Primitivpflaumen
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Rettet die <strong>Primitivpflaumen</strong><br />
Konzept von<br />
Christen Hingst<br />
Heinrich Becker
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Primitivpflaumen</strong> S. 1<br />
Sorten S. 3<br />
Geschichte der Primitvpflaumen S. 4<br />
Sicherung und Vermehrung S. 12<br />
Ziel S. 13<br />
Teilbereiche Rettungsplan S. 14<br />
Beschreibung Teilbereiche S. 15<br />
Weg der Veredlung S. 21
PRIMITIVPFLAUMEN<br />
WAS IST DAS?<br />
Die <strong>Primitivpflaumen</strong> sind alte Pflaumensorten die<br />
vor ca. 100 Jahren die bäuerlichen Obstgärten<br />
zierten. Sie gehören zur Sektion Prunus wie z.B.<br />
Folgende Sorten:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Kricken<br />
Kreeken<br />
Schlehen<br />
Spillinge
DIE GESCHICHET DER PRIMITIVPFLAUME<br />
Seit über 30 Jahren setze ich mich für den Erhalt und für die<br />
Neuanlagen von Streuobstwiesen ein. Viele Anfragen erhalte ich<br />
von Besitzern und begutachte<br />
die Obstwiesen. Vor<br />
etwa einem Jahr besichtigte<br />
ich den kümmerlichen<br />
Restbestand einer<br />
überalternden Obstwiese.<br />
Am äußersten Rand entdeckte<br />
ich ein Kleinod an<br />
Büschen, die vor über 100<br />
Jahren die Wiese als Hecke<br />
umgaben. Sie bestand fast ausschließlich aus Pflaumenbäumen,<br />
wobei viele <strong>Primitivpflaumen</strong> hier wachsen wie: Blauer<br />
Spilling, Kricke, Wiechel, Schleswig- Holsteinische Rundpflaume<br />
u.v.a.m. (s. beide nachfolgenden Bilder).<br />
Die Früchte waren sehr<br />
klein, aber im Geschmack<br />
wunderschön.<br />
Wobei die Wiechelfrüchte<br />
am leckersten<br />
schmeckten: süß,<br />
saftig, fein herb, mit<br />
vollmundigem<br />
Pfaumenaroma!
Bisher liegen nur zwei Nachweise der Wiechel an der Westküste in<br />
Schleswig-Holstein vor! Nach diesem Erlebnis stellte sich bei mir die<br />
Frage:<br />
Wie sahen die Anpflanzungen um die Obstgärten und Obstwiesen<br />
unserer Vorfahren aus?<br />
Bücher oder Schriften konnte ich für die Beantwortung dieser Frage<br />
nicht erhalten. Zeitzeugen sind nicht da, nur kleine Restbestände an alten<br />
Obstwiesen, der Dialog mit<br />
Fachleuten und die eigenen Begegnungen<br />
aus der Kindheit<br />
(wuchs direkt zwischen drei<br />
Obstwiesen auf) ergeben folgendes<br />
Bild:<br />
Obstwiese in Hattstedt<br />
Alte Obstwiese Mildstedt Hof<br />
Obstwiesen waren früher im<br />
Bestand und in der Größe und<br />
Zusammensetzung der Obstsorten<br />
sehr unterschiedlich.<br />
Größere Höfe besaßen Obstbaumwiesen mit einer Anzahl von 20 bis 30<br />
Kern- und Steinobstbäumen. Am Pastorat, an der alten Dorfschule und<br />
in den Gärten der Tagelöhner und Kätner wuchsen zwar weniger<br />
Exemplare, jedoch waren sie ebenfalls stattliche Bäume. Hochstämme<br />
kamen vermutlich wegen der Windschur seltener vor. Aber kräftige Halbstämme<br />
veredelt mit einer robusten Sämlingsunterlage trugen reichlich.<br />
Das frühe Fallobst bereicherte das Futterangebot für die Rinder und<br />
Schweine.
