von daher kenne ich den Wert und<br />

die Bedeutung der substitutionsgestützten Behandlung gut.<br />

In der Fotografi e fokussiere ich mich auf die Bereiche<br />

People, Anlässe und Sport. Der Mensch steht dabei klar im<br />

Fokus.<br />

Perspektiven<br />

Für diese Fotoserie wollte ich Ausschnitte aus dem Alltag<br />

von Menschen in einer substitutionsgestützten Behandlung<br />

zeigen. Dazu habe ich die Arche Zürich angefragt. Die Arche<br />

ist ein soziales Unternehmen, welches die berufl iche und soziale<br />

Integration von Erwachsenen bei Problemen mit Sucht,<br />

psychischen Erkrankungen und Arbeitslosigkeit fördert. Zwei<br />

Personen aus dem Methadon-Programm haben sich zur Verfügung<br />

gestellt. Gerne hätte ich mehr Personen porträtiert. Dass<br />

sich lediglich zwei Personen meldeten, zeigt für mich dreierlei:<br />

a) die Menschen erleben häufi g physische und psychische<br />

Schwankungen und in so einem Gemütszustand möchte<br />

man sich nicht fotografi eren lassen<br />

b) Sucht und Substitution sind immer noch ein grosses<br />

Tabu und<br />

c) wer lässt sich schon gerne fotografi eren, resp. stellt sich<br />

unentgeltlich für Porträtaufnahmen zur Verfügung?<br />

Grund a und c sind nachvollziehbar. Dass dagegen in der<br />

heutigen, aufgeklärten Zeit das Thema Sucht und die entsprechenden<br />

Behandlungen immer noch ein Tabu sind, mag<br />

erstaunen und bedrücken. Es scheinen mehrere Generationen<br />

nötig zu sein, bis das Thema gesellschaftlich verstanden und<br />

anerkannt wird.<br />

Das Substitutions-Programm ermöglicht es – neben vielen<br />

anderen positiven Aspekten – ein Leben zu führen, welches nicht<br />

nur um die Substanz kreist. Perspektiven werden geschaffen<br />

und es gibt Raum für Hobbies und Beziehungen. Diesen Aspekt<br />

wollte ich mit den Bildern herausarbeiten und habe daher<br />

den Titel «Perspektiven» gewählt. Weil jeder Mensch höchst<br />

individuell mit dem Programm und dem Leben umgeht, wollte<br />

ich den Individuen ein Gesicht geben. Ein grosses Dankeschön<br />

an dieser Stelle an die beiden Porträtierten.<br />

42 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong>


J<br />

Präsident Expertengruppe Weiterbildung Sucht EWS und Geschäftsleiter<br />

Contact Netz Bern, Monbijoustrasse 70, CH-3000 Bern 23,<br />

Tel. +41 (0)31 378 22 44, jakob.huber@contactmail.ch<br />

Schlagwörter:<br />

??? | ??? | ??? | ??? | ??? |<br />

Weiterbildungszentrum FHS St.Gallen PROGRAMM <strong>2013</strong><br />

Management-Weiterbildungen für Public Services<br />

MASTER OF ADVANCED STUDIES (MAS)<br />

MAS in Management of Social Services<br />

www.fhsg.ch/msd<br />

Beginn April oder Oktober <strong>2013</strong><br />

Dauer 600 Lektionen Präsenzunterricht, 250 Stunden<br />

Masterabeit & zusätzliches Selbststudium,<br />

berufsbegleitend<br />

Leitung Elisabeth Sperandio<br />

CERTIFICATE OF ADVANCED STUDIES (CAS)<br />

CAS Gemeindeentwicklung<br />

Beginn 20. März <strong>2013</strong><br />

Dauer<br />

Leitung<br />

18 Tage<br />

Sara Kurmann<br />

CAS Sozialmanagement<br />

Beginn 25. April <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Andreas Laib<br />

CAS Leiten von Teams im<br />

Sozial- und Gesundheitswesen<br />

Beginn 22. August <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Christa Thorner<br />

CAS Führung im Kontext des psychosozialen Bereichs<br />

Beginn 24. Oktober <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Christa Thorner<br />

CAS Sozialpolitik<br />

Beginn 24. April 2014<br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Annegret Wigger<br />

Weiterbildungen für Berufe der Sozialen Arbeit<br />

MASTER OF ADVANCED STUDIES (MAS)<br />

MAS in Psychosozialer Beratung<br />

www.fhsg.ch/beratung<br />

Beginn Juni <strong>2013</strong><br />

Dauer 600 Lektionen Präsenzunterricht, 250 Stunden<br />

Masterarbeit & zusätzliches Selbststudium,<br />

berufsbegleitend<br />

Leitung Siegfried Mrochen<br />

CERTIFICATE OF ADVANCED STUDIES (CAS)<br />

CAS Sexualberatung<br />

Beginn 8. März <strong>2013</strong><br />

Dauer 28 Tage<br />

Leitung Esther Elisabeth Schütz<br />

CAS Systemorientierte Sozialpädagogik<br />

Beginn 18. April <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Astrid Hassler<br />

