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GENERATION
GENERATOR
DIE ZUKUNFT KREATIVER BERUFE
2020
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Die Zukunft ist ungewiss und neue Technologien, gesellschaftliche
Umbrüche und politische Revolutionen
lassen sie noch unvorhersehbarer erscheinen. Dies betrifft
unter den akademischen Berufen vor allem die DesignerInnen,
denn Designstudiengänge sind äußerst
beliebt, die Arbeitsstellen jedoch begrenzt. Außerdem
arbeitet man als DesignerIn meistens in Kooperationen,
und ist somit von dem Markt für den man arbeitet abhängig.
Um sich also als DesignerIn am Arbeitsmarkt
zu etablieren ist es notwenidig zukünftige Veränderungen
immer im Fokus zu halten und sich weiterzubilden.
Der Wortstamm „generare“ lässt sich aus dem Latein ableiten
und bedeutet „erzeugen“ oder „hervorbringen“. Ähnlich
wie ein Generator-System hat jede neue Generatorn die
Chancen neues hervorzubringen. Aus der Intension heraus,
die Möglichkeiten der nächsten kreativen Generatotion aufzuzeigen,
entstand dieses Magazin. Jeder Artikel beschäftigt
sich mit unterschiedlichen Herrausforderungen oder
Chancen die auf die Kreativbranche zukommen werden.
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good design
bad design
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hundert
ideen damit
eine fliegt
30
wir entwerfen
also sind wir
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geld für
freiheit
40
lebenslanges
arbeiten
64
48
jochen
rädeker
über KI
der
arbeitsmarkt
für kreative
72
quellen
56
ich glaube nicht
das mädchen ein
pinkes gen haben
GUTES DESIGN
BÖSES DESIGN
von:
Antje Dohmann
Das ideale Produkt ist hochästhetisch und seine Usability perfekt.
Hergestellt wird es aus umweltfreundlichen Material ien in einem
Vorzeigebetrieb. Die beglei ten de Kommunikation lädt dieses
Produkt emotional so auf, dass wir gar nicht anders können, als es
zu kaufen – wie beim iPhone. Die zentral in den USA gemachte Werbung
ist sehr bemüht, nicht nur ein Smartphone in Szene zu setzen,
sondern einen Lifestyle zu vermitteln, in dem der User Teil der Community
ist. Mit Erfolg, die iPhone-Sättigungsrate unter Kreativen
liegt gefühlt bei 99 Pro zent. Dabei hat das Gerät durchaus dunkle
Seiten, die wir auch alle kennen. Die Bilder der chinesischen Arbeiter
beim iPhone-Hersteller Foxconn, die ob der unmenschlichen
Arbeits bedingungen Selbstmord begehen, hat niemand vergessen
– auf die Absatzzahlen haben sie dennoch keine Auswirkungen.
Reicht es, dass sich Agenturen und Designbüros
Gedanken um Aussehen, Usability, Service und
Kampagnen machen oder liegt es nicht auch in
ihrer Verantwortung, Einfluss auf Material wahl
und Produktionsbedingungen zu nehmen?
»Den Kunden auch hinsichtlich der verwendeten
Materialien zu beraten, gehört absolut zur
Aufgabe des Designers« sagt Petra Knyrim,
Mit gründerin von nowakteufelknyrim in Düsseldorf.
»Wir weisen im mer auf die Möglichkeit
hin, nachhaltig zu produzieren, müs sen aber
auch sagen, dass es oft teurer ist.« Nicht immer
sto ßen sie bei den Kunden auf offene Ohren.
Einfacher ist es, wenn es um deren Geldbeutel
geht. »Etwa bei der Auflage: Die meis ten wis sen
es zu schätzen, wenn wir noch mal nachfra gen:
Braucht ihr wirklich 5000 Briefe oder reichen
nicht vielleicht auch 3000?«
»Design und Verantwortung« – das Thema ist
aktuell wie nie und in allen Medien präsent. Woran
liegt das? »Nachhaltigkeit ist zum Megatrend
geworden«, sagt Florian Haller: »In unserer
schnelllebigen Zeit besinnen wir uns zurück
auf Dinge, auf die wir uns verlassen können.
Sicherheit, Vertrauen und Partnerschaftlichkeit
sind Werte, die enorm gestiegen sind, während
rei ner Lustgewinn und die Suche nach Abenteuern
an Bedeutung verlieren. Überträgt man
das aufs Design, landet man sehr schnell beim
Thema ›Design und Verantwortung‹.« Eine
grundsätzliche Verantwortung von Designern
sieht Petra Knyrim in der Wahl des Kunden.
»Stefan Nowak und ich ha ben an der Fachhochschule
Düsseldorf studiert, und da die
Stadt eine Werbehochburg ist, wurden wir auch
eher in diese Rich tung ausgebildet. Während
des Studiums haben wir in gro ßen Agenturen
Praktika gemacht und gemerkt: Das ist es nicht.
Schon damals war uns klar, es gibt Kunden, für
die wir nicht arbeiten wollen. Da verzichten wir
lieber auf den Porsche vor der Haustür.« Diese
Haltung führt dazu, dass nowakteufelknyrim ab
und zu Aufträge ablehnt. »Um uns das leisten
zu können, sind wir mit 10 Mitarbeitern bewusst
klein geblieben«, so Knyrim. »Wir waren auch
schon mal 15, mit Freien sogar 20. Da hat man
dann Verantwortung für seine Leute und ist genötigt,
Dinge an zunehmen, die man gar nicht
machen will. Deshalb haben wir uns wieder
verkleinert. Zu zehnt kann man auch größere
Projek te stemmen, aber der Berg, den man jeden
Monat erwirtschaften muss, ist nicht ganz
so hoch.«
Aber auch die Münchner Kommunikationsdesignagentur
Kochan & Partner, die mit über
60 Mitarbeitern deutlich größer ist, hat ihre
Prinzipien: »Wir lehnen konsequent Aufträge
von Unternehmen ab, die – durch ihre Produkte
oder durch ihr Han deln – direkt den Frieden
auf dieser Welt gefährden, die un ter menschenverachtenden
Bedingungen produzieren oder
un se re Umwelt aktiv zerstören. Oft fallen alle
drei Aspekte ohnehin zusammen«, ist Martina
Grabovszky, Managing & Creative Director bei
Kochan & Partner, überzeugt. Generell ist es
richtig, dass größere Agenturen eher Kompromisse
eingehen müssen. »Wenn wir nur für Auftraggeber
arbeiten würden, die edel, gut und
hilfreich sind, hätte ich genau zwei Mitarbeiter
und einen Hund« wurde Erik Spiekermann, mit
edenspiekermann Chef von rund 100 Mitarbei-
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tern in der »Süddeutschen Zeitung« zitiert. Und
wie sieht es bei Serviceplan aus? Würde Florian
Haller für die Atomlobby arbeiten, wenn er im
Grunde seines Herzens Atomkraftgegner wäre?
Gewissenskonflikte sind Oliver Durant, Director
of Animation bei wearecaptive in Lissabon,
nicht fremd. Vor
Kurzem realisierte
das Animationsstudio
den Clip
»Total Energy«, der
die Aktivitäten und
Visionen des Energieriesen
mit seinen
beinahe 100 000
Angestellten in hübschen,
bunten Bildern
präsentiert. »Es ist
sehr wichtig für uns,
für welche Kunden
wir arbeiten. Vor dem Total-Projekt haben wir
ohne Honorar ei ne Animation für amnesty produziert,
in der es um den inhaf tier ten tibetanischen
Filmemacher Dhondup Wangchen ging
– ein Thema, das uns sehr berührt hat. Aber
nicht alle Projekte kön nen so persönlich sein.
Wir müssen kommerzielle Aufträge an nehmen,
um die anderen finanzieren zu können, und die
po si ti ven Effekte unserer Jobs für die good guys
sorgfältig gegen die negativen Effekte abwägen,
die die Arbeit für die bad guys haben kann.
Das ist unsere persönliche Robin-Hood-Strategie.«
Wo zieht man die Grenze? Wenn man nicht
länger für Energiekonzerne arbeitet, darf man
auch nicht mehr Jobs aus der Automobilbranche
annehmen und so weiter. Einen Auftrag der
Rüstungsindustrie abzulehnen, mag ja eine klare
Sache sein, an dere Fälle dagegen weniger.
GRUNDSÄTZLICH
SOLLTEN
NICHT
Was ist zum Beispiel mit IKEA, ei nem Superkunden
für Kreative, der ausgefallenen Ideen immer
offen gegenübersteht und sich seine Kommunikation
einiges kosten lässt? Das Unternehmen
präsentiert sich nach außen sehr sympathisch.
