Gartenprogramm 2020
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Bio-Bier
Das Brauhaus Nerchau hat sich in einer köstlichen Nische etabliert
Nähe von Acker und Küche
Wenn Gastronomen und Produzenten aus der Region zusammenarbeiten,
ist das auch für die Gäste gut. Das funktioniert in der Stadt wie auf dem Land.
»Eigentlich mag ich kein Bier.« »Mochte«,
muss Jochen Rockstroh einräumen. Denn seit
fast zehn Jahren nennt er sich »Brauherr«
und trinkt das eigene Gebräu sehr gern. Qualität
überzeugt schließlich. Und mit qualitativ
sehr gutem Bier kann das Brauhaus Nerchau
tatsächlich punkten. Immerhin ist es die erste
Biobrauerei Sachsens und legt Wert auf lokale
Rohstoffe.
»Die Idee, Bier zu brauen, entstand unterm
Kastanienbaum. In gemütlicher Runde,
vielleicht war auch Alkohol dabei«, sagt
Rockstroh und zeigt auf eine Sitzecke im
Grünen. Die befindet sich auf einem Hof im
Örtchen Nerchau, das auf der anderen Seite
der Mulde bei Grimma liegt. Mehrere flache
Gebäude umgeben die Sitzecke. In ihnen
lagern die Buden und anderen Gerätschaften,
die Rockstroh für seine Firma Heureka Gastro
verwendet. Hauptberuflich besorgt er die
Verkostung von Gästen auf Mittelaltermärkten
und anderen auf rustikal geeichten Veranstaltungen,
etwa das Weihnachtsmarkt-
Spezial hinterm Alten Rathaus. »Aber das
eine Gebäude stand noch leer und wir überlegten,
was wir damit machen können.« Hier
Mehl, Milch oder Fleisch zur Verarbeitung
für die eigene Stände herzustellen, sei
»Quatsch« gewesen. Aber: »Bier brauchte
ich in meiner Taverne in großer Menge. Und
das kann man selbst herstellen«, war Rockstroh
überzeugt. Also begann er als Hobbybrauer,
besuchte 2010 entsprechende Kurse.
Derart mit Wissen gerüstet, wagte er den
Schritt zur eigenen Brauerei.
Blitzblank glänzen die Kessel und Rohre
im Sudhaus. Es sieht nach Chemielabor aus,
von der Romantik Bierkeller und Fassanstich
hat der Aufbau nichts. Aber hier wird immerhin
ein Lebensmittel hergestellt. Rockstroh
ruft seinen Brauer Simon Seiffert heran, der
knapp die Bierherstellung erklärt. An einer
Schautafel zeigt er, wie aus Malz, Hopfen,
Hefe und Wasser das Getränk entsteht. Er
erzählt davon, wie die Maische geläutert
wird, also die festen Stoffe aus dem Malz-
Wasser-Gemisch herausgetrennt werden.
Im Whirlpool – der heißt tatsächlich wie die
sprudelnde Großbadewanne – wird durch
Rotation dann die klare Würze abgezogen,
aus der im Gärprozess schließlich das Bier
entsteht.
Das Nerchauer Brauhaus hat konventionell
angefangen, 2013 dann auf bio umgestellt.
»Wenn schon Qualität, dann richtig«,
meint Rockstroh. »Natürlich ist das Brauen
Braumeister Simon Junge (links) und Brauherr
Jochen Rockstroh
mit reinen Naturprodukten etwas schwieriger,
wenn man immer das gleiche Resultat
erzielen will. Aber dann ist ein Bier eben mal
etwas dunkler, weil schon das Getreide auf
dem Feld etwas mehr Hitze und damit Farbe
bekam.« Das sei halt so. Die Gerste bezieht
er von einem Biobauern im nahen Sachsendorf.
Daraus produziert eine fränkische
Mälzerei die Maische. Besondere Malze, um
Extrabier zu produzieren, bezieht Rockstroh
von einem Spezialhändler. Vier Wochen hat
in Nerchau das Bier Zeit zum Gären in zehn
und zwanzig Hektoliter fassenden Tanks –
viel länger als in konventionellen Brauereien,
die den Massenmarkt bedienen. Denn dieses
Zeitlassen kostet neben den Zutaten auch
mehr Geld. Auch das Etikettieren mit der
Hand macht mehr Aufwand, die Flaschenwaschmaschine
reinigt nur 16 Flaschen mit
einem Mal.
»Wir stellen sicher kein Verzehrbier für
jeden Tag her«, sagt der Braumeister Simon
Junge. »Wir machen handwerklich sehr gutes
Bier aus besten Zutaten. Eigentlich machen
wir Craftbeer, ohne dass wir uns so
nennen wollen.« Bei Nerchau wird das Pils
am häufigsten verkauft. Es gibt unter anderem
ein sommer licheres Schankbier, ein
Schwarzbier und ein Rauchbier, das mit seinem
Räuchergeschmack überrascht. Saisonale
Spezialitäten wie diverse Bockbiere und
ein rötlich strahlendes »Winterzauber«-Bier
kommen hinzu. Neben der eigenen Gastronomie
auf Märkten und im Schloss Trebsen
kann man bei verschiedenen Einzelhändlern
und Lokalen das Nerchauer Bier trinken und
erwerben. Die Adressen listet die Homepage
auf.