CAS Schulsozialarbeit<br />

Beginn 3. Mai <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Rosmarie Arnold<br />

CAS Kreativ Beraten – Strategien und Methoden<br />

Beginn 6. Juni <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Astrid Hassler<br />

CAS Mediation<br />

Beginn 14. Juni <strong>2013</strong><br />

Dauer 30 Tage<br />

Leitung Roland Proksch<br />

CAS Diakonieanimation<br />

Beginn 27. August <strong>2013</strong><br />

Dauer 22 Tage<br />

Leitung Marlise Schiltknecht<br />

CAS Sozialpädagogische Familienbegleitung<br />

Beginn 5. September <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Regula Flisch, Christina Fehr Dietsche<br />

CAS Coaching<br />

Beginn 19. September <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Veronika Bücheler-Täschler, Elisabeth Sperandio<br />

CAS Brennpunkt Kindesschutz<br />

Beginn 24. Oktober <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Claudia Hengstler<br />

CAS Case Management<br />

Beginn 25. Oktober <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Horst Uecker<br />

CAS Soziale Arbeit mit gesetzlichem Auftrag<br />

Beginn 27. März 2014<br />

Dauer 27 Tage<br />

Leitung Fredy Morgenthaler<br />

CAS Beratungs-Training<br />

Beginn 3. September 2014<br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Reto Eugster<br />

CAS Krisenintervention<br />

Beginn Herbst 2015<br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Peter Bünder<br />

SEMINARE<br />

Personalselektion &<br />

Kompetenzmanagement<br />

Daten 11./12. März <strong>2013</strong><br />

Leitung Christina Fehr Dietsche<br />

Focusing – Intuition &<br />

Professionalität im Dialog<br />

Daten 18./19. März <strong>2013</strong><br />

Leitung Tobias von Schulthess<br />

Die friedliche Macht der Sprache<br />

Daten 28./29. Mai <strong>2013</strong><br />

Leitung Reto Wambach<br />

Case Management<br />

Beginn 11. Juni <strong>2013</strong><br />

Dauer 4 Tage<br />

Leitung Sonya Kuchen, Martin Müller, Reto Eugster<br />

Selbstsorge im beruflichen Alltag<br />

Daten 18./19. Juni <strong>2013</strong><br />

Leitung Reto Wambach<br />

Fachseminar Praxisausbildung<br />

Beginn 12. September <strong>2013</strong><br />

Dauer 17 Tage<br />

Leitung Astrid Hassler<br />

Querdenken<br />

Daten 28./29. Oktober & 4. Dezember <strong>2013</strong><br />

Leitung Ruth Gauch-Mühle, Urs Mühle<br />

Elternaktivierung<br />

Daten 4./5. & 26. November <strong>2013</strong><br />

Leitung Rolf Straub<br />

Trainingswerkstatt Konfliktvermittlung<br />

Daten 18./19. November <strong>2013</strong><br />

Leitung Martin Niederhauser, Nora Brack<br />

Weiterbildungen zu neuen Medien<br />

MASTER OF ADVANCED STUDIES (MAS)<br />

MAS in Social Informatics<br />

www.fhsg.ch/sozialinformatik<br />

Beginn August <strong>2013</strong><br />

Dauer 600 Lektionen Präsenzunterricht, 250 Stunden<br />

Masterarbeit & zusätzliches Selbststudium,<br />

berufsbegleitend<br />

Leitung Selina Ingold, Ueli Hagger, Reto Eugster<br />

CERTIFICATE OF ADVANCED STUDIES (CAS)<br />

CAS Medienpädagogik<br />

Beginn 22. März <strong>2013</strong><br />

Dauer 25 Tage<br />

Leitung Martin Hofmann, Selina Ingold<br />

CAS Informatik-Projektleitung – IT-Lösungen für<br />

den Sozial- und Gesundheitsbereich<br />

Beginn 16. August <strong>2013</strong><br />

Dauer 24 Tage<br />

Leitung Ueli Hagger<br />

CAS Online Services – Online Beratung und<br />

Social Media in NPO’s<br />

Beginn Frühling 2015<br />

Dauer 24 Tage<br />

Leitung Stefan Ribler<br />

SEMINAR<br />

Social Media<br />

Datum 6. Mai <strong>2013</strong><br />

Leitung Hans-Dieter Zimmermann, Reto Eugster<br />

FHS St.Gallen, Weiterbildungszentrum, Rosenbergstrasse 59, Postfach, CH-9001 St.Gallen, Tel. +41 71 226 12 50, weiterbildung@fhsg.ch, www.fhsg.ch/weiterbildung<br />

