04.06.2020 Aufrufe

VERSICHERUNGEN Ausblick 2020

VERSICHERUNGEN Ausblick 2020 Schadenmanagement: Versicherte überzeugen und Kosten senken Studie: Verzicht auf Neukundengeschäft gewinnt immer weiter an Bedeutung Vom klassischen Versicherer zum modernen Lösungsanbieter InsurTech: Investitionen bleiben auf Rekordniveau Betriebliche Altersversorgung viel Luft nach oben Vom klassischen Versicherer zum modernen Lösungsanbieter Die Prämieneinnahmen stagnieren, die Wechselbereitschaft steigt und neue digitale Wettbewerber drängen auf den Markt. Weltweit suchen Versicherer nach neuen Wegen, um sich in diesem Spannungsfeld von der Konkurrenz abzusetzen. Die Zeiten, in denen die Versicherer in ihrem Kerngeschäft unter sich sind, gehen zu Ende. Einer Studie zufolge sind 38 Prozent der Deutschen bereit, sich bei einem Dienstleister oder Hersteller wie etwa einem Automobilkonzern zu versichern. 36 Prozent sind offen für Angebote etablierter Technologiekonzerne und 32 Prozent stehen Offerten von Insurtechs aufgeschlossen gegenüber. Weitere Themen dieser Ausgabe sind u.a.: In der Assekuranz zeichnet sich ein strategischer Kurswechsel ab: Während im Jahr 2017 der Schwerpunkt der Versicherungshäuser auf margenverbessernden Maßnahmen lag, priorisieren diese nun über alle Sparten hinweg volumensteigernde Maßnahmen. Über 80 Prozent der Versicherer arbeiten aktuell an Markt- und Wachstumsstrategien. Drei Viertel der Versicherer in Deutschland möchten durch Neukunden wachsen, jeder dritte hat vorrangig Neukunden im Blick. Demgegenüber sehen 67 Prozent der Versicherer im Wachstum mit Stammkunden einen großen strategischen Nutzen, nur 17 Prozent einen sehr großen. Die Gründe für die Unterschiede: Die Vergütungsmodelle im Vertrieb verändern sich nur langsam in Richtung Cross- oder Upselling mit Stammkunden. Zudem behindern das immer noch vorhandene Spartendenken sowie fehlende Multikanalstrukturen den Verkauf übergreifender Versicherungsdienstleistungen je nach Lebenssituation. Die Zeiten einer einzigen Versicherung fürs Leben sind lange vorbei. Nun gerät auch das Bild vom Versicherer als naturgemäßem Anbieter von Policen ins Wanken. Denn drei Viertel der unter 35-jährigen Kunden in Deutschland sind offen dafür, auch bei Branchenfremden Versicherungen abzuschließen. Das Redaktionsteam

VERSICHERUNGEN Ausblick 2020
Schadenmanagement: Versicherte überzeugen und Kosten senken
Studie: Verzicht auf Neukundengeschäft gewinnt immer weiter an Bedeutung
Vom klassischen Versicherer zum modernen Lösungsanbieter
InsurTech: Investitionen bleiben auf Rekordniveau
Betriebliche Altersversorgung viel Luft nach oben

Vom klassischen Versicherer zum modernen Lösungsanbieter
Die Prämieneinnahmen stagnieren, die Wechselbereitschaft steigt und neue digitale Wettbewerber drängen auf den Markt. Weltweit suchen Versicherer nach neuen Wegen, um sich in diesem Spannungsfeld von der Konkurrenz abzusetzen. Die Zeiten, in denen die Versicherer in ihrem Kerngeschäft unter sich sind, gehen zu Ende. Einer Studie zufolge sind 38 Prozent der Deutschen bereit, sich bei einem Dienstleister oder Hersteller wie etwa einem Automobilkonzern zu versichern. 36 Prozent sind offen für Angebote etablierter Technologiekonzerne und 32 Prozent stehen Offerten von Insurtechs aufgeschlossen gegenüber.
Weitere Themen dieser Ausgabe sind u.a.: In der Assekuranz zeichnet sich ein strategischer Kurswechsel ab: Während im Jahr 2017 der Schwerpunkt der Versicherungshäuser auf margenverbessernden Maßnahmen lag, priorisieren diese nun über alle Sparten hinweg volumensteigernde Maßnahmen. Über 80 Prozent der Versicherer arbeiten aktuell an Markt- und Wachstumsstrategien.
Drei Viertel der Versicherer in Deutschland möchten durch Neukunden wachsen, jeder dritte hat vorrangig Neukunden im Blick. Demgegenüber sehen 67 Prozent der Versicherer im Wachstum mit Stammkunden einen großen strategischen Nutzen, nur 17 Prozent einen sehr großen. Die Gründe für die Unterschiede: Die Vergütungsmodelle im Vertrieb verändern sich nur langsam in Richtung Cross- oder Upselling mit Stammkunden. Zudem behindern das immer noch vorhandene Spartendenken sowie fehlende Multikanalstrukturen den Verkauf übergreifender Versicherungsdienstleistungen je nach Lebenssituation.
Die Zeiten einer einzigen Versicherung fürs Leben sind lange vorbei. Nun gerät auch das Bild vom Versicherer als naturgemäßem Anbieter von Policen ins Wanken. Denn drei Viertel der unter 35-jährigen Kunden in Deutschland sind offen dafür, auch bei Branchenfremden Versicherungen abzuschließen.
Das Redaktionsteam




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Vom klassischen<br />

Versicherer zum modernen<br />

Lösungsanbieter<br />

InsurTech:<br />

Investitionen bleiben auf<br />

Rekordniveau<br />

Betriebliche<br />

Altersversorgung viel Luft<br />

nach oben<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong><br />

<strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

Schadenmanagement:<br />

Versicherte überzeugen und Kosten senken<br />

Studie: Verzicht auf Neukundengeschäft gewinnt<br />

immer weiter an Bedeutung<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

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News + Online-Magazine unter:<br />

www.FinanzBusinessMagazin.de<br />

Fondsanbieter in<br />

Deutschland unter Druck<br />

Private Equity<br />

auf Rekordniveau<br />

Klimawandel zwingt<br />

Investoren zum handeln<br />

INVESTMENT<br />

<strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

Nachhaltige Geldanlagen: Banken erwarten<br />

deutlichen Anstieg grüner Investments<br />

Jeder dritte Kunde in Deutschland plant seinen<br />

Wealth Manager zu wechseln<br />

INVESTMENT <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

www.FinanzBusinessMagazin.de


EDITORIAL I FinanzBusinessMagazin<br />

EDITORIAL<br />

Vom klassischen Versicherer<br />

zum modernen Lösungsanbieter<br />

Die Prämieneinnahmen stagnieren, die Wechselbereitschaft steigt und neue digitale<br />

Wettbewerber drängen auf den Markt. Weltweit suchen Versicherer nach neuen Wegen,<br />

um sich in diesem Spannungsfeld von der Konkurrenz abzusetzen. Die Zeiten, in denen die<br />

Versicherer in ihrem Kerngeschäft unter sich sind, gehen zu Ende. Einer Studie zufolge sind<br />

38 Prozent der Deutschen bereit, sich bei einem Dienstleister oder Hersteller wie etwa einem<br />

Automobilkonzern zu versichern. 36 Prozent sind offen für Angebote etablierter Technologiekonzerne<br />

und 32 Prozent stehen Offerten von Insurtechs aufgeschlossen gegenüber.<br />

Weitere Themen dieser Ausgabe sind u.a.: In der Assekuranz zeichnet sich ein strategischer<br />

Kurswechsel ab: Während im Jahr 2017 der Schwerpunkt der Versicherungshäuser auf<br />

margenverbessernden Maßnahmen lag, priorisieren diese nun über alle Sparten hinweg<br />

volumensteigernde Maßnahmen. Über 80 Prozent der Versicherer arbeiten aktuell an<br />

Markt- und Wachstumsstrategien.<br />

Drei Viertel der Versicherer in Deutschland möchten durch Neukunden wachsen, jeder<br />

dritte hat vorrangig Neukunden im Blick. Demgegenüber sehen 67 Prozent der Versicherer<br />

im Wachstum mit Stammkunden einen großen strategischen Nutzen, nur 17 Prozent einen<br />

sehr großen. Die Gründe für die Unterschiede: Die Vergütungsmodelle im Vertrieb verändern<br />

sich nur langsam in Richtung Cross- oder Upselling mit Stammkunden. Zudem behindern<br />

das immer noch vorhandene Spartendenken sowie fehlende Multikanalstrukturen den<br />

Verkauf übergreifender Versicherungsdienstleistungen je nach Lebenssituation.<br />

Die Zeiten einer einzigen Versicherung fürs Leben sind lange vorbei. Nun gerät auch das<br />

Bild vom Versicherer als naturgemäßem Anbieter von Policen ins Wanken. Denn drei Viertel<br />

der unter 35-jährigen Kunden in Deutschland sind offen dafür, auch bei Branchenfremden<br />

Versicherungen abzuschließen.<br />

Das Redaktionsteam<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

3


FinanzBusinessMagazin I INHALTSVERZEICHNIS<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> Markt<br />

6 Vom klassischen Versicherer zum modernen Lösungsanbieter<br />

7 Trendbarometer Assekuranz<br />

9 Versicherer: Neukunde kommt noch vor Stammkunde<br />

10 Studie: Blick in die Zukunft vermiest Versicherern die Laune<br />

12 Studie: Die Hälfte der Versicherer nutzt potentielles Wachstumskapital nicht / Verzicht auf Neukundengeschäft<br />

gewinnt immer weiter an Bedeutung<br />

13 Versicherer schnüren Care-Pakete - Skepsis bei PAYL-Tarifen<br />

15 Immobilienquote der Versicherer erstmals zweistellig<br />

17 Standardsetzer erleichtert den Versicherern die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards<br />

18 Horváth-Studie: Hybride Kunden werden überschätzt<br />

19 BaFin konkretisiert die MaGo für kleine Versicherungsunternehmen<br />

21 Update zum Versicherungsmarktreport 2019<br />

23 Generation Z: Eine attraktive und zugleich kritische Zielgruppe für Finanzdienstleister<br />

26 Die Entschlüsselung der Versicherten-DNS<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - International<br />

28 Altersvorsorge: Deutschland bei den Faktoren Angemessenheit und Integrität gut platziert<br />

30 zeb.European Insurance Study 2019<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Rückversicherung<br />

31 Verfügbares Rückversicherungskapital in 2018 leicht rückläufig<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Run-Off<br />

32 Externer Run-Off von Versicherungsbeständen: Werden Abwicklungsplattformen zum neuen Trend?<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Digitalisierung<br />

33 Digital Pulse Check Insurance 2019<br />

34 Digitale Plattformen: Jeder fünfte Finanzdienstleister möchte mit Wettbewerbern kooperieren<br />

36 Digitalisierung: Banken und Versicherer rechnen mit den meisten Jobeinbußen<br />

37 Digitalisierung in der deutschen Industrieversicherung<br />

38 Finanzsektor 4.0: Die Zukunft von Banken und Versicherungen wird mit Mut gemacht … und mit Daten<br />

40 Zusatzangebote im Internet sichern Zukunft von Versicherungen<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Insuretechs<br />

42 Branchenkompass Insurance 2019: Versicherer und Makler meiden Insurtechs<br />

43 InsurTech: Investitionen bleiben auf Rekordniveau<br />

4 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


INHALTSVERZEICHNIS I FinanzBusinessMagazin<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Cyberversicherung<br />

44 Zwei von fünf Unternehmen wurden zuletzt Opfer einer Cyberattacke – Angst vor künftigen Angriffen groß<br />

46 Cyber-Studie 2019: Risikobewusstsein deutscher Unternehmen wächst<br />

47 Cyberkriminalität kostet deutsche Unternehmen im Schnitt 13 Millionen US-Dollar pro Jahr<br />

49 Innovationen brauchen Versicherungen<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Sachversicherung<br />

50 Schadenmanagement: Versicherte überzeugen und Kosten senken<br />

51 Royal Sun Alliance nutzt Willis Towers Watson Software jetzt auch in der Schadenbearbeitung<br />

53 Swiss Re und Sopra Steria Consulting entwickeln ganzheitliche Lösung zur Effizienzsteigerung<br />

aktiver Sachversicherungsbestände<br />

54 Versicherungsmarktreport 2019 für Deutschland<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - bAV<br />

55 bAV durch Entgeltumwandlung: Kein Schub durch BRSG<br />

57 bAV-Administration erlebt Digitalisierungs-Schub<br />

58 Reine Beitragszusage: breite Umsetzung erst ab 2021 zu erwarten<br />

59 Pensionskassen sehen erheblich steigenden Aufwand für regulatorische Aufgaben mit deutlichen Zusatzkosten<br />

60 Deckung von Pensionsverpflichtungen: Trend zur externen Finanzierung hält an<br />

61 DAX30-Konzerne machen betriebliche Altersversorgung wetterfest<br />

62 DAX 30-Unternehmen: Rechnungszins sorgt für Entlastung bei den Pensionsverpflichtungen<br />

64 Betriebliche Altersversorgung viel Luft nach oben<br />

65 Betriebsrentner werden entlastet<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Rentenversicherungen<br />

66 Wer besser verdient, lebt zunehmend länger und erhält dadurch überproportional mehr Rente<br />

67 Lebenserwartung steigt nur noch langsam<br />

68 Umfassende Renteninformation: Kompliziert, aber machbar<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Pflegeversicherungen<br />

69 Armut durch Pflegebedürftig – neue Studie kalkuliert Kosten und Verteilungswirkung<br />

72 Was stationäre Pflege kostet<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Krankenversicherung<br />

73 Gesetzlich Versicherte setzen auf digitale Gesundheitsservices<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> - Kreditversicherung<br />

74 Gesetzliche Neuregelung zeigt Wirkung: Nutzung von Restkreditversicherungen geht zurück<br />

IMPRESSUM<br />

52 Impressum<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

5


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Vom klassischen Versicherer zum<br />

modernen Lösungsanbieter<br />

Die Prämieneinnahmen stagnieren,<br />

die Wechselbereitschaft steigt und<br />

neue digitale Wettbewerber drängen<br />

auf den Markt. Weltweit suchen Versicherer<br />

nach neuen Wegen, um sich in diesem<br />

Spannungsfeld von der Konkurrenz abzusetzen.<br />

In ihrer Studie „Deutscher Versicherungsreport:<br />

Wer vernetzt, gewinnt“<br />

zeigt die internationale Unternehmensberatung<br />

Bain & Company auf, wie Versicherer<br />

hierzulande mit vernetzten Services<br />

und Ökosystemen die Loyalität ihrer Kunden<br />

steigern und deren Erwartungen im digitalen<br />

Zeitalter erfüllen können. Befragt wurden<br />

weltweit 167.000 Versicherungsnehmer,<br />

darunter 14.000 in Deutschland.<br />

„Überzeugende Interaktionen sind und<br />

bleiben der Schlüssel für loyale Kunden“,<br />

erklärt Bain-Partner und Studienautor<br />

Dr. Christian Kinder. Hier können Ökosysteme<br />

wie die Werkstattnetze zahlreicher<br />

Kfz-Versicherer viele neue Anknüpfungspunkte<br />

schaffen. „Immer mehr Kunden<br />

wollen eine Versicherung, die Lösungen<br />

anbietet, statt nur Policen zu verkaufen<br />

und Schäden zu regulieren“, so Kinder weiter.<br />

„Dafür braucht die Assekuranz Partner.<br />

Ökosysteme sind die richtige Antwort auf<br />

die veränderten Kundenwünsche.“<br />

Quelle: © pixabay.com<br />

Kunden sind offen für Branchenfremde<br />

Noch schaffen es die deutschen Versicherungsunternehmen<br />

vergleichsweise gut,<br />

die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen.<br />

Die höchsten mit dem Net Promoter<br />

Score® (NPS®) gemessenen Loyalitätswerte<br />

erzielt 2019 sowohl in der Sach- als<br />

auch in der Lebensversicherung einmal<br />

mehr die HUK Coburg. Auf den Plätzen<br />

folgen in der Sachversicherung HUK24<br />

und LVM; in der Lebensversicherung<br />

CosmosDirect und ERGO Direkt.<br />

Die Zeiten, in denen die Versicherer in ihrem<br />

Kerngeschäft unter sich sind, gehen zu<br />

Ende. 38 Prozent der Deutschen sind<br />

bereit, sich bei einem Dienstleister oder<br />

Hersteller wie etwa einem Automobilkonzern<br />

zu versichern. 36 Prozent sind<br />

offen für Angebote etablierter Technologiekonzerne<br />

und 32 Prozent stehen<br />

Offerten von Insurtechs aufgeschlossen<br />

gegenüber (Abbildung).<br />

Im Wettbewerb mit Branchenneulingen<br />

haben etablierte Versicherungsunternehmen<br />

zwei entscheidende Vorteile. Zum<br />

einen vertrauen die Kunden ihnen. Zum<br />

anderen schätzen viele in entscheidenden<br />

Momenten den persönlichen oder telefonischen<br />

Kontakt.<br />

Viele Versicherungsnehmer interagieren<br />

indes nur sporadisch mit ihrem Anbieter.<br />

42 Prozent der Befragten geben an, in<br />

den vergangenen zwölf Monaten keinen<br />

Kontakt zu ihrem Versicherer gehabt zu<br />

haben. Das hat unmittelbare Auswirkungen<br />

auf die Loyalität: Gibt es keine<br />

Interaktion, liegt der NPS in der Sachversicherung<br />

branchenweit bei 1 Prozent,<br />

in der Lebensversicherung bei minus<br />

15 Prozent. Schon bei zwei Interaktionen<br />

im Jahr steigen die Werte auf 26<br />

beziehungsweise 14 Prozent. Wesentlich<br />

häufiger haben Kunden mit ihrer Versi-<br />

6 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

cherung Kontakt, wenn sie über ihre vernetzten<br />

Geräte in das Ökosystem ihres<br />

Anbieters eingebunden sind. In diesem<br />

Fall steigt die Zahl der Interaktionen um<br />

den Faktor 6.<br />

Mit der richtigen Strategie<br />

in die vernetzte Welt<br />

Ein Drittel der Deutschen erwartet von<br />

ihrem Versicherer in den Sparten Kfz,<br />

Gebäude und Gesundheit vernetzte<br />

Angebote. „Das ist eine Steilvorlage für<br />

die Branche“, stellt Bain-Partner Kinder<br />

fest. Denn über vernetzte Services erhielten<br />

die Unternehmen kontinuierlich<br />

Informationen über das tatsächliche<br />

Verhalten ihrer Kunden, was ihnen die<br />

personalisierte Ansprache erleichtere.<br />

So werde die Basis für eine langfristige<br />

Kundenbindung sowie Up- und Cross-<br />

Selling geschaffen.<br />

Doch die Versicherer sollten noch aus<br />

einem weiteren Grund schnell handeln.<br />

„Positionieren sie sich nicht als Partner für<br />

ein sicheres Eigenheim oder unfallfreies<br />

Fahren, werden es branchenfremde Anbieter<br />

tun“, so Kinder. Tatsächlich bewegen<br />

sich die Kfz-Hersteller in Deutschland<br />

bereits in diese Richtung und zwingen die<br />

traditionellen Versicherer, ihre Geschäftsmodelle<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Fünf Themen stehen dabei im Fokus:<br />