Glaubt man der Markenkommunikation, geht
es in der IKEA-
Familie noch gemütlicher
zu als in
Bullerbü. Glaubt
WIR man allerdings
dem Buch »Die
Wahrheit über
ALS IKEA« des ehemaligen
IKEA-
Managers Johan
Stenebo, stehen
Mitarbeiterbespitzelung,
Urwaldrodung,
Kinderarbeit und Steuerflucht auf der Tagesordnung.
Ist es da vertretbar, eine Kampagne zu
entwickeln, die das Heile-Welt-Image puscht?
Von den deutschen und schwedischen Agenturen,
die für IKEA arbeiten, war niemand bereit,
über dieses Thema zu sprechen. Was ja dann
irgendwie auch eine Aussage ist. Unsere Aufgabe
ist es, die Stärken, die positiven Seiten und
die Chancen in den Vordergrund zu stellen. Es
gibt nur wenige Mar ken, die einwandfrei ethisch
sind und dazu hundertprozentig nachhaltig.
Wichtig ist, dass sie authentisch sind. Man kann
heute kein Erscheinungsbild entwickeln, das völlig
neben der Realität einer Marke liegt. Hätte
Schlecker vor einigen Jahren mit den freundlichen
Kollegen und dem tollen Umgang miteinan
der geworben, wäre das binnen kürzester
Zeit dekuvriert und über einen Shitstorm im
Netz verbreitet worden. Da muss man als Marke
heute sehr aufpassen. Kommunikation und
MO RALAPOSTEL
AUFTRETEN
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Realität dürfen nicht dramatisch voneinander
abweichen.« Ecodesign statt Ökodesign: Der
Anglizismus hilft Gestaltern, das Thema in der
Gesellschaft und beim Kunden positiv zu be setzen
und ökologisches Bewusstsein vom Rausche
bart- und Bir kenstock-Image zu befreien.
»Verwendet man heute das La bel ›Öko‹, stellt
sich zwangsläufig das Bild vom selbst gestrickten
Pulli tragenden Althippie ein, der eher
rück- als fortschrittlich daherkommt«, sagt
Günter Horntrich, der an der Köln International
School of Design die einzige deutsche Professur
für Öko logie und Design innehat. »Bei
›Eco‹ verhält es sich anders herum. Versieht
man sein Produkt mit diesem Zusatz, impliziert
man, dass es allen aktuellen und künftigen
Anforderungen an Umweltverträglichkeit entspricht
und trotzdem keine Wünsche in puncto
Ästhetik oder Anwendbarkeit offenlässt. ›Eco‹
ist somit das Anzeichen nachhaltig gestalteter
Produk te für den Verbraucher und das
Ideal, das der Gestalter versucht zu erfüllen.«
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geld für
freiheit
von:
Timo Reuter
Ungezügelter Neoliberalismus hat die Idee der Freiheit in Verruf
gebracht. Der Kampf für ein bedingungsloses Grundeinkommen
könnte den Liberalismus aus der Krise führen. In diesem
Jahr wird es soweit sein: In der Schweiz wird am 5. Juni als erstem
Land der Welt über ein bedingungsloses Grundeinkommen abgestimmt.
Das hat der Bundesrat in Bern gerade entschieden.
Und in Finnland will die 2015 neu gewählte Regierung zumindest
ein Pilotprojekt zum Grundeinkommen starten, auch in den
Niederlanden gibt es ähnliche Ideen. Was kommt da auf uns zu?
Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet,
dass der Staat die Menschen bezahlt, weil sie
am Leben sind. Ohne Zwang, ohne Bedingungen
– und zwar alle. Obwohl diese Idee bisher
nur in Modellversuchen getestet wurde, polarisiert
sie wie wenige andere Projekte. Das ist
nicht verwunderlich, denn ein existenzsicherndes
Grundeinkommen käme wegen seiner Bedingungslosigkeit
einer sozialpolitischen Revolution
gleich. Es würde den Zwang zur Arbeit
abschaffen, welcher der Logik des Arbeitsmarktes
immanent ist.
Auf den ersten Blick klingt das nach einer Art
Gegenentwurf zu Hartz IV, einem linken Sozialstaatsprojekt
also. Doch bei genauem Hinsehen
wird klar: Am Grundeinkommen scheiden
sich die Geister über politische Grenzen hinweg.
Die Gewerkschaften sind dagegen, der Milliardär
Götz Werner ist der in Deutschland bekannteste
Verfechter dieser Idee, die Arbeitgeberverbände
halten es für „nicht finanzierbar und
leistungsfeindlich“, das globalisierungskritische
Netzwerk Attac oder die katholischen Arbeitnehmerbewegung
wiederum sind dafür. Das
Grundeinkommen lässt sich also nicht ohne
Weiteres einer Ideologie zuordnen. Und doch
könnte es der Rettungsanker einer im Untergang
begriffenen politischen Weltanschauung
sein, die vermutlich wie keine andere die Moderne
geprägt hat: der Liberalismus. Denn ein bedingungsloses
und existenzsicherndes Grundeinkommen
könnte vor allem eines leisten: Es
könnte die Freiheit der Menschen entscheidend
vergrößern.
Mit der Idee individueller Freiheitsrechte eroberte
der Liberalismus einst die westliche Welt und
trug dazu bei, absolutistische Herrscher vom
Hof zu jagen. Als Vater des Liberalismus gilt
der englische Philosoph John Locke, für den der
Mensch „mit einem Rechtsanspruch auf vollkommene
Freiheit und in Gleichheit mit jedem
anderen Menschen“ geboren ist. Neben der
Gleichheit vor dem Gesetz gehörte dazu vor
allem die formale Freiheit, also der Schutz vor
Zwang und Übergriffen. Zudem waren auch
das Eigentumsrecht und die Religionsfreiheit
integraler Bestandteil dieser frühen liberalen
Konzepte.
Doch die bahnbrechende Idee der Freiheit
wurde immer stärker als ökonomische Freiheit
interpretiert. Damit rückten ursprünglich ebenso
liberale Forderungen wie die nach Chancengerechtigkeit
in den Hintergrund. Innerhalb
der vielfältigen liberalen Bewegung führte das
durchaus zu Kontroversen – und zu einer Spaltung.
Während der Industrialisierung wurde die
soziale Frage immer drängender, der Sozialliberalismus
entstand. Dessen Anhänger kamen zu
der Einsicht, dass sich Freiheit und (Chancen)-
Gleichheit nicht alleine durch formale Rechte
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freiheit
staatliche
durch
eingriffe
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Zwar gerieten radikale wirtschaftsliberale Positionen
zwischenzeitlich durch Entwicklungen
wie die Weltwirtschaftskrise 1929 in den Hintergrund
– doch nur, um einige Jahrzehnte später in
Form des Neoliberalismus umso härter zurückzuschlagen.
Die einseitige Transformation des
Liberalismus scheint inzwischen abgeschlossen.
In den vergangenen Jahrzehnten ist der Neoliberalismus
abgekommen von seiner eigentlichen
Prämisse – der Markt brauche Regeln,
um den Wettbewerb zu schützen –, und hat
sich selbst ad absurdum geführt, seit er für den
in den 1980er Jahren begonnenen Deregulierungswahn
steht. Dieser wiederum führte zur
Entfesselung der (Finanz)-Märkte zulasten der
Demokratie und machte aus liberaler Freiheit
eine „Anarchie zugunsten der Besitzenden und
Mächtigen“, eine Freiheit für diejenigen, die es
sich leisten können.
Der Liberalismus und mit ihm die Idee der Freiheit
sind also in Verruf geraten. Doch im Herzen
dieser einst revolutionären Weltanschauung
finden sich durchaus moralische Erwägungen,
die konträr zur realgeschichtlichen, neoliberalen
Karikatur dieser Tradition stehen. Man muss die
Idee der Freiheit nur ernst nehmen. Und dazu
könnte das bedingungslose Grundeinkommen
der Schlüssel sein. Oder, wie es der belgische
Philosoph Philippe Van Parijs formuliert: „Egal,
ob man das Grundeinkommen begrüßt oder
verteufelt, wer auch immer nach einer radikalen
und innovativen Alternative zum Neoliberalismus
strebt, muss sich mit diesem Konzept
auseinandersetzen.“ Van Parijs ist es auch,
der den Begriff real Freedom („reale Freiheit“)
prägte und damit die Tür öffnete für die liberale
Rechtfertigung des Grundeinkommens – wohlgemerkt
eines bedingungslosen und existenzsichernden
Einkommens, denn nur dann ist es
eine emanzipatorische Maßnahme und kein
neoliberales Mittel für den weiteren Umbau des
Sozialstaates von welfare zu workfare.