FHO Fachhochschule Ostschweiz www.fhsg.ch


Neue Bücher<br />

44 <strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong><br />

Suchtmedizin kompakt. Suchtkrankheiten in<br />

Klinik und Praxis<br />

Felix Tretter (Hrsg.)<br />

2012 (2. aktual. Aufl.), Schattauer, 288 S.<br />

Steckt hinter jeder Sucht eine SehnSUCHT? Weshalb<br />

werden manche Menschen süchtig nach Alkohol,<br />

Nikotin, Medikamenten und/oder illegalen Drogen,<br />

manche nicht? Weshalb ist es so schwierig, sie<br />

abzusetzen? Wie sind Suchtkrankheiten nachweisbar?<br />

Wie werden sie optimal therapiert? Wie<br />

erkennt und behandelt man Entzugssymptome?<br />

Das Buch gibt Antworten auf solche Fragen, es stellt<br />

moderne Suchttheorien vor, geht auf Diagnostik<br />

und Therapie stoffgebundener Süchte ein und gibt<br />

Handlungsanleitungen für spezielle Situationen in<br />

der Praxis wie z. B. Überdosierung. Medikamenten-,<br />

Substanz- und Adressverzeichnisse ergänzen den<br />

Text. Das Buch richtet sich an ÄrztInnen in Kliniken<br />

und mit eigener Praxis.<br />

Blumen für Pina. Ein Kinderbuch zum Thema<br />

Heroinabhängigkeit.<br />

Anne-Christine Loschnigg-Barman/Otto<br />

Schmid/Thomas Müller<br />

<strong>2013</strong>, Mabuse, 45 S.<br />

Pina und ihre Mama mögen Blumen, ihr Balkon<br />

blüht in allen Farben. Es ist nicht immer leicht mit<br />

Mama, denn Mama ist heroinabhängig. Manchmal<br />

meckert sie ohne erkennbaren Grund an Pina<br />

herum, manchmal ist sie unzuverlässig und vergisst<br />

ihre Versprechen. Das macht Pina ganz schön zu<br />

schaffen – denn sie hat ihre Mama sehr lieb.<br />

«Blumen für Pina» erklärt das Verhalten von<br />

heroinabhängigen Eltern auf kindgerechte Art und<br />

Weise. Es macht Hoffnung und betont, dass die<br />

Sucht der Eltern nichts an ihrer Liebe zum Kind<br />

ändert. So bietet es Eltern, Grosseltern und anderen<br />

Bezugspersonen eine gute Grundlage für das<br />

Gespräch mit den Kindern.<br />

Resilienz und Risiko. Ressourcenaktivierung und<br />

Ressourcenförderung in der stationären<br />

Suchttherapie<br />

Roland Mahler<br />

2012, Springer, 208 S.<br />

Ressourcenorientierung ist nicht nur ein Schlagwort.<br />

Die vorliegende Monografi e zeigt, gestützt auf<br />

zwei empirische Untersuchungen, die konzeptionelle<br />

Bedeutung der Ressourcenorientierung<br />

einerseits und die Einschätzung von Klienten aus 28<br />

Suchtinstitutionen bzgl. der verfügbaren und<br />

förderungswürdigen Ressourcen. Daraus werden<br />

praktische Konsequenzen für eine methodische<br />

Anwendung der Ressourcenorientierung in der<br />

Suchtarbeit gezogen. Möglichkeiten der Diagnostik<br />

und Aktivierung von Ressourcen im stationären<br />

Umfeld werden dargestellt.<br />

Bindung und Sucht<br />

Karl Heinz Brisch (Hrsg.)<br />

2012, Klett-Cotta, 299 S.<br />

Oft beginnt eine Sucht mit dem Versuch, grossen<br />

Stress durch Suchtmittel erträglicher zu machen,<br />

anstatt ihn mit der Hilfe von Bindungspersonen<br />

abzubauen. Chronischer Stress kann so zu<br />

psychischer und körperlicher Abhängigkeit von<br />

Suchtmitteln führen. Die Beiträge des Buches<br />

zeigen, dass es einerseits einen Zusammenhang<br />

zwischen Bindung und Sucht, andererseits zwischen<br />

Suchtmittel und Bindungsfähigkeit gibt, wobei<br />

unterschiedliche Bindungstypen nach unterschiedlichen<br />

Substanzen, also z. B. Opiaten, Ecstasy,<br />

Alkohol, süchtig sein können. In dem Buch werden<br />

die Zusammenhänge deutlich gemacht und<br />

therapeutische und präventive Möglichkeiten<br />

