Jahrbuch_190513 FINALE YUMPUU TEST
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
1<br />
factfulness<br />
werte und wort halten.<br />
JAHRBUCH 2018
factfulness<br />
werte und wort halten.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
2<br />
3<br />
INHALT<br />
B&C PRIVATSTIFTUNG UND<br />
B&C INDUSTRIEHOLDING<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN UND<br />
B&C INNOVATION INVESTMENTS<br />
04 – 51<br />
52 – 106<br />
Factfulness ...............................................................................................................04<br />
Vorwort des Vorsitzenden des Stiftungsvorstandes / Erich Hampel .............................05<br />
Jahresbrief des Stiftungsvorstandes / Stiftungsvorstand Wolfgang Hofer ....................06<br />
Standort mit Bestimmung / Wertelandkarte .............................................................. 10<br />
B&C Team ..............................................................................................................12<br />
Mit Kongruenz und Vertrauen zum Erfolg / Peter Edelmann, CEO ............................ 16<br />
Die Realität der Fakten – ein komplexes Puzzle / Patrick Prügger, CFO .....................20<br />
Zielgerichtet und nachhaltig fördern / Mariella Schurz ..............................................23<br />
Investments im Sinne des Standortes Österreich / Thomas Zimpfer ............................26<br />
Die Entwicklung der Werte Europas / Matthias Beck ................................................30<br />
Dem Denken auf der Spur / Christopfer Weyrer ........................................................32<br />
Digitale Ethik / Sarah Spiekermann-Hoff ..................................................................33<br />
Bildung ist der beste Anlegerschutz / Christoph Boschan ...........................................34<br />
Investieren mit Impact / Michael Altrichter ..............................................................36<br />
Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit / Susanne Kalss .......................................38<br />
Houskapreis 2018 .....................................................................................................40<br />
Houska-Talk: Energie, die verändert / Michael Stadler ...............................................42<br />
Club der Houskapreisträger ......................................................................................44<br />
Was bewirkte der Houskapreis? ................................................................................46<br />
Wiener Unternehmensrechtstag .................................................................................48<br />
Wertschöpfung für Österreich 2018 ..........................................................................52<br />
B&C Kernbeteiligungen / Globale Präsenz ................................................................56<br />
Ein Tag mit AMAG / Lenzing / Semperit ..................................................................58<br />
AMAG .....................................................................................................................64<br />
Facts & Figures ........................................................................................................70<br />
LENZING ...............................................................................................................72<br />
Facts & Figures ........................................................................................................78<br />
SEMPERIT .............................................................................................................80<br />
Facts & Figures ........................................................................................................86<br />
B&C Innovation Investments<br />
Die Chancen der Technologie nutzen / Petra Preining, Thomas Zimpfer ....................90<br />
Flightkeys: Flugmanagement im digitalen Zeitalter ...................................................94<br />
KINEXON: Echtzeit-Intelligenz für das Internet der Dinge ......................................97<br />
TTTech: Digitale Plattformen für eine vernetzte Welt ............................................. 100<br />
Citrine: Materialien, aus denen unsere Zukunft gebaut wird .................................... 103<br />
Impressum ............................................................................................................. 106
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
4<br />
5<br />
Erich Hampel<br />
Vorsitzender des<br />
Stiftungsvorstandes<br />
factfulness<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Ist die Welt heute wirklich so, wie wir sie sehen? Menschen nehmen<br />
bei relevanten Themen wie zum Beispiel Armut, Bildung,<br />
Bevölkerungswachstum oder Klimawandel die globale Situation<br />
viel schlechter wahr, als sie tatsächlich ist. Dies hat der 2017<br />
verstorbene schwedische Wissenschafter Hans Rosling festgestellt.<br />
Rosling kritisiert in seinem Buch „Factfulness“, dass Medien häufig durch emotionale<br />
Botschaften, dramatische Berichte oder Dringlichkeitsapelle bewusst unsere Urinstinkte<br />
ansprechen. Die Tendenz zu permanentem, oberflächlichem Verallgemeinern, Dramatisieren<br />
und Angstschüren hindert uns, Informationen systematisch einem Faktencheck zu unterziehen.<br />
Stattdessen zementieren wir unsere Vorurteile ein und verzichten darauf, veraltetes<br />
Wissen aufzufrischen. Wer nüchtern und sachlich Fakten und Daten vermittelt, droht heute<br />
in der Informationsflut unterzugehen.<br />
Roslings Botschaft lautet: Faktencheck ist besser als blindes Vertrauen – und die Welt ist nicht so<br />
schlecht, wie sie scheint.<br />
wirtschaftliche Entscheidungen, vor allem jene mit<br />
langfristigen Auswirkungen, erfordern stets einen sorgfältigen<br />
Faktencheck und Berechenbarkeit in jedem<br />
Sinn des Wortes.<br />
Der Titel des B&C-<strong>Jahrbuch</strong>s 2018 „Factfulness – Werte<br />
und Wort halten“ passt daher sehr gut zu den Aufgaben,<br />
Leistungen und Herausforderungen der B&C-Gruppe.<br />
Seit vielen Jahren fördern wir Großinvestitionen<br />
unserer Kernbeteiligungen Lenzing AG, AMAG Austria<br />
Metall AG und Semperit AG Holding und sichern<br />
dadurch deren internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Entwicklung.<br />
In den letzten 10 Jahren wurde über 1 Milliarde Euro<br />
in der AMAG investiert, wodurch in Ranshofen das<br />
modernste Alu-Werk Europas entstand. Die Lenzing<br />
AG investierte zuletzt in eine neue Produktionslinie am<br />
Standort Heiligenkreuz. Bei Semperit konnte durch den<br />
Werksausbau für Hydraulikschläuche in Odry, Tschechien<br />
die international führende Wettbewerbsposition<br />
des Bereiches Semperflex gefestigt werden. Die B&C<br />
Innovation Investments GmbH hat sich 2018 erfolgreich<br />
an zwei weiteren Wachstumsunternehmen im Technologiebereich<br />
beteiligt.<br />
Der Blick auf die Fakten und Kennzahlen der<br />
B&C-Gruppe in diesem <strong>Jahrbuch</strong> zeigt auch, dass wir<br />
heute und für die Zukunft gut aufgestellt sind – strategisch,<br />
organisatorisch und auch personell. Weichenstellungen<br />
im Stiftungsvorstand wurden zuletzt ebenso<br />
umgesetzt, wie die Neuformierung der Geschäftsführung<br />
der B&C Industrieholding.<br />
Wir haben also vorgesorgt und sind auch in Zukunft da,<br />
wenn wir gebraucht werden – speziell dann, wenn es gilt,<br />
heimische Vorzeigeunternehmen und exzellentes technologisches<br />
Know-how in Österreich zu halten.<br />
Gemeinsam sind wir stets auf der Suche nach den besten<br />
Ideen für unseren Wirtschaftsstandort. Das macht die<br />
B&C-Gruppe auch zu einem geschätzten Partner im<br />
Forschungs- und Bildungsbereich, wie zahlreiche erfolgreiche<br />
Projekte und Kooperationen mit verschiedenen<br />
Organisationen und Institutionen belegen.<br />
Zu allen diesen Themen finden Sie Beiträge in diesem<br />
<strong>Jahrbuch</strong>. Interviews und Gastbeiträge hochkarätiger<br />
Experten – sowie der eine oder andere philosophische<br />
Gedankenanstoß – runden dieses Buch ab.<br />
Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre<br />
und freuen uns auf Ihr Feedback!<br />
ERICH HAMPEL<br />
Vorsitzender des<br />
Stiftungsvorstandes
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
6 7<br />
J A H R E S B R I E F D E S<br />
STIFTUNGSVORSTANDES<br />
Wolfgang Hofer<br />
Vorstandsmitglied der<br />
B&C Privatstiftung<br />
Inmitten einer Welt, die von mancherort zunehmenden Unsicherheiten und<br />
einem oft fragwürdigen Faktenverständnis geprägt ist, haben wir dieses <strong>Jahrbuch</strong><br />
unter das Thema Factfulness gestellt, denn wir sehen in der Besinnung auf das, was<br />
Tatsache ist, einen wesentlichen Wert. Auf den folgenden Seiten wollen wir<br />
daher dem Prinzip Factfulness sowie anderen aktuellen Themen Raum geben und<br />
die wesentlichen Entwicklungen und Meilensteine in unserer Stiftung sowie unseren<br />
Beteiligungen darstellen.<br />
Wolfgang Hofer ist Vorstandsmitglied<br />
der B&C Privatstiftung,<br />
Vorsitzender des Aufsichtsrates<br />
der B&C Industrieholding GmbH<br />
und Partner bei Grohs Hofer<br />
Rechtsanwälte GmbH.<br />
Das Jahr 2018 brachte für uns erneut manchen<br />
Erfolg, aber auch ganz unerwartet, große Herausforderungen.<br />
Getreu der Satzung unserer<br />
Stiftung galt unsere Aufmerksamkeit zuvorderst<br />
der Förderung und Weiterentwicklung<br />
unserer Kernbeteiligungen. Bei der AMAG<br />
steht derzeit das Hochlaufen der beiden<br />
großen neuen Walzwerke ganz oben auf der<br />
Agenda. Daneben werden bereits jetzt die<br />
nächsten Schritte bedacht, denn die Welt<br />
bleibt nicht stehen, sondern dreht sich höchstens<br />
schneller.<br />
Semperit hat den aufgezwungenen Abschied<br />
vom thailändischen Joint Venture zu verdauen<br />
und baut die sehr erfolgreichen Industriesektoren<br />
Semperflex, Sempertrans und<br />
Semperform weiter aus. Lenzing steht vor<br />
der Herausforderung, auch im Ausland<br />
näher an die Kunden zu rücken. Die Strategie<br />
lautet insgesamt: weg von Commodities,<br />
hin zu Spezialitäten.<br />
Die Geschäftstätigkeit unserer drei Kernbeteiligungen<br />
generiert insgesamt 1,5<br />
Milliarden Euro Bruttowertschöpfung in<br />
Österreich. Dies entspricht fast 0,5 % der<br />
heimischen Wirtschaftsleistung und sichert<br />
mehr als 13.500 Arbeitsplätze. Damit<br />
tragen unsere Kernbeteiligungen nicht unerheblich<br />
zu Wohlstand und Beschäftigung<br />
in Österreich bei.<br />
Unser jüngstes Segment, die Beteiligung<br />
an Wachstumsunternehmen entwickelt sich<br />
erfreulich. Es ist wirklich erfrischend, mit welcher<br />
Einsatzbereitschaft und Ernsthaftigkeit<br />
sich Jungunternehmer ihren Ideen widmen.<br />
Wir begleiten diese Unternehmen in der<br />
Wachstumsphase gerne dabei, ihr Geschäftsmodell<br />
und ihre Standfestigkeit weiterzuentwickeln<br />
und damit zu wichtigen Säulen der<br />
Wirtschaft von morgen zu werden. Darüber<br />
hinaus planen wir die Kooperation mit öffentlichen<br />
Fördereinrichtungen zu intensivieren.<br />
Durch die Nutzung vorhandener Strukturen<br />
werden Ressourcen effizienter eingesetzt<br />
und begrenzte öffentliche Gelder werden um<br />
zusätzliche Mittel erweitert. So können mehr<br />
förderwürdige Projekte in den Genuss einer<br />
Unterstützung kommen. Selbstverständlich<br />
setzen wir auch den 2005 initiierten Houskapreis<br />
fort, der wirtschaftsnahe, anwendungsorientierte<br />
Forschung fördert.<br />
Zwischen 2006 und 2019 wurden zahlreiche Projekte<br />
aus der universitären Forschung sowie innovative<br />
Forschungsleistungen von KMUs prämiert.<br />
Die B&C gehört damit zu den größten nicht aus<br />
Steuergeld finanzierten Initiativen im Land.<br />
Im Rahmen des Stiftungszwecks realisieren wir<br />
damit auf mehreren Ebenen sinnvolle Aktivitäten<br />
für Österreich.<br />
In unserem Akquisitionsfokus stehen weiterhin<br />
große Unternehmen mit einer vielversprechenden<br />
bzw. entwicklungsfähigen Marktposition,<br />
insbesondere im internationalen Wettbewerb.<br />
Das Familienunternehmen ist für uns die international<br />
erfolgreichste Eigentümervariante – wo<br />
immer diese nicht möglich ist, sehen wir unser<br />
Stiftungsmodell als eine gute Wahl.<br />
Das öffentliche Interesse an der B&C und ihrer<br />
weiteren Entwicklung ist derzeit besonders hoch.<br />
Dabei stellen sich aktuell eine Reihe von Fragen,<br />
für die es von Seiten der Legislative, respektive<br />
der Judikatur Klärungen braucht. Vor dem<br />
Hintergrund unserer erfolgreichen Entwicklung<br />
ist es in der Tat nicht verwunderlich, dass unsere<br />
Stiftung auch in den Blickpunkt von ausgewiesenen<br />
Chancen-Findern und Chancen-Verwertern<br />
gerät. Es ist die Aufgabe des Stiftungsvorstandes,<br />
derartige Ansätze am Stiftungszweck zu messen.<br />
In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten:<br />
Der klare Zweck unserer Stiftung ist, das<br />
österreichische Unternehmertum zu fördern.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
8<br />
9<br />
Wolfgang Hofer<br />
Vorstandsmitglied der<br />
B&C Privatstiftung<br />
„Für das Bestehen im<br />
Wettbewerb braucht<br />
es heute Flexibilität<br />
und Anpassung, nicht<br />
jedoch Beharren und<br />
Versteinerung.“<br />
Wir tun dies insbesonders im Hinblick auf<br />
unsere Kernbeteiligungen und halten so die<br />
Entscheidungszentralen bedeutender Unternehmen<br />
in Österreich. Alleine in den Jahren<br />
2016 bis 2018 haben die Kernbeteiligungen<br />
der B&C fast EUR 800 Mio. in Österreich<br />
investiert. Diese Unternehmen werden nach<br />
streng ökonomischen Grundsätzen geführt,<br />
damit sie sich auf Dauer im internationalen<br />
Wettbewerb behaupten können. Durch die<br />
Besetzung der Aufsichtsräte auch mit externen<br />
Fachleuten geben wir unseren Beteiligungen<br />
Hilfestellung und Leitlinien für eine ungestörte<br />
Entwicklung.<br />
Weiters hält die Stiftungsurkunde klar und<br />
deutlich fest, dass Begünstigten kein Recht<br />
auf Zuwendungen zukommt. Alle Erträge der<br />
Stiftung sind primär in neue Unternehmen<br />
oder in bestehende Beteiligungen zu reinvestieren.<br />
Im Einklang mit diesem Prinzip haben<br />
wir zum Beispiel Semperit in den vergangenen<br />
beiden Jahren Hybridkapital zur Verfügung<br />
gestellt. Ein Handel mit Begünstigtenrechten<br />
wäre natürlich mit der Erwartung<br />
eines Returns auf das für den Erwerb eingesetzte<br />
Kapital verbunden, was regelmäßige<br />
Kapitalabflüsse bedeuten würde, was<br />
wiederum dem Stiftungszweck widerspricht.<br />
Das österreichische Stiftungsrecht ist ein noch<br />
junges Rechtsgebiet, das sich in der derzeitigen<br />
Form allerdings einigermaßen anpassungsresistent<br />
darstellt. Das ziemlich unflexible<br />
Abstellen auf den ursprünglichen Willen des<br />
Stifters berücksichtigt nicht, dass sich die Welt<br />
weiterentwickelt – die richtige Entscheidung<br />
eines Stifters von vor 25 Jahren kann sich<br />
in der Gegenwart als nicht mehr zeitgemäß<br />
darstellen. Für das Bestehen im Wettbewerb<br />
braucht es heute Flexibilität und Anpassung,<br />
nicht jedoch Beharren und Versteinerung.<br />
Es stellt sich die Frage, ob es dem Gesetzgeber<br />
gelingt, nach dem Wegfall der Generation<br />
der Stifter einer gewissen Dynamik in den<br />
weiteren Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten<br />
Raum zu geben, ohne die wirklich<br />
tragenden Säulen jeder Stiftung zu schleifen.<br />
Derzeit sind Änderungsrechte nur den Stiftern<br />
vorbehalten, in der Folge entfallen die Möglichkeiten<br />
für Änderungen de facto –<br />
die Anwendung des bestehenden Gesetzes<br />
durch die Gerichte ist oft starr und stellt unpraktische<br />
Hürden auf. Selbstverständlich steht<br />
es dabei außer Streit, dass der Stiftungszweck<br />
an sich sakrosankt bleiben muss, bedenkenswert<br />
ist allerdings eine größere Offenheit in der<br />
Umsetzung desselben. Es wäre unser Wunsch,<br />
dass sich der Gesetzgeber dieser Herausforderung<br />
stellt und sie erfolgreich bewältigt.<br />
Für uns im Stiftungsvorstand ist es im laufenden<br />
Jahr eine zentrale Aufgabe, die gegenwärtigen<br />
Turbulenzen, die von unseren eigentlichen<br />
Kernthemen ablenken, zu klären und zu lösen.<br />
Wir werden uns diesem Vorhaben mit voller<br />
Kraft widmen. Darüber hinaus geht 2019 eine<br />
neue Initiative zum Thema Wirtschaftsbildung<br />
an den Start: Mit unserem Partner Berndorf-<br />
Privatstiftung gründen wir die Bildungsstiftung.<br />
Wir können so unsere finanziellen<br />
Ressourcen und unsere fachliche Expertise<br />
bündeln und wollen unterschiedliche Projekte,<br />
die nachhaltig wirksam sind, gemeinsam<br />
realisieren.<br />
Diese Jahr wirft auch aufgrund des drohenden<br />
Brexits große Fragen auf. Der EU-Ausstieg<br />
Großbritanniens ist bereits aus wirtschaftlicher<br />
Sicht nachteilig, aus politischer Perspektive<br />
aber ein Desaster. Die Einigkeit Europas wäre<br />
heute dringlicher denn je. Im Kontext globaler<br />
Entwicklungen stellen separatistische Tendenzen<br />
in der EU eine ernste Bedrohung dar<br />
– inmitten der Vielfalt Europas ist es entscheidend,<br />
gemeinsame, verbindende Standpunkte<br />
zu finden.<br />
Die wirtschaftliche Union Europas wird ohne<br />
einem Bewusstsein der Einigkeit und Zusammengehörigkeit<br />
nicht möglich sein. Daher<br />
braucht es gerade heute, neben der wirtschaftlichen<br />
wohl auch mehr politische Bildung, um<br />
in der Gesellschaft ein solides Grundverständnis<br />
für diese Werte zu verankern.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
10<br />
11<br />
STAND<br />
ORT<br />
B & C<br />
WERTELANDKARTE<br />
AMAG<br />
Kompetenz<br />
Leidenschaft<br />
Reflexion<br />
Langfristige<br />
Orientierung<br />
Ressource<br />
WERTSCHÄTZUNG<br />
Komplexität<br />
STANDORT MIT<br />
BESTIMMUNG<br />
Werte und Wort halten<br />
Fairness<br />
Talente<br />
PROFESSIONALITÄT<br />
VERANTWORTUNG<br />
Berechenbarkeit<br />
B&C<br />
PRIVATSTIFTUNG<br />
Authenzität<br />
Im Zentrum der B&C Privatstiftung steht ein<br />
ebenso knappes wie klares Ziel: die Förderung<br />
des österreichischen Unternehmertums. Diese<br />
Mission wurde anlässlich der Gründung der<br />
Privatstiftung im Jahr 2000 in der Satzung<br />
festgehalten und leitet seither das strategische<br />
wie das operative Tun sämtlicher Gesellschaften<br />
der Gruppe.<br />
Mit langfristig orientierten Beteiligungen<br />
bietet die B&C stabile Eigentumsverhältnisse,<br />
Vermögen wird im Land gehalten, Know-how<br />
und Unternehmenszentralen bleiben in Österreich.<br />
Als aktiver Kernaktionär industrieller<br />
Leitbetriebe unterstützen wir die Entwicklung<br />
von nachhaltigen Wachstumsstrategien sowie<br />
die Expansion auf den Weltmärkten.<br />
Die B&C gibt ihren Kernbeteiligungen Planungssicherheit<br />
und übt ihre Aktionärsrechte<br />
verantwortungsbewusst im Interesse des<br />
jeweiligen Unternehmens aus. Damit wird<br />
nicht nur ein wesentlicher Beitrag zum Erfolg<br />
der Unternehmen geleistet, sondern auch der<br />
Industriestandort Österreich gefördert.<br />
Vor dem Hintergrund des digitalen Wandels<br />
investiert die B&C darüber hinaus in technische<br />
Wachstumsunternehmen, die zukunftsorientierte<br />
Lösungen entwickeln. Aufstrebende<br />
Betriebe werden hierdurch in ihrer Entwicklung<br />
unterstützt und mit etablierten Unternehmen<br />
vernetzt. Essenzielle Schlüsseltechnologien<br />
werden so für den österreichischen Wirtschaftsstandort<br />
erschlossen.<br />
Neben der konkreten Beteiligungstätigkeit fördert<br />
die B&C-Gruppe über mehrere Initiativen<br />
auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen.<br />
Mit dem Houskapreis werden<br />
wirtschaftsnahe und damit unternehmensrelevante<br />
Forschungsprojekte prämiert. Weitere<br />
Initiativen sind beispielsweise Stiftungsprofessuren<br />
sowie der Wiener Unternehmensrechtstag,<br />
der sich mit aktuellen Unternehmensund<br />
Kapitalmarktrechtsthemen beschäftigt.<br />
Die Tätigkeit der B&C-Gruppe reicht damit<br />
weit über die strategischen Beteiligungen<br />
hinaus – wodurch ein wichtiger Beitrag für<br />
die österreichische Volkswirtschaft und die<br />
Allgemeinheit in Österreich geleistet wird.<br />
LENZING<br />
Unabhängigkeit<br />
Mut zu Neuem<br />
Resilienz<br />
Aufmerksamkeit<br />
Verlässlichkeit<br />
VERTRAUEN<br />
Verbundenheit<br />
Glaubwürdigkeit<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
SEMPERIT<br />
Stabilität<br />
Handlungssicherheit
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
12<br />
13<br />
GESCHÄFTSFÜHRER<br />
Vorstand:<br />
Erich Hampel, Vorsitzender<br />
Wolfgang Hofer<br />
Herbert Ortner<br />
Stiftungszweck:<br />
„Förderung des<br />
österreichischen<br />
Unternehmertums“<br />
MANAGEMENT-GESELLSCHAFTEN<br />
Aufsichtsrat:<br />
Wolfgang Hofer, Vorsitzender<br />
Josef Krenner<br />
Birgit Noggler<br />
Astrid Skala-Kuhmann<br />
Sonja Zimmermann<br />
Peter Edelmann, CEO<br />
Patrick Prügger, CFO<br />
Mariella Schurz<br />
Thomas Zimpfer<br />
Petra Preining<br />
Thomas Zimpfer<br />
INDUSTRIEBETEILIGUNGEN<br />
TECHNOLOGIEBETEILIGUNGEN<br />
KERN-<br />
BETEILIGUNGEN<br />
52,7 %<br />
50,0 %<br />
+2 AKTIEN<br />
WEITERE<br />
BETEILIGUNGEN<br />
THOMAS<br />
ZIMPFER<br />
Geschäftsführer<br />
MARIELLA<br />
SCHURZ<br />
Geschäftsführerin<br />
PETER<br />
EDELMANN<br />
Geschäftsführer<br />
CEO<br />
PATRICK<br />
PRÜGGER<br />
Geschäftsführer<br />
CFO<br />
54,2 %<br />
10,0 %
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
14<br />
15<br />
D A S<br />
T E A M<br />
D E R<br />
B&C
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
16<br />
17<br />
M I T K ON G R U E N Z U N D<br />
VERTRAUEN ZUM ERFOLG<br />
Peter Edelmann ist seit Jahresbeginn CEO der B&C-Gruppe. In<br />
dieser Funktion verantwortet er vor allem die strategische<br />
Ausrichtung, das Beteiligungsmanagement der Kernbeteiligungen<br />
sowie den Portfolioausbau im Industrie- und Technologiebereich.<br />
Er spricht im Interview zu persönlichen Erfahrungen langjähriger<br />
Führungstätigkeit, der Relevanz von Werten und aktiver<br />
Aufsichtsratsarbeit.<br />
Peter Edelmann<br />
CEO<br />
PETER EDELMANN<br />
ist im Libanon geboren,<br />
studierte in Deutschland<br />
Betriebswirtschaftslehre und<br />
war in vielen Industrieunternehmen<br />
im<br />
Management tätig, u. a.<br />
war er lange Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung von Voith<br />
Turbo, zuletzt war er<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
von KAEFER<br />
Isoliertechnik.<br />
Ein wesentlicher Fokus Ihrer Tätigkeit<br />
sind die Kernbeteiligungen der B&C.<br />
Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang<br />
den Stellenwert der Aufsichtsratsarbeit<br />
ein?<br />
Der Aufsichtsrat ist Interessenvertreter des<br />
Eigentümers und ist in dieser Funktion vor<br />
allem dafür da, den Vorstand einer Beteiligung<br />
zu unterstützen und gemeinsam mit diesem<br />
sicherzustellen, dass sich das Unternehmen erfolgreich<br />
entwickelt, sich den richtigen Herausforderungen<br />
stellt und wandlungsfähig bleibt.<br />
Wie die Wurzeln eines Baumes ist er meist für<br />
Kunden und Mitarbeiter nicht sichtbar, aber<br />
eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass der<br />
Vorstand gut und wirksam arbeiten kann.<br />
Der Aufsichtsrat muss indirekt führen und als<br />
Sparringspartner die richtigen Fragen stellen:<br />
Was ist zu tun und warum? Im Sinne seiner<br />
strukturellen und mittelbaren Führungsaufgabe<br />
ist der Aufsichtsrat nicht direkt aktiv<br />
tätig; er überprüft, was einem externen Blick<br />
standhält. Der Vorstand erarbeitet unmittelbar<br />
und im Kontext, was konkret zu tun ist und<br />
kann sich dabei auf das neutrale, distanzierte<br />
und trotzdem involvierte Bild des Aufsichtsrats<br />
stützen.<br />
Wenn man eine Kugel von A nach B rollen<br />
möchte, wird der Vorstand die Kugel unmittelbar<br />
bewegen und der Aufsichtsrat wird dafür<br />
Sorge tragen, dass sich eine schiefe Ebene in<br />
die beabsichtigte Richtung einstellt. Strukturelle<br />
Führung ist nicht evident, aber mittelbar<br />
sehr wesentlich!<br />
Aber ist es nicht die Aufgabe des Aufsichtsrates,<br />
die Führungsmannschaft in<br />
Unternehmen zu besetzen?<br />
Ja, das ist essenziell: Der Aufsichtsrat muss<br />
die richtigen Personen im Vorstand auswählen<br />
und positionieren und dafür sorgen, dass sie als<br />
Team gut zusammenarbeiten und die beabsichtigte<br />
Wirksamkeit erzielen.<br />
Die Digitalisierung und andere Megatrends in der<br />
Wirtschaft sind derzeit in aller Munde. Wie muss<br />
hier der Aufsichtsrat zusammengesetzt sein, damit er<br />
die richtigen Impulse setzen kann?<br />
Der Aufsichtsrat muss divers aufgestellt sein, er darf nicht<br />
homogen sein. Die Mitglieder müssen unterschiedliche<br />
Blickrichtungen auf das Unternehmen mitbringen. Die<br />
Kernfrage ist: Welche Perspektiven braucht ein Unternehmen?<br />
Die Themen können sehr unterschiedlich sein,<br />
wichtig ist eine gute Kombination. Die Diversität des<br />
Führungsteams und des Aufsichtsrats ist die Basis für<br />
Kreativität. Die kreative Leistung muss in den Unternehmen<br />
erbracht werden, aber der Aufsichtsrat kann sie<br />
durch die richtigen Fragestellungen anregen.<br />
Das Thema Werte ist für Sie sehr wesentlich – was ist<br />
hier Ihre Orientierung?<br />
Werte sind ein zentrales Element der Unternehmenskultur:<br />
Durch Werte wird eine Unternehmenskultur geformt<br />
und ein Individuum mit einer Gemeinschaft verbunden.<br />
Werte sind kein Recht des Individuums gegenüber der<br />
Gemeinschaft, sondern sie beschreiben die Erwartungen<br />
der Gemeinschaft an ihre Mitglieder und wie ein Individuum<br />
denken und handeln soll, damit die Gemeinschaft<br />
erfolgreich ist. Letzten Endes ist ein Unternehmen eine<br />
Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel Erfolg zu haben. Hierfür<br />
muss jeder Einzelne seinen wertvollen Beitrag leisten. Die<br />
Werteorientierung ist die Grundlage, damit eine Gemeinschaft<br />
Erfolg haben kann.<br />
Was macht Unternehmen erfolgreich, worauf sollte<br />
man aus Ihrer Sicht den Blick lenken?<br />
Ich bin davon überzeugt, dass Kongruenz und Vertrauen die<br />
