i bring ihr Enzian und Speik wohl a - Speick
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Besser LeBen<br />
TexT<br />
Inge Ahrens<br />
Nur jeNseits<br />
der BaumgreNze<br />
ist der Echte <strong>Speik</strong><br />
anzutreffen. Einheimische<br />
graben die<br />
Pflanze samt Wurzel<br />
aus: Sie wird als<br />
beruhigendes Teekraut,<br />
aber auch für<br />
kosmetische Anwendungen<br />
genutzt.<br />
DUFT<br />
der<br />
der HoHen<br />
Einst zur Körperpflege in den Orient verschifft,<br />
erfährt der <strong>Speik</strong> in seiner Heimat Kärnten<br />
eine Renaissance in Natur <strong>und</strong> Badekultur. Reisende<br />
soll er in die Nockberge locken<br />
Oswin Lafner<br />
lockert die harte<br />
Erde mit dem<br />
Schraubenzieher<br />
auf. Dann schiebt<br />
er seine Fingerkuppen unter das<br />
Wurzelgeflecht des Gewächses<br />
<strong>und</strong> löst es. Kleine Triebe lässt<br />
er stecken, der Rest der Pflanze<br />
wandert in einen Stoffbeutel.<br />
Wie viele Wurzeln des Echten<br />
<strong>Speik</strong> Lafner im Laufe seines<br />
Lebens ausgegraben hat, weiß er<br />
nicht. Schon als Kind habe er ihn<br />
büschelweise an den Dorfkrämer<br />
verkauft, erzählt der 76-jährige<br />
Bauer aus dem kleinen Kärntner<br />
Dorf Saureggen. Für ihn sei das<br />
„eine kleine Zupuse“ gewesen.<br />
Ein Extraverdienst, ähnlich wie<br />
das Sammeln von Waldfrüchten<br />
<strong>und</strong> Kräutern. Heute gibt es nur<br />
noch zwei Bauern, die überhaupt<br />
<strong>Speik</strong> graben dürfen. Lafner ist<br />
einer von ihnen.<br />
Einzig in den Nockbergen,<br />
die zu beiden Seiten des Kleinkirchheimer<br />
Grabens auf über<br />
2000 Meter ansteigen, wächst<br />
das seltene Heilkraut. Einer der<br />
dortigen Berge, der Große <strong>Speik</strong>kofel,<br />
wurde sogar nach ihm<br />
benannt. Jenseits dieses Höhenzugs<br />
ist <strong>Speik</strong> unbekannt; <strong>und</strong><br />
selbst im Ursprungsgebiet sind<br />
viele seiner Qualitäten in Vergessenheit<br />
geraten. Gerade mal<br />
fünf Zentimeter hoch steht der<br />
Halm im harten Gras. An kühlen<br />
Windkanten kann er auch bis zu<br />
20 Zen timeter groß werden. Der<br />
<strong>Speik</strong> ist ein Extremist. Kalkböden<br />
mag er nicht. Wo Lärchen<br />
<strong>und</strong> Fichten nicht mehr<br />
gedeihen, gefällt es ihm: Erst<br />
ab 1800 Metern ist er überhaupt<br />
zu finden. Im Frühjahr trägt er<br />
..<br />
gelbe Blütendolden, die in der<br />
Vielfalt der Bergflora allerdings<br />
kaum zu erkennen sind. Im<br />
Herbst ist er ausgereift. Aus den<br />
verzweigten Wurzeln ragt dann<br />
vertrocknet ein zarter Stängel<br />
hervor, an dessen Ende die Rückstände<br />
der Blüten wie die Rispen<br />
am Getreide stehen. Spica<br />
celtica (lat.) wurde er deshalb<br />
früher genannt, nach dem Volksstamm,<br />
der in der Bronze zeit zu<br />
Füßen der Nockberge siedelte,<br />
„Keltische Ähre“. Inzwischen<br />
heißt er „Echter <strong>Speik</strong>“, botanisch<br />
Valeriana celtica, denn er ist eine<br />
Baldrianart. Ein Katzen- <strong>und</strong><br />
Hexenkraut, dessen Blüte nicht<br />
duftet. Wer aber beim Wandern<br />
auf eine Pflanze tritt, dem steigt<br />
aus den verletzten Rhizomen<br />
ein würziger <strong>und</strong> leicht schar(1),<br />
fer Geruch in die Nase. Manche<br />
fühlen sich bei dem Namen an<br />
die apfelsinenfarbene Seife <strong>ihr</strong>er<br />
Mütter <strong>und</strong> Großmütter erinnert,<br />