aufgezeigt.<br />

Stuttgart<br />

23. - 24. April <strong>2013</strong><br />

Messe Stuttgart<br />

1 TICKET - 2 MESSEN<br />

ONLINE REGISTRIEREN<br />

UND SPAREN!<br />

3. Europäische Fachmesse für betriebliche<br />

Gesundheitsförderung und Demografie<br />

www.corporate-health-convention.de<br />

Mit über 2.300 Fachbesuchern &<br />

über 120 Ausstellern aus den Bereichen:<br />

Ambulant und stationäre<br />

Einrichtungen<br />

Gesundheitsorientierte<br />

Büroausstattung &<br />

Arbeitsplatzgestaltung<br />

Betriebsverpflegung &<br />

Ernährung,<br />

Dienstleistungen<br />

Zeitgleich und im Preis inbegriffen<br />

14. Fachmesse für Personalmanagement<br />

mit über 4.500 Geschäftsführern,<br />

Personalentscheidern, Personalreferenten &<br />

280 Ausstellern<br />

Hauptmedienpartner<br />

Partner<br />

Medizinische Produkte &<br />

Diagnostik,<br />

EDV-Lösungen<br />

Personalsoftware,<br />

Weiterbildung & Training<br />

Medien, Verlage, Vereine<br />

& Organisationen<br />

Netzwerken Sie mit uns!<br />

www.facebook.com/<br />

CorporateHealthConvention<br />

#CHCD13<br />

www.twitter.com/CHC_Messe<br />

Anzeige


Veranstaltungen<br />

Schweiz<br />

Nationale Tagung: Öffentlicher<br />

Raum, Suchthilfe, Polizei – eine<br />

Zusammenarbeit im Wandel<br />

13. März <strong>2013</strong>, Kongresshaus Biel<br />

Die Zusammenarbeit zwischen<br />

Polizei und Suchthilfe ist ein<br />

wichtiges Element der Viersäulenpolitik<br />

im Drogenbereich. An der Tagung<br />

werden die beiderseitigen Aufgaben<br />

und erfolgreiche Kooperationsmodelle<br />

vorgestellt und neue Herausforderungen<br />

diskutiert.<br />

Infos: Infodrog, Eigerplatz 5,<br />

CH-3000 Bern 14,<br />

Tel: +41 (0)31 376 04 01,<br />

offi ce@infodrog.ch, www.infodrog.ch<br />

Zürcher Präventionstag <strong>2013</strong>:<br />

«Gesundheitsligen und<br />

Prävention» – Zwischen<br />

öffentlicher Gesundheit und<br />

privater Betroffenheit<br />

22. März <strong>2013</strong>, Zürich<br />

Der Zürcher Präventionstag wird von<br />

Gesundheitsförderung Kanton Zürich<br />

in Zusammenarbeit mit Radix<br />

organisiert.<br />

Infos: Institut für Sozial- und<br />

Präventivmedizin der Universität<br />

Zürich ISPMZ,<br />

Hirschengraben 84, CH-8001 Zürich,<br />

Tel: +41 (0)44 634 46 29,<br />

www.gesundheitsfoerderung-zh.ch<br />

Familien im Fokus der Prävention:<br />

Potenziale und Herausforderungen<br />

– ein Blick über die<br />

Landesgrenzen<br />

25. April <strong>2013</strong>, Biel<br />

Nationaler Kongress von Sucht<br />

Schweiz.<br />

Infos: Sucht Schweiz,<br />

Av. Louis-Ruchonnet 14,<br />

CH-1003 Lausanne, Jennifer Dieter,<br />

Sekretariat Prävention,<br />

Tel. +41 (0)21 321 29 76,<br />

jdieter@suchtschweiz.ch,<br />

www.tinyurl.com/axfonar<br />

16th EASAR Conference<br />

9. - 12. Mai <strong>2013</strong>, Aeschi<br />

Internationale Tagung des Netzwerkes<br />

European Association of<br />

Substance Abuse Research.<br />

Infos:<br />

www.easar.com<br />

8. Basler Frühjahrestagung <strong>2013</strong><br />

24. Mai <strong>2013</strong>, Basel<br />

Alkohol...Missbrauch und<br />

Abhängigkeit.<br />

Infos: Universitäre Psychiatrische<br />

Kliniken Basel, Silvia Bischoff,<br />

Assistentin Zentrumsleitung,<br />

Tel. +41 (0)61 325 51 32,<br />

silvia.bischoff@upkbs.ch<br />

Ankündigung:<br />

www.tinyurl.com/a25zx35<br />

Dialogwoche Alkohol<br />

18. - 26. Mai <strong>2013</strong>, ganze Schweiz<br />

www.tinyurl.com/9xyl7wv<br />

5. Fachtagung Klinische<br />

Sozialarbeit<br />