Reich werde man mit einer Biobrauerei
nicht, meint Jochen Rockstroh. Aber der Betrieb
mit seinen drei Mitarbeitern trägt sich
mittlerweile selbst und ist nicht nur eine
gute Ergänzung für den eigenen Gastrobetrieb.
Er ist selbst zum Bierliebhaber geworden.
»Wenn man hier direkt am Gärtank den
frischen Gerstensaft probieren kann, ist das
einfach köstlich.« Tobias Prüwer
● Brauhaus Nerchau
Im Grünen Winkel 1, Nerchau/Grimma, Hofladen,
jeden Donnerstag von 14 bis 19 Uhr,
www.nerchauer-brauhaus.de
●
Brauereifest Samstag 02. Mai 2020 ab 13 Uhr
Schloss Trebsen liegt an der Mulde bei Grimma.
Drinnen werden die Gäste bewirtet,
draußen kümmert sich die Schlossgärtnerin
um den Gemüseanbau im biozertifizierten
Garten. Die Erzeugnisse aus dem eigenen
Anbau landen auf den Tellern. »Uns geht es
um Verständnis für eine gesunde Ernährung
sowie für die Verfügbarkeit, Saisonalität und
Verarbeitungsmöglichkeit der einzelnen Rohstoffe«,
sagt Inhaberin und Geschäftsführerin
Uta Rockstroh. Dank Konservierung lässt
sich schon im Sommer für den Winter vorverarbeiten,
um dann von den Reserven zu zehren.
Daneben kauft Schloss Trebsen bei regionalen
Erzeugern ein, serviert etwa Bier von
der Brauerei Nerchau oder Fisch von den
Wermsdorfer Teichen. Einen Vorteil der Zusammenarbeit
mit regionalen Produzenten
sieht Rockstroh im persönlichen Kontakt, der
Einblicke in die Produktion und die Betriebe
erlaubt, einen anderen in der höheren Qualität
der Produkte, auch wenn diese höhere
Preise haben können als auf dem Großmarkt.
u Restaurant Schloss Trebsen
Zum Schloss 1, 04687 Trebsen, Fr. 17–22 Uhr,
Sa./So. 11–22 Uhr
www.schloss-trebsen.com
u Annalinde Gärtnerei
kein Hofladen nur Gemüsekiste und Gastroservice
www.annalinde-leipzig.de
u Restaurant Pekar
Odermannstraße 11, 04177 Leipzig, Di.–So. ab 17 Uhr
Diese regionale Versorgung sicherzustellen,
bedeutet einen gewissen Aufwand: »Der
Aufbau eines Netzwerks zu den regionalen
Erzeugern braucht einen langen Atem«, so
Rockstroh. Das rechnet sich allerdings:
»Wenn das Netzwerk einmal steht, ist es
kein erhöhter Aufwand mehr und man gewinnt
wertvolle Kontakte und glückliche
Gäste.«
Im Pekar im Leipziger Stadtteil Lindenau
ist die Pizza schon mal mit Rosenkohl
belegt. Die regionalen Zutaten legen keinen
langen Weg zurück, stammen zum Beispiel
aus der Annalinde. Dort, im Lindenauer Garten,
gab es ab 2013 einen mobilen Pizzaofen,
aus dem im September 2016 das Restaurant
wurde. Das Gemüse liefert die Annalinde
noch heute – durchschnittlich zwei Mal wöchentlich,
erntefrisch und mit dem Lastenrad.
»Die Menge schwankt nach Jahreszeit«, sagt
Philipp Scharf, einer der Mitbegründer der
Annalinde. »Aus Gärtnereisicht ist das frühe
Frühjahr nachteilig, weil da die Lager leer
sind.« Dann heißt es fürs Pekar, die Karte
anzupassen, und für die Gäste, sich von sel
tenem Wintergemüse überraschen zu lassen.
Das vermeidet Kühlketten und lange Transportwege,
außerdem, so stellt Scharf heraus,
sind die Produkte dann am preisgünstigsten,
wenn sie gerade Saison haben. Neben dem
Pekar arbeitet die Annalinde unter anderen
mit der Dankbar in der Jahnallee, der Kantine
im Tapetenwerk, dem Café Ino in der Lützner
Straße oder Pepes Kitchen zusammen.
Jakob Ottilinger ist im Pekar unter anderem
für den Kontakt zu den Produzenten
zuständig, was bei der Annalinde einen kurzen
Weg bedeutet: »Die Nähe erlaubt die
direkte Zusammenarbeit zwischen Acker und
Küche.« Das Rezept gegen die leeren Lager
im Frühjahr lautet auch im Pekar Haltbarmachen
und Fermentieren. Zu den anderen
Lieferanten gehört Frau Müller aus Pegau,
das Fleisch kommt vom Biohof Barthel
in Dommitzsch, das Mehl von der Mühle
Engelsdorf und der Käse vom Sonnengut
Gerster. »Man muss das ein bisschen zusammenstückeln«,
sagt Ottilinger. Sein Fazit:
»Aber es ist möglich, ein regional beliefertes
Restaurant zu führen.« Franziska Reif
Manuel Rademacher (Pekar), Philipp Scharf (Annalinde) und Jakob Ottilinger (Pekar) bei der Gemüselieferung
Lokalzeit www.leipziggruen.de 18
19 www.leipziggruen.de Lokalzeit