Alle Obstbaumbestände wuchsen in der Nähe der Häuser. Die zahlreichen<br />
Obstbaumwiesen prägten das Landschaftsbild eines Dorfes, jedoch<br />
unterscheiden sie sich auch noch heute von Streuobstwiesen aus<br />
südlicheren Bereichen Deutschlands.<br />
Das liegt daran, dass kaum veredelte Obstbäume in freier Flur gepflanzt<br />
wurden. Nur selten wuchsen hier die so genannten Holzäpfel<br />
(Zufallssämlinge). Obstwiesen und Obstgärten wurden durch umgebende<br />
Hecken oder Knicks geschützt. Auch sie dienten als Früchtelieferanten.<br />
Die fruchtragenden Anpflanzungen unterschieden sich aber wesentlich<br />
von denen auf der Obstwiese. Hier wuchsen nur veredelte Büsche und<br />
Bäume. Die Vermehrung der Heckenpflanze stammte fast ausschließlich<br />
aus Wurzelsprossern oder Sämlingen. Pflanzen durch Wurzelausläufer<br />
sind sortentreu. Sämlinge lassen genetische Veränderungen<br />
(Bestäubung!) zu.<br />
Entstanden durch Zufall Sorten<br />
mit positiven Eigenschaften, so<br />
wurden sie durch Wurzelsprosse<br />
vermehrt und blieben somit erhalten.<br />
Das geschah im Besonderen bei<br />
den Schlehen und pflaumenverwandten<br />
Arten (Haferpflaume,<br />
Zibarte, Spilling, Kricherl, Krete<br />
etc.). Sie sind schon seit vorgeschichtlicher<br />
Zeit (Steinzeit) bei uns<br />
heimisch, also schon lange bevor<br />
es Zwetschen und Pflaumen gab.
Der Name Krieche oder Krichele ist möglicherweise auf die Eigenschaft<br />
zurückzuführen, dass sie zu starker Wurzelausläuferbildung neigen, also<br />
„kriecht“, und damit ganze Horste bilden kann. Es gibt zahlreiche ähnliche<br />
Typen an sogenannten Urpflaumen, deren Zuordnung und Unterteilung<br />
sehr schwierig ist.<br />
Herr Schlottmann aus Ratzeburg ist ein Prunus-Fachmann, der mit wissenschaftlichen<br />
Methoden versucht, eine neue taxonomische Bewertung<br />
zur Gattung Prunus aufzustellen.<br />
Auf seiner 2 ha großen Obstwiese<br />
(Pomarium Raceburgense) konnte<br />
er über 700 pflaumenartige Gehölze<br />
vorrangig aus Deutschland und<br />
aus Europa pflanzen.<br />
(<strong>Primitivpflaumen</strong>) sind<br />
durch die kleine Fruchtgröße<br />
zunehmend in<br />
Vergessenheit geraten<br />
und fanden im Fortschrittsglauben<br />
nicht ihre<br />
erforderliche Beachtung.<br />
Vermutlich sind einige<br />
Arten verschollen oder<br />
ausgestorben.<br />
Für unsere Streuobstwiese stehen<br />
besonders die regionalen Arten<br />
und Sorten im Vordergrund. Diese<br />
zu sammeln und dauerhaft zu sichern,<br />
entspricht unseren Vorstellungen,<br />
im Sinne der Arche zu<br />
handeln. Vertreter der Urpflaumen
Die lange Blütezeit der <strong>Primitivpflaumen</strong> beginnt bei einigen Arten bereits<br />
zur Weidenblüte und endet im Frühsommer. Für viele Insekten, besonders<br />
Wildbienen, sind die Blüten lebensnotwendig. Die Früchte sind<br />
eine leckere Nahrungsquelle für Vögel und Kleinsäuger z.B. Bilche.<br />
Auf unserem letzten Obsttag in Nordfriesland konnten wir das Problem<br />
der Öffentlichkeit näher bringen. Die zahlreichen Rückmeldungen geben<br />
uns Hoffnung, dass viele Arten, Sorten und Sippen nachhaltig gesichert<br />
werden können.<br />
Die Zusammensetzung der fruchtragenden Hecken und Knicks war sehr<br />
unterschiedlich. Einen bestimmten Typ gab es nicht. Vermutlich bestimmte<br />
die Verfügbarkeit des Pflanzgutes und die Vorlieben für die gewünschten<br />
Gerichte und Verarbeitungsprodukte die Wahl der fruchttragenden<br />
Pflanzen.<br />
Alte Koch-und Backrezepte weisen auf die Vielfalt schmackhafter Produkte<br />
wie Muse, Marmeladen, Säfte, Kompott und Backwaren hin.<br />
Das alles zu bewahren hat nichts mit Nostalgie und falsch verstandener<br />
Heimatliebe zu tun.<br />
Das Bewahren alter Kulturpflanzen ist natürlich zunächst ein ethisches<br />
Anliegen. Darüber hinaus gibt es weitere Gründe.<br />
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse weisen auf die Wichtigkeit der Vitalstoffe<br />
regionaler Früchte hin, die das menschliche Immunsystem stärken.<br />
Dabei wurde festgestellt, dass besonders den Urformen unserer<br />
Kulturpflanzen (wie zum Beispiel <strong>Primitivpflaumen</strong>) besondere Bedeutungen<br />
zukommen.
