pip – Praktische Implantologie und Implantatprothetik 2020 - 02
Liebe Leserin, lieber Leser, in der Konsumwirtschaft gilt die Individualisierung und Personalisierung von Produkten als absoluter Megatrend. Sein eigenes Müsli zusammen zu rühren, ein auf die eigene Person abgestimmtes Parfum zu kreieren, Schokolinsen mit dem Gesicht des Liebsten drauf zu verknuspern oder das erst neuerdings wieder so begehrte Klopapier mit eigenen Botschaften zu bedrucken – wenn es dem Menschen Einzigartigkeit und die Unterstreichung seiner Individualität verspricht, sind das die teilweise erheblichen Mehrkosten locker wert. Zum umso größeren Wohl des Patienten zeigt sich dieser Trend auch in Medizin und Zahnmedizin. Kaum mehr eine Fortbildung, in der nicht individualisierte oder "biologisierte" Komponenten vorgestellt werden, sei es in der Prothetik oder bei regenerativen Materialien – was dem Konsumenten in erster Linie Prestige und Lustgewinn verschafft, zeigt sich in der Medizin als heilungsfördernd und klare therapeutische Verbesserung. Wo aber selbst das strenge deutsche Lebensmittelrecht offenbar kein Problem damit hat, wenn ein Individuum sich Wasabi- oder Knoblauchflocken ins Schokomüsli mischen mag, schweben über vielen Individualisierungen jene drei Buchstaben, die vielen inzwischen denselben Juckreiz verschaffen wie einst die DSGVO oder das Antikorruptionsgesetz. Und auch diesmal sei die Frage erlaubt, ob man mit dem Kind direkt auch die ganze Badewanne aus dem Fenster kippen will. Juckreizfreies Lesevergnügen mit Ihrer neuen pip! Ihre Marianne Steinbeck
Liebe Leserin, lieber Leser,
in der Konsumwirtschaft gilt die Individualisierung und Personalisierung von Produkten als absoluter Megatrend. Sein eigenes Müsli zusammen zu rühren, ein auf die eigene Person abgestimmtes Parfum zu kreieren, Schokolinsen mit dem Gesicht des Liebsten drauf zu verknuspern oder das erst neuerdings wieder so begehrte Klopapier mit eigenen Botschaften zu bedrucken – wenn es dem Menschen Einzigartigkeit und die Unterstreichung seiner Individualität verspricht, sind das die teilweise erheblichen Mehrkosten locker wert.
Zum umso größeren Wohl des Patienten zeigt sich dieser Trend auch in Medizin und Zahnmedizin. Kaum mehr eine Fortbildung, in der nicht individualisierte oder "biologisierte" Komponenten vorgestellt werden, sei es in der Prothetik oder bei regenerativen Materialien – was dem Konsumenten in erster Linie Prestige und Lustgewinn verschafft, zeigt sich in der Medizin als heilungsfördernd und klare therapeutische Verbesserung.
Wo aber selbst das strenge deutsche Lebensmittelrecht offenbar kein Problem damit hat, wenn ein Individuum sich Wasabi- oder Knoblauchflocken ins Schokomüsli mischen mag, schweben über vielen Individualisierungen jene drei Buchstaben, die vielen inzwischen denselben Juckreiz verschaffen wie einst die DSGVO oder das Antikorruptionsgesetz. Und auch diesmal sei die Frage erlaubt, ob man mit dem Kind direkt auch die ganze Badewanne aus dem Fenster kippen will.
Juckreizfreies Lesevergnügen mit Ihrer neuen pip!
Ihre
Marianne Steinbeck
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pip fragt
Die Bigotterie muss aus der Diskussion!
Auch wenn sich die Panik, das Land könne von I-MVZ geflutet werden,
gelegt hat – investorengetragene Praxiseinheiten führen immer noch zu
Verunsicherung und stark polarisierenden Diskussionen. pip als erklärter
Fan der niedergelassenen Praxis hört sich einmal die andere Seite an.
Interview mit Dr. Jörn Thiemer
CEO KonfiDents
Was haben Sie als ‚Heuschrecke‘ denn zu Ihrer Verteidigung
vorzubringen?