Was ist mit dieser realen Freiheit gemeint? Van
Parijs ist Liberaler und als solcher Anhänger der
Idee individueller Freiheitsrechte. Doch die klassischen
formalen Rechte genügen ihm nicht,
um von echter Freiheit zu sprechen. Denn was
nutzt die Meinungsfreiheit, wenn man sich keine
Bildung leisten kann? Und was bringt die Reisefreiheit,
wenn Menschen kein Geld haben?
Zugespitzt: Wem nutzt Freiheit, wenn man verhungert?
Die Verwirklichung der Freiheitsrechte hängt
also vom ökonomischen und sozialen Status
ab – besonders in der kapitalistischen Welt, wo
die Freiheit des Einzelnen nicht erst da endet, wo
die eines anderen beginnt, sondern schon dort,
wo die Kaufkraft des eigenen Geldbeutels aufhört.
Das bedingungslose Grundeinkommen
hingegen meint keine abstrakte, sondern eine
tatsächliche, reale Freiheit. Klar dürfte sein, dass
hier keine absolute Verwirklichung aller Wünsche
gemeint sein kann, sondern lediglich eine
maximal mögliche Vergrößerung der Freiheit.
mehr
größere
chancengleichheit
leistungsgerechtigkeit
Das wird aber nicht allein durch ein existenzsicherndes
Einkommen, etwa im Sinne der
deutschen Sozialsysteme, erreicht, sondern vor
allem dadurch, dass diese materielle Basis bedingungslos
allen Menschen gewährt wird.
Erst die Bedingungslosigkeit macht das Grundeinkommen
zu einem entscheidenden Trumpf
des modernen Liberalismus. Denn erst ein bedingungsloses
Grundeinkommen befreit die
Menschen „von der Drohung des Hungertods“
(Erich Fromm) und damit vom Arbeitszwang
sowie von der Stigmatisierung als Bedürftige.
Diese Befreiung kann innovative Kräfte entfalten.
Ein Mehr an Autonomie würde wegen des
emanzipatorischen Charakters einen neuen
Umgang mit ethisch oder ökologisch zweifelhafter
Arbeit ermöglichen und die Emanzipation
bisher benachteiligter Gruppen. Auch
könnte die Frage neu beantwortet werden,
ob und wie man zwischen Erwerbs- und Erziehungsarbeit,
Ehrenamt, künstlerischer Betätigung
oder Pflegetätigkeiten hin- und herwechseln
kann. Zudem hätte ein bedingungsloses
und existenzsicherndes Grundeinkommen noch
weitere positive Effekte im liberalen Sinn, etwa
die Vergrößerung der Chancengleichheit. So
könnte sogar die diffuse liberale Vorstellung der
Leistungsgerechtigkeit gestärkt werden, da sich
Anstrengung eher im Verdienst niederschlagen
könnte und weniger von ungleichen Startchancen
abhinge. Erst durch ein garantiertes Grundeinkommen
können Menschen wirklich frei entscheiden,
was sie tun wollen.
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eine
horde
sozialschmarotzer ?
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Würden sie sich für die Faulheit entscheiden,
wie Kritiker des Grundeinkommens behaupten?
Diese Frage bleibt bis zur Einführung offen
– und ist bis dahin vom jeweiligen Menschen-
bild abhängig. Vieles spricht aber gegen das
kaltherzige Bild des Homo oeconomicus, eines
allein seine eigenen Interessen maximierenden
Individuums. Denn neben dem Monetären gibt
es viele weitere Gründe zu arbeiten, etwa sozia-
le Integration, Selbstverwirklichung, Stolz oder
Anerkennung. Und 1.000 Euro monatlich würde
den meisten wohl nicht reichen.
Die Furcht vor einer Horde Sozialschmarotzer,
die die Gemeinschaft ausbeuten, ist jedenfalls
unbegründet. Und die wenigen, die mit einem
Grundeinkommen wirklich nicht arbeiten woll-
ten, sollten trotzdem essen – bedingungslos.
Das ist zutiefst humanistisch und damit in ge-
wissem Sinne auch liberal, weil es den einzelnen
Menschen in den Mittelpunkt stellt. Auch über
die Finanzierung des Grundeinkommens wird
heftig gestritten. Doch aufgrund des hohen
Produktionsniveaus und unter dem Eindruck
etlicher seriöser Studien scheint dies eher eine
Frage des politischen, denn des ökonomischen
Willens. Die Studien gehen davon aus, dass
das Grundeinkommen bei entsprechender Besteuerung
bezahlbar wäre. Letztlich geht es da-
rum, was liberal ist. Und was man somit wirklich
unter der epochalen Idee der Freiheit versteht.
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HUNDERT
IDEEN
DAMIT
EINE
FLIEGT
von:
Eva Wolfangel
Bosch ist der Inbegriff des deutschen Ingenieur-Konzerns. Aber
an ihrem neuen Forschungsstandort bei Stuttgart widmen die
Schwaben eine ganze Etage dem kreativen Chaos – und dem modischen
Konzept des Design Thinking Der Blick aus dem zwölften
Stock ins Grüne reicht nicht unbedingt in die technologische Zukunft.
Sanfte grüne Hügel, ein Teich, Parkbänke und ein Fußballfeld.
Aber was ist da im Blickfeld? Schmale blaue Linien lassen
manche Konturen verschwimmen, eine Handschrift auf Fensterglas.
„Wie leben wir 2030?“, steht da. Wer weiter lesen will, hat
schnell Birgit Thoben im Nacken. „Das hier sind unsere Ideen, das
ist unser geschütztes Refugium. Bitte nicht aufschreiben.“ Die
energische Frau mit dem verschmitzten Lächeln ist Innovationsmanagerin
beim Technologiekonzern Bosch. Sie ist auch die Hausherrin
der zwölften Etage am neuen Forschungsstandort in Renningen
bei Stuttgart mit dem sperrig-hippen Namen Plattform 12.
Wie leben wir in Zukunft? Welche Antwort darauf
an der Fensterscheibe stand, das darf nicht
in den Notizblock der Besucherin. Die Plattform
12 ist ein geheimes Stockwerk, für die Öffentlichkeit
geschlossen. Ein Besuch war nur ausnahmsweise
möglich und hatte seinen Preis: das
Versprechen, keine konkreten Ideen zu verraten.
Ideen wie jene blauen Notizen am Fenster.
Fast tausend Quadratmeter leistet sich Bosch
hier, um die Kreativität aus seinen Mitarbeitern
herauszukitzeln. Ein Planet aus Pappmaché
hängt von der Decke, darüber schweben ein
paar Campingstühle. Der Planet ist an einer
Stelle aufgerissen, ein Infusionsbeutel baumelt
heraus. Ein paar Meter weiter steht ein mannsgroßer
Astronaut aus Pappe mit der Aufschrift
„intergalactic couch doctor“, in einer Ecke
baumeln Kugeln auf Ständern. Auf einer davon
steht: „Bitte merken, dass ich es vergessen
kann.“ Dazwischen Werkzeugkisten und Schubladenschränke,
in die jemand die Schubladen
vertikal statt horizontal gesteckt hat. Nicht
unbedingt, wie man sich einen schwäbischen
Technikkonzern vorstellt.
„Die Werkzeugkisten haben bewusst keine Beschriftung,
damit man auch mal findet, was
man nicht gesucht hat“, sagt Thoben. Von den
vielen Uhren, die hier hängen, geht jede anders
– und keine richtig. Und die Künstler, die hier
jeweils drei Monate mit einem Stipendium der
Akademie Schloss Solitude verbringen, schreiben
Wörter absichtlich falsch, um zu zeigen,
dass Fehler nicht so schlimm sind. Kommen die
Ingenieure damit klar? Die Umgebung soll provozieren
und verstören, gibt Thoben zu. Klassisches
Ingenieursdenken führe meist zu erwartbaren
Innovationen. Hier aber geht es darum,
wie der Mensch in Zukunft leben wird und welche
Produkte er dann haben will. Diese Fragen
stellen sich alle Konzerne. Wie aber sollen sie
darauf Antworten finden?
Alle kennen die Geschichten von amerikanischen
Start-ups, die mit ihren disruptiven Technologien
ganze Branchen umkrempelten. Wie
die Digitalkameras, die zuerst von niemandem
ernst genommen wurden – bald aber Polaroid,
Kodak und Co. zu Fall brachten. Wie kommt
man auf solche Ideen? Womit wird man zum
technischen Vordenker? Mithilfe von Design
Thinking, heißt es seit ein paar Jahren in Amerika.
Und auch hierzulande glaubt man das
in einer wachsenden Zahl von Firmen. Design
Thinking kann man als Hype betrachten, als
Arbeitsprinzip oder einfach als eine kreative
Sichtweise: Nicht zuerst an die eigenen Produkte
denken (Was haben wir?), nicht zuerst an die
Lösung (Was können wir?), sondern an die Bedürfnisse
der Menschen (Was brauchen sie?).