• Aufbau eines Ökosystems<br />

• Entwicklung einer Datenstrategie<br />

• Weiterentwicklung des Vertriebs<br />

• Optimierung von Produkten und Prozessen<br />

• Zweigleisiger Strategieansatz für die<br />

Entwicklung einer langfristigen Vision<br />

• Die Assekuranz steht vor einer tief<br />

greifenden Transformation.<br />

Autor: www.bain.com/de<br />

Trendbarometer Assekuranz<br />

In der Assekuranz zeichnet sich ein<br />

strategischer Kurswechsel ab: Während<br />

im Jahr 2017 der Schwerpunkt der<br />

Versicherungshäuser auf margenverbessernden<br />

Maßnahmen lag, priorisieren diese<br />

nun über alle Sparten hinweg volumensteigernde<br />

Maßnahmen. Über 80 Prozent<br />

der Versicherer arbeiten aktuell an Marktund<br />

Wachstumsstrategien. Das ist eines<br />

der zentralen Ergebnisse des Trendbarometers<br />

Assekuranz, einer Kurzstudie der<br />

globalen Strategie- und Marketingberatung<br />

Simon-Kucher & Partners.<br />

Oberstes strategisches Ziel: Wachstum<br />

Die Studienergebnisse zeigen zudem:<br />

Neben Markt- und Wachstumsstrategien<br />

steht 2019 das Thema Produktstrategie<br />

im Zentrum vieler Versicherungshäuser.<br />

Im Einklang mit den Trends der Branche<br />

wird außerdem die Digitalstrategie in allen<br />

Sparten als potenzieller Wachstumstreiber<br />

gesehen und steht ebenfalls im<br />

strategischen Fokus der Versicherer. Über<br />

zwei Drittel beschäftigten sich bereits<br />

zum Zeitpunkt der Erhebung (November<br />

2018) mit ihrer digitalen Ausrichtung; für<br />

weitere 16 Prozent steht das Thema 2019<br />

fest auf der Agenda.<br />

Baustelle Digitalisierung<br />

In der Assekuranz wird zwar schon heute<br />

an vielen verschiedenen digitalen Themen<br />

gearbeitet, was grundsätzlich im Einklang<br />

mit der fokussierten Digitalstrategie<br />

steht. Allerdings ist eine eindeutige<br />

Stoßrichtung innerhalb der digitalen Themen<br />

aktuell nicht erkennbar. „Jedes zweite<br />

Versicherungsunternehmen gibt an, dass<br />

dieses essentielle Thema im eigenen<br />

Haus nicht systematisch und übergreifend<br />

angegangen wird“, so Frank Gehrig,<br />

Partner bei Simon-Kucher. Dabei ist den<br />

Studienteilnehmern der Mehrwert, den<br />

Digitalisierung in Punkto Kundennutzen<br />

stiftet, durchaus bewusst. Innerhalb der<br />

Wertschöpfungskette sehen Versicherer<br />

insbesondere beim Thema Service durch<br />

Digitalisierung den größten Kundennutzen.<br />

Und konkret planen vier von fünf<br />

Versicherungshäusern auch, in der nahen<br />

Zukunft beispielsweise in Online- und<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

7


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Videochats zu investieren. „Für Versicherer<br />

ist es dringend notwendig, die Digitalisierung<br />

als ‚Enabler‘ wahrzunehmen, die<br />

dabei hilft, Maßnahmen zu implementieren<br />

und übergreifende Ziele zu erreichen:<br />

Eine einheitliche Strategie ‚aus einem<br />

Guss‘ ist hier unverzichtbar“, so Maximilian<br />

Effing, Studienautor und Manager bei<br />

Simon-Kucher.<br />

Im Hinblick auf die Frage, auf welchen<br />

Vertriebsweg man sich 2019 und darüber<br />

hinaus konzentrieren will, gehen die Meinungen<br />

der Sparten stark auseinander.<br />

So stehen im Bereich Komposit auch weiterhin<br />

‚Ausschließlichkeit & Makler‘ klar im<br />

Fokus. Lebensversicherer konzentrieren<br />

sich hingegen stärker auf Maßnahmen<br />

für Makler und Partnervertriebe. Der Bereich<br />

der Krankenversicherer priorisiert<br />

vor allem den Vertrieb über die eigene<br />

Homepage.<br />

Thema „Produkt“ wird nur zögerlich<br />

und häufig losgelöst vom Pricing<br />

angegangen<br />

Quelle: © DragonImages - Fotolia.com<br />

Priorisierung im Vertrieb<br />

spartenübergreifend<br />

auf Neukundengewinnung<br />

Im Bereich Vertrieb liegt der Fokus der<br />

Versicherer spartenübergreifend auf der<br />

Neukundengewinnung und einer damit<br />

einhergehenden Verbesserung der Verkaufsunterstützung.<br />

Auffällig ist, dass die<br />

Veredelung der Kunden durch Up- oder<br />

Cross-Selling hingegen nur eine untergeordnete<br />

Rolle (< 50 Prozent) spielt.<br />

„Der Kampf um den (Neu-) Kunden hat<br />

begonnen. Um diesen für sich zu gewinnen,<br />

müssen Versicherer eine praktikable<br />

Omnikanal-Strategie vorweisen. Dazu<br />

gehört auch ein systematisches Lead-<br />

Management durch konsequentes Anbieten<br />

von Cross- und Up-Selling-Optionen“, so<br />

Gehrig.<br />

Auf die Frage, welche Top-Maßnahmen<br />

zum Thema „Produkt“ 2019 operativ<br />

umgesetzt werden, zeichnete sich ein<br />

klares Bild ab: Bei Versicherern steht<br />

vor allem die Überarbeitung bestehender<br />

Produkte im Fokus. Eine Sanierung<br />

des Produktportfolios und auch die<br />

Entwicklung neuer Produkte hat – zumindest<br />

in Komposit und Leben – nur<br />

untergeordnete Relevanz. „Versicherer<br />

beschäftigen sich aktuell zu wenig mit<br />

neuen Innovationen, die sich durch die<br />

Digitalisierung ergeben – dies sollte sich<br />

zukünftig ändern. Für uns ist es aber<br />

überraschend, dass die Produktstrategie<br />

häufig losgelöst von der Preisstrategie<br />

angegangen wird. Im Produktentwicklungsprozess<br />

müssen beide Themen<br />

untrennbar miteinander verbunden sein“,<br />

erläutert Effing.<br />

Neukunden-Wachstum<br />

durch Sales Excellence<br />

Die Ergebnisse des Trendbarometers<br />

zeigen deutlich: Die Neukundengewinnung<br />

ist klares Vertriebsziel in allen<br />

Sparten. Dazu Gehrig: „Unsere Erfahrung<br />

zeigt, dass zwei Hebel es ermöglichen,<br />

dieses Ziel, bereits kurz- bis<br />

mittelfristig zu erreichen: Versicherer<br />

sollten zum einen ihre Vermittler durch<br />

digitale Verkaufsunterstützungen aktivieren.<br />

Zum anderen muss die Neukundengewinnung<br />

durch eine praktikable<br />

Omnikanal-Strategie und ein systematisches<br />

Lead-Management unterstützt<br />

und angestoßen werden.“<br />

Autor: www.simon-kucher.com/de<br />

8 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

Versicherer:<br />

Neukunde kommt noch vor Stammkunde<br />

Drei Viertel der Versicherer in<br />

Deutschland möchten durch Neukunden<br />

wachsen, jeder dritte hat<br />

vorrangig Neukunden im Blick. Demgegenüber<br />

sehen 67 Prozent der Versicherer<br />

im Wachstum mit Stammkunden einen<br />

großen strategischen Nutzen, nur 17 Prozent<br />

einen sehr großen. Die Gründe für<br />

die Unterschiede: Die Vergütungsmodelle<br />

im Vertrieb verändern sich nur langsam in<br />

Richtung Cross- oder Upselling mit Stammkunden.<br />

Zudem behindern das immer noch<br />

vorhandene Spartendenken sowie fehlende<br />

Multikanalstrukturen den Verkauf übergreifender<br />

Versicherungsdienstleistungen<br />

je nach Lebenssituation. Die nötigen<br />

Investitionen in das Aufbrechen von<br />

Datensilos und neue Konzepte zur Nutzung<br />

von Daten hat das Gros der Versicherer<br />

noch vor sich. Das ergibt die Studie „Branchenkompass<br />

Insurance 2019" von Sopra<br />

Steria Consulting.<br />

Die Versicherungsbranche tut sich mit neuen<br />

Vergütungsmodellen, die vor allem die<br />

laufende Betreuung der Stammkunden<br />

belohnen, noch schwer. Das gilt vor allem<br />

für das traditionell auf Neuabschlüsse ausgelegte<br />

Lebensversicherungsgeschäft. Im<br />

Zuge eines drohenden Provisionsverbots<br />

bieten Versicherer mittlerweile sogenannte<br />

Nettopolicen an. Statt der Provisionskosten,<br />

die mit den Beiträgen sukzessive abbezahlt<br />

werden, fällt einmalig ein festes Honorar<br />

an. Bei fondsgebundenen Rentenversicherungen<br />

arbeiten einige<br />

Anbieter mit einer<br />

Bestandspflegevergütung<br />

nach dem<br />

Net-Asset-Value-Ansatz.<br />

Grundlage für<br />

die Vergütung ist das<br />

Vertragsguthaben<br />

des Versicherungsvertrags.<br />

Andere Versicherer<br />

bieten Vermittlern und Kunden ein<br />

variables Modell. Abschlussvergütungen<br />

und Folgehonorar können im Rahmen<br />

einer Bandbreite frei gewählt werden.<br />

Die Idee dahinter lautet Transparenz.<br />

Zudem sollen Makler und Vermittler so<br />

Anreize bekommen, ihr Geschäftsmodell<br />

in Richtung einer laufenden Vergütung<br />

umzustellen. Ein weiterer Ansatz ist ein<br />

„Pay-per-Contact“-Modell.<br />

Um künftig stärker mit Bestandskunden<br />

zu wachsen und den Vertrieb zu stärken,<br />

will mehr als jeder vierte Versicherer mit<br />

innovativen Produkten und verbessertem<br />

Service (28 Prozent) überzeugen. Um<br />

Stammkunden gerade während der langen<br />

Laufzeit von Lebens- und Rentenversicherungen<br />

mehr Freiheiten zu geben und für<br />

neue Kontaktanlässe zu sorgen, setzen<br />

einige Versicherer zunehmend auf anpassbare<br />

Produkte. Kunden können beispielsweise<br />

Beiträge je nach Lebenslage senken<br />

und erhöhen sowie Auszahlungen aus dem<br />

angesparten Vermögen vornehmen. Diese<br />

Flexibilität schafft Kundenzufriedenheit<br />

und zusätzliche Gesprächsanlässe für die<br />

Vermittler. Beides fördert das Cross- und<br />

Upselling-Potenzial.<br />

Nachholbedarf beim Cross-Selling<br />

Die Mehrheit der Versicherer bewertet die<br />

Chancen, mit Stammkunden zu wachsen,<br />

grundsätzlich als groß, so das Ergebnis<br />

des im Rahmen der Studie durchgeführten<br />

Think Tanks mit Experten aus der Branche.<br />

Die Anzahl der Policen pro Haushalt<br />

ist in der Regel höher als die<br />

durchschnittliche Vertragszahl<br />

der Kunden. Trotz des Potenzials<br />

nutzt die Assekuranz ihre<br />

Chancen aktuell nicht, weder<br />

auf klassischem noch auf digitalem<br />

Wege. Dabei sind gerade<br />

Online-Vertriebswege prädestiniert,<br />

um bei Stammkunden<br />

Quelle: © goodluz - Fotolia.com<br />

zu punkten. Das Vertrauen in<br />

den Versicherer besteht bereits. Neukunden<br />

sind dagegen digitalen Kanälen gegenüber<br />

skeptischer, vor allem bei Unternehmen, die<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

9


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Leichte Entlastung winkt den Versicherern<br />

mittelfristig beim Solvency-II-Regelwerk.<br />

Die EU-Kommission will das Thema <strong>2020</strong><br />

neu bewerten. Der GDV hatte nach einer<br />

Zwischenbilanz darauf hingewiesen, dass<br />

die gesetzlich vorgeschriebenen Solvenzberichte<br />

kaum gelesen werden, und eine<br />

Verschlankung gefordert. Für zusätzliche<br />

Vereinfachungen wollen die Versicherer<br />

selbst sorgen. Plan ist, Kosten für künftige<br />

regulatorische Anpassungen durch Investisie<br />

nicht kennen. Die Zahl der nötigen Kontakte<br />

pro Abschluss ist signifikant größer.<br />

Den Versicherern fehlt es allerdings noch<br />

an spartenübergreifenden und datenbasierten<br />

Konzepten. „Die Spartentrennung<br />

ist im digitalen Zeitalter veraltet und<br />

verhindert Geschäft, vor allem mit den<br />

Stammkunden“, sagt Dominic Testrut,<br />

Director Insurance Consulting von Sopra<br />

Steria Consulting. „Die Versicherten erwarten<br />

ganzheitliche Problemlösungen, die<br />

beispielsweise Lebenswelten wie Gesundheit,<br />

Mobilität und Wohnen verknüpfen“, so<br />

Testrut.<br />

Grundsätzlich haben Versicherungsunternehmen<br />

eine gute Basis. Daten wie<br />

das Alter, der Familienstand, der Beruf,<br />

die Wohnsituation oder das Einkommen<br />

werden explizit bei Vertragsabschluss vom<br />

Kunden erfragt. Weil allerdings in vielen<br />

Unternehmen das Omnikanal-Management<br />

nicht funktioniert, entstehen unbefriedigende<br />

Kundenerlebnisse. Der Kunde wird<br />

nicht auf dem aktuellen Stand seiner Kommunikation<br />

bedient. Es fehlen Regeln,<br />

um die nahtlose Übergabe der Daten zwischen<br />

den Kanälen zu gewährleisten. Zudem<br />

werden verhaltensbasierte Daten<br />

noch nicht systematisch erhoben und für<br />

die Cross-Selling-Produkte eingesetzt. Auf<br />

diesem Gebiet setzt derzeit ein Umdenken<br />

ein. Jeder fünfte Versicherer hat die Integration<br />

der Kommunikationskanäle weit<br />

oben auf der Investitionsliste für die kommenden<br />

drei Jahre, so der Branchenkompass<br />

Insurance 2019.<br />

Autor: www.soprasteria.de<br />

Studie:<br />

Blick in die Zukunft vermiest<br />

Versicherern die Laune<br />

Die Versicherungswirtschaft in<br />

Deutschland verharrt in ihrem Stimmungstief.<br />

Nur rund jeder vierte<br />

Entscheider geht davon aus, dass sich die<br />

Branche in den kommenden drei Jahren<br />

signifikant besser als die Gesamtwirtschaft<br />

entwickeln wird. Damit hat sich die Gemütsverfassung<br />

seit 2017 kaum verändert,<br />

trotz ordentlicher Wachstumszahlen 2018.<br />

Die Abkühlung der Konjunktur kommt<br />

zur Unzeit, Regulierung und die anhaltend<br />

niedrigen Zinsen erschweren weiterhin das<br />

Geschäft. In sieben von zehn Unternehmen<br />

binden zudem Maßnahmen für mehr<br />

Datensicherheit und Datenschutz viele Ressourcen.<br />

Impulse für neues Wachstum versprechen<br />

sich die Versicherer und Vermittler<br />

durch mehr Automatisierung und Digitalisierung.<br />

Das ergibt die Studie „Branchenkompass<br />

Insurance 2019“ von Sopra Steria<br />

Consulting.<br />

Für das laufende Geschäftsjahr rechnen<br />

die Entscheider der Versicherer und Makler<br />

im Durchschnitt erneut mit Beitragssteigerungen,<br />

so der Gesamtverband der<br />

Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).<br />

Mittel- bis langfristig stellt sich die Branche<br />

auf Wachstumsdämpfer ein. Die Stimmung<br />

ist allenfalls als verhalten optimistisch einzustufen.<br />

Entscheider kleinerer Versicherer<br />

mit bis zu 500 Mitarbeitern blicken pessimistischer<br />

in die Zukunft als die Konzerne.<br />

Das liegt vor allem an den hohen Bürokratiekosten<br />

für die Umsetzung von EU-Regularien.<br />

Die großen Unternehmen können<br />

die fixen Kosten, die Solvency II, die Datenschutzgrundverordnung<br />

(DSGVO) und der<br />

Bilanzierungsstandard IFRS 17 auslösen,<br />

besser über die Masse an Verträgen und<br />

Mitarbeitern verteilen als Versicherer mit<br />

weniger Bestand und Personal.<br />

10 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

tionen in Cloud-Lösungen an die Anbieter<br />

auszulagern. Fast jede dritte Führungskraft<br />

(31 Prozent) verspricht sich mit der Maßnahme<br />

automatische Anpassungen an Regulierungen,<br />

so die Studie.<br />

Beim Vergleich mit anderen Anbietern von<br />

Versicherungen gibt sich die Branche selbstbewusst.<br />

43 Prozent der Unternehmen<br />

halten sich für technologisch und organisatorisch<br />

besser gewappnet als ihre<br />

direkten Wettbewerber. Zwölf Prozent<br />

sehen sich in einer schwächeren Position.<br />

Vermittler sind hier etwas zurückhaltender<br />

als ihre Produktgeber. Von ihnen sagen nur<br />

32 Prozent, besser als ihre Wettbewerber zu<br />

sein, 18 Prozent schätzen sich als schwächer<br />

ein. Sie befürchten vor allem, dass sie<br />

sukzessive durch Onlineplattformen und<br />

Insurtechs ersetzt werden. Insgesamt betrachten<br />

59 Prozent der Versicherer und<br />

Vermittler Insurtechs als ernste Bedrohung<br />

im Kampf um Marktanteile.<br />

Strategisch wenig Neues<br />

Auf der Suche nach neuen<br />

Wachstumsimpulsen wirkt die<br />

Branche strategisch ein Stück<br />

weit ideenlos: Auf der Einnahmenseite<br />

bleiben viele Versicherer<br />

ihren etablierten<br />

Strategien treu. Für 76 Prozent<br />

ist das Gewinnen neuer<br />

Kunden immer noch das<br />

Hauptstandbein für Wachstum.<br />

Immerhin: 67 Prozent der befragten<br />

Versicherer fokussieren<br />

sich parallel verstärkt auf<br />

Cross-Selling-Strategien mit<br />

Stammkunden. „Die Differenzierung<br />

gegenüber Wettbewerbern findet<br />

in der Versicherungsbranche noch stark<br />

über den Preis statt, besonders bei Sachversicherungen.<br />

Damit ist praktisch jeder<br />

Versicherer gezwungen, Organisation und<br />

Prozesse akribisch nach Einsparpotenzialen<br />

abzusuchen. Kunden honorieren<br />

allerdings auch schnelle und fundierte<br />

Beratung über diverse Kanäle sowie Produkte,<br />

die sich ihrer Lebenssituation ständig<br />

anpassen. Diesen Wachstumspfad mit<br />

loyalen Kunden sollten mehr Assekuranzen<br />

stärker verfolgen“, sagt Christian Diemaier,<br />

Leiter des Geschäftsbereichs Insurance<br />

von Sopra Steria Consulting.<br />

Quelle: © contrastwerkstatt - Fotolia.com<br />

Automatisierung und Digitalisierung<br />

als Hoffnungsträger<br />

Um sich gleichzeitig Vorteile bei den Kosten<br />

und bei der Kundenzufriedenheit zu<br />

verschaffen, stehen branchenweit Investitionen<br />

in Automatisierung, Digitalisierung<br />

und Kooperationen auf der Agenda. Aus<br />

Sicht von 61 Prozent der befragten Entscheider<br />

sollte das eigene Unternehmen<br />

eine technologische Vorreiterrolle anstreben.<br />

Zentrale Hebel sind Robotic Process<br />

Automation, Beratung mit Unterstützung<br />

von Chatbots, Bekämpfung von Versicherungsbetrug<br />

mithilfe Künstlicher Intelligenz<br />

sowie Cloud Computing.<br />

Mehr als jedes zweite Unternehmen will<br />

zudem mit durchgehend digitalen Prozessen<br />

mehr direkte Onlineabschlüsse<br />

ermöglichen und die Schaden-Kosten-<br />

Quoten massiv senken. Maßstab im Schadenmanagement<br />

sind digitale Versicherer<br />

wie One, die bis zu 60 Prozent aller<br />

Schäden in Echtzeit und vollautomatisch<br />

regulieren. 63 Prozent der Versicherungsmanager<br />

sehen große<br />

Chancen, mit dem Umstieg auf<br />

eine IT-Landschaft aus der Cloud<br />

Wachstumsimpulse im Vertrieb<br />

zu setzen. Jeder vierte Versicherer<br />

möchte mit dieser Maßnahme<br />

künftig schneller und einfacher<br />

modulare Baukastenprodukte für<br />

Kunden anbieten und gewachsene<br />

Spartenstrukturen überwinden.<br />

Beim Thema Kooperationen<br />

mit Insurtechs zögern viele<br />

Entscheider noch. Nur vier von<br />

zehn Versicherungsunternehmen<br />

halten die Zusammenarbeit für<br />

nützlich, bei den Vermittlern spricht sich<br />

jeder vierte für Partnerschaften aus.<br />

Vertrieb 2022: weniger Vermittler,<br />

aber keine Komplettdigitalisierung<br />

Als Wachstumsgaranten gelten in der Versicherungswirtschaft<br />

die Vermittler und<br />

Makler mit ihrer Nähe zu den Kunden.<br />

Mit Blick auf die kommenden drei Geschäftsjahre<br />

sehen die befragten Versicherungsführungskräfte<br />

einen Rückgang<br />

der Vermittlerzahlen zugunsten des<br />

Direktgeschäfts über Onlinekanäle. Als<br />

Vertriebsmodell der Zukunft erwarten drei<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

