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Abtreibung<br />

Schöner abtreiben<br />

In Lissabon trafen sich das „Who is who“ der Abtreibungsärzte –<br />

Inkognito dabei war auch eine deutsche Lebensrechtlerin.<br />

Cornelia Kaminski<br />

„Die Tagespost”, 18.10.2016<br />

Lissabon ist eine Reise wert: die<br />

malerischen Gassen der Altstadt,<br />

Museen und Kirchen spiegeln<br />

den einstigen Reichtum und geistigen<br />

Horizont einer großen Seefahrernation.<br />

Vom 13. bis 15. Oktober war Lissabon jedoch<br />

das Ziel von rund 500 Personen aus<br />

aller Welt, die sich auf vielfältige Weise<br />

der Aufgabe verpflichtet haben, die<br />

Lebensreise ungeborener Menschen<br />

auf voller Fahrt zu stoppen – und die<br />

sich für ihr Treffen ausgerechnet einer<br />

Reisemetapher bedienten. „Improving<br />

women‘s journeys through abortion“.<br />

„Verbesserung der<br />

Reisen von Frauen durch<br />

Abtreibung“ war also der<br />

etwas doppeldeutige<br />

Titel des 12. Kongresses<br />

von FIAPAC, der internationalen<br />

Vereinigung von<br />

Abtreibungsmedizinern.<br />

Lissabon war dabei,<br />

wie Teresa Bombas,<br />

Gynäkologin und<br />

Kongresspräsidentin<br />

aus Coimbra in ihren<br />

Eröffnungsworten festhielt,<br />

eine gute Wahl.<br />

Erst seit 2007 sind<br />

Abtreibungen in Portugal<br />

weitgehend erlaubt, womit<br />

das südeuropäische<br />

Land als gelungenes<br />

Beispiel für den erfolgreichen<br />

Kampf der Abtreibungslobby um<br />

die weltweite vollständige Freigabe der<br />

Abtreibung gilt. „Wir schützen Leben<br />

und Kinder, und bewahren Familien vor<br />

Armut!“, rief Bombas den applaudierenden<br />

Zuschauern zu. „Wir haben allen<br />

Grund, stolz zu sein!“<br />

Wer meinte, eine Verbesserung dieser<br />

„Abtreibungsreise“ werde darin bestehen,<br />

diese sicherer zu machen, irrte jedoch.<br />

Es gelte, Barrieren aus dem Weg<br />

zu räumen, so die FIAPAC Präsidentin<br />

Sharon Cameron aus Großbritannien,<br />

wie etwa „Gesetze“ und „unnötige<br />

Tests“, die abtreibungswillige Frauen<br />

von medizinischen Einrichtungen verordnet<br />

bekommen.<br />

Ärztliche Beratung oder Tests, wie sie im<br />

Rahmen einer Anamnese Standard bei<br />

jeder medizinischen Behandlung sind,<br />

sind bestenfalls noch wünschenswert,<br />

ein direkter Arzt-Patientenkontakt<br />

nicht notwendig. Das führte Rebekka<br />

Gomperts von „Women on Waves“<br />

aus den Niederlanden vor Augen, die<br />

2004 mit ihrem Abtreibungsschiff vor<br />

Portugal geankert hatte. Das Schiff<br />

ist mittlerweile fast schon obsolet.<br />

Gomperts neues Projekt heißt „Women<br />

on web“ und bietet Abtreibungen per<br />

Telemedizin: seit 2006 können abtreibungswillige<br />

Frauen diesen Dienst in<br />

Anspruch nehmen. über die Webseite<br />

www.womenonweb.de bekommen sie<br />

nach Ausfüllen eines Fragebogens und<br />

Embryo in der<br />

12. Schwangerschaftswoche<br />

Abgeben einer Einverständniserklärung<br />

die Abtreibungspille direkt nach Hause<br />

geschickt – ohne dass sie je ein Arzt gesehen<br />

hätte, der eine Schwangerschaft<br />

bestätigt oder sich von der<br />

Wahrhaftigkeit der Antworten überzeugt<br />

hätte. Im Selbstversuch reichte als<br />

Abtreibungsgrund „Familienplanung<br />

abgeschlossen“, um die Auskunft zu erhalten,<br />

dass gegen eine „Spende“ von 70<br />

bis 100 Euro die Pille zu mir unterwegs<br />

sein könnte. Angesichts der möglichen<br />

Nebenwirkungen, die von Krämpfen,<br />

starken Blutungen und Infektionen<br />

(sehr häufig bis häufig) bis zu toxischem<br />

Schock und Gebärmutterrissen (sehr<br />

selten) reichen können, kann von sicheren<br />

Abtreibungen nicht die Rede<br />

sein. Spätestens jetzt wird klar, dass<br />

es hier nicht um Verbesserung durch<br />

sichere Methoden, sondern lediglich<br />

um Ausräumen jeglicher Hindernisse<br />

geht. Dass diese Hindernisse in den<br />

allermeisten Fällen wenigstens noch einen<br />

Schutz der Frau, wenngleich nicht<br />

des Ungeborenen darstellen, ist irrelevant.<br />

Alles wird dem Ziel, den Zugang<br />

zu Abtreibungen überall auf der Welt<br />

so einfach wie möglich zu machen,<br />

untergeordnet.<br />

Gomperts ist Aktivistin und<br />

Netzwerkerin. Sie sucht europäische<br />

Ärzte, die bereit sind, Mifegyne<br />

Patientinnen irgendwo in der Welt zu<br />

verschreiben – ohne diese je gesehen<br />

zu haben – und Freiwillige,<br />

die das Präparat in der<br />

Apotheke abholen und<br />

zur Post bringen. So soll<br />

ein „telemedizinisches<br />

Abtreibungsnetzwerk“<br />

aufgebaut werden. Wo<br />

der Zoll das Präparat beschlagnahmt,<br />

können in<br />

Zukunft vielleicht Drohnen<br />

zum Einsatz kommen,<br />

erklärt sie mir, und der<br />

Vertreter von Exelgyn<br />

(Hauptsponsor des Kongresses<br />

und Produzent<br />

von Mifegyne) freut sich.<br />

Schließlich bietet Exelgyn<br />

mit MisoOne jetzt auch<br />

ein Prostaglandin an,<br />

ein Präparat, das zur<br />

Ausstoßung des getöteten<br />

Embryos führt. Bei meinem Besuch<br />

am Stand bekomme ich gleich noch einen<br />

Schwangerschaftstest geschenkt:<br />

so kann der Erfolg der Abtreibung überprüft<br />

werden. Mit Mifegyne, MisoOne<br />

und dem Test schnürt Exelgyn ein lukratives<br />

Komplettpaket, mittels dessen die<br />

Abtreibung vollständig ins Private verlagert<br />

wird. Der Gesetzgeber hat keinerlei<br />

Zugriff mehr: Wie will man nachweisen,<br />

dass mit diesem Präparat tatsächlich<br />

abgetrieben wurde? Und wie kann<br />

eine Frau sich davor schützen, dass andere<br />

durch Beigabe des Präparats in ihr<br />

Essen (wie bereits geschehen) ihr Kind<br />

abtreiben? Bereits 50 000 Frauen haben<br />

mit Hilfe von „Women on Web“ abgetrieben,<br />

die monatliche Zugriffszahl<br />

liegt bei einer Million. In Ländern, in denen<br />

die Webseite der Zensur unterworfen<br />

ist, verschafft Gomperts den Frauen<br />

18 <strong>LEBE</strong> <strong>131</strong>/2017

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