09.01.2020 Aufrufe

Leseprobe: Sibelius Biografie

In Deutschland vor allem als 'finnischer Nationalkomponist' wahrgenommen, ist Jean Sibelius (geb. am 8. Dezember 1865) eher eine Gestalt europäischen Formats, der neben Mahler bedeutendste Sinfoniker des 20. Jahrhunderts. Mit Hilfe allgemeinverständlicher Werkeinführungen und bislang nicht übersetzter Primärquellen erzählt der Musikjournalist Volker Tarnow die Geschichte eines Originalgenies zwischen Romantik und Moderne, nordischer Naturmystik und Berliner Bohème.

In Deutschland vor allem als 'finnischer Nationalkomponist' wahrgenommen, ist Jean Sibelius (geb. am 8. Dezember 1865) eher eine Gestalt europäischen Formats, der neben Mahler bedeutendste Sinfoniker des 20. Jahrhunderts. Mit Hilfe allgemeinverständlicher Werkeinführungen und bislang nicht übersetzter Primärquellen erzählt der Musikjournalist Volker Tarnow die Geschichte eines Originalgenies zwischen Romantik und Moderne, nordischer Naturmystik und Berliner Bohème.

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Freiheit für Finnland!<br />

IM DIENSTE DES VATERLANDS – FINLANDIA<br />

Als Knut Hamsun 1898 den Winter seines Missvergnügens in Helsingfors<br />

verlebte, auf der Insel Råholmen, was ihn und seine Frau<br />

zu Wanderungen übers Eis zwang, wenn sie etwas einkaufen wollten<br />

– zu jener Zeit gab es längst kein »Symposium« mehr. Hamsun<br />

erneuerte seine Kontakte mit Gallén und Edelfelt, die er aus Paris<br />

kannte, und freundete sich ein wenig mit <strong>Sibelius</strong> an. Ausgesprochen<br />

harmonisch scheint das Verhältnis nicht gewesen zu sein.<br />

»Er hatte grüne Augen«, erinnerte sich Hamsun, »die noch grüner<br />

aussahen, wenn er zornig war.« 1 Als <strong>Sibelius</strong> keines von Hamsuns<br />

Gedichten vertonte, vermutete der Norweger, dass er ihn nicht für<br />

berühmt genug hielt. Sie haben sich im Laufe der Jahrzehnte noch<br />

einige Male getroffen, ohne viel künstlerisches Verständnis füreinander<br />

zu entwickeln. Und von Gallén entfernte sich <strong>Sibelius</strong> mehr<br />

und mehr. Eine verbindliche Ästhetik existierte nicht einmal mehr<br />

als Illusion. Je stärker sich der Alkoholdunst des Symbolismus verzog,<br />

desto deutlicher traten die Konturen der Wirklichkeit hervor.<br />

<strong>Sibelius</strong> sah sich Ende der 90er-Jahre mit drei Situationen konfrontiert,<br />

die sein künstlerisches Streben teils in Frage stellten, teils in<br />

eine andere Richtung lenkten.<br />

General Järnefelt, sein Schwiegervater, starb im April 1896, und<br />

Ende 1897 starb überraschend auch seine Mutter, ein Schlag, der<br />

seine Schwester Linda völlig aus der Bahn warf und in die Nervenheilanstalt<br />

brachte. Hinzu kamen finanzielle Sorgen. Seit 1898 hatte<br />

<strong>Sibelius</strong> eine fünfköpfige Familie zu ernähren. Er bemühte sich,<br />

dem Zwang gehorchend, stärker als zuvor um eine Lehrstelle an<br />

der Universität, was letztlich scheiterte und außerdem die Freundschaft<br />

mit Kajanus, seinem wichtigsten Förderer, erkalten ließ.<br />

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