11


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Viertel der Befragten allerdings kein Ende<br />

der persönlichen Beratung, sondern einen<br />

Hybridansatz.<br />

Für viele Versicherungsprodukte bleiben<br />

die Berater unverzichtbar, werden allerdings<br />

bei der Anbahnung von Geschäft<br />

deutlich stärker als bislang durch Technologien<br />

wie Künstliche Intelligenz unterstützt.<br />

Selbst rein digitale Versicherer<br />

setzen auf die Nähe zu erfahrenen Vertriebsexperten.<br />

Neodigital und Wefox<br />

bieten beispielsweise digitale Sachversicherungen<br />

über Makler an. Wefox unterstützt<br />

Makler darüber hinaus mit einem<br />

digitalen Backoffice. „Wir werden erleben,<br />

wie die Versicherer mit ihrer Markenbekanntheit,<br />

Makler und Vermittler mit ihrem<br />

Vertriebs-Know-how sowie Insurtechs mit<br />

ihrer technischen Innovationsstärke deutlich<br />

enger zusammenrücken“, sagt Christian<br />

Diemaier von Sopra Steria Consulting.<br />

Autor: www.soprasteria.de<br />

Studie:<br />

Die Hälfte der Versicherer nutzt potentielles<br />

Wachstumskapital nicht /<br />

Verzicht auf Neukundengeschäft gewinnt<br />

immer weiter an Bedeutung<br />

Eine Vielzahl der Versicherer nutzt ihr<br />

Potential an Wachstumskapital nicht<br />

voll aus. Dies ergab eine aktuelle<br />

Studie der Managementberatung 67rockwell.<br />

Demnach betrieben nur 52 Prozent<br />

der befragten Komposit-Versicherer –<br />

Versicherungen, die verschiedene Sparten<br />

der Sach- und Unfallversicherungen<br />

anbieten – den sogenannten „Run-Off“,<br />

einen bewussten Verzicht auf Neukunden<br />

und die Konzentration auf das Fortführen<br />

von Altbeständen. 88 Prozent der Studienteilnehmer<br />

gehen davon aus, dass RunOff<br />

bei deutschen Komposit-Versicherungen<br />

weiter an Bedeutung gewinnen wird.<br />

„Das Thema ‘Run-Off‘ spielt im deutschen<br />

Versicherungsmarkt eine wachsende Rolle<br />

und wird zukünftig noch häufiger als<br />

‘Notbremse‘ in Versicherungsportfolios<br />

eingesetzt werden“, so Tim Braasch, Leiter<br />

der Studie sowie Gründer und Geschäftsführer<br />

von 67rockwell.<br />

„Dies hat verschiedene Gründe. Die deutsche<br />

Versicherungswirtschaft befindet<br />

sich in einem dynamischen Wandel. Zum<br />

einen erschweren Kapitalbindungskosten<br />

und eine enorme Komplexität im Umgang<br />

mit Altlasten in IT- und Transformationsprogrammen<br />

das tägliche Geschäft. Zum<br />

anderen muss sich die Assekuranz erhöhten<br />

regulatorischen Anforderungen stellen“,<br />

erklärt Braasch. Auch mangelnde<br />

Profitabilität und zu hohe Verwaltungsund<br />

Administrationskosten könnten<br />

als Ursache abgeleitet werden. Im Umkehrschluss:<br />

Im Fokus neuer Wachstumschancen<br />

fehlt den Versicherungsunternehmen<br />

somit Wachstumskapital für<br />

Neugeschäft. Man konzentriert sich stattdessen<br />

auf das Fortführen von Altlasten<br />

in der Schaden-Unfallversicherung.<br />

Dennoch: Von den 52 Prozent der Versicherungen,<br />

die bereits Run-Off betrieben<br />

haben, konzentriert sich der Großteil<br />

– nämlich über 80 Prozent – auf einen<br />

externen Run-Off. Lediglich ein Fünftel<br />

setzte einen internen Run-Off um.<br />

Der Unterschied: Bei einem externen<br />

Run-Off überträgt ein Versicherer seinen<br />

Versicherungsbestand entweder auf ein<br />

anderes Unternehmen oder das gesamte<br />

Versicherungsunternehmen wird an einen<br />

Investor verkauft. Ein interner Run-Off<br />

liegt vor, wenn ein Versicherungsunternehmen<br />

sein Neukundengeschäft offiziell<br />

oder zumindest faktisch einstellt,<br />

12 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

den Bestand aber nicht an einen Dritten<br />

überträgt, sondern selbst als Risikoträger<br />

rechtlich und ökonomisch abwickelt.<br />

In den vergangenen Jahren stieg das prognostizierte<br />

Run-Off-Potential auf dem<br />

europäischen Markt stetig. So schätzt ein<br />

Viertel der befragten Versicherer in der<br />

Studie das potentielle Run-Off-Volumen<br />

über die nächsten drei Jahre auf mehr als<br />

250 Millionen Euro.<br />

Autor: www.67rockwell.de<br />

Quelle: © Tomasz Papuga - Fotolia.com<br />

Versicherer schnüren<br />

Care-Pakete - Skepsis bei PAYL-Tarifen<br />

Mehr als jeder dritte Versicherer<br />

(35 Prozent) will seine Produktlandschaft<br />

bis 2022 gravierend<br />

verändern. Die Branche reagiert damit<br />

unter anderem auf den geplanten Provisionsdeckel<br />

für bestimmte Lebensversicherungsprodukte<br />

und den harten Preiskampf<br />

in der Sachversicherungssparte.<br />

Vier von zehn Versicherern wollen das<br />

Geschäft mit Total-Care-Paketversicherungen<br />

und Anti-Hacking-Policen ankurbeln.<br />

Produkte mit verhaltensabhängigen<br />

Beiträgen finden in der Branche dagegen<br />

weniger Anklang. Das ergibt die Studie<br />

„Branchenkompass Insurance 2019" von<br />

Sopra Steria Consulting.<br />

Quelle: © © Sergey Nivens - Fotolia.com<br />

Die Produktlandschaft der Assekuranz in<br />

Deutschland wird sich in den kommenden<br />

Jahren wandeln. Mit neuen Services,<br />

Angeboten, Apps und Multi-Kanal-<br />

Management wollen die Versicherer und<br />

Vermittler neue Kunden gewinnen und<br />

bestehende Beziehungen vertiefen. Vor<br />

allem neue Themenangebote wie<br />

Produktbündelungen und Cyber-Security-<br />

Policen werden in den kommenden fünf<br />

Jahren an Relevanz gewinnen.<br />

So wollen 39 Prozent der befragten Versicherer<br />

durch Kombiprodukte wachsen.<br />

Die Themenpakete enthalten neben der<br />

Versicherungsleistung weitere Dienstleistungen,<br />

beispielsweise Bausteine<br />

anderer Versicherer sowie passende Produkte<br />

branchenfremder Unternehmen.<br />

Die Assekuranz reagiert damit auf neue<br />

Kundenerwartungen: Zwei von drei Entscheidern<br />

stimmen der Aussage zu, dass<br />

Kunden zukünftig Versicherer bevorzugen<br />

werden, die ihnen Komplettlösungen<br />

über digitale Ökosysteme und Themenplattformen<br />

anbieten können.<br />

Der Versicherer Gothaer arbeitet beispielsweise<br />

mit verschiedenen Partnern<br />

an einer Smart-Home-Plattform. 40 Prozent<br />

der befragten Versicherer planen<br />

ähnliche Kooperationen. Die Versicherungskammer<br />

Bayern bietet seit Anfang<br />

2019 ein Care-Paket namens Holiday Care<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

13


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

an, das auf der eigenen digitalen Plattform<br />

Uptodate basiert. Kunden, die eine längere<br />

Zeit nicht zuhause sind, können situative<br />

Versicherungen und versicherungsnahe<br />

Leistungen wie eine Schlüsselverwaltung<br />

oder einen Sicherheitsdienst buchen. Im<br />

Zusammenspiel mit Assistance-Leistungen<br />

wird das Angebot deutlich wachsen. Insgesamt<br />

werden lebensbegleitende Services<br />

an Relevanz gewinnen, prognostizieren<br />

37 Prozent der Versicherungsentscheider.<br />

Gleiches gilt für Produkte, die von der Beratung<br />

über den Abschluss bis zum Schadenmanagement<br />

komplett digital angeboten<br />

werden.<br />

Cyber-Security-Versicherungen<br />

als Wachstumstreiber<br />

Über Themenpakete denken die Versicherer<br />

auch bei der Absicherung gegen<br />

Cyber-Risiken nach. 41 Prozent der Entscheider<br />

gehen davon aus, dass Policen<br />

gegen Schäden durch Hackerangriffe in<br />

den kommenden fünf Jahren an Relevanz<br />

gewinnen werden. Versicherer wollen<br />

Kunden bei ihren IT-Sicherheitsanforderungen<br />

unterstützen und entwickeln dafür<br />

spezielle Deckungskonzepte. Für Unternehmen<br />

entstehen beispielsweise Zusatzleistungen<br />

wie eine IT-Sicherheitsberatung.<br />

Die Branche reagiert damit auf eine<br />

wachsende Bedrohung durch Cyber-Attacken<br />

und die damit verbundene steigende<br />

Nachfrage nach Cyber-Sicherheit. Im Zeitraum<br />

von 2010 bis 2017 sind die Fälle von<br />

Cyber-Crime um 44 Prozent gestiegen,<br />

so der Lagebericht des Bundeskriminalamtes.<br />

Zudem werden Bedrohungen nicht<br />

nur häufiger, sondern auch raffinierter.<br />

Vorreiter bei der Produktentwicklung sind<br />

die Konzerne. Nur 27 Prozent der kleineren<br />

Versicherungsunternehmen setzen auf<br />

Wachstum durch Cyber-Security-Policen.<br />

Das ist auf die generell kleinere Produktauswahl<br />

zurückzuführen.<br />

Vor allem PAYL-Tarife haben<br />

es weiterhin schwer<br />

Im Gegensatz zu Produktbündelungen und<br />

Cyber-Versicherungen betrachten viele<br />

Versicherer die Zukunft verhaltensabhängiger<br />

Tarife immer noch mit Skepsis.<br />

Lediglich 31 Prozent der befragten Entscheider<br />

bewerten die Tarife als Wachstumsprodukt.<br />

Produkte wie Pay-asyou-live-(PAYL-)<br />

Policen gewinnen<br />

hierzulande nur langsam an Relevanz.<br />

Anders sieht es in den USA aus. Hier<br />

gehen erste Versicherer dazu über, nur<br />

noch Lebensversicherungen anzubieten,<br />

die auf Gesundheitsdaten der Kunden<br />

beruhen. „In Deutschland finden verhaltensbasierte<br />

Produkte nur schwer Eingang<br />

in Tarifkonzepte. Das liegt einerseits daran,<br />

dass der Fokus noch auf bewährten<br />

Geschäftsmodellen liegt. Einige sehen darin<br />

auch das Kollektivprinzip gefährdet.<br />

Die größere Herausforderung liegt jedoch<br />

immer noch in der Bereitstellung der erforderlichen<br />

digitalen Infrastruktur. Ist diese<br />

Hürde einmal genommen, lassen sich<br />

dynamische Versicherungsprodukte mit<br />

situativen Risikobewertungen abbilden<br />

und vermarkten“, sagt Dominic Testrut,<br />

Leiter Insurance Consulting bei Sopra<br />

Steria Consulting.<br />

Quelle: © Kzenon - Fotolia.com<br />

Im Gegensatz zu PAYL-Produkten haben<br />

es Pay-as-you-drive-(PAYD-)Modelle einfacher.<br />

Telematik wird eingesetzt, um<br />

Risiken in der Kfz-Sparte exakter zu<br />

kalkulieren. Das ermöglicht individuelle<br />

Tarife. Defensives Fahren wird beispielsweise<br />

durch Rabatte belohnt. Versicherer<br />

wie die Allianz, HUK-Coburg und Cosmos<br />

Direkt haben PAYD-Angebote im Portfolio.<br />

In Großbritannien sind PAYD-Modelle<br />

seit Jahren beliebt, Italien oder Österreich<br />

nutzen sie ebenfalls.<br />

Autor: www.soprasteria.de<br />

14 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

Immobilienquote der Versicherer<br />

erstmals zweistellig<br />

Die durchschnittliche Immobilienquote<br />

der Versicherungen befindet<br />

sich auf einem historischen Höchststand<br />

und liegt mit 10,3 Prozent erstmals<br />

im zweistelligen Bereich. Das zeigt<br />

das aktuelle Trendbarometer Assekuranz<br />

2019 von EY Real Estate. Für die nunmehr<br />

zwölfte Auflage der Studie wurden im Mai<br />

und Juni 24 führende Unternehmen der<br />

Assekuranz befragt.<br />

„Dieser Höchststand der Immobilienquoten<br />

der Versicherer spiegelt die<br />

herausgehobene Rolle wider, die Immobilienanlagen<br />

in Zeiten eines risikolosen<br />

Zinses nahe null eingenommen haben“,<br />

sagt Dietmar Fischer, Partner bei EY Real<br />

Estate und Autor der Studie. „Der Wertsteigerungsanteil<br />

spielt für die Assekuranz<br />

und deren Geschäftsmodelle eine<br />

nachgelagerte Rolle. Entscheidend ist die<br />

Cashflow-Rendite, mit der Versicherer ihre<br />

Garantiezinsversprechen auch im anhaltenden<br />

Niedrigzinsumfeld halten können.“<br />

70 Prozent der Befragten wollen ihre Immobilienbestände<br />

weiter erhöhen. Rund<br />

drei Viertel geben zudem an, dass die<br />

Anlageklasse Immobilien bei ihnen am<br />

stärksten ausgebaut werde. Entsprechend<br />

sehen 80 Prozent der Versicherer<br />

Unternehmen der eigenen Branche als<br />

stärkste Konkurrenz – gleich nach privaten<br />

Investoren und Family Offices (84 Prozent).<br />

Inkaufnahme höherer Risiken<br />

Zunehmend tätigen die Unternehmen der<br />

Assekuranz auch risikoreichere Immobilieninvestments.<br />

Mehr als 70 Prozent der<br />

Befragten halten diesen Trend für unumkehrbar.<br />

Risikoärmere Immobilieninvestments<br />

im bei Versicherungen traditionell<br />

beliebtesten „Core“-Bereich sind heiß<br />

umkämpft, und aufgrund des mangelnden<br />

Angebots wird die Suche nach geeigneten<br />

Objekten immer schwieriger. So<br />

ist mittlerweile die mit höherem Risiko<br />

behaftete Klasse „Core+“ die bevorzugte<br />

Risikokategorie. Insgesamt gaben rund<br />

zwei Drittel der Versicherer an, heute<br />

mehr Risiko in Kauf zu nehmen als noch<br />

vor zwei Jahren.<br />

„Das maßgeblich von der Niedrigzinspolitik<br />

verursachte sehr hohe Preisniveau<br />

treibt die Versicherungen in riskantere<br />

Investments, um ihre Renditeziele zu erreichen“,<br />

sagt Fischer. Entsprechend werden<br />

auch Value-Add-Investments (hohe<br />

Renditeerwartung bei hohem Ausfallrisiko)<br />

für 70 Prozent der Umfrageteilnehmer<br />

interessanter. Investitionen in der riskantesten<br />

Kategorie „Opportunistic“ lehnen<br />

mehr als 60 Prozent der Befragten dennoch<br />

ab.<br />

Indirekte Investments schlagen<br />

Direktbestand – Einzelhandel leidet<br />

Knapp zwei Drittel des Immobilienbestandes<br />

werden direkt gehalten. Die Renditeerwartung<br />

für indirekte Bestände liegt allerdings<br />

mit rund 5,0 Prozent höher als die<br />

für direkte Bestände (rund 4,5 Prozent).<br />

Zum ersten Mal sind offene Immobilienspezialfonds<br />

die beliebteste Anlageform;<br />

sie werden von mehr als 70 Prozent der<br />

Befragten präferiert – noch vor fremdgenutztem<br />

Direktbestand (70 Prozent). Auch<br />

geschlossene Immobilienfonds (60 Prozent)<br />

und alternative Immobilieninvestments<br />

(52 Prozent) gewinnen an Bedeutung.<br />

Traditionell liegt der Fokus der Assekuranz<br />

auf Büroimmobilien. Das ist auch in<br />

diesem Jahr ausnahmslos der Fall. Trotz<br />

bereits hoher Preise bleiben jedoch auch<br />

Wohnimmobilien für drei Viertel der Befragten<br />

attraktiv. Während ein steigendes<br />

Interesse an Logistikimmobilien erkennbar<br />

ist (74 Prozent), werden Einzelhandelsobjekte<br />

weniger stark nachgefragt<br />

(48 Prozent). Sogar Infrastrukturinvestments<br />

sind beliebter (58 Prozent).<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

15


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Quelle: © sdecoret - Fotolia.com<br />