Die <strong>Primitivpflaumen</strong> besitzen weitere positive Eigenschaften. Sie sind<br />
anspruchslos, leicht vermehrbar, frosthart, resistent gegenüber vielen<br />
Krankheiten und ihre Früchte enthalten einzigartige Aromen. All diese im<br />
Genenpool der <strong>Primitivpflaumen</strong> enthaltenen Eigenschaften sind für die<br />
Züchtung neuer Kultursorten immens wichtig.<br />
Kreeten, Kreken, Krichen, Wicheln, Ziparten oder Spillinge sind keine<br />
Synonyme für die gleiche Pflaume. Da gibt es klare Unterschiede. Unsere<br />
Urgroßeltern wussten das.<br />
Und wir?<br />
Unserem Verein ist es bewusst, dass mehr Arbeit auf uns zukommt. Die<br />
meisten Pflanzen sind in keiner Baumschule zu beziehen. Woher bekommen<br />
wir die Pflanzen?<br />
Am einfachsten, aber wahrscheinlich weniger vorkommend, besteht die<br />
Möglichkeit, Wurzelausläufer aus der Feldgemarkung oder privaten Gärten<br />
abzustechen und dann zu pflanzen. Bei zu alten oder zu jungen<br />
Pflanzen kommen keine Wurzelschösslinge vor. Das Abstechen setzt<br />
meist auch eine Genehmigung voraus. Leichter sind einjährige Jungtriebe<br />
(Reiser) von den <strong>Primitivpflaumen</strong> abzuschneiden, die dann auf entsprechender<br />
Unterlage veredelt werden. Über 50 Reiser konnten gesammelt<br />
werden und lagern gekühlt für die Veredelungen Mitte bis Ende<br />
März. Auch erhalten wir Reiser dankenderweise kostenlos von Herrn<br />
Schlottman aus Ratzeburg.
Die veredelten Pflanzen zusammen mit den Wurzelausläufern zu pflanzen<br />
ist in unseren Augen ein absoluter Widerspruch. Wenn wir uns die<br />
Mühe machen, uns nach kulturhistorischen Gesichtspunkten auszurichten,<br />
sollten wir auch danach konsequent handeln.<br />
Wie erhalten wir aus einer<br />
veredelten Form einen<br />
Wurzelausläufer?<br />
Es gibt mehrere Methoden<br />
aus einem Reiser<br />
eine Bewurzelung zu erzielen<br />
wie z.B.: durch<br />
Abmoosen, Senker bilden,<br />
Stecklinge mit wurzelbildenden<br />
Hormonen<br />
behandeln (früher mit<br />
Nackthaferkorn) oder<br />
Abrisse gewinnen.<br />
Etwa 80 Pflanzen der Primitivpflaume finden auf unserer Obstwiese ihren<br />
Platz. Hier werden sie etwa nach 5--10 Jahren fleißig ihre Wurzelschösslinge<br />
bilden. Diese sollen zur Sicherung der Sorte und zur<br />
Steigerung der Biodiversität in andere Hecken des Kreises Mittleres<br />
Nordfriesland eingepflanzt werden.<br />
Eine komplexe Aufgabe steht uns bevor!<br />
Aber das rege Interesse zum Thema Primitivpflaume und die Bereitschaft<br />
vieler Mitmenschen nach bestehenden Restbeständen zu suchen,<br />
gibt uns ein gutes Gefühl, weiterhin an dem Konzept festzuhalten.
