Sport Panorama - Ausgabe 4 2019
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Lauftreff<br />
13 Viktoria<br />
Einer von Fünfundzwanzigtausend<br />
CPH-Half/ Halbmarathon Kopenhagen 15.9.<strong>2019</strong><br />
Mishell: Dänisch ist schon eine<br />
interessante Sprache. Wenn<br />
die Dänen loslegen, versteht<br />
man absolut nix, man könnte<br />
auch in China sein. Aber Kopenhagen<br />
ist international, an<br />
diesem Wochenende im September<br />
sowieso. 25.000 Läufer<br />
aus 108 Nationen werden beim<br />
Halbmarathon an den Start gehen.<br />
Und Klaus wird einer von<br />
diesen fünfundzwanzigtausend<br />
sein.<br />
Abends vorher essen wir Tapas<br />
beim Spanier, hinter uns<br />
sitzen Franzosen, etwas weiter<br />
hört es sich nach italienisch an,<br />
neben uns wird etwas Undefinierbares<br />
gesprochen, vielleicht<br />
schwedisch? Die Kellner<br />
sprechen untereinander spanisch,<br />
wir verständigen uns alle<br />
irgendwie auf Englisch. Das ist<br />
Europa. Ist doch toll, oder?<br />
Am Wettkampftag leihen wir<br />
uns Fahrräder. Kopenhagen ist<br />
wegen des Laufes für Autos<br />
weitgehend gesperrt, es fahren<br />
also auch keine Busse. Die Metroverbindung<br />
wird erst in zwei<br />
Wochen fertig, da ist radeln<br />
das Naheliegendste. Angeblich<br />
sind Fahrräder das Hauptverkehrsmittel<br />
in Kopenhagen.<br />
Es gibt breitangelegte<br />
Fahrradstraßen,<br />
sogar eigene Brücken,<br />
nur für Fahrräder. Ohne<br />
CO2 Fußabdruck erreichen<br />
wir das Wettkampfkampfgelände.<br />
Die Startnummern haben<br />
wir Freitag schon abgeholt,<br />
also kein Stress<br />
beim Anstehen. Wir<br />
schauen uns in Ruhe um,<br />
schießen ein paar Fotos.<br />
Dann trennen sich unsere<br />
Wege. Viel Glück Klaus!<br />
Klaus: Da wir frühzeitig zur<br />
Startzone aufgebrochen sind,<br />
kommt es mir gar nicht so vor,<br />
dass hier insgesamt 25000<br />
Läufer ihr Kommen angemeldet<br />
haben. Ich suche in Ruhe<br />
meinen Startbereich, wo ich<br />
meine Garderobe in eine vorbereitete<br />
Plastiktasche stecke<br />
und abgebe.<br />
Da es eigentlich regnen soll,<br />
ziehe ich mir noch schnell meine<br />
„Universalregenbekleidung“<br />
über. Man weiß ja nie. Außerdem<br />
wärmt sie mich etwas.<br />
Nervös bin ich schon. Aber<br />
das ist vor einem Wettkampf ja<br />
normal.<br />
So gegen 11 Uhr 10 wird es<br />
richtig voll. Die Läufer sind in<br />
ihren Startgruppen versammelt,<br />
und nicht nur ich trete<br />
ständig vom linken auf den<br />
rechten Fuß. So langsam wird<br />
es ernst und alle sind etwas<br />
aufgeregt.<br />
Zwei blonde, dänische<br />
Schönheiten beginnen laut zu<br />
singen, live übertragen und auf<br />
allen Monitoren zu sehen. Ich<br />
vermute, dass es die dänische<br />
Nationalhymne ist. Den dänischen<br />
Läufer neben mir will ich<br />
nicht fragen, um ihn nicht in<br />
seiner Andacht zu stören.<br />
Mishell: 11.15 der Startschuss<br />
ist gefallen. Die Elite liegt eng<br />
beisammen. Mann, haben die<br />
ein Tempo drauf. Ich bin vom<br />
Start etwa 400 Meter weiter<br />
die Straße runtergegangen.<br />
Dort ist es nicht so voll und ich<br />
kann gut sehen, was auf der<br />
Strecke passiert. Angestrengt<br />
beobachte ich in den nächsten<br />
Minuten die immer dichter<br />
werdende Menge an Läufern.<br />
Klaus kann ich im Gewühle<br />
nicht entdecken. Mein live Tracker<br />
sagt mir, dass er schon<br />
fünf Minuten unterwegs ist.<br />
Fünf Minuten braucht er für die<br />
paar hundert Meter wohl nicht,<br />
dann ist er vorbei und ich habe<br />
ihn verpasst. Na, egal, langsam<br />
kehre ich um und gehe Richtung<br />
Start zurück. Ich finde ein<br />
nahezu optimales Plätzchen<br />
auf einer kleinen Mauer. Von<br />
hier werde ich bestens den<br />
späteren Zieleinlauf verfolgen<br />
können.<br />
Klaus: So gegen 11 Uhr 20<br />
passiere ich die Startlinie. Ich<br />
passe mich dem Tempo der<br />
Menge an. Ein prüfender Blick<br />
auf meine Uhr sagt mir allerdings:<br />
Ich laufe zur<br />
Zeit viel zu schnelles<br />
Tempo. Aber nach dem<br />
Motto „Tempo raus<br />
nehmen kann ich immer<br />
noch“, laufe ich<br />
einfach weiter.<br />
Die Strecke ist komplett<br />
für den Verkehr gesperrt.<br />
Überall stehen begeisterte Zuschauer<br />
und feuern uns lautstark<br />
an. Zum Glück sind die<br />
Straßen sehr breit, so habe ich<br />
genügend Platz, um mein eigenes<br />
Tempo zu laufen.<br />
Mishell: Mein Platz ist perfekt.<br />
Hier gehe ich keinen<br />
Schritt mehr weg! Auf der Leinwand<br />
kann ich das Führungsfeld<br />
verfolgen. Die 10 km hat<br />
Geoffrey Kamworor aus Kenia<br />
in 27:34 passiert. Der Moderator<br />
ist ganz aus dem Häuschen,<br />
das könnte einen neuen Weltrekord<br />
geben. Na ja, denke ich,<br />
ist ja erst die Hälfte, bis zum<br />
Ziel kann ja noch viel passieren.<br />
Um 12.00 Uhr starten die<br />
Letzten. Es sind Menschen mit<br />
Handicaps, meist im Rolli sitzend.<br />
Junge Leute ohne Handicap<br />
begleiten sie. Gelebte<br />
Inklusion. Sie werden von den<br />
Zuschauern frenetisch verabschiedet.<br />
Klaus: Der erste Wasserstand<br />
kommt nach ca. 4 km. Ich folge<br />
dem Rat der „alten Hasen“ aus<br />
dem Lauftreff immer wenigstens<br />
ein bisschen zu trinken.<br />
Zwei Schluck reichen, das kostet<br />
kaum Zeit. Dann weiter.<br />
Mishell: Auf dem live Tracker<br />
kann ich sehen, dass Klaus nun<br />
seit ebenfalls knapp 27 Minuten<br />
unterwegs ist. Er hat allerdings<br />
gerade die 5 km hinter<br />
sich gebracht, ist aber, wie ich<br />
finde ziemlich flott unterwegs.<br />
Hoffentlich hält er das durch.<br />
Ich bin aufgeregter, als würde<br />
ich selbst mitlaufen….<br />
Geoffrey Kamworor aus Kenia<br />
ist weiter auf Weltrekordkurs.<br />
Die 20 Kilometermarke<br />
hat er in 55:00 passiert. Jetzt<br />
scheint ihn nichts mehr aufzuhalten.<br />
Die Konkurrenz ist<br />
längst abgehängt. Ich zücke<br />
mein Smartphone. Die Zuschauer<br />
jubeln. Ist das aufregend!<br />
Da, keine zehn Meter<br />
von mir entfernt, läuft er vorbei.<br />
Juchhuu, das habe ich per<br />
Video für meine persönliche<br />
Ewigkeit festgehalten. Leicht,<br />
völlig unangestrengt sieht es