Steuer-, Digitalisierungs- und<br />

Nachhaltigkeitsaspekte<br />

wichtige Kriterien<br />

Eine entscheidende Rolle bei Immobilieninvestments<br />

spielt für die Assekuranz<br />

die steuerliche Gestaltung. Steuerliche<br />

Aspekte beeinflussen bei rund 60 Prozent<br />

der Unternehmen die Investmententscheidungen.<br />

86 Prozent erwarten bei<br />

ihren Investments, dass künftige Anforderungen<br />

an eine intelligente Infrastruktur<br />

erfüllt werden. Die Digitalisierung erfordert<br />

für 86 Prozent der Versicherer ein<br />

Umdenken, etwa durch aktuelle Trends<br />

wie Co-Working im Bürosegment. Auch<br />

nachhaltige Investments geraten zunehmend<br />

in den Fokus. „Langfristige Investitionen,<br />

die einen konstanten Cashflow für<br />

die Assekuranz erzielen sollen, müssen<br />

selbstverständlich auch zukunftsfähig<br />

sein. Die digitale Anschlussfähigkeit ist<br />

dafür ein entscheidender Baustein“, sagt<br />

Fischer.<br />

Europa und Deutschland favorisiert<br />

– hiesiger Markt sinkt in der Gunst<br />

Der Investmentfokus der befragten Versicherungsunternehmen<br />

liegt klar und<br />

deutlich auf Europa (59 Prozent), gefolgt<br />

von Asien und Ozeanien (31 Prozent) und<br />

Nordamerika (30 Prozent). Afrika wie<br />

auch Zentral- und Südamerika spielen für<br />

die Assekuranz hingegen keine Rolle.<br />

Innerhalb Europas werden klar West-<br />

(74 Prozent) und Nordeuropa (65 Prozent)<br />

bevorzugt. Deutschland bleibt der favorisierte<br />

Markt (96 Prozent), während das<br />

einst so beliebte Groß-britannien offenbar<br />

unter dem anstehenden Brexit leidet: Nur<br />

noch 19 Prozent schätzen den britischen<br />

Immobilienmarkt als attraktiv ein. Allerdings<br />

wird auch Deutschland überwiegend<br />

nur noch als „attraktiver“ und nicht mehr<br />

als „sehr attraktiver“ Markt angesehen.<br />

„Auch im europäischen Vergleich sinkt<br />

die Attraktivität des deutschen Marktes<br />

durch das mittlerweile vergleichsweise<br />

hohe Preisniveau“, sagt Fischer.<br />

Über die Studie<br />

Das Trendbarometer Immobilienanlagen<br />

der Assekuranz wurde 2019 bereits zum<br />

zwölften Mal durchgeführt und basiert<br />

auf einer Umfrage, die von Mai bis Juni<br />

2019 von EY Real Estate durchgeführt<br />

wurde. Insgesamt haben 24 führende Unternehmen<br />

der Versicherungswirtschaft<br />

teilgenommen, die einen repräsentativen<br />

Querschnitt der Assekuranz abbilden. Abgefragt<br />

wurden allgemeine Markttrends<br />

sowie die Immobilieninvestmentstrategie<br />

der Versicherer. Neben der Auswahl aus<br />

vorgegebenen Antworten hatten die Teilnehmer<br />

bei jeder Frage die Möglichkeit,<br />

individuelle Kommentare abzugeben. Alle<br />

Antworten sind anonym in die Umfrage<br />

eingegangen und ausgewertet worden.<br />

Autor: www.ey.com/de<br />

Quelle: © jeremias münch - Fotolia.com<br />

16 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

Standardsetzer erleichtert den Versicherern<br />

die Anwendung internationaler<br />

Rechnungslegungsstandards<br />

Im Mai 2017, nach gut 20 Jahre andauernden<br />

Diskussionen, hatte das International<br />

Accounting Standards Board<br />

(IASB) den internationalen Rechnungslegungsstandard<br />

für Versicherungsverträge,<br />

IFRS 17, veröffentlicht. Seitdem hat das<br />

IASB die Versicherer bei der Umsetzung<br />

eng begleitet und zahlreiche Bedenken sowie<br />

Umsetzungsprobleme festgestellt. Um<br />

diesen Rechnung zu tragen und um die Umsetzung<br />

zu erleichtern, hat es jetzt Änderungen<br />

des IFRS 17 in sieben Bereichen<br />

vorgeschlagen, begleitet von einem Aufschub<br />

der Erstanwendung um ein Jahr bis<br />

zum 1. Januar 2022.<br />

Mary Trussell, Partnerin bei KPMG und global<br />

für die Umsetzungsprojekte verantwortlich:<br />

„Mit den Vorschlägen des IASB zur<br />

Änderung des IFRS 17 haben wir nun ein<br />

vollständiges Bild, wie der anzuwendende<br />

Standard aussehen wird. Für alle Versicherer<br />

mit Projektmüdigkeit ist das ein Weckruf,<br />

den Projektfortschritt zu beurteilen<br />

und das Projekt wiederzubeleben. Die Änderungen<br />

helfen, aber die Umsetzung von<br />

IFRS 17 ist nach wie vor sehr komplex und<br />

erfordert substanzielle Anstrengungen.“<br />

Die meisten Unternehmen, die<br />

nach IFRS bilanzieren, müssen<br />

seit 2018 Finanzinstrumente<br />

nach dem Standard IFRS 9 abbilden.<br />

Hiervon waren jedoch<br />

Versicherer unter bestimmten<br />

Voraussetzungen befreit; sie<br />

sollten die Bilanzierung von<br />

Kapitalanlagen – das sind<br />

weitestgehend Finanzinstrumente – und<br />

von versicherungstechnischen Rückstellungen<br />

gleichzeitig umstellen dürfen. Das<br />

IASB hat daher vorgeschlagen auch hier<br />

den Anwendungszeitpunkt auf 2022 zu<br />

verschieben. Nicht eingegangen ist das<br />

IASB auf das Petitum aus der Branche, auf<br />

die Anpassung der Vergleichszahlen für<br />

das Vorjahr zu verzichten; den Versicherern<br />

könnten dadurch signifikante Umstellungsaufwendungen<br />

erspart bleiben.<br />

Joachim Kölschbach, Partner bei KPMG und<br />

für die Anwendung der IFRS bei Versicherern<br />

zuständig, erklärt: „Die Vorschläge<br />

dürften die Versicherer insgesamt erfreuen.<br />

Das zusätzliche Jahr gibt ihnen die notwendige<br />

Zeit um ihre Umsetzungsprojekte<br />

abzuschließen und die Änderungen lösen<br />

zahlreiche Probleme in der Praxis. Dazu<br />

gehören die Verteilung von Abschlusskosten<br />

auf die erwartete Laufzeit von Verträgen<br />

und die Möglichkeit, Gewinne aus Rückversicherungsverträgen<br />

zu zeigen, wenn sie<br />

Verluste aus dem Bruttogeschäft ausgleichen.<br />

Das bildet die wirtschaftlichen<br />

Zusammenhänge besser ab.“<br />

IFRS 17 und seine Änderungen wirken sich<br />

nicht nur auf die Rechnungslegung aus,<br />

sondern betreffen auch das Datenmanagement<br />

und IT-Systeme. „Die Änderungen<br />

erlauben es teilweise, auf rückwirkende<br />

Analysen von Daten der Vergangenheit zu<br />

verzichten, aber nur teilweise. Insbesondere<br />

bleibt die Notwendigkeit, die Bestände<br />

für Zwecke der Rechnungslegung in<br />

Jahresscheiben zu teilen. Das ist mit hohem<br />

administrativem Aufwand verbunden<br />

und wird sicherlich ein<br />

kritischer Punkt in der Kommentierung<br />

werden. Es könnte hier<br />

helfen, die Regel durch eine<br />

prinzipielle Anforderung zu<br />

ersetzen“, meint Kölschbach.<br />

Quelle: © Minerva Studio - Fotolia.com Frank Ellenbürger, Bereichsvorstand<br />

Versicherungen bei<br />

KPMG, ergänzt: „Es ist entscheidend, dass<br />

die Versicherer sich dessen bewusst sind,<br />

dass IFRS 17 trotz der Änderungen hohe<br />

Anforderungen an die Datenerfassung,<br />

Systeme, Prozesse und Kontrollen stellt.<br />

Die Auswirkungen werden über das<br />

Rechnungswesen hinaus spürbar sein: in<br />

Aktuariat, IT, Risikomanagement, Investor<br />

Relations bis in HR.“<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

17


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

IFRS 17 wird IFRS 4 ersetzen; dieser<br />

erlaubte Versicherern weitgehend vorherige<br />

Bilanzierungspraktiken fortzusetzen. Damit<br />

wird künftig ein wesentlicher Makel behoben,<br />

nämlich die fehlende Vergleichbarkeit der<br />

Versicherer aus unterschiedlichen Jurisdiktionen,<br />

selbst innerhalb der EU. „Analysten<br />

und Investoren fordern jetzt endlich eine<br />

wirklich vergleichbare und transparente<br />

Rechnungslegung der Versicherer. Das,<br />

was die Versicherer derzeit zusätzlich<br />

unter IFRS und Solvency II berichten, ist<br />

für eine Performancemessung unzureichend.<br />

Es ist deshalb wichtig, dass der<br />

Standard zum jetzt vorgeschlagenen Zeitpunkt<br />

2022 auch wirklich zur Anwendung<br />

kommen kann“, erläutert Ellenbürger. Das<br />

IASB fordert die Versicherer und anderen<br />

Beteiligten auf, Kommentare bis zum<br />

25. September 2019 abzugeben und beabsichtigt<br />

die Veröffentlichung der endgültigen<br />

Änderung Mitte <strong>2020</strong>.<br />

Autor: https://home.kpmg/de<br />

Horváth-Studie:<br />

Hybride Kunden werden überschätzt<br />

Website, Mail, Chat oder Online-<br />

Vergleichsportal – mit der Digitalisierung<br />

können Kunden auf<br />

vielen Wegen Versicherungsfragen klären.<br />

Hinzu kommen das direkte Gespräch mit<br />

dem Berater vor Ort oder Empfehlungen<br />

von Freunden und Verwandten. Doch nur<br />

die wenigsten Verbraucher nutzen diese<br />

Vielfalt. Im Gegenteil: 74 Prozent der<br />

Kunden informieren sich lediglich über<br />

eine einzige Quelle, bevor sie einen Vertrag<br />

abschließen. Dies sind Ergebnisse einer<br />

repräsentativen Studie der Managementberatung<br />

Horváth & Partners gemeinsam<br />

mit dem Marktforschungsinstitut forsa.<br />

Befragt wurden mehr als 1.000 Kunden<br />

in Deutschland, die in den vergangenen<br />

zwölf Monaten mindestens einen Kontakt<br />

mit ihrem Versicherer hatten.<br />

Quelle: © jeremias münch - Fotolia.com<br />

Der Umfrage zufolge bleiben die meisten<br />

Menschen beim Abschluss einer Versicherung<br />

dem Kanal treu, über den sie sich<br />

zuerst informiert haben. So haben 48<br />

Prozent der Befragten auf klassischem<br />

Weg – also durch Empfehlungen oder im<br />

Gespräch mit Beratern – Informationen<br />

eingeholt und einen Vertrag abgeschlossen.<br />

Ein gutes Drittel verbindet laut Studie<br />

analoge und digitale Wege zum Versicherungsabschluss.<br />

Diese sogenannten<br />

hybriden Kunden wechseln zwischen<br />

On- und Offlineangeboten hin und her.<br />

„Hybride Kunden sind entgegen der oftmals<br />

verbreiteten Meinung noch eine vergleichsweise<br />

überschaubare Gruppe und<br />

keineswegs die Mehrheit“, sagt Stefan<br />

Hiendlmeier, Partner und Leiter Versicherungen<br />

bei Horváth & Partners. „Versicherer<br />

sind also gut beraten, den stationären<br />

Vertrieb und Offlineinformationen nicht<br />

zu vernachlässigen.“ 67 Prozent der reinen<br />

Offlinekunden schätzen dieses Angebot<br />

so sehr, dass sie sich beim Berater vor<br />

Ort informieren und auch den Vertrag<br />

dort abschließen.<br />

Versicherungs-Homepage schlägt<br />

Vergleichsportal<br />

Zudem sind in der Breite nicht die<br />

Vergleichsportale wie Check24 oder<br />

financescout24 Hauptanlaufstelle für<br />

die Kunden, sondern die Homepages<br />

der Assekuranzen. Immerhin 45 Prozent<br />

der reinen Onlinekunden und 24 Prozent<br />

der hybriden Kunden steuern sie an. Vergleichsrechner<br />

werden dagegen nur von<br />

35 Prozent der Onlinekunden und 16<br />

18 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

Prozent der hybriden Kunden als Hauptinformationsquellen<br />

frequentiert. „Die<br />

Portale liegen damit deutlich hinter dem<br />

Webauftritt des Versicherers selbst“, sagt<br />

Hiendlmeier von Horváth & Partners.<br />

„Beim Kontakt mit ihren Kunden haben<br />

Versicherer damit immer noch die Poleposition<br />

inne – sei es offline über die Berater<br />

vor Ort oder online über ihre Homepage.“<br />

Da die Kunden in der Regel sehr gezielt<br />

nach Informationen suchen, sollten Versicherer<br />

bei ihrem Webauftritt Wert auf<br />

schnelle Auffindbarkeit und Einfachheit<br />

der Darstellung legen. Auch der Kontakt<br />

sollte möglichst einfach zustande kommen:<br />

32 Prozent der befragten Kunden<br />

wünschen sich einen Rückrufservice<br />

bei Beratungsfragen, 31 Prozent einen<br />

24-Stunden-Service im Schadensfall. Zusatzangebote,<br />

die an die Stelle des persönlichen<br />

Kontakts zwischen Kunde und<br />

Berater treten, finden kaum Anklang: Nur<br />

vier Prozent wünschen sich eine Videoberatung,<br />

fünf Prozent würden im Schadensfall<br />

einen Video-Sachverständigen zur<br />

sofortigen Regulierung zuschalten.<br />

Attraktive Zielgruppe<br />

für individuelle Services<br />

Dagegen sind versicherungsfremde Zusatzangebote<br />

meist gern gesehen: 51 Prozent<br />

der befragten Kunden sind grundsätzlich<br />

offen dafür – 2017 lag dieser Wert noch<br />

bei 45 Prozent. Eine spezifische und klar<br />

umrissene Zielgruppe daraus würden<br />

ihrem Versicherer Einblick in ihr Konto<br />

gewähren, um passgenaue persönliche<br />

Angebote wie Anlagetipps oder optimierte<br />

Vergleichsangebote zu erhalten.<br />

„Diese Zielgruppe und ist nicht nur offen<br />

für passgenaue Angebote, sondern auch<br />

wirtschaftlich sehr attraktiv“, sagt Versicherungsexperte<br />

Hiendlmeier von<br />

Horváth & Partners. Die Studie zeichnet<br />

ein klares Kundenprofil: Überwiegend<br />

männlich, Großstadtbewohner, zwischen<br />

30 und 44 Jahre alt, Gutverdiener. Hiendlmeier<br />

rät: „Um diese konkrete Zielgruppe<br />

erfolgreich zu adressieren, müssen Ansprachen<br />

kontextspezifisch und vor allem<br />

einfach gestaltet werden. Der Schlüssel<br />

dazu sind sehr gute Kundenkenntnisse.“<br />

Autor: www.horvath-partners.com/de<br />

BaFin konkretisiert die MaGo für<br />

kleine Versicherungsunternehmen<br />

Die BaFin bittet seit November 2019<br />

um Konsultation zu ihrem Entwurf<br />

der MaGo für kleine Versicherungsunternehmen<br />

(VU). Das bedeutet nicht,<br />

dass große Versicherer nicht trotzdem einen<br />

Blick hineinwerfen sollten. Denn außer<br />

den Erleichterungen für kleine Versicherer<br />

beantwortet der Entwurf auch wichtige<br />

Fragen für die großen Unternehmen.<br />

Am 25.01.2017 wurde das Rundschreiben<br />

2/2017 (VA) "Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen<br />

an die Geschäftsorganisation<br />

von Versicherungsunternehmen (MaGo)"<br />

veröffentlicht. In dessen Anwendungsbereich<br />

fallen alle Unternehmen, auf die die<br />

Rahmenrichtlinie 2009/138/EG des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom<br />

25.11.2009 (Solvency II) anwendbar ist.<br />

Die vom Rundschreiben 2/2017 (VA)<br />

nicht erfassten kleinen Versicherungsunternehmen<br />

nach § 211 VAG, die nach<br />

dem VAG die für Solvency II-Unternehmen<br />

geltenden Anforderungen an die Geschäftsorganisation<br />

in einem bestimmten Maße<br />

erfüllen müssen, werden vom vorgesehenen<br />

neuen Rundschreiben erfasst.<br />

Natürlich ist zuerst die Frage zu klären,<br />

welche Erleichterungen das Rundschreiben<br />

für kleine Versicherer bereithält. Dabei<br />

fällt auf, dass die 4 Schlüsselfunktionen<br />

(Compliance, Interne Revision, Unabhängige<br />

Risikokontrollfunktion und die versicherungsmathematische<br />

Funktion) keine<br />

Erwähnung mehr finden. Es bleibt vielmehr<br />

dabei, den Geschäftsleitern eines<br />

Unternehmens die Gesamtverantwortung<br />

für die ordnungsgemäße und wirksame<br />

Geschäftsorganisation zu überlassen.<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

19


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Das wird auch durch ein separates Kapitel<br />

zum Thema Risikokultur (in der gültigen<br />

Fassung der MaGo noch als Randthema<br />

behandelt) bestätigt.<br />

Die Geschäftsleitung soll dafür Sorge tragen,<br />

eine entsprechende Kultur zu entwickeln und<br />

diese im Unternehmen zu kommunizieren<br />

und zu etablieren. Sie soll beim Aufbau<br />

von Risiken mit dem Risikomanagement<br />

und den internen Kontrollen verknüpft<br />

werden. Weiterhin findet für die kleinen<br />

Unternehmen eine Vereinfachung des<br />

Risikomanagementsystems statt. So wird<br />

nicht mehr detailliert auf die Leitlinien für<br />

das Aktiv-Passiv-Management, das Anlagerisiko<br />

und das Liquiditätsrisiko eingegangen.<br />

Außerdem werden keine unternehmensindividuellen<br />

Stresstests für kleinere VU<br />

gefordert. Inwiefern diese und andere<br />

Vereinfachungen die kleinen Versicherungsunternehmen<br />

letztendlich stärken<br />

oder effizienter arbeiten lassen, bleibt<br />

abzuwarten.<br />

Die aus unserer Sicht viel wichtigere<br />

Frage ist, ob diese Konkretisierung<br />

auch für alle anderen Versicherer zu<br />

Vereinfachungen führt?<br />

Diese Frage wird in der Konsultationsfassung<br />

nur indirekt beantwortet. Es ist davon<br />

auszugehen, dass alles das, was für die<br />

kleinen Versicherer verlangt wird, für die<br />

großen Versicherer umso mehr gelten wird<br />

und seitens der BaFin einer noch detaillierteren<br />

Prüfung unterzogen wird. Wesentliche<br />

Bestandteile, die im Wortlaut aus der<br />

gültigen Fassung der MaGo übernommen<br />

wurden, sind das Proportionalitätsprinzip,<br />

die Governance-Anforderungen und das<br />

interne Kontrollsystem. Wenn auch etwas<br />

vereinfacht, ist das Risikomanagementsystem<br />

weiterhin ein wesentlicher Bestandteil<br />

der Anforderungen und sollte für jede<br />

Prüfung der Aufsicht auf dem aktuellsten<br />

Stand sein. Über allem wird auch in Zukunft<br />

die umfangreiche und lückenlose<br />

Dokumentation der getroffenen Maßnahmen<br />

stehen. Die Vereinfachung der Anforderungen<br />

zielt primär auf die definierte<br />

Unternehmensgröße ab, auch wenn aus<br />

dem Konsultationsentwurf den "Großen"<br />

Lösungsansätze für deren Organisationsaufgaben<br />

zu entnehmen sind.<br />

Das von der Aufsicht verfolgte Ziel, Transparenz<br />

und Vertrauen auf der Kundenseite<br />

zu schaffen, bleibt bestehen und sollte bei<br />

allen Maßnahmen das oberste Ziel sein.<br />

Mit ihrer Expertise im Versicherungsumfeld<br />

und in aufsichtsrechtlichen Belangen<br />

kann FINCON dabei helfen, diese Ziele zu<br />

erreichen. Der Autor des Artikels, Pascal<br />

Görsch, ist Consultant im Kompetenzcenter<br />

Regulatorisches Prozessmanagement bei<br />

der FINCON und seit 10 Jahren in der<br />

Versicherungswirtschaft tätig.<br />

Autor: www.fincon.eu<br />

Quelle: © BillionPhotos.com - Fotolia.com<br />

20 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

Update<br />

zum Versicherungsmarktreport 2019<br />

Beim Blick auf den deutschen Industrieversicherungsmarkt<br />

muss<br />

mittlerweile eindeutig von einer<br />

Verhärtung gesprochen werden. Die zu beobachtenden<br />

Entwicklungen werden vielfach<br />

lediglich mit der Sachversicherung in<br />

Verbindung gebracht, jedoch sind inzwischen<br />

auch weitere Sparten betroffen.<br />

Sollten die Maßnahmen, die insbesondere<br />

seitens der Versicherer getroffen werden,<br />

um das Thema Kfz-Rückruf in den Griff<br />

zu bekommen, nicht Wirkung zeigen,<br />

ist damit zu rechnen, dass die Sparte der<br />

industriellen Haftplicht die nächste ist, in<br />

der es zu Sanierungsmaßnahmen kommt.<br />

Eine frühzeitige spartenübergreifende<br />

Vorgehensweise ist in den Verlängerungsverhandlungen<br />

daher wichtiger denn je.<br />

Mit unserem Update informieren wir über<br />

die wesentlichen Marktveränderungen.<br />

SACHVERSICHERUNG<br />

Die endgültigen Ergebnisse für das Jahr<br />

2018 liegen vor, sie führen jedoch nicht<br />

zu einer Entlastung der Versicherer – oder<br />

gar zu einer Trendumkehr. Sie verstärken<br />

vielmehr den negativen Ergebnistrend<br />

der letzten Jahre, und wir sehen nun auf<br />

breiter Front zum Teil drastische Sanierungsforderungen<br />

der Versicherer. Ganz<br />

überraschend ist diese Entwicklung nicht,<br />

allerdings hat kaum ein Versicherer vorausschauend<br />

seine Personalkapazitäten<br />

auf die gestiegene Anzahl von Anfragen<br />

angepasst. Schon jetzt werden Ausschreibungen<br />

aus Kapazitätsgründen nur noch<br />

sehr selektiv bearbeitet, und diese Situation<br />

wird sich erst entspannen, wenn die<br />

Versicherer ihre Vertragsverhandlungen im<br />

eigenen Bestand für das nächste Jahr abgeschlossen<br />

haben. Die genaue Kenntnis der<br />

individuellen Fähigkeiten und Zeichnungsrichtlinien<br />

der Versicherer sowie die Arbeit<br />

mit ausländischen Märkten und Rückversicherungskapazitäten<br />

werden daher immer<br />

bedeutender.<br />

HAFTPFLICHTVERSICHERUNG<br />

In der industriellen Haftpflichtversicherung<br />

hat sich die Zahl nennenswerter Schäden,<br />

die zur Auszahlung gekommen sind und<br />

mit mehr als 100 Mio. Euro kompensiert<br />

wurden, erhöht. Betroffen waren hiervon<br />

insbesondere Verträge mit hohen Deckungssummen<br />

für Kfz-Rückrufe. Als Folge<br />

reduzieren die Versicherer für diese<br />

Risiken ihre Kapazitäten, fordern höhere<br />

Prämien und Selbstbehalte und stellen<br />

gesteigerte Anforderung an das Risikomanagement.<br />

Eine generelle Verhärtung des<br />

Haftpflichtmarktes ist aber nicht festzustellen.<br />

KRAFTFAHRTVERSICHERUNG<br />

Die Kfz-Flottenversicherung verläuft für<br />

die Versicherer nach wie vor knapp auskömmlich.<br />

In der Kfz-Versicherung sind<br />

erste Auswirkungen der Digitalisierung der<br />

Versicherungsbranche gut sichtbar: Die<br />

Schadenregulierung, insbesondere in der<br />

Kaskoversicherung, wird mit KI-gestützten<br />

Spezialprogrammen immer mehr automatisiert<br />

und beschleunigt. Zunehmend<br />

werden Kooperationen mit Firmen, die sich<br />

auf diese Prozesse spezialisiert haben, eingegangen.<br />

Auch bei der Preisfindung wird es<br />

mit Unterstützung entsprechender<br />

IT-Lösungen mehr Möglichkeiten der<br />

individuellen Preisgestaltung geben. Mit<br />

welcher Geschwindigkeit dieses Mehr an<br />

Individualität bei der Gestaltung von Kfz-<br />

Flottenverträgen Einzug hält, bleibt mit<br />

Blick auf die Zukunft der Mobilität abzuwarten.<br />

WARENTRANSPORTVERSICHERUNG<br />

Der Trend, die stationäre Mitversicherung<br />

von Vorräten in der Transportsparte restriktiv<br />

zu behandeln, verstärkt sich. Internationale<br />

Handelsembargos und Sanktionen<br />

bleiben wichtige Themen, die Versiche<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