Grundlage für unternehmerischen Erfolg sind – Kongruenz<br />
im Sinne eines stimmigen Gesamtbildes, das sich nicht nur<br />
auf eine Ebene fokussiert. Die Bilanz bildet dabei auf einer<br />
unteren Ebene die Momentaufnahme der Substanz zum<br />
31.12. eines Jahres ab. Wenn man auf die Substanz Einfluss<br />
nehmen möchte, muss man eine Ebene darüber ansetzen, in<br />
der Gewinn- und Verlustrechnung.<br />
Letztlich ist noch eine ganz andere Ebene entscheidend: die<br />
Attraktivität des Unternehmens für Kunden und Mitarbeiter.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
18<br />
19<br />
M E I N W E RT E B I L D<br />
F Ü R D I E B & C<br />
„Führungsteams zu<br />
führen motiviert mich –<br />
ich sehe gerne, wie<br />
Menschen Dinge gestalten!<br />
Ich helfe im Hintergrund<br />
und freue mich über<br />
die Erfolge.“<br />
PETER EDELMANN<br />
VERTRAUEN<br />
Vertrauen ist die Basis all unserer Aktivitäten.<br />
Wir erlangen es, indem unser Handeln vorhersehbar<br />
ist und auf Prinzipien basiert. Wir<br />
agieren stets so, dass wir das Vertrauen und<br />
die Loyalität unser Gesprächspartner, Kollegen,<br />
Mitarbeiter und Eigentümer behalten und<br />
intensivieren. In jeder Situation handeln wir so,<br />
dass unser Verhalten als Grundlage einer allgemeinen<br />
Maxime herangezogen werden kann.<br />
WERTSCHÄTZUNG<br />
Unser Umgang miteinander ist von Achtsamkeit<br />
und Wertschätzung getragen. Wir<br />
behandeln und respektieren den anderen als<br />
individuelle Persönlichkeit und freuen uns<br />
über dessen Andersartigkeit als Quelle der Inspiration<br />
und Kreativität. Kollegialität und Zuverlässigkeit<br />
sind uns bei der Arbeit im Team<br />
wichtig. Aus unseren attraktiven Arbeitsbeziehungen<br />
formt sich eine großartige und diverse<br />
Gemeinschaft, aus der starke Partnerschaften<br />
hervorgehen.<br />
PROFESSIONALITÄT<br />
Wer für Kunden attraktiv ist, kann sich eine höhere Preisprämie<br />
erarbeiten und Marktanteile gewinnen. Wer für Mitarbeiter<br />
attraktiv ist, kann auf höhere Motivation und Produktivität<br />
zählen. Daher gilt es, permanent an der Attraktivität zu arbeiten,<br />
hier ist auch die Ebene des Aufsichtsrates gefragt. Was aber<br />
nicht stimmig ist, kann nie attraktiv werden. Wird Kongruenz<br />
erreicht, haben Unternehmen das Potenzial, attraktiv zu werden<br />
und Erfolg zu haben.<br />
Sie waren zuvor bei führenden deutschen Industrieunternehmen<br />
aktiv, die global erfolgreich sind. Was hat<br />
Sie gereizt, diese Position anzunehmen?<br />
Ich habe in meiner ganzen beruflichen Laufbahn nur für<br />
Familienunternehmen gearbeitet, weil ich deren Werteorientierung<br />
und Langfristigkeit schätze. Familien haben finanziellen<br />
Erfolg, weil sie nicht vorrangig daran interessiert sind, ein Unternehmen<br />
zu verkaufen, sondern es stetig weiterzuentwickeln<br />
und an die nächste Generation in einem viel besseren Zustand<br />
zu übergeben.<br />
Natürlich sind Familienunternehmen auch ein empfindliches<br />
Konstrukt. Den Stürmen der Generationswechsel unterliegt<br />
dagegen eine Stiftung nicht – sie ist damit noch nachhaltiger.<br />
Die Konstruktion der B&C gefällt mir gerade deswegen sehr<br />
gut. Zu Beginn meiner Laufbahn hat mich das Gestalten stark<br />
motiviert – ein Werk von Wert zu schaffen und das am liebsten<br />
gemeinsam mit anderen! Je älter ich werde, desto mehr tritt das<br />
eigene, unmittelbare Gestalten in den Hintergrund.<br />
Das Wachstum der Menschen, die einem anvertraut sind, motiviert<br />
weit stärker. Führungsteams zu führen motiviert mich<br />
– ich sehe und erlebe gerne, wie Menschen Dinge professionell<br />
und mit Leidenschaft gestalten! Ich helfe im Hintergrund und<br />
freue mich über deren Erfolge. Ein Unternehmen muss letztlich<br />
ein Ort produktiver Partnerschaften sein, einer Partnerschaft<br />
für gutes Arbeiten und Leben. Wenn die Strukturen ansprechend<br />
sind, bereitet die Arbeit Freude und die Menschen sind<br />
in der Lage, entlang ihrer Talente und Interessen zu wachsen<br />
und aufzublühen.<br />
Was sind aus Ihrer Sicht die Stärken des neu formierten<br />
Führungs-Teams der B&C-Gruppe?<br />
Es ist ein komplementäres Team von werteorientierten<br />
Menschen, die gerne und gut miteinander arbeiten und sich<br />
gegenseitig vertrauen. Das macht das besondere Potenzial<br />
dieser Mannschaft aus.<br />
Die B&C ist ein Ort produktiver Partnerschaften,<br />
die auf echter Zusammenarbeit und aktiver<br />
Beteiligung aller Mitglieder basieren. Alle leisten<br />
ihr Bestes im Hinblick darauf, was sie sind,<br />
was sie wissen und was sie beitragen können.<br />
Professionalität ist für uns ein wichtiger Wert,<br />
wir streben kontinuierlich danach, in unserem<br />
Tun Meisterschaft zu erlangen. Wir streben<br />
kontinuierlich nach höheren Leistungsstandards<br />
und arbeiten nahtlos im Team zusammen. Wir<br />
sind zupackend und ergebnisorientiert, bewerten<br />
auf der Basis von Fakten und konzentrieren<br />
uns auf die Erfolgsfaktoren.<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Unser Tun ist von Langfristigkeit und Stetigkeit<br />
getragen. Wir treffen Entscheidungen, die<br />
nachhaltig und auch auf die nächste Generation<br />
hin orientiert sind. Unser unternehmerisches<br />
Wirken hat das Wohle Österreichs im Blick.<br />
VERANTWORTUNG<br />
Das Gesamtinteresse steht bei allen unseren<br />
Handlungen an erster Stelle. Wir ringen stets<br />
um die beste Lösung. Es zählt was richtig<br />
ist und nicht wer Recht hat. Wir beachten<br />
die Gesetze, die ethischen Normen und die<br />
Bewahrung unserer Umwelt. Wir halten uns<br />
an Verträge und versprechen nur, was wir auch<br />
einhalten können.<br />
BESCHEIDENHEIT<br />
Wir nehmen uns selbst gerne zurück und ringen<br />
stets darum, ein guter und aufmerksamer<br />
Zuhörer zu sein. Wir versuchen, eine „großzügige“<br />
und „dienende“ Haltung einzunehmen<br />
und die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich<br />
sind, ohne Eitelkeit und Arroganz.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
20<br />
21<br />
PATRICK PRÜGGER<br />
D I E R E A L I TÄT D E R FA K T E N –<br />
EIN KOMPLEXES PUZZLE<br />
Patrick Prügger, CFO ist seit 2011 Geschäftsführer der<br />
B&C Industrieholdung GmbH. Im Interview spricht er über die<br />
neue Nachhaltigkeitsberichterstattung und den Wert valider Fakten,<br />
nicht nur in der Finanzberichterstattung von Unternehmen.<br />
studierte Handelswissenschaften<br />
an der<br />
Universität Linz<br />
und ist in den USA als<br />
Wirtschaftsprüfer<br />
zugelassen.<br />
Er war Finanzvorstand<br />
in börsennotierten<br />
Unternehmen (u. a. bei<br />
KTM) und ist seit 2011<br />
Geschäftsführer der B&C<br />
Industrieholding GmbH.<br />
PATRICK PRÜGGER<br />
Seit 2017 ist für Unternehmen mit mehr<br />
als 500 Mitarbeitern eine Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
auf EU-Ebene<br />
verpflichtend. Wie sind Ihre Erfahrungen<br />
nach dem ersten Berichtsjahr?<br />
Letztes Jahr haben unsere Kernbeteiligungen<br />
das erste Mal verpflichtend einen Nachhaltigkeitsbericht<br />
erstellt. Das war ein lehrreicher<br />
Prozess, weil wir ganz unterschiedliche<br />
Reifegrade dafür in den Unternehmen hatten.<br />
Bei AMAG und Lenzing wird Nachhaltigkeit<br />
schon lange als eines der Fundamente der<br />
Unternehmensstrategie gelebt und ist integrierter<br />
Bestandteil deren Geschäftsmodelle.<br />
Bei AMAG beginnt das Thema Nachhaltigkeit<br />
zum Beispiel in der Gießerei durch den<br />
Einsatz von Schrott. Bis zu 80 % rezikliertes<br />
Vormaterial im Produktionsprozess ist in dieser<br />
Form einzigartig. Es gibt keinen Aluminiumverarbeiter<br />
weltweit, der bei der breiten<br />
„Geht es uns<br />
heute besser als<br />
vor 20 Jahren?“<br />
Produktpalette eine so hohe Schrotteinsatzquote<br />
aufweist. Das ist nicht nur nachhaltig,<br />
sondern auch ökonomisch sehr sinnvoll. Bei<br />
Lenzing ist Nachhaltigkeit ebenso ein zentrales<br />
Thema und war schon immer als Teil<br />
der gelebten Unternehmenskultur verankert.<br />
Dort war es die Aufgabe, die Philosophie<br />
aus dem Marketing in die „Welt der externen<br />
Finanzberichterstattung“ zu bringen.<br />
Besonders war für mich die mit dem<br />
NaDiVeG neu eingeführte Prüfpflicht des<br />
Aufsichtsrates. Es war für mich überraschend<br />
wie wenig sich Aufsichtsräte im Allgemeinen<br />
ihrer Verantwortung bewusst waren. Für<br />
mich eine zentrale Frage war: Wie kann der<br />
Aufsichtsrat den Bericht nicht nur formal<br />
und gegebenenfalls prozessual, sondern auch<br />
inhaltlich prüfen. Der Aufsichtsrat muss<br />
darauf einwirken, eine Nachhaltigkeitskultur<br />
im Unternehmen zu schaffen. Ich bin dafür,<br />
generell etwas weniger, aber dafür authentisch, offen,<br />
transparent und fokussiert, die wirklich wesentlichen<br />
Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten, als die Unternehmen<br />
mit komplexen noch nicht einheitlich messbaren Zielsystemen<br />
zu überfordern.<br />
In seinem Buch Factfulness beschreibt der schwedische<br />
Forscher Hans Rosling, dass unsere Einschätzungen<br />
oft nicht den tatsächlichen Fakten entsprechen,<br />
da wir von veralteten Annahmen ausgehen,<br />
negativen Ereignissen mehr Beachtung schenken als<br />
positiven und von Emotionen geleitet sind.<br />
Das negative Denken ist heute insgesamt sehr präsent,<br />
auch durch die Negativschlagzeilen. Für Rosling<br />
entsteht dadurch insgesamt eine verzerrte Sicht auf<br />
unsere Welt, die dazu führt, dass wir Fortschritte<br />
und Veränderungen zu wenig wahrnehmen. Sehen<br />
wir uns schlechter, als wir sind – sollten wir den<br />
Blick auf unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft<br />
neu justieren?<br />
Aus meiner Wahrnehmung muss zwischen Gegenwart,<br />
Blick nach vorne und Vergangenheit differenziert werden.<br />
Gerade mit Blick in die Vergangenheit scheint es so zu sein,<br />
dass wir die negativen Entwicklungen untergewichten und<br />
die positiven übergewichten. Was Gegenwart und Zukunft<br />
betrifft scheint es genau umgekehrt zu sein. Es ist erstaunlich,<br />
dass tendenziell nur Bad News Good News sind.<br />
Obwohl es uns doch in nahezu allen Bereichen des Lebens<br />
heute besser geht als den Generationen vor uns. Primär ist<br />
zu adressieren, um wie viel geht es denen, denen es früher<br />
schlechter ging, heute besser. Es muss eine Balance gewahrt<br />
bleiben und es soll nicht passieren, dass wir in einer Gesellschaft<br />
landen, wo alle nur mehr das Glas halb leer sehen.<br />
Das führt sonst zu Destruktivität.<br />
Ein Beispiel ist die Frage, ob die Produktion von Baumwolle<br />
oder Zellulose umweltfreundlicher ist? Viele denken<br />
Baumwolle wäre in Summe besser und nachhaltiger, weil<br />
sie nach ihrem subjektiven Gefühl urteilen. Betrachtet<br />
man jedoch die Fakten, so ist das anders. Zellulose ist eine<br />
industriell hergestellte Faser, deren Rohstoff Holz ist. In<br />
fast allen relevanten Dimensionen ist diese Faser nachhaltiger<br />
als Baumwolle – man denke alleine an die allseits<br />
bekannten ökologischen Katastrophen durch die künstliche<br />
Bewässerung. Eine faktenbasierte Diskussion ist Grundvoraussetzung,<br />
um diese Frage erörtern und beantworten<br />
zu können.<br />
Geht es uns heute besser als vor 20 Jahren? Diese Diskussion<br />
ist ebenfalls faktenbasiert zu führen. Auch muss man<br />
sich verschiedene Lebensbereiche ansehen. Beispielsweise<br />
zu qualitativ hochwertiger Aus- und Weiterbildung haben<br />
heute tendenziell mehr junge Leute Zugang als noch vor 30<br />
Jahren. Dass es sozial natürlich noch immer Barrieren gibt,<br />
liegt an der Sozialisierung und dem Umfeld der Familie.<br />
Auch der Zugang zu Quantität und Qualität im Konsumbereich<br />
hat sich enorm gesteigert – man betrachte alleine<br />
das Reise- und Urlaubsverhalten. Was vor 30 Jahren einer<br />
privilegierten Oberschicht vorbehalten war, ist heute für<br />
viele – leider noch nicht alle – ein leistbarer Lebensstandard.<br />
Hören wir doch endlich auf zu jammern und arbeiten<br />
daran, das Erreichte zu erhalten bzw. weiterzuentwickeln.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
22<br />
23<br />
Mariella Schurz<br />
Geschäftsführerin<br />
Patrick Prügger<br />
CFO<br />
„Unter Factfulness verstehe<br />
ich die unaufgeregte<br />
Rückbesinnung auf Fakten.“<br />
MARIELLA SCHURZ<br />
Das Buch Factfulness ist außerdem ein Plädoyer für<br />
die Stärke von validen Daten. Rosling ist überzeugt:<br />
Die Welt lässt sich nicht ohne Zahlen verstehen –<br />
aber auch nicht mit ihnen allein. Rosling plädiert<br />
dafür, sich nicht von den Instinkten leiten zu lassen,<br />
sondern Fakten kritisch zu prüfen, selbst wenn die<br />
Zusammenhänge komplex sind. Auch auf Unternehmensebene<br />
ist dies ein zentrales Anliegen, oder?<br />
Das muss das Ziel sein. Die Kunst wird sein, dass man die<br />
enorme Menge und Komplexität von Zusammenhängen,<br />
Informationen und Daten so abstrahiert, dass es verständlich<br />
wird. Das erzeugte Bild muss objektiv neutral bleiben.<br />
Wichtig erscheint aber der zweite Halbsatz von Roslings<br />
Statement. Neben den Zahlen und Fakten ist und bleibt<br />
der Faktor Mensch.<br />
Bei AMAG hat es einen Wechsel an der<br />
Spitze gegeben.<br />
Ich erlebe bei AMAG in meiner Funktion als Aufsichtsrat<br />
ein hohes Maß an positiver Emotionalität und die Identifikation<br />
der Mitarbeiter mit dem Unternehmen hat zu einer<br />
wirklich tollen Unternehmenskultur geführt. Das ist nicht<br />
zuletzt dem jetzigen Vorstand und deren Vorgängern zu<br />
verdanken. Ein gut funktionierendes Team steht für mich<br />
im Zweifel über der Kompetenz eines Einzelnen.<br />
Interne versus externe Vorstandsbesetzung: Der Nachfolgeprozess<br />
für den CEO war völlig ergebnisoffen angelegt.<br />
Der Aufsichtsrat hat einen spezialisierten Personalberater<br />
mit der Suche geeigneter Kandidaten beauftragt und in<br />
diesen Prozess wurden auch interne Kandidaten in die<br />
Nachfolgeplanung einbezogen. Ich persönlich freue mich<br />
sehr, dass sich ein interner Kandidat in diesem objektiven<br />
und harten Prozess durchsetzen und zum neuen CEO<br />
bestellt werden konnte.<br />
Wie sehen Sie insgesamt die Entwicklung des<br />
Unternehmens?<br />
Ich bin hinsichtlich der langfristigen Entwicklung der<br />
AMAG sehr zuversichtlich. Zum einen, weil dort echt ein<br />
großartiges Führungsteam und eine gute Unternehmenskultur<br />
vorhanden ist. Wir haben ein nachhaltiges Geschäftsmodell,<br />
aber auch einige Herausforderungen.<br />
Die vorhandene Prozess- und Produktkompetenz adressiert<br />
zukunftsträchtige Themen und hat enormes Potenzial.<br />
Es muss aber bewusst sein, dass es heutzutage mehr<br />
Überraschungen gibt als noch vor einigen Jahren. Was uns<br />
früher ein Jahrzehnt lang beschäftigt hat, verändert sich<br />
heute zwei Mal im Jahr. Die Zyklen – so es überhaupt noch<br />
Zyklen sind – werden kürzer, die Amplituden größer.<br />
Das ist die Normalität von heute. Um damit umgehen zu<br />
können, sind völlig neue Führungs- und Steuerungsmodelle<br />
erforderlich. Das ist für mich auch ein wesentlicher Aspekt<br />
von Digitalisierung im Sinne eines nicht nur unternehmerischen,<br />
sondern gesellschaftlichen Transformationsprozesses.<br />
Z I E L G E R I C H T E T U N D<br />
NACHHALTIG FÖRDERN<br />
Was hat sich für Sie in den letzten<br />
12 Monaten in Ihrer Tätigkeit verändert?<br />
Ich bin seit 2018 Mitglied der Geschäftsführung<br />
der B&C Industrieholding GmbH und<br />
verantworte in dieser Funktion die Bereiche<br />
Compliance, Personal und Kommunikation,<br />
also klassische Inhalte für eine gelernte<br />
Juristin.<br />
Gleichzeitig bin ich aber auch für die B&C<br />
Privatstiftung als Generalsekretärin tätig und<br />
hier für die Förderinitiativen der Stiftung<br />
zuständig, wie beispielsweise für den Houskapreis.<br />
Das <strong>Jahrbuch</strong> ist heuer dem Generalthema<br />
Factfulness gewidmet. Wie<br />
stehen Sie diesem Begriff gegenüber?<br />
Unter Factfulness verstehe ich die unaufgeregte<br />
Rückbesinnung auf Fakten. Wie sich die<br />
sozialen Medien etabliert haben, steht heute<br />
in einem starken Kontrast dazu. Die Begeisterung<br />
mag zwar schon wieder am Abflauen<br />
sein, hat aber dazu geführt, dass zu vieles unhinterfragt<br />
geglaubt und verbreitet wird. Die<br />
Menschen brauchen einfach Zeit, um einen<br />
verantwortungsbewussten Umgang mit den<br />
neuen Medien zu lernen. Ich denke und hoffe,<br />
dass wir an einem Punkt der Rückbesinnung<br />
angelangt sind.<br />
MARIELLA SCHURZ<br />
ist promovierte Juristin<br />
und seit 2012 bei der B&C<br />
Industrieholding tätig, wo<br />
sie auch seit 2018 Mitglied<br />
der Geschäftsführung ist.<br />
Gleichzeitig fungiert sie als<br />
Generalsekretärin der B&C<br />
Privatstiftung.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
24<br />
25<br />
Wir wären damit beim Thema<br />
Kommunikation, die einen Schwerpunkt<br />
Ihrer Tätigkeit bei der B&C bildet.<br />
Was ist Ihnen hier wichtig?<br />
In der heutigen sehr schnelllebigen Zeit ist<br />
es eine besondere Herausforderung, Themen,<br />
die einem wichtig und wertvoll erscheinen,<br />
genau auf den Punkt zu bringen. Wir halten<br />
uns dabei an das Prinzip der Authentizität.<br />
Man sollte meiner Meinung nach immer sich<br />
und seiner Linie treu bleiben.<br />
community sehr gut angenommen wurde und<br />
sehr anerkannt ist. Im Rahmen der jährlichen<br />
Preisverleihung ist es uns ein großes Anliegen,<br />
den österreichischen Spitzenforschern<br />
eine wertschätzende Bühne für ihre beeindruckenden<br />
Leistungen zu bieten.<br />
Seit 2018 gibt es den Club der<br />
Houskapreisträger. Was waren Ihre<br />
Beweggründe, diesen zu gründen<br />
und was hat sich seither getan?<br />
Mariella Schurz<br />
Geschäftsführerin<br />
Zu Ihren Agenden bei der B&C Privatstiftung<br />
zählt auch das Förderwesen der<br />
Stiftung – eine zentrale Säule ist hier<br />
der Houskapreis, Österreichs größter<br />
privater Preis für anwendungsnahe<br />
Forschung. Er wird seit mehr als einem<br />
Jahrzehnt vergeben. Wie hat er sich seit<br />
dem Start entwickelt?<br />
Der Houskapreis wurde im Jahr 2005 ins<br />
Leben gerufen. Im kommenden Jahr wird die<br />
Preisverleihung bereits zum 15. Mal stattfinden.<br />
Während dieser langen Periode hat sich<br />
einiges verändert, vieles wurde erfolgreich<br />
weiterentwickelt, aber wir bemühen uns stets<br />
noch besser zu werden. Luft nach oben gibt<br />
es immer.<br />
Wir konnten beobachten, dass sich nicht<br />
nur die Anzahl der Einreichungen beim<br />
Houskapreis sehr gut entwickelt hat,<br />
sondern insbesondere auch die Qualität<br />
der Projekte.<br />
Wir selbst sind keine Experten für Forschungsförderung,<br />
verfügen jedoch über<br />
hochrangig besetzte Gremien, die aufgrund<br />
ihrer Expertise und ihrer Netzwerke<br />
fundierte Beurteilungen vornehmen können.<br />
Für den Fachbeirat und die Fachjury ist es<br />
wegen der Vielzahl der qualitativ hochwertigen<br />
Projekte nicht immer einfach, die Preisträger<br />
zu ermitteln. Es freut mich persönlich<br />
sehr, dass der Houskapreis in den letzten<br />
Jahren in der österreichischen Forschungs-<br />
Ich wurde mehrfach in der Vergangenheit<br />
von ehemaligen Preisträgern angesprochen,<br />
dass sie sich zusätzlich zur jährlichen<br />
Preisverleihung eine stärkere Vernetzung<br />
wünschen. Auch uns war es ein Anliegen,<br />
die Entwicklung der Preisträger und ihrer<br />
Projekte weiter zu verfolgen. So haben wir<br />
im April 2018 den Club der Houskapreisträger<br />
ins Leben gerufen. Der Club soll kein<br />
Selbstzweck sein, sondern den Spitzenforschern<br />
einen Mehrwert bieten.<br />
Im Jänner 2019 fand der erste Netzwerkabend<br />
zum Schwerpunktthema „Interaktion<br />
Wissenschaft – Wirtschaft – von der<br />
Forschungsidee bis zur wirtschaftlichen<br />
Umsetzung“ statt. Unterschiedliche Stakeholder<br />
haben ihre spezifischen Erfahrungen<br />
eingebracht, wodurch sich eine sehr<br />
angeregte Diskussion ergeben hat.<br />
Die B&C Privatstiftung unterstützt<br />
Forschung auch über Stiftungsprofessuren.<br />
Welches Anliegen steht hier im<br />
Vordergrund?<br />
Von staatlicher Seite stehen für bestimmte<br />
Professuren, die aus Sicht der Forschungscommunity<br />
notwendig wären, nicht immer<br />
genügend budgetäre Mittel zur Verfügung.<br />
Dann ist eine Überbrückungsfinanzierung<br />
von privater Seite wichtig und sinnvoll. Wir<br />
unterstützen solche Professuren dann, wenn<br />
wir in Verbindung mit uns nahestehenden<br />
Unternehmen die Notwendigkeit dafür bestätigt<br />
sehen und die qualitative Werthaltigkeit<br />
sicherstellen können.<br />
Der Unternehmensrechtstag und das<br />
Kapitalmarktforum sind zwei wichtige<br />
Impulse der B&C Privatstiftung für den<br />
österreichischen Wirtschaftsstandort.<br />
Wie entwickeln sich diese Initiativen?<br />
Mit Susanne Kalss und Ulrich Torggler haben<br />
wir hier zwei profunde Partner auf universitärer<br />
Ebene, die jährlich alternierend Schwerpunktthemen<br />
zu diesen Spezialbereichen des<br />
Wirtschaftsrechts aufbereiten und vortragen.<br />
Es gelingt immer wieder, internationale<br />
Experten dafür nach Wien zu bringen. Der<br />
Unternehmensrechtstag und das Kapitalmarktforum<br />
bieten damit wichtige Beiträge,<br />
um die juristischen Rahmenbedingen des<br />
Kapitalmarktes zu diskutieren und weiterzuentwickeln.<br />
Unter dem Motto „We don’t need no<br />
education“ initiierte die B&C Privatstiftung<br />
2018 beim Forum Alpbach eine<br />
Breakoutsession. Bettina Fuhrmann von<br />
der Wirtschaftsuniversität Wien präsentierte<br />
eine Studie zum Wirtschaftswissen<br />
Jugendlicher in Österreich. Was fanden<br />
Sie an den Ergebnissen interessant und<br />
wie wird es hier weitergehen?<br />
Bettina Fuhrmann untersuchte in ihrer<br />
Studie, wie es um das Wirtschaftswissen von<br />
Jugendlichen am Ende der Sekundarstufe I<br />
(14- bis 15-Jährige) bestellt ist.<br />
Wir sind auf die aufrüttelnden Erkenntnisse<br />
aufmerksam geworden und unterstützen jetzt<br />
die Fortsetzung dieser Studie, die sich mit<br />
dem Wissen der Schüler am Ende der Sekundarstufe<br />
II beschäftigt: Es ist uns ein großes<br />
Anliegen, hier nicht nur einmalig ein Projekt<br />
voranzutreiben, sondern relevante Themen<br />
nachhaltig und langfristig zu fördern. Aus<br />
diesem Grund werden wir auch 2019 beim<br />
Forum Alpbach unser Engagement fortsetzen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
26<br />
27<br />
I N V E S T M E N T S I M S I N N E D E S<br />
STANDORTES ÖSTERREICH<br />
„Die B&C Industrieholding möchte<br />
als langfristig denkender Eigentümer<br />
attraktive Unternehmen in<br />
Österreich halten und Beiträge<br />
zur Wertentwicklung leisten.“<br />
Thomas Zimpfer, seit März 2019 Mitglied der Geschäftsführung der<br />
B&C Industrieholding, schildert im Interview seine beiden zentralen<br />
Verantwortungsbereiche: die Mergers & Akquisition (M&A) Aktivitäten<br />
und die Beteiligung an Wachstumsunternehmen.<br />
THOMAS ZIMPFER<br />
startete 2011 als Beteiligungsmanager bei<br />
B&C. Seit 2016 ist er Geschäftsführer der<br />
B&C Innovation Investments, im März 2019<br />
wurde er außerdem zum Geschäftsführer<br />
der B&C Industrieholding bestellt.<br />
In Ihrer neuen Position verantworten Sie zwei<br />
Geschäftsbereiche der B&C – was steht hier<br />
jeweils im Vordergrund?<br />
Mein Verantwortungsbereich umfasst den Portfolioausbau<br />
– gegliedert in M&A-Aktivitäten, die ich für die B&C<br />
Industrieholding mit Blick auf inländische Industrieperlen<br />
koordiniere und in die Fortsetzung des Portfolioaufbaus<br />
im Bereich von Technologie-Wachstumsunternehmen. Die<br />
beiden Bereiche unterscheiden sich deutlich, haben aber<br />
auch verbindende Elemente. Zielsetzung der B&C Industrieholding<br />
ist, über typischerweise großvolumige Investitionsschritte<br />
etablierte Vorzeigeunternehmen in Österreich<br />
zu halten oder nach Österreich zurückzuholen und<br />
nach der Investitionsphase über die Wahrnehmung einer<br />
Kernaktionärsstellung den Wertsteigerungsweg dieser Unternehmen<br />
zu unterstützen. Diese befinden sich in einem<br />
weltweiten Wettbewerb, wo Stillstand keine Fortbestandsoption<br />
darstellt. Investitionssituationen zu finden und mit<br />
solchen professionell umzugehen, also die richtigen Entscheidungen<br />
zu erarbeiten, steht hier im Vordergrund.<br />
Typische Situationen, in denen eine Beteiligung der B&C<br />
gefragt sein kann, sind Nachfolgelösungen für Familien-<br />
Unternehmen, gemeinsame Expansionsbestrebungen mit<br />
solchen, in denen B&C als Finanzierungspartner zum<br />
Mitgesellschafter wird oder Konzern-Abspaltungen. Die<br />
Investorenlandschaft ist von Konzernen mit (im Regelfall)<br />
überschaubar patriotischer Standortorientierung im Sinne<br />
Österreichs und Finanzinvestoren bestimmt. Letztere haben<br />
jedenfalls einen Exit-Druck. Österreichischen Vorzeigeunternehmen<br />
wird aus B&C Sicht in beiden Fällen typischer<br />
Weise kein langfristiger Eigentümer-Hafen geboten. Genau<br />
an dieser Stelle setzen wir als Käufer und später Kerngesellschafter<br />
an, da der Zweck der Stiftung ein anderer ist:<br />
Die B&C Industrieholding möchte als langfristig denkender<br />
Eigentümer attraktive Unternehmen in Österreich<br />
halten und Beiträge zur Wertentwicklung leisten.<br />
Das erscheint uns heute wichtiger denn je. Die Aufgabe<br />
ist jedenfalls eine Große, denn es gibt käuferseitig höchst<br />
strukturierten Wettbewerb, u.a. aus China, und an unseren<br />
Aktivitäten hängt ein wesentlicher Teil der österreichischen<br />
Wertschöpfung, also der Beschäftigung. Der zweite<br />
Bereich - die B&C Innovation Investments („BCII“) – unterstützt<br />
rasch wachsende, typischerweise junge Unternehmen<br />
mit starkem Technologie- und Innovationseinschlag<br />
bei ihrem Wachstum. Im Gegensatz zu den etablierten<br />
Industrieunternehmen sind Beteiligungen der BCII stark<br />
gründergeprägt und expansiv.<br />
Wir wollen für dahinterstehende Entrepreneure ein professionelles<br />
und langfristig orientiertes Gegenüber sein.<br />
Sie sehen, in beiden Feldern geht es um Eigenkapitalinvestitionen<br />