13. & 14. Juni <strong>2013</strong>, Olten<br />

Workshop-Tagung: «Mit Zielen<br />

arbeiten trotz widriger Umstände.»<br />

Infos: Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

FHNW, Hochschule für<br />

Soziale Arbeit, Prof. Dr. Günther<br />

Wüsten, Riggenbachstrasse 16,<br />

CH-4600 Olten, Tel. +41 (0)62 957 21 58,<br />

guenther.wuesten@fhnw.ch,<br />

www.klinischesozialarbeit.ch<br />

6. Kongress für Kinder- und<br />

Jugendförderung<br />

8. - 11. Juli <strong>2013</strong>, Engelberg<br />

Sommerakademie von infoklick.ch<br />

Infos: www.tinyurl.com/as4v5zb<br />

Swiss Public Health<br />

Conference <strong>2013</strong><br />

15. & 16. August <strong>2013</strong>, Zürich<br />

Vorsorgen und Versorgen bei<br />

chronischen Krankheiten: Wer macht<br />

was mit wem?<br />

Infos: Public Health Schweiz,<br />

Effi ngerstrasse 54, CH-3001 Bern,<br />

Tel.+41 (0)31 389 92 86,<br />

info@public-health.ch<br />

www.sph13.organizers-congress.ch<br />

Zukunft der Suchtforschung<br />

9. - 10. September <strong>2013</strong>, Zürich<br />

Internationale Konferenz zum<br />

20-Jahre Jubiläum des Instituts für<br />

Sucht- und Gesundheitsforschung<br />

ISGF.<br />

Infos: ISGF, Konradstrasse 32,<br />

CH-8031 Zürich, Tel. +41 (0)44 448 11 60,<br />

isgfkongress@isgf.uzh.ch<br />

www.isgf.ch<br />

Europa<br />

5. Internationale Konferenz zu<br />

Alcohol and Harm Reduction<br />

7. & 8. März <strong>2013</strong>, Frankfurt a.M.<br />

Veranstalter sind die Fachhochschule<br />

Frankfurt, Bundesverband für<br />

akzeptierende Drogenarbeit und<br />

humane Drogenpolitik akzept e.V.<br />

und zwei weitere Institutionen aus<br />

dem Suchtbereich.<br />

www.akzept.org<br />

Sucht und Spiritualität.<br />

Ein interkultureller Dialog<br />

7. - 9. März <strong>2013</strong>, Graz<br />

Der Grüne Kreis, Verein zur<br />

Rehabilitation und Integration von<br />

suchtkranken Menschen feiert sein<br />

30-jähriges Bestehen mit Symposium.<br />

Infos: Sucht & Spiritualität,<br />

c/o Wiener Medizinische Akademie,<br />

Alser Strasse 4, A-1090 Wien,<br />

Tel. +43 (0)1 405 13 83-10,<br />

suchtkongress<strong>2013</strong>@medacad.org,<br />

www.a-conference.at<br />

99. Wissenschaftliche<br />

Jahrestagung des Bundesverband<br />

für stationäre Suchtkrankenhilfe<br />

e.V. buss<br />

13. & 14. März <strong>2013</strong>, Berlin<br />

Sucht im Generationenwechsel.<br />

Infos: buss, Wilhelmshöher Allee 273,<br />

D-34131 Kassel, Tel. +49 (0)561 77 93 51,<br />

buss@suchthilfe.de,<br />

www.suchthilfe.de<br />

18. Tübinger Suchttherapietage<br />

(Vorankündigung)<br />

10.- 12. April <strong>2013</strong><br />

Infos: Sektion Suchtmedizin und<br />

Suchtforschung, Calwerstrasse 14,<br />

D-72076 Tübingen,<br />

Tel. +49 (0)7071 298 36 66,<br />

www.tinyurl.com/cxmk8rc<br />

Corporate Health Convention <strong>2013</strong><br />

23 & 24. April 13, Stuttgart<br />

3. Europäische Fachmesse für<br />

betriebliche Gesundheitsförderung<br />

und Demografi e.<br />

www.corporate-health-convention.de<br />

36. BundesDrogenKongress<br />

6. & 7. Mai <strong>2013</strong>,<br />

Aschheim-Dornach bei München<br />

Sucht und Gewalt. Fakten, Zusammenhänge<br />

und Best Practice<br />

Infos: Fachverband Drogen- und<br />

Suchthilfe e.V., Odeonstrasse 14,<br />

D-30159 Hannover,<br />

Tel. +49 (0)511 1 83 33,<br />

mail@fdr-online.info,<br />

www.tinyurl.com/b3frnux<br />

18. Suchttherapietage in Hamburg<br />

21. - 24. Mai <strong>2013</strong>, Hamburg<br />

Aktuelle Herausforderungen für<br />

Suchtbehandlung und -prävention.<br />