Wir freuen uns auch über die Mithilfe der UNB Nordfriesland durch Frau<br />
F. von Rymon-Lipinski und Herrn Brambrink.<br />
Die UNB erkennt die Wertigkeit unseres Anliegens und ist bemüht, im<br />
Rahmen ihrer Möglichkeiten uns zu unterstützen. Für die fachlich beratende<br />
Unterstützung danken wir:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Prof. Dr. Willfried Janßen; Ausacker; Biologie-Dozent an der UNI-FL<br />
Meinolf Hammerschmidt, Sörup; Pomologe<br />
Dr. Andreas Wrede, Ellerkoop; Gartenbauzentr. S-H; Ltg. Baumschule<br />
Peter Schlottmann; Ratzeburg; Fachmann für <strong>Primitivpflaumen</strong><br />
Manfred Schmidt; Kiel; Melur; Fachmann für Knick-u. Heckenpflanzen<br />
Frank Steiner; Kellingshusen, Dipl. Landschaftsarch.; NABU- Streuobstwiesen<br />
Wir freuen uns auf die neuen Aufgaben und wir sind hochmotiviert, das<br />
Projekt umzusetzen: Rettet die <strong>Primitivpflaumen</strong>
Seminare<br />
Homepage<br />
Aufsuchen von<br />
Restbeständen der<br />
<strong>Primitivpflaumen</strong><br />
Zeitungen HN etc.<br />
Sicherung +<br />
Vermehrung<br />
Stein aus<br />
der Frucht<br />
Reiser von 1-<br />
jährigen Trieb<br />
Schössling abstechen<br />
von Mutterbusch<br />
(7-10 J alt)<br />
Sortentreu?<br />
Stein<br />
keimen lassen<br />
Veredelung auf sicherer<br />
Unterlage<br />
Wurzelbildung durch<br />
Abmoosen, Abrisse<br />
und Stecklinge<br />
Direkt<br />
Eigene Baumschule an der Obstwiese Bordelum. Hier verschulen wir vom Verein aus<br />
jungen Primitvpflaumen bis zum fertigen Ausfplanzen (1-4 Jahre)<br />
Auspflanzen der Jungpflanzen auf Knicks, an Waldsäumen und in Privatgärten.<br />
Zusammenarbeit: UNB-NF, NABU, SDW, lokale Aktion (DVL), Runder Tisch NF, NBN,<br />
UHU, Pomologenverband, Promarium Raceburgense, Pomarium Anglicum
WIE ERREICHEN WIR UNSER ZIEL?<br />
Aufsuchen von Arten, Sorten<br />
und Landrassen aus der Sippe<br />
der <strong>Primitivpflaumen</strong><br />
Ausgangspunkt<br />
Sichern der<br />
regionalen <strong>Primitivpflaumen</strong><br />
Bildung und Vermehrung<br />
wurzelechter Triebe<br />
V E R M E H R U N G<br />
Vom wurzelechten Trieb zur<br />
dreijährigen Pflanze<br />
Auspflanzen zwischen<br />
alten Knickgehölzen,<br />
an Waldsäumen, auf neuen<br />
Knickwällen und in die Hecken<br />
an Obstwiesen<br />
Ziel<br />
So sieht der lange und arbeitsintensive Weg unseres Projektes „Rettet die <strong>Primitivpflaumen</strong>“<br />
aus
DIE 4 TEILBEREICHE UNSERES ANTRAGS<br />
„RETTET DIE PRIMITIVPFLAUMEN“<br />
