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Editorial Glauben leben 3
OHNMACHT BEDEUTET NICHT HOFFNUNGSLOSIGKEIT
JESUS WEINT
Jesus: «Ich bin die Auferstehung, und ich bin das Leben. Wer an mich
glaubt, der wird leben, selbst wenn er stirbt.» (Johannes 11,25)
Rolf Rupp,
Öffentlichkeitsarbeit HMK
Liebe Leserin, lieber Leser
Hoffnungsvoll unterwegs war das Motto
der HMK im 50. Jahr ihres Bestehens.
Auch im neuen Jahr wollen wir
hoffnungsvoll unterwegs sein. Doch was
ist, wenn Hoffnung im Leid und Schmerz
verloren geht?
Wo keine Hoffnung mehr zu sein scheint
Nach den Bombenanschlägen auf
Kirchen in Sri Lanka an Ostern
2019 telefonierte ich mit unserem
Projektpartner dort. Er berichtete mir
von einem Ehemann und Vater, der bei
den Anschlägen Frau und Kind verloren
hatte. Der Mann war kein Christ und
hatte deshalb den Gottesdienst nicht
besucht. Er blieb zurück in tiefer
Verzweiflung. Was für eine Hoffnung
bleibt dem jungen Mann? Der Partner
erzählte mir auch von dem Mädchen, das
kurz wegging und ihrem kleinen Bruder
einschärfte, an einer bestimmten Stelle
auf sie zu warten. Dort wurde er von der
Explosion tödlich getroffen. Welchen
Trost gibt es für dieses Mädchen?
Jesus unter den Trauernden
In Johannes 11, ab Vers 17, begegnen
wir Jesus in einer Situation, die auf den
ersten Blick wenig Hoffnung versprüht.
Lazarus, ein guter Freund von Jesus, ist
krank. Als Jesus einige Tage später bei
der Familie eintrifft, ist Lazarus bereits
gestorben und begraben. Die Schwestern
des Lazarus, seine Verwandtschaft und
Nachbarn stehen mitten im Prozess
der Trauer, was in ihrer Kultur mit viel
Tränen und Wehklagen geschieht.
Jesus stösst auf diese trauernden,
verzweifelten Menschen – und beginnt
zu weinen. Was für eine Hoffnung ist ein
weinender Jesus? Gerade noch hatte
Marta bezeugt: Du bist Christus, der
Sohn Gottes. Und jetzt ist dieser Sohn
Gottes selbst in Tränen aufgelöst. Die
Menschen um Jesus herum denken, es
sei aus Trauer über den Verlust Seines
guten Freundes. Andere wundern sich,
ob Jesus es bereut, dass Er zu spät kam.
Man spürt den Vorwurf, Jesus hätte das
doch verhindern sollen. Andererseits
wusste Jesus ja bereits, dass es ein
«Happy End» geben wird und Lazarus
vom Tod auferweckt wird. Weshalb weint
Jesus dann?
Mein Schmerz ist auch Sein Schmerz
In diesem Moment der Trauer und
Verzweiflung macht Jesus, was mir oft
so schwerfällt: Er leidet mit. Er spürt den
Schmerz und die Hoffnungslosigkeit. Er
lässt sich davon berühren, Er lässt den
Schmerz der Menschen, die Er liebt, in
Sein Herz sinken und lässt sich davon
überwältigen. Noch ist kein Wunder
geschehen, noch ist nichts besser
geworden, doch für mich strahlt Jesus
bereits Hoffnung aus: Er ist ganz nahe
bei uns Menschen, mein Schmerz ist
auch Sein Schmerz.
Ohnmacht bedeutet nicht Hoffnungslosigkeit
Als Hilfswerk haben wir uns den Auftrag
gesetzt, Menschen in Not zu helfen.
Sehr oft können wir mit unserer Hilfe
viel Gutes bewirken und Leid lindern.
Doch es gibt Situationen, in denen wir
aus menschlicher Perspektive nicht
viel ausrichten können. Wir sind ratlos,
ohnmächtig und überwältigt von der Not,
die wir sehen. Doch meine Ohnmacht
bedeutet nicht Hoffnungslosigkeit. Ich
bin überzeugt, Jesus weint noch heute.
Jesus weint mit dem jungen Ehemann
und Vater nach dem Verlust seiner
Familie. Er weint mit dem Mädchen in
Sri Lanka, das ihren Bruder verloren hat.
Er weint mit den Menschen in Syrien,
die einmal mehr auf der Flucht sind, und
Er weint mit den Menschen im Jemen,
die nicht wissen, woher sie ihre nächste
Mahlzeit bekommen sollen.
Auch im Schmerz ganz nahe
Ist das genug, um hoffnungsvoll
unterwegs zu sein? Für mich schon.
Natürlich traue ich Jesus mehr zu, ich
traue Ihm alles zu. Schliesslich hat Jesus
dann auch Lazarus vom Tod auferweckt.
Doch in diesen Momenten, wenn die
Wunder noch nicht sichtbar sind, bin ich
getrost, weil ich weiss, dass Jesus mir
auch im Schmerz ganz nahe ist.