die so kostbar war in den 50er<strong>und</strong><br />
60er-Jahren, dass sie bis zum<br />
letzten, hauchdünnen Schnitz<br />
Tourismus/Suppenländer<br />
aufgewaschen wurde. Allerdings<br />
wird „<strong>Speick</strong>“ in diesem Fall mit<br />
„ck“ geschrieben: So heißt das<br />
Naturkosmetik-Unternehmen<br />
aus Baden-Württemberg, das Kleinkirchheim<br />
bis heute die Seife mit den äthe-<br />
Bad<br />
rischen Ölen der <strong>Speik</strong>pflanze<br />
(1),<br />
herstellt. Firmengründer Walter<br />
Rau führte den duftenden Bestseller<br />
1928 ein.<br />
Tourismus<br />
Vom Juni an bis in den<br />
August reift das begehrte Kraut.<br />
Wenn der Morgendunst auf den<br />
Almwiesen liegt, riecht man<br />
es. Von Mariä Himmelfahrt bis Kleinkirchheim<br />
Maria Geburt, vom 15. August bis Bad<br />
zum 8. September ist auch Oswin<br />
Lafner auf seiner Almhütte Fotos:<br />
06 2012 . alps 79
Besser LeBen<br />
Fotos: Inge Ahrens (5), Bad Kleinkirchheim Tourismus (1)<br />
unterm Schoberriegel, um den<br />
<strong>Speik</strong> zu ernten. „Man gräbt, was<br />
man sieht“, sagt er. „Für drei Kilo<br />
bräuchte ich einen 12-St<strong>und</strong>en-<br />
Tag.“ Seit 25 Jahren darf er offiziell<br />
graben, ob<strong>wohl</strong> die Pflanze<br />
seit 1936 unter Naturschutz steht.<br />
Deshalb war es den Nockbergern<br />
lange Zeit nur erlaubt, ihn aus<br />
der Erde zu nehmen, um ihn zu<br />
vermehren. Auch die Firma Rau<br />
musste sich mehr als 50 Jahre mit<br />
Plantagen behelfen. Dann fand<br />
die Universität für Bodenkultur<br />
in Wien heraus, dass es für den<br />
Erhalt des Krauts förderlich ist,<br />
wenn der Bestand regelmäßig<br />
ausgedünnt wird. Rau sicherte<br />
sich die Ernte.<br />
Wenn Oswin Lafner auf<br />
dem Berg ist, geht es ihm gut:<br />
den Füßen, dem Rücken. „Das<br />
sind die Kräuter“, schwört er <strong>und</strong><br />
ist ganz im Einklang mit dem<br />
Wissen seiner Vorfahren. Mit<br />
dem Duft sei das allerdings so<br />
eine Sache. „In der Natur riecht<br />
er sehr gut“, schwärmt er. „Wenn<br />
zu viel <strong>Speik</strong> auf einem Haufen<br />
liegt, nicht.“ Einmal habe er alles<br />
im Auto getrocknet. Noch zwei<br />
Jahre später habe der Wagen<br />
gestunken „Zu viel ist zu viel“,<br />
blinzelt Lafner verschmitzt unter<br />
seiner Schirmmütze hervor. Die<br />
Lachfalten haben sich in sein<br />
schmales Gesicht gegraben. Jetzt<br />
breitet er die frische Ernte lieber<br />
in seinem Trockenschuppen aus.<br />
„... I <strong>bring</strong> <strong>ihr</strong> Rauschkraut z’haus<br />
<strong>und</strong> <strong>bring</strong> <strong>ihr</strong> Arnika,<br />
i <strong>bring</strong> <strong>ihr</strong> <strong>Enzian</strong> <strong>und</strong> <strong>Speik</strong> <strong>wohl</strong> a“<br />
(aus einem Kärnter Volkslied)<br />
Noch im letzten Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
seien Ganoven in solche<br />
<strong>Speik</strong>schuppen gesperrt worden,<br />
weil ihnen der Geruch danach<br />
wochenlang anhaftete wie ein<br />
Makel, erzählt Elisabeth Mitter.<br />
Die 62-jährige wird „Kräuter-<br />
Lis“ genannt <strong>und</strong> arbeitet für den<br />
Nationalpark Nockberge. Botaniker<br />
<strong>und</strong> Einheimische hören auf<br />
sie. Lis Eltern waren Senner. „Mit<br />
honigsüßer <strong>Speik</strong>milch haben sie<br />
uns Kinder vorm Schlafengehen<br />
ruhig gestellt. Bei Husten kriegten<br />
wir <strong>Speik</strong>-Tee.“<br />