Das bedeutet, Ideen nicht gleich zu bewerten,
nicht vorschnell zu verwerfen, sondern sie in
Form von Bildern oder Dingen anfassbar zu
machen. „Wir müssen scheitern lernen“, sagt Innovationsmanagerin
Birgit Thoben. „Wir brauchen
hundert Ideen, damit eine sich durchsetzt.“
Das ist also der Kontext für die zwölfte Etage
in Renningen mit ihrem Pappmaché-Planeten,
den falsch gehenden Uhren und dem intergalaktischen
Couch-Doktor. Ob solche Konzepte
erfolgreich sind? „Kulturveränderungen sind
weiche Faktoren“, sagt die Potsdamer Forscherin
Claudia Nicolai. Studien ihres Instituts
hätten zumindest ergeben, dass die Motivation
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der Mitarbeiter steige. Auch die Plattform-Verantwortliche
Birgit Thoben will nicht mit Zahlen
antworten. Wie viele Geistesblitze aus dem
kreativen Stockwerk stammen, verrät sie niemandem.
„Ich will keinen Druck aufbauen, dass
man nur hierher kommen darf, wenn man auch
Ideen hat.“ Auch das Management habe sich
damit abgefunden, dass von ihr vorerst keine
Zahlen kommen. „Wer kreativ sein will, braucht
Freiräume“, sagt Thoben, „das setzt Vertrauen
in die Mitarbeiter voraus.“
Ein knapper Nachsatz lässt
erahnen, wie sehr sie diesen
Freiraum manchmal verteidigen
muss. „Man darf
nicht vergessen, wo wir herkommen:
130 Jahre Tradition,
Massenproduktion und
keine Fehler – das steckt in
der DNA.“
Thomas Drescher erinnert
sich noch gut daran, wie die studierte Verfahrenstechnikerin
vor ein paar Jahren mit ihrer Suche
nach den hundert Ideen bei ihm gelandet
ist – und wie seltsam er das fand. „Wieso genau
einhundert?“ Dreschers Firma Wimmelforschung
in Berlin bewegt sich an der Grenzlinie
zwischen Kunst und Forschung. Die Wimmelforscher
erhielten den Zuschlag für den Aufbau
der Plattform 12. „Die hatten sich das mit den
hundert Ideen irgendwie ausgerechnet“, sagt
Drescher schulterzuckend. Gerechnet! Und das
ist aus seiner Sicht schon der erste Fehler: Kreativität
zu quantifizieren.
Boschs Innovationsabteilung hatte ihn und
seine Partnerin Maren Geers eingeladen, um
über ein Konzept für einen Kreativraum zu diskutieren.
„Aber deren Ideen waren viel zu steril,
WIR
MÜSSEN
SCHEITERN
LERNEN
viel zu zonal: Hier reden, da Kaffee trinken, da
ausprobieren. So Bosch - like halt.“ Vergesst
es, habe er schließlich gesagt. Mach es besser,
hätten die Leute von Bosch erwidert. So schildert
er es heute. Es scheint, als habe er provozieren
wollen, als er einige Wochen später sein
Konzept der Führungsriege präsentierte: der
Astronaut als intergalaktischer Couch-Doktor,
die falsch gehenden Uhren, der Planet mit der
Infusionsflasche. Zur Präsentation verteilten
Stewardessen Bordkarten
an die Bosch-Führung.
„Wir haben deren Konformität
mit unserer Poesie
unterwandert und denen ein
schwarzes Loch verkauft“,
sagt Drescher. Er fürchtete
eine Absage und erhielt
stattdessen den Auftrag.
„Der Druck aus dem Silicon
Valley ist enorm“, sagt Thomas
Drescher. Manche Unternehmen haben
nicht die Geduld für den freien, künstlerischen
Austausch. Sie wollen sich mit Design Thinking
kreative Ideen gleichsam erkaufen. „Kunst ist
keine ökonomische Ressource“, warnt Drescher.
Im Unterschied zu anderen Unternehmen entwickeln
die Künstler in der Plattform 12 ihre eigenen
Projekte. „Wir müssen es auch aushalten,
wenn wir keine Ideen haben.“ Diese Geduld
könnten Ingenieure von Künstlern lernen.
Unbemerkt von allen Beteiligten schleicht sich
am Nachmittag reinrassiges Design Thinking
in Form eines Praktikanten in die Plattform.
Ein junger Mann huscht ins zwölfte Stockwerk
und schiebt einen USB-Stick in den Computer
am 3-D-Drucker. Was er hier mache? Er wirkt
überrascht, dass jemand das wirklich wissen
will. „Nichts Besonderes“, sagt er bescheiden,
„ich drucke nur eine Idee aus.“ Es handelt sich
um den Prototypen einer Halterung für Sensoren
eines technischen Geräts. Ein Detail, das
bisher in seiner Abteilung ungelöst erschien. In
der Plattform muss er keinen Druckantrag stellen,
nicht lange warten. „Nur schnell“, schiebt er
hinterher und huscht wieder davon. „Rapid prototyping“
heißt das Zauberwort für dieses „nur
schnell“. Natürlich stammt es ebenfalls aus den
USA. Hirnforscher sagen, dass wir Dinge dann
am besten begreifen, wenn wir sie tatsächlich
anfassen können. Ein schnell hergestellter Entwurf,
im Zweifel aus Papier, Pappe oder Knete,
zeigt die Stärken einer Idee – und auch ihre
Schwächen. „Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten,
wenn man wirklich etwas begreifen will“,
sagt Doktorandin Kutscha. Sie sitzt jetzt neben
Matthias Kuntz, seit zehn Jahren Forschungsingenieur
bei Bosch, auf den Stufen eines rollbaren
kleinen Amphitheaters. Kuntz hat schon
öfter beobachtet, wie Manager kreativ werden,
sobald die Umgebung stimmt. Einmal sei ein
hohes Tier zu einem Workshop in ein Künstleratelier
gekommen. Die Staffeleien, die Unordnung,
das kreative Chaos: Sofort habe er das
Jackett abgelegt und die Ärmel hochgekrempelt.
„Er hat die Rolle gewechselt: nicht mehr
Chef, sondern verspielt-kreativer Tüftler. Sobald
der Ingenieur statt per PowerPoint mit der Hand
schaffen darf, bewirkt das Wunder.“ Wie leben
wir in Zukunft? Die Schrift am Fenster ist an einigen
Stellen verwischt und durchgestrichen. Hier
ziert ein Smiley die Scheibe, an einer anderen
Stelle steht „Bitte verstecken und mir in zwei Wochen
wiedergeben“. Ein Mann im Anzug und
SOBALD ER
STATT PER
POWERPOINT
MIT DER HAND
SCHAFFEN
DARF, BEWIRKT
DAS WUNDER
sein Kollege in Kapuzenshirt und Turnschuhen
fotografieren ihre Notizen von einer Tafel ab. In
einer Ecke sitzt eine Arbeitsgruppe. Der Leiter
hat seinen Laptop auf eine der Werkbänke gestellt,
auf dem Bildschirm eine Tabelle mit Kriterien.
Die Kollegen versuchen, ihre Erwartungen
in Zahlen auszudrücken. Sind die Kunden der
Zukunft bereit, für mehr Nachhaltigkeit auch
mehr zu bezahlen? Die Diskussion geht hin und
her. „Unsere ganzen Ideen passen doch nicht in
die Tabelle“, klagt eine Frau. „Was jetzt“, ruft ihr
Kollege ungeduldig, „soll ich jetzt eine eins oder
eine drei eintragen für Nachhaltigkeit?
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WIR
ENTWERFEN
ALSO SIND
WIR
von:
Felix Stephan
Schon gehört? Politik heißt jetzt Design. In seinem neuen Buch
erklärt Friedrich von Borries, wie Gestaltung den Menschen aus
der Unmündigkeit führt. Im Jahr 1985 baute sich der Malereiprofessor
Joseph Beuys in den Münchner Kammerspielen vor dem
Publikum auf und verkündete den Glaubenssatz: „Jeder Mensch
ist ein Künstler.“ Jetzt, im Herbst 2016, bietet der Hamburger
Designprofessor Friedrich von Borries eine Aktualisierung an:
In seinem neuen Buch Weltentwerfen ist jeder Mensch ein Designer.
Und in gewissem Sinne erzählt das auch schon einiges
über den Weg, den Deutschland in dieser Zeit zurückgelegt hat.
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Die Frage bei Borries ist nicht: „Was ist Design?“,
sondern vielmehr: Was eigentlich nicht?