21


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

rungsnehmer bewegen. Insbesondere der<br />

eskalierende Konflikt zwischen den USA,<br />

inzwischen auch Großbritannien, und dem<br />

Iran zieht auch in der Versicherungsindustrie<br />

Konsequenzen nach sich. Einige Versicherer<br />

schließen bereits jegliche Risiken<br />

mit Iran-Bezug aus. Außerdem werden<br />

nach den Berichten von iranischen Attacken<br />

auf Tankschiffe von einigen Versicherern<br />

die Kriegs- und Streikklauseln für Öl- und<br />

Bulk-Transporte auf der Straße von Hormus<br />

gekündigt und diese können nur gegen<br />

Mehrprämie wieder eingeschlossen werden.<br />

25 Mio. Euro bzw. die jeweilige maximale<br />

Kapazität bereitzustellen. Generell ist zu<br />

sehen, dass zahlreiche Versicherer ihre<br />

offerierte Gesamtkapazität im Gegensatz<br />

zu früher reduzieren und in ihrer Zeichnungspolitik<br />

vorsichtiger werden.<br />

FINANCIAL LINES<br />

D&O-Versicherung<br />

Die Prämien für Directors & Officers(D&O)-<br />

Versicherungen können für große Unternehmen<br />

jetzt teilweise steigen. Bei<br />

mittelständischen Unternehmen, die schadenbelastet<br />

sind, schlechte Finanzkennzahlen<br />

haben oder bei denen das bisherige Prämienniveau<br />

sehr günstig war, sind ebenfalls<br />

Prämienerhöhungen und teilweise Bedingungseinschränkungen<br />

zu beobachten. Es<br />

kann jedoch nicht von einer durchgängigen<br />

Verhärtung des Marktes gesprochen werden.<br />

Prospektversicherung (POSI)<br />

Das Prämienniveau ist weiterhin stabil,<br />

die Ausgestaltung des Versicherungsschutzes<br />

und die Prämienfindung erfolgen<br />

jedoch stark einzelfallbezogen. Es ist mit<br />

höherer Volatilität an den Kapitalmärkten<br />

aufgrund der Brexit-Unsicherheit, der sich<br />

anbahnenden Bankenkrise in Europa, dem<br />

„Handelskrieg“ zwischen USA und China<br />

und der damit verbundenen Verschlechterung<br />

des konjunkturellen Umfelds zu<br />

rechnen. Infolgedessen haben bereits<br />

einige Emittenten ihre Kapitalmarkttransaktionen<br />

verschoben bzw. abgesagt.<br />

Cyber<br />

Die Prämien für Cyber-Policen steigen –<br />

insbesondere bei Großrisiken, aber auch<br />

bei mittelständischen Betrieben. Wir beobachten<br />

eine Erhöhung der Deckungssummenzuschläge<br />

bei der Kalkulation von<br />

Exzedenten, insbesondere bei hohen Gesamtdeckungssummen.<br />

Zudem sind Versicherer<br />

nicht mehr bereit, grundsätzlich<br />

Quelle: © emiliau - Fotolia.com<br />

PRIVATE EQUITY UND M&A<br />

Die Nachfrage nach Warranty &<br />

Indemnity(W&I)-Versicherungen ist weiter<br />

hoch. In Transaktionen verlangen Käufer<br />

(als Versicherungsnehmer) immer geringere<br />

Selbstbehalte, und der Markt kommt<br />

dem zunehmend entgegen. Die Prämien<br />

bleiben nach wie vor stabil. Typische Zusatzdeckungen<br />

sind etwa die synthetische<br />

Absicherung von unbekannten Steuerrisiken<br />

sowie die Deckung von bekannten<br />

Steuerrisiken. Die Schadenmeldungen bei<br />

W&I-Versicherungen haben deutlich zugenommen:<br />

In der EMEA-Region ist ein<br />

Anstieg um 293% von 2016 bis 2018 zu<br />

verzeichnen (s. Marsh Transactional Risk<br />

Claims Study).<br />

REAL ESTATE<br />

Bei den gewerblichen wie auch bei den<br />

wohnungswirtschaftlichen Risiken zeichnet<br />

sich eine Verhärtung des Versicherungsmarktes<br />

ab. Abhängig von den individuellen<br />

Schadenquoten der Risiken bzw.<br />

Portfolios, insbesondere bei Schadenquoten<br />

jenseits der Marke von 60% bis 65%,<br />

sehen wir derzeit Prämiensteigerungen<br />

der Versicherer.<br />

Autor: www.marsh.com/de<br />

22 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

Generation Z:<br />

Eine attraktive und zugleich kritische<br />

Zielgruppe für Finanzdienstleister<br />

Die „Generation Z“ ist für Finanzdienstleister<br />

eine zukunftsträchtige,<br />

aber keine einfache Zielgruppe.<br />

Um erfolgreich mit dieser „in Touch“ zu kommen,<br />

reichen oberflächlich-jugendliche<br />

Anstriche und „digitales Lifestyle-Geklingel“<br />

nicht aus. Die „GenZ“ fühlt sich zwar in<br />

der digitalen Welt zuhause, springt aber<br />

nicht auf jeden Trend an und prüft sehr<br />

genau, welche Angebote ihr nutzen.<br />

Fundamental haben die Finanzdienstleister<br />

große Imageprobleme in der „GenZ“.<br />

Dennoch ist sind junge Menschen an FDL-<br />

Angeboten interessiert – wenn diese ihre<br />

spezifische Lebenssituation widerspiegeln<br />

und vor allem die persönliche Autonomie<br />

unterstützen. Zugleich zeigt sich die<br />

„GenZ“ in ihren Motiven, Erwartungen,<br />

Lebenswelten und Kommunikationsvorlieben<br />

weitaus differenzierter und heterogener<br />

als oft dargestellt. Von den Anbietern verlangt<br />

dies entsprechende Kenntnis, Flexibilität<br />

und Zuwendung. Dies sind Ergebnisse<br />

aus der aktuellen Studie «Generation Z als<br />

Zielgruppe für Finanzdienstleister» des<br />

Marktforschungsinstituts Nordlight Research.<br />

ENABLING IS THE KEY<br />

Quelle: © jeremias münch - Fotolia.com<br />

Trotz ihrer ausgeprägt kritischen Grundhaltung<br />

gegenüber der FDL-Branche – die<br />

überwiegend sozial und medial „vererbt“<br />

ist und weniger eigener negativer Erfahrung<br />

entspringt – zeigt sich die „GenZ“<br />

aufgeschlossen für die Angebote der<br />

Finanzdienstleister. Gefordert und zugleich<br />

wertgeschätzt wird der spezielle<br />

Zuschnitt auf die Lebenssituation junger<br />

Menschen. Im „psychologischen Zentrum“<br />

steht dabei vor allem die Befähigung zur<br />

Autonomie – zumal die durchschnittliche<br />

finanzielle Allgemeinbildung bzw. Finanzkompetenz<br />

der „GenZ“ nicht besonders<br />

stark ausgeprägt ist (Financial Literacy,<br />

Praxiswissen etc.).<br />

Ausgereifte „Enabling-Ansätze“ versprechen<br />

nachhaltigeren Erfolg als primär verkaufsorientierte<br />

Beratung oder vordergründige<br />

imagebezogene Strategien der Anbieter.<br />

Wichtig sind vor allem durchschaubare<br />

Produkt-, Informations- und Beratungsangebote<br />

„auf Augenhöhe“, die einführen<br />

ohne zu belehren und die auf Wissensstand,<br />

Informationsgewohnheiten, Bedürfnisse<br />

und Lebenswirklichkeiten der „GenZ“<br />

zugeschnitten sind. Digitale Kommunikationskanäle<br />

spielen hierbei eine wichtige,<br />

aber keineswegs die allein entscheidende<br />

Rolle.<br />

DIGITALISIERUNG IST WICHTIG,<br />

ABER NICHT ALLES<br />

Digitale Devices, Anwendungen und Kommunikationsformen<br />

stellen für die damit<br />

großgewordene „GenZ“ im Alltag keinen<br />

besonderen Anreiz oder Wert an sich dar.<br />

Vielmehr werden diese als selbstverständliche<br />

Mittel zum Zweck eingesetzt und vorausgesetzt.<br />

Grenzen, fehlende Passung<br />

oder mangelnder Nutzen digitaler Angebote<br />

von Finanzdienstleistern werden schnell<br />

erkannt; bisweilen auch als „peinlich“ entlarvt.<br />

Ebenso wird zwischen Unterhaltung<br />

und ernsthafter Beschäftigung, zwischen<br />

Spiel und Realität differenziert; reine<br />

„Gamification“-Ansätze im Bereich Banking<br />

& Insurance stoßen daher schnell an ihre<br />

Grenzen. Deutlich wichtiger sind der „GenZ“<br />

im FDL-Bereich hohe Transparenz und Einfachheit<br />

der Angebote, Authentizität und<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

23


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Glaubwürdigkeit der Anbieter und deren<br />

Zugänglichkeit auf verschiedenen Kommunikationswegen.<br />

„Digitale Kanäle sollten gezielt<br />

weiter ausgebaut werden, der menschliche<br />

Faktor und die Präsenz vor Ort dürfen<br />

dabei nicht vernachlässigt werden - auch<br />

mit speziellem Blick auf die ´GenZ´“, sagt<br />

Studienleiterin Jutta Rothmund.<br />

Persönliche Beratung ist in der „GenZ“<br />

keineswegs „out“. „In“ sind vor allem<br />

autonomiefördernde, ergebnisoffene Informations-<br />

und Beratungsansätze, die<br />

Barrieren abbauen und nicht vorschnell<br />

auf den Verkauf bestimmter Produkte aus<br />

sind. Frühzeitiger Aufbau signifikanter,<br />

vertrauensvoller Kundenbeziehungen erhöht<br />

zugleich die Chancen auf späteres<br />

Cross- und Up-Selling. Allerdings nimmt<br />

die „GenZ“ von sich aus meist erst dann verbindlichen<br />

Kontakt auf, bzw. lässt sich beraten,<br />

wenn zuvor bereits die Webpräsenz der<br />

Anbieter mit transparenten, klaren und<br />

konkreten Informationen zu Leistungen<br />

und Konditionen überzeugt – mithin zu<br />

Entscheidungen befähigt.<br />

Direktanbieter - bei den Banken etwa die<br />

ING oder bei Versicherungen die Hannoversche<br />

- zeigen sich in puncto „Enabling“ häufig noch<br />

stärker als klassische Anbieter. Imagemäßig<br />

zunächst weniger vorbelastete Fintechs,<br />

Insurtechs oder branchenfremde Digitalunternehmen<br />

müssen derweil erkennen,<br />

dass „reine“ Digitalstrategien auch in<br />

der „GenZ“ keine automatischen Selbstläufer<br />

sind, teils auch nur Nischenpotenziale<br />

haben. Übergreifend wichtig ist zudem<br />

die Erkenntnis, dass die „GenZ“ keine<br />

homogene Zielgruppe darstellt, was sich<br />

auch in unterschiedlichem Finanz- und<br />

Versicherungsverhalten wiederspiegelt.<br />

FÜNF VERSCHIEDENE KUNDENTYPEN<br />

IN DER GENERATION Z<br />

In der qualitativen Zielgruppenstudie zur<br />

„GenZ“ konnten fünf Kundentypen identifiziert<br />

werden, die sich in ihren Motiven<br />

und Lebenswelten – und speziell auch<br />

bei Informations- und Entscheidungsverhalten,<br />

Kommunikationspräferenzen und<br />

Beratungsaffinität – sehr deutlich voneinander<br />

unterscheiden. Als kurzer Abriss:<br />

„Soziale“ suchen in hohem Maße den persönlichen<br />

Austausch und die Nähe vor Ort.<br />

Sie sind besonders beratungsaffin und<br />

entscheiden gerne im gemeinsamen interaktiven<br />

Prozess in ihrer sozialen Bezugsgruppe.<br />

Digitales spielt nur eine untergeordnete<br />

Rolle.<br />

„Checker“ sind hingegen besonders autonomieorientiert,<br />

kontrollierend und zielgerichtet.<br />

Sie kommunizieren hybrid und<br />

multimodal, agieren eigenständig, suchen<br />

aber bei komplexen Themen Beratung.<br />

„Gechillte“ sind spaßorientiert, testen gerne<br />

ihre Grenzen aus, mögen Komfort und<br />

Bequemlichkeit. Bei Informationen und<br />

Entscheidungen sind sie schnell und effizient,<br />

kommuniziert wird bevorzugt auf digitalen<br />

Kontaktwegen.<br />

„Gewissenhafte“ sind engagiert und ernsthaft,<br />

sorgen sich um die Welt und die Gesellschaft.<br />

Persönlich sind sie stark sicherheitsorientiert,<br />

prüfen Informationen und<br />

Entscheidungen intensiv, sind daher auch<br />

in der Beratung besonders anspruchsvoll.<br />

„Misstrauische“ zeigen sich in verstärktem<br />

Maße sozial- und kapitalismuskritisch, befürchten<br />

schnell, manipuliert zu werden<br />

und lehnen Beratung oft ab. Bei Informationen<br />

und Entscheidungen orientieren sie<br />

sich stark an Familie und an unabhängigen<br />

Experten. Für Finanzdienstleister sind sie<br />

wenn nur als Direktkunden interessant.<br />

Eine gute Kenntnis der hier anskizzierten<br />

Grundtypen – die nicht immer nur in „reiner<br />

Form“ vorkommen – hilft Produktgebern<br />

und Beratern grobe Klischees und Stereotype<br />

zur „GenZ“ zu vermeiden und typgerecht<br />

zu differenzieren.<br />

ZIELGRUPPENSPEZIFISCHE<br />

ANGEBOTSGESTALTUNG FÜR DIE<br />

„GENZ“ ZAHLT SICH AUS<br />

Generell zahlen sich speziell auf die<br />

„GenZ“ zugeschnittene Angebote im<br />

Markt aus, wie die zahlreichen Evaluationen<br />

konkreter FDL-Angebote belegen.<br />

Zielgruppenspezifische Angebote werden<br />

von der „GenZ“ als wertschätzend erlebt,<br />

erlauben Identifikation und erleichtern<br />

jungen Menschen den Einstieg in die alltagsrelevante<br />

Finanz- und Versicherungswelt.<br />

Die „GenZ“ ist dabei von Zuhause<br />

24 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

aus gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen<br />

und gehört zu werden - reagiert daher<br />

besonders empfindlich auf Bevormundung<br />

oder Nichtbeachtung.<br />

Versicherer-Seiten speziell für junge Leute<br />

– beispielsweise von Versicherungskammer<br />

Bayern und Zurich, aber auch polarisierende<br />

Seiten wie „Versichern nervt“ der<br />

LVM – holen junge Leute unmittelbar ab<br />

und bieten ihnen einen niederschwelligen<br />

Zugang zur Versicherungswelt.<br />

Gemeinwohlorientierung, Nachhaltigkeit<br />

und ethische Geschäftspraktiken sind für<br />

die „GenZ“ übergreifend wichtige Themen.<br />

Von den Finanzdienstleistern wird aber<br />

nicht unbedingt die Lösung der drängenden<br />

Probleme der Zeit erwartet. Geschätzt<br />

werden gemeinwohlorientierte<br />

Engagements und Sponsorings auch nur,<br />

wenn diese selbst nachhaltig und authentisch<br />

sind und in kohärenter Verbindung<br />

zur Kundenorientierung der Anbieter stehen.<br />

Rein instrumentell marketingorientierte<br />

„Gemeinwohlorientierung“ und<br />

„Nachhaltigkeit“ kann ansonsten schnell<br />

zum Bumerang werden.<br />

Produktseitig sollte bei typischen Einstiegsprodukten<br />

für die junge Generation – wie<br />

etwa Girokonten, Sparmodelle, Kfz-<br />

Versicherung, Privathaftpflicht oder Auslandsversicherungen<br />

– auf attraktive lebensphasengerechte<br />

Angebotsgestaltung und<br />

kommunikative Vermittlung geachtet werden.<br />

Quelle: © rawpixel - unsplash.com<br />

Entsprechendes gilt im Bankingbereich,<br />

etwa für Girokonten speziell für Schüler,<br />

Auszubildende und Studenten, nach denen<br />

junge Leute mitunter auch ganz explizit<br />

suchen. Auch Werbekampagnen, die in<br />

Inhalten, Formaten und Kanälen konsequent<br />

auf junge Leute zugeschnitten sind -<br />

wie z.B. Schwäbisch Hall mit „Tiny House of<br />

Trends“ - werden von der „GenZ“ honoriert.<br />

„Nicht die Form der Vermittlungskanäle<br />

an sich, sondern die Art und Passung der<br />

Beziehungsaufnahme und der Inhalte<br />

sind entscheidend - online wie offline<br />

und in möglichst bruchfreier Integration“,<br />

sagt Rafael Jaron, Geschäftsführer bei<br />

Nordlight Research. Dabei ist auch zu<br />

beachten, dass nicht jeder digitale Trend<br />

in der „GenZ“ sofort gut ankommt: Text-<br />

Chats mit „menschlichem Gegenüber“<br />

sind – zumindest aktuell – beispielsweise<br />

noch deutlich beliebter als etwa Chat-<br />

Bots und digitale Sprachassistenten.<br />

Persönliche Beratungsangebote vor Ort<br />

sollten niedrigschwellig, ergebnisoffen,<br />

ohne Verkaufsdruck und typgerecht ausgerichtet<br />

werden.<br />

Besonders wichtig ist dies auch bei komplexeren<br />

Produkten, wie z.B. der Berufsunfähigkeitsversicherung.<br />

Auch hier<br />

kommen explizite Angebote für Schüler,<br />

Studenten und Berufsstarter (Starter-BU)<br />

– so etwa von AXA, LVM und Hannoversche<br />

- besser an als ein Breitenangebot<br />

mit bloßer Option zum Zuschnitt auf die<br />

eigene Lebensphase (BU mit Starter-Option).<br />

Entsprechendes gilt für auch die Altersvorsorge:<br />

Spezifische Angebote für junge Leute<br />

- wie z.B. „Allianz Fourmore“ – kommen<br />

in der „GenZ“ grundsätzlich gut an - auch<br />

wenn der Zeithorizont für die intensive Beschäftigung<br />

mit dem Thema noch etwas in<br />

die Zukunft geschoben wird, und man zunächst<br />

einmal im eigenständigen Leben, in<br />

Ausbildung und Beruf ankommen will.<br />

Branchenweite Aufgabe bleibt, das deutlich<br />

vorhandene Negativimage in der „GenZ“ zu<br />

überwinden - und sich für junge Menschen<br />

als authentischer, vertrauenswürdiger und<br />

(über verschiedene Kommunikationskanäle)<br />

nahbarer Partner aufzustellen und<br />

zu beweisen. Dies kann auch, aber nicht<br />

allein, über branchenweite Imagekampagnen<br />

erfolgen. Und nur gepaart mit einer<br />

spürbar kundenorientierten, der „GenZ“<br />

zugewandten Praxis.<br />

Autor: www. nordlight-research.com<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