S I C H E R N<br />
+<br />
V E R M E H R E N<br />
EIGENBAUMSCHULE<br />
WURZELECHTER<br />
PFLANZEN<br />
Rettet die<br />
<strong>Primitivpflaumen</strong><br />
V E R W A N D T S C H A F T<br />
U R – S T E I N O B S T<br />
T A X O N O M I E<br />
W U R Z E L E C H T E S<br />
K E R N O B S T<br />
S T E I N O B S T
BESCHREIBUNG DER 4 TEILBEREICHE<br />
UNSERES PROJEKTES<br />
„RETTET DIE PRIMITIVPFLAUMEN“<br />
Vorbemerkung:<br />
Bereits vor 6000 Jahren kamen einige Vertreter der <strong>Primitivpflaumen</strong><br />
in Deutschland vor. Im Laufe dieser Zeit konnten sich viele<br />
verschiedene Arten, Sorten und Landrassen entwickeln. Begünstigt<br />
wurde dieser Prozess auch durch die Selektion von Menschenhand.<br />
Die Zahl an Pflaumen, die vor über 2000 Jahren durch die<br />
Römer zu uns nach Deutschland gelangten, wird von Fachleuten<br />
im Vergleich zum Kernobst niedrig eingeschätzt.<br />
Das Wort primitiv bedeutet: ursprünglich; leider ist es negativ besetzt<br />
und der Wert dieses vitalen Ur- Obstes verkannt. Hinzu<br />
kommt die moderne Agrarwirtschaft mit ihren ausgeräumten Flächen,<br />
der moderne Fortschrittsglaube sich von tradierten Gedanken<br />
zu entfernen und die mangelnde Marktfähigkeit der Früchte. In<br />
diesem Schattendasein verschwanden zunehmend die Bestände<br />
an <strong>Primitivpflaumen</strong>. Viele sind selten anzutreffen und einige könnten<br />
verloren gegangen sein.<br />
Vom Thema her „Rettet die <strong>Primitivpflaumen</strong>“ klingt es einfach, näher<br />
betrachtet ist es sehr komplex.<br />
Mögen die Ausführungen zu den 4 Teilbereichen helfen, die Fülle<br />
des Themas zu erfassen und unsere Absichten zu verstehen.
Teilbereich I: SICHERN + VERMEHREN<br />
Es gilt zunächst diese Restbestände zu finden, zu bestimmen, zu sichern<br />
und zu vermehren.<br />
Einige konnten in kurzer Zeit ausfindig gemacht werden. Seltene<br />
Vertreter der <strong>Primitivpflaumen</strong> konnten wir in Nordfriesland entdecken.<br />
Sogar in der Marsch fanden wir zwei einfache Pflaumen.<br />
Die Sicherung bezieht sich in unserem Projekt nicht nur auf die von<br />
Schlottmann beschriebene Sippe der <strong>Primitivpflaumen</strong>, sondern erfasst<br />
alle Urformen; letztendlich geht es um die ursprünglichen Formen!<br />
Herr Schlottmann unterstützt uns in der Determinierung.<br />
Die Hauptarbeit der Vermehrung liegt in unserer eigenen Baumschule<br />
am südlichen Rand unserer Obstwiese, die eigens für das<br />
Projekt erbaut wird.