Womit sich die Debatte, ob Design politisch ist,
im Grunde von selbst erledigt: Wenn Parteiprogramme,
Freihandelsabkommen und Entwicklungshilfestrategien
die Wirklichkeit auf
dieselbe Weise gestalten wie der Apple-Designchef
Jonathan Ive weiße TV-Adapter, wird die
Realität zwangsläufig zum Produkt und jeder
Gestaltungsakt zur politischen Intervention.
„Entwerfen ist der Ausgang des Menschen aus
AUSGANG
AUS DER
UNTERWORFENHEIT
der Unterworfenheit“, schreibt Friedrich von
Borries. „Wenn wir entwerfen, befreien wir uns.
Das ist der Wesenskern unseres Menschseins.“
Von der traditionellen Politikwelt unterscheidet
sich diese geschliffene Designwelt kaum. Auch
hier konkurrieren verschiedene Designer mit
verschiedenen Interessen um das Erscheinungsbild
der Wirklichkeit: Das Sicherheitsdesign, das
zum Beispiel NSA und BND vor Augen haben,
beeinträchtigt die Entwürfe des Design-Duos
Deleuze/Guattari ganz entscheidend.
Sicherheitsdesign beschäftigt sich vor allem mit
der Abwehr von Gefahren, Gesellschaftsdesign
unter anderem mit der Ausformung von kollektiver
Identität, dem Umgang der Menschen untereinander,
der Ausgestaltung des verfügbaren
Raums und der Zeit. Und das Selbstdesign
schließlich betrifft die Gestaltung des eigenen
Körpers. In diesem Bereich geht es zum Beispiel
um Medizin, Fitness und Mode.
Friedrich von Borries zufolge gibt es vier große
Ausformungen des Designs: das Überlebens-,
das Sicherheits-, das Gesellschafts- und das
Selbstdesign. Das Überlebensdesign betrifft
dabei alles, was es dem Mängelwesen Mensch
ermöglicht, sich in der feindseligen Welt physisch
einzurichten, also etwa Bewässerung und
der Bau von Häusern und Siedlungen.
GESTALTUNG ALS INTERVENTION
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BEDRÜCKENDE
GESPRÄCHE
GESPRÄCHE
Gut möglich, dass das sogar funktioniert: Über
„gutes Design, das pragmatische Utopien entwirft“
redet es sich nun einmal sehr viel besser
als über Milchquoten und Seniorenbetreuungsprogramme,
auch wenn es letztlich um ganz
ähnliche Anliegen geht. Während junge Kommunalpolitiker
auf Snapchat an dem Versuch
scheitern, neue Zielgruppen zu erschließen,
wird in den Galerien und Innenstadt-Cafés aller
Voraussicht nach bald Friedrich von Borries‘
politische Designtheorie herumgereicht. In diesem
Sinne hat der Designer dem politischen
Sprechen einen Rebrush verpasst, den es gut
gebrauchen kann. Von Borries hat einen Begriffsapparat
entwickelt, mit dem sich über Politik
sprechen lässt, ohne dabei den Eindruck zu
erwecken, man würde sich auf diese spezielle
aus der Zeit gefallene Weise für Politik interessieren.
Gespräche über Politik sind in diesen Tagen
eigentlich immer unerfreulich und sie führen
auch selten irgendwohin. Vielleicht ist es deshalb
gar keine so schlechte Idee, ab sofort statt
„Politik“ „Design“ sagen und noch einmal
von vorn anzufangen.Vielleicht muss man sich
dieses Buch als einen Akt produktiver Sabotage
vorstellen: Friedrich von Borries spricht von „Design“
statt von „Politik“, um einem Publikum ein
politisches Bewusstsein unterzujubeln, das gewohnheitsmäßig
lieber über Design spricht.
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DESIGN
DISZIPLINIERT
In Friedrich von Borries‘ politischer Designtheorie
gibt es nicht nur entwerfendes Design, sondern auch
unterwerfendes: Überwachung, Kontrolle und Bevormundung
stehen Zugänglichkeit, Ermächtigung und
Offenheit gegenüber. Für Friedrich von Borries handelt
es sich dabei nicht um unterschiedliche politische
Programme, sondern unterschiedliche Gesellschaftsdesigns:
„Heute werden Menschen mithilfe von Design
diszipliniert und kontrolliert, sodass von der Norm
abweichendes Verhalten nicht – oder nur erschwert
– möglich ist.“ Anderseits könnten Designer „Projekte
und Verhaltensanleitungen entwickeln, die unterwerfende
Sicherheitsparadigmen aufbrechen und/oder
ironisieren“. Vielleicht muss man sich dieses Buch als
einen Akt produktiver Sabotage vorstellen: Friedrich
von Borries spricht von „Design“ statt von „Politik“,
um einem Publikum ein politisches Bewusstsein unterzujubeln,
das gewohnheitsmäßig lieber über Design
spricht.
LEBENSLANGES
ARBEITEN
von:
Anja Janotta
Die Digitalisierung der Arbeitswelt trifft nahezu alle Branchen.
Nicht nur Arbeitsministerin Andrea Nahles hat sich mit diesem
Thema auseinandergesetzt - sie stellte an diesem Dienstag
einen Abschlussbericht zum Weißbuch 4.0 vor, in dem es um
neue Arbeitskonzepte geht und u.a. auch um die Lockerung der
Arbeitszeiten. Ebenso hat sich der BVDW über die neue Arbeitswelt
Gedanken gemacht. Der Verband hat ebenfalls einen Leitfaden
veröffentlicht: „Arbeiten 4.0“ heißt dieser und fasst zusammen,
was den Arbeitsmarkt in der digitalen Welt derzeit
bewegt, wo Handlungsbedarf besteht und was selbstbewusste
Arbeitnehmer heute ganz selbstverständlich voraussetzen.
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Das Zeugnis, das der BVDW darin der Branche
ausstellt, ist nicht unbedingt schmeichelhaft.
Denn vieles liegt im Argen. Wie groß beispielsweise
der Nachholbedarf in Sachen digitale
Kompetenzen ist, habe die diesjährige Talent-
Revolution-Umfrage gezeigt, die der BVDW
gemeinsam mit der Boston Consulting Group
und der Google Digital Academy durchgeführt
hat. Demnach liegen Weiterbildungsprogramme
im Bereich Digitales Marketing weit hinter
den Anforderungen zurück. Zwei Drittel der
Umfrageteilnehmer hatten ihrer Meinung nach
keinen Zugang zu einem entsprechend qualifizierendem
Weiterbildungsprogramm.
Der nun veröffentlichte Leitfaden empfiehlt
eine nachhaltige Problemlösung: Digitale
Kompetenzen müssen vor allem in den Schulen
und Hochschulen flächendeckend vermittelt
werden“, fordert nun Harald Fortmann,
Arbeitswelt-Botschafter des BVDW und für den
Personalberaters D-Level tätig. „Die Floskel ‚lebenslanges
Lernen‘ wird aus Mitarbeiter- wie
auch aus Unternehmenssicht zur zwingenden
Realität.“
Berufsbilder wandeln sich oder fallen weg, der
Arbeitsalltag wird immer komplexer - „darauf
müssen wir uns jetzt vorbereiten und die entsprechenden
Kompetenzen vermitteln“, sagt
Fortmann. Die Unternehmen müssten ebenso
entsprechende Organisationsstrukturen aufsetzen.
So seien zum Beispiel immer mehr Raumkonzepte
Usus, „die nicht mehr für alle Mitarbeiter
gleichzeitig Platz bieten und in denen man
auch nicht jeden Tag am gleichen Tisch sitzt.“
Gleichzeitig verändern sich auch die Ansprüche
der Arbeitnehmer. ->
BERUFSBILDER WANDELN
SICH ODER FALLEN WEG,
DER ARBEITSALLTAG
WIRD IMMER KOMPLEXER
DIE FLOSKEL
LEBENSLANGES
LERNEN WIRD AUS
MITARBEITER-
WIE AUCH AUS
UNTERNEHMENSSICHT
ZUR ZWINGENDEN
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Gehalt und Sicherheit hätten nicht mehr die Bedeutung
wie zuvor. Für die nachrückende Generation
sind hingegen die persönliche Weiterentwicklung,
Weiterbildung, flexible Arbeitszeiten,
Arbeitszeitkonten, Sabbaticals immer wichtiger.
