Weihnachtskatalog
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Romane und Erzählungen
Helga Bürster: Luzies Erbe.
Nach ihrem Tod hinterlässt die fast hundertjährige Matriarchin Luzie
Mazur ihrer Familie kaum mehr als einen abgewetzten Koffer voller
Erinnerungen und fast ein Jahrhundert „Mazur‘sches Schweigen“.
Besonders ihre Enkelin Johanne, selbst längst in ihren Fünfzigern, will
die Ursachen dieses Schweigens erforschen. Was ist damals passiert,
als ihre Großmutter sich in jungen Jahren in den „Fremdarbeiter“
Jurek verliebt hat? Johanne will endlich Frieden schließen mit der
Geschichte ihrer Familie und dem bis in die Gegenwart andauernden
Getuschel der Leute im Dorf. Und sie will mehr über ihn erfahren,
Luzies große Liebe Jurek, eine Liebe, die nicht sein durfte …
Insel Verlag 22,00 € (D) 22,70 € (A) 77 19 23 41
Leseprobe
Johanne stand immer noch da und Dr.
Petermann las ihr die Frage von der Stirn ab.
„Das war Engelwurz, mien Deern.“
„Wofür ist der gut?“
© Uwe Stalf/Insel Verlag
„Fürs Sterben. Deine Großmutter hat bannig Last damit. Muss wohl
noch was mit sich ausmachen.“
Ja, das musste sie. Es war das „Mazur’sche Schweigen“, das ihrer
Großmutter das Sterben madig machte. Nur konnte man das nicht
einfach abschütteln. Es saß ihnen allen fest im Nacken.
In der Nacht war es dann doch so weit. Luzie starb ein letztes Mal
und blieb tot. Als sie es auch nach einer halben Stunde noch war,
schlug Thea die Arme fröstelnd um ihre Schultern und lief in die
Küche, um Kaffee aufzubrühen, obwohl sie das gerade erst getan
hatte. Es war ein Reflex. Johanne blieb bei der Toten und sah dabei
zu, wie die Zeit in Luzies Zimmer aufriss und die große Lüge preisgab.
Es existierte gar kein Unterschied zwischen Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Luzie war nicht mehr, aber nichts war vorbei.
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