in Unternehmen. Ein wesentlicher Unterschied<br />
ist etwa, dass Etablierte typischerweise ein ausgewogeneres<br />
Verhältnis aus Profitabilität und Wachstum<br />
aufweisen, also im Regelfall Cash-positiv wirtschaften,<br />
während Wachstumsunternehmen zu Gunsten der hohen<br />
Dynamik die Last einer „Burn-rate“ in Kauf nehmen<br />
(müssen). Hier ist die BCII als nicht bloß kurzfristiger<br />
Begleiter gefragt.<br />
Worin sehen Sie die zentralen Herausforderungen<br />
der B&C Industrieholding?<br />
Im Hinblick auf das Industrievermögen der B&C haben<br />
wir aus meiner Sicht im Wesentlichen zwei große Verantwortungsbereiche:<br />
Auf die Werthaltigkeit und Wertsteigerung<br />
der vorhandenen „Assets“ – also Kernbeteiligungen<br />
– zu achten und diese aus der Gesellschafterrolle begleitend<br />
zu unterstützen. Dies erfolgt im Wesentlichen über unsere<br />
Tätigkeit in den jeweiligen Aufsichtsräten.<br />
Die andere Verantwortung betrifft den bereits thematisierten<br />
M&A-Bereich, wo im Fokus steht, richtig zu selektieren<br />
und zu urteilen, um die Unternehmen zu identifizieren,<br />
die im Sinne des Stiftungszweckes als Kernbeteiligungen<br />
bestgeeignet sind. Es gilt also, den Handlungsspielraum in<br />
Form vorhandener Liquidität genau dort einzusetzen, wo er<br />
an Alternativen gemessen den maximalen Nutzen entfaltet.<br />
Das heißt kurzum, wir müssen zum richtigen Zeitpunkt<br />
auf die richtigen Unternehmen setzen. Unsere Zielsetzung<br />
ist, dass die Attraktivität der B&C, nämlich der „USP“ in<br />
Form von Langfristigkeit und – ganz wichtig – Unabhängigkeit<br />
erkannt wird und dass wir deshalb als Investor und<br />
Partner gewünscht sind.<br />
Was passiert mit den Gewinnausschüttungen der<br />
beteiligten Unternehmen?<br />
Die B&C kann man sich in diesem Kontext gewissermaßen<br />
als Kreislaufsystem vorstellen. Die oberste Maxime aus<br />
Eigentümersicht ist die Wertsteigerung der voneinander<br />
getrennt operierenden jeweiligen Kernbeteiligungen. In<br />
Abhängigkeit von den jeweiligen Strategien und ihren<br />
eigenen Bedürfnissen schütten die Unternehmen Dividenden<br />
an ihre Gesellschafter aus, die seitens B&C unter<br />
dem Stiftungszweck reinvestiert werden – in Unternehmensbeteiligungen<br />
oder weitere Förderinitiativen. Private<br />
Dividendenempfänger oder gar Begünstigte bestehen nicht.<br />
Resultat des beschriebenen Kreislaufes ist beispielsweise,<br />
dass B&C die AMAG, die zu wesentlichen Teilen in der<br />
Hand eines ausländischen Private-Equity-Hauses war, nach<br />
Österreich zurückholen konnte. Die notwenige Liquidität<br />
stammte aus dem beschriebenen Kreislauf bzw. dem Fokus<br />
auf Kernbeteiligungen.<br />
Was würde es am Kapitalmarkt brauchen, um die<br />
Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen zu<br />
verbessern?<br />
Ich würde mir in Österreich eine deutlich positivere und<br />
aufgeschlossenere Kapitalmarktkultur wünschen. Ich<br />
denke, die Grundlage hierfür müsste bereits im Wirtschaftskundeunterricht<br />
in der Schule als Fundament<br />
entwickelt werden. In meinen Augen besteht diesbezüglich
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
28<br />
29<br />
Thomas Zimpfer<br />
Geschäftsführer<br />
„Unsere Zielsetzung ist, dass die Attraktivität der B&C,<br />
nämlich der „USP“ in Form von Langfristigkeit und – ganz<br />
wichtig – Unabhängigkeit erkannt wird und dass wir deshalb<br />
als Investor und Partner gewünscht sind.“<br />
in Österreich ein anderer Status quo als beispielsweise<br />
in Deutschland. International sind die Unterschiede im<br />
Westen wie auch fernen Osten noch erheblicher. Für den<br />
österreichischen Kapitalmarkt selbst ist der vorbörsliche<br />
Bereich wesentlich: Was kommt an Unternehmertum nach,<br />
das die Anforderungen einer späteren Kapitalmarktnotierung<br />
erfüllt!? Für eine Börsennotierung sind aus unserer<br />
Sicht folgende Faktoren erforderlich: Eine kritische Unternehmensgröße,<br />
vielversprechende Profitabilität und – ganz<br />
wichtig – hinreichende Wachstumsaussicht. Viele aufstrebende<br />
Unternehmen haben zwar großes Potenzial, aber oft<br />
noch keinen Geschäftserfolg in Form von Profitabilität.<br />
Bankkredite sind daher keine adäquate Finanzierungsform,<br />
da diese aufgrund der Reifephase schlichtweg nicht bedient<br />
werden können und, später sehr wertvolle Fremdfinanzierungsinstrumente,<br />
in dieser Phase eingesetzt zu einer<br />
Wachstumsbremse werden können. Verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten<br />
in Form von Wagniskapital sind für<br />
diesen vorbörslichen Bereich daher absolut entscheidend.<br />
Hier setzt die B&C Innovation Investments Akzente – wir<br />
begleiten Unternehmen als Partner für Wachstumsfinanzierungen<br />
in Form von Eigenkapital-Investments, damit sie<br />
für den vorbörslichen Bereich fit werden.<br />
Was sehen Sie als Zukunftsvision der B&C?<br />
Unser Profil ist durch zwei übergeordnete Ziele geprägt:<br />
die Langfristigkeit und die Unabhängigkeit von Interessen<br />
und Einflüssen Dritter. In diesem Sinne sind wir über<br />
unseren Eigentümerbeitrag bestrebt, Unternehmen, die im<br />
globalen Wettbewerb stehen, langfristig fit zu halten. Wir<br />
erleben eine Zeit großer Veränderungen: Die durchschnittliche<br />
Lebensspanne der Fortune-500-Unternehmen hat sich<br />
über die letzten Jahrzehnte in etwa halbiert.<br />
Ich habe aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit Bezug<br />
zum Private-Equity-Geschäft und weiß daher, dass im<br />
Vergleich zu kurzfristig angelegten Investments über drei<br />
bis fünf Jahren eine langfristige Unternehmensentwicklung<br />
mit dem Ziel der Absicherung im Sinne des Wirtschaftsstandortes<br />
eine große Herausforderung darstellt. Das Angebot<br />
der B&C ist vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen<br />
wichtig und ein Alleinstellungsmerkmal.<br />
Für diese Ambition braucht es Überzeugung und einen<br />
respektvollen Zugang, worin ich auch zwei zentrale<br />
Dimensionen für die Zukunftsvision der B&C sehe.<br />
WERTE entstehen<br />
und bestehen<br />
nicht aus Worten.<br />
Werte entstehen<br />
und werden<br />
beständig<br />
durch Handlung.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
30<br />
31<br />
MATTHIAS BECK<br />
Univ.-Prof. Dr. med.<br />
Dr. theol. Mag. pharm.<br />
Systematische Theologie<br />
Theologische Ethik<br />
und Medizinethik<br />
D I E E N T W I C K L U N G D E R<br />
WERTE EUROPAS<br />
Die Werte Europas verdanken sich einer langen Tradition.<br />
Sie speisen sich aus der griechischen und römischen<br />
Philosophie, dem Judentum, dem Christentum sowie der<br />
europäischen Aufklärung. Im Kontext der griechischen Philosophie<br />
war es vor allem Aristoteles (384 bis 323 v. Chr.),<br />
der angesichts einer Krise des Staates fragte, was eigentlich<br />
alle Menschen suchen. Er kam darauf, dass alle Menschen<br />
ihr Glück finden wollen. So entfaltete er seine Tugendlehre<br />
mit den Tugenden von Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit,<br />
Maß. Aus dem Judentum kam die Vorstellung vom Menschen<br />
als dem Ebenbild Gottes, aus dem Christentum jene,<br />
dass vor Gott alle Menschen gleich sind und in der Zeit der<br />
Aufklärung war es Immanuel Kant (1724 bis 1804), der<br />
philosophisch den Begriff der Menschenwürde entfaltete.<br />
Aristoteles fragt in seiner Nikomachischen Ethik, wie<br />
der Mensch den Weg zum Glück findet. Glück heißt im<br />
Griechischen: Eu-daimonia, frei übersetzt: dem guten Geist<br />
folgen. Dem guten Geist folgen meint vor allem diese vier<br />
Tugenden einzuüben, die schon Plato und die vorplatonische<br />
Philosophie reflektiert haben. Tugenden sind innere<br />
Haltungen, die der Mensch durch täglichen Vollzug lernt.<br />
Tugenden sind tauglich für das Leben. Die Klugheit ist eine<br />
Tugend des Geistes. Der Mensch soll weitsichtig denken<br />
und langfristig handeln: Was immer du tust, tue es klug<br />
und bedenke das Ende.<br />
Der Heilige Ignatius von Loyola (1491 bis 1556), der viel<br />
von Aristoteles gelernt hat, gibt für wichtige Entscheidungen<br />
folgenden Rat: Wenn du etwas Wichtiges zu entscheiden<br />
hast, versetze dich in die Stunde deines Todes und<br />
überlege, wie du von dort her hättest entschieden haben<br />
wollen. Dieser Anregung liegt ein Weltbild zugrunde, das<br />
besagt, dass der Mensch einmal Rechenschaft über sein<br />
Leben ablegen muss.<br />
Die Tugend der Gerechtigkeit ist eine Tugend der Gemeinschaft<br />
und des menschlichen Miteinanders. Es geht um<br />
Tauschgerechtigkeit, die dazu anhält, faire Geschäfte zu<br />
tätigen. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit, die darauf<br />
abzielt, endliche Güter gerecht zu verteilen. Ungerechtigkeit<br />
führt zu Unfrieden, Hass und Aggression. Sich für<br />
Gerechtigkeit einzusetzen, heißt Friedensarbeit zu leisten.<br />
Im Letzten geht es um eine personale Gerechtigkeit, die<br />
danach trachtet, dem anderen (und sich selbst) gerecht zu<br />
werden. Jedem soll das Seine zukommen. Außerdem soll<br />
Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden.<br />
Die Tugend der Tapferkeit ist eher aus dem militärischen<br />
Bereich genommen. Heute würde man besser von Mut oder<br />
Zivilcourage sprechen. Diese Tugend ist mit der Tugend des<br />
Maßes zusammen zu sehen. Das Maß ist die rechte Mitte<br />
zwischen zwei Extremen. Es ist nicht das Mittelmaß. Diese<br />
rechte Mitte macht Aristoteles am Beispiel der Tapferkeit<br />
fest. Tapferkeit ist die rechte Mitte zwischen Feigheit und<br />
Tollkühnheit. Der feige Soldat bleibt im Schützengraben<br />
liegen, der tollkühne rennt blind ins Feld. Die rechte<br />
Mitte besteht darin, die Feigheit zu überwinden und nicht<br />
tollkühn loszulaufen, sondern wohlüberlegt mit Klugheit<br />
zu handeln. Die Tugend des Maßes durchzieht alle anderen<br />
Tugenden. Für die Medizin bedeutet sie zum Beispiel, die<br />
rechte Dosis zu finden: nicht zu viel, nicht zu wenig. Die<br />
Dosis macht das Gift hat Paracelsus gesagt.<br />
Parallel zur griechischen Philosophie entwickelt sich im Judentum<br />
eine eigene Ethik. Sie schlägt sich vor allem in den<br />
10 Geboten nieder. Der Gott Israels, dessen Namen man<br />
nicht aussprechen darf und von dem man sich kein Bild<br />
machen soll, führt das Volk Israel aus der Knechtschaft<br />
Ägyptens in die Freiheit – so der Glaube Israels. Das göttliche<br />
Wirken ist eine Befreiungstat. Damit die Menschen<br />
diese Freiheit nicht mehr verlieren, gibt Jahwe dem Volk<br />
die 10 Gebote. Die Präambel zu diesen 10 Geboten lautet:<br />
„Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt<br />
hat; aus dem Sklavenhaus“ (Ex 20, 2-17).<br />
Im Christentum geht es um die innere Befreiung des<br />
Menschen. Der christliche Gott ist frei, er ist in sich ein<br />
Beziehungsgeschehen zwischen Vater, Sohn und Geist. Er<br />
ist sich selbst genug, er braucht die Welt nicht, er ist frei,<br />
sie zu schaffen. Wenn er sie schafft, braucht er die freie<br />
Mitwirkung des Menschen. Das ist das Risiko. Der Mensch<br />
kann nein sagen, er muss zur Freiheit erzogen werden. Die<br />
Ethik des Christentums spricht von Gottesliebe, Selbstliebe<br />
und Nächstenliebe (sogar Feindesliebe) und von Handlungsfreiheit,<br />
Willensfreiheit und Wesensfreiheit.<br />
Die Handlungsfreiheit bezieht sich auf die äußere Freiheit,<br />
die Willensfreiheit auf die innere Freiheit. Allerdings muss<br />
der Mensch zu dieser Freiheit befreit werden. Denn er ist<br />
durch die Verstrickungen der Welt nicht vollständig in der<br />
Lage, aus sich selbst heraus die Freiheit und das Gute umzusetzen.<br />
Paulus sagt es so: „Denn ich tue nicht das Gute,<br />
das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will“ (Röm<br />
7,19). Der Mensch muss zum Tun des Guten befreit werden.<br />
Dazu bedarf es aus christlicher Sicht der Anbindung<br />
an einen anderen Grund, der den Menschen übersteigt.<br />
Ein zentraler Begriff der europäischen Geschichte ist jener<br />
der Menschenwürde. In der römischen Philosophie sprach<br />
Cicero (106 bis 43 v. Chr.) bereits davon. Hier allerdings<br />
in dem Sinn, dass Menschen sich durch gute Verdienste im<br />
Staat diese Würde verdienen können. Im Mittelalter war<br />
es Pico della Mirandola (1463 bis 1494), der die Frage der<br />
Menschenwürde mit dem freien Willen des Menschen in<br />
Zusammenhang brachte.<br />
Schließlich ist es in der Neuzeit Immanuel Kant, der den<br />
Begriff der Würde entfaltet. Diese Würde wohnt jedem<br />
Menschen inne, sie wird ihm nicht von außen verliehen:<br />
„Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis oder<br />
eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann<br />
auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was<br />
dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent<br />
verstattet, das hat eine Würde.“ Hier wird zwischen<br />
Würde und Wert (Preis) unterschieden. Ein zweites Zitat<br />
Kants ist für diesen Zusammenhang von Bedeutung: Dinge<br />
haben einen „relativen Wert, …und heißen daher Sachen,<br />
dagegen vernünftige Wesen Personen genannt werden,<br />
weil ihre Natur sie schon als Zwecke an sich selbst“ achtet.<br />
Dies ist die sogenannte Selbstzwecklichkeitsformel Kants,<br />
dass jeder Mensch um seiner selbst willen geachtet werden<br />
soll: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner<br />
Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit<br />
zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel gebrauchst.“<br />
Damit ist gemeint: Jeder Mensch soll – unabhängig von Alter,<br />
Rasse, Geschlecht, Hautfarbe, genetischer Ausstattung<br />
– um seiner selbst willen geachtet werden. Er soll nicht<br />
vollständig („bloß“) verzweckt werden. Das ist die philosophische<br />
Übersetzung des Gebotes der Nächstenliebe. Aus<br />
der Menschwürde leiten sich die Menschenrechte ab, die<br />
universal gelten sollen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
32<br />
CHRISTOPHER WEYRER<br />
33<br />
absolvierte das Gymnasium in<br />
Amstetten und studierte Medizin<br />
und Physik in Wien und Linz.<br />
Nach Neuro-Forschungen an der<br />
MedUni Wien und am Salk Institute<br />
in Kalifornien war er für einen kollaborativen<br />
Neurowissenschaften PhD<br />
in Cambridge und Harvard. Derzeit<br />
ist er als „Alice and Joseph Brooks<br />
Research Fellow in Neurobiology“<br />
an Harvard’s Medical School tätig.<br />
SARAH SPIEKERMANN-HOFF<br />
lehrt und forscht an der Wirtschaftsuniversität<br />
Wien, wo sie dem Institut<br />
für Wirtschaftsinformatik und<br />
Gesellschaft vorsteht.<br />
Neuestes Werk: „Digitale Ethik –<br />
Ein Wertesystem für das<br />
21. Jahrhundert“<br />
DEM DENKEN AUF DER SPUR –<br />
HIER UND IN DEN USA<br />
Christopher Weyrer beschäftigt sich seit seinem Studium in Wien mit<br />
Synapsen, den Schnittstellen zwischen Nervenzellen im Gehirn.<br />
Seine wissenschaftliche Arbeit wurde aufgrund außerordentlicher Fortschritte<br />
und der Unterstützung durch namhafte Wissenschafter über mehrere Jahre<br />
von der B&C Privatstiftung gefördert.<br />
Was ist der Schwerpunkt Ihrer Forschung?<br />
Mein Forschungsinteresse gilt Synapsen, den Schnitt- und<br />
Kommunikationsstellen zwischen Nervenzellen, die so viel<br />
von unseren Fähigkeiten im Gehirn bestimmen. Ob zuvor<br />
in Wien oder jetzt hier in Harvard – es hat mich immer<br />
schon fasziniert, dass Synapsen plastisch sind. Sie können<br />
sich verstärken oder abschwächen. Nur wie funktioniert<br />
das? Welche Baupläne, Regeln und Grundlagen sind dabei<br />
involviert? Daran forschen wir!<br />
Wie kann man sich das vorstellen?<br />
Eine Idee wie sich Synapsen kurzzeitig verstärken können<br />
ist, dass sie mehr Neurotransmitter freisetzen. Nur: Wie<br />
machen Synapsen das? Eine Idee könnte sein, dass ein<br />
Protein, nennen wir es „X“, an diesem Vorgang beteiligt<br />
ist. Um diese Hypothese zu testen, wenden wir genetische,<br />
molekularbiologische, elektrische und optische Methoden<br />
an. Wir entfernen beispielsweise das „Protein X“ mit einem<br />
genetischen Knockout und schauen uns an, ob sich die synaptische<br />
Leistung dadurch verändert hat.<br />
Kann man das in der Anwendung nutzen?<br />
Ich denke Grundlagenforschung und Anwendung gehen<br />
Hand in Hand. Nehmen wir an, wir sehen im vorigen<br />
Beispiel, dass sich Synapsen ohne dieses „Protein X“ nicht<br />
mehr verstärken können. Dann können wir die ganze<br />
Geschichte auch umdrehen. In der Gentherapie macht man<br />
sich z. B. Viren für etwas Gutes zu Nutze. Man kann ein<br />
Virus so modifizieren, dass es harmlos ist und anstatt einer<br />
Krankheit unser gefundenens „Protein X“ in den Wirt einbaut.<br />
Nun müssen wir nur noch den Virus neurochirurgisch<br />
an die gewünschte Stelle im Gehirn bringen, wo es dann das<br />
gefundene „Protein X“ einbaut. Das könnte dann unsere infizierten<br />
Synapsen artifiziell stärker machen, was wiederum<br />
unsere ursprüngliche Hypothese weiter stärkt.<br />
Wie hypothetisch sind diese Überlegungen?<br />
Meine Kollegen und ich haben Ähnliches in unserem Lab<br />
im Mausmodell gemacht und auf diese Art tatsächlich ein<br />
solches Protein gefunden, mit welchem wir Synapsen auch<br />
kurzzeitig verstärken konnten. Dazu nutzen wir auch Optogenetik,<br />
wodurch wir gezielt Neurone mittels Licht bzw.<br />
Laser steuern. Ziemlich Science-Fiction.<br />
Wie wird sich Ihre Forschung in Zukunft<br />
weiterentwickeln?<br />
Ich bin in der Zukunft vor allem daran interessiert, Science,<br />
Innovation, Wirtschaft und Anwendung zu verbinden.<br />
Ich hatte das Glück den „Healthcare Innovation &<br />
Commercialization“ Kurs in Harvard zu gewinnen und<br />
habe z.B. ein „Flagship VentureLabs VC Entrepreneuring<br />
Fellowship“ ergattert. In Zukunft möchte ich mehr und<br />
mehr die Start-up-, Entrepreneurship- und auch Venture<br />
Capital- und Creation-Welten verbinden. Hoffentlich bald<br />
auch wieder in Österreich.<br />
Bei digitaler Ethik geht es nicht um Moral, sondern eher um<br />
Diät. Wie handle ich richtig im Zeitalter der Digitalisierung?<br />
Ich als Privatperson, als Mitarbeiter oder Unternehmer?<br />
„Digitale Ethik – Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert“<br />
beschreibt eine Vision und Anleitung zu echtem<br />
Fortschritt im Zeitalter der Digitalisierung.<br />
Echter Fortschritt muss mehr sein als ein Technologiesandkasten,<br />
der für ein kleines bisschen Effizienz und Komfort<br />
Bewährtes zerstört. Es sollte darum gehen, positive<br />
menschliche Werte zur Entfaltung zu bringen, die jeder<br />
begrüßt. An diesen Werten zu arbeiten ist das neue Bio<br />
in der Digitalisierung. „Bio“ ist jedoch in der Informatik<br />
noch nicht angekommen.<br />
„Wert-volle“ Technik (also Technik voll mit Werten) allein<br />
reicht nicht aus für echten Fortschritt. Wenn viele Werte<br />
gefordert werden, wie mehr Transparenz, Verantwortlichkeit,<br />
Privatheit, Sicherheit, sind letztlich wir, Nutzer und<br />
Bürger, dafür mitverantwortlich, unseren täglichen Umgang<br />
mit digitalen Services bewusster zu gestalten.<br />
Der Weg der Werte in der Digitalen Ethik ist also letztlich<br />
ein tugendethischer. Er kann in vier Etappen beschrieben<br />
werden: Die erste Etappe besteht im klugen Erkennen der<br />
eigenen Wertziele im Umgang mit dem Digitalen; privat<br />
und im Unternehmen. Die zweite im tiefen Verstehen<br />
wofür einzelne Werte eigentlich genau stehen, die einem<br />
wichtig sind. Die dritte Etappe braucht neue Gewohnheiten,<br />
Wertprioritäten mutig zu leben. Und letztlich – viertens<br />
– die Bereitschaft auf Wertvernichtung zu verzichten.<br />
Würden Unternehmen solch einer Digitalen Ethik folgen,<br />
DIGITALE ETHIK<br />
EIN WERTESYSTEM FÜR DAS 21. JAHRHUNDERT<br />
könnten Plattformen, die heute Apps zu Chefs machen<br />
und Menschen digital ausbeuten, zu positiven Communities<br />
werden, in denen sich Menschen loyal und zufrieden<br />
entfalten.<br />
Roboter und Künstliche Intelligenzen könnten zu höflichen<br />
Coaches werden, die Freiheit und Wissen in jedem<br />
Einzelnen von uns fördern, statt uns zu bevormunden.<br />
Gesundheitsplattformen könnten unser medizinisches<br />
Wissen vertausendfachen, ohne dabei Erkenntnisse zu<br />
privatisieren und unsere persönlichen Daten zu verhökern.<br />
Mindfulness im Umgang mit dem Digitalen brächte uns so<br />
viel weiter als alle Rechtekataloge oder Lektionen zusammen.<br />
Aber es gibt große Hürden, die dieser positiven Zukunft<br />
entgegen stehen: Die erste Hürde ist unser modernes<br />
Denken. Wir sind erzogen worden, Fortschritt allein mit<br />
Erfindergeist gleichzusetzen, statt mit wahrer Wertschöpfung<br />
in unserem täglichen Leben.<br />
Die zweite Hürde ist das Story-Telling der IT-Industrie,<br />
was die Fähigkeiten des Digitalen maßlos überhöht, ohne<br />
die Nachteile des Neuen offenzulegen. Die Natur des<br />
Digitalen ist immer unvollständig, fehlerhaft und geteilt.<br />
Sie trennt Inhalt und Form und wird bewusst so geschaffen,<br />
dass sie uns abhängig und unfrei macht.<br />
Erst wenn die Grenzen des Digitalen verstanden werden,<br />
können wir Menschen eine gesunde Erwartung an<br />
die tatsächliche Leistungsfähigkeit des digitalen Stoffs<br />
entwickeln. Erst dann können wir am echten Fortschritt<br />
arbeiten.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
34<br />
35<br />
B I L D U N G I S T D E R B E S T E<br />
A N L E G E R S C H U T Z<br />
Christoph Boschan ist seit zwei Jahren CEO der Wiener Börse AG.<br />
Der promovierte Jurist spricht im Interview über Strategien<br />
für den Börsenstandort Wien und den Wert einer fundierten<br />
wirtschaftlichen Grundbildung.<br />
CHRISTOPH BOSCHAN<br />
wurde 1978 in Berlin geboren.<br />
Er studierte Betriebswirtschaft<br />
und Rechtswissenschaften in<br />
Berlin und Chemnitz.<br />
Er ist seit 2016 CEO der<br />
Wiener Börse. Zuletzt war er<br />
Vorstand der Börse Stuttgart,<br />
davor war der Börsenexperte in<br />
Führungspositionen an mehreren<br />
deutschen Börsen tätig.<br />
Seine Berufslaufbahn startete er<br />
1999 als Wertpapierhändler bei<br />
Tradegate.<br />
Innerhalb der Euro-Zone zählt Österreich<br />
zu den kleineren Finanzmärkten. Wie<br />
kann sich die Wiener Börse im europäischen<br />
Vergleich erfolgreich positionieren?<br />
Die Wiener Börse kann sich behaupten, indem<br />
sie ihre zentrale Funktion wahrnimmt: Als<br />
Nationalbörse muss sie den börsennotierten<br />
österreichischen Unternehmen die größtmögliche<br />
Liquidität und Visibilität bieten. Darüber<br />
hinaus ist es für uns ein zentrales Anliegen,<br />
unser Geschäft breit aufzustellen. Unser Haus<br />
betreibt daher neben dem Aktien-Handelsgeschäft<br />
drei weitere Säulen:<br />
Hier ist zunächst das umfangreiche Datengeschäft<br />
zu nennen, das unsere zweitgrößte Ertragsquelle<br />
darstellt. Die dritte Säule sind die<br />
IT-Dienstleistungen: Wir versorgen von Wien<br />
aus fünf Märkte mit dem Handelssystembetrieb<br />
und bieten für insgesamt zehn Märkte<br />
eine Datenverteilungsinfrastruktur. Die vierte<br />
Säule bildet das Indexgeschäft. Wir berechnen<br />
Benchmarks für 14 Märkte, hauptsächlich<br />
in Zentral- und Osteuropa. Durch diese<br />
Diversifizierung der Ertragsquellen sind wir<br />
im europäischen Vergleich gut aufgestellt.<br />
Die Wiener Börse hat ihre Marktsegmentierung<br />
neu geordnet. Es gibt jetzt ein<br />
neues Segment „direct market plus“ – wie<br />
sieht hier Ihre Erwartung aus?<br />
Jede Börse benötigt ein Zugangssegment für<br />
kleine Unternehmen, die sich so in ihrem<br />
Börsendasein entwickeln können. Aufgrund<br />
regulatorischer Schranken war dieses Angebot<br />
in Österreich in den letzten Jahren allerdings<br />
nicht vorhanden. Wir haben uns lange darum<br />
bemüht, nun gibt es seit Jahresbeginn eine<br />
neue gesetzliche Regelung. Darauf haben wir<br />
das Segment direct market plus aufgesetzt,<br />
das einen kostengünstigen und schnellen<br />
Börsenzugang für kleine und mittelständige Unternehmen<br />
ermöglicht. Wir haben am 21.01.2019 mit acht Unternehmen<br />
gestartet und hoffen auf viele Neuzugänge.<br />
Sie haben letztens gesagt: „Investieren ist ein Marathon,<br />
kein Sprint“. Was meinen Sie damit konkret?<br />
Natürlich gibt es an jeder Börse erhebliche Kursschwankungen.<br />
Entscheidend ist allerdings das langfristige Bild:<br />
Der ATX hat seit Bestehen eine Durchschnittsrendite von<br />
7 %. Wer davon profitieren will, muss langfristig denken –<br />
in Zeiträumen von fünf bis 20 Jahren – und diversifiziert<br />
vorgehen. Dann ist der Aktienmarkt ein fantastisches Instrument<br />
für die Wohlstandverteilung in der Gesellschaft.<br />
Die Devise sollte lauten: Sei nicht nur Konsument, sondern<br />
beteilige dich an den Unternehmen, die du toll findest!<br />
Wer als Privatanleger an technische Fortschritte und Effizienzsteigerung<br />
glaubt, kann über den Aktienmarkt einfach<br />
von dieser Entwicklung profitieren. Gleichzeitig ist der<br />
Aktienmarkt eine hervorragende Finanzierungsplattform<br />
für Unternehmen.<br />
Der B&C Privatstiftung ist die Bildung zu Wirtschaftsthemen<br />
ein Anliegen, die an den Schulen<br />
derzeit allerdings kaum vorhanden ist. Wie ist hierzu<br />
Ihre Einschätzung: Welchen Bedarf gibt es in Österreich,<br />
auch im Hinblick auf die Anleger?<br />
Finanzwissen ist der beste Anlegerschutz, Bildung zahlt<br />
sich aus. Wer die grundsätzlichen Mechanismen der Finanz-<br />
und Kapitalmärkte kennt und sich von der täglichen<br />
Börsenberichterstattung löst, kann sich am Aktienmarkt<br />
am langfristigen Wirtschaftswachstum beteiligen. Ich erlebe<br />
grundsätzlich ein hohes Interesse an Wirtschaftsbildung<br />
und das ist gut so. Als Institution Wiener Börse antworten<br />
wir darauf, indem wir pro Jahr Hunderte von Veranstaltungen<br />
anbieten. Wir haben ein eigenes Bildungsprogramm<br />
für Schulen entwickelt, für das es sehr hohes Interesse gibt.<br />
Wir glauben allerdings auch, dass die Finanzbildung eine<br />
staatliche Institutionalisierung braucht: Österreich könnte<br />
als Startpunkt am Pisamodul Finanzwissen teilnehmen.<br />
Aber genau wie Deutschland drückt sich Österreich seit<br />
Jahren um die Teilnahme. Dabei wäre es eine echte Chance<br />
zu sehen: Wo stehen wir und was gilt es zu entwickeln?
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
36<br />
37<br />
„Die Erfolgsformel für Start-ups ist 90 %<br />
Transpiration plus 10 % Inspiration.<br />
Die Idee ist der wesentlich kleinere Teil, entscheidend<br />
sind die Founder und ihr Einsatz.“<br />
Michael Altrichter<br />
Business Angel<br />
MICHAEL<br />
ALTRICHTER<br />
ist seit acht Jahren Business<br />
Angel und investiert in junge<br />
Unternehmen.<br />
Er war fünf Staffeln in der<br />
Jury der TV-Show<br />
„2 Minuten 2 Millionen“<br />
und hat selbst zwei Exits<br />
mitgemacht (Paysafecard<br />
und Payolution).<br />
Er unterstützt Start-ups<br />
mit Know-how, Networking<br />
und Kapital.<br />
INVESTIEREN MIT IMPACT<br />
Wie ist es um die Start-up-Szene in Österreich bestellt?<br />
Business Angel Michael Altrichter erzählt über die heimische<br />
Gründerszene, Erfolgsfaktoren für Start-ups und die<br />
Relevanz des Impact Investings.<br />
Was ist Ihr Ziel als Business Angel,<br />
wofür steht Ihr Ansatz des Impact<br />
Investings?<br />
Michael Altrichter: Ich möchte junge Leute<br />
ermutigen zu gründen, denn Start-ups bauen<br />
zu einem nicht geringen Teil die Welt von<br />
morgen. Es macht mir Spaß, mit tollen Unternehmen<br />
und Menschen zusammenzuarbeiten,<br />
die neue Ideen und Zugänge haben.<br />
Das Thema Impact, also nachhaltiges Wirtschaften,<br />
ist mir ein besonders Anliegen:<br />
Für den Erfolg eines Unternehmens ist nicht<br />
der finanzielle Profit vorrangig, sondern wie<br />
es die Welt an einem bestimmten Punkt<br />
verbessert. In meinem Portfolio habe ich daher<br />
auch Impact Investments, die sich gesellschaftlich<br />
relevanten Themen widmen. Ich denke,<br />
der Impact-Gedanke ist für alle von Bedeutung,<br />
nicht nur für uns Investoren. Es sollte<br />
jeder im eigenen Umfeld danach trachten, wie<br />
er die Welt ein bisschen besser machen kann.<br />
Sie haben derzeit 35 Start-ups in Ihrem<br />
Portfolio – wie gelingt es Ihnen, solch<br />
eine große Bandbreite an Unternehmen<br />
persönlich zu betreuen?<br />
Für einen einzelnen Business Angel ist es<br />
in der Tat schwierig. Im Wesentlichen<br />
konzentriert man sich auf die Investitionen, bei denen<br />
man als Investor im Lead ist und mit dem Founder-Team<br />
näher zusammenarbeitet. Deshalb ist es wichtig, sich einem<br />
Business-Angel-Netzwerk anzuschließen. Das habe ich bei<br />
Start-up300 gefunden, wo hunderte Business-Angels aggregiert<br />
sind und sich gegenseitig stützen.<br />
In welchen Bereichen sehen Sie insgesamt für<br />
österreichische Unternehmen Potenzial, zu<br />
welchen Themen kann Österreich ein Hotspot<br />
für Start-ups sein?<br />
Aufgrund der Größe Österreichs ist es nicht ratsam, sich<br />
ausschließlich auf einen Bereich zu fokussieren. Unabhängig<br />
von bestimmten Branchen gibt es einige Hidden<br />
Champions, einzelne sehr gute Player. Nichtsdestotrotz hat<br />
Österreich in den Bereichen Agriculture-Tech, Touristik<br />
und Forstwirtschaft besondere Chancen. Hier ergeben sich<br />
für die österreichische Kultur und Wirtschaft im Vergleich<br />
mit anderen Volkswirtschaften besondere Anknüpfungspunkte.<br />
Sie haben bereits sehr viele gute Ideen kennengelernt.<br />
Was ist Ihrer Erfahrung nach entscheidend,<br />
damit aus einer guten Idee ein erfolgreiches<br />
Unternehmen wird?<br />
Das lässt sich ganz klar beantworten. Der Erfolg hängt<br />
zum überwiegenden Teil vom Gründerteam ab. Die Erfolgsformel<br />
für Start-ups ist 90 % Transpiration plus<br />
10 % Inspiration. Die Idee ist der wesentlich kleinere Teil,<br />
entscheidend sind die Founder und ihr Einsatz. Wenn das<br />
Gründerteam top aufgestellt ist, kann das Start-up eine<br />
Chance haben. Gibt es Fehlbesetzungen oder ist das Team<br />
nicht vollständig, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass<br />
das Start-up erfolgreich wird.<br />
Für die Gründung eines Unternehmens braucht es<br />
neben der guten Idee auch Risiko-Bereitschaft. Wie<br />
ist es in Österreich um das „Gründer-Gen“ bestellt?<br />
Österreich ist sehr stabil und sicher, viele wollen aus dieser<br />
Komfortzone gar nicht heraus. In der Start-up-Szene in<br />
Österreich hat sich in den letzten Jahren allerdings sehr<br />
viel getan, hier ist die TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“<br />
zu nennen, aber auch Vereine oder private Gesellschaften<br />
wie Start-up300. Es muss uns jedoch klar sein, dass Wien<br />
von den Start-up-Hot-Spots wie Silikon Valley, Tel Aviv,<br />
Stockholm, Berlin noch immer weit entfernt ist.<br />
Was sehen Sie als Erfolgsfaktoren für Start-ups?<br />
Der erste Aufruf ist try it – also einfach probieren. Wenn<br />
man von einer Idee überzeugt ist, dann ist das tatsächlich<br />
der beste Rat. Die Rate des Scheiterns ist bei Start-ups<br />
allerdings sehr hoch, dessen muss man sich bewusst sein.<br />
Entscheidend ist, zum richtigen Zeitpunkt sein Netzwerk<br />
knüpfen – mit Investoren, Angels, Kunden und potenziellen<br />
Mitarbeitern. Natürlich ist es auch wichtig: immer<br />
wieder pitchen üben. Ein Start-up lebt vom Auftritt, man<br />
muss seine Idee und seine Unternehmung immer bestmöglich<br />
präsentieren und verkaufen können.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
38<br />
39<br />
P R OF E S S I ON A L I S I E R U N G<br />
DER AUFSICHTSRATSARBEIT<br />
Susanne Kalss<br />
SUSANNE KALSS<br />
Leiterin des Instituts<br />
für Unternehmensrecht der<br />
Wirtschaftsuniversität Wien.<br />
Sie hat mehrere<br />
Standardwerke zum<br />
Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht<br />
verfasst, unter<br />
anderem ist sie Herausgeberin<br />
des „Handbuchs für den<br />
Aufsichtsrat“ und des „Handbuchs<br />
für den Vorstand“.<br />
Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit ist eines der<br />
Schlagworte, die die jüngste Entwicklung der Arbeit des<br />
Aufsichtsrats in österreichischen Gesellschaften charakterisiert.<br />
Professionalisierung meint sowohl die quantitative als<br />
auch qualitative Vertiefung der Tätigkeit des Aufsichtsrats.<br />
Maßgeblich ist in dem Zusammenhang aber nicht, wie oft<br />
sich Aufsichtsratsmitglieder in formalen Sitzungen treffen,<br />
viel entscheidender für eine gute und erfolgreiche Aufsichtsratsarbeit<br />
ist im Regelfall die Tätigkeit dazwischen.<br />
Da wird Gesprächs- und Beziehungsarbeit geleistet, um<br />
einzelne Themen der Geschäftsführung zu besprechen,<br />
besser zu verstehen, zu analysieren und auch gemeinsame<br />
DEN AUFSICHTSRAT BETREFFENDE ÄNDERUNGEN DES<br />
GESELLSCHAFTSRECHTS IN DEN LETZTEN JAHREN<br />
Vorschläge für mögliche Lösungsszenarien zu entwickeln.<br />
Dabei geht es nicht nur um Gespräche unter den Aufsichtsratsmitgliedern,<br />
vielmehr auch mit dem Vorstand und –<br />
in Abstimmung mit dem Vorstand – auch mit Mitarbeitern<br />
des Unternehmens. Zudem hat der Aufsichtsrat mit<br />
anderen Marktteilnehmern und sonstigen Stakeholdern<br />
zu sprechen, um sich eine breite Informationsbasis zu<br />
erarbeiten und seiner nachfolgenden Entscheidung zugrunde<br />
zu legen.<br />
Die in der öffentlichen Diskussion erwartete und tatsächlich<br />
beobachtbare Ausdehnung der Tätigkeit des Aufsichtsrats<br />
wird eindrücklich durch einen Blick auf die für den<br />
Aufsichtsrat relevante Gesetzgebung bestätigt:<br />
• 2019 Aktionärsrechte-Richtlinien-Umsetzungsgesetz: Vergütung, Related Party Transaction<br />
• 2018 Ausweitung der Zuständigkeiten (Delisting) des Aufsichtsrates<br />
• 2017 Gleichstellungsgesetz – Frauenquote<br />
• 2016 Abschlussprüferverordnung-Begleitgesetz, APRÄG, Konkretisierung und Intensivierung<br />
der Regelungsdichte der Zusammenarbeit von Abschlussprüfer und Aufsichtsrat<br />
• 2015 Unternehmerische Entscheidungen im Aufsichtsrat, Prozeduralisierung auch im AR<br />
• 2014 Rechnungslegungsänderungsgesetz – Prüfungsausschuss<br />
• 2012 Corporate Governance Konkretisierung Cooling-off<br />
Beinahe jedes Jahr wurden Einrichtung<br />
und Arbeit des Aufsichtsrats einer<br />
Neuregelung und meist einer gesetzlichen<br />
Aufgabenerweiterung unterworfen.<br />
Das Arbeitsumfeld und die Aufgaben<br />
des Aufsichtsrates haben einen Grad an<br />
Intensität erreicht, der es vielfach nicht<br />
mehr zulässt, ein Aufsichtsratsmandat<br />
neben einer sonstigen tagesfüllenden<br />
Tätigkeit auszuüben.<br />
Mit der Professionalisierung und der<br />
Notwendigkeit einer ausgewogenen<br />
Zusammensetzung geht die Erhöhung<br />
des Sorgfaltsmaßstabes für die einzelnen<br />
Mitglieder einher. Jedes Aufsichtsratsmitglied<br />
hat ein Mindestmaß an Kenntnissen<br />
und Fähigkeiten zur Verfügung<br />
zu stellen, einzelne Mitglieder haben<br />
darüber hinaus auch noch besondere<br />
Kenntnisse einzubringen. Ausdrücklich<br />
wird dies etwa für den Finanzexperten<br />
verlangt, für den dies eine Erhöhung<br />
des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabes und<br />
damit eine Erhöhung der Verantwortung<br />
bedeutet.<br />
Wie können nun die deutlich gestiegenen<br />
Leistungsanforderungen vom Aufsichtsrat<br />
erbracht werden?<br />
Das Aufgabenfeld des Aufsichtsrats hat<br />
eine Intensität, einen Detaillierungsgrad<br />
und eine Spezialisierung erreicht, die<br />
es notwendig machen, Aufsichtsratsmitglieder<br />
bei ihrer Tätigkeit durch<br />
des Unternehmens zu unterstützen.<br />
Eine derartige unterstützende Tätigkeit<br />
nimmt dem Aufsichtsratsmitglied<br />
selbst seine Entscheidungszuständigkeit<br />
und -verantwortung nicht ab, vermag<br />
allerdings eine spürbare Verbesserung<br />
der Entscheidungsfindung und damit<br />
der Aufsichtsarbeit herbeizuführen. Dies<br />
gilt insbesondere etwa für die Einzelaufgaben<br />
des Prüfungsausschusses mit Auswahl<br />
des Abschlussprüfers, Festlegung<br />
der Prüfungsfelder und Begleitung der<br />
Abschlussprüfung. Gerade auch erfolgskritische<br />
Aufgaben, wie Zusammenstellung<br />
des bestmöglichen Vorstandsteams,<br />
Führung und Incentivierung der Vorstandsmitglieder,<br />
Nachfolgeplanung für<br />
Vorstand und Aufsichtsrat sowie Diskussion<br />
und Mitgestaltung der Unternehmensstrategie<br />
verlangen einen umfassenden<br />
Einsatz aller Aufsichtsratsmitglieder,<br />
mit viel Vor- und Nacharbeit über die<br />
Sitzungen hinaus. Vielfach können das<br />
Einzelpersonen alleine nicht leisten und<br />
die notwendige Vorbereitungsarbeit, Informationsgewinnung<br />
und -aufbereitung<br />
bedingen ein neues Design der Organisation<br />
der Aufsichtsratsarbeit.<br />
Daher muss der Aufsichtsrat professionell<br />
begleitet werden. Für Aufsichtsräte<br />
in größeren Gesellschaften ist<br />
es unumgänglich, dass etwa für den<br />
Aufsichtsratsvorsitzenden eine fachliche<br />
Assistenz zur Verfügung gestellt wird,<br />
auf die ohne Abhängigkeit vom Vorstand<br />
zugegriffen werden kann. Darüber hinaus<br />
ist es sachgerecht, ein Aufsichtsratsbüro<br />
einzurichten, das neben laufenden<br />
organisatorischen Tätigkeiten, vor allem<br />
fachliche Vorarbeit, Informationsaufbereitung<br />
und Erstauswertung leistet,<br />
um für die Aufsichtsratsmitglieder eine<br />
angemessene Entscheidungsfindung zu<br />
gewährleisten.<br />
Die Kosten dafür hat die Gesellschaft<br />
zu tragen und bildet einen Teil des Aufwandersatzes<br />
für eine qualitätsvolle und<br />
sorgfaltsgemäße Aufsichtsratsarbeit in<br />
dem aktuellen vom Gesetzgeber vorgegebenen<br />
Verständnis der Aufsichtsratsarbeit.<br />
Bei den Kosten darf das Gebot der<br />
Verhältnismäßigkeit nicht außer Acht<br />
gelassen werden.<br />
So eingesetzte Mittel tragen zu einer entscheidenden<br />
Verbesserung der Aufsichtsratsarbeit<br />
bei und senken gleichzeitig<br />
den Bedarf an Beratung durch externe<br />
Sachverständige und stellen damit eine<br />
sinnvolle und sachgerechte Investition<br />
dar. Keinesfalls hat die angemessene Ausstattung<br />
des Aufsichtsrats eine Gnade des<br />
Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat<br />
zu sein. Der Aufsichtsrat darf und muss<br />
dies in angemessener Weise geradezu als<br />
Grundlage seiner Tätigkeit einfordern<br />
und einsetzen, da die sorgfaltsgemäße<br />
Ausübung seiner Aufsichtsaufgaben diese<br />
Unterstützungsarbeit verlangt.<br />
Die Einrichtung eines Aufsichtsratsbüros<br />
und die Inanspruchnahme fachlicher<br />
Assistenz und vom Vorstand unabhängiger<br />
Unterstützung des Aufsichtsrats tragen<br />
dazu bei, die Aufsichtsratstätigkeit<br />
weiter zu verbessern und zu professionalisieren<br />
und damit das Wirken des Aufsichtsrats<br />
im Sinne einer erfolgreichen,<br />
wertsteigernden Zusammenarbeit von<br />
Vorstand und Aufsichtsrat im Interesse<br />
des Unternehmens, ihrer Aktionäre,<br />
Arbeitnehmer und Gläubiger sowie der<br />
Volkswirtschaft und Öffentlichkeit fortzuentwickeln.<br />
Professionelle Eigentümer<br />
haben dafür Verständnis und werden<br />
über die Besetzung des Aufsichtsrats<br />
für diesen notwendigen und gebotenen<br />
Aufwand Sorge tragen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
40<br />
41<br />
D A S WA R D E R<br />
HOUSKAPREIS 2018<br />
PREISTRÄGER 2018<br />
v.l.n.r. Michael Krebs (IMBA), Alexander Seitz (Lexogen), Stefan L. Ameres (IMBA), Wolfgang Hofer (B&C),<br />
Brian Reichholf (IMBA), Veronika Herzog (IMBA), Nina Fasching (IMBA), Erich Hampel (B&C)<br />
KATEGORIE<br />
„UNIVERSITÄRE FORSCHUNG“<br />
Stefan Ameres, Österreichische Akademie der Wissenschaften<br />
(ÖAW), Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA)<br />
PROJEKT: SLAMseq – Hochdurchsatz- Messung von<br />
Genexpressionsdynamiken<br />
KATEGORIE<br />
„FORSCHUNG & ENTWICKLUNG IN KMU“<br />
Mag. Martin Putschek, Swimsol GmbH, Wien<br />
PROJEKT: SolarSea – Das erste meerestaugliche,<br />
schwimmende Solarsystem<br />
Seit 2005 wurden beim<br />
Houskapreis etwa 520<br />
Forschungsprojekte<br />
eingereicht und an die<br />
Preisträger insgesamt<br />
rund 4,3 Millionen<br />
Euro ausgeschüttet.<br />
WISSEN FÖRDERT WACHSTUM<br />
Der von der B&C Privatstiftung verliehene<br />
Houskapreis ist Österreichs größter privater<br />
Preis für anwendungsnahe Forschung. Es<br />
werden alljährlich die besten Projekte mit<br />
wirtschaftlicher Relevanz in den beiden Kategorien<br />
„Universitäre Forschung“ und „Forschung<br />
& Entwicklung in KMU“ ausgezeichnet. Der<br />
Forschungspreis der B&C Privatstiftung soll<br />
dazu beitragen, die finanziellen Grundlagen<br />
für Innovation und Forschung in Österreich<br />
zu verbessern und insbesondere den ausgezeichneten<br />
Forschungsinstituten und Unternehmen<br />
die Durchführung von weiteren für<br />
den Wirtschaftsstandort Österreich wichtigen<br />
Forschungsaktivitäten zu ermöglichen.<br />
Am 26. April 2018 fand zum 13. Mal die<br />
Preisverleihung im Rahmen einer feierlichen<br />
Gala vor rund 350 Top-Entscheidungsträgern<br />
aus Wirtschaft und Forschung im Wiener<br />
Museumsquartier statt.<br />
Die 2018 prämierten Forschungsprojekte<br />
haben gezeigt, dass in Österreich sowohl an<br />
den Universitäten als auch in kleinen und<br />
mittleren Unternehmen Spitzenforschung<br />
betrieben wird, die innovative, zukunftsweisende<br />
Forschungsprojekte mit enormem wirtschaftlichem<br />
Potenzial hervorgebracht hat.<br />
Mariella Schurz,<br />
Generalsekretärin der B&C Privatstiftung:<br />
„Wir möchten mit dem Houskapreis für die<br />
Forscher und Unternehmen nicht nur eine<br />
finanzielle Unterstützung leisten, sondern den<br />
ausgezeichneten Teams vor allem auch eine besondere<br />
Wertschätzung für ihre hervorragende<br />
Arbeit ausdrücken.“<br />
Unser Erbgut ist zwar schon durchleuchtet, allerdings wissen wir<br />
noch nicht, warum sich eine Zelle zum Neuron (= Nervenzelle)<br />
und eine andere zur Blutzelle entwickelt. Diese Frage ist der Ausgangspunkt<br />
der Forschung von Stefan Ameres und seinem Team.<br />
Der außergewöhnliche Forschungserfolg der neu entwickelten<br />
Methodik liegt darin, dass ermöglicht wird, in die Zelle hineinzublicken<br />
und so die Funktion der Gene zu verstehen. Abweichungen<br />
in Genexpressionsmustern, die schwerwiegende Krankheiten<br />
wie etwa Krebs auslösen, können dadurch bestimmt werden. Eine<br />
neue Ära für die Molekularbiologie! SLAMseq wird seit Ende<br />
2017 als Laborkit über die Firma Lexogen weltweit vertrieben.<br />
Solarenergie stand bisher nur für Dach- und Landflächen zur<br />
Verfügung. Mag. Martin Putschek und sein Team waren die<br />
Ersten, die schwimmende Solaranlagen entwickelt haben. In<br />
tropischen Inselstaaten, wo es zwar sehr hohe Sonneneinstrahlung,<br />
aber begrenzte Landflächen gibt, wird Strom derzeit fast<br />
ausschließlich von Dieselgeneratoren produziert. Das ist nicht<br />
nur teuer, sondern auch umweltschädlich. Die von Swimsol entwickelten<br />
schwimmenden Solarsysteme sind meerestauglich und<br />
können bis zu 1,5 Meter hohen Wellen und Windgeschwindigkeiten<br />
bis zu 120 km/h standhalten. Die SolarSea-Solarplattformen<br />
werden in den Lagunen installiert und per Unterwasserkabel<br />
mit dem Diesel-Stromnetz der Insel verbunden. Sie sollen in<br />
Zukunft den gesamten Strombedarf abdecken.<br />
v.l.n.r. Wolfgang Hofer (B&C), Ian Dmachowski (Swimsol), Sandra Kriechhammer (Swimsol), Martin Putschek (Swimsol), Kristen Dlugosch<br />
(Swimsol), Daniel Reinhardt (Swimsol), Wolfgang Sulm (Swimsol), Erich Hampel (B&C)
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
42<br />
43<br />
HOUSKA-TALK 2018:<br />
ENERGIE, DIE VERÄNDERT<br />
EIN<br />
Steuerung<br />
MICROGRIDS<br />
Microgrids sind eine<br />
Untergruppe intelligenter<br />
Stromnetze (Smart Grids).<br />
AUS<br />
MICROGRID<br />
Es sind lokale Energienetze,<br />
die Haushalte und Betriebe<br />
autark und unabhängig vom<br />
übergeordneten Netz mit<br />
Strom, Wärme oder Kälte<br />
versorgen können.<br />
Andere<br />
Microgrids<br />
Wettervorhersage<br />
Strommärkte<br />
Sie decken ihren Energiebedarf<br />
aus nachhaltigen Quellen<br />
wie Biomasse, Erdwärme,<br />
Sonnen- oder Windenergie.<br />
MICHAEL STADLER<br />
arbeitet als Area Manager<br />
Smart- und Microgrids bei<br />
BIOENERGY 2020+ GmbH<br />
sowie als CTO bei XENDEE<br />
Inc. in Kalifornien.<br />
Außerdem ist er Affiliated<br />
Scientist beim Lawrence<br />
Berkeley Laboratory,<br />
University of California und<br />
CTO beim Zentrum für<br />
Energie und innovative<br />
Technologien (CET).<br />
Beim Houska-Talk 2018 sprach der österreichische<br />
Wissenschafter Michael Stadler über seine<br />
persönlichen Erfahrungen in der Forschung zum<br />
Thema Microgrids, die ihn von Österreich in<br />
die USA führte. Michael Stadler startete seine<br />
wissenschaftliche Laufbahn an der Technischen<br />
Universität Wien mit einem Doktorat summa<br />
cum laude in Energiewirtschaft und Betriebswirtschaft.<br />
Anschließend führte sein Weg an<br />
das Berkeley Lab der University of California,<br />
dort leitete er bis 2017 die 40-köpfige Grid-Integration-Gruppe.<br />
Er war der leitende Entwickler<br />
des Microgrid-Simulationstools DER-CAM, für<br />
das er vom damaligen US-Präsidenten Barack<br />
Obama mit dem „Presidential Early Career<br />
Award for Scientists and Engineers“ geehrt<br />
wurde. Es ist dies die höchste Anerkennung, die<br />
von der US-Regierung für herausragende Leistungen<br />
an junge Wissenschafter vergeben wird.<br />
Er ist weiterhin in Kalifornien aktiv und ist dort<br />
jetzt CTO von XENDEE in San Diego. Parallel<br />
engagiert er sich auch in Österreich: Er ist hier<br />
der wissenschaftliche Leiter des Zentrums für<br />
Der gebürtige<br />
Österreicher Michael<br />
Stadler ist ein Ausnahme-<br />
Wissenschafter, der seine<br />
Karriere an der Technischen<br />
Universität Wien<br />
gestartet hat und<br />
international reüssieren<br />
konnte. Wir freuten uns<br />
sehr, dass er im Rahmen<br />
der Houskapreis-Gala seine<br />
Erfahrungen in der<br />
Forschung mit uns teilte.<br />
Erich Hampel, Vorstandsvorsitzender<br />
der B&C Privatstiftung<br />
Energie und innovative Technologien (CET).<br />
Seit 2017 unterstützt er auch das Team des<br />
österreichischen Forschungsunternehmens<br />
BIOENERGY 2020+ und baut dort den<br />
Bereich Microgrids und Smart Grids auf.<br />
Damit ist er heute ein Reisender zwischen den<br />
Welten – San Diego in Kalifornien ist ebenso<br />
sein beruflicher Lebensmittelpunkt wie der<br />
Standort von BIOENERGY 2020+ in Wieselburg<br />
(Niederösterreich).<br />
FORSCHUNGSSCHWERPUNKT<br />
Zentraler Fokus seiner Forschung ist der<br />
Beitrag erneuerbarer Energien wie Biomasse,<br />
Photovoltaik, Wärmepumpen oder Windräder<br />
zur lokalen Energieversorgung im Rahmen<br />
von Microgrids. Diese lokalen Netze<br />
werden individuell gesteuert: Energie wird<br />
dorthin gelenkt, wo sie gerade gebraucht<br />
wird; bei Bedarf kann der Verbrauch auch<br />
reduziert werden. Das Konzept der Microgrids<br />
bringt mehrere Vorteile mit sich: Die<br />
Distanz zwischen Erzeuger und Verbraucher<br />
verringert sich, Übertragungsverluste nehmen<br />
ab, die Systemeffizienz wird erhöht und<br />
die Nutzung erneuerbarer Energien dämpft<br />
die Abhängigkeit von Preisschwankungen bei<br />
fossilen Energieformen.<br />
Kleine, unabhängige Stromnetze ermöglichen<br />
darüber hinaus Störungen des zunehmend<br />
komplexen Gesamtnetzes abzufangen<br />
und einen Ausfall regional zu kompensieren.<br />
Ein Microgrid kann sich vom Stromnetz entkoppeln<br />
und angeschlossene Einheiten, wie<br />
Privathaushalte oder Gewerbebetriebe weiterhin<br />
mit Energie versorgen. Das Konzept ist<br />
daher beispielsweise auch für Regionen mit<br />
einem hohen Risiko für Naturkatastrophen,<br />
wie etwa Hurrikans interessant. Nicht zuletzt<br />
deshalb sind Microgrids daher nicht nur in<br />
Europa, sondern bereits in vielen Regionen<br />
im Einsatz. Im asiatischen Raum spielt dabei<br />
vor allem die Biomassevergasung eine Rolle,<br />
in Nordamerika stehen Photovoltaik und<br />
Kraft-Wärme-Kopplungen im Vordergrund.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
44<br />
45<br />
DIE BISHERIGEN PREISTRÄGER<br />
2006 Anton Glieder Technische Universität Graz<br />
2007 Andreas Bernkop-Schnürch Universität Innsbruck<br />
2008 Horst-Hannes Cerjak Technische Universität Graz<br />
R-HNL:<br />
Ein pflanzliches Abwehrsystem<br />
rettet Menschenleben<br />
Thiomere – Eine neue Generation<br />
polymerer Hilfsstoffe für effizientere<br />
Arzneimittel<br />
Werkstoffentwicklung zur Effizienzsteigerung<br />
in der Energieerzeugung als<br />
aktiver Beitrag zur CO 2-Reduktion<br />
Um den Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft<br />
auch abseits der jährlichen Houskapreis-Gala zu fördern,<br />
hat die B&C Privatstiftung im Jahr 2018 den Club der<br />
Houskapreisträger ins Leben gerufen. Alle seit dem Jahr<br />
2006 mit dem Houskapreis ausgezeichneten Wissenschaftler<br />
und Projektleiter gehören damit diesem exklusiven<br />
Club von österreichischen Spitzenforschern an.<br />
Das neue Netzwerk eröffnet den Preisträgern zusätzliche<br />
Chancen und Möglichkeiten, ihre Projekte voranzutreiben.<br />
Die Kooperation zwischen Universitäten und<br />
privaten Forschungseinrichtungen soll damit ausgebaut<br />
werden.<br />
Darüber hinaus gibt es exklusive Networking-Events, wie<br />
etwa Hintergrundgespräche mit renommierten Persönlichkeiten<br />
aus Wissenschaft und Forschung sowie Entscheidungsträgern<br />
aus Wirtschaft und Politik. Zudem werden<br />
den Preisträgern Publikationsmöglichkeiten geboten,<br />
um neue Forschungsprojekte sowie Projektfortschritte zu<br />
präsentieren.<br />
Die B&C Privatstiftung möchte mit dieser Initiative eine<br />
enge Vernetzung und Zusammenarbeit der Preisträger<br />
untereinander fördern und das gemeinsame Potenzial für<br />
die österreichische Forschungslandschaft und den<br />
Wirtschaftsstandort einsetzen.<br />
2009 Lutz Sparowitz Technische Universität Graz<br />