25


FinanzBusinessMagazin I MARKT<br />

Die Entschlüsselung<br />

der Versicherten-DNS<br />

Die Zeiten einer einzigen Versicherung<br />

fürs Leben sind lange vorbei.<br />

Nun gerät auch das Bild vom Versicherer<br />

als naturgemäßem Anbieter von<br />

Policen ins Wanken. Denn drei Viertel der<br />

unter 35-jährigen Kunden in Deutschland<br />

sind offen dafür, auch bei Branchenfremden<br />

Versicherungen abzuschließen. In<br />

vielen Schwellenländern liegt dieser Anteil<br />

sogar noch höher. Besonders beliebt sind<br />

Technologieunternehmen, die wie Amazon<br />

in den USA das Terrain bereits sondieren.<br />

In ihrer Studie „Deutscher Versicherungsreport:<br />

Die Entschlüsselung der<br />

Kunden-DNS“ zeigt die internationale Managementberatung<br />

Bain & Company, wie<br />

die Assekuranz ihre Kundenbasis dennoch<br />

sichern kann. Befragt wurden dafür weltweit<br />

174.000 Versicherte, darunter 13.000<br />

in Deutschland.<br />

sowie Einfachheit. Hinzu kommen emotionale<br />

Faktoren wie die Reduzierung von<br />

Ängsten und der Markenwert.<br />

„Die Kunden wissen sehr genau, was sie<br />

wollen“, betont Bain-Partner und Co-Autor<br />

der Studie Dr. Henrik Naujoks. „Die Versicherer<br />

müssen liefern. Doch gerade beim<br />

Thema Einfachheit gibt es häufig noch Defizite.“<br />

Zudem unterschätzen viele Anbieter<br />

den Stellenwert emotionaler Faktoren,<br />

wie ein Blick in die USA zeigt. Dort zählen<br />

für unter 35-Jährige, sprich die Millennials,<br />

Motivation, Belohnung und das Gefühl<br />

dazuzugehören bereits zu den wichtigsten<br />

Elements of Value. „Der Community-<br />

Gedanke ist ein zentraler Bestandteil der<br />

DNS jüngerer Kunden“, so Naujoks. „Funktionale<br />

Exzellenz ist für sie eine Selbstverständlichkeit.<br />

Ein gutes Gefühl wird<br />

deshalb zunehmend zum entscheidenden<br />

Differenzierungsmerkmal für Versicherer.“<br />

Gerade hier öffnet sich jedoch ein Einfallstor<br />

für Technologieunternehmen, die über<br />

langjährige Erfahrungen mit Communities<br />

verfügen.<br />

Regelmäßige Interaktionen<br />

fördern Loyalität<br />

Quelle: © cowomen - unsplash.com<br />

Kunden haben klare Vorstellungen<br />

Unternehmen wollen die Kundenbedürfnisse<br />

bestmöglich erfüllen. Was Versicherte<br />

wirklich bewegt, hat Bain im Rahmen<br />

der Studie erstmals entlang von 30<br />

sogenannten Elements of Value® ermittelt<br />

– den elementaren Merkmalen einer<br />

Kundenbeziehung auf funktionaler, emotionaler<br />

und sozialer Ebene. Nach Angaben<br />

der Befragten dominieren im Versicherungsgeschäft<br />

funktionale Themen,<br />

allen voran Produkt- und Servicequalität<br />

Mit regelmäßigen, überzeugenden Interaktionen<br />

sowie dem Ausbau ihres Leistungsspektrums<br />

können die etablierten Versicherer<br />

dagegenhalten. Welch entscheidende<br />

Rolle Interaktionen spielen, wird anhand<br />

des Net Promoter Score® (NPS®) von Bain<br />

deutlich, der die Kundenloyalität misst. Bei<br />

lediglich einem Kontakt mit dem Kunden<br />

im Jahr liegt der NPS-Wert in der Sachversicherung<br />

bereits 16 Prozentpunkte höher<br />

als bei absoluter Kontaktlosigkeit, in der<br />

Lebensversicherung sind es sogar 23 Prozentpunkte.<br />

Die höchsten NPS-Werte sowohl in der<br />

Sach- als auch in der Lebensversicherung<br />

erzielt hierzulande die HUK Coburg. Auf<br />

26 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


MARKT I FinanzBusinessMagazin<br />

Quelle: © priscilla-du-preez - unsplash.com<br />

den Folgeplätzen haben sich in der jüngsten<br />

Bain-Studie vor allem die Sachversicherer<br />

zum Teil erheblich verbessert. „Die<br />

Branche handelt“, stellt Bain-Partner und<br />

Studien-Co-Autor Dr. Christian Kinder fest.<br />

„Viele Versicherer sind auf dem richtigen<br />

Weg und setzen alles daran, den Erwartungen<br />

ihrer Kunden gerecht zu werden.“<br />

Die Elements of Value geben ihnen wichtige<br />

Hinweise, wie sie ihr Kerngeschäft in<br />

Bezug auf die vielschichtigen Bedürfnisse<br />

der Versicherten optimieren können.<br />

Zusätzliche Dienstleistungen<br />

sind gefragt<br />

Neben Exzellenz im Kerngeschäft und<br />

kontinuierlichen Innovationen gibt es einen<br />

dritten Erfolgsfaktor: den Auf- und Ausbau<br />

von Serviceökosystemen. Immer<br />

mehr Versicherungsunternehmen bieten<br />

zusätzliche Dienstleistungen über<br />

die klassische Police hinaus an. Dazu<br />

zählen beispielsweise Reparaturservices,<br />

Handwerkernetze oder Gesundheitsprogramme.<br />

Die Kunden begrüßen<br />

diese Vorstöße. Laut Bain-Studie ist jeder<br />

Zweite in Deutschland an solchen<br />

Dienstleistungen von seinem Versicherer<br />

interessiert.<br />

Wer die neuen Services nutzt, reagiert in<br />

der Regel positiv. Der NPS steigt und die<br />

Preissensibilität sinkt. Auch die Bewertung<br />

der Elements of Value wird maßgeblich beeinflusst.<br />

„Mit Servicenetzwerken können<br />

Versicherer den gordischen Knoten ihrer<br />

Branche durchschlagen“, ist Branchenkenner<br />

Kinder überzeugt. „Sie bieten Anlass<br />

für regelmäßige Interaktionen und schaffen<br />

eine emotionale Verbindung. Wer hier überzeugt,<br />

muss den Wettbewerb mit Branchenneulingen<br />

nicht fürchten.“<br />

Net Promoter Score® (NPS®)<br />

Bain misst die Kundenzufriedenheit seit mehr<br />

als zehn Jahren branchen- und länderübergreifend<br />

mit dem Net Promoter Score®<br />

(NPS®). Diese Kennzahl ergibt sich aus<br />

den Antworten auf eine einzige Frage:<br />

„Auf einer Skala von null bis zehn, wie<br />

wahrscheinlich ist es, dass Sie Ihren<br />

Hauptversicherer einem Freund oder<br />

Kollegen weiterempfehlen?“ Die Antworten<br />

werden drei Kategorien zugeordnet.<br />

Dabei hat sich gezeigt, dass nur Werte<br />

von neun oder zehn für wirklich loyale<br />

Kunden stehen („Promotoren“), sieben<br />

und acht Passive sind und Bewertungen von<br />

sechs oder weniger als Kritiker eingestuft.<br />

Autor: www.bain.com/de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

27


FinanzBusinessMagazin I INTERNATIONAL<br />

Altersvorsorge:<br />

Deutschland bei den Faktoren<br />

Angemessenheit und Integrität gut<br />

platziert<br />

Im Vergleich von 37 Altersvorsorgesystemen<br />

weltweit belegt Deutschland<br />

in der Gesamtbewertung Rang 13<br />

(66.1 Punkte). Im Index erreichen die<br />

Niederlande und Dänemark A-Noten (81.0<br />

und 80.3 Punkte) und sind damit am besten<br />

auf die Herausforderungen der älter werdenden<br />

Bevölkerung vorbereitet. Dies sind<br />

die Ergebnisse des Melbourne Mercer<br />

Global Pension Index (MMGPI), der in diesem<br />

Jahr zum elften Mal erschienen ist und fast<br />

zwei Drittel der Weltbevölkerung abdeckt.<br />

Die Studie verdeutlicht das breite Spektrum<br />

und die Vielfalt der weltweiten Rentensysteme<br />

und zeigt, dass selbst die besten<br />

Systeme der Welt Mängel aufweisen. In<br />

diesem Jahr wurden die Philippinen, Thailand<br />

und die Türkei neu in den Index aufgenommen.<br />

Teilnahmequote an der betrieblichen<br />

Altersvorsorge sollte erhöht werden<br />

In der Gesamtbewertung liegt Deutschland<br />

bei 66.1 Punkten (2018: 66.8 Punkte).<br />

Beim Sub-Index Angemessenheit erreicht<br />

Deutschland 78.3 Punkte (2018:<br />

79.9 Punkte), beim Faktor Integrität 76.4<br />

Punkte (2018: 76.6 Punkte). Beim Sub-<br />

Index Nachhaltigkeit liegt Deutschland<br />

mit 44.9 Punkten unter dem Durchschnitt.<br />

Dieser Sub-Index untersucht anhand mehrerer<br />

Indikatoren, ob das gegenwärtige<br />

Rentensystem in Zukunft aufrechterhalten<br />

werden kann.<br />

„Die diesjährige Studie zeigt, dass das<br />

Altersvorsorgesystem in Deutschland bei<br />

den Faktoren Angemessenheit und Integrität<br />

stabil ist. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit<br />

muss es allerdings verbessert werden.<br />

Unser Rentensystem muss nachhaltig<br />

gestärkt werden und dazu gehört neben<br />

einer soliden Finanzierung auch, dass<br />

die flächendeckende Verbreitung der betrieblichen<br />

Altersversorgung – gerade im<br />

Niedriglohnsektor – forciert wird“, erklärt<br />

Achim Lüder, CEO Mercer Deutschland.<br />

„Das Betriebsrentenstärkungsgesetz ist<br />

bisher weitgehend wirkungslos geblieben.<br />

Das Ziel des Gesetzes ist es, die Teilnahmequoten<br />

an der betrieblichen Altersvorsorge<br />

zu erhöhen. Hier sind insbesondere<br />

die Tarifparteien gefordert, die Voraussetzungen<br />

zur Einführung von Sozialpartnermodellen<br />

zu schaffen. Daneben sind<br />

aber auch die Unternehmen aufgefordert,<br />

die betriebliche Altersvorsorge als einen<br />

zentralen Benefit attraktiver zu machen.<br />

Mitarbeitergruppen in den Organisationen<br />

sind heutzutage nicht mehr homogen.<br />

Daher sind flexible und individualisierbare<br />

Lösungen wichtig. Diese müssen<br />

zielgruppengerecht gestaltet sein und die<br />

Informationen zur Altersvorsorge eines<br />

Arbeitnehmers verständlich, in Echtzeit,<br />

über digitale Portale und auf gängigen<br />

Devices zugänglich machen. Dann wird<br />

auch der Wert dieses Benefits deutlich“,<br />

so Lüder weiter.<br />

Weitere Empfehlungen, die sich<br />

aus den Studienergebnissen für<br />

Deutschland ergeben:<br />

• Ergänzung des umlagefinanzierten<br />

Systems durch kapitalgedeckte Modelle<br />

• Anhebung der Mindestrenten für Niedriglohn-Rentner<br />

• Weitere Erhöhung der Erwerbsquote<br />

älterer Arbeitnehmer<br />

• Verbesserung der Kommunikation an die<br />

Leistungsempfänger<br />

• Erhöhung der Teilnahmequoten in der<br />

betrieblichen Altersversorgung<br />

• Mit steigendem Pensionsvermögen<br />

wächst die Bereitschaft zur Schuldenaufnahme<br />

28 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


INTERNATIONAL I FinanzBusinessMagazin<br />

Der MMGPI ist die erste internationale<br />

Studie, die den sogenannten „Vermögenseffekt“<br />

dokumentiert. Dr. David Knox,<br />

Autor der Studie und Senior Partner bei<br />

Mercer in Australien, erklärt, dass sich<br />

Verbraucher mit steigendem Pensionsvermögen<br />

finanziell sicherer fühlen und daher<br />

bereits vor der Pensionierung Kredite<br />

aufnehmen, um ihren derzeitigen und zukünftigen<br />

Lebensstandard zu verbessern.<br />

Jedes Rentensystem weist eine Reihe von<br />

Besonderheiten auf. Der MMGPI macht<br />

jedoch deutlich, dass es Herausforderungen<br />

gibt, die alle Regionen betreffen.<br />

„Die Systeme auf der ganzen Welt sind<br />

mit einer steigenden Lebenserwartung<br />

und einem zunehmenden Druck auf die<br />

öffentlichen Mittel zur Unterstützung der<br />

Gesundheit und des Wohlergehens älterer<br />

Menschen konfrontiert. Daher ist<br />

es unerlässlich, dass politische Entscheidungsträger<br />

die Stärken und Schwächen<br />

der Rentensysteme analysieren, um langfristige<br />

Sicherheit für die Rentner der<br />

Zukunft zu erzielen“, betont Dr. Knox.<br />

Melbourne Mercer Global Pension<br />

Index nach Zahlen<br />

Die Niederlande erreichten den höchsten<br />

Indexwert (81.0) und lagen bei 10 der<br />

letzten 11 MMGPI-Studien stets auf Platz<br />

eins oder zwei. Thailand weist den niedrigsten<br />

Indexwert (39.4) auf. Beim Sub-<br />

Index Angemessenheit liegt Irland mit<br />

81.5 Punkten auf Platz 1, Dänemark<br />

erreicht mit 82.0 Punkten beim Index<br />

Nachhaltigkeit den höchsten Wert und<br />

Finnland führt mit 92.3 Punkten bei Integrität.<br />

Auf dem jeweils letzten Platz<br />

liegen Thailand bei der Angemessenheit<br />

(35.8), Italien bei Nachhaltigkeit (19.0)<br />

und die Philippinen bei Integrität (34.7).<br />

Nachhaltigkeit ist nach wie vor eine<br />

Schwäche vieler Rentensysteme<br />

Der Subindex für Nachhaltigkeit zeigt<br />

auch in diesem Jahr die Schwäche der<br />

Systeme auf. Insbesondere das Nachhaltigkeitsproblem<br />

vieler südamerikanischer<br />

und asiatischer Systeme wurde<br />

mit einem durchschnittlichen Nachhaltigkeitsgrad<br />

von D bestätigt. Obwohl Chile<br />

einen starken Wert von 71.7 erreicht, erzielten<br />

Brasilien und Argentinien nur 27.7<br />

bzw. 31.9 Punkte. Ähnlich verhält es sich<br />

in Asien. Hier liegt Singapur bei 59.7<br />

Punkten, Japan hingegen nur bei 32.2.<br />

Dieses Problem ist jedoch nicht nur auf<br />

Schwellenländer beschränkt. Viele europäische<br />

Volkswirtschaften stehen unter<br />

ähnlichem Druck. Obwohl Dänemark<br />

mit 82.0 die höchste Punktzahl für den<br />

Nachhaltigkeits-Subindex erzielt, liegen<br />

Italien und Österreich nur bei 19.0 bzw.<br />

22.9 Punkten. Während einige Faktoren,<br />

Quelle: © Campaign Creators - unsplash.com<br />

die zum Nachhaltigkeitswert beitragen,<br />

schwer zu ändern sind, können andere<br />

beeinflusst werden, um die langfristige<br />

Wirksamkeit eines Rentensystems zu<br />

stärken. Hierzu zählt die Förderung eines<br />

höheren Sparniveaus für die Zukunft, die<br />

schrittweise Anhebung des gesetzlichen<br />

Rentenalters und die Befähigung der<br />

Menschen, etwas länger zu arbeiten.<br />

„Obwohl bei einigen Systemen immer<br />

noch Benefits-Systeme von Bedeutung<br />

sind, die auf leistungsorientierten Anlagestrategien<br />

basieren, spielen beitragsorientierte<br />

Pläne eine immer wichtigere<br />

Rolle für die Altersvorsorge. Die Maximierung<br />

der risikobereinigten Anlagerenditen<br />

für beitragsorientierte Pensionspläne<br />

durch die Diversifizierung der gehaltenen<br />

Vermögenswerte ist entscheidend“, betont<br />

Professor Deep Kapur, Direktor des<br />

Monash Centre for Financial Studies.<br />

„Es ist wichtig, dass die staatliche Rente<br />

bzw. das Rentenalter im Einklang stehen<br />

mit der steigenden Lebenserwartung der<br />

Bevölkerung – dies ist ein Schritt, den einige<br />

Regierungen bereits unternommen haben.<br />

Denn nur so können die Kosten für<br />

öffentlich finanzierte Rentenleistungen<br />

gesenkt werden“, so Kapur weiter.<br />

Autor: www.mercer.de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

29


FinanzBusinessMagazin I INTERNATIONAL<br />

zeb.European Insurance Study 2019<br />

Europas Versicherer stehen vor großen<br />

Herausforderungen, denn ihnen<br />

fehlt es an Wachstumskraft. Zwar<br />

haben sie in den letzten Jahren trotz Niedrigzinsen<br />

solide Gewinne erwirtschaftet.<br />

Auch konnten nahezu alle Versicherer die<br />

Hürden von Solvency II bewältigen und<br />

sind beim Eigenkapital solide aufgestellt.<br />

Probleme bestehen jedoch darin, in gesättigten<br />

Märkten mit etablierten oder innovativen<br />

Produkten zuzulegen. So kommen<br />

die 25 größten Akteure am europäischen<br />

Versicherungsmarkt mit einem durchschnittlichen<br />

Wachstum ihrer Bruttobeiträge<br />

von 1,2 Prozent kaum voran, neue<br />

boomende Märkte sind nicht in Sicht. Vor<br />

diesem Hintergrund bietet vor allem der<br />

gezielte Einsatz von Data-Science Perspektiven,<br />

die Europas Versicherer nutzen<br />

können, um in Zukunft wieder stärker zu<br />

wachsen.<br />

Dies sind zentrale Ergebnisse der European<br />

Insurance Study von zeb. Die auf Financial<br />

Services spezialisierte Strategie- und<br />

Managementberatung hat detailliert untersucht,<br />

wie es aktuell um die Versicherer<br />

in Europa bestellt ist, und analysiert,<br />

welche Erfolgsrezepte die Wachstumsführer<br />

antreiben und welche Empfehlungen<br />

daraus für die Zukunft abzuleiten sind.<br />

Die Studie fußt auf einer umfassenden<br />

Untersuchung von Wachstum und Solvabilität<br />

der 25 größten europäischen Versicherungsgruppen<br />

und bezieht eine tief<br />

greifende Datenanalyse der europäischen<br />

Versicherungsmärkte mit ein.<br />

Quelle: © metamorworks - AdobeStock.com<br />

Dr. Jan Hendrik Sohl, Partner bei zeb, erläutert:<br />

„Die European Insurance Study<br />

belegt: Der Versicherungswirtschaft in<br />

Europa fehlt es insgesamt an Wachstumskraft.<br />

Insbesondere große Versicherer<br />

stagnieren, vorhandenes Wachstum wird<br />

vor allem durch kleinere und mittlere Unternehmen<br />

getragen. Die zentrale Herausforderung<br />

besteht jetzt darin, zukünftig<br />

in eigentlich gesättigten Märkten wieder<br />

zu mehr Wachstum zu finden.“<br />

Wachstumschampions<br />

mit innovativen Produkten und<br />

Kundennutzen<br />

Die Studie zeigt: Es gibt durchaus Versicherer,<br />

die in ihren Heimatmärkten<br />

überdurchschnittlich stark zulegen, sowohl<br />

im Bereich der Lebensversicherungen<br />

als auch im Bereich der Schadenund<br />

Unfallversicherungen. Für diese<br />

Unternehmen weisen die Studienautoren<br />

detailliert nach, wie über innovative<br />

Produkte mit hohem Kundennutzen<br />

oder Produkte für spezielle Zielgruppen<br />

Wachstum möglich ist. Zudem zeigt sich,<br />

wie Versicherer durch die Erschließung<br />

neuer und die Optimierung bestehender<br />

Vertriebskanäle über Marktniveau wachsen<br />

können.<br />

Gezielte Auswertung und Nutzung<br />

von Daten entscheidet<br />

über Wachstum<br />

Viele der identifizierten europäischen<br />

Wachstums-Champions nutzen aktuell<br />

bereits Data Science, um ihr Geschäftsmodell<br />

zu optimieren. Insgesamt jedoch<br />

machen die meisten Versicherer nach<br />

Ansicht der Studienautoren zu wenig aus<br />

ihren Möglichkeiten und bestätigen damit<br />

die Digitalisierungsstudie von zeb zur<br />

europäischen Versicherungswirtschaft<br />

von August (Digital Pulse Check 2019).<br />

Innovative Geschäftsansätze entstehen<br />

kaum, was unter anderem daran liegt,<br />

dass viele Versicherer bisher noch ohne<br />

die gezielte Auswertung und Nutzung ihrer<br />

Daten erfolgreich sein können.<br />

30 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


RÜCKVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Dr. Mark Hahmeier, Senior Manager bei<br />