Infos: Kongressbüro der Suchttherapietage,<br />

Zentrum für Interdisziplinäre<br />

Suchtforschung der Universität<br />

Hamburg ZIS, Martinistr. 52, D-20246<br />

Hamburg, Tel. +49 (0)40 7410 54203,<br />

kontakt@suchttherapietage.de,<br />

www.tinyurl.com/bvxu56z<br />

Deutschland: Aktionswoche<br />

Alkohol <strong>2013</strong><br />

25. Mai - 2. Juni <strong>2013</strong>, ganz<br />

Deutschland<br />

www.aktionswoche-alkohol.de<br />

26. Kongress des Fachverbandes<br />

Sucht e.V<br />

10. - 12. Juni <strong>2013</strong>, Heidelberg<br />

Der Mensch im Mittelpunkt – Was<br />

bedeutet dies für die Suchtbehandlung?<br />

Infos: Fachverband Sucht e.V.<br />

Walramstrasse 3, 53175 Bonn,<br />

Tel. +49 (0)228 261555,<br />

sucht@sucht.de,<br />

www.tinyurl.com/brdwmsw<br />

4. Bayerischer Fachkongress<br />

Glücksspiel <strong>2013</strong><br />

(Vorankündigung)<br />

12. Juni <strong>2013</strong>, München<br />

www.tinyurl.com/afqo8ae<br />

14. Interdisziplinärer Kongress für<br />

Suchtmedizin (Vorankündigung)<br />

4. - 6. Juli <strong>2013</strong>, München<br />

Fachintegrierendes Forum für<br />

Suchttherapie, Suchtfolgekrankheiten<br />

und Akutversorgung<br />

Suchtkranker.<br />

www.tinyurl.com/ce2p5sf<br />

Typisch für<br />

Anzeige<br />

Definiertes Trinken DT ®<br />

ist<br />

- kein Einloggen<br />

- kein Passwort<br />

- fachlich aber kurz<br />

- die Selbstanwendung<br />

www.definiertestrinken.ch<br />

• Datenbank mit über 600 Suchthilfeangeboten der<br />

Schweiz (Beratung, Therapie, Entzug, niederschwellige<br />

Angebote, betreutes Wohnen, Selbsthilfe, Prävenon)<br />

• Für Fachleute, Betroffene und Angehörige<br />

• Suche nach Kanton, Suchorm, spezifischen Angeboten<br />

für Jugendliche, ältere Menschen, Frauen, Männer,<br />

MigrantInnen<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 45<br />

Anzeige


Newsflash<br />

Präsentiert von<br />

Das Schweizer Suchtportal<br />

www.infoset.ch<br />

Human Enhancement: Medizin für Gesunde?<br />

Unter dem Stichwort «Human Enhancement» werden<br />

medizinische Behandlungen diskutiert, die auf die Verbesserung<br />

nichtpathologischer Merkmale zielen. Die Akademien der<br />

Wissenschaften Schweiz haben jetzt das Neuroenhancement<br />

untersucht. Der Bericht fasst die Resultate von erstmals für die<br />

Schweiz durchgeführten empirischen Untersuchungen zusammen<br />

und diskutiert zentrale Aspekte wie die Abgrenzung zwischen<br />

Therapie und Enhancement oder die Rolle der Ärzteschaft. Im<br />

letzten Kapitel fi nden sich die Empfehlungen der Arbeitsgruppe<br />

nach Abschluss ihrer vierjährigen Tätigkeit.<br />

www.tinyurl.com/cjtkuaj<br />

Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im<br />

Erwachsenenalter<br />

Die Stärkung von Schutz- und Resilienzfaktoren könnte<br />

die Wirkung von gesundheitsfördernden und präventiven<br />

Massnahmen und auch die Fähigkeit von Menschen, sich für ein<br />

gesundheitsförderliches Lebensumfeld einzusetzen, verbessern.<br />

Ziel der vorliegenden Expertise ist es, die wissenschaftliche<br />

Basis für eine solche Strategie zu verbreitern. Es werden u. a.<br />

folgende Punkte thematisiert: Entstehungshintergrund der<br />

Schutzfaktorenforschung, Stellenwert und die wissenschaftliche<br />

Fundierung der Konzepte, empirische Befunde zu Schutz- und<br />

Resilienzfaktoren sowie Fragen nach dem Stellenwert und Nutzen<br />

der Konzepte für die Prävention und Gesundheitsförderung.<br />

Herausgeberin ist die Deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche<br />

Aufklärung (BZgA).<br />

www.tinyurl.com/d84nfl n<br />

Jubiläumsschrift der Alkoholverwaltung<br />

Zum Abschluss des Jubiläums «125 Jahre Eidg. Alkoholverwaltung<br />

EAV» erscheint eine Jubiläumsschrift. Zum einen verschafft<br />

diese Publikation den Lesenden einen kompakten Überblick über<br />

die vielfältige Geschichte der EAV und veranschaulicht diese<br />

mit zahlreichen Bildern. Zum andern erlaubt das Heft auch, das<br />

ereignisreiche Jubiläumsjahr 2012 mit seinen zahlreichen Anlässen<br />

nochmals Revue passieren zu lassen.<br />

www.tinyurl.com/cqzbbl8<br />

Alkoholpolitische Regelungen in Europa<br />

Die europäischen Staaten sind weitgehend autonom in<br />

der Gestaltung ihrer nationalen Alkoholpolitik. Seien es<br />

Promillegrenzen im Strassenverkehr, Alkoholwerbeverbote,<br />

Altersgrenzen für den Verkauf und den Ausschank von<br />

alkoholischen Getränken oder Öffnungszeiten von Restaurants<br />

– die Massnahmen, mit denen die Staaten gegen die negativen<br />

Auswirkungen des Alkoholkonsums vorgehen, sind vielfältig<br />

und von Land zu Land sehr unterschiedlich. Eine Datenbank des<br />

Bundesamtes für Gesundheit (BAG) gibt einen Überblick über die<br />

alkoholpolitische Situation in ausgewählten europäischen Staaten<br />

und ermöglicht einen Ländervergleich.<br />

www.tinyurl.com/cohdquh<br />

Die in der Schweiz geltenden gesetzlichen Regelungen, gegliedert<br />

nach Kantonen: www.tinyurl.com/ncx2ce<br />

Europäischer Aktionsplan zur Verringerung des schädlichen<br />

Alkoholkonsums (2012–2020)<br />

Der Aktionsplan wurde von den 53 Mitgliedstaaten in der<br />

Europäischen Region der WHO angenommen. Er besteht<br />

aus einer Reihe evidenzbasierter Grundsatzoptionen gegen<br />

schädlichen Alkoholkonsum. Der Aktionsplan knüpft eng an<br />

die zehn Handlungsfelder der globalen Strategie an, welche die<br />

Weltgesundheitsversammlung im Mai 2010 zur Reduktion des<br />

schädlichen Alkoholkonsums angenommen hatte.<br />

Europäischer Aktionsplan: www.tinyurl.com/ce23mdr<br />

Globale Alkoholstrategie WHO 2010: www.tinyurl.com/d77axkz<br />

Von der Trinkerfürsorge zur Zürcher Fachstelle für<br />

Alkoholprobleme ZFA<br />

Auch die ZFA feiert ein Jubiläum und veröffentlicht aus diesem<br />

Anlass die Schrift «Einhundert Jahre», in der der Wandel von der<br />

Trinkerfürsorge zur Fachstelle aufgezeichnet wird.<br />

www.tinyurl.com/d56femw<br />

Podiumsveranstaltung: Suchtpolitik Schweiz – wie weiter?<br />

Am 14. November 2012 führten der Fachverband Sucht und die arud<br />

eine Podiumsdiskussion zur Suchtpolitik in der Schweiz durch.<br />

Anlass war die Publikation der Deutschen Übersetzung des zweiten<br />

Berichts der Global Commission on Drug Policy (GCDP) «Der Krieg<br />

gegen Drogen und HIV/AIDS».<br />

Video-Aufzeichnungen der Veranstaltung:<br />

www.tinyurl.com/cknub65<br />

Bericht der GCDP: www.tinyurl.com/crmt7j9<br />

Fonds für nachhaltige Tabakprävention TPF<br />

Der Tabakpräventionsfonds wurde eingerichtet, um<br />

Präventionsmassnahmen zu fi nanzieren, die den Einstieg in<br />

den Tabakkonsum verhindern, den Ausstieg fördern und die<br />

Bevölkerung vor Passivrauch schützen. Organisationen und<br />

Personen, die Tabakpräventionsprojekte durchführen, können<br />

beim Fonds fi nanzielle Unterstützung beantragen. Sie fi nden<br />

hier Angaben über die Zulassungsberechtigung, das Vorgehen<br />

für die Einreichung von Projekten beim TPF und das Verfahren<br />

der Gesuchsbeurteilung. Die nächsten Einreichungstermine für<br />

Projektanträge sind der 22. Mai <strong>2013</strong> und der 13. September <strong>2013</strong>.<br />

www.tinyurl.com/d28laky<br />

Glücksspiel – ein Freizeitvergnügen mit Risikopotenzial<br />

Präventionsmassnahmen gegen Glücksspielsucht müssen<br />

jene Personen erreichen, welche ein besonderes Risiko für die<br />

Entwicklung eines problematischen Spielverhaltens aufweisen.<br />

Und sie müssen Probleme verhindern oder zumindest reduzieren.<br />

Sucht Schweiz hat im Rahmen des Interkantonalen Programms<br />

Glücksspielsuchtprävention Nordwest- und Innerschweiz externen<br />

Forschungsinstituten drei Studien in Auftrag gegeben, die sich<br />

auf betroffene Personengruppen fokussieren. Die Resultate geben<br />

Hinweise, wie zukünftige Präventionsmassnahmen wirksam<br />

ausgestaltet und die genannten Zielgruppen besser erreicht<br />

werden können.<br />

Medienmitteilung von Sucht Schweiz: www.tinyurl.com/bqleb6z<br />

Infoset fi nden Sie auch auf Facebook: www.facebook.com/infosetde<br />

<strong>SuchtMagazin</strong> 1|<strong>2013</strong> 47


<strong>SuchtMagazin</strong> im Abonnement<br />

Kontakt: abo@suchtmagazin.ch oder +41(0)31 376 04 01<br />

Jahresabonnement<br />

Schweiz CHF 90.–, Ausland Euro 75.–<br />

Unterstützungsabonnement<br />

Schweiz CHF 120.–, Ausland Euro 80.–<br />

Kollektivabonnement ab 5 Exemplaren<br />

Schweiz CHF 70.–, Ausland Euro 48.–<br />

Schnupperabonnement (3 Ausgaben)<br />

Schweiz CHF 30.–, Ausland Euro 25.–<br />

Das <strong>SuchtMagazin</strong> jetzt auch auf<br />

Ausblick auf die kommenden Schwerpunkte<br />

Nr. 2|<strong>2013</strong>: Sucht im Alter<br />

Inserateschluss: 25. März <strong>2013</strong><br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. April <strong>2013</strong><br />