2010 Helmut Clemens Montanuniversität Leoben<br />
2011 Christian Oliver Kappe<br />
2012 Erich Gnaiger<br />
Karl Franzens<br />
Universität Graz<br />
Medizinische Universität<br />
Innsbruck<br />
Brücken aus UHPC zur nachhaltigen<br />
Sicherung unserer Infrastruktur<br />
Entwicklung eines innovativen<br />
intermetallischen Hochtemperaturwerkstoffes<br />
für den Einsatz in der<br />
nächsten Generation umweltfreundlicher<br />
Flugzeugtriebwerke<br />
Mikrowellenreaktoren für die<br />
Chemische Synthese<br />
Licht in die Kraftwerke der Zellen<br />
2013 Armin Hansel Universität Innsbruck PTR-TOF Spurengasanalytik<br />
NEUE INITIATIVE<br />
Mit dem Club der Houskapreisträger<br />
möchte die B&C Privatstiftung<br />
die Vernetzung unter den bisherigen<br />
Preisträgern fördern und<br />
Wissenschaftlern eine gemeinsame<br />
Plattform mit Entscheidungsträgern<br />
aus Wirtschaft und Politik bieten.<br />
DIE DOTIERUNG<br />
DES HOUSKAPREISES<br />
Das Preisgeld beträgt 2019<br />
insgesamt 500.000 Euro.<br />
Seit Bestehen des<br />
Houskapreises wurden<br />
bislang 4,3 Millionen Euro an<br />
Preisgeldern ausgeschüttet.<br />
2014 Reingard Grabherr Universität für Bodenkultur<br />
2015 Oskar Aszmann Medizinische Universität Wien<br />
2016 Eva Prieschl-Grassauer Marinomed Biotech AG<br />
Enzymatische Detoxifizierung von<br />
Fumonisinen<br />
Bionische Rekonstruk tion der<br />
oberen Extremität<br />
Therapie gegen Schnupfen und<br />
grippale Infekte: Inhaltsstoff von<br />
Rotalgen wirkt gegen Viren, die die<br />
Atemwege infizieren.<br />
PREISGELD<br />
2016 Stefan Pogatscher Montanuniversität Leoben<br />
Manipulation der Härtungskinetik von<br />
Aluminium für Transport und Verkehr<br />
€ 500.000<br />
€ 400.000<br />
€ 300.000<br />
2017 Jens Christian Schwindt SIMCharacters GmbH Frühgeborenen -Simulator Paul<br />
2017 Gunda Köllensperger Universität Wien<br />
Grüne Standards in der<br />
Metabolomforschung<br />
€ 200.000<br />
2018 Martin Putschek Swimsol GmbH<br />
SolarSea – Das erste meerestaugliche,<br />
schwimmende Solarsystem<br />
€ 100.000<br />
2018 Stefan Ameres<br />
Österreichische Akademie der<br />
Wissenschaften, Institut für<br />
Molekulare Biotechnologie<br />
SLAMseq – Hochdurchsatz-<br />
Messung von Genexpressions dynamiken<br />
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019<br />
Universitäre Forschung<br />
Forschung & Entwicklung in KMU
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
46<br />
47<br />
WAS BEWIRKTE<br />
DER HOUSKAPREIS?<br />
„<br />
JENS-CHRISTIAN SCHWINDT<br />
HOUSKAPREIS-GEWINNER<br />
2017<br />
ist Frühgeborenenintensivmediziner<br />
und Geschäftsführer der<br />
SIMCharacters GmbH, die 2012 in<br />
Wien gegründet wurde. Das<br />
SIMCharacters-Team entwickelt<br />
lebensechte Patientensimulatoren<br />
für das Training von Notfällen in<br />
der Kindermedizin.<br />
„<br />
LUTZ SPAROWITZ<br />
HOUSKAPREIS-GEWINNER<br />
2009<br />
Lutz Sparowitz war von 1989<br />
bis 2009 Universitätsprofessor<br />
an der BOKU Wien (Institut für<br />
konstruktiven Ingenieurbau)<br />
und an der TU Graz (Institut<br />
für Betonbau) und ist Partner<br />
im Ingenieurbüro S+W<br />
Wörle Sparowitz Ingenieure<br />
GmbH, Graz<br />
Der Gewinn des renommierten Houskapreises hat uns einerseits ein großes mediales<br />
Echo gebracht, andererseits war das damit verbundene hochdotierte Preisgeld in der<br />
kritischen Phase des weltweiten Produktlaunches überaus hilfreich.<br />
Der Houskapreis fördert die Stärken unserer Wissenschaftler, nämlich ihre Kreativität<br />
und Fantasie sowie ihren Erfindergeist. Das sind wesentliche Voraussetzungen,<br />
um künftig im internationalen Wettbewerb zu bestehen.<br />
Die Versorgung eines lebensbedrohten Frühgeborenen stellt<br />
auch für erfahrene medizinische Teams immer wieder eine<br />
Herausforderung dar. Daher haben wir mit SIMCharacters<br />
den Frühgeborenensimulator „Paul“ entwickelt.<br />
Paul entspricht einem Frühgeborenen der 27. Schwangerschaftswoche<br />
und ermöglicht es medizinischen Teams,<br />
die Versorgung dieser zerbrechlichen Wesen unter<br />
hochrealistischen Bedingungen zu trainieren. 2017 hatten<br />
wir die Entwicklung des Simulators gerade abgeschlossen<br />
und die ersten Pauls waren an Universitäten und Simulationszentren<br />
verkauft. Mittlerweile konnten etwa 50<br />
Pauls weltweit an bedeutende Universitäten und Simulationszentren<br />
(z. B. Johns Hopkins University und Children‘s<br />
Hospital of Philadelphia) verschickt werden. SIMCharacters<br />
liefert Paul heute u. a. in einige europäische Länder<br />
(Deutschland, Spanien, UK) sowie nach Russland und<br />
Asien.<br />
Der Gewinn des renommierten Houskapreises hat uns<br />
einerseits ein großes mediales Echo gebracht, andererseits<br />
war das damit verbundene hochdotierte Preisgeld in der<br />
kritischen Phase des weltweiten Produktlaunches überaus<br />
hilfreich. Österreichische High-Tech-Anbieter zeigen zwar<br />
ein gesundes Wachstum, skalieren aber nicht so extrem wie<br />
„<br />
beispielsweise Unternehmen im App-Markt. Investoren<br />
bevorzugen jedoch häufig ein risikoreiches Wachstum,<br />
womit für High-Tech-Gründungen, wie SIMCharacters,<br />
eine Anschlussfinanzierung oft schwierig ist.<br />
Da in Österreich Banken kaum das Risiko von Start-up-<br />
Finanzierungen eingehen können und wollen, bedeutet die<br />
private Forschungsförderung, insbesondere in Form von Zuschüssen,<br />
eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich.<br />
Wünschenswert wäre aus unserer Sicht eine von mehreren<br />
Säulen getragene finanzielle Stützung von jungen<br />
High-Tech-Unternehmen, die bereits am Markt tätig sind,<br />
oftmals aber keine Finanzierungen für Entwicklung und<br />
Internationalisierungsschritte erhalten. Häufig entsteht<br />
nämlich die Finanzierungslücke nach der staatlichen Förderperiode.<br />
„Für Venture-Capital-Geber sind Unternehmen in dieser<br />
Phase oftmals wenig interessant, da sie die Kernentwicklung<br />
bereits abgeschlossen haben. Für Private-Equity-Unternehmen<br />
sind sie jedoch häufig noch zu klein bzw. zu<br />
jung, da sie zwangsläufig noch keinen stabilen Cashflow<br />
vorweisen können“, so Michael Hoffmann, der Betriebswirt<br />
im SIMCharacters-Team.<br />
Ultra High Performance Composite (UHPC) zeichnet sich<br />
neben vielen anderen hervorragenden Eigenschaften vor<br />
allem durch seine bislang unerreichte Dauerhaftigkeit und<br />
Nachhaltigkeit aus. Er wird deshalb als der Baustoff des<br />
21. Jahrhunderts im konstruktiven Ingenieurbau bezeichnet<br />
und ist schon seit 1998 ein wichtiges Forschungsthema<br />
an der TU Graz.<br />
Kurz nach der Preisverleihung konnten wir in Österreich<br />
die erste größere Straßenbrücke Europas und auch<br />
eine Eisenbahnbrücke aus UHPC realisieren. Danach<br />
entwickelten wir das QuickMotion-System, welches das<br />
Verkehrsproblem in der lebenswerten Stadt der Zukunft<br />
löst. Dieses basiert auf einer UHPC-Infrastruktur.<br />
Es folgten die Entwicklung einer materialspezifischen<br />
zweiphasigen Mischtechnologie und einer Reihe von<br />
innovativen Bauverfahren – beispielsweise die horizontale<br />
Gleitbauweise.<br />
„<br />
Der Houskapreis war ein Meilenstein in unserer Forschungsarbeit<br />
und er gab sowohl in finanzieller, als auch in<br />
mentaler Hinsicht den Anstoß zu einem weiteren Jahrzehnt<br />
erfolgreicher Entwicklungsarbeit.<br />
Neben der Weiterentwicklung der Materialtechnologie<br />
befasst sich die F&E der TU Graz auch mit innovativen<br />
UHPC-Konstruktionen und -Bauverfahren. Mit dem<br />
Projekt „Nachhaltige Infrastrukturbauwerke aus UHPC“<br />
wurde Lutz Sparowitz im Jahr 2009 mit dem Houskapreis<br />
ausgezeichnet. Daraus resultierte eine besondere Anerkennung<br />
durch die Fachwelt.<br />
Der Houskapreis belohnt in einem fachübergreifenden<br />
Wettbewerb die besten Ideen und Innovationen des Jahres.<br />
Er fördert die Stärken unserer Wissenschaftler, nämlich<br />
ihre Kreativität und Fantasie sowie ihren Erfindergeist.<br />
Das sind wesentliche Voraussetzungen, um künftig im<br />
internationalen Wettbewerb zu bestehen.<br />
„Mein Wunsch wäre, dass die B&C Privatstiftung die<br />
Entwicklung der besten Projekte über Jahre begleitet und<br />
gegebenenfalls auch weiter finanziell unterstützt. Die Stiftung<br />
könnte sich an wirtschaftlich erfolgversprechenden<br />
Projekten beteiligen", so Lutz Sparowitz.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
48<br />
49<br />
WIENER<br />
UNTERNEHMENSRECHTSTAG<br />
ZU MERGERS & ACQUISITIONS<br />
Auf Initiative der B&C Privatstiftung fand am 1. Oktober 2018 nunmehr bereits<br />
zum 7. Mal der Wiener Unternehmensrechtstag als Kooperationsprojekt zwischen<br />
der Universität Wien und der Wirtschaftsuniversität statt. Mit Rechtsfragen rund<br />
um eine M&A-Transaktion hatten Susanne Kalss und Ulrich Torggler ein<br />
aktuelles Thema gewählt und zur Diskussion gesellschaftsrechtlicher Fragen<br />
von Verschmelzungen als wichtige Akquisitionstechnik erfahrene Praktiker<br />
aus Österreich, Deutschland und der Schweiz eingeladen.<br />
Prof. RA Roger Kiem, M&A-Experte aus<br />
Frankfurt, zeigte Anwendungsfälle des<br />
Triangular Mergers. Professor RA Lukas<br />
Glanzmann, Universität St. Gallen, erörterte<br />
die Verschmelzung und Gestaltungstechniken<br />
nach dem Fusionsgesetz in der Schweiz.<br />
Schließlich widmete sich RA Dr. Mario Gall<br />
den Fragen des Gläubigerschutzes im Rahmen<br />
der Verschmelzung nach österreichischem<br />
Recht und erläuterte die – von den internationalen<br />
Gästen kaum geglaubte – strenge<br />
Judikatur des Obersten Gerichtshofs bei<br />
Down-Stream-Verschmelzungen. Er zeigte einen<br />
sachgerechten Weg, um sowohl praktischen<br />
Gestaltungsbedürfnissen als auch der Wahrung<br />
der Interessen der Gläubiger gerecht zu werden.<br />
Insbesondere sprach er sich klar gegen ein<br />
striktes Konzept der Notwendigkeit des positiven<br />
Verkehrswertes der übertragenden Gesellschaft<br />
aus. Er trat für eine Gesamtbetrachtung<br />
in dem Sinn ein, dass das freie Vermögen aller<br />
an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften<br />
einbezogen werden muss, um über die<br />
Zulässigkeit der Verschmelzung zu entscheiden<br />
und sprach sich gegen einen zu starren abstrakten<br />
Gläubigerschutz aus. Dr. Philip Fidler<br />
widmet sich den Bedingungen eines Übernahmeangebots.<br />
RA Mag. Heinrich Foglar-Deinhardstein widmete<br />
sich dem „Transaktionstool “ des Business<br />
Combination Agreements, einer begleitenden<br />
vertraglichen Vereinbarung im Rahmen von<br />
Akquisitionen, insbesondere von börsennotierten<br />
Gesellschaften. RA Dr. Peter Feyl<br />
analysierte das Zusammenspiel von M&A<br />
und Bankgeheimnis.<br />
Diese Vereinbarungen stellen einen wesentlichen<br />
Transmissionsriemen für das Gelingen<br />
von länger dauernden Transaktionsprozessen<br />
dar, müssen aber akkurat mit den gesellschaftsrechtlichen<br />
Zuständigkeitsregelungen<br />
abgestimmt werden.<br />
RA Dr. Stephan Frotz diskutierte die alte,<br />
aber immer wieder brisante Frage, welche<br />
Informationen die verkaufswilligen Gesellschafter<br />
von ihrer Gesellschaft erhalten dürfen,<br />
um sie in die Bewertung ihrer Beteiligung<br />
einfließen zu lassen und diese Informationen<br />
auch dem Erwerber weiterzugeben, damit<br />
dieser eine sinnvolle Prüfung und Einschätzung<br />
des Kaufgegenstandes vornehmen kann.<br />
In der GmbH ist diese Frage im Lichte des<br />
Gleichbehandlungsgrundsatzes zu behandeln.<br />
In der Aktiengesellschaft ist vor allem auch<br />
die Grenze der generellen Weitergabe von<br />
Informationen zu klären. Jedenfalls ist nicht<br />
von einem strikten Verbot, zugleich aber<br />
auch nicht von einer vollständigen Freiheit<br />
der Weitergabe der Information auszugehen.<br />
Schließlich erörterte RA Dr. Axel Anderl<br />
datenschutzrechtliche Fragen im Zuge von<br />
M&A-Transaktionen, die rechtzeitig erkannt,<br />
aufbereitet und entsprechend gestaltet werden<br />
müssen. Ein fehlerhafter und sorgloser<br />
Umgang mit Daten könne zu empfindlichen<br />
Strafen führen.<br />
Insgesamt belegten die Vorträge und die<br />
Diskussionen der 150 Teilnehmer und Teilnehmerinnen,<br />
dass die gesellschafts- und<br />
unternehmensrechtlichen Fragen der Unternehmenstransaktion<br />
die Unternehmen und<br />
die Beratungspraxis im Lichte der aktuellen<br />
Rechtsentwicklung auf gesetzgeberischer<br />
Ebene und der Judikaturentwicklung intensiv<br />
beschäftigen. Der Unternehmensrechtstag<br />
leistete damit einen wertvollen Beitrag zur<br />
Klärung und Fortentwicklung der maßgeblichen<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen.<br />
v.l.n.r.:<br />
Heinrich Foglar-Deinhardstein,<br />
Stephan Frotz, Peter Feyl,<br />
Axel Anderl, Stefan Fida,<br />
Roger Kiem, Lukas Glanzmann,<br />
Mario Gall, Susanne Kalss,<br />
Ulrich Torggler
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
50<br />
51<br />
EIN MOTOR FÜR DEN<br />
WIRTSCHAFTSSTANDORT<br />
ÖSTERREICH.<br />
Die B&C<br />
Wertschöpfungsbilanz<br />
2018
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
52<br />
53<br />
WERTSCHÖPFUNG 2018<br />
FÜR ÖSTERREICH<br />
BESCHÄFTIGUNG<br />
KERNBETEILIGUNGEN:<br />
PORTFOLIO DER B&C<br />
54,2 %<br />
DIE B&C KERNBETEILIGUNGEN ALS<br />
BEDEUTENDE ARBEITGEBER<br />
GESAMT LOHN-<br />
UND GEHALTSSUMME<br />
IN ÖSTERREICH<br />
840,1 1)<br />
MIO EUR<br />
1) Direkte, Bruttound<br />
induzierte Löhne<br />
Direkt: 463,4<br />
Indirekt und induziert:<br />
376,7<br />
50,0 %<br />
+ 2 Aktien<br />
52,7 %<br />
Beschäftigte 2018<br />
(Vollzeitäquivalente im Jahresdurchschnitt)<br />
5.449<br />
GESAMT IN<br />
ÖSTERREICH<br />
LEHRLINGE IN<br />
ÖSTERREICH<br />
211<br />
LENZING<br />
Produzent von Cellulosefasern<br />
AMAG<br />
Produzent und Verarbeiter<br />
von Aluminium-Produkten<br />
14.931<br />
BESCHÄFTIGTE<br />
WELTWEIT<br />
SEMPERIT<br />
Produzent von Kautschuk-Produkten<br />
für unterschiedliche Anwendungen<br />
Quellen<br />
B&C Industrieholding GmbH<br />
AMAG Austria Metall AG<br />
Lenzing AG<br />
Semperit AG Holding<br />
Berechnung der<br />
Wertschöpfungs-,<br />
Beschäftigungs- und<br />
Steuereffekte<br />
Institut für<br />
Höhere Studien (IHS)<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN ALS<br />
DIVIDENDENZAHLER AN IHRE<br />
EIGENKAPITALGEBER<br />
Ausgeschüttete<br />
Dividenden<br />
2018<br />
ANTEIL ÖSTERR.<br />
INVESTOREN<br />
126,1<br />
MIO EUR<br />
DAVON<br />
ARBEITER:<br />
3.217<br />
DAVON<br />
ANGESTELLTE:<br />
2.232<br />
DAVON<br />
FRAUEN:<br />
766<br />
1) Enthält auch Effekte<br />
durch Investitionen der<br />
B&C Kernbeteiligungen<br />
BRUTTO-WERTSCHÖPFUNG<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN<br />
IN ÖSTERREICH 2018<br />
DIREKT<br />
714,0<br />
MIO EUR<br />
INDIREKT<br />
415,2<br />
MIO EUR<br />
INDUZIERT<br />
342,8<br />
MIO EUR<br />
GESAMT<br />
1.472,0 1)<br />
MIO EUR<br />
INDIREKT UND INDUZIERT<br />
BESCHÄFTIGTE DURCH DIE<br />
GESCHÄFTSTÄTIGKEIT DER<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN IN<br />
ÖSTERREICH 2018<br />
7.936 2)<br />
ANZAHL ÖSTERREICHISCHER<br />
ZULIEFERFIRMEN FÜR B&C<br />
KERNBETEILIGUNGEN<br />
4.099<br />
2) Beschäftigte in<br />
Vollzeitäquivalenten –<br />
Gemäß Berechnung<br />
IHS
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
54<br />
55<br />
STEUERN UND ABGABEN<br />
INVESTITIONEN<br />
1) Direkte, indirekte<br />
und induzierte<br />
Steuern & Abgaben<br />
GENERIERTE ABGABEN / STEUERN<br />
NACH KÖRPERSCHAFTEN<br />
IN ÖSTERREICH 2018 1)<br />
STEUER<br />
GESAMT<br />
571,4<br />
MIO EUR<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN<br />
ALS GROSSINVESTOREN<br />
Investitionen<br />
2016 bis 2018<br />
IN ÖSTERREICH<br />
764,1<br />
MIO EUR<br />
Bewirkte<br />
Abgaben / Steuern<br />
BUND<br />
178,8 MIO EUR<br />
LÄNDER<br />
60,8 MIO EUR<br />
GEMEINDEN<br />
48,6 MIO EUR<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN INVESTIEREN<br />
IN DIE BILDUNG IHRER MITARBEITER<br />
Investitionen in Aus- und<br />
Weiterbildung 2018<br />
IN ÖSTERREICH<br />
7,5<br />
MIO EUR<br />
SOZIALVERSICHERUNG<br />
225,6 MIO EUR<br />
SONSTIGE<br />
57,6 MIO EUR<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN ALS<br />
FORSCHUNGSLOKOMOTIVEN<br />
Investitionen in Forschung<br />
und Entwicklung 2018<br />
IN ÖSTERREICH<br />
63,6<br />
MIO EUR<br />
AUSGABEN FÜR GESUNDHEITS- UND<br />
ALTERSVORSORGE UND SONSTIGE<br />
SOZIALABGABEN IN ÖSTERREICH 2018<br />
GESAMT<br />
78,5<br />
MIO EUR<br />
2) Summe aus<br />
gesetzlicher und<br />
betrieblicher Altersvorsorge<br />
BETRIEBLICHE<br />
GESUNDHEITS-<br />
VORSORGE<br />
0,6<br />
MIO EUR<br />
GESAMT<br />
ALTERS-<br />
VORSORGE<br />
10,2 2)<br />
MIO EUR<br />
GESETZLICHE<br />
SOZIAL-<br />
VERSICHERUNG<br />
67,7<br />
MIO EUR<br />
B&C KERNBETEILIGUNGEN<br />
WERTSCHÖPFUNGSEFFEKT<br />
Indirekte und induzierte<br />
Wertschöpfungseffekte durch<br />
Investitionen von B&C<br />
Kernbeteiligungen in 2018<br />
IN ÖSTERREICH<br />
84,2<br />
MIO EUR<br />
IHS-Berechnungen
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
56<br />
57<br />
GLOBALE PRÄSENZ<br />
B&C<br />
KERNBETEILIGUNGEN<br />
IN ÖSTERREICH<br />
AMAG | LENZING | SEMPERIT<br />
EUROPA<br />
Produktion<br />
14 Standorte<br />
Vertrieb<br />
17 Standorte<br />
(nicht eingezeichnet)<br />
ASIEN<br />
AMAG<br />
HEADQUARTER,<br />
PRODUKTION<br />
Ranshofen<br />
LENZING<br />
HEADQUARTER,<br />
PRODUKTION<br />
Lenzing<br />
SEMPERIT<br />
HEADQUARTER<br />
Wien<br />
Produktion<br />
8 Standorte<br />
Vertrieb<br />
21 Standorte<br />
(nicht eingezeichnet)<br />
AMERIKA/KANADA<br />
Produktion<br />
2 Standorte<br />
SEMPERIT<br />
PRODUKTION,<br />
FORSCHUNG &<br />
ENTWICKLUNG<br />
Wimpassing<br />
LENZING<br />
PRODUKTION<br />
Heiligenkreuz<br />
AMAG<br />
o AUT, Ranshofen<br />
o CAN, Sept-Îles<br />
LENZING<br />
• AUT, Lenzing<br />
• AUT, Heiligenkreuz<br />
• CHN, Nanjing<br />
• CZE, Paskov<br />
• GBR, Grimsby<br />
• IDN, Purwakarta<br />
• USA, Mobile<br />
SEMPERIT<br />
• AUT, Wien<br />
• AUT, Wimpassing<br />
• CHN, Shandong<br />
• CHN, Shanghai<br />
• CZE, Odry<br />
• DEU, Hückelhoven<br />
• DEU, Dalheim<br />
• DEU, Allershausen<br />
• DEU, Deggendorf<br />
• HUN, Sopron<br />
• IND, Roha<br />
• MYS, Kamunting<br />
• MYS, Nilai<br />
• POL, Belchatów<br />
• THA, Hatyai<br />
Vertrieb<br />
13 Standorte<br />
(nicht eingezeichnet)
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
64 65<br />
BUS<br />
WÄRMETAUSCHER<br />
KLIMAANLAGEN<br />
LUFTFAHRT<br />
SEILBAHN<br />
LKW<br />
AMAG<br />
SCHIFF<br />
BAHN<br />
Eine Nachhaltigkeitsstrategie<br />
mit dem<br />
Grundsatz „Wertschöpfung<br />
durch Wertschätzung.“<br />
TELE-<br />
KOMMUNIKATION<br />
PERSONENSCHUTZ<br />
TRANSPORT<br />
AUTOMOBIL<br />
BELEUCHTUNG<br />
GEHÄUSE<br />
FASSADEN<br />
VERBRAUCHER<br />
ELEKTRONIK<br />
ARCHITEKTUR<br />
ZINK-<br />
ELEKTROLYSEN<br />
KATHODEN<br />
VERPACKUNG<br />
VERPACKUNGSFOLIEN<br />
MASCHINEN-<br />
BAU<br />
ERNEUERBARE<br />
ENERGIE<br />
BRÜCKENBAU<br />
FORMENBAU<br />
SPORT<br />
WINDKRAFTANLAGEN<br />
SKI<br />
ANLAGENBAU<br />
WANDER-/SKISTÖCKE<br />
FAHRRAD-/MOTORRAD-<br />
KOMPONENTEN<br />
BERGSPORTARTIKEL
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
66<br />
67<br />
A M A G<br />
PRODUKTE FÜR DIE WELT<br />
AMAG ist ein zuverlässiger und langjähriger Premiumpartner<br />
für namhafte Automobilhersteller und zeichnet sich besonders<br />
durch die hohe und stabile Qualität der Produkte, den persönlichen<br />
Kundenservice und ihre Innovationskraft aus.<br />
ARCHITEKTUR<br />
AUTOMOBIL<br />
Neben den bekannten Struktur- und Außenhautblechen<br />
bietet AMAG Spezialprodukte für erhöhte<br />
Umformbarkeit und hohe Festigkeit sowie Bleche<br />
mit höchster Oberflächenqualität für Zierteile,<br />
beispielsweise am Armaturenbrett und Gusslegierungen<br />
für Fahrwerks- und Strukturteile an.<br />
WÄRMETAUSCHER<br />
Langjähriges Know-how auf dem Gebiet des Walzplattierens<br />
zur Herstellung von mehrschichtigen<br />
Sandwichblechen, eine Investition in eine hochmoderne<br />
breite Plattierstation und innovative<br />
Materialkombinationen zeichnen die AMAG als<br />
Lieferant von Vormaterial zur Verwendung in<br />
Kühlern, Klimageräten und Wärmetauschern in<br />
Fahrzeugen, Gebäuden und Industrieanlagen aus.<br />
VERPACKUNG<br />
AMAG produziert Folienvorwalzband für flexible<br />
Verpackungen, die beispielsweise in Lebensmittelund<br />
Medikamentenverpackungen zum Einsatz<br />
kommen. Damit wird die Haltbarkeit dieser Produkte<br />
durch Schutz vor Sauerstoff und Licht verlängert.<br />
SPORTARTIKEL<br />
AMAGs hochfeste Speziallegierungen, darunter<br />
AMAG Titanal®, bieten einzigartige Eigenschaften,<br />
die ideal den Bedürfnissen der Sportartikelindustrie<br />
entsprechen. Insbesondere die herausragende<br />
Kombination aus höchster Festigkeit und Anodisierbarkeit<br />
überzeugt bei Kettenrädern, Skiern, Wanderund<br />
Skistöcken sowie diversen Bergsportartikeln,<br />
die zuverlässig stärksten Belastungen bei geringem<br />
Gewicht standhalten müssen.<br />
AMAG Glanzmaterialien kommen in Fassaden, zur<br />
Innenraumdekoration sowie in Beleuchtungskörpern<br />
in modernen Gebäuden zum Einsatz und verleihen<br />
diesen eine besondere Ausstrahlung. Innovative und<br />
optisch ansprechende Oberflächen sowie Langlebigkeit<br />
zeichnen diese Produkte aus.<br />
LUFTFAHRT<br />
Die AMAG ist der Spezialist für hochfeste Aluminiumbleche<br />
und -platten und qualifizierter Lieferant<br />
für die großen Flugzeughersteller. Durch die<br />
Investition in eine Kontursäge können nun auch<br />
endformnahe Teile aus Aluminiumplatten hergestellt<br />
werden. Dadurch wird weniger Material zum Kunden<br />
transportiert und die sogenannte „Buy to fly“-Ratio<br />
verbessert. Die anfallenden Produktionsabfälle werden<br />
darüber hinaus in der eigenen Gießerei direkt wieder<br />
in hochwertiges Vormaterial verarbeitet.<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
Die AMAG ist mit 20 % an Alouette (CAN), der<br />
größten Elektrolyse in Nordamerika, beteiligt. Die<br />
Herstellung von Primäraluminium erfolgt nachhaltig<br />
mit Strom aus 100 % Wasserkraft und damit mit<br />
einer hervorragenden Bilanz bezüglich Energieverbrauch<br />
und CO 2<br />
-Emissionen. Die AMAG in<br />
Ranshofen liegt darüber hinaus mit einer Schrotteinsatzrate<br />
von 75 bis 80 % bei Recycling an der<br />
Weltspitze. Dabei werden wertvolle Ressourcen und<br />
Energie eingespart: Recycling benötigt nur 5 bis<br />
10 % der Energie im Vergleich zur Produktion von<br />
Aluminium aus Tonerde. AMAG wurde 2018 als<br />
erstes integriertes Werk mit Recycling, Gießerei und<br />
Walzwerk nach dem Performance-Standard der Aluminium<br />
Stewardship Initiative (ASI) zertifiziert.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
68<br />
69<br />
AMAG<br />
M OD E R N S T E S<br />
A L U M I U M W E R K E U R OPA S<br />
P U N K T E T<br />
BEI DER UMWELT<br />
HELMUT KAUFMANN<br />
TECHNIKVORSTAND AMAG<br />
studierte an der Montanuniversität<br />
Leoben und promovierte dort nach<br />
einem Gastaufenthalt am Massachusetts<br />
Institute of Technology in den USA<br />
zum Dr. mont.<br />
Er startete seine Berufslaufbahn bei der<br />
AMAG, war dann Manager bei UBE<br />
Europe in Düsseldorf und Geschäftsführer<br />
des ARC Leichtmetallkompetenzzentrums<br />
Ranshofen. 2007 wurde er<br />
zum Technikvorstand der AMAG<br />
(Austria Metall AG) bestellt.<br />
Herr Kaufmann, der Hochlauf des neuen Kaltwalzwerkes<br />
ist in vollem Gange. Welchen Beitrag leisten<br />
die getätigten Investitionen langfristig für den<br />
Wirtschaftsstandort Österreich und die Region?<br />
Wir haben in den letzten 10 Jahren in der AMAG-Gruppe<br />
rund 1 Milliarde Euro in die Entwicklung des Unternehmens<br />