zeb, bemerkt abschließend: „Heute können<br />

Versicherer, die keine digitalen Pioniere<br />

sind, noch erfolgreich sein. Das wird sich<br />

absehbar ändern. Die Nutzung von Data<br />

Science wird einer der zentralen Faktoren<br />

für den Erfolg oder den Misserfolg am<br />

europäischen Versicherungsmarkt sein.“<br />

zeb wurde 1992 gegründet und zählt zu den<br />

führenden Strategie- und Managementberatungen<br />

für Financial Services in Europa.<br />

In Deutschland unterhält zeb Büros in<br />

Frankfurt, Berlin, Hamburg, München und<br />

Münster (Hauptsitz). Internationale Standorte<br />

befinden sich in Amsterdam, Kiew, Kopenhagen,<br />

London, Luxemburg, Mailand,<br />

Moskau, New York City, Oslo, Stockholm,<br />

Warschau, Wien und Zürich. Zu den Kunden<br />

zählen neben europäischen Groß- und Privatbanken,<br />

Regionalbanken und Versicherungen<br />

auch Finanzintermediäre aller Art.<br />

Bereits mehrfach wurde zeb in Branchenrankings<br />

als „Bester Berater“ der Finanzbranche<br />

klassifiziert und ausgezeichnet.<br />

Autor: www.zeb.de<br />

Verfügbares Rückversicherungskapital<br />

in 2018 leicht rückläufig<br />

Das für die globale Rückversicherungsbranche<br />

zur Verfügung stehende<br />

Kapital belief sich zum Jahresende<br />

2018 auf insgesamt 462 Milliarden US-<br />

Dollar – und sank somit um fünf Prozent<br />

gegenüber dem Vorjahr. Das ist das Ergebnis<br />

des neunten Reinsurance Market<br />

Report von Willis Re, dem Rückversicherungsarm<br />

von Willis Towers Watson. Den<br />

größten Anteil an dieser Summe tragen<br />

die 32 im Willis Reinsurance Index erfassten<br />

Rückversicherungsunternehmen,<br />

deren Gesamtkapital im Jahr 2018 um zehn<br />

Prozent auf 335,7 Milliarden US-Dollar gesunken<br />

ist. Das Vorjahreswachstum von<br />

acht Prozent wurde dadurch wieder revidiert.<br />

Der von Willis Re halbjährlich veröffentlichte<br />

Bericht bietet eine ausführliche Analyse<br />

der Rückversicherungsindustrie, basierend<br />

auf der Gruppe der Unternehmen,<br />

die Teil des Willis Reinsurance Index sind.<br />

Quelle: © Gorodenkoff - AdobeStock.com<br />

Der Rückgang des Indexkapitals um 13,7<br />

Milliarden US-Dollar lässt sich auf mehrere<br />

Faktoren zurückführen. Zum einen verringerten<br />

die aus M&A-Transaktionen<br />

resultierenden Aufkäufe von Validus und<br />

XL Catlin das Gesamtkapital der Indexunternehmen.<br />

Zum anderen begründet sich<br />

der Kapitalrückgang mit nicht realisierten<br />

Abschreibungen von 21,4 Milliarden US-Dollar,<br />

die hauptsächlich aus sinkenden Aktienmarktbewegungen<br />

und steigenden Anleiherenditen<br />

hervorgehen. Außerdem<br />

verwendeten die Unternehmen den überwiegenden<br />

Teil des Nettoergebnisses von<br />

20,5 Milliarden US-Dollar für Dividendenauszahlungen<br />

und Aktienrückkäufe, was<br />

eine Indexkapitalreduzierung von 17,6<br />

Milliarden Dollar zur Folge hatte. Das entspricht<br />

einer Ausschüttungsquote von 86<br />

Prozent. Im Vergleich zum Indexkapital<br />

ist das alternative Kapital, welches den<br />

zweitgrößten Anteil am gesamten Rückversicherungskapital<br />

ausmacht, um sechs<br />

Prozent gewachsen. Den vollständigen<br />

Bericht können Sie hier herunterladen.<br />

Autor: www.willistowerswatson.de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

31


FinanzBusinessMagazin I RUN - OFF<br />

Externer Run-Off von Versicherungsbeständen:<br />

Werden Abwicklungsplattformen<br />

zum neuen Trend?<br />

Das Modell eines externen Run-Offs<br />

von Beständen in der Lebensversicherung<br />

ist viel diskutiert – der<br />

erfolgreiche Abschluss des Inhaberkontrollverfahrens<br />

zum Erwerb der Generali<br />

Leben durch die Viridium Gruppe könnte<br />

den Bann für den deutschen Versicherungsmarkt<br />

jetzt brechen und weitere<br />

Nachahmer auf den Plan rufen.<br />

De facto befinden sich bereits mehr Versicherungsbestände<br />

im Run-Off als öffentlich<br />

wahrgenommen. So bieten viele Gesellschaften<br />

das klassische Geschäft mit<br />

Lebensversicherungen gar nicht mehr an,<br />

sondern haben Produkte mit alternativen,<br />

kapitalschonenderen Garantiekonzepten<br />

im Programm – der alte Bestand läuft<br />

aus. Besonders weitreichend ist die Entscheidung<br />

für den vollständigen Run-Off<br />

eines einzelnen Lebensversicherers einer<br />

Gruppe oder gar, das Neugeschäft in der<br />

Lebenssparte einer Versicherungsgruppe<br />

komplett zu stoppen. Der Weg zum externen<br />

Run-off ist dann nicht mehr weit.<br />

Die Kunden als Nutznießer<br />

des Run-Offs<br />

Der externe Run-Off – wie jüngst bei der<br />

Basler oder der ARAG Leben und jetzt<br />

auch bei der Generali Leben – zieht die<br />

größte Aufmerksamkeit auf sich, denn ein<br />

Bestand wird in fremde Hände gegeben.<br />

Doch ist die Kritik von Medien und Verbraucherschützern<br />

gerechtfertigt? Runoff<br />

Plattformen wie Viridium, Athora oder<br />

Frankfurter Leben argumentieren, dass<br />

sie deutlich effizienter arbeiten. So entstehen<br />

Kostenüberschüsse, die auch den<br />

Versicherungsnehmern ausgezahlt werden<br />

können. Die Kapitalanlage wird ertragsorientierter<br />

gestaltet. Auch davon profitiert<br />

der Versicherungsnehmer, da diese Überschüsse<br />

zum großen Teil an ihn weitergegeben<br />

werden. Die Nutznießer des externen<br />

Run-Offs sind neben den Versicherern<br />

und den Plattformen vor allem auch die<br />

Kunden: Sie behalten die Sicherheit ihrer<br />

Garantien und haben darüber hinaus<br />

Chancen auf höhere Überschüsse.<br />

Fazit:<br />

Wenn Innovationen ausbleiben,<br />

müssen Effizienzsteigerungen her<br />

Ganz gleich, welche Run-Off Variante im<br />

Einzelfall gewählt wird: Am Ende stehen<br />

die Interessen des Versicherungsnehmers<br />

und der auszuzahlenden Garantien im<br />

Fokus. Um diese zu wahren, bedarf es in<br />

Zeiten von Niedrigzins, Kostendruck und<br />

zunehmender Zwänge durch Regulierung<br />

einer effizienten Strategie für das Bestands-Management.<br />

Und daher werden<br />

wir auch in Zukunft – nach dem jüngsten<br />

weitreichenden Schritt sicher vermehrt<br />

– weitere Transaktionen sehen, in denen<br />

sich einzelne Versicherer von Lebensversicherungsbeständen<br />

oder Teilen ihrer<br />

Bestände trennen werden.<br />

Autor: www.willistowerswatson.com/de<br />

Quelle: © pixabay.com<br />

32 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


DIGITALISIERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Digital Pulse Check Insurance 2019<br />

Europas Versicherer haben die digitale<br />

Transformation ihrer Geschäftsmodelle<br />

in den letzten Jahren sukzessive<br />

vorangetrieben und sind dadurch<br />

in Summe digitaler geworden. Größere<br />

Innovationssprünge wurden dabei jedoch<br />

weder im Produktangebot noch in den<br />

Prozessen oder in der Technologie sichtbar.<br />

Kunden zeigen Appetit auf digitale<br />

Versicherungslösungen, doch das Angebot<br />

bleibt bislang auf digitale Basisservices<br />

beschränkt. Die Transformation kommt<br />

beim Kunden noch nicht an.<br />

Dies sind zentrale Ergebnisse des aktuellen<br />

zeb.digital pulse check insurance. Die<br />

Strategie- und Managementberatung zeb<br />

hat nun zum zweiten Mal untersucht, wie<br />

es um die Digitalisierung in ausgewählten<br />

Versicherungsmärkten Europas steht und<br />

dazu 100 Experten und Führungskräfte<br />

der Branche sowie 5.000 Endkunden in<br />

Deutschland, Österreich, Großbritannien,<br />

Italien und der Schweiz befragt.<br />

Stefan Geipel, zeb-Partner und Initiator der<br />

Studie, erläutert: „Unser aktueller Digital Pulse<br />

Check zeigt, dass Versicherer die digitale<br />

Transformation eher anlassbezogen vornehmen.<br />

Sie ergänzen ihre bestehenden<br />

Geschäftsmodelle sukzessive um neue<br />

digitale Produkte und Services. Während<br />

digitale Agenden gesetzt und Initiativen<br />

weitestgehend strategisch definiert werden,<br />

steuert nur eine kleine Minderheit auch<br />

nach digitalen Zielgrößen, wie z. B. Onlineabschluss-<br />

und Dunkelverarbeitungsquoten.<br />

Auch die Kundenzufriedenheit ist<br />

nur selten als zentrale Steuerungsgröße<br />

verankert. Die Konsequenz der Digitalstrategien<br />

bleibt somit ausbaubar.“<br />

Versicherer noch nicht bereit<br />

für breite Kanalnutzung<br />

Quelle: © monsitj - AdobeStock.com<br />

Nach wie vor präferiert die Mehrheit der<br />

befragten Kunden den persönlichen Kontakt.<br />

Insbesondere beim Versicherungskauf<br />

oder bei der Meldung komplexerer Schäden<br />

bleibt der persönliche Ansprechpartner<br />

die zentrale Anlaufstelle. Onlinekanäle<br />

liegen allerdings mittlerweile fast gleichauf.<br />

Dabei zeigt die „Omnikanalfähigkeit“<br />

von Versicherern weiterhin Verbesserungspotenziale.<br />

Ein Drittel der befragten<br />

Versicherer hat z. B. keine zentralisierte<br />

Steuerung und inhaltliche Verzahnung der<br />

Vertriebskanäle aufgebaut, und bei einem<br />

Großteil ist ein friktionsfreier Kanalwechsel<br />

des Kunden nach wie vor nicht oder nur<br />

für einzelne Pilotprozesse möglich.<br />

Interaktionsquoten bleiben<br />

niedrig – Ökosysteme nicht<br />

das „Allheilmittel“<br />

Obwohl die Bedeutung des Onlinekanals<br />

stetig zunimmt, bleibt die Frequenz von<br />

Onlineinteraktionen zwischen Kunden und<br />

Versicherern insgesamt niedrig. Zwei Drittel<br />

der befragten Endkunden nutzen Websites<br />

oder Apps ihrer Versicherer maximal<br />

einmal pro Jahr, erleben diese dann allerdings<br />

eher positiv. Ökosysteme, d. h. die<br />

Vernetzung eigener und fremder Produkte<br />

und Services über Plattformen, schaffen<br />

hier nur bedingt Abhilfe. Während über<br />

die Hälfte der Versicherer angibt, an Initiativen<br />

rund um die Integration von<br />

Produkten und Services in eigene oder<br />

fremde Ökosysteme zu arbeiten, kann<br />

die Hälfte der befragten Kunden sich derzeit<br />

nicht vorstellen, versicherungsfremde<br />

Services über Versicherungsplattformen<br />

zu erwerben. Das Interesse an digitalen<br />

Versicherungsprodukten und -services<br />

dagegen scheint groß, während Versicherer<br />

hier zumeist nur Basislösungen bieten. Ein<br />

konsequentes Angebot digitaler Mehrwertservices<br />

mit direktem Versicherungsbe-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

33


FinanzBusinessMagazin I DIGITALISIERUNG<br />

zug, wie z. B. digitale Assistenzleistungen,<br />

bleibt somit eine wichtige „Grundlage“ innerhalb<br />

der Kernkompetenzen von Versicherungen.<br />

Analytics und KI bleiben ungenutzte<br />

Chance<br />

Versicherer haben das Potenzial von<br />

(Kunden-)Daten zur Hebung von Ertragsund<br />

Einsparungspotenzialen durchaus<br />

erkannt und in ihre Unternehmensstrategien<br />

integriert. Auch hat ein Großteil der<br />

befragten Versicherer bereits die technischen<br />

Grundlagen im Datenmanagement<br />

und Datenhaushalt für die Anwendungsbereiche<br />

von Analytics geschaffen.<br />

Umso verblüffender ist es aus Sicht der<br />

Studienautoren, dass eine erfolgreiche<br />

vertriebliche Nutzung an der Konsolidierung<br />

und Bereitstellung dieser (Kunden-)<br />

Daten über alle Unternehmens- und Vertriebseinheiten<br />

hinweg zumeist scheitert.<br />

Es gilt, relevante Use Cases systematisch<br />

zu erfassen, zu bewerten und in iterativen<br />

Schleifen in die Umsetzung zu bringen.<br />

Milena Rottensteiner, Senior Consultant<br />

bei zeb und Co-Autorin der Studie, bemerkt:<br />

„Die Hälfte der Versicherer setzt<br />

KI-Ansätze noch nicht einmal in Pilotprojekten<br />

um. Dabei wird das ungenutzte<br />

Potenzial der (Kunden-)Daten insbesondere<br />

im Hinblick auf die niedrigen Automatisierungsgrade<br />

an der Kundenschnittstelle<br />

deutlich. Automatisierte, datengetriebene<br />

Entscheidungen gibt es maximal in einigen<br />

wenigen, ausgewählten Unternehmensbereichen.<br />

End-to-End Automatisierung aller<br />

Basisprozesse bleibt Zukunftsszenario.“<br />

Kunden zeigen insgesamt mit Blick auf<br />

das aktuelle Versicherungserlebnis eher<br />

Indifferenz und haben gleichzeitig Appetit<br />

auf mehrwertstiftende digitale Versicherungslösungen.<br />

Versicherer haben somit<br />

nach wie vor die Chance, sich durch ein<br />

schnelleres, konsequenteres Vorantreiben<br />

digitaler Produkte und Services vom<br />

Wettbewerb abzuheben. Dabei kann der<br />

Schritt über die Optimierung und Verzahnung<br />

bestehender Kanäle und den<br />

Ausbau automatisierter, datengetriebener<br />

Entscheidungen an der Kundenschnittstelle<br />

nicht „übersprungen“ werden. Versicherer<br />

müssen in ihrem Kerngeschäft digitaler<br />

werden.<br />

Autor: www.zeb.de<br />

Digitale Plattformen:<br />

Jeder fünfte Finanzdienstleister möchte<br />

mit Wettbewerbern kooperieren<br />

Finanzdienstleister in Deutschland<br />

wollen beim Aufbau digitaler Plattformen<br />

mehr mit- als gegeneinander<br />

arbeiten. 77 Prozent der Entscheider<br />

von Banken und Versicherern zeigen sich<br />

grundsätzlich offen für Kooperationen<br />

mit Konkurrenten. 20 Prozent arbeiten<br />

bei Plattforminitiativen bevorzugt mit direkten<br />

Wettbewerbern zusammen, 42<br />

Prozent mit anderen Finanzdienstleistern.<br />

Das zeigt die Studie „Potenzialanalyse Digitale<br />

Plattformen“ von Sopra Steria Consulting,<br />

für die 355 Entscheider und Fachspezialisten<br />

aus verschiedenen Branchen<br />

befragt wurden.<br />

Banken und Versicherer in Deutschland<br />

hat das Plattformfieber gepackt. Nahezu<br />

die Hälfte (42 Prozent) der Finanzdienstleister<br />

ist als Initiator an einer digitalen<br />

Plattform beteiligt. 66 Prozent sind Nutzer<br />

einer Plattform, beispielsweise von Vergleichsportalen<br />

als Vertriebskanal. Damit<br />

ist keine andere Branche so aktiv in der<br />

Plattformökonomie wie die der Banken<br />

und Versicherer. Die Aktivitäten zeigen,<br />

wie stark sich die beiden klassischen<br />

Finanzdienstleistungszweige in Richtung<br />

Digitalunternehmen verändern. Für zwei<br />

von drei Managern aus dem Finanzsektor<br />

sind Plattformen und Ökosysteme das<br />

beherrschende Thema. Zum Vergleich: 16<br />

Prozent der befragten Entscheider aus der<br />

34 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


DIGITALISIERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Quelle: © Sergey Nivens - AdobeStock.com<br />

