Fraenkische-Nacht-September-2019-ALLES
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musiktipps<br />
franco ambrosetti quintet<br />
Long Waves<br />
Unit Records<br />
bon iver<br />
i,i<br />
Jagjaguwar<br />
Vielleicht darf es mal etwas Jazz sein? Zumal<br />
wenn die langen Wellen – „Long Waves“ –<br />
des heißen Sommers am Strand noch im<br />
Ohr klingen und der Sand unter den Füßen<br />
kribbelt. Der mittlerweile 77-jährige Schweizer<br />
Trompeter Franco Ambrosetti hat in einer<br />
Quintett-Besetzung aus lauter Weltstars ein<br />
neues Album herausgebracht, das den Sommer<br />
nachklingen lässt. Mit von der Partie sind<br />
viele Musiker, von denen die meisten bereits<br />
in der Band von Miles Davis zu Ruhm und Ehren<br />
gelangten: Gitarrist John Scofield, Pianist<br />
Uri Caine, Schlagzeuger Jack DeJohnette und<br />
Bassist Scott Colley. Vier Eigenkompositionen,<br />
ein Stück seines Wegbegleiters George<br />
Gruntz und zwei Evergreens spielt Ambrosetti<br />
hier auf einer Wellenlänge mit dieser edlen<br />
Band. Er selbst bevorzugt in den Aufnahmen<br />
das weicher klingende Flügelhorn statt der<br />
Trompete, was den Sound angenehm macht.<br />
Ob es die argentinisch inspirierte „Milonga“<br />
zu Anfang ist oder eines der beiden Stücke,<br />
die er seiner Frau Sili gewidmet hat - „Sili´s<br />
Long Wave“ und „Sili´s Waltz“ - sie alle sind<br />
gut hörbar und doch recht anspruchsvoll,<br />
weshalb man sich in diesen Jazz erst etwas<br />
einhören muss. Helmut Ölschlegel<br />
Diesmal hat es nur drei Jahre gedauert, bis<br />
der wichtigste Gegenwartsmusiker abseits des<br />
Mainstreams von seiner Wolke in Eau Clair,<br />
Wisconsin herabsteigt, um die Hörgewohnheiten<br />
seines geneigten und, aller Kryptik zum<br />
Trotze, stadionfüllenden Publikums aufs Neue<br />
umzukrempeln. Doch wer dem kreativen Geist<br />
von Justin Vernon mit Erwartungshaltungen<br />
begegnet, ist selbst Schuld: Statt radikaler Neuerfindung<br />
ist „i,i“ zur Synthese seines bisherigen<br />
Schaffens geraten, welche die Intimität des Debüts<br />
durch die Weltumarmung des Zweit- und<br />
die Schroffheit des Drittwerks nicht konterkariert,<br />
sondern sublimiert, wenn Albumhighlight<br />
„Faith“ als liebliche Akkustikballade plötzlich<br />
auf verzerrtem Bass groovt und faucht, um<br />
schließlich wieder im weichen Klangteppich<br />
aus Chören und Holzbläsern zu landen. Der<br />
überwiegenden Sperrigkeit des ersten Gesamteindrucks<br />
setzt Vernon mit „U (Man Like)“ und<br />
„Hey Ma“ nicht nur seine eingängigsten Momente<br />
seit „Skinny Love“ entgegen, sondern beweist<br />
Song um Song aufs Neue, dass er aus jedem<br />
noch so unscheinbaren, strukturbefreiten<br />
und befremdlichen Klangszenario mit einer Gesangslinie<br />
emporsteigen kann, die sich für die<br />
Ewigkeit ins Gedächtnis gräbt. Maximilian Beer<br />
bohemian rhapsody<br />
Soundtrack<br />
Universal Music<br />
drab majesty<br />
Modern Mirror<br />
Dais Records<br />
Warum ich Queen so mag: Als Grundschulkind<br />
fand ich es faszinierend, als<br />
sich meine Mutter auf den Boden setzte<br />
und „We will rock you“ klatschte – was für<br />
ein schönes Spiel! Außerdem hatte meine<br />
Mutter Tränen in den Augen als Freddy<br />
Mercury starb, er musst also jemand ganz<br />
Besonderes sein, auch wenn wir ihn doch<br />
gar nicht kannten. Um meine Mutter zu<br />
trösten hieß meine Barbie-Puppe von diesem<br />
Tag an Freddy und nicht mehr Ken.<br />
Wie diese Rezension zum Soundtrack von<br />
„Bohemian Rhapsody“ ausfällt, sollte jetzt<br />
wohl klar sein: Positiv natürlich, allein<br />
schon meiner Mutter zuliebe. Aber tatsächlich<br />
gibt es kaum etwas zu kritisieren.<br />
