Wechselwirkungen_2017
Katalog, Markus Wilke 2017 https://www.markus-wilke.com Layout: #ehfotoundgrafie
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sie nur noch eine Realität minderen Ranges, funktionslos,
weitgehend begrifflos, wertlos, und tendentiell formlos; ihre
Form spielt keine Rolle mehr, wird zerstört durch Pressen
und Schreddern oder zerstört sich selbst durch chemischen
oder biologischen Zerfall.
Interessanterweise aber ermöglicht erst dieser Zusammenbruch
der funktionalen Identität von Gegenständen das
Eintreten dieser Gegenstände in andere Realitätsordnungen.
Die Gegenstände, die in der funktionalen Welt durch
ihre Funktion und ihr Aussehen identifizierbar waren und auf
diese Weise begriffen wurden, sind jetzt, als Abfall und Ausschuss,
dreifach unbegreiflich geworden. Zum einen verlieren
sie ihre Form und ihre Gestalt, weil sie beschädigt, zerbrochen
oder sonst ihrer Form beraubt werden, oder weil
sie (etwa Verpackungen oder Umhüllungen) zusammengepresst,
zerknüllt, geschreddert worden sind; so werden sie
zu chaotischen oder formlosen Anhäufungen, verlieren ihre
Identität als Gegenstände. Zum zweiten ermöglicht dieser
Mangel, dieser Verlust an Identität, eine spezifisch ästhetische
Wahrnehmung, die den Abfall oder Müll gerade in
seinen nicht mehr funktionalen, also quasi befreiten plastischen
und farblichen Eigenwerten ästhetisiert – wie das in
den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts von Daniel
Spoerri, Dieter Roth und Joseph Beuys verwirklicht worden
war. Zum dritten erhalten diese Fragmente, Reste und Überbleibsel,
deren Status durchaus bis zu einem gewissen Grad
dem von Reliquien oder historischen Fragmenten vergleichbar
ist, durch die Verwertung, durch ihre Zubereitung für die
Verwertung eine neue Identität: eine Identität nicht mehr als
Gegenstände, sondern als Material, als Rohstoffe mit einer
Prof. Dr. Johannes Meinhardt bei seiner Eröffnungsrede zur
Ausstellung „Wechselwirkungen“ in der Galerie Peripherie.
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