Industrie stufen Plattformaktivitäten als<br />

hochwichtig ein.<br />

Banken und Versicherer setzen bei ihren<br />

Aktivitäten auf Kooperationen. Der Grund:<br />

Für 83 Prozent der befragten Entscheider der<br />

beiden Finanzbranchen sind die Herausforderungen<br />

der Digitalisierung so komplex,<br />

dass Unternehmen sie nicht mehr allein<br />

bewältigen können, sondern nur noch im<br />

Verbund mit anderen. Fast genauso viele<br />

(80 Prozent) sehen zudem einen Trend hin<br />

zu Komplettlösungen aus einer Hand mit<br />

Angeboten weiterer Unternehmen.<br />

42 Prozent der Befragten betrachten dabei<br />

auch andere Finanzdienstleister als bevorzugte<br />

Partner, 20 Prozent sogar ihre<br />

direkten Wettbewerber. Sparkassen<br />

sowie Genossenschaftsbanken arbeiten<br />

beispielsweise bei der Identitätsplattform<br />

Yes zusammen, einer Art Generalschlüssel<br />

für Kunden zu anderen Onlinedienstleistern.<br />

Die Deutsche Bank bindet auf ihrer<br />

Plattform Zinsmarkt auch Produkte anderer<br />

Institute an. „Dieser Trend zu Coopetition,<br />

also die Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern,<br />

ist kein Altruismus, sondern die<br />

klare strategische Erkenntnis, dass sich<br />

Marktanteile und Marktmacht auf Dauer<br />

gegenüber Google, Apple, Facebook und<br />

Amazon (GAFA) nur dann erzielen und halten<br />

lassen, wenn Unternehmen über ihren<br />

Schatten springen und bis dato für unverrückbar<br />

geltende Grenzen überschreiten“,<br />

sagt Simon Oberle, Leiter Future Management<br />

Consulting von Sopra Steria NEXT.<br />

Lieber junge Start-ups als etablierte<br />

Tech-Unternehmen<br />

58 Prozent der befragten Entscheider<br />

der Finanzbranche halten darüber hinaus<br />

Fintechs und Insurtechs für geeignete<br />

Partner oder Kandidaten für Beteiligungen.<br />

Dagegen wollen nur 22 Prozent<br />

mit den GAFA kooperieren, 14 Prozent<br />

mit anderen großen IT-Firmen. Versicherer<br />

Ergo arbeitet beispielsweise mit dem<br />

IT-Konzern IBM zusammen, um Teile des<br />

Lebensversicherungsbestands auf eine<br />

separate Plattform zu übertragen, um<br />

sie effizienter managen zu können. Eine<br />

strategische Option ist, künftig auch Verträge<br />

anderer Versicherer gegen Gebühr<br />

in die Plattform zu integrieren.<br />

Das starke Engagement der Finanzdienstleister,<br />

eigene Plattformen zu etablieren<br />

und dabei auch mit Konkurrenten und<br />

branchenfremden Unternehmen zusammenzuarbeiten,<br />

kommt nicht von ungefähr:<br />

Drei von vier Bank- oder Versicherungsentscheidern<br />

sehen das eigene<br />

Geschäft durch bestehende digitale Plattformen<br />

bedroht. Ihre zentrale Sorge ist<br />

die Abhängigkeit von den Betreibern, vor<br />

allem von Nischenplattformen der eigenen<br />

Branche, den großen Tech-Konzernen sowie<br />

von Vergleichsportalen. Dazu kommen<br />

der drohende Preiskampf und mögliche<br />

Margeneinbußen, die mit einer Teilnahme<br />

an fremden Plattformen verbunden sind.<br />

Autor: www.soprasteria.de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

35


FinanzBusinessMagazin I DIGITALISIERUNG<br />

Digitalisierung:<br />

Banken und Versicherer rechnen mit<br />

den meisten Jobeinbußen<br />

67 Prozent der Entscheider in Finanzdienstleistungsunternehmen<br />

schätzen,<br />

dass durch die Digitalisierung die Zahl<br />

der Arbeitsplätze im eigenen Unternehmen<br />

langfristig sinken wird. Damit sind<br />

die Sorgen vor einem Netto-Jobabbau bei<br />

Banken und Versicherern deutlich größer<br />

als in anderen Branchen. In der verarbeitenden<br />

Industrie erwartet nur jeder vierte<br />

Entscheider unter dem Strich einen Wegfall<br />

von Arbeitsplätzen, bei Energieversorgern<br />

sowie in Behörden ist es jeder dritte. Das<br />

ergeben drei Branchen- und Digitalisierungsstudien<br />

von Sopra Steria Consulting.<br />

Der Finanzsektor ist stärker als andere<br />

Branchen von einer Automatisierungswelle<br />

durch neue Technologien wie Robotic Process<br />

Automation, Blockchain, Data Analytics und<br />

Künstliche Intelligenz betroffen. Für fast jeden<br />

zweiten Bankmanager (48 Prozent) ist<br />

die IT-gestützte Automatisierung die<br />

Kostensenkungsmaßnahme Nummer eins,<br />

um Einnahmeneinbrüche durch Niedrigzins<br />

und Regulierung aufzufangen. Dazu kommt<br />

der Druck der Kunden. Nach Ansicht von<br />

zwei Dritteln der Entscheider von Versicherern<br />

wird die Nachfrage nach vollautomatisierten,<br />

digitalen Beratungsangeboten<br />

steigen. 60 Prozent wollen das Direktgeschäft<br />

über Online-Kanäle im Massengeschäft<br />

ausweiten. Versicherer Ergo plant<br />

beispielsweise perspektivisch, verstärkt Policen<br />

über Sprachassistenten zu verkaufen.<br />

„Es besteht ein riesiger Automatisierungsbedarf.<br />

Bei Kontoeröffnungen oder der<br />

Regulierung von Standart-Blechschäden<br />

übernehmen nach dem Ausfüllen des<br />

Online-Formulars durch den Kunden meist<br />

Sachbearbeiter manuelle Prozessschritte“,<br />

sagt Simon Oberle, Leiter Future Management<br />

Consulting bei Sopra Steria NEXT.<br />

Andere Branchen wie die Industrie sind<br />

bereits stärker automatisiert. In Fabrikhallen<br />

gibt es längst Fertigungsprozesse, die<br />

komplett von Montage- oder Schweißrobotern<br />

übernommen werden. 63 Prozent<br />

der Manager im verarbeitenden Gewerbe<br />

stellen sich zwar auf veränderte Aufgaben<br />

ein, rechnen jedoch im Zuge des Umbaus<br />

in Richtung Industrie 4.0 nicht mit weniger<br />

Beschäftigten insgesamt.<br />

Jobprofile werden<br />

sich drastisch ändern<br />

Quelle: © Blue Planet Studio - Fotolia.com<br />

In der Finanzbranche ist die Mehrheit<br />

skeptischer: Das enorme Automatisierungspotenzial<br />

im Finanzsektor geht stark<br />

zu Lasten der Bankberater, Versicherungsvermittler<br />

sowie der Mitarbeiter im Backoffice.<br />

Im Privatkundengeschäft lohnt sich<br />

die persönliche Anlageberatung erst ab einer<br />

gewissen Summe, die Zahlen der bei den<br />

Handelskammern eingetragenen Versicherungsvermittler<br />

sind rückläufig. Die<br />

gut geschulten Spezialisten weichen auf<br />

das beratungsintensive Geschäft wie Private<br />

Banking und Betriebsversicherungen aus.<br />

Insgesamt herrscht die Sorge, dass unter<br />

dem Strich mehr Tätigkeiten wegfallen als<br />

neue hinzukommen werden. Jobabbau-<br />

Programme der Konzerne, teilweise im<br />

vierstelligen Bereich, fördern die Bedenken.<br />

Dagegen steigt der Bedarf an neuen Fachkräften<br />

im Finanzsektor an anderen<br />

Stellen signifikant, vor allem für IT-Jobs.<br />

Banken und Versicherer investieren in den<br />

kommenden Jahren Milliardenbeträge in<br />

36 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


DIGITALISIERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

den digitalen Umbau und gründen dafür<br />

Digitallabore und eigene Softwarefirmen.<br />

In denen entwickeln hunderte Mitarbeiter<br />

nicht nur Apps für Schadensmeldungen<br />

und die automatisierte Kreditvergabe. Sie<br />

arbeiten zudem an datengetriebenen Vertriebsansätzen<br />

für mehr Wachstum. Jeder<br />

zweite Finanzdienstleister hat in Teilbereichen<br />

bereits digitale Geschäftsmodelle<br />

entwickelt, unter anderem als Plattform,<br />

an der andere Unternehmen gegen Gebühr<br />

andocken können.<br />

Masterpläne<br />

für personellen Umbau fehlen<br />

Für jedes zweite Kreditinstitut ist die Mitarbeitergewinnung<br />

und -qualifizierung für<br />

die Bankarbeit der Zukunft eine große<br />

Herausforderung. „Die langfristigen Auswirkungen<br />

auf den Mitarbeiterbestand<br />

durch die Automatisierung und den Einsatz<br />

Künstlicher Intelligenz werden häufig noch<br />

deutlich unterschätzt. Vielfach fehlen Masterpläne<br />

für eine geordnete Übergangsphase.<br />

Die Jobprofile für Bankangestellte<br />

müssen angepasst werden. Deutlich mehr<br />

Mitarbeiter müssen künftig gestalten und<br />

nicht nur ausführen“, sagt Simon Oberle:<br />

Er rät Unternehmen, frühzeitig in Kompetenzbildung<br />

und Talentmanagement zu<br />

investieren. „Das Banking der Zukunft<br />

erfordert es, auf permanente Veränderungen<br />

reagieren zu können. Kreative,<br />

konzeptionelle und analytische Fähigkeiten<br />

rücken in den Vordergrund“, so<br />

Oberle.<br />

Autor: www.soprasteria.de<br />

Digitalisierung in der<br />

deutschen Industrieversicherung<br />

Die Firmen- und Industrieversicherung<br />

ist für viele Versicherungsgesellschaften<br />

in Deutschland ein<br />

wichtiges und für viele sogar das strategisch<br />

bedeutendste Wachstumsfeld mit<br />

langfristig großem Profitabilitätspotenzial.<br />

Daher legen wir in dieser Studie „State of<br />

Play“ den Schwerpunkt bewusst auf die<br />

Digitalisierung dieses Marktsegmentes.<br />

Die Branche ist mittlerweile in der digitalen<br />

Realität angekommen: Allen ist<br />

klar, dass es ohne Digitalisierung in Zukunft<br />

nicht geht. Die Hälfte der befragten<br />

Unternehmen ist der Auffassung, dass<br />

Digitalisierung ein wesentliches Element<br />

zur Differenzierung am Markt ist – 2017<br />

war es lediglich ein knappes Drittel (32<br />

%).* Zugleich ist allen auch bewusster,<br />

dass eine zu breit angelegte Digitalisierung<br />

zu komplex und langwierig ist und<br />

eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie<br />

klar und präzise sein muss.<br />

Diese Studie destilliert fünf Kernerkenntnisse<br />

aus unserer Analyse, die Gemeinsamkeiten,<br />

aber vor allem Unterschiede<br />

zwischen den von uns identifizierten<br />

Gruppen „multinationale Spezialisten“<br />

und „regionale Generalisten“ herausarbeitet:<br />

Beide Gruppen forcieren die Digitalisierung,<br />

aber an unterschiedlichen Stellen ihrer<br />

Wertschöpfungskette.<br />

Multinationale Spezialisten fokussieren<br />

sich auf digitale Kompetenzen im Bereich<br />

der Analytik (Systems of Intelligence),<br />

wohingegen regionale Generalisten sehr<br />

viel stärker eine Digitalisierung der Prozesse<br />

und der Infrastruktur vorantreiben (Systems<br />

of Record).<br />

Regionale Generalisten und multinationale<br />

Spezialisten sehen große Potenziale im<br />

Einsatz der Basistechnologien in den einzelnen<br />

Sparten, aber in verschiedenen.<br />

Die multinationalen Spezialisten erkennen<br />

die größten Potenziale in Haftpflicht und<br />

Financial Lines, die regionalen Generalisten<br />

insbesondere in der Sachversicherung.<br />

Alle Unternehmen am Markt haben digitale<br />

Schnittstellen zu Kunden und Maklern<br />

weiter ausgebaut. Aber regionale Gene-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

37


FinanzBusinessMagazin I DIGITALISIERUNG<br />

ralisten sind hierbei bereits weiter in der<br />

Entwicklung und auf die Schnittstellen in<br />

„Service“ und „Schaden“ konzentriert.<br />

Multinationale Spezialisten treiben die<br />

Digitalisierung institutionell insbesondere<br />

durch Zusammenarbeit mit Kunden und<br />

Maklern voran. Sie haben schon umfangreicher<br />

in digitalisierungsfördernde<br />

Organisationsstrukturen investiert als<br />

regionale Generalisten, die primär auf<br />

Kooperationen mit Start-ups setzen.<br />

Über alle Erkenntnisse und Auswertungsparameter<br />

hinweg erkennen wir in<br />

unserer Studie bestimmte Muster und<br />

Schwerpunkte, wie sich die Versicherungsunternehmen<br />

grundsätzlich hinsichtlich<br />

ihrer Digitalisierung im Markt<br />

aufstellen. Wir haben diese Muster in fünf<br />

Archetypen von Digitalstrategien kondensiert:<br />

Die größte Fraktion dieser Typen<br />

sind mit gut 40 % der Unternehmen im<br />

Markt die „Optimierer“, die Digitalisierung<br />

primär zur Steigerung der Effizienz<br />

und Effektivität einsetzen. Dabei legt die<br />

überwältigende Mehrheit den Schwerpunkt<br />

ganz klar auf Effizienzsteigerungen; nur<br />

wenige dieser Optimierer konzentrieren<br />

sich auf die Steigerung ihrer Effektivität.<br />

Alle weiteren Industrieversicherer verteilen<br />

sich auf die vier anderen Archetypen, vom<br />

„Digitalen Pionier“ bis zum „Abwarter“.<br />

Autor: www.marsh.com/de<br />

Finanzsektor 4.0:<br />

Die Zukunft von Banken und Versicherungen<br />

wird mit Mut gemacht … und mit Daten<br />

Zehn Jahre nach Beginn der Finanzkrise<br />

stellen die digitale Transformation,<br />

neue Marktteilnehmer und<br />

Geschäftsmodelle sowie veränderte wirtschaftliche<br />

und politische Rahmenbedingungen<br />

die Finanzbranche weiterhin vor<br />

große Herausforderungen. Um über etablierte<br />

Strukturen des Finanzsektors hinaus<br />

zu denken und Antworten auf die Herausforderungen<br />

auf dem Weg zum Finanzsektor<br />

4.0 zu finden, haben sich rund 250<br />

Experten zum zweiten Financial Services<br />

Summit der Management- und Technologieberatung<br />

BearingPoint in Frankfurt am<br />

Main getroffen.<br />

Quelle: © Nattanan Kanchanaprat - pixabay.com<br />

„Wir glauben, es wäre sinnvoll, wenn<br />

sich der Finanzsektor etwas mehr an den<br />

Konzepten und Vorgehensweisen orientieren<br />

würde, die in der Industrie sehr<br />

erfolgreich im Einsatz sind“, sagte Dr.<br />

Robert Wagner, Leiter Financial Services<br />

bei BearingPoint, in seiner Eröffnungsrede.<br />

„Sparen alleine wird die Herausforderungen<br />

nicht lösen. Vielmehr müssen<br />

Innovation und der Mut, neue Wege<br />

zu beschreiten, an Stelle der schlichten<br />

Verbesserung bestehender Verfahren<br />

treten. Die Start-Ups wirken dabei als<br />

Katalysator und zeigen der Branche auf,<br />

was alles möglich ist.”<br />

Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands<br />

der Deutschen Bundesbank a.D.,<br />

zeichnete vor diesem Hintergrund beispielhaft<br />

fünf mögliche Szenarien für die<br />

Bankenbranche: die „bessere“ Bank, die<br />

„neue“ Bank, die „fragmentierte“ Bank, die<br />

„unsichtbare“ Bank und die Disintermediation.<br />

„Ausgangspunkt für die Entwicklung<br />

werden die Kundenbedürfnisse sein.<br />

Im zweiten Schritt ist die Reaktion der<br />

Finanzdienstleister auf diese Bedürfnisse<br />

entscheidend. Kooperationen und Fusionen<br />

38 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


DIGITALISIERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Quelle: © MIND AND I - AdobeStock.com<br />

können dabei eine wichtige Rolle spielen,<br />

indem sie die Effizienz erhöhen und Veränderungsprozesse<br />

beschleunigen“, so Dr.<br />

Dombret.<br />

Im PowerTalk wurde über die Rolle von<br />

FinTechs und InsurTechs diskutiert. Welche<br />

neuen Geschäftsmodelle sind bereits in<br />

der Anwendung und wie disruptiv verändern<br />

neue Player die Branche? „Für uns ist es<br />

nicht relevant, eine komplette Bank eins zu<br />

eins nachzubauen“, erklärte Markus Gunter,<br />

CEO der N26 Bank. „Disruptiv zu sein heißt<br />

für uns, die Kundenbeziehung über Design<br />

und Technik für das Smartphone neu zu<br />

definieren und damit Bankfilialen obsolet<br />

zu machen.“ Dr. Christian Macht, Generalbevollmächtigter<br />

ELEMENT Insurance, erläuterte<br />

die Vorteile der Verringerung der<br />

Wertschöpfungstiefe für die Versicherungsbranche.<br />

„Mit der Auslagerung von Teilprozessen<br />

können Versicherer rascher und effizienter<br />

auf Marktbedürfnisse reagieren”, so<br />

Dr. Macht.<br />

Gemeinsam mit den beiden Start-Up<br />

Vertretern diskutierten danach im Plenum<br />

noch Dr. Joachim von Schorlemer, Mitglied<br />

des Vorstands ING Deutschland, sowie<br />

Volker Steck, Vorstandsvorsitzender<br />

und CEO Helvetia Deutschland. „Wir haben<br />

bei uns alles konsequent auf die Kundenbedürfnisse<br />

ausgerichtet und dabei selbstverständlich<br />

auch unsere interne Organisation<br />

entsprechend aufgestellt”, so Dr.<br />

von Schorlemer auf die Frage zur Umsetzung<br />

der Digitalisierung in seinem<br />

Institut. Volker Steck resümierte: „Entscheidend<br />

ist, das Richtige für sich und<br />

seine Kunden aus der Digitalisierung<br />

herauszuholen.“<br />

Europäischer Finanzmarkt:<br />

Der Brexit als Zäsur<br />

Die Teilnehmer des Summits setzten sich<br />

auch mit politischen Rahmenbedingungen<br />

auseinander: Sie sprachen über aktuelle<br />

Entwicklungen wie den Brexit und die<br />

damit einhergehenden Auswirkungen auf<br />

die Banken- und Versicherungsbranche:<br />

„Es wäre naiv, zu verneinen, dass der Brexit<br />

die Finanzmärkte verändern wird. Daher<br />

muss die EU Antworten auf die Frage nach<br />

dem künftigen Profil des Finanzmarktes<br />

der EU 27 finden“, sagte Dr. Andreas<br />

Dombret.<br />

Erfolgsgeschichten<br />

und Erfahrungswerte aus der Praxis<br />

Zu den Schwerpunktthemen des Events<br />

zählte außerdem die Bedeutung zukunftsweisender<br />

Technologien wie Data & Analytics,<br />

Blockchain oder Robotics. Denn durch<br />

den Einsatz dieser innovativen Anwendungen<br />

ergeben sich neue Möglichkeiten<br />

für Banken und Versicherungen – aber auch<br />

bisher unbekannte Herausforderungen.<br />

Wie der Einsatz unterschiedlichster Technologien<br />

schon heute neue Geschäftsfelder<br />

eröffnet, erfuhren die Teilnehmer beim<br />

Financial Services Marketplace. Bearing-<br />

Point-Experten und Kooperationspartner<br />

stellten anhand konkreter Use Cases Möglichkeiten<br />

und Chancen des Transformationsprozesses<br />

vor und diskutierten mit den<br />

Anwesenden, welche Schlussfolgerungen<br />

sie daraus für ihre eigene Unternehmensstrategien<br />

ziehen können.<br />

Autor: www.bearingpoint.com<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

39


FinanzBusinessMagazin I DIGITALISIERUNG<br />

Zusatzangebote im Internet sichern<br />

Zukunft von Versicherungen<br />

Branchen-Studie: Versicherungen<br />

müssen sich zu digitalen Plattformbetreibern<br />

entwickeln. „Nur wer<br />

Drittanbieter ins Boot holt, kann gegen<br />

innovative InsurTechs und die großen Player<br />

wie Google und Amazon bestehen“, sagt<br />

Matthias Höhne, globaler Leiter Insurance<br />

bei BearingPoint. Ein aktuelles Paper der<br />

Management- und Technologieberatung<br />

zeigt, wie Versicherer ein solches hybrides<br />

Geschäftsmodell in die Praxis umsetzen<br />

können.<br />

Matthias Höhne, Partner und globaler<br />

Leiter Insurance bei BearingPoint: “Versicherer<br />

müssen ihre Kundenbeziehungen<br />

personalisieren und sich als Anbieter<br />

eines digitalen Netzwerks positionieren,<br />

um wettbewerbsfähig zu bleiben. Versicherungen,<br />

die jetzt nicht digital umdenken,<br />

werden in zehn Jahren vom Markt<br />

verschwunden sein. Nur wer Drittanbieter<br />

ins Boot holt, kann gegen innovative<br />

InsurTechs und die großen Player wie<br />

Google und Amazon bestehen.“<br />

Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis gibt<br />

es schon jetzt: So hat zum Beispiel die<br />

Versicherungsgruppe HUK-COBURG ein<br />

Netz aus Autowerkstätten aufgebaut, über<br />

das Kunden Unfallreparaturen oder Reifenwechsel<br />

buchen können. Die My Health<br />

App der Allianz unterstützt unter anderem<br />

bei der Krankenhaussuche. Schlüssel zum<br />

Erfolg ist jeweils ein hybrides Geschäftsmodell<br />

der Versicherer.<br />

Als Plattformbetreiber<br />

Services bündeln<br />

Grundsatz eines solchen Hybridmodells<br />

ist die Kombination aus traditionellem Geschäft<br />

der Versicherungen und dem eines<br />

digitalen Plattformanbieters. Die Plattform<br />

vermittelt dabei Versicherungs- und Nichtversicherungsprodukte<br />

gleichermaßen.<br />

Solche Produkte können beispielsweise<br />

eine Gesundheitsberatung über Chats,<br />

Quelle: © pixabay.com<br />

die Lieferung von Medikamenten oder der<br />

Zugriff auf eine digitale Gesundheitsakte<br />

sein. Plattformen im Internet haben dabei<br />

den großen Vorteil, dass sich die Angebote<br />

mit den Daten der Nutzer personalisieren<br />

lassen.<br />

Giovanni Zucchelli, Partner bei Bearing-<br />

Point:“ Ziel sollte es sein, das Geschäftsmodell<br />

von einer linearen Wertschöpfungskette<br />

hin zu einem Sternenmodell<br />

zu transformieren, das den Kunden in den<br />

Mittelpunkt stellt. Dazu müssen Versicherungen<br />

radikal umstrukturieren und auf<br />

Technologien wie künstliche Intelligenz<br />

setzen. Wer sich jetzt nicht neu erfindet,<br />

ist in der digitalen Welt chancenlos.“<br />

Vorbild könnte eine Anwendung aus China<br />

sein: Die Versicherungsgesellschaft Ping<br />

An bietet hier die digitale Gesundheitsplattform<br />

„Good Doctor” an. Gemeinsam<br />

mit mehr als 14.000 Partnern wie Krankenhäusern<br />

oder Apotheken hat Ping An<br />

ein Gesundheitsökosystem aufgebaut.<br />

Über die Plattform lassen sich zum Beispiel<br />

Arzttermine buchen. Schon jetzt hat<br />

das Angebot über 200 Millionen Nutzer.<br />

Autor: www.bearingpoint.com<br />

40 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


DIGITALISIERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Finanzsektor setzt<br />

auf Robotic Process Automation<br />

Die Mehrheit der Banken und Versicherer<br />

in Deutschland, Österreich<br />

und der Schweiz (DACH) hat laut<br />

einer Studie von zeb die Bedeutung von<br />

Robotic Process Automation (RPA) für die<br />

Digitalisierung der eigenen Geschäftsmodelle<br />

erkannt. RPA-Software ermöglicht<br />

es, menschliches Verhalten nachzuahmen<br />

und regelbasierte Geschäftsprozesse zu<br />

automatisieren. Die erfolgreiche Anwendung<br />

von RPA kann den Grundstein für<br />

den Einsatz weiterer Technologien wie<br />

künstlicher Intelligenz (KI) im Finanzsektor<br />

bilden.<br />

Im Detail beschäftigen sich aktuell rund<br />

64 % der Unternehmen aktiv mit dieser<br />

Technologie, und ca. 53 % der Banken<br />

und Versicherer in der DACH-Region<br />

haben bereits Prozesse mithilfe von RPA<br />

erfolgreich umgesetