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Auf seinem Hof im sächsischen Bärenstein hat Falk Bräuer ein<br />
ökologisches Mikrosystem geschaffen: Käse, Wolle, Fleisch, alles wird<br />
verwertet – und nebenbei auch für Toleranz unter den Schafen gesorgt<br />
Text Annika Zieske Foto Jasmin Zwick<br />
Unter<br />
schwarzen<br />
Schafen<br />
Wenn die kleine Digitalstoppuhr anfängt, grün zu<br />
leuchten, muss alles ganz schnell gehen: Falk Bräuer steht in der<br />
Käserei seines Milchschafhofs im sächsischen Bärenstein, es herrschen<br />
circa 30 Grad, und die Luftfeuchtigkeit ist tropisch. Gerade<br />
noch hat er mit gleichmäßigen Bewegungen in einem riesigen<br />
Stahlkessel gerührt, in dem der Schafskäse genau die richtige Temperatur<br />
annimmt. Jetzt geht es ums Timing: Mit großen Schwüngen<br />
schöpft Bräuer den Käse in die Gefäße, Lehrling Immana drückt<br />
den Deckel darauf und fängt überschüssige Flüssigkeit in großen<br />
Eimern auf. Zehn Minuten später sind sechs große Käselaibe ordentlich<br />
verpackt in ihren Behältnissen, und es kehrt wieder Ruhe<br />
ein. Nur draußen gackern die Hühner, die sich um die letzten Käsekrümel<br />
streiten.<br />
Passgenaue Arbeit ist wichtig auf dem Biohof, denn alles<br />
funktioniert nur, wenn auch der kleinste Bereich nahtlos an einen<br />
anderen anschließt. Mit viel Arbeit hat Falk Bräuer einen Hof aufgebaut,<br />
der komplett ökologisch nachhaltig funktioniert: Der Strom<br />
kommt von Solarzellen auf dem Dach, möglichst jeder Arbeitsschritt<br />
wird selbst gemacht, statt Gewinnmaximierung steht<br />
maximales Tierwohl an erster Stelle. Dieses idealistische Konzept<br />
verfolgt der Schäfermeister seit 1999,<br />
angefangen hat er mit einem Hof auf Usedom.<br />
Doch Bräuer fand es schwer, Fuß zu<br />
fassen in einer Gegend voller zersiedelter<br />
Flächen und einer Dominanz konventioneller<br />
Betriebe. 2006 wagte er im Osterzgebirge<br />
mit seinen saftigen Kräuterwiesen<br />
einen Neubeginn. Gemeinsam mit<br />
seiner Lebensgefährtin entdeckte er den<br />
alten Hof im Randgebiet von Bärenstein<br />
und stand vor der Herausforderung, ihn<br />
innerhalb von nur ein paar Wochen zu renovieren<br />
und winterfest zu machen. Dabei<br />
wurde er von der unerwarteten Hilfsbereitschaft und Unterstützung<br />
der neuen Nachbarn überrascht, schließlich sind dies alles<br />
konventionelle Agrarbetriebe.<br />
So kam es, dass heute um die neunzig schwarze Schafe von<br />
der deutschen Küste – die Rasse nennt sich Ostfriesisches Milchschaf<br />
– im bergigen Erzgebirge grasen. Die Umsiedlung haben sie<br />
gut überstanden und mittlerweile Gesellschaft von zwei Eseln,<br />
mehreren Hühnern, Schweinen, Hofhündin Lenka und vier Katzen<br />
bekommen. Der Betrieb lebt von den Milch-, Käse- und Fleischprodukten,<br />
die Bräuer herstellt und über die Verbrauchergemeinschaft<br />
Dresden verkauft. Gut 45 Milchschafe gibt es auf dem Hof,<br />
dazu ungefähr genau so viele Lämmer und zwei Böcke. »Für den<br />
Milchertrag ist der Frühling und Frühsommer die beste Zeit, wenn<br />
die Lämmer geboren werden und die Mutterschafe am meisten<br />
Milch geben«, erzählt Bräuer auf dem Weg zur Lämmerwiese.<br />
»Wir lassen die Lämmer<br />
länger bei der<br />
Mutter. Das verringert<br />
zwar den Ertrag an<br />
Milch, aber für die<br />
Tiere ist es viel besser«<br />
»Aber wir lassen sie länger bei der Mutter und melken nur ein wenig<br />
nebenher, das verringert zwar den Ertrag an Milch, aber für die<br />
Tiere ist es viel besser.«<br />
Dass das Wohl der Schafe im Vordergrund steht, glaubt man<br />
sofort, wenn die wolligen Tiere begeistert blökend angerannt kommen,<br />
sobald sie Bräuer sehen. Ein paar Hundert Meter weiter steht<br />
die Mutterherde – und sieht etwas gerupft aus. In der Vorwoche<br />
haben Bräuer und seine Helfer die Schafe geschoren, die Wolle gehört<br />
ebenfalls zu den Erzeugnissen, die den Hof finanzieren. Im<br />
kleinen Hofladen liegen dicke Schafwollsocken und Decken, die im<br />
Winter auch in Dresden auf dem Weihnachtsmarkt verkauft werden.<br />
Bräuer lässt die Decken bei einem kleinen lokalen Betrieb weben,<br />
den er nach langer Suche gefunden hat. Würde er die Schafwolle<br />
allein verkaufen, würde sich nämlich das Scheren nicht<br />
rentieren: Nur einen Euro bekommt man für ein Kilo. Für die hochwertigen<br />
Decken werden circa vier Kilo verwendet, dafür kann<br />
Bräuer sie dann aber auch für um die 120 Euro verkaufen, abzüglich<br />
der Kosten für die Weber. Das ist es, was Bräuer unter einem »runden<br />
Betrieb« versteht: ein Hof, der sich selbst trägt und ökologisch<br />
Sinn ergibt. Das beinhaltet eine möglichst lückenlose Verwertungskette<br />
durch einzelne Rädchen, die ineinandergreifen,<br />
wenige ausgelagerte Aufgaben<br />
und wenn, dann an eigens ausgesuchte,<br />
regionale Betriebe. Ihm liegt daran, unnötige<br />
Abfallprodukte zu vermeiden und<br />
möglichst viel Kontrolle zu behalten, um<br />
Qualität und Tierwohl zu gewährleisten.<br />
Letzteres ist auch der Grund dafür,<br />
dass Bräuer einen Teil der Tier haltung zurück<br />
auf den Hof verlagert, den er eigentlich<br />
lieber nicht selbst machen würde: Gerade<br />
hat er einen Schlachtraum gefliest, ab<br />
Herbst will er hier selbst schlachten. »Ich<br />
reiße mich nicht um die Aufgabe«, erklärt Bräuer, »aber zu einem<br />
ganzheitlichen Ansatz gehört es eben dazu.« Dahinter steckt das<br />
Wissen, wie die Tiere auf einem normalen Schlachthof behandelt<br />
werden. Von Tierwohl und Würde ist da meist nicht viel zu sehen.<br />
Von all dem ahnen die Lämmer noch nichts, ohnehin werden<br />
die meisten von ihnen nicht geschlachtet, sondern verkauft. Nur<br />
zehn Jungtiere bleiben in Bärenstein – unter ihnen ein weißes. Beim<br />
Mittagessen in der gemütlichen Hofstube mit weichen schwarzen<br />
Schaffellen auf den Holzstühlen erklärt er warum: »Das ist wegen<br />
des Rassismus unter den Schafen«, erzählt er schmunzelnd. »Ich<br />
habe nämlich einen weißen Bock für die Zucht, vor dem sind die<br />
Schafe im letzten Jahr in panischer Angst davongelaufen. Man muss<br />
sie also ein bisschen daran gewöhnen, damit sie nicht vergessen,<br />
dass es nicht nur schwarze, sondern auch weiße Schafe gibt.« Also<br />
auch in dieser Hinsicht ein ganzheitliches Konzept in Bärenstein. •<br />
Landwirtschaft<br />
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