Zunächst würde ich Sie bitten, an das Thema genauso vorurteilsfrei
heranzugehen, wie es sich gehört. Die ‚Mär von dem
bösen Investor und dem guten Zahnarzt‘ dürfen Sie ebenfalls
beiseite legen. Ich räume ein, dass es diese umsatzoptimierten
Strukturen geben mag, würde Sie aber bitten, nicht alle über
den berühmten Kamm zu scheren. Einen großen Unterschied
bei uns erkennen Sie allein daran, dass wir uns einen zahnmedizinischen
Beirat leisten, der vom Investor nicht nur unwillig
zugelassen, sondern sehr intensiv zu Rate gezogen wird. Und ich
bin, soweit ich weiß, der einzige zahnmedizinische CEO einer
investorengetragenen MVZ-Gruppe in ganz Deutschland. Bei uns
haben die Investoren verstanden, dass ein zahnmedizinisches
Versorgungszentrum nicht mit rein betriebswirtschaftlicher Expertise
geführt werden kann.
Auch Ihre Investoren werden in erster Linie die
Rendite im Auge haben …
Na hoffentlich! Das sollte übrigens jeder niedergelassene Zahnarzt.
Denn ohne Rendite beziehungsweise gesunden Praxisertrag
keine glücklichen Mitarbeiter und Patienten – und bald auch keine
Praxis mehr. Solange eine Rendite nicht unter irgendeinem
Druck erzeugt werden muss, ist dagegen absolut nichts zu sagen.
Bei Ihnen gibt es also keine Vorgaben à la ‚ab
sofort 100 Implantate mehr im Monat‘?
Schauen Sie sich die Zahnärzte in unserer Gruppe doch einmal
an. Das sind allesamt altgediente Spezialisten ihres Fachs, echte
Alphatiere – glauben Sie, die würden sich von einem BWLer
solche Ansagen machen lassen? Das sind alles Zahnärzte, die in
ihrer Region einen über lange Jahre aufgebauten guten Ruf zu
verlieren haben. Im Gegenteil, bei uns will der Investor die Meinung
und die Vorstellungen der zahnmedizinischen Fachleute
hören. Beredter Beleg für das Engagement ist nicht zuletzt auch
unser internes Fortbildungsprogramm – das leistet sich kein Investor,
der nur auf schnelles Geld aus ist. Wobei übrigens auch
die Vorstellungen der Zahnmediziner in betriebswirtschaftlichen
Belangen bisweilen korrigiert werden müssen – wie auch
nicht, dieses Fach gehört unverändert nicht zur universitären
Ausbildung, obgleich es heute eine enorme Wichtigkeit hat. Bestimmte
Synergien innerhalb einer Gruppe sind absolut sinnvoll,
so lange sie mit Augenmaß geschehen und nicht der einen Praxis
Muster aufdrücken, nur weil sie in einer anderen funktionieren,
ohne Rücksicht auf Region, Patientenklientel und die gewachsene
Praxistradition und -philosophie. Ich bewege mich also als
sachverständiger Mediator zwischen der zahnmedizinischen
Expertise und dem betriebswirtschaftlichen Know-how.
Der niedergelassene Praktiker wird also doch
eines Tages von MVZ überrannt?
Nein, auch da sollte die Emotionalität raus aus der Diskussion.
Die niedergelassene Einzelpraxis wird es auch in Zukunft
geben – und sicher zu einem weiterhin hohen Anteil. Aber zum
einen haben wir aktuell einen hohen Praxis-Abgabedruck, zum
anderen eine junge Generation, mit eigenen Vorstellungen einer
Work-Life-Balance sowie dem bekannt hohen weiblichen Anteil,
die mehr in Anstellungsverhältnisse drängen. Das MVZ ist hier
einfach eine weitere Option der beruflichen Selbstverwirklichung,
ohne Universalanspruch.
Was soll mich denn als junge Zahnärztin oder
Zahnarzt zu Ihnen locken?
Allein schon ein sicher in keiner niedergelassenen Praxis so
durchführbares Führungskräfte-Programm, bei dem Sie von
wichtigen BWL-Grundlagen über Marketing, Patientenführung
und -kommunikation sowie Personalmanagement alles lernen
können, was eine erfolgreiche Praxis heute ausmacht. Sie können
daneben ortsunabhängig bei verschiedenen Spezialisten
arbeiten und sich viel abschauen und Ihre eigene Spezialisierung
herausbilden. Und wenn Sie mögen, können Sie eines Tages
die zahnärztliche Leitung eines Zentrums übernehmen, ohne
die damit verbundenen finanziellen und persönlichen Risiken
und Langzeitverpflichtungen wie bei einer Einzelniederlassung.
Ehrlich: Ich fände das als Jungzahnarzt enorm attraktiv.
pip: Vielen Dank für dieses Gespräch.
P
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Praktische Implantologie und Implantatprothetik | pip 2 | 2020