Sardinien - Connoisseur Circle
Sardinien - Connoisseur Circle
Sardinien - Connoisseur Circle
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
hotel test sardinien<br />
Der Smaragd<br />
des Mittelmeers<br />
Erst seit exakt 50 Jahren tummelt sich die Society an der Costa<br />
Smeralda. Dabei war Italiens größte Mittelmeerinsel schon vor<br />
3.000 Jahren Zentrum einer Hochkultur. Heute lockt den Gast<br />
bevorzugt das glasklare, an steile Felsklippen oder feinsandige<br />
Ufer spülende Meer zur sommerlichen Landung auf der Insel.<br />
text: Fred Fettner<br />
connoisseur circle | 72<br />
Beach, Beauties, Boote und der<br />
Billionärsclub – das sind die Magneten<br />
vieler <strong>Sardinien</strong>-Urlauber.<br />
Klar sind alternative Wanderprediger<br />
anzutreffen, die von der „rauen Faszination<br />
des Landesinneren“ und den<br />
kühlen Herbst- und Wintermonaten<br />
schwärmen. Doch es hat schon seinen<br />
Grund, warum die Maschinen fast<br />
aus schließlich im Hochsommer in<br />
Alghero, Olbia und Cagliari einfliegen.<br />
Schon die morgendliche Ankunft per Fähre<br />
illustriert warum: mythische Felsen, dazwischen<br />
weiße Sandstreifen und selbst nahe der Schifffahrtslinien<br />
so klares Wasser, dass erfolgreich<br />
Muschelzucht betrieben wird. Rasch wird eine<br />
weitere Qualität spürbar. Weg ist die drückende<br />
Hitze des Festlandes, stets umweht ein leiser<br />
Hauch den Körper. Ein Hauch, der sich an manchen<br />
Tagen zu einem kräftigen, vom Nordwesten<br />
heranpeitschenden Mistral mausern kann.<br />
Meist bleibt der Störenfried maximal drei Tage.<br />
Ideal um zwischendurch den Stränden ein<br />
„Arrivederci“ entgegenzuschmettern und die<br />
landschaftlichen, kulinarischen und kulturellen<br />
Attraktionen in Augen- und Gaumenschein zu<br />
nehmen. Distanzen sollten dabei nicht unterschätzt<br />
werden. Nur die 264 Kilometer, die sich<br />
die mautfreie Autobahn als Fragezeichen von<br />
Olbia über Oristano nach Cagliari winden, lassen<br />
richtig Tempo zu.<br />
Cagliari selbst ist mehr als nur Verwaltungssitz.<br />
Hauptanziehungspunkt ist das Castello, die auf<br />
das 13. Jahrhundert zurückgehende Stadt in der<br />
Stadt. Hinauf pilgert man die Treppe Bastione<br />
Saint Remy, das Dach ist zugleich ein Platz mit<br />
einmaligem Blick über die ganze Stadt bis hin zur<br />
geraden Linie, die den Abschluss des Stagno di<br />
Cagliari zum Meer hin bildet. Eine ebene Fläche<br />
mit Landwirtschaft, Salinen und Lagunen. Ganz<br />
nahe der von Kormoranen überflogenen Straße<br />
stehen unzählige rosa Flamingos stoisch in den<br />
Lagunen. Gewiss, die sind vom Castello<br />
nicht zu erspähen, aber dafür<br />
die Industrieanlagen des Hafens<br />
und der Airport. Denn Cagliari ist<br />
keine Idylle, sondern eine durchaus<br />
industrielle 170.000-Einwohner-Stadt.<br />
Oben aber im<br />
historischen Kern überrascht der<br />
wuchtige „Torre dell’Elefante“ mit<br />
der fein gearbeiteten namensspendenden Figur.<br />
Originell: Die nach außen wehrhaften Türme<br />
wirken in ihrer offenen Holzkonstruktion innen<br />
wie Filmkulissen. Doch nein, touristische Kulisse<br />
ist Cagliari keine. Aus der Kirche Santa Maria di<br />
Castello tritt ein Brautpaar – sie Matrone, er (fast)<br />
Berlusconi. Und beim Abstieg zum Hafen verbreitet<br />
der Bariton des Antiquitätenhändlers der Via<br />
di Genovesi 88 einen sardischen Schmachtfetzen,<br />
während wenige Meter weiter ein weißbärtiger<br />
Segelschiffbastler den neugierigen Gast über<br />
seine Schultern sehen lässt. Zeit, sich niederzulassen,<br />
um vielleicht ein wenig am hauchdünnen<br />
Carasau zu knabbern, dazu ein paar Oliven und<br />
ein Gläschen des kraftvollen sardischen Weines –<br />
egal ob Cannonau oder Monica …<br />
Kultur und Kuriositäten<br />
Verglichen mit der Hauptstadt wirken die anderen<br />
Regionsstädte unauffällig. Olbia ist in erster Linie<br />
Hafen, Oristano an der Westküste unaufregend<br />
nett, und die Industriestadt Sassari im Norden<br />
macht neben den mittelalterlichen Bauten vor<br />
allem das studentische Leben besuchenswert.<br />
Die wilde Seite der Insel ist der Westen, mit der<br />
Halbinsel Stintino in extrem menschenarmer<br />
Ausprägung. Etwas südlich davon pulsiert im<br />
einst katalanischen Alghero vor allem im Sommer<br />
das Leben. Sechs von 26 mittelalterlichen<br />
Türmen stehen noch heute. Typische Hand- und<br />
Backwerkskunst verlangsamt das abendliche<br />
Flanieren über das Steinpflaster als Abschluss<br />
eines Tages, der bevorzugt morgens mit der<br />
Bootsfahrt zur Neptun-Grotte begonnen hat. Anders<br />
als die Grotta del Bue Marino in den mächtigen<br />
Felsufer wänden bei Cala Gonone ist die<br />
Neptun-Grotte auch über Straßen erreichbar. Die<br />
abschließenden 700 Stufen zum Einstieg klingen<br />
dramatischer, als sie sind. Die feinen, kristallinen<br />
Ausformungen und Lichtspiele sind<br />
den Besuch jedenfalls wert.<br />
Nach solchen Ausflügen wirkt das<br />
kristallklare Meer, das so gut wie alle<br />
Strände <strong>Sardinien</strong>s auszeichnet, noch<br />
verheißungsvoller. Und gewöhnlich<br />
steht am Anfang oder Ende jedes<br />
Tages der Sprung ins wohltemperierte<br />
Nass.<br />
73| connoisseur circle<br />
sardinien<br />
Auch sehenswert: Fassaden<br />
und Arkaden in Cagliari