Nr. 3|<strong>2013</strong>: Stimulanzien<br />

Inserateschluss: 25. Mai <strong>2013</strong><br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. Juni <strong>2013</strong><br />

Nr. 4|<strong>2013</strong>: Selbsthilfe/Selbstheilung<br />

Inserateschluss: 25. Juli <strong>2013</strong><br />

Erscheinungsdatum: ca. 25. August <strong>2013</strong><br />

Nr. 5|<strong>2013</strong>: n.n.<br />

Inserateschluss: 25. September <strong>2013</strong><br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. Oktober <strong>2013</strong><br />

Nr. 6|<strong>2013</strong>: n.n.<br />

Inserateschluss: 25. November <strong>2013</strong><br />

Erscheinungsdatum: ca. 15. Dezember <strong>2013</strong><br />

Facebook: facebook.com/suchtmagazin<br />

Twitter: twitter.com/suchtmagazin<br />

Lieferbare Nummern des <strong>SuchtMagazin</strong><br />

Bestellungen direkt an abo@suchtmagazin.ch | Preis pro Einzelheft CHF 18.– | Euro 13.– (exkl. Porto)<br />

<strong>2013</strong> 1 Substitutionsgestützte Behandlung<br />

2012 1<br />

2<br />

Angehörige<br />

Suchtpolitik<br />

3&4 Tabak<br />

5 Adoleszenz<br />

6 Sozialraum<br />

2011 1 Alkoholpolitik<br />

2 Sucht am Arbeitsplatz<br />

3 Verhaltenssüchte<br />

4 Kinder stärken<br />

5 Früherkennung und Frühintervention<br />

6 Social Networks (Web 2.0)<br />

2010 1 Evidenzbasierte Suchtprävention<br />

2 Neuro-Enhancer<br />

3 Sucht im Alter<br />

4 Frühe Förderung<br />

5 Club Health<br />

6 Drogenmärkte und Drogenhandel<br />

2009 1 Suchtarbeit und Prävention in der Bodenseeregion<br />

2 Qualität in der Suchtarbeit<br />

3 Sucht im Alter – stationäre Kontexte und Wohnen<br />

4 Migration und Sucht<br />

5 Jugendgewalt und Sucht<br />

6 Medikamente – Heil- und Suchtmittel<br />

2008 1 Schadensminderung<br />

2 Jugend heute<br />

3 Kontrollierter Konsum<br />

4 Gender Mainstreaming<br />

5 Cannabispolitik<br />

6 Alkohol und Jugendschutz<br />

2007 1 Mobbing – Gefahren und Chancen<br />

2 Früherkennung und Frühintervention<br />

3 Schule – Good Practice<br />

4 Suchtprävention, Jugend und Alkohol<br />

5 Fussball – Fankultur und Fanarbeit<br />

6 «Die Kette» – Drogenmagazin – Suchtmagazin<br />

2006 1 Substitution: Methadon, Heroin, Nikotin<br />

2 Frau, Sucht, Gender<br />

3 Gesundheitsförderung in Stadtteil- und Jugend arbeit;<br />

Heroinabhängige Frauen, Femmestische<br />

4 Gesundheitsförderung im Betrieb<br />

5 Hungern – Schneiden – Essen<br />

6 Rasen, Rausch und Risiko<br />

2005 1 Schnittstelle Schule – Beruf<br />

2 Gesundheit und Prävention in Haft<br />

3 Ritalinbehandlung – Pro und Contra<br />

4 QuaTheDA, Psychoaktiv.ch, Gender Mainstream, HIV-Therapie<br />

5 Prävention mit Peer Groups<br />

6 Gesundheitsförderung in der Gemeinde und im Quartier<br />

2004 1 Surfen, Chatten, Spielen, Wetten<br />

2 Interkulturelle Vermittlung in Suchtprävention und Beratung<br />

3 Akzeptierende Suchtarbeit<br />

4 Stationäre Suchttherapie – Neue Ansprüche und<br />

Herausforderungen<br />

5 Gender berücksichtigen in Schule, Freizeit und Erwerbsleben<br />

2003 1 Gemeinden Handeln, KlientInnenzufriedenheit,<br />

Präventionstheorie, Substitutionpolitik<br />

2 Schule und Soziale Arbeit, Stationäre Alkoholismustherapie<br />

3 Partykultur und Pillentesting<br />

4 Sucht im Alter<br />

5 Suizid<br />

6 Stationäre Drogentherapie

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!