FINANCE Magazin Private Equity: Kontrollierte Offensive - Syncap
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Das Berliner Traditionsunternehmen<br />
Borsig stand mit dem<br />
Rücken zur Wand. Unverschuldet<br />
geriet der 170 Jahre alte Anlagenbauer<br />
und Spezialist für Komponenten<br />
in der Petrochemie und Kraftwerkstechnik<br />
in den Strudel des Mutterkonzerns<br />
Babcock Borsig, der im Juli 2002<br />
Insolvenz beantragen musste. Der heutige<br />
Geschäftsführer Konrad Nassauer<br />
denkt nicht gern an diese Zeit zurück:<br />
„Erst bekamen wir nur noch wenig Investitionen<br />
genehmigt.“ Dann wurde es<br />
noch schlimmer: „Unsere Konzernmutter<br />
verkaufte Produktlinien unseres<br />
Unternehmens, um mit den Verkaufserlösen<br />
Liquiditätsabflüsse in anderen<br />
Konzernbereichen zu kompensieren.“<br />
Das eigentlich profitable Unternehmen<br />
drohte auszubluten.<br />
Mitten in dieser ungewissen Situation<br />
trat der Finanzinvestor Capiton auf<br />
den Plan. Die Beteiligungsgesellschaft<br />
kaufte Borsig aus der Insolvenzmasse<br />
des Mutterkonzerns heraus, um gemeinsam<br />
mit dem Management verlorengegangenes<br />
Terrain zurückzugewinnen.<br />
Nassauer: „Wir haben eine neue<br />
Wertsteigerungsstrategie ausgearbeitet,<br />
deren Kern die Erweiterung unseres<br />
Produktportfolios ist. Im Lauf der Zeit<br />
haben wir eine Reihe von Produkten<br />
und Unternehmen zugekauft beziehungsweise<br />
in das Produktportfolio<br />
wieder aufgenommen, welche von unserem<br />
Alteigentümer abgegeben oder<br />
eingestellt worden waren.“ Das schlägt<br />
sich auch in den Zahlen nieder. Im laufenden<br />
Jahr soll der Umsatz um 50 Prozent<br />
auf rund 180 Millionen Euro zulegen.<br />
Zum Zeitpunkt des Buy-outs erwirtschaftete<br />
Borsig 50 Millionen Euro.<br />
Verschärfte Wachstumspläne<br />
Eine Beschleunigung der Unternehmensentwicklung<br />
haben auch andere<br />
durch <strong>Private</strong> <strong>Equity</strong> finanzierte Unternehmen<br />
im deutschen Mittelstand erfahren.<br />
Dies ist das Kernergebnis einer<br />
neuen Studie, für die <strong>FINANCE</strong>-Research<br />
im Auftrag der Deutschen Beteiligungs<br />
AG und der Investmentbank<br />
Lincoln International 13 Geschäftsführer<br />
<strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-finanzierter Unternehmen<br />
intensiv zu ihren Erfahrungen<br />
mit ihren neuen Eigentümern befragt<br />
hat. An den befragten Unternehmen<br />
sind insgesamt 16 <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Häuser<br />
beteiligt, darunter beispielsweise<br />
Granville Baird, Odewald & Compagnie,<br />
KKR, Halder und Doughty Hanson.<br />
Demnach sehen die im deutschen<br />
Mittelstand engagierten Finanzinvestoren<br />
den größten Wertschöpfungshebel<br />
offenbar nicht im Financial Engineering,<br />
sondern in der strategischen<br />
Weiterentwicklung ihrer Unternehmen.<br />
Expansion im Allgemeinen, M&A im<br />
Besonderen rücken nach dem Einstieg<br />
eines Finanzinvestors auf der Unternehmensagenda<br />
häufig weit nach oben.<br />
Bei keinem einzigen der im Rahmen<br />
Borsig-Chef Konrad Nassauer: Krise überstanden<br />