Schon vor mehr als 2500<br />
Jahren sollen ganze<br />
Wagenladungen mit<br />
<strong>Speik</strong> in den Orient<br />
gebracht worden sein, um<br />
die Frauen zu salben. Auch in<br />
Europa badete man lange darin,<br />
denn die Inhaltsstoffe machen<br />
die Haut geschmeidig <strong>und</strong> wirken<br />
beruhigend auf das zentrale,<br />
aber anregend auf das<br />
vegetative Nervensystem. Bis<br />
ins frühe 20. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein<br />
wurden Pflanzen in den Sudan,<br />
nach Marokko oder in die Türkei<br />
exportiert. Erst als man den<br />
<strong>Speik</strong> unter Naturschutz stellte,<br />
wurde es still um ihn. Nur die<br />
Kärntner schworen weiterhin<br />
auf <strong>ihr</strong> Kraut. Noch immer hängen<br />
Bäuerinnen ein Säckchen<br />
in die Kleiderkammer, um die<br />
Motten fern zu halten. Lis weiß,<br />
NotizeN<br />
dass die Jäger <strong>Speik</strong> in die Socken<br />
stopften, wenn sie bei Vollmond<br />
auf der Pirsch waren. „Nicht nur<br />
die Katz’ liebt Baldrian. Auch der<br />
Fuchs.“<br />
Der <strong>Speik</strong> hat eine glänzende<br />
Vergangenheit. Ob er auch<br />
eine Zukunft hat? Die Region<br />
setzt jedenfalls darauf. Im Nationalpark<br />
werden <strong>Speik</strong>-Wanderungen<br />
angeboten, bei denen<br />
man viel über die Geschichte des<br />
Heilkrauts lernt, <strong>und</strong> die heiß<br />
gelaufenen Füße in heilendem<br />
<strong>Speik</strong>wasser baden darf. In Bad<br />
Kleinkirchheim wurde gar eine<br />
Akademie gegründet, die Laien<br />
<strong>und</strong> Fachpublikum alles über<br />
das scheue Gewächs lehren soll.<br />
Lis zeigt dort unter anderem das<br />
Ausräuchern. Denn <strong>Speik</strong> ist in<br />
den Raunächten, wenn die bösen<br />
Geister mit kokelnden Kräuterbüscheln<br />
vertrieben werden,<br />
unverzichtbar. Wer entspannen<br />
will, kann das ebenfalls ganz<br />
im Zeichen des <strong>Speik</strong>s tun. In<br />
den Spas der „Harmony Hotels“<br />
– zwei Vier-Sterne-Häusern in<br />
Bad Kleinkirchheim – werden<br />
spezielle „<strong>Speick</strong>“-Behandlungen<br />
angeboten, <strong>und</strong> der charakteristische<br />
Duft zieht durch die<br />
Badelandschaften. Der <strong>Speik</strong>,<br />
das Multitalent – so die Hoffnung<br />
– möge das ganze Tal in<br />
Schwung <strong>bring</strong>en. Wo die Motten<br />
verduften, da entspannen die<br />
Menschen.<br />
Nationalpark Nockberge: www.nationalparknock<br />
berge.at, Tel. 00 43/42 75/665<br />
Harmony Hotels Bad Kleinkirchheim:<br />
www.harmonys.at; Hotel Kirchheimerhof,<br />
Tel. 00 43/42 40/278 <strong>und</strong> Hotel Prägnant,<br />
Tel. 00 43/42 40/452<br />
Naturkosmetik mit <strong>Speik</strong>: Walter Rau<br />
GmbH & Co.KG, <strong>Speick</strong>werk, www.speick.de<br />
(Produkte oder Bezugsquellenhinweis)<br />
Bad Kleinkirchheim Tourismus: www.badkleinkirchheim.at,<br />
Tel. 00 43/42 40/82 12<br />
NaTioNalparK<br />
NocKBerge<br />
Bad KleinMillkirchheimstätter<br />
See<br />
VillacH<br />
alle lieBeN<br />
speik:<br />
Elisabeth Mitter, die<br />
Kräuter-Expertin<br />
(o.) ebenso wie<br />
Oswin Lafner, der<br />
die Pflanze seit<br />
Kindertagen sammelt<br />
(linke Seite,<br />
o. r.). Nationalpark-<br />
Ranger Markus<br />
Böheim (u. l.) bietet<br />
in den Nock bergen<br />
sogar <strong>Speik</strong>-<br />
Wanderungen an.<br />
reichenau<br />
ossiacher<br />
See<br />
Wörther<br />
See<br />
06 2012 . alps 81