Teilbereich II: EIGENE BAUMSCHULE WURZELECHTER<br />
PFLANZEN<br />
Der einfachste Weg der Vermehrung ist das Abstechen von Wurzelschösslingen.<br />
Aber das ist nicht immer einfach. Nicht alle Urpflaumen<br />
(z.B. cerasifera) neigen zur Bildung von Wurzelschösslingen.<br />
Die Fähigkeit ist nicht vorhanden, wenn die Mutterpflanze zu jung o-<br />
der zu alt ist. Die Bildung beginnt in den meisten Fällen, wenn der<br />
Busch über 10 Jahre alt ist. Alte Pflanzen treiben nach einem starken<br />
Rückschneiden kräftig und bilden beim Anhäufeln Wurzeln, die durch<br />
Abrisse, ähnlich den Wurzelschösslingen, vermehrt werden können.<br />
In den meisten Fällen erhalten wir Reiser. Diese sichern wir über die<br />
Veredelungen mit der Unterlage St. Julien. Das Veredeln erfolgt im<br />
März und bereits im Spätsommer wächst ein 1m unverzweigter Trieb.<br />
Er kann aus dem Topf entnommen und ins Freiland unserer Gärtnerei<br />
gepflanzt werden. Im folgenden Frühjahr setzen wir einen Ring<br />
(20cm hoch, 20cm Durchm.) und füllen diesen mit einem bestimmten<br />
Gemisch verschiedener Erden. Der aufgesetzte Trieb beginnt mit der<br />
Kallusbildung, danach folgt die Bildung eines Wurzelgeflechts.<br />
Ist es groß genug, trennen wir den wurzelechten Trieb von der Unterlage.<br />
Die St. Julienpflaume hat ihre Ammenfunktion erfüllt. Der Trieb ist<br />
wurzelecht, sortentreu und eigenständig!
Erst im darauffolgenden Jahr könnte ein Auspflanzen erfolgen.<br />
Es gibt verschiedene Methoden die Kallus- und damit die Wurzel-<br />
Bildung zu fördern wie z. B. durch Abschnüren…Auxinstau; in die<br />
Rinde ein Nackthaferkorn klemmen….Auxinbildung; Gießwasser<br />
durch frische Weidenrinden mit Auxin anreichern u.e.m.. Wir müssen<br />
das durch eigene Versuche herausfinden, welches Verfahren am effektivsten<br />
ist.<br />
Für die Bewurzelung Stecklinge direkt in den Boden zu stecken, ist<br />
nicht immer erfolgreich. Auch hier müssen wir viele Erfahrungen<br />
sammeln.<br />
Herr Dr. Wrede unterstützt unser Anliegen durch eine fachliche Beratung.<br />
Teilbereich III: WURZELECHTES KERN—UND STEINOBST<br />
Das Thema lässt sich nach unserer Ansicht nicht nur auf das Steinobst<br />
beschränken, sondern sollte das Kernobst mit einbeziehen. Obwohl<br />
die wurzelechte Vermehrung ein altes Kulturgut ist, findet man<br />
wenig in der Literatur. Einige Fachleute sind der Meinung, dass<br />
durch die Geheimhaltung alter Rezepturen, das Wissen nicht weiter<br />
getragen wurde.<br />
Wir möchten gerne Erfahrungen der wurzelechten Vermehrung im<br />
Bereich des Kernobstes sammeln und diese für das Steinobst nutzen;<br />
oder umgekehrt.<br />
Die Bewurzelung eines Triebes ist meistens leichter zu erreichen, je<br />
ursprünglicher die Sorte ist.
Teilbereich IV: VERWANDTSCHAFT UR—STEINOBST<br />
Die Sicherung der Vertreter aus der Sippe der <strong>Primitivpflaumen</strong> setzt eine<br />
Determinierung voraus. Eine verbindliche Taxonomie konnte bisher<br />
in der Wissenschaft noch nicht gefunden werden.<br />
Der Versuch die Pflaumen einzuteilen nach leichtem/schwerem Ablösen<br />
des Fruchtfleischs vom Kern ist umstritten. Auch Sprachdialekte führen<br />
vereinzelnd zu Irritationen wie z.B. der Spilling auch als Spenling<br />
(oberdeutsch) oder Spill´n (niederdeutsch) benannt.<br />