Ins gleiche Horn wie der BVDW bläst auch der
Verband Bitkom, der zwar das Weißbuch der
Arbeitsministerin begrüßt, dem aber die vorgeschlagenen
Flexibilisierungen nicht weit genug
gehen, um den Arbeitgeber-Anforderungen der
Branche gerecht zu werden. „So sollte die Digitalwirtschaft,
in der gute Löhne gezahlt werden
und sich der Fachkräftemangel weiter zuspitzt,
grundsätzlich von den Einschränkungen bei
Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen
ausgenommen werden. Zudem sollten für eine
bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
neue Formen der Arbeits- und Arbeitszeitgestaltung
rechtlich ermöglicht werden,“ heißt es
in einer Stellungnahme. Insbesondere das Arbeitszeitgesetz
müsse flexibler ausgestaltet werden.
Die gesetzlich vorgeschriebene elfstündige
Ruhepause sei beispielsweise nicht mehr zeitgemäß
und steht dem Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten
entgegen. Auch die betriebliche Mitbestimmung
müsse dem digitalen Wandel der
Arbeit Rechnung tragen. Die Zukunft liegt wohl
in der gezielt forcierten Mischung aus theoretischen
Schulungen und praktisch ausgelegtem
Erfahrungsaustausch. Formales und nicht-formales
Lernen greifen ineinander. Oder anders
gesagt: Weiterbildung darf sich nicht mehr nur
auf Unterricht im Schulungszentrum und dem
Erhalt eines Zertifikates, sondern auch auf das
Lernen im Rahmen von echten Aktivitäten im
realen Arbeitsumfeld beziehen. Meine These:
Wer diesen Benefit heute anbietet, schafft sich
einen enormen Vorteil im War for Talents, dem
Kampf um die besten Fachkräfte!
Warum nicht mal den Grafiker in die Entwicklung
schicken oder den Projektleiter ins Lager
– sofern ihn das interessiert und weiterbringt?
Warum nicht mal ausloten, ob es Unternehmen
gibt, die ähnlich wie Einhorn und Ottakringer,
an einem praktisch orientierten Austausch ihrer
wissbegierigen Mitarbeiter interessiert sind?
Wichtig ist und bleibt natürlich, dass die Erfahrungen
daraus auch in neue Konzepte und
handfeste Projekte fließen, damit zum einen der
Arbeitnehmer sich weiterentwickelt und zum
anderen als Arbeitgeber sicherstellt, dass neue
Impulse ins Haus wandern.
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jochen
rädeker
über
KI
von:
Nina Kirst
Wenn eine Designagentur ein Tool entwickelt, das automatisch
Layouts generiert, stellt sich unweigerlich die Frage: Schaffen
sich Designer jetzt selbst ab? Jochen Rädeker, Gründer und Geschäftsführer
von Strichpunkt, sagt nein. Das Gegenteil sei der
Fall. Für die Deutsche Post DHL Group entwickelte Strichpunkt
nicht nur ein markenübergreifendes Brand-Portal, sondern auch
ein Gestaltungswerkzeug, das mithilfe künstlicher Intelligenz
Layouts erstellt: den Layout Creator. Wir wollten von Strichpunkt-
Chef Jochen Rädeker, der auch Professor für Kommunikationsdesign
an der Hochschule Konstanz ist, wissen, wie die zunehmende
Automatisierung durch KI den Designberuf verändern wird.
Was bedeutet ein System wie der
Layout Creator für die Zukunft
des Designs?
Ich bin sicher, dass unser Tool erst der Anfang
ist. Wenn eine international gesehen relativ kleine
Agentur wie Strichpunkt fähig ist, so ein System
aufzusetzen, lässt sich daraus ableiten, zu
was etwa Google, Microsoft oder Adobe mit all
ihren Spezialisten in der Lage wären – und wie
schnell sich solche automatisierten Designsysteme
verbreiten werden. Wir haben zwar den Vorteil,
dass wir aus der Gestaltung kommen, und
sind vermutlich die einzige Agentur, die derzeit
so ein System anbieten kann – aber die Big Five
aus dem Silicon Valley könnten da ganz schnell
gleichziehen, wenn sie denn wollten.
Gefährdet das den
Designberuf?
Das kommt auf die Definition und das Selbstbild
an. Wenn ich mich als Designer darauf kapriziere,
dass ich InDesign besser bedienen kann
als mein Kunde, dann habe ich meinen Beruf
falsch verstanden. Wenn ich mich aber darauf
konzentriere, mit technischer Unterstützung kreative
Ideen umzusetzen, stehe ich schon besser
da. Ich sehe angesichts der wirtschaftlichen und
technischen Entwicklung harte Zeiten für Berufe
wie DTP-Setzer oder Mediengestalter, die sich
vor allem übers Handwerk definieren. Dafür
sehe ich aber eine große Zukunft für Menschen,
die Kreativität professionell ausleben wollen,
ohne sich dabei von technischen Barrieren behindern
zu lassen. Der Designberuf wird vielfältiger,
es geht immer mehr auch um Themen
wie Werteberatung oder die Entwicklung von
Produkt- und Geschäftsideen. ->
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Werden solche
Tools dann nicht
vor allem dazu
genutzt, um Geld
für Design
einzusparen?
Das kommt auf die Definition und
das Selbstbild an. Wenn ich mich
als Designer darauf kapriziere,
dass ich InDesign besser bedienen
kann als mein Kunde, dann habe
ich meinen Beruf falsch verstanden.
Wenn ich mich aber darauf
konzentriere, mit technischer Unterstützung
kreative Ideen umzusetzen,
stehe ich schon besser da.
Ich sehe angesichts der wirtschaftlichen
und technischen Entwicklung
harte Zeiten für Berufe wie
DTP-Setzer oder Mediengestalter, die sich vor
allem übers Handwerk definieren. Dafür sehe
ich aber eine große Zukunft für Menschen, die
Kreativität professionell ausleben wollen, ohne
sich dabei von technischen Barrieren behindern
zu lassen. Der Designberuf wird vielfältiger, es
geht immer mehr auch um Themen wie Werteberatung
oder die Entwicklung von Produktund
Geschäftsideen.
Was heißt das genau?
M ASCHINEN
KÖNNEN
NICHT
ÜBERRASCHEN
DAS
BENÖTIGT
K REATIVITÄT
mehr dahin bewegen, eine Corporate Identity
zu definieren, dazu passende Corporate-Design-Module
zu entwickeln und zu optimieren.
Ihre Anwendung und Umsetzung aber werden
zunehmend Maschinen übernehmen. Wir können
uns also wieder auf die wirklich spannenden
Aufgaben konzentrieren!
Und was ist mit den internen
Design- und Marketingabteilungen
der Unternehmen?
Designer müssen sich auf die Tugend besinnen,
dass sie strategisch denken, kreative Lösungen
und Ideen entwickeln können und ein ausgeprägtes
formales Empfinden haben. Unser
Tool, also der Layout Creator, trifft formale, ästhetische
Entscheidungen basierend auf einem
Regelwerk, das professionelle Gestalter entworfen
haben. Unsere Aufgabe wird sich immer
Die könnten sich wieder mehr Gedanken über
die Zukunft der Marke machen und innovative
Strategien entwickeln. Aber natürlich wird es
auch Unternehmen geben, die in dieser Entwicklung
vor allem eine Möglichkeit sehen, Personalkosten
zu sparen. Das ist der Nachteil der
technologischen Revolution – aber leider einer,
der sich nicht verhindern lässt. ->
Reagieren die Hochschulen
schon auf diese Entwicklung?
Leider nein – oder genauer: nicht genug. Was
die Aus- und Weiterbildung angeht, plädiere ich
dringend dafür, mehr Ideation und Kreativtechniken
zu schulen, strategische Kompetenzen
zu vermitteln und Menschen dazu anzuregen,
nachzudenken und ihre Fan tasie einzusetzen.
Stattdessen konzentriert sich der Großteil der
Designstudiengänge, vor allem in den Grundsemestern,
auf die technische Ausbildung. Die
Hochschulen bilden letztlich für veraltete Technologien
aus, die man schon bald nicht mehr
brauchen wird. Es muss mehr Bildungsangebote
geben, die Designern dabei helfen, die neue
Freiheit zu nutzen. Ich habe mal Fotosatz gelernt,
dann Quark XPress. Alles tot. Demnächst
sterben eben InDesign oder Cinema 4D. Aber
Ideen sterben nie.
Was können Designer, das künstliche
Intelligenz nicht kann?
Mit dieser Frage habe ich mich in den letzten
Jahren als Professor, aber auch als Strichpunkt-
Geschäftsführer viel beschäftigt. Die Antwort ist
stets dieselbe: KI kann fast alle handwerklichen
Prozesse ersetzen, aber nicht kreatives Denken.
Das bedeutet die Befreiung von technischen
Beschränkungen, ist aber zugleich eine bittere
Nachricht für all jene, die den Beruf rein technisch
auslegen. Codende UX/UI Designer sind
heute gesuchte Talente, aber früher oder später
werden auch diese Aufgaben an Maschinen
ausgelagert werden – bis auf den kreativen
Part. Um Wireframes in einen attraktiven Zustand
zu bringen, wird man bald keine Designer
mehr brauchen. Die konzeptionelle Überlegung
– also warum welche Wireframes wo sind – wird
uns die Maschine aber nicht so schnell abnehmen.