der Studie untersuchten Unternehmen<br />
wurde die alte Strategie nach dem Einstieg<br />
des Finanzinvestors eins zu eins<br />
fortgeführt. Meist wurden die Wachstumspläne<br />
verschärft, bei drei von vier<br />
Unternehmen gewann das Thema Expansion<br />
an Bedeutung. „Wir haben die<br />
Internationalisierung stark forciert.<br />
Uns stehen mehr Ressourcen für unser<br />
Wachstum zur Verfügung, auch weil<br />
unser neuer Eigentümer zielstrebiger<br />
ist“, sagt Richard Ziegler, CEO von Rail<br />
One, einem Produzenten von Bahnschwellen,<br />
den die Pfleiderer AG 2006<br />
an Axa <strong>Private</strong> <strong>Equity</strong> verkaufte.<br />
Für die Unternehmensführungen<br />
wird es dadurch in der Regel leichter,<br />
andere Unternehmen zu erwerben oder<br />
einen offensiven organischen Wachstumskurs<br />
einzuschlagen. Insbesondere<br />
jene Unternehmen, die Teil eines Konzerns<br />
waren und dort nicht mehr zum<br />
Kerngeschäft gehörten, verfügten vor<br />
dem Buy-out meist nicht über den Zugang<br />
zu den für Akquisitionen notwendigen<br />
Ressourcen.<br />
Kaufen wie ein Stratege<br />
Unter den Finanzinvestoren gibt es viele,<br />
die stark auf M&A setzen. Deals zu<br />
machen gehört zum Tagesgeschäft der<br />
<strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Häuser, aus ihrem Netzwerk<br />
aus M&A-Beratern und Investmentbanken<br />
generieren sie einen steten<br />
Fluss an neuen Transaktionsmöglichkeiten.<br />
Das Kalkül liegt auf der<br />
Hand: „Durch Add-on-Akquisitionen<br />
können Finanzinvestoren eine Wachstumsstory<br />
kreieren und wie ein strategischer<br />
Käufer Synergien heben“, sagt Dr.<br />
Michael Drill, CEO von Lincoln International.<br />
„Gleichzeitig senken sie ihren<br />
durchschnittlichen Einstiegspreis, da<br />
Add-on-Targets in der Regel nicht so<br />
hoch bewertet werden wie die Plattformunternehmen.“<br />
Nebenbei wächst<br />
auch noch quasi automatisch der Unternehmenswert,<br />
schließlich erhöhen sich<br />
mit steigender Unternehmensgröße<br />
auch die Multiplikatoren, mit denen Firmen<br />
bei M&A-Transaktionen bewertet<br />
werden.<br />
Bei den Managementteams stoßen<br />
die Zukaufsmöglichkeiten freilich nicht<br />
immer auf Gegenliebe. Im Gegenteil:<br />
Einige der befragten Manager gaben<br />
offen zu, dass sie den M&A-Ideen, die<br />
ihnen ihre Gesellschafter präsentieren,<br />
skeptisch gegenüberstehen. Viele Manager<br />
bevorzugen organisches Wachstum.<br />
Ihre Vorsicht begründen sie mit<br />
der besseren Planbarkeit des organischen<br />
Wachstums und den Risiken in<br />
der Post-Merger-Integration. Eine tiefer<br />
liegende Ursache scheint auch die mangelnde<br />
Erfahrung vieler Manager mit<br />
Akquisitionen zu sein. Da die meisten<br />
vor dem Buy-out keine M&A-Erfahrung<br />
sammeln konnten, agieren sie auch<br />
nach dem Buy-out mit Bedacht. Zu Konflikten<br />
hat dieser Philosophieunterschied<br />
zwischen Managern und Finanzinvestoren<br />
bei den befragten Unternehmen<br />
aber nur in Ausnahmefällen geführt.<br />
Wenn doch, hat sich nach eigenen<br />
Angaben immer das Management<br />
durchgesetzt. ➜<br />
<strong>FINANCE</strong> September | 2007 85<br />
Foto: Borsig