Herr Schlottman hat viel Ordnung in das Thema gebracht und dazu auf<br />
wissenschaftlicher Basis einen Bestimmungsschlüssel entwickelt. Bei<br />
der Bestimmungsarbeit muss neben den allgemeinen Merkmalen meistens<br />
der Fruchtstein einbezogen werden. Durch ein normiertes Verfahren<br />
wird der Stein in eine Position gesetzt, seine Form beschrieben und vermessen.<br />
Hierbei berechnet man das Verhältnis von Breite zu Länge, von<br />
Dicke zu Länge und von Dicke zur Breite und errechnet das in Prozent.<br />
Gleiches Verfahren gilt auch für die Frucht.<br />
Auch die Blütezeit ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal.<br />
Der Bestimmungsschlüssel von Herrn Schlottmann bezieht sich vornehmlich<br />
auf die in Schleswig-Holstein vorkommenden Arten der Sektion<br />
Prunus, welche aus der folgenden Tabelle zu entnehmen sind:
Nr Wissenschaftl.<br />
Deutscher Besonderheiten<br />
Bezeichnung<br />
Name<br />
01 Prunus cerasifera Kirschpflaume Fälschl. weise auch Mirabelle<br />
gen.<br />
02 Prunus spinosa Schlehe,Schwdorn<br />
Dornl, schwach bed.<br />
03 Pr.spi.ssp.moravia Milde Schlehe Herbe Schlehe<br />
04 Pr. spi. ssp. dasyphylla Filzige Schlehe Blüte u. Fruchtstiel behaart<br />
05 Pr.sp.ssp. dasyph.<br />
var.dasyphylla<br />
Klein Filz.<br />
Schlehe<br />
Blüte u.Fr.st. beha . Fr.8-<br />
10mm<br />
06 Pr.spi.ssp.megalocarpa Großfl Schlehe In alten hofnahen Knicks<br />
07 Keine Bez. 1962 erst entdeckt<br />
Hofschlehe Kulturform durch Auslese<br />
08 Pr.domestica<br />
L.sp.domestica<br />
Echte Zwetsche<br />
Dazu zählen Landrassen+Edels.<br />
09 Pr.dom.ssp.intermedia Löhrpflaume Sehr selten in S-H<br />
var.interm.<br />
10 Pr.dom.ssp.pomariorum Spilling Sammelbegr f drei versch<br />
Vertr.<br />
11 Gelb-roter Bes.für leichte Böden<br />
Spilling<br />
12 Roter Spilling Kricke oder Wiechel ähnlich<br />
13 Gelber Spilling Sehr selten<br />
14 Pr.dom.ssp.prisca Ziparte Gelbe Frucht mit roten<br />
Punkten<br />
15 Gelbe Ziparte Gelbe Frucht<br />
16 Blaue Ziparte Hauch von Tanninen<br />
17 Pr.dom.ssp.insititia Kricke<br />
Herbere Hafer-Pflaume<br />
var.austerior<br />
18 Pr.dom.ssp.insit.var.var.viti<br />
or<br />
Wiechel Normal- u. Westform,<br />
Roggenpfl.<br />
19 Pr.dom.ssp.inter.var.tricolor Kreete Auf besseren Böden<br />
20 Pr.dom.ssp.acuticarpa Kreeke Sehr vielseitige Fruchtfarbe<br />
21 Pr.dom.ssp.intermedia Gelber<br />
Halbzwetsche<br />
Holsteiner<br />
22 Ohne Angabe Kl.BL.S-H PP Fund liegt in Hattstedt vor<br />
23 Pr.dom.ssp.syriaca Mirabelle Urform<br />
24 Pr.dom.ssp.italica Rundpflaume Kein Fund in S-H<br />
25 Pr. Bonne de Brye Haithabu-<br />
Pflaume<br />
Brye-Sippe mit versch.<br />
Formen
Von allen Pflanzen erhalten wir Reiser. Für eine Veredelung brauchen wir<br />
junge Triebe mit 3 Augen (Knospen). Das bedeutet, dass wir aus einem<br />
guten Reiser mindestens 3 Veredelungen erzielen können.<br />
Über 40 von uns gesammelten Reiser liegen im Kühlhaus bereit.<br />
Das wären jetzt schon 65 Reiser, die potentiell zur Verfügung stünden.<br />
Damit ergeben sich bereits jetzt schon mindestens 195 Veredelungen.<br />
Funde aus der Gemarkung kommen auch noch dazu.<br />
Die im Antrag angegebene Anzahl von 230 erscheint zunächst hoch zu<br />
sein, im Kontext betrachtet ist sie nach unserer Meinung nachvollziehbar.<br />
EIN LANGER WEG DER VEREDELUNG