Schließlich erscheinen hiermit erstmals<br />
auch Mitschnitte vom legendären Live-<br />
Aid-Auftritt der Band. Allerdings sind die<br />
Aufnahmen über 30 Jahre alt, das muss<br />
man sich beim Hören bewusst machen. Es<br />
knackt und rauscht manchmal oder klingt<br />
durch die Remaster-Versuche stellenweise<br />
ein bisschen flach. Dafür kann man sich<br />
endlich wieder auf den Boden setzten und<br />
„We will rock you“ klatschten – was für ein<br />
schönes Spiel!<br />
Sabine Mahler<br />
Die musikalische Rehabilitation der 80er<br />
Jahre war ja längst überfällig. Immerhin<br />
hatte diese oft verpönte Dekade<br />
weit mehr zu bieten als infantilen NDW-<br />
Nonsens, peinlichen Hairspray-Metal und<br />
Mainstream-Plagen wie Tina Turner und<br />
Phil Collins. Gerade im Indie-, Wave- und<br />
Postpunk-Genre dürfen die seligen Eighties<br />
durchaus als stilbildend gelten. Frag nach<br />
bei Deb Demure und Mona D. aka Drab<br />
Majesty. Das sich futuristisch-androgyn und<br />
auch etwas spooky gebende Duo aus Los<br />
Angeles erweist auf seinem dritten Album<br />
„Modern Mirror“ Ikonen wie New Order,<br />
The Cure oder Depeche Mode seine Reminiszenz,<br />
dennoch wirkt der atmosphärische,<br />
zwischen unterkühlter Melancholie und<br />
euphorischer Tanzbarkeit schwankende<br />
Synthie-Pop dank zeitgemäßer Dreampop-<br />
und Cold-Wave-Anleihen nie wie<br />
ein bloßes Plagiat. Dass das ambitionierte<br />
Konzeptalbum Ovids „Narziss“ neu interpretiert,<br />
mag für Bildungsbürger ein netter Nebenaspekt<br />
sein. Kleine Hymnen wie „Ellipsis“<br />
oder „Oxytocin“ würden aber auch prima<br />
auf den Soundtrack zum Retro-Serienhit<br />
„Stranger Things“ passen. Uli Digmayer<br />
KURZ &GUT<br />
„I dress up nice / I feel alright / I get loaded<br />
/ And I come home late at night“ ...<br />
Dass Jake Ewald ziemlich gut darin ist, das<br />
Gefühls- und Alltagsleben junger und junggebliebener<br />
Menschen zu antizipieren, ist<br />
nicht erst seit Modern Baseballs „Tears over<br />
Beers“ klar. Gleich im Opener des dritten<br />
Albums seines Nicht-Mehr-Neben-Projekts<br />
Slaughter Beach, Dog erneuert der Slacker<br />
aus Philadelphia sein Prinzip der schlichten<br />
Ästehtik eindrucksvoll. Einfachheit bedeutet<br />
auch auf „Safe and Also No Fear“ keinesfalls<br />
Einfältigkeit. Für Indierockfans ist<br />
das erstklassige Erwachsenenunterhaltung<br />
auf höchstem Niveau. cro<br />
The Hold Steady ist ein Paradebeispiel dafür,<br />
dass man es im Mutterland des Rock‘n‘Roll<br />
mit den Grenzen zwischen Indie und Mainstream<br />
nicht allzu genau nimmt. Acht Alben<br />
zwischen Formatradio und College-Radio-<br />
<strong>Nacht</strong>programm haben die New Yorker in<br />
den letzten 15 Jahren veröffentlicht. Auch<br />
bei „Thrashing Thru The Passion“ ist man sich<br />
nicht sicher, ob Bruce Springsteen und Meat<br />
Loaf (auch Pete Frampton wurde schon genannt,<br />
igitt!) als Referenzen herhalten sollen<br />
oder eben Hüsker Dü und Lou Reed. Für<br />
ernsthafte Pop- und Rockmusikfans sollte es<br />
sich aber lohnen, sich auch bei diesem Album<br />
selbst eine Meinung zu bilden. cro<br />
DJ-Toplist > <strong>September</strong><br />
Alejandro Zetterowsky<br />
1. Boz Scaggs - I‘ll Be Long Gone<br />
2. Silver Jews - Punks In The Beerlight<br />
3. Bonnie ‚Prince‘ Billy - Cursed Sleep<br />
4. Purple Mountains - Darkness And Cold<br />
5. Jets To Brazil - Sweet Avenue<br />
6. Weakerthans - Sun In An Empty Room<br />
7. Slint - Good Morning, Captain<br />
8. Anika - No One‘s There<br />
9. Leatherface - Not A Day Goes By<br />
10. Fever Ray - Keep The Streets Empty For Me<br />
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