investiert, etwa 80 % davon in Ranshofen. Alleine<br />
für unseren Werksausbau haben wir 535 Millionen Euro<br />
in die Hand genommen, um Ranshofen zum modernsten<br />
Aluminiumwalzwerk in Europa zu machen.<br />
Zusammen mit unseren laufenden Ausgaben für Waren<br />
und Dienstleistungen haben wir im Zeitraum 2012 bis<br />
2018 Bestellungen im Wert von 620 Millionen Euro bei<br />
oberösterreichischen Unternehmen getätigt und damit<br />
einen kräftigen Wirtschaftsimpuls gegeben. Auch an den<br />
Arbeitsmarkt haben wir mit rund 480 neuen Jobs in 6<br />
Jahren ein kräftiges Signal gesandt, welches noch in den<br />
nächsten Jahren nachhallen wird, da wir laufend neue<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen.<br />
Welche Kundensegmente profitieren besonders von<br />
den neuen Kapazitäten?<br />
Wir waren hinsichtlich Produkten und Kundenlandschaft<br />
schon immer breit aufgestellt. Und unsere Investitionspläne<br />
sollten daran nichts ändern. Mit dem Werksausbau und<br />
den modernen Anlagen haben wir viel Neues zu bieten.<br />
Unsere Abnehmer profitieren künftig sowohl von neuen<br />
Werkstoffen als auch von größeren Breiten und Dicken<br />
unserer Walzprodukte. Damit sind wir ein gern gesehener<br />
Wachstums- und Entwicklungspartner unserer Kunden aus<br />
den Bereichen Automobil, Luftfahrt, Nutzfahrzeuge, Verpackung,<br />
Maschinenbau, Bau und Architektur, Elektronik<br />
und Sportartikel. Mit dem neuen Werk haben wir nun auch<br />
zwei unabhängige Produktionslinien und damit ein hohes<br />
Maß an Zuverlässigkeit. Darüber hinaus macht uns unsere<br />
ausgeprägte Stärke im Recycling von Aluminium zukunftssicher.<br />
Stichwort Automobil: Welchen Beitrag leistet<br />
AMAG, um die CO 2 -Emissionen im Transportsektor<br />
zu senken?<br />
Durch den steigenden Einsatz von Aluminium in Fahrzeugen<br />
wird Gewicht eingespart. Weniger Gewicht bedeutet<br />
weniger Treibstoffverbrauch und somit CO 2 -Ausstoß im<br />
Betrieb des Fahrzeuges. Hochfeste Aluminiumwerkstoffe<br />
der AMAG sorgen mit geringem Gewicht täglich für Sicherheit<br />
und Zuverlässigkeit in Fahrzeugen aller Art.<br />
Am Ende der Lebensdauer, wenn die eingesetzten Materialien<br />
idealerweise vollständig wieder in den Produktionskreislauf<br />
zurückkehren, spielt die AMAG eine weitere<br />
Stärke aus.<br />
Richtig behandelt, behält Aluminium nämlich beim<br />
Recycling seine hervorragenden Eigenschaften, unabhängig<br />
davon wie oft dieser Vorgang wiederholt wird. Wir haben<br />
im letzten Jahr rund 360.000 Tonnen Aluminiumschrott<br />
verarbeitet und sind damit in Europa der größte Aluminiumrecycler<br />
an einem Standort. Rund 75 % unseres<br />
Einsatzmaterials ist Sekundäraluminium, womit wir an<br />
der Weltspitze liegen.<br />
Auch unsere Elektrolyse Alouette in Kanada kann mit besonderen<br />
Umweltvorteilen punkten. Dort wird mit Strom<br />
aus Wasserkraft Primäraluminium mit im Branchenvergleich<br />
sehr geringen CO 2 -Emissionen produziert.<br />
Als Gründungsmitglied der Aluminium Stewardship Initiative<br />
(ASI) haben wir uns im Vorjahr besonders über die<br />
Zertifizierung nach diesem Standard als erstes integriertes<br />
Unternehmen weltweit gefreut. Damit wurden unsere<br />
Leistungen im Bereich der nachhaltigen Produktion von<br />
Aluminium gewürdigt.<br />
Aluminium ist das dritthäufigste Element und häufigste<br />
Metall auf unserer Erde. Was macht für Sie die<br />
Faszination dieses Werkstoffes aus?<br />
Das faszinierende am Werkstoff Aluminium sind die<br />
hervorragenden Eigenschaften sowie die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten.<br />
Aluminium vollbringt täglich Spitzenleistungen<br />
in Flugzeugen, Autos, Nutzfahrzeugen, in<br />
Verpackungen, in Gebäuden, ob als Fassadenwerkstoff oder<br />
in Kühl- und Klimageräten, in Maschinen und Anlagen,<br />
in Verpackungen von Lebensmitteln oder Medikamenten,<br />
in Skiern und Fahrrädern. Hierbei erfüllt der Werkstoff<br />
unterschiedlichste, teilweise widersprüchliche, Anforderungen.<br />
Daraus ergeben sich spannende Aufgabenstellungen<br />
für Technikerinnen und Techniker, die bei uns ein höchst<br />
abwechslungsreiches Arbeitsumfeld in einem global tätigen<br />
Unternehmen vorfinden.<br />
Wir Konsumenten sind also täglich in Berührung<br />
mit Aluminium. Welche Anwendungen sind besonders<br />
herausfordernd aus Sicht des Werkstofftechnologen?<br />
Ein typisches Beispiel dafür sind die Forderungen nach<br />
höchster Festigkeit bei gleichzeitig guter Umformbarkeit<br />
sowie perfekter Oberfläche aus der Automobil- und<br />
Luftfahrtindustrie. Als Beispiel möchte ich hier eine<br />
Anwendung aus der Luftfahrt nennen. Hier konnten wir<br />
als einziger Produzent weltweit eine Kombination aus einer<br />
hochglänzenden und einer hochfesten Aluminiumlegierung<br />
in Form eines Sandwich-Bleches herstellen.<br />
Die daraus gefertigten Flügelvorderkanten für Business Jets<br />
sorgen mit ihrer spiegelnden Oberfläche für eine Reduktion<br />
der Turbulenzen und damit für verringerten Treibstoffverbrauch.<br />
Es geht dabei um Materialentwicklung und<br />
ein umfassendes Verständnis der Produktion. Hier sind wir<br />
mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hervorragend<br />
aufgestellt.<br />
Modernste Produktionsanlagen, Simulationswerkzeuge und<br />
die Zusammenarbeit mit Top-Forschungseinrichtungen<br />
schaffen die Basis dafür.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
70<br />
71<br />
AMAG<br />
HIGHLIGHTS 2018<br />
UMSATZ<br />
1.101,6<br />
MIO EUR<br />
EBITDA<br />
141,0<br />
MIO EUR<br />
Kennzahlen<br />
2018<br />
UMSATZ NACH<br />
SEGMENTEN<br />
70 % SEGMENT WALZEN<br />
20 % SEGMENT METALL<br />
9,5 % SEGMENT GIESSEN<br />
0,5 % SEGMENT SERVICE<br />
1 Milliarde Euro<br />
Investitionen in den<br />
letzten 10 Jahren<br />
Das modernste<br />
Aluminiumwerk<br />
Europas<br />
BESCHÄFTIGTE<br />
PER ULTIMO<br />
2.076<br />
Neuer Umsatzrekord<br />
mit über 1,1 Mrd. EUR<br />
in 2018<br />
Wachstumsstrategie mit<br />
Fokus auf Spezialprodukte<br />
erfolgreich fortgesetzt<br />
ÖSTERREICH<br />
1.849<br />
52,7 %<br />
Anteil der B&C<br />
Industrieholding am<br />
Grundkapital der AMAG.<br />
F&E<br />
15,1<br />
MIO EUR<br />
EBITDA-MARGE<br />
12,8 %<br />
EK-QUOTE<br />
39,8 %<br />
STANDORTE<br />
9,5<br />
20<br />
24<br />
12<br />
6<br />
15<br />
43<br />
FRAUENANTEIL:<br />
KONZERN<br />
10,3 %<br />
ÖSTERREICH<br />
9,6 %<br />
KURSENTWICKLUNG DER AMAG AKTIE<br />
01/2016-03/2019 (IN EURO)<br />
61<br />
LEHRLINGE<br />
INVESTITIONEN<br />
GESAMT<br />
72,6<br />
MIO EUR<br />
ANZAHL GEHALTENE<br />
PATENTE<br />
20<br />
PRODUKTIONS-<br />
GESELLSCHAFTEN:<br />
Ranshofen/Österreich,<br />
Sept-Îles/Kanada<br />
70<br />
57<br />
52<br />
VERTRIEBSTÖCHTER<br />
UND HANDELS-<br />
VERTRETUNGEN:<br />
Niederlande,<br />
Großbritannien, Italien,<br />
Deutschland, Türkei, Polen,<br />
Frankreich, Tschechien,<br />
Schweden, Spanien,<br />
Bulgarien, Schweiz, Israel,<br />
Taiwan, Südkorea, Indien, Japan,<br />
China, USA,<br />
Mexiko, Brasilien<br />
UMSATZ NACH<br />
REGIONEN<br />
43 % WESTEUROPA<br />
(OHNE ÖSTERREICH)<br />
15 % ÖSTERREICH<br />
12 % ÜBRIGES EUROPA<br />
24 % NORDAMERIKA<br />
6 % ASIEN, OZEANIEN,<br />
SONSTIGE<br />
47<br />
42<br />
37<br />
32<br />
27<br />
01/2016 01/2017 01/2018 03/2019<br />
www.amag-al4u.com
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
72 73<br />
SCHUHE<br />
HEMDEN<br />
BLUSEN<br />
UNTERWÄSCHE<br />
LENZING<br />
Der Schlüssel zu<br />
außergewöhnlicher<br />
Innovationskraft ist<br />
das stetige Streben<br />
nach dem Besseren.<br />
DENIMJEANS<br />
SPORTBEKLEIDUNG<br />
KLEIDER<br />
SCHÖNHEITSARTIKEL<br />
SCHUTZBEKLEIDUNG<br />
TECHNISCHE<br />
TEXTILIEN<br />
HYGIENE UND<br />
MEDIZINISCHE<br />
PRODUKTE<br />
VERPACKUNGEN<br />
BABYWINDELN<br />
BETTWÄSCHE<br />
HEIMTEXTILIEN
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
74<br />
75<br />
L E N Z I N G<br />
P R OD U K T E F Ü R<br />
DIE WELT<br />
TENCEL TM DENIM<br />
TENCEL TM Denim Cellulosefasern botanischen<br />
Ursprungs sind auf einen nachhaltigen<br />
Lebensstil zugeschnitten, verleihen persönlichen<br />
Ausdruck und Bewegung aufgrund ihres<br />
natürlichen Komforts, Geschmeidigkeit und<br />
Vielseitigkeit. TENCEL TM Lyocellfasern werden<br />
in Jeans-Stoffen entweder zu 100 Prozent<br />
oder als Mischungspartner meist mit Baumwolle<br />
eingesetzt.<br />
VEOCEL TM BEAUTY<br />
Cellulosefasern der Marke VEOCEL TM sind<br />
botanischen Ursprungs und vereinen einzigartige<br />
Performance, Komfort und Nachhaltigkeit in<br />
Kosmetikprodukten. VEOCEL TM Cellulosefasern<br />
sind kompostierbar und biologisch abbaubar und<br />
können somit vollständig in die Natur zurückkehren.<br />
Mit VEOCEL TM Beauty Fasern behält<br />
das Tuch der Gesichtsmaske auch mit flüssigen<br />
Kosmetika und Pflegelotionen stets seine Form.<br />
LENZING TM ECOVERO TM<br />
LENZING TM ECOVERO TM Fasern wurden mit<br />
dem EU-Ecolabel ausgezeichnet, einem Umweltzeichen,<br />
das an Produkte und Dienstleistungen<br />
vergeben wird, die während ihres gesamten<br />
Lebenszyklus hohe Umweltstandards erfüllen:<br />
von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung,<br />
dem Vertrieb und die Entsorgung. LENZING TM<br />
ECOVERO TM Fasern können im Endprodukt<br />
zweifelsfrei identifiziert werden.<br />
LENZING TM FOR PACKAGING<br />
LENZING TM for packaging Cellulosefasern<br />
sind biologisch abbaubare Fasern, die nachhaltig<br />
produziert werden und vollständig kompostierbar<br />
sind. Diese Faserart eignet sich für eine Vielzahl<br />
von Verpackungsanwendungen wie zum Beispiel<br />
Teebeutel oder Einweg- und Mehrwegnetze zur<br />
Verpackung von Obst und Gemüse.<br />
TENCEL TM HOME<br />
Cellulosefasern der Marke TENCEL TM für den<br />
Einsatz im Segment Home bieten langanhaltenden<br />
natürlichen Komfort und ein angenehmes<br />
Wohngefühl. TENCEL TM Lyocell- und Modalfasern<br />
sind mit einem ungewöhnlich weichen Gefühl<br />
natürlich sanft auf der Haut und verbessern<br />
die Schlaf- und Wohnqualität.<br />
LENZING TM FOR PROTECTIVE WEAR<br />
Fasern der Marke LENZING TM sind nachhaltig<br />
hergestellte, schwerentflammbare Fasern, die auf<br />
dem bekannten Modal-Faserherstellungsverfahren<br />
basieren. LENZING TM FR Fasern werden üblicherweise<br />
mit anderen Hochleistungsfasern gemischt,<br />
um einzigartige Schutzlösungen für eine<br />
Vielzahl industrieller Anwendungen herzustellen,<br />
beispielsweise zur Ausstattung von Feuerwehrleuten.<br />
LENZING TM FR Fasern verleihen diesen<br />
Stoffmischungen sowohl Schutzqualitäten als<br />
auch erhöhten Komfort.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
76<br />
77<br />
LENZING<br />
FA S E R N F Ü R ( FA S T )<br />
ALLES IM LEBEN<br />
Viele Österreicher kommen mit Fasern von Lenzing jeden Tag in Berührung<br />
ohne es zu wissen. Sie tragen Kleidung, schlafen in Bettwäsche aus diesen<br />
Fasern oder verwenden sie in Kosmetik- und Hygieneprodukten. Sie können<br />
das mit gutem Gewissen tun, weil diese Fasern aus Holz sind und sich nicht<br />
nur gut anfühlen, sondern auch die Umwelt schützen. Sie sind biologisch<br />
abbaubar und werden nach Verwendung wieder Teil des natürlichen<br />
Kreislaufes ohne schädliche Rückstände zu hinterlassen.<br />
ROBERT VAN DE KERKHOF<br />
VORSTANDSMITGLIED<br />
LENZING AG<br />
war 25 Jahre im Fasergeschäft<br />
bei DuPont und Koch Industries<br />
tätig.<br />
Seit 2014 ist er Mitglied des<br />
Vorstandes der Lenzing AG und<br />
ist dort für den Bereich Marketing<br />
und Vertrieb verantwortlich.<br />
Was sehen Sie als wesentliche Meilensteine<br />
im vergangenen Jahr, gerade im<br />
Hinblick auf die langfristige Entwicklung<br />
von Lenzing?<br />
2018 war für die Lenzing-Gruppe ein besonderes<br />
Jahr. Wir haben unsere führende Rolle bei<br />
Nachhaltigkeit ausgebaut, was sich am Markt<br />
konkret durch den Launch der neuen Markenarchitektur<br />
zeigt: Unsere Fasern der Marke<br />
TENCEL werden von den Modemarken in<br />
ihren Kollektionen weltweit eingesetzt, um unter<br />
Beweis zu stellen, dass sie ihre Verantwortung<br />
zum Schutz der Umwelt ernst nehmen. Ein weiterer<br />
Meilenstein ist für mich das Joint Venture<br />
mit Duratex, dem brasilianischen Marktführer<br />
für Holzpaneele. Mit diesem Partner prüfen wir<br />
derzeit den Bau der weltweit größten single-line<br />
Produktionslinie für Zellstoff zur Sicherstellung<br />
der Versorgung mit hochwertigem und nachhaltigem<br />
Faserzellstoff.<br />
Lenzing positioniert sich bewusst als<br />
Innovationsführer unter den Herstellern<br />
botanischer Fasern. Was sind hier<br />
aktuelle Maßnahmen im Sinne dieses<br />
strategischen Ansatzes?<br />
Die Lenzing-Gruppe wird in der globalen<br />
Faserbranche als ein Innovationsführer sowohl<br />
bei Produkten als auch bei Prozesstechnologien<br />
gesehen. Ein Beispiel dafür ist unsere neue Web-<br />
Technologie, welche eine wichtige Lösung für<br />
das Problem der Plastikverschmutzung in den<br />
Gewässern ist.<br />
Das Neue daran ist, dass wir aus dem Zellstoff<br />
direkt ein fertiges Vlies produzieren und die<br />
Produktionsschritte dazwischen entfallen.<br />
Unsere Kunden können dieses Vlies für Produkte<br />
wie Gesichtsmasken und Hygienetücher<br />
verwenden, die nach Gebrauch durch ihre<br />
vollständige biologische Abbaubarkeit verantwortungsvoll<br />
entsorgt werden können.<br />
Kerngeschäft von Lenzing ist die nachhaltige<br />
Produktion botanischer Fasern. Wie<br />
wird dies konkret umgesetzt, welchen<br />
Beitrag leisten Produkte von Lenzing zu<br />
einer lebenswerten Welt von morgen?<br />
Unsere holzbasierten Fasern und unsere Prozesse<br />
haben zahlreiche Zertifizierungen erhalten,<br />
z.B. die FSC® Chain of Custody Zertifizierung<br />
und den Ecovadis Gold Status. Sie schneiden<br />
auch in den Rankings der Sustainable Apparel<br />
Coalition und der kanadischen NGO Canopy<br />
sehr gut ab. Das ist die Basis dafür, in der<br />
Textilbranche und den Hygiene- und Kosmetikbranchen<br />
nachhaltigere Produkte zu verankern.<br />
Wie sieht Lenzing die Entwicklung des<br />
weltweiten Fasermarkts, gerade im Hinblick<br />
auf holzbasierte Cellulosefasern?<br />
Der Wunsch der Konsumenten nach komfortablen,<br />
nachhaltigen und gut aussehenden Textilien<br />
ist der Wachstumstreiber für holzbasierte<br />
Fasern. Funktionalitäten wie ein weicher Griff,<br />
gutes Feuchtigkeitsmanagement und biologische<br />
Abbaubarkeit sind zudem auch in der<br />
Hygiene- und Kosmetikbranche stark gefragt.<br />
Das führt dazu, dass der Markt für holzbasierte<br />
Fasern weiterhin stärker wachsen wird als der<br />
Fasermarkt insgesamt und als das BIP in den<br />
Industrieländern.<br />
Was sind typische – und auch überraschende<br />
– Einsatzbereiche der Produkte<br />
der Lenzing? Welchen konkreten Nutzen<br />
bzw. Wert haben die Produkte von Lenzing<br />
für ihre Anwender, wie tragen sie zu<br />
ihrer Lebensqualität bei?<br />
Unsere holzbasierten Fasern sind in den<br />
unterschiedlichen Anwendungen hoch funktional,<br />
emotional und ästhetisch. Sie werden in<br />
Textilien, Hygiene- und Kosmetikprodukten, für<br />
Verpackungen und in zahlreichen anderen Produkten<br />
eingesetzt. So gut wie jeder Österreicher<br />
kommt täglich mit Fasern der Lenzing-Gruppe<br />
in Berührung, weiß es aber nicht, weil unsere<br />
Marken als „ingredient brands“ meist nicht<br />
sichtbar sind. Ich bin immer wieder fasziniert<br />
davon, dass unsere nachhaltigen Fasern für so<br />
viele anspruchsvolle aber dabei einfache Produkte<br />
verwendet werden, die viele unserer täglichen<br />
Ansprüche abdecken. Wenn ich zum Beispiel<br />
meine Hemden aus TENCEL Fasern zu Reisen<br />
auf die andere Seite der Welt mitnehme und sie<br />
dort über Nacht auf den Kleiderhaken hänge,<br />
sind sie – ohne dass sie gebügelt worden sind –<br />
am nächsten Tag perfekt zu tragen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
78<br />
79<br />
UMSATZ<br />
2.176,0<br />
MIO EUR<br />
EBITDA<br />
382,0<br />
MIO EUR<br />
EBITDA-MARGE<br />
17,6 %<br />
LENZING<br />
Kennzahlen<br />
2018<br />
HIGHLIGHTS 2018<br />
Feier des 80-Jahr-<br />
Jubiläums von Lenzing<br />
Eröffnung eines neuen<br />
Center of Excellence<br />
in Indonesien<br />
Übernahme des verbleibenden<br />
30-Prozent-Anteils am<br />
chinesischen Joint Venture<br />
Lenzing (Nanjing) Fibers<br />
Globale Präsentation des<br />
neuen Markenauftritts der<br />
Lenzing Gruppe<br />
50,0 % +<br />
2 AKTIEN<br />
Anteil der B&C<br />
Industrieholding am<br />
Grundkapital der Lenzing AG.<br />
EK-QUOTE<br />
59,0 %<br />
STANDORTE<br />
UMSATZ NACH<br />
GESCHÄFTS-<br />
BEREICHEN<br />
45,5 % SPEZIALFASERN<br />
39,7 % STANDARDFASERN<br />
14,8 % SONSTIGE<br />
GESCHÄFTSFELDER<br />
BESCHÄFTIGTE<br />
PER ULTIMO<br />
6.839<br />
ÖSTERREICH<br />
3.387<br />
F&E<br />
42,8<br />
MIO EUR<br />
PRODUKTION VON<br />
LYOCELLFASERN:<br />
Lenzing und<br />
Heiligenkreuz/Österreich,<br />
Mobile, Alabama/USA,<br />
Grimsby/Großbritannien<br />
PRODUKTION VON<br />
VISCOSEFASERN:<br />
Lenzing/Österreich,<br />
Nanjing/China,<br />
Purwakarta/Indonesien<br />
14,8<br />
26,4<br />
38,0<br />
45,5<br />
FRAUENANTEIL:<br />
KONZERN<br />
12,4 %<br />
ÖSTERREICH<br />
14,6 %<br />
158<br />
LEHRLINGE<br />
INVESTITIONEN<br />
GESAMT<br />
257,6<br />
MIO EUR<br />
ANZAHL GEHALTENE<br />
PATENTE<br />
1324<br />
PRODUKTION VON<br />
MODALFASERN:<br />
Lenzing/Österreich<br />
PRODUKTION<br />
VON ZELLSTOFF:<br />
Lenzing/Österreich,<br />
Paskov/Tschechien<br />
39,7<br />
35,6<br />
183<br />
163<br />
143<br />
KURSENTWICKLUNG DER LENZING AKTIE<br />
01/2016-03/2019 (IN EURO)<br />
VERTRIEBS- UND<br />
MARKETINGBÜROS:<br />
New York/USA,<br />
Coimbatore/Indien,<br />
Shanghai und Hongkong/China,<br />
Jakarta/Indonesien,<br />
Seoul/Korea,<br />
Singapur,<br />
Istanbul/Türkei<br />
FASERUMSATZ IN<br />
KERNMÄRKTEN<br />
38,0 % NORDASIEN<br />
35,6 % ASIEN, AFRIKA,<br />
NAHER OSTEN<br />
26,4 % EUROPA, AMERIKA<br />
123<br />
103<br />
83<br />
63<br />
43<br />
01/2016 01/2017 01/2018 03/2019<br />
laut IFRS-Konzernabschluss<br />
www.lenzing.com
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
80 81<br />
SEMPERIT<br />
Der Firmenname ist<br />
das unternehmerische<br />
Credo: semper it –<br />
es gibt immer eine<br />
Lösung.<br />
HYDRAULIKSCHLAUCH<br />
HANDLAUF<br />
HANDSCHUHE<br />
GUMMIFOLIEN<br />
TRANSPORT<br />
ELASTOMER-<br />
PLATTEN<br />
FÖRDERGURTE<br />
ROHRBAU<br />
SEILBAHNTECHNIK<br />
HAUSHALT<br />
HEIZUNG &<br />
SANITÄR<br />
DICHTUNGSPROFILE<br />
INDUSTRIESCHLAUCH
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
82<br />
83<br />
S E M P E R I T<br />
PRODUKTE FÜR DIE WELT<br />
Handläufe von Semperit sind<br />
auf der ganzen Welt rund um<br />
die Uhr im Einsatz: Exportiert<br />
wird in mehr als 80 Staaten.<br />
HANDSCHUHE<br />
SEILBAHNTECHNIK<br />
FÖRDERGURTE<br />
Semperit entwickelt,<br />
produziert und vertreibt<br />
qualitativ hochwertige<br />
Hydraulik- und<br />
Industrieschläuche für<br />
vielfältige<br />
Anwendungen<br />
Sempermed Handschuhe schützen Gesundheitspersonal<br />
und Industrieanwender nicht nur vor<br />
Viren, Bakterien und anderen Krankheitserregern,<br />
sondern bieten auch hautfreundliche Lösungen für<br />
Handschuhträger mit Allergien.<br />
Semperit ist Entwicklungs- und Produktionspartner<br />
der führenden Hersteller seilgezogener Transportsysteme.<br />
Die Einlageringe sind sehr belastbar und haben<br />
hervorragende Dämpfungseigenschaften. Der Fahrgast<br />
profitiert von einem nachweislich hohen Sicherheitsstandard<br />
und ausgezeichnetem Komfort.<br />
Sie garantieren einen effizienten und zuverlässigen<br />
Materialtransport im Bergbau, in der Stahl- und<br />
Zementindustrie oder bei Hafenanlagen. Der<br />
sichere und hocheffiziente Förderbetrieb funktioniert<br />
auch unter extremen Bedingungen und<br />
ist umweltfreundlicher und weniger wartungsintensiv<br />
als etwa der LKW-Transport.<br />
HYDRAULIK- UND INDUSTRIESCHLÄUCHE<br />
ELASTOMERPLATTEN<br />
HANDLAUF<br />
DICHTUNGSPROFILE<br />
leisten wertvolle Beiträge zur technischen Infrastruktur<br />
weltweit und sind perfekt auf die hohen<br />
internationalen Anforderungen abgestimmt. Zu<br />
den vielfältigen Einsatzgebieten gehören Bauwesen,<br />
Landwirtschaft, Materialhandhabung, Bergbau,<br />
Hochdruckreinigung, chemische Industrie, Lebensmittelindustrie<br />
oder Recycling.<br />
werden hauptsächlich beim Dichten und Dämpfen<br />
eingesetzt, etwa bei Pumpen und Leitungen im Sanitärbereich.<br />
Im Anlagenbau sorgen Elastomerplatten für<br />
Beständigkeit gegen aggressive Materialien. Semperit<br />
Elastomerplatten punkten mit hoher Qualitätskonstanz,<br />
die Verarbeiter profitieren von Flexibilität und<br />
Schnelligkeit.<br />
Diese Sicherheitsbauteile dienen Passagieren zum<br />
Festhalten auf Fahrtreppen und Fahrsteigen und finden<br />
Einsatz im öffentlichen Verkehr oder Gebäudemanagement.<br />
Handläufe von Semperit sind beliebt wegen<br />
ihrer hohen Verlässlichkeit und dem ausgezeichneten<br />
Servicelevel.<br />
Als Innovationsführer bei Kautschukdichtungen<br />
für Fenster, Türen und Tore leistet Semperit einen<br />
wesentlichen Beitrag im Bereich des energieeffizienten<br />
Bauens. Zertifizierte Dichtungen eignen sich zur Verwendung<br />
in Trinkwasser (frei von poly-aromatischen<br />
Kohlewasserstoffen) und in Brandschutzanlagen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
84<br />
85<br />
SEMPERIT<br />
T R A N S F OR M AT I ON<br />
U N T E R E R H A LT<br />
T R A D I T I ON E L L E R W E RT E<br />
Semperit erlebt derzeit einen umfassenden Transformationsprozess.<br />
Was waren hier im vergangenen Jahr<br />
die zentralen Maßnahmen?<br />
Füllenbach: 2018 war ein schwieriges, forderndes, aber auch<br />
ganz entscheidendes Jahr für die Semperit-Gruppe: Dank<br />
unserer intensiven Restrukturierungsbemühungen ist es uns<br />
im Hinblick auf die operativen Ergebnisse gelungen, die Talsohle<br />
zu durchschreiten. Wir haben mehr als 30 Projekte mit<br />
den Themenschwerpunkten Wachstum, Operative Exzellenz,<br />
Profitabilität sowie Steuerung & Prozesse aufgesetzt. Diese<br />
übersetzen sich in über 700 Transformationsmaßnahmen und<br />
werden in Summe dazu beitragen, Semperit zukunftsträchtiger<br />
und wettbewerbsfähiger aufzustellen.<br />
Die wesentlichsten Schritte bisher waren die Komplexitätsreduktion<br />
im Industriesektor durch die Schließung bzw. den<br />
Verkauf von Produktionsstandorten sowie Transformationsmaßnahmen<br />
in den Schwerpunktbereichen Vertrieb und Procurement.<br />
Wir arbeiten parallel an den unterschiedlichsten<br />
Fronten, unser Restrukturierungskurs ist hart und intensiv.<br />
Daher gilt mein ausdrücklicher Dank allen Kollegen, die uns<br />
auf diesem Weg begleiten und kontinuierlich Ihren so wichtigen<br />
Beitrag leisten.<br />
Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend, damit der<br />
Turnaround geschafft wird?<br />
Füllenbach: Entscheidend ist, unseren Restrukturierungsund<br />
Transformationsprozess weiterhin mit aller Konsequenz<br />
voranzutreiben. Mit einem deutlichen Profitabilitätsanstieg<br />
sind wir bereits 2018 ein großes Stück vorangekommen,<br />
3 unserer 4 Segmente haben auf Gesamtjahressicht positive<br />
Erträge erzielt. Wir sehen im Sektor Industrie zahlreiche<br />
ermutigende Signale und sind auf einem guten Weg. Hier<br />
konnten wir bereits unter Beweis stellen, dass unsere Maßnahmen<br />
greifen und wir die Restrukturierung beherrschen.<br />
Wermutstropfen bleibt die negative Entwicklung im Sektor<br />
Medizin, wo wir mit höchster Konzentration am dringend<br />
erforderlichen Turnaround arbeiten.<br />
Fremerey: Vor dem Hintergrund der besonderen Problemkomplexität<br />
im Sektor Medizin haben meine Vorstandskollegen<br />
das Transformationsprojekt von Beginn an bewusst und<br />