Und das Ganze überraschend zu machen,
erst recht nicht. Maschinen können nicht
überraschen. Das benötigt Kreativität. Das sollten
wir als Designer im Fokus haben.
ICH
GLAUBE
NICHT,
DASS
MÄDCHEN
EIN
PINKES
GEN
HABEN
von:
Peter Schmitt
Der Trend zur Auflösung von strikten Geschlechter-Grenzen und
-Stereotypen macht sich auch in Produktdesign und Verkaufsstrategien
immer stärker bemerkbar. Das traditionelle Geschlechtermodell,
das Lebensstile, Spielzeug, Kleidung, Berufe, Bücher
und vieles mehr nach Geschlecht trennt, verliert zunehmend an
Bindungskraft. In Zukunft werden mehr Produkte gefragt sein,
die sich jenseits der klassischen Binarität bewegen Uta Brandes,
Professorin für Gender-Design, erklärt, warum Männer Saftpressen
wie Porsches entwerfen und was Frauen anders machen.
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Frau Brandes, würden Sie sagen,
dass Stehleuchten grundsätzlich
ein Phallussymbol sind?
Nein. Grundsätzlich nicht. Ein Phallus ist ja auch
etwas anders geformt. Aber über die Formensprache
von Produkten lässt sich in bestimmten
Bereichen schon sagen, dass alles, was aufrecht
steht und in den Himmel ragt, eher männlich,
und alles was gefäßförmig, intrauterin ist und
nach innen geht, eher weiblich assoziiert ist.
Doch auf jede Leuchte und jedes Sofa würde
ich das nicht anwenden wollen.
Was stört Sie als Gender-Expertin
besonders? Dass immer noch
Männer unser Design bestimmen?
Das auch. Eine gute geschlechtliche Durchmischung
würde für eine größere Vielfalt sorgen.
Selbst Bereiche, die als typisch weiblich gelten,
werden bis heute von Männern gestaltet. Küchengeräte
zum Beispiel. Und mein Gefühl
dabei ist oft, provokativ gesagt, eigentlich hätte
sich der Designer lieber an einem Porsche und
nicht an einer Saftpresse versucht. Darum versieht
er eben die Saftpresse mit einem Turbo,
der aus 17 Teilen besteht, die man nur schlecht
wieder zusammensetzen kann. Ich habe so eine
Saftpresse, die in der Ecke verstaubt, weil ich die
vielen Teile nicht immer säubern will. Für mich
ein typischer Fall, dem Mann fehlt die entsprechende
Erfahrung.
Man kann einem Design also ansehen,
ob es von einer Frau oder
von einem Mann stammt?
Nicht so direkt. Einer schlicht weißen Kaffeetasse
kann man es natürlich nicht ansehen. Bestimmte
Merkmale und Funktionsweisen geben
aber schon Hinweise. Hinzu kommt, dass Designerinnen
oft von vornherein festgelegt werden.
Nur ein Beispiel: Wenn Designerinnen überhaupt
in der Automobilbranche tätig werden
dürfen, dann ausschließlich an der Innengestaltung
des Wagens. Für den Bereich „Colour and
Trim“, Farbe und Verkleidung. Den Rest machen
Männer. Das gilt übrigens für alle Automarken.
Auch die Frauenmode wird von
Männern beherrscht.
Richtig. Das gilt auch für Profiköche. Dazu gibt
es eine interessante These: In dem Moment, in
dem ein Bereich, der lange als typisch weiblich
galt, wie Nähen, Stricken, Kochen, professionalisiert
wird, und der dann auch noch Erfolg
hat, wird er gerne von Männern übernommen.
Das Nähen und Kochen zu Hause, was weniger
Anerkennung bringt, bleibt in Frauenhand.
Zugleich muss man festhalten, dass es in den
Geschlechtern noch sexuelle Präferenzen gibt.
Mode zieht auffällig viele Schwule an.
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Achten Sie selbst darauf, ob die
Dinge, die Sie kaufen, von einer
Frau entworfen wurden?
Ausdrücklich nicht, aber ich schaue Dinge natürlich
automatisch unter der Geschlechterperspektive
an. Und ich behaupte von mir, dass ich
manchen Produkten ansehe, ob sie von einer
Designerin sind. Im Alltagsleben erlebe ich es
zudem oft, dass von Frauen gestaltete Dinge für
mich funktionaler sind.
Was ist so schlimm daran, wenn
Mädchen niedliches, pinkfarbenes
Design und Jungen eher kantiges,
blaues bevorzugen?
Schlimm daran ist, dass die Gesellschaft Mädchen
und Jungen anders bewertet. Alles, was
niedlich süßlich, puschelig ist, wird auch später
auf den weiblichen Lebenslauf übertragen.
Und das Kernige, Harte, Entschlossene, Entscheidungsfreudige
steht für Männer. Mädchen
erfahren also schon früh weniger Anerkennung.
Die Klischees treffen aber oft
zu: Viele Mädchen mögen Pink.
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Das ist die Frage von Henne und Ei: Was war zuerst
da? Gab es erst das Pink, das die Mädchen
wollen, weil es zum Beispiel von den Firmen so
gut vermarktet wird, oder haben Mädchen ein
pinkes Gen in sich? Wenn Sie heute in ein Kaufhaus
gehen, dann sind Spielwarenabteilungen
bereits nach Geschlechtern getrennt. In meiner
längst nicht so pinkigen Kindheit gab es das
noch nicht. Nur eine Anekdote: Vor einiger Zeit
sah ich einen dreijährigen Jungen, der zur pinkfarbenen
Seite der Spielwarenabteilung wollte,
und sofort zog ihn die Mutter weg und sagte:
Das ist nur für Mädchen.
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Sie planen ein internationales
Netzwerk, das sich mit Gender
Design beschäftigt. Sind Ihnen
Männer willkommen?
Für die erste Konferenz Ende März in New York,
auf der wir auch eine Art Verein gründen wollen,
habe ich zwar nur Frauen eingeladen, doch
das heißt nicht, dass es ein weibliches Netzwerk
werden soll. Das Thema Gender-Design liegt
Frauen aber scheinbar näher, sie haben größere
Probleme, im Design sichtbar zu werden.
Das sehe ich selbst an mir: Ich kann Ihnen sofort
mindestens 50 Namen von männlichen Designern
runterrattern, bei Frauen muss ich nach
fünf oder sechs schon überlegen. Deswegen ist
die Gründung erst mal auf Frauen abgestellt, in
der Hoffnung, dass sie erkennen, dass wir etwas
machen müssen - und so sind die Reaktionen
bislang auf meine Idee. Darüber hinaus sind uns
alle Geschlechter willkommen, die unsere Ziele
unterstützen.
Im Deutschen kann ich Sie als
Professorin anreden, im Englischen
nicht. Ich muss zur Unterscheidung
ein „weiblich“ hinzufügen.
Übertreiben wir Deutschen
es mit dem Gender nicht etwas?
Die Engländer behaupten, und sie haben unrecht
damit, es sei geschlechtsneutral, „teacher“
oder „professor“ zu sagen. Im nächsten Satz
werde ja dann unterschieden: „he“ oder „she“
macht etwas. Meiner Meinung nach müssten
die Engländer weibliche Formen wie „teacheress“
oder „professoress“ einführen. In unserer
Sprache haben wir diese Unterscheidung, und
Sprache hat ja viel mit Bewusstsein zu tun. Lässt
man das „-in“ von Professorin weg mit der Begründung,
man meine damit nicht nur Männer,
sondern Frauen seien natürlich auch „mitgemeint“,
dann ist genau dieses „mitgemeint“ das
Problem. Frauen müssen auch in der Sprache
sichtbar sein.
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DER
ARBEITSMARKT
FÜR
KREATIVE
von:
Mischa Drautz
Wie gut die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt für Kreative sind, kann
man nicht pauschal beantworten, denn die Kreativwirtschaft umfasst
viele unterschiedliche Bereiche: Zu ihr zählen die Architektur
genauso wie der Buch- und Kunstmarkt, die Design-, Musik- und
Filmwirtschaft, die Bereiche Schauspiel und Regie, Werbung und
Presse, die Rundfunkwirtschaft und die Games-Industrie. Die Situation
in diesen Teilarbeitsmärkten kann sehr unterschiedlich sein.
