VERITAS - Das Genussmagazin - Ausgabe 28/2020
VERITAS - Das Genussmagazin der Oberkircher Winzer
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DIE WEINKOLUMNE<br />
MIT VINCENZO DE BIASE<br />
Wein<br />
Lesen<br />
W EIN TRIFFT INS HERZ<br />
E ST 1973<br />
Jahrgänge<br />
als Sommelier stehe ich nicht nur im Restaurant, sondern<br />
auch im Weinkeller, den ich bewirtschaften muss.<br />
Bei meinen Einkäufen richte ich mich nach Sorten,<br />
Regionen und Jahrgängen. Mal ist das eine Weingebiet<br />
stark, dann das andere. Bei bestimmten Jahrgängen<br />
weiß ich, dass ich sie erst in zwei, drei oder vier Jahren<br />
meinen Gästen anbieten kann. So mache ich es dann<br />
und meine Gäste sind glücklich.<br />
Sind Jahrgänge auf der ganzen Welt gleich? Nein, natürlich<br />
nicht, wenn es für Baden ein gutes Jahr war, dann<br />
kann es in Bordeaux oder in der Toskana ganz anders<br />
gewesen sein. Es kommt also auf die Weinregion an und<br />
auf das Wetter. Es kommt aber auch auf die Rebsorte<br />
an, denn die eine verträgt viel Sonne, die andere nicht<br />
ganz so viel. Weil man nicht weiß, was die Natur macht,<br />
ist jedes Jahr anders. Für Weintrinker steckt somit das<br />
Leben voller Überraschungen.<br />
Von einem großen Jahrgang kann ich erst sprechen,<br />
wenn für die Weinregion mit ihren typischen Rebsorten<br />
alles ideal gelaufen ist: der letzte Frost zum richtigen<br />
Zeitpunkt, Regen, wo nötig, nicht zu viel Sonne, aber<br />
auch nicht zu wenig ... Dann ist der Zuckergehalt in der<br />
Traube genau richtig und die Säure auch. Weinkenner<br />
schmecken in so einem Wein das Terroir heraus, also<br />
die Landschaft, die Böden, das Klima. Sommeliers und<br />
andere Profis können die verschiedenen Jahrgänge<br />
glasklar herausschmecken und unterscheiden.<br />
Große Jahrgänge werden meistens mit Rotweinen in<br />
Verbindung gebracht. Einen Rotwein kann ich lagern.<br />
Es bringt aber gar nichts, wenn ich den Wein meinen<br />
Gästen zu früh anbiete. Da hat man keinen Spaß damit.<br />
Auch Weißweine können eingelagert werden, aber<br />
nicht so lange. Kürzlich habe ich einem Gast einen<br />
Grauburgunder Jahrgang 2017 zum Essen empfohlen.<br />
Der Gast war sehr skeptisch. Vielleicht war ihm der<br />
Wein schon zu alt? Wie immer sagte ich: „Probieren<br />
Sie!“ Die Reaktion: „Boah ey!“ Sehen Sie! <strong>Das</strong> war ein<br />
schönes Erlebnis!<br />
Beim Thema Jahrgang schauen fast alle in die Vergangenheit,<br />
aber manche schon in die Zukunft. Der Wein<br />
ist noch im Keller, häufig noch gar nicht auf der Flasche<br />
und schon möchten die Leute wissen, wie der 2019er<br />
wird. Guter Jahrgang? Wie ein Wein wird und ob er überhaupt<br />
schmeckt – bekanntlich sind die Geschmäcker<br />
unterschiedlich – weiß ich erst, wenn der Wein auf der<br />
Flasche ist. Aber so viel ist sicher: <strong>Das</strong> Jahr war für<br />
Baden gut, auch wenn die Beeren kleiner waren und<br />
weniger Saft hatten. Die Natur hat wieder mal ganze<br />
Arbeit geleistet und die Winzer werden ihre Chance<br />
nutzen. Probieren Sie! Bald ist es ja so weit.<br />
Herzlichst<br />
Ihr<br />
<strong>VERITAS</strong>-Kolumnist Vincenzo De Biase stammt<br />
aus der Basilicata in Süditalien und lebt und liebt<br />
Wein. „Würde ich noch mal auf die Welt kommen,<br />
würde ich es wieder machen“, sagt er über<br />
seinen Beruf als Sommelier im Europa-Park.