mit Bedacht auf eine Gesamtdauer von 36 Monaten angelegt.<br />
Die strukturellen Herausforderungen bei den Betriebsprozessen<br />
(Operations), in der IT sowie beim Portfolio- und<br />
Marktansatz erfordern diese Zeitspanne.<br />
Was mich aber seit Übernahme der Verantwortung für die<br />
Sempermed vor einigen Monaten zuversichtlich stimmt, sind<br />
unsere positiven und teils langjährigen Kundenbeziehungen<br />
sowie der unermüdliche Einsatz unserer Mitarbeiter für eine<br />
Verbesserung der Situation. Wir sind gemeinsam überzeugt,<br />
möglichst rasch an die erfolgreiche Entwicklung der Industriesegmente<br />
anzuschließen.<br />
Es ist geplant, dass die Transformation 2020 abgeschlossen<br />
wird. Wie sehr wird sich Semperit bis dahin<br />
verändert haben? Werden sich die Absatzmärkte<br />
deutlich verändern?<br />
Füllenbach: Es wird ein in wesentlichen Bereichen sichtlich<br />
verändertes Semperit sein. Ab Anfang 2021 wollen wir eine<br />
EBITDA-Marge von rund 10 % erreichen. Dafür müssen wir<br />
uns auch strukturell entsprechend aufstellen und wettbewerbsfähiger<br />
werden, näher am Kunden agieren. Wir werden<br />
unseren strategischen Fokus unter anderem auf neue Märkte,<br />
Regionen und Kundensegmente richten.<br />
Semperit ist ein Unternehmen mit einer bald<br />
200-jährigen Geschichte. Wie kann es gelingen,<br />
in solch einem Unternehmen Strukturen neu zu<br />
definieren und gleichzeitig die Werte, die das Unternehmen<br />
ausmachen, zu erhalten?<br />
Füllenbach: Wir setzen auf dem auf, was vorhanden, gut<br />
und wertvoll ist und adaptieren es für heutige und künftige<br />
Anforderungen. Die Semperit-Transformation dreht sich<br />
vorrangig um Modernisierung, Prozessoptimierung, Commitment<br />
to Excellence, Kulturwandel. Ich möchte, dass die<br />
Zusammenarbeit in diesem Unternehmen durchgängig von<br />
Werten geprägt wird, die ich für unverzichtbar halte: Respekt,<br />
Integrität, Loyalität und Professionalität.<br />
Fremerey: Es ist schon eine besondere Aufgabe, ein Unternehmen<br />
mit einer so langen Historie zukunftsfit aufzustellen.<br />
Wir achten darauf, dass sich Tradition und Moderne bei der<br />
Neuausrichtung ergänzen.<br />
Was sind typische – und auch unerwartete – Einsatzbereiche<br />
der Produkte von Semperit? Welchen<br />
konkreten Nutzen bzw. Wert haben die Produkte von<br />
Semperit für ihre Anwender, wie tragen sie zu ihrer<br />
Lebensqualität bei?<br />
Füllenbach: Unser Produktsortiment ist komplex, entsprechend<br />
divers sind seine Einsatzbereiche. Formteile dichten<br />
MARTIN FÜLLENBACH, CEO (L.)<br />
studierte Wirtschafts- und Organisationswissenschaften<br />
in München und<br />
promovierte im Bereich Finanzwissenschaften<br />
an der Universität Nürnberg.<br />
Seit juni 2017 ist er Vorsitzender des<br />
Vorstandes (CEO) der Semperit AG<br />
Holding.<br />
FELIX FREMEREY<br />
VORSTANDSMITGLIED (R.)<br />
studierte Wirtschaftsingenieurwesen an<br />
der Technischen Universität Karlsruhe<br />
und promovierte im Bereich Maschinenbau<br />
an der Technischen Universität<br />
Stuttgart. Seit September 2018 ist er<br />
Vorstandsmitglied der Semperit AG<br />
Holding.<br />
etwa Fenster, Türen oder Waschmaschinen ab; der Fördergurt<br />
dient dem Materialtransport und stellt somit eine umweltschonende<br />
Alternative zum Straßen-LKW dar. Unsere<br />
Schläuche finden unter anderem in der Hochdruckreinigung<br />
Anwendung. Ein wichtiges Merkmal vieler unserer Produkte<br />
bzw. Komponenten ist ihre Unverzichtbarkeit: Ohne Semperit<br />
würden Produkte anderer Anbieter nicht funktionieren. Viele<br />
Menschen wären überrascht, wie häufig sie im Tagesverlauf<br />
mit Semperit in Berührung kommen – vom Fahrtreppen-Handlauf<br />
bei der U-Bahnfahrt über die Skifolie bei Wintersport<br />
bis zum Untersuchungshandschuh in der Arztpraxis.<br />
Welches Versprechen geben die Produkte von<br />
Semperit ab?<br />
Fremerey: Sempermed-Handschuhe bieten zu allererst<br />
zuverlässigen Schutz gegen sämtliche Infektionen oder Keime<br />
und sind dazu besonders haut- und umweltverträglich.<br />
Diesem Versprechen vertrauen Menschen im Gesundheitsbereich<br />
ebenso wie Industrieanwender.<br />
Füllenbach: Semperit ist ein B2B-Unternehmen. Das wichtigste<br />
Versprechen der Produkte aus den Industriesegmenten<br />
ist, unsere Kunden und Geschäftspartner performanter zu<br />
machen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
86<br />
87<br />
SEMPERIT<br />
HIGHLIGHTS 2018<br />
UMSATZ<br />
878,5<br />
MIO EUR<br />
EBITDA<br />
46,4<br />
MIO EUR<br />
EBITDA-MARGE<br />
5,3 %<br />
EK-QUOTE<br />
42,9 %<br />
STANDORTE<br />
HEADQUARTER:<br />
Wien/Österreich<br />
SEMPERFLEX:<br />
Österreich, Tschechien,<br />
Deutschland, China, Thailand,<br />
Singapur, Indien, USA<br />
Kennzahlen<br />
2018<br />
UMSATZSPLIT NACH<br />
SEGMENTEN<br />
35<br />
15<br />
15<br />
INDUSTRIE<br />
26 % SEMPERFLEX<br />
17 % SEMPERTRANS<br />
22 % SEMPERFORM<br />
MEDIZIN<br />
35 % SEMPERMED<br />
70<br />
26<br />
Deutliche Steigerung des<br />
operativen Ergebnisses<br />
Ausbau der Schlauch-<br />
Produktion aufgrund der<br />
Werkserweiterung in Odry<br />
BESCHÄFTIGTE<br />
PER ULTIMO<br />
6.773<br />
FRAUENANTEIL:<br />
KONZERN<br />
21 %<br />
ÖSTERREICH<br />
21 %<br />
KURSENTWICKLUNG DER SEMPERIT AKTIE<br />
01/2016-03/2019 (IN EURO)<br />
Die jährliche Schlauch-<br />
Produktion von Semperflex<br />
erreicht zweimal den<br />
Umfang der Erde<br />
Markteinführung eines<br />
chlorfreien, umweltfreundlichen<br />
Handschuhs<br />
ÖSTERREICH<br />
896<br />
15<br />
LEHRLINGE<br />
54,2 %<br />
Anteil der B&C<br />
Industrieholding am<br />
Grundkapital Semperit.<br />
F&E<br />
14,0<br />
MIO EUR<br />
INVESTITIONEN<br />
GESAMT<br />
80,8<br />
MIO EUR<br />
ANZAHL GEHALTENE<br />
PATENTE<br />
>300<br />
SEMPERFORM:<br />
Österreich, Ungarn,<br />
Deutschland,<br />
Großbritannien, China,<br />
Singapur, USA<br />
22<br />
17<br />
37<br />
32<br />
27<br />
SEMPERTRANS:<br />
Österreich, Deutschland, Polen,<br />
Indien, Indonesien, Australien,<br />
Kanada, Mexiko, USA<br />
22<br />
17<br />
SEMPERMED:<br />
Österreich, Ungarn,<br />
Deutschland, Italien, China,<br />
Malaysia, Singapur, USA<br />
UMSATZSPLIT NACH<br />
REGIONEN<br />
70 % EUROPA<br />
15 % NORD- UND SÜDAMERIKA<br />
15 % ASIEN, AFRIKA UND<br />
ANDERE LÄNDER.<br />
12<br />
7<br />
01/2016 01/2017 01/2018 03/2019<br />
laut IFRS-Konzernabschluss<br />
www.semperitgroup.com
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
88<br />
89<br />
Die B&C<br />
Innovation Investments<br />
POTENZIAL ERKENNEN.<br />
CHANCEN NÜTZEN.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
90<br />
91<br />
„Wir sollten nicht defensiv denken, sondern<br />
Vorreiterrollen anstreben. Technologie ist nicht eine<br />
Sympathie-, sondern eine Notwendigkeitsfrage“<br />
THOMAS ZIMPFER<br />
D I E C H A N C E N D E R<br />
TECHNOLOGIE NUTZEN<br />
Was steht hinter der Tätigkeit der B&C Innovation Investments?<br />
Die beiden Geschäftsführer Petra Preining und Thomas Zimpfer<br />
erzählen von den strategischen Schwerpunkten und den<br />
großen Herausforderungen des digitalen Wandels für die<br />
Unternehmen in Österreich.<br />
PETRA PREINING<br />
Geschäftsführerin<br />
Die B&C Innovation Investments konzentriert sich<br />
auf Wachstumsunternehmen mit technologischem<br />
Hintergrund. Was ist Ihr zentraler Fokus bei den<br />
Beteiligungen?<br />
Thomas Zimpfer: Neben den Aktivitäten der B&C Industrieholding<br />
beteiligt sich die B&C über die „B&C Innovation<br />
Investments“ seit 2015 auch an Technologie- und Wachstumsunternehmen.<br />
Wir tun dies, weil wir erkannt haben, dass<br />
man neue Technologien auch aus Sicht der „Old Economy“<br />
in erster Linie als Chance sehen sollte, zumal sich heute kein<br />
Unternehmen den grundlegenden und vor allem raschen<br />
Marktänderungen in Folge neuer Technologien entziehen<br />
kann. Ein Beispiel hierzu: die Top 10 der weltweit 500 wertvollsten<br />
Unternehmen sind heute technologiedominiert.<br />
Vor 15 Jahren war das Bild noch ein ganz anderes. Es ist also<br />
unstrittig, dass man sich mit neuen Technologien auseinandersetzen<br />
muss. Die B&C kommt aus der klassischen<br />
Old Economy, hat aber erkannt, dass die Digitalisierung im<br />
industriellen Umfeld eine große Chance für die Weiterentwicklung<br />
etablierter Unternehmen ist. Unser Fokus liegt auf<br />
Direktinvestments im B2B-Geschäft, auf Software und auf<br />
neuen Lösungen, die bestehende Prozesse positiv ergänzen<br />
und effizienter machen.<br />
Wodurch schaffen Sie als Investor Wert für<br />
Beteiligungen?<br />
Petra Preining: Wir haben von Beginn an darauf geachtet<br />
als Investor die Stärken der B&C – also das Netzwerk und<br />
die finanziellen Möglichkeiten – zum Einsatz zu bringen,<br />
was gleichzeitig ein klares Profil samt Differenzierung in der<br />
Venture-Investorenszene ermöglicht. Unser Investmentfokus<br />
ist ein langfristiger und wir haben keinen Exit-Zwang. Wir<br />
vernetzen Gründer mit großen, etablierten Industrieunternehmen,<br />
um das Potential der jeweiligen Technologie der mitunter<br />
verschlossenen Old Economy aufzuzeigen. Wesentlich ist<br />
unser sehr selektiver Ansatz. Wir haben seit der Gründung<br />
der BCII bewusst „nur“ in 5 Unternehmen investiert, da<br />
wir tatsächliches Markt- und damit Wertsteigerungspotential<br />
suchen und kritisch hinterfragen. Eine Ergänzung noch<br />
zum Investitionsfokus: Um die Wertschöpfung im Land zu<br />
steigern, investieren wir für Österreich, aber nicht zwingend<br />
in Österreich.<br />
Zimpfer: Wesentlich ist, dass neben der thematischen<br />
Fokussierung auch transparent ist, ab<br />
welchen Phasen BCII in Entrepreneure investiert.<br />
Bei uns sind Gründer mit einer marktfähigen<br />
Lösung willkommen, die Bedarf nach einem<br />
langfristigen Partner haben, der das Wachstum<br />
nachhaltig begleitet. Pre-Seed-Finanzierung ist<br />
nicht in unserem primären Tätigkeitsbereich,<br />
denn dort kommen unsere Stärken nicht zum<br />
Tragen.<br />
Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihren<br />
Portfoliounternehmen ausgestaltet, wie<br />
intensiv ist der Kontakt zu den Gründern?<br />
Preining: BCII verfolgt über die Aufsichtsrats-<br />
bzw. Beiratsarbeit sowie ein monatliches<br />
Reporting die laufende Entwicklung der<br />
eingegangenen Beteiligungen. Wir unterstützen<br />
die Gründer gerne mit unserem Fachwissen –<br />
z.B. bei der Strukturierung von Finanzierungen<br />
– oder mit unserem Netzwerk. Wir erachten<br />
solche aktiven Schritte der Gründer als „den<br />
richtigen Modus“, da es uns wichtig ist, deren<br />
Unternehmertum nicht einzuschränken. Wir legen<br />
höchsten Wert darauf, dass Wachstumsunternehmen,<br />
die aus der Leistung der Gründer<br />
resultieren, auch von diesen geführt werden<br />
– alles andere ist aus unsere Sicht bestenfalls ein<br />
(schlechter) Kompromiss. Dieser Zugang der<br />
BCII sollte sich auch in der Anteilsverteilung<br />
spiegeln – wir hoffen stets, dass Gründer möglichst<br />
lange die Mehrheit an Ihren Unternehmen<br />
halten. Der Fall TTTech zeigt, dass BCII<br />
sogar gemeinsam mit den Gründern bestrebt ist,<br />
eine solche Mehrheit partnerschaftlich wiederherzustellen.<br />
Zimpfer: Stark vereinfacht ausgedrückt setzen<br />
unsere Investments eine Dualität voraus: eine<br />
Idee mit Marktrelevanz, tatsächlichem Mehrwert<br />
und damit Wachstumspotenzial, gepaart<br />
mit einem Gründerteam, dem wir bei der Umsetzung<br />
dieser Idee vertrauen. Ich möchte dabei<br />
Petra Preining studierte an der<br />
Wirtschaftsuniversität Wien.<br />
Nach Positionen im Finanzwesen<br />
von börsennotierten Konzernen<br />
(Unilever, Kraft Jakobs Suchard)<br />
war sie viele Jahre international<br />
im Management tätig, u. a. bei<br />
Wyeth in Moskau und TRC Ltd.<br />
für Middle East. Seit 2016 ist sie<br />
bei B&C aktiv. Sie ist Aufsichtsrätin<br />
der Semperit AG Holding<br />
und sitzt im Beirat diverser BCII<br />
Beteiligungen.<br />
THOMAS ZIMPFER<br />
Geschäftsführer<br />
Thomas Zimpfer studierte an<br />
der Wirtschaftsuniversität Wien.<br />
Er war zunächst im Investment<br />
Banking bei Drueker & Co. in<br />
Frankfurt/Main, anschließend im<br />
Private Equity bei der equitrust<br />
AG in Hamburg tätig. Für die<br />
B&C seit 2011 aktiv, nimmt Herr<br />
Zimpfer AR-Funktionen bei der<br />
AMAG Austria Metall AG sowie<br />
der TTTech Computertechnik<br />
AG wahr. Er ist außerdem Beirat<br />
der Flightkeys GmbH sowie der<br />
Kinexon GmbH.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
92 93<br />
„Wir dürfen vor dem Wandel keine Angst<br />
haben, es braucht eine positive Besetzung.<br />
Neue effiziente Lösungen schaffen die<br />
Wertschöpfung der Zukunft.“<br />
PETRA PREINING<br />
THOMAS ZIMPFER<br />
nochmals ausdrücklich betonen: ein Unternehmen ist in der<br />
Entstehungs- und Wachstumsphase völlig vom Management<br />
und den Gründern abhängig. Wir erachten es als einen Fehler,<br />
den Gründern zu erklären, „wie sie ihr Geschäft führen sollen“.<br />
Die erfolgskritische Vision und die umsetzungskritische<br />
Verantwortung liegt beim Gründer-Management. Wir dürfen<br />
ihre Arbeit daher nicht unterlaufen. Was in diesem Kontext<br />
oft vergessen wird: der Engpass von Gründerteams ist nicht<br />
nur Cash, sondern auch ihre Zeit – die Frage, wo sie diese<br />
investieren ist also sehr kritisch, daher beanspruchen wir die<br />
Zeit der Gründer nur dort, wo es gefragt und zielführend ist.<br />
Österreich ist im internationalen Vergleich ein<br />
kleines Land. Was würde es brauchen, damit wir bei<br />
neuen Technologien dennoch nicht den Anschluss<br />
verpassen?<br />
Preining: Nicht nur Österreich, sondern die gesamte EU<br />
verlässt sich auf Stärken der bestehenden Industrie, die über<br />
lange Zeit höchst erfolgreich aufgebaut wurden. Damit geht<br />
einher, dass die Relevanz von Neuem vielfach übersehen wird<br />
und Entscheidungen für Veränderungen zu langsam getroffen<br />
werden. Hier muss sich in den Gesellschaften etwas verändern:<br />
Wir können in Europa nicht eine weitere disruptive Entwicklung<br />
verschlafen. Es muss uns bewusst sein, dass die Perspektiven<br />
für die heutige Industrie ohne Technologieunternehmen<br />
bzw. ohne Bestehendes kritisch in Frage zu stellen gefährdet<br />
sind. Der Maßstab zur Nutzung der neuen Technologien wird<br />
aus unserer Wahrnehmung in China bzw. den USA gelegt.<br />
Zimpfer: Wir stehen heute vor folgenden Fragen: Gibt es<br />
überhaupt Branchen, die vom Wandel ausgenommen sind<br />
(denken Sie bspw. an Fintechs oder die Änderungen der Automobilwelt<br />
bzw. industrieller Prozesse)? Wie verteidigen wir<br />
Wertschöpfungsprozesse mit volkswirtschaftlichem Beitrag<br />
und daraus resultierend, wo sind künftig Jobs angesiedelt? All<br />
das ist doch eine unmissverständliche Warnung, die technologischen,<br />
jedenfalls langfristig disruptiven Entwicklungen<br />
nicht zu verpassen.<br />
Es ist eine Frage der Einstellung, aber auch der Finanzierungsmöglichkeiten.<br />
In Europa fließen 0,05 % des BIP in<br />
Venture Capital, in den USA aber 0,5 %. Uns trennt also der<br />
Faktor 10x. Technologie ist nicht eine Sympathie-, sondern<br />
eine Notwendigkeitsfrage..<br />
Sie investieren nicht nur in österreichische Unternehmen,<br />
sondern haben auch Investitionen in<br />
Deutschland und den USA getätigt. Wie ist dieser<br />
Investitionsansatz mit dem Stiftungszweck der<br />
B&C vereinbar?<br />
Zimpfer: Primär investieren wir dort, wo wir denken, dass<br />
zukunftsfähige Technologien wertsteigernd in Österreich<br />
aufgebaut werden können. Technologie hat allerdings keine<br />
Grenzen und der Wettbewerb ist global. Man denke nur an<br />
die Ambitionen Chinas, das bis 2049 den weltweiten Spitzenplatz<br />
der Wirtschaft einnehmen möchte und daran alle hierfür<br />
kritischen Aktivitäten und Investitionen ausrichtet. Aus<br />
unserer Sicht haben wir keine andere Wahl, als neue Technologien<br />
für Österreich verfügbar zu machen. Wir investieren<br />
daher dann im Ausland, wenn nur so entscheidende Technologien<br />
an Österreich herangeführt werden können. Konkret<br />
sind wir in solchen Fällen bestrebt, über Investments der<br />
BCII dem Gesellschafterkreis im Ausland ansässiger Technologie-Unternehmen<br />
einen österreichischen Einschlag zu geben<br />
und diese Unternehmen mit der heimischen Old-Economy<br />
zu vernetzen, indem wir auf die konkreten Technologien aufmerksam<br />
machen. Unser Silicon Valley Investment Citrine ist<br />
dafür ein gutes Beispiel. Es ist ein von Stanford-Absolventen<br />
gegründetes Unternehmen, das Künstliche Intelligenz und<br />
Big Data zur Erforschung von neuen Materialien nutzt. Es<br />
wäre ein erheblicher Nachteil für die österreichische Industrie,<br />
wenn wir diese Technologie – obwohl wir Kenntnis von<br />
dieser erlangt haben – nicht nach Österreich führen. Gleiches<br />
gilt für Kinexon, ein beeindruckendes Unternehmen aus dem<br />
Bereich Industrie 4.0, das sich u.a. auf die Digitalisierung<br />
von Produktionsprozessen spezialisiert und in München<br />
ansässig ist.<br />
Was ist der richtige Zugang zum digitalen Wandel,<br />
wie können wir in Österreich gerade in Hinblick auf<br />
die Bedrohungen richtig damit umgehen?<br />
Zimpfer: Wir sollten in Österreich sowohl auf die Industrie<br />
als auch auf die Gründerszene stolz sein. In meiner Wahrnehmung<br />
bräuchten wir in der Bevölkerung ein wirtschafts- und<br />
technologieorientierteres Denken und eine gewisse Begeisterung<br />
für das was inländische Wertschöpfung und damit<br />
Beschäftigung bestimmt. Unser Zugang ist daher: lassen Sie<br />
uns die Technologie als Chance sehen! Der Wandel ist eine<br />
Schlüsselherausforderung für den Wirtschaftsstandort. Die<br />
Motivation für unsere Beteiligungen ist nicht, auf den in den<br />
Medien kolportierten „Venture-Zug“, der für uns einen Hype-Charakter<br />
hat, aufzuspringen, sondern mit Gründerteams<br />
Unternehmen aufzubauen.<br />
Preining: Wir führen in Österreich gerne ein Biedermeier-Leben.<br />
Der Wandel wird als Bedrohung statt als Chance<br />
gesehen. Gerade bei Technologie ist es wichtig, dass die etablierten<br />
Industrieunternehmen die Transformation proaktiv<br />
gestalten und erfolgreich umsetzen.<br />
Wir werden es in Zukunft mit enorm spannenden Themen zu<br />
tun haben! Wir dürfen vor dem Wandel keine Angst haben,<br />
es braucht eine positive Besetzung. Neue effiziente Lösungen<br />
schaffen die Wertschöpfung der Zukunft!<br />
Wie gravierend werden die Auswirkungen der neuen<br />
Technologien sein, welchen Nutzen bringen sie uns?<br />
Zimpfer:: Jede unserer Beteiligungen erfüllt aus unserer Sicht<br />
den Anspruch durch Neues Bestehendes zu optimieren. Wir<br />
wagen zu behaupten, dass Flightkeys weltweit das modernste<br />
Unternehmen zur Planung und Berechnung von Flugrouten<br />
ist. Die Luftfahrt-Industrie ist ein komplett kostengetriebenes<br />
Geschäft, Flightkeys hilft den Marktteilnehmern ihre Marktstellung<br />
zu verteidigen. Der Zugang ist komplett neu.<br />
Preining: Effizienzsteigerung schafft wieder Potenzial für<br />
neue Entwicklungen. Je effizienter wir arbeiten, desto mehr<br />
Raum schaffen wir, um unsere Entwicklungspipeline voranzutreiben.<br />
Neue Technologien werden bestehende Strukturen<br />
in Forschung & Entwicklung nicht komplett ersetzen können.<br />
Citrine ist dafür ein gutes Beispiel – sie sehen sich als<br />
Assistenz-Tool des Forschers, der über diese Plattform schneller<br />
und effizienter arbeiten kann, aber nicht ersetzt wird. Die<br />
Technologie ist eine Ergänzung und nicht ein Ersatz.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
94<br />
95<br />
FLIGHTKEYS<br />
GEORG SCHIEFER<br />
absolvierte ein Studium an der<br />
Wirtschaftsuniversität Wien. Er hat<br />
eine Pilotenausbildung absolviert<br />
und hat sich den Großteil seiner<br />
beruflichen Laufbahn mit Themen<br />
rund um die Luftfahrt beschäftigt,<br />
u. a. war er Director Operations<br />
Planning & Control bei Austrian<br />
Airlines.<br />
Bei Flightkeys ist er Managing<br />
Director und verantwortlich für<br />
Marketing, Sales, Quality<br />
Management & Controlling.<br />
INVESTMENT<br />
FACTS<br />
ANTEIL<br />
BETEILIGUNG:<br />
rd. 18 %<br />
ZEITPUNKT DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
2016<br />
ART DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
DIREKTBETEILIGUNG<br />
BEREICH:<br />
SOFTWARE AS A<br />
SERVICE/<br />
LUFTFAHRTINDUSTRIE<br />
SITZ:<br />
WIEN, ÖSTERREICH<br />
F L U G M A N A G E M E N T I M<br />
DIGITALEN ZEITALTER<br />
„An sich glauben und bei Problemen nicht<br />
aufgeben - aus Sicht der<br />
Lösung und nicht aus Sicht des<br />
Problems denken.“<br />
GEORG SCHIEFER<br />
Von Wien aus entwickelte Flightkeys ein völlig<br />
neuartiges Flugmanagement-Tool. Dank eines<br />
einzigartigen Algorithmus und einer mächtigen<br />
Datenpotenz im Hintergrund werden damit<br />
Flüge deutlich rascher und besser optimiert.<br />
Georg Schiefer vom Gründerteam erzählt vom<br />
entscheidenden Wert der Software-Lösung und<br />
vom nächsten Projekt.<br />
Welches Neuland haben Sie mit<br />
Flightkeys betreten?<br />
In der Flugplanung gab es in letzten 30 Jahren<br />
praktisch keine neue Systementwicklung, es war<br />
höchste Zeit für eine Software mit einer neuen<br />
Systemarchitektur. Unsere Lösung ist flexibel,<br />
schnell sowie einfach zu warten und bietet ein<br />
web-based User-Interface, das mit Touch-Screen<br />
bedienbar ist. Nach dem Prinzip Management<br />
by Exception sehen User nur, was sie in diesem<br />
Moment benötigen. Flightkeys ist dem Wettbewerb<br />
technologisch weit voraus, daher sehen wir<br />
uns in drei Jahren auch als weltweiter Marktführer<br />
für Flugmanagementsysteme. Wir haben<br />
bereits während der Entwicklung erste Kunden<br />
gewonnen und hatten im April 2019 den ersten<br />
Go-Live mit ARINCDirect, die 5.000 Flugzeuge<br />
mit Flugplan und Service versorgen. Kurz darauf<br />
folgte bereits der zweite Go-Live bei einer spanischen<br />
Airline. Wir haben 100 % Exportquote!<br />
Wie gelingt es Ihnen als junges österreichisches<br />
Unternehmen im internationalen<br />
Aviation-Bereich Kunden zu gewinnen?<br />
Wir sieben Gründer ergänzen uns mit unserem<br />
Fachwissen zum Thema Luftfahrt und IT sehr gut,<br />
wir beschäftigen uns seit Langem mit der Flugplanung<br />
und haben uns einen sehr guten Namen am<br />
Markt gemacht.<br />
Mit Flightkeys haben wir ein System der Zukunft<br />
entwickelt. Es deckt nicht nur die Flugplanung<br />
ab, sondern verfolgt einen Flug bis zu seiner<br />
Destination. Basierend auf den exakten Daten<br />
der Durchführung übernehmen wir laufend<br />
Reoptimierungen und informieren über die<br />
Durchführung des Fluges bis hin zu Alerting-<br />
Systemen über Abweichungen der Route oder<br />
beim Treibstoff-Verbrauch.<br />
Wir gehen damit den Schritt von einem Flugplanungs-<br />
zu einem Flugmanagement-System.<br />
Vier der sieben FLIGHTKEYS Founder<br />
haben bereits im Jahr 2000 erfolgreich ein<br />
Unternehmen im Aviation-Bereich gegründet.<br />
Was ist heute anders?<br />
Mit Flightkeys nutzen wir neueste Technologien,<br />
die selbst vor fünf Jahren noch nicht möglich waren.<br />
Wir arbeiten mit besseren Daten und unser Algorithmus<br />
findet sehr schnell Lösungen. Flightkeys<br />
ist ein Technologiesprung: Unsere Lösung fügt<br />
zu den vier Dimensionen in Raum und Zeit die<br />
entscheidende fünfte hinzu: die probabilistische<br />
Dimension. Aus den Echtzeitdaten von Flügen in<br />
Europa und in Amerika können wir auf künftige<br />
Flüge schließen. In dieser Richtung wollen wir<br />
weiterarbeiten. Wir wollen anhand der Positionsdaten<br />
lernen: Welche Planung wurde eingereicht und<br />
welche Route wurde tatsächlich geflogen?
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
96<br />
97<br />
E C H T Z E I T- I N T E L L I G E N Z F Ü R<br />
DAS INTERNET DER DINGE<br />
Mit der Echtzeit-Erhebung und -Analyse von Daten über Ort,<br />
Zustand und Bewegung liefert KINEXON eine Schlüsselkompetenz<br />
für die intelligente Vernetzung von Objekten. Oliver Trinchera<br />
spricht über die Vision, die digitale Transformation mitzugestalten.<br />
KINEXON<br />
ALEXANDER<br />
HÜTTENBRINK (R)<br />
TEAMFOTO<br />
(v.l.n.r.)<br />
Felix Hackl, Patrice Cotton,<br />
Peter Radler, Gregor Resch,<br />
Christoph Prinz, Raimund<br />
Zopp, Georg Schiefer<br />
Was verändert sich durch Flightkeys?<br />
Profitieren auch Endkonsumenten<br />
davon?<br />
Flightkeys ermöglicht einen kostenoptimalen<br />
Flugplan. Durch die hohe Performance des<br />
Systems können wir schneller berechnen und<br />
mehr Optimierungen durchführen. Die anderen<br />
Lösungen benötigen Minuten, um einen<br />
Flug zu planen, Flightkeys nur 20 Sekunden.<br />
Die kürzeren Kalkulationszeiten ermöglichen<br />
uns, komplexere Modelle zu berechnen.<br />
Wir können sehr viele Variablen berücksichtigen,<br />
wie vorhergesagte Wetterdaten, die<br />
individuelle Performance eines Flugzeugs,<br />
optimieren Steigprofile usw. Dadurch wird<br />
Treibstoff eingespart, das ist auch umweltfreundlich.<br />
In Richtung Endkonsumenten<br />
ist ein EU-Projekt unter Leitung der Zentralanstalt<br />
für Meteorologie und Geodynamik<br />
spannend, an dem wir teilnehmen.<br />
Ziel des Projektes EUNADICS-AV ist, die<br />
Flugsicherheit bei Naturkatastrophen zu verbessern.<br />
Durch die dynamische Modellierung<br />
einer Aschewolke nach einem Vulkanausbruch<br />
konnten wir hier zeigen, dass dennoch<br />
Flugrouten möglich wären!<br />
Mit Spacekeys startet jetzt ein zweites<br />
Produkt. Was ist hier das Konzept?<br />
Mit Spacekeys können wir dynamisch berechnen,<br />
ob für eine bestimmte Flugroute eine<br />
Satelliten-Navigation mit GPS möglich ist.<br />
Dabei kann man Regionen ausweichen, die<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen<br />
ausreichenden Empfang haben. Wir haben<br />
Spacekeys in-house entwickelt und konnten<br />
im Jahr 2018 bereits gute Traktion erzielen.<br />
Unser Lauch-Customer war Eurocontrol,<br />
mittlerweile nutzen es schon fünf Kunden.<br />
Welchen Moment werden Sie nie<br />
vergessen?<br />
Die erste Unterschrift: Das Commitment<br />
eines Kunden für ein neues Produkt, das<br />
noch gar nicht fertig war!<br />
Welchen Ratschlag würden Sie gerne<br />
weitergeben?<br />
An sich glauben und bei Problemen nicht<br />
aufgeben – aus Sicht der Lösung und nicht<br />
aus Sicht des Problems denken.<br />
Was ist der entscheidende Wert der<br />
Echtzeitortung von KINEXON? Was<br />
ist der besondere Nutzen von Daten zu<br />
„Zustand“ und „Bewegung“?<br />
Wir alle sprechen von der Entstehung des<br />
Internets der Dinge. Dabei erwarten wir, dass<br />
Dinge in Zukunft vernetzt sind und vollautomatisiert<br />
miteinander interagieren – wie von<br />
unsichtbarer Hand gesteuert. Doch damit dies<br />
gelingt, müssen die Gegenstände zunächst<br />
wissen, wo genau sie sich befinden. Ort, Bewegung<br />
und Zustand sind daher Schlüsselfaktoren<br />
für die Vision des Internets der Dinge.<br />
Die möglichen Anwendungsbereiche<br />
sind sehr breit. Wer aller kann von Ihren<br />
Lösungen profitieren?<br />
KINEXON konzentriert sich auf zwei Geschäftsfelder.<br />
Im Bereich Sport und Medien<br />
unterstützen wir Vereine und Athleten dabei,<br />
ihr volles Potenzial auf gesunde und nachhaltige<br />
Weise auszuschöpfen. Konkret helfen<br />
unsere Lösungen dabei, Leistung, Fitness und<br />
Taktik zu optimieren, Verletzungen zu vermeiden<br />
und die Rehabilitation nach Verletzungen<br />
zu unterstützen. Darüber hinaus bieten unsere<br />
Daten Medienschaffenden die Möglichkeit,<br />
Übertragungen digital anzureichern und dem<br />
Zuschauer dadurch ein neues, faszinierendes<br />
Erlebnis zu bieten.<br />
Im Bereich Produktion und Logistik helfen<br />
wir Kunden dabei, die nächste Produktivitätsebene<br />
zu erreichen, indem wir Qualität,<br />
Kosten und Zeit optimieren. Konkret hilft die<br />
Kombination aus Sensorik und unserer<br />
ist Mitgründer und<br />
Geschäftsführer. Er studierte<br />
Wirtschaftsingenieurwesen<br />
am Karlsruher Institut für<br />
Technologie (KIT). Darüber<br />
hinaus promovierte er an<br />
der Technischen Universität<br />
München.<br />
OLIVER TRINCHERA (L)<br />
ist Mitgründer und<br />
Geschäftsführer. Er studierte<br />
Betriebswirtschaftslehre in<br />
Verbindung mit Elektrotechnik<br />
an der Technischen<br />
Universität München (TUM).<br />
Parallel dazu studierte er<br />
Technologiemanagement am<br />
Center for Digital Technology<br />
and Management (CDTM).<br />
Darüber hinaus promovierte<br />
er an der Technischen<br />
Universität München.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
98<br />
99<br />
„Die Welt um uns herum wird mehr<br />
und mehr vernetzt. In dieser Welt<br />
wollen wir durch Echtzeit-Intelligenz<br />
auch in Echtzeit Werte für unsere<br />
Kunden schaffen.“<br />
ALEXANDER<br />
HÜTTENBRINK (L)<br />
Geschäftsführer KINEXON<br />
OLIVER TRINCHERA (R)<br />
Geschäftsführer KINEXON<br />
INVESTMENT<br />
FACTS<br />
ANTEIL<br />
BETEILIGUNG:<br />
rd. 5 %<br />
ZEITPUNKT DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
2016<br />
ART DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
DIREKTBETEILIGUNG<br />
BEREICH:<br />
INTERNET OF THINGS,<br />
INDUSTRIE- BZW.<br />
MEDIEN- UND SPORT-<br />
ANWENDUNGEN<br />
SITZ:<br />
MÜNCHEN, DEUTSCHLAND<br />
Echtzeit-Computing Lösung dabei, betriebliche Prozesse in<br />
Produktion und Logistik visibel und messbar zu machen.<br />
Dies ist die Grundlage, um Prozesse in Echtzeit optimieren<br />
und automatisieren zu können und damit für den Kunden<br />
Wert zu schaffen. Die Vorteile sind vielfältigst und reichen<br />
von reduzierten Durchlaufzeiten über höhere Produkt- und<br />
Prozessqualität bis hin zu höherer Asset-Auslastung.<br />
Sie arbeiten sowohl mit (Industrie-) Konzernen als<br />
auch mit Sportclubs zusammen. Worin sehen Sie die<br />
größten Unterschiede in der Zusammenarbeit?<br />
Ein Aspekt ist die Visibilität. Durch die mediale Berichterstattung,<br />
insbesondere TV-Übertragungen, sind unsere<br />
Aktivitäten im Sportbereich weltweit sichtbar. Im Industriebereich<br />
unterliegen viele wegweisende Projekte dagegen<br />
eher der Geheimhaltung. Wir sehen aber auch viele Gemeinsamkeiten.<br />
Beide Industrien vereint beispielsweise das<br />
Ziel, die Chancen und Herausforderungen, die sich im<br />
Zuge der digitalen Transformation stellen, erfolgreich zu<br />
meistern.<br />
Was hat für Sie den Ausschlag zur Gründung von<br />
KINEXON gegeben? Hat sich Ihre Vision seit dem<br />
Start verändert?<br />
Wir haben bei Kunden konkrete Probleme gesehen, die<br />
wir mit unserer Idee lösen wollten. KINEXON wurde also<br />
quasi aus der Brille des Kunden erdacht. Die Welt um uns<br />
herum wird mehr und mehr vernetzt. In dieser Welt wollen<br />
wir durch Echtzeit-Intelligenz auch in Echtzeit Werte für<br />
unsere Kunden schaffen. Dabei geht es darum, die Dinge<br />
auf dem schnellsten Wege miteinander zu vernetzen und<br />
dafür zu sorgen, dass sie auf intelligente Weise miteinander<br />
interagieren. Diese Vision geht bis dato gut auf.<br />
Produktentwicklung ist ein Prozess, bei dem nicht<br />
immer alles glatt läuft. Wie gehen Sie mit Fehlern<br />
um und wie motivieren Sie sich erneut?<br />
Wir entwickeln hochinnovative Lösungen und leisten damit<br />
Pionierarbeit. Dabei müssen wir uns unterschiedlichsten<br />
Herausforderungen stellen. Unsere Motivation schöpfen wir<br />
aus einer starken Unternehmenskultur, einer weitreichenden<br />
Vision und den kleinen und großen Erfolgen auf dem Weg,<br />
diese Vision zu erreichen.<br />
Der Erfolg von Unternehmen hängt oft mit dem richtigen<br />
Timing zusammen. Warum ist jetzt der richtige<br />
Zeitpunkt für Ihre Lösungen? Weshalb sind Sie die<br />
Richtigen, das zu tun?<br />
Unsere Kunden stehen in einem weltweiten Wettbewerb. Sie<br />
benötigen unsere Lösungen gerade jetzt zu diesem Zeitpunkt,<br />
wenn sie aus der digitalen Transformation als Sieger<br />
hervorgehen wollen. Dass sie sich dabei für uns entschieden<br />
haben, hat vielfältige Gründe – ein entscheidender war<br />
sicherlich die Alleinstellung unserer Lösungen.<br />
Zu Ihren Aufgaben als Manager gehört unter anderem<br />
die Aufbringung von Kapital für weiteres Unternehmenswachstum.<br />
Was sind für Sie die wichtigsten<br />
Überlegungen bei einer Kapitalrunde?<br />
Es gibt bei einem solch wichtigen Thema eine ganze Reihe an<br />
Überlegungen wie z.B. die angemessene Höhe der Kapitalrunde,<br />
das richtige Timing und die geeignete Art des Kapitals. Ein<br />
besonders wichtiger Aspekt ist die Wahl der Investoren. Hierbei<br />
geht es darum, den richtigen Partner zu finden der unsere<br />
langfristige Vision als Unternehmer nicht nur teilt, sondern<br />
auch über die Qualität verfügt, um diese Vision Wirklichkeit<br />
werden zu lassen.<br />
Sie sind mit Standorten in Europa und den USA<br />
vertreten. Was sind die Vorteile der beiden Standorte<br />
München und New York?<br />
Wir haben in München gestartet, quasi dem IoT Hub in Europa.<br />
Von hier aus konnten wir den europäischen Markt gut<br />
erschließen. Die Eröffnung des Standorts New York bietet<br />
uns Gelegenheit, dieses Kunststück in den USA zu wiederholen<br />
und unseren Wachstumskurs fortzusetzen. In der<br />
täglichen Arbeit zeigt sich, dass die USA durch einen relativ<br />
einheitlichen Sprach-, Rechts-, Wirtschafts- und Währungsraum<br />
die Möglichkeit bieten, sehr schnell zu skalieren.<br />
Welche Meilensteine sehen Sie für Ihr Unternehmen<br />
in den kommenden Jahren?<br />
Wir haben den Anspruch, uns über die nächsten 5 Jahre in<br />
unseren Kernmärkten als weltweit führendes Unternehmen zu<br />
etablieren. Ein sehr ambitioniertes und zugleich motivierendes<br />
Ziel.<br />
Sowohl im Sport- als auch im Industriebereich konnten wir<br />
erste wichtige Meilensteine auf dem Weg dorthin erreichen.<br />
So setzen beispielsweise namhafte Automobilhersteller<br />
weltweit auf unsere Lösungen. In der nordamerikanischen<br />
Profibasketball-Liga NBA nutzen inzwischen über 50 % der<br />
Vereine unsere Produkte.<br />
Welchen Ratschlag würden Sie gerne weitergeben?<br />
Die digitale Transformation verändert viele Bereiche unseres<br />
Lebens – sowohl im privaten als auch im geschäftlichen<br />
Kontext. Wir sollten mit dem Wandel verantwortungsvoll<br />
umgehen und ihn zugleich als Chance begreifen. Ich bin gespannt,<br />
was wir daraus gemacht haben, wenn wir in einigen<br />
Jahren zurückblicken.<br />
Was ist die größte Herausforderung an Ihrer Tätigkeit?<br />
Als Unternehmen im schnelllebigen Technologiesektor ist es<br />
sehr wichtig agil zu sein. Das bedeutet permanent zu lernen,<br />
Kundenbedürfnisse und Trends rasch zu erkennen und<br />
adäquat darauf zu reagieren.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
100<br />
101<br />
TTTECH<br />
GEORG KOPETZ<br />
ist Mitgründer und Vorstand der<br />
TTTech Computertechnik AG.<br />
Er absolvierte ein Studium der<br />
Rechtswissenschaften an der<br />
Universität Wien.<br />
Nach dem Studium schloss er sich<br />
seinem Vater, Professor Hermann<br />
Kopetz und Stefan Poledna an, um<br />
TTTech zu gründen.<br />
D I G I TA L E P L AT T F OR M E N F Ü R<br />
EINE VERNETZTE WELT<br />
INVESTMENT<br />
FACTS<br />
ANTEIL<br />
BETEILIGUNG:<br />
rd. 11 %<br />
ZEITPUNKT DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
2018<br />
ART DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
DIREKTBETEILIGUNG<br />
BEREICH:<br />
INDUSTRIELLE AUTOMATION,<br />
LUFT- UND RAUMFAHRT<br />
AUTOMOBILINDUSTRIE<br />
(TTTECH AUTO)<br />
MOBILE MASCHINEN<br />
(TTCONTROL)<br />
SITZ:<br />
WIEN, ÖSTERREICH<br />
TTTech zählt zu den weltweiten Technologieführern für<br />
Echtzeit-Netzwerkplattformen und Sicherheitssteuerungen. Die Lösungen<br />
kommen bei vielen Anwendungen rund um Industrie 4.0 und<br />
autonomes Fahren zum Einsatz. Gründer und Vorstand Georg Kopetz<br />
erzählt, wie TTTech vom Start-up zum Gamechanger wurde<br />
Was ist der entscheidende Wert der von<br />
TTTech entwickelten Lösungen? Welche<br />
Branchen und Einsatzbereiche profitieren<br />
besonders von Ihren Lösungen?<br />
Unsere Expertise im Bereich zeitgesteuerte<br />
Netzwerke und funktionale Sicherheit ist in<br />
einer automatisierten Welt sehr gefragt. Unsere<br />
Lösungen verbinden die Computersysteme<br />
unterschiedlichster Chiphersteller sicher und<br />
zuverlässig miteinander. Wir sind somit ein<br />
Mittler zwischen der Kundenanwendung und<br />
der Technologieplattform. Der konkrete Wert<br />
unserer Lösungen ist es, „Safety by Design“ für<br />
unsere Kunden bieten zu können und zuverlässige<br />
digitale Plattformen für eine vernetzte<br />
Welt zu liefern.<br />
Unsere beiden Kernbereiche Netzwerkplattformen<br />
und Sicherheit sind im Transportwesen<br />
und im Industriesegment wertvoll. Mit unseren<br />
Lösungen im Bereich Automatisierungstechnologie<br />
machen wir wertvolle Maschinendaten<br />
zugänglich und vernetzen früher abgeschottete<br />
Systeme. Bei den anderen Anwendungen tritt<br />
vor allem der Sicherheitsaspekt in den Vordergrund:<br />
In der Luft- und Raumfahrt und in<br />
der Automobilindustrie, hier vor allem für den<br />
Bereich autonomes Fahren, fungiert unsere<br />
Technologie als „Nervensystem“.<br />
Unser Joint Venture mit HYDAC International<br />
TTControl ist ein Spezialist für funktionale<br />
Sicherheit und bereits länger erfolgreich<br />
mit Sicherheitssteuerungen für Maschinen der<br />
Land- und Forstwirtschaft, dem Bauwesen und kommunale<br />
Fahrzeuge. Hier arbeiten wir nun auch an Konzepten für<br />
den autonomen Betrieb.<br />
Wie verändern Ihre Lösungen rund um das Thema<br />
autonomes Fahren die Mobilität der Zukunft?<br />
Eines der Ziele der Mobilität der Zukunft ist es, die Sicherheit<br />
zu erhöhen. In diesem Bereich können wir mit unseren<br />
Lösungen auf jeden Fall dazu beitragen. Mittelfristig ist mit<br />
dem autonomen Betrieb eine höhere Zuverlässigkeit als im<br />
Betrieb mit einem menschlichen Fahrer möglich. Unsere<br />
Technologie verbindet die Sensoren und die Aktoren, die<br />
dann für die mechanische Umsetzung nötig sind.<br />
Das aktuelle Thema in diesem Bereich ist der Umstieg von<br />
Level 2- zu Level 3-Systemen, von der reinen Fahrerassistenz<br />
zu teilautonomen Funktionen, wo der Computer bereits<br />
in definierten Fahrsituationen das Steuer übernehmen<br />
kann – beispielsweise in einem Stau.<br />
Sie arbeiten mit Konzernen wie Samsung oder SAIC<br />
zusammen. Was ist in der Zusammenarbeit zwischen<br />
Großkonzernen und „jungen“ Unternehmen der<br />
Erfolgsfaktor?<br />
Für uns ist es generell sehr wichtig, mit mehreren Unternehmen<br />
zusammenzuarbeiten, weil wir mit jeder Anwendung<br />
der Technologie lernen und stärker werden. Eine<br />
klare Voraussetzung für so eine Kooperation ist es, dass die<br />
Vision und die Ziele der Unternehmen übereinstimmen.<br />
Außerdem müssen die von beiden Partnern eingebrachten<br />
Fähigkeiten einander ergänzen und für eine optimale<br />
Zusammenarbeit, funktionierende Schnittstellen etabliert<br />
werden. Für die operative Zusammenarbeit muss man als<br />
„Juniorpartner“ anerkennen, dass Normen und Vorgaben<br />
nicht selbst bestimmt werden können.<br />
Was gab für Sie den Ausschlag, gemeinsam mit<br />
Stefan Poledna ein Unternehmen zu gründen, gab es<br />
einen zündenden Moment?<br />
Gegründet wurde das Unternehmen ursprünglich von<br />
meinem Vater, Professor Hermann Kopetz, Stefan Poledna<br />
und mir. Mein Vater hat das wirtschaftliche Potenzial der<br />
von ihm erforschten Technologie erkannt, allerdings auch<br />
gleichzeitig gesehen, dass es ein Unternehmen als treibende<br />
Kraft hinter Anwendungen braucht.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
102 103<br />
„Unsere Vision war es<br />
schon immer, mehr<br />
Verlässlichkeit und Sicherheit<br />
in eine zunehmend vernetzte<br />
Welt zu bringen.“<br />
M AT E R I A L I E N ,<br />
A U S D E N E N U N S E R E Z U K U N F T<br />
GEBAUT WIRD<br />
Als weltweit führende Plattform für Materialentwicklung unterstützt<br />
Citrine renommierte Unternehmen bei der Beschleunigung ihrer<br />
Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Gründer und CEO Gregory Mulholland<br />
erklärt, wie Citrine zu einer effizienteren und nachhaltigeren Welt beiträgt.<br />
STEFAN POLEDNA (L)<br />
GEORG KOPETZ (R)<br />
GREGORY MULHOLLAND<br />
Vorstandsmitglieder<br />
TTTech<br />
Der zündende Moment war dann definitiv die Entscheidung<br />
von Stefan Poledna, den Sprung von einem Großkonzern<br />
wie Bosch in die Start-up-Welt zu wagen und diese Technologie<br />
unternehmerisch zu begleiten. Ich selbst war damals<br />
grade mit dem Studium fertig und habe mich dann dem<br />
Gründungsteam angeschlossen.<br />
TTTech wurde vor 20 Jahren gegründet, seither hat<br />
sich gerade die IT rasant entwickelt. Wie sehr hat<br />
sich Ihre Vision seit dem Start verändert?<br />
Unsere Vision war es schon immer, mehr Verlässlichkeit<br />
und Sicherheit in eine zunehmend vernetzte Welt zu<br />
bringen. Daran hat sich in den letzten Jahren im Wesentlichen<br />
nicht viel verändert, da der Trend bereits damals<br />
erkennbar war. Die Tragweite und die Möglichkeiten waren<br />
allerdings noch nicht in vollem Umfang vorherzusehen.<br />
Sie haben als Spin-off der TU Wien gestartet, Forschung<br />
ist essenzieller Teil der TTTech. Worin sehen<br />
Sie Unterschiede zwischen universitärer Forschung<br />
und Forschung innerhalb eines Unternehmens? Wie<br />
gelingt es Ihnen eine Unternehmenskultur zu etablieren,<br />
in der Forschung gefördert wird?<br />
Vor allem kleinere Unternehmen müssen in der Forschung<br />
ganz stark kundenorientiert sein, und den Product-/Market-Fit<br />
schaffen, sonst kann man nicht bestehen, das ist an<br />
den Universitäten nicht in diesem Ausmaß notwendig. Der<br />
Austausch zwischen Forschungsinstitutionen ist daher auch<br />
einfacher – Unternehmen haben oft die Angst, dass Konzepte<br />
und Ideen kopiert oder übernommen werden.<br />
Forschung ist bei TTTech seit der Gründung in der DNA.<br />
Unsere hauseigene Forschungseinheit TTTech Labs arbeitet<br />
eng mit Forschungsinstitutionen zusammen. Wir können<br />
von der Grundlagenforschung, die dort passiert, enorm viel<br />
lernen. Mit unserer Stiftungsprofessur im Bereich „Autonome<br />
Systeme“ an der TU Wien, die wir gemeinsam mit der<br />
B&C Stiftung finanzieren, geben wir auch wieder etwas an<br />
die Community zurück.<br />
Welche Meilensteine sehen Sie für Ihr Unternehmen<br />
in den kommenden Jahren?<br />
Generell wird es eine stärkere Verschmelzung der Märkte<br />
geben, für die wir derzeit schon tätig sind. Ein Beispiel ist<br />
die Übersetzung von Technologien aus der Automobilindustrie<br />
in den Bereich der Spezialfahrzeuge. Es zeichnet<br />
sich außerdem ab, dass die Luft- und Raumfahrt näher mit<br />
dem Thema Logistik zusammenrücken wird, beispielswiese<br />
mit hybriden Transportmittel, die sich in der Luft und auf<br />
der Straße bewegen können.<br />
Hier sind wir mit dem breiten Marktwissen innerhalb der<br />
TTTech Group gut aufgestellt. Als Unternehmen möchten<br />
wir international weiter wachsen.<br />
CITRINE<br />
Was ist der entscheidende Wert der<br />
Material-Plattform von Citrine?<br />
Wer profitiert besonders davon?<br />
Die einzigartige Citrine-Plattform ermöglicht<br />
Herstellern von Chemikalien und Materialien, ihre<br />
Entwicklungsaktivitäten deutlich zu beschleunigen<br />
und effizienter zu gestalten.<br />
Was hat für Sie den Ausschlag zur<br />
Gründung von Citrine gegeben, gab es<br />
einen zündenden Moment? Hat sich<br />
Ihre Vision seit dem Start verändert?<br />
Wir sehen unsere Mission darin, ein Materialdatenökosystem<br />
zu fördern, das Entwicklungssprünge<br />
in der Entwicklung und der Produktion<br />
ermöglicht und so zu einer effizienteren,<br />
nachhaltigeren Welt beiträgt. Daran hat sich<br />
nichts geändert. Der Impuls zur Nutzung<br />
von maschinellem Lernen, um die Materialentwicklung<br />
voranzutreiben, wurde durch die<br />
Beschleunigung der Produktentwicklung<br />
gesetzt. Die Kunden verlangen in immer kürzer<br />
werdenden Zyklen leistungsfähigere Produkte,<br />
für die wiederum leistungsstärkere Materialien<br />
benötigt werden.<br />
Die Anforderungen, mit denen Unternehmen<br />
der Chemie- und Materialbranche konfrontiert<br />
sind, ändern sich schneller als je zuvor. Wir haben<br />
bewiesen, dass das Sammeln, Aufbewahren und<br />
Bereitstellen von Materialdaten sowie die Nutzung<br />
von maschinellem Lernen, vor allem für komplexe<br />
Materialien, den Entwicklungsprozess maßgeblich<br />
beschleunigt.<br />
ist Mit-Gründer und CEO von<br />
Citrine Informatics, Inc. Er<br />
studierte an der NC State University,<br />
an der Cambridge University sowie<br />
an der Stanford Graduate School<br />
of Business.<br />
Greg ist anerkannter<br />
Experte für Materialtechnologie<br />
und geschätzter Vortragender<br />
bei internationalen Fach-Konferenzen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
104<br />
105<br />
„Wir sehen unsere Mission darin, ein<br />
Materialdatenökosystem zu fördern, das<br />
Entwicklungssprünge in der Entwicklung und<br />
der Produktion ermöglicht und so zu<br />
einer effizienteren, nachhaltigeren Welt beiträgt.“<br />
GREGORY MULHOLLAND<br />
INVESTMENT<br />
FACTS<br />
ANTEIL<br />
BETEILIGUNG:<br />
rd. 4 %<br />
ZEITPUNKT DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
2018<br />
ART DER<br />
BETEILIGUNG:<br />
WANDELSCHULDVER-<br />
SCHREIBUNG<br />
BEREICH:<br />
SOFTWARE, BIG DATA,<br />
ADVANCED MATERIALS<br />
SITZ:<br />
SILICON VALLEY,<br />
REDWOOD CITY,<br />
KALIFORNIEN/USA<br />
Produktentwicklung ist ein Prozess bei<br />
dem nicht immer alles nach Plan läuft.<br />
Wie gehen Sie mit Fehlern um und wie<br />
motivieren Sie sich erneut?<br />
Wir haben eine neue Technologie entwickelt,<br />
und wie bei jedem anderen Entwicklungsprozess<br />
gerät man auch in Sackgassen. Wir haben<br />
ein erfahrenes Team damit betraut, dieses Risiko<br />
abzufedern und freuen uns alle sehr über die<br />
Meilensteine, die wir bisher erzielen können.<br />
Die Plattform ist – mit unterschiedlichen<br />
Angeboten – sowohl für Forschungsinstitutionen<br />
als auch für Unternehmen<br />
zugänglich. Was ist der Vorteil dieses<br />
dualen Ansatzes?<br />
Akademische Forschung legt den Grundstein<br />
für innovative Materialien. Wir zeigen<br />
Forschern und ihren Studenten, wie sie unsere<br />
Technologie nutzen können, damit sie diese in<br />
der Industrie zu marktreifen Produkten entwickeln<br />
können.<br />
Ihr Standort befindet sich im Silicon<br />
Valley. Wie würden Sie den „Spirit“<br />
beschreiben? Welche Vorteile ergeben<br />
sich für Citrine daraus?<br />
Im Silicon Valley arbeiten viele Menschen mit<br />
hoher Motivation daran, neue Technologien<br />
zu entwickeln und zu skalieren. Durch diese<br />
Innovationen wird sich die Art und Weise, wie<br />
wir zusammenleben, maßgeblich verändern.<br />
Der Vorteil des Standorts ist die Nähe zu<br />
talentierten Entwicklern, Wissenschaftlern und<br />
anderen Experten, die diese neuen Ideen in die<br />
Tat umsetzen. Es ist wirklich ein aufregender<br />
Ort.<br />
Zu Ihren Aufgaben gehört unter anderem<br />
die Auf bringung von Kapital für<br />
weiteres Unternehmenswachstum. Was<br />
sind für Sie die wichtigsten Überlegungen<br />
bei einer Kapitalrunde?<br />
Wir wollen mit Investoren zusammenarbeiten,<br />
die unsere Mission verstehen, uns unterstützen<br />
können und über Kontakte zu potenziellen<br />
Mitarbeitern, Experten und Kunden verfügen,<br />
die uns dabei helfen können, den nächsten<br />
Schritt erfolgreich zu setzen.<br />
Mit B&C Innovation Investments haben<br />
Sie einen Investor aus Österreich. Warum<br />
haben Sie sich dafür entschieden?<br />
B&C Innovation Investments teilt unsere Werte<br />
und unser Bekenntnis zu Spitzenleistungen.<br />
Außerdem verstehen wir auch, wie wichtig es<br />
ist, einen Partner in Europa zu haben, da sich<br />
hier einige der renommiertesten und wichtigsten<br />
Material- und Chemieunternehmen<br />
weltweit befinden.<br />
Welche Meilensteine sehen Sie für<br />
Ihr Unternehmen in den kommenden<br />
Jahren?<br />
Wir sind Marktführer im Bereich der Materialinformatik.<br />
Wir unterstützen führende<br />
Material- und Produkthersteller dabei, mit<br />
Hilfe unserer Technologieplattform am Markt<br />
Erfolg zu haben. Wir wollen unser Kundenportfolio<br />
deutlich ausbauen.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
106<br />
Impressum<br />
MEDIENINHABER<br />
UND HERAUSGEBER<br />
B&C Industrieholding GmbH<br />
Universitätsring 14, 1010 Wien<br />
T +43 1 531 01 - 0<br />
E office@bcholding.at<br />
www.bcholding.at<br />
KONZEPT UND GESTALTUNG<br />
Projektagentur Weixelbaumer<br />
www.projektagentur.at<br />
Projektleitung: Christine Weixelbaumer<br />
TEXT<br />
Alexandra Kropf<br />
Tino Schulter<br />
DRUCK<br />
Gutenberg-Werbering<br />
Gesellschaft m.b.H.<br />
LEKTORAT<br />
Helmut Maresch<br />
www.typokorrektor.at<br />
BILDNACHWEISE<br />
Robert Maybach, AMAG Austria Metall AG, Lenzing AG,<br />
Semperit AG Holding, gettyimages, Zsolnay Verlag,<br />
Heribert Corn, Christina Anzenberger-Fink TTTech, Citrine, Flightkeys, KINEXON,<br />
Christina Anzenberger-Fink<br />
Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem <strong>Jahrbuch</strong> darauf verzichtet, geschlechtsspezifische Formulierungen<br />
zu verwenden. Soweit personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie<br />
sich auf Männer und Frauen in gleicher Weise.
B & C<br />
JAHRBUCH 2018<br />
110