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Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit in der Kreativbranche
in den vergangenen zwei Jahren zurückgegangen,
sie fällt aber immer noch deutlich
höher aus als in anderen akademischen Berufsgruppen:
Im Bereich „Redaktion, Journalismus
und Öffentlichkeitsarbeit“ lag sie beispielsweise
mit 4,7 Prozent fast doppelt so hoch wie
durchschnittlich bei Akademikern (2,6 Prozent).
Presse, Buch- und Kunstmarkt sind zurzeit Sorgenkinder,
während sich vor allem der Bereich
Software/Games positiv entwickelt. Gute Nachrichten
gibt es auch für Architekten: Dort ging die
Arbeitslosigkeit zuletzt um zehn Prozent zurück.
Eine weitere positive Entwicklung ist, dass in
der Kreativbranche immer mehr sozialversicherungspflichtige
Jobs entstehen, also Jobs über
400-Euro-Minijobgehalt. Zuletzt gab es dort
ein Plus von drei Prozent. Dennoch: Da kreative
Studiengänge weiter sehr beliebt sind, wird die
Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt auch in den
nächsten Jahren aller Voraussicht nach groß
bleiben. Günstig wirkt sich immer noch der Trend
zu Social Media aus. „Der Boom der Digitalbranche
ist eine super Chance für Kreative“, sagt
Heike Wahlers, Personaldirektorin bei denkwerk,
einer der größten Digitalagenturen in Deutschland.
„Gerade im Social-Media-Bereich brauchen
mittlerweile auch viele kleinere Firmen immer
mehr Unterstützung von kreativen Profis.“
Etwa ein Drittel der Kreativen arbeitet einem
Bericht der Bundesregierung zufolge selbstständig.
Am größten ist ihr Anteil mit knapp 60
Prozent bei den künstlerischen Berufen. Dazu
zählen zum Beispiel Fotografen, Musiker oder
Grafikdesigner. Wer sich entschließt, frei zu
arbeiten, sollte sich bei der Künstlersozialkasse
aufnehmen lassen. Sie übernimmt für freie Kre-
ative den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungen.
Die Abgaben sind relativ gering, allerdings
sind es die Rentenansprüche dann auch.
Daher sollten freie Kreative unbedingt über
eine private Rentenversicherung nachdenken.
Neben selbstständigen Einzelkämpfern gibt
es in der Kreativbranche zahlreiche Unternehmensgründungen.
Allein ein Drittel
davon ist in der Games-Industrie angesiedelt,
gut 15 Prozent in der Designwirtschaft.
Etwa ein Drittel der Kreativen arbeitet einem
Bericht der Bundesregierung zufolge selbstständig.
Am größten ist ihr Anteil mit knapp 60
Prozent bei den künstlerischen Berufen. Dazu
zählen zum Beispiel Fotografen, Musiker oder
Grafikdesigner. Wer sich entschließt, frei zu
arbeiten, sollte sich bei der Künstlersozialkasse
aufnehmen lassen. Sie übernimmt für freie Kreative
den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungen.
Die Abgaben sind relativ gering, allerdings
sind es die Rentenansprüche dann auch.
Daher sollten freie Kreative unbedingt über
eine private Rentenversicherung nachdenken.
Etwa ein Drittel der Kreativen arbeitet einem
Bericht der Bundesregierung zufolge selbstständig.
Am größten ist ihr Anteil mit knapp 60
Prozent bei den künstlerischen Berufen. Dazu
zählen zum Beispiel Fotografen, Musiker oder
Grafikdesigner. Wer sich entschließt, frei zu
arbeiten, sollte sich bei der Künstlersozialkasse
aufnehmen lassen. Sie übernimmt für freie Kreative
den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungen.
Die Abgaben sind relativ gering, allerdings
sind es die Rentenansprüche dann auch.
Daher sollten freie Kreative unbedingt über
eine private Rentenversicherung nachdenken.
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Urs Schary, 25, hat den
englischsprachigen Bachelorstudiengang
Information &
Communication Design an der
Hochschule Rhein-Waal
absolviert.
„Mitten im Studium hatte ich in meinem Xing-
Nachrichtenordner eine Anfrage von der Kreativagentur
Butter. Ich war baff. Deshalb bin ich
auch recht unbedarft ins Gespräch gegangen.
Danach kam ein Probearbeiten und etwa zwei
Wochen später das Vertragsangebot. Ich habe
mich total gefreut, denn ich hätte nie damit gerechnet,
direkt nach meinem Bachelorabschluss
eine Stelle zu bekommen, ohne auch nur eine
Bewerbung geschrieben zu haben. Die Agentur
hat mich als Junior User Interface Designer eingestellt.
Der Job klingt nach Informatik, ist aber
total kreativ. In meinen Projekten bin ich dafür
zuständig, Websites zu designen, Layouts zu bestimmen
und mir Microinteractions für Produkte
auszudenken. Das sind kleine Animationen, die
zum Beispiel ausgelöst werden, wenn man mit
der Maus über ein Objekt fährt oder etwas anklickt.
Programmieren muss ich dafür nicht, allerdings
hilft es mir, dass ich es kann. Denn Ideen
sind zwar gut, aber sie müssen auch funktionieren.
Das habe ich schon in meinem Studium
verstanden. Als mir klar wurde, dass ich nicht
nur analog arbeiten möchte, habe ich mir das
Programmieren beigebracht und Apps designt.
Die Entscheidung für die Agentur war für mich
goldrichtig. Ich habe mich reingehängt, und
das hat sich ausgezahlt: Meine Probezeit wurde
von sechs auf drei Monate verkürzt, jetzt habe
ich einen unbefristeten Vertrag. Mein Ziel ist
es, später einmal Creative Director zu werden.“
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Dohmann, Antje (2012);
Page Magazin; gutes design,
böses design;
Stand vom 25.01.2020:
https://page-online.de/
thema/ecodesign/
Wolfangel, Eva (2016);
Zeit online; Hundert
Ideen, damit eine fliegt;
Stand vom 25.01.2020:
https://www.zeit.
de/2016/48/design-thinkingbosch-stuttgart-forschunginnovationsmanagement
Reuter, Timo (2016);
Zeit online; Geld für
Freiheit; Stand vom
25.01.2020:
https://www.zeit.de/
politik/2016-01/bedingungsloses-grundeinkommen-schweiz-liberalismuskrise-freiheit-finanzierung
Stephan, Felix (2016);
Zeit online; wir entwerfen,
als sind wir; Stand
vom 25.01.2020:
https://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-11/
design-friedrich-von-borries-weltentwerfen-politik-utopie
Janotta, Anja (2016);
W&V Magazin; lebenslanges
arbeiten; Stand vom
25.01.2020:
https://www.wuv.de/karriere/arbeiten_4_0_lebenslanges_lernen_wird_standard
Kirst, Nina (2019); Page
Magazin; Jochen Rädeker
über die Zukunft von
Design in Zeiten von KI;
Stand vom 25.01.2020:
https://page-online.de/
branche-karriere/jochenraedeker-ueber-die-zukunft-von-design-in-zeiten-von-ki/
Schmitt, Peter (2013)
Frankfurter Allgemeine
Zeitung; Ich glaube
nicht, dass Mädchen ein
pinkes Gen haben; Stand
vom 25.01.2020:
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/
gender-design-ich-glaubenicht-dass-maedchen-einpinkes-gen-haben-12117715.
html
Drautz, Mischa (2018);
Zeit Campus; Der Arbeitsmarkt
für Kreative
und Medienschaffende;
Stand 25.01.2020:
https://www.zeit.de/campus/2018/s1/kreativbranche-bewerben-arbeitsmarktjobaussichten
Joshua Witt
Kamera: Smartphone
Projekt: Am Ende des Kreises
Dozentin: Nola Bunke
ecosign / Akademie für Gestaltung
Wise 19/20
Das ideale Produkt ist hochästhetisch und seine Usability perfekt.
Hergestellt wird es aus umweltfreundlichen Material ien in einem
Vorzeigebetrieb. Die beglei ten de Kommunikation lädt dieses
Produkt emotional so auf, dass wir gar nicht anders können, als es
zu kaufen – wie beim iPhone. Die zentral in den USA gemachte Werbung
ist sehr bemüht, nicht nur ein Smartphone in Szene zu setzen,
sondern einen Lifestyle zu vermitteln, in dem der User Teil der Community
ist. Mit Erfolg, die iPhone-Sättigungsrate unter Kreativen
liegt gefühlt bei 99 Pro zent. Dabei hat das Gerät durchaus dunkle
Seiten, die wir auch alle kennen. Die Bilder der chinesischen Arbeiter
beim iPhone-Hersteller Foxconn, die ob der unmenschlichen
Arbeits bedingungen Selbstmord begehen, hat niemand vergessen
– auf die Absatzzahlen haben sie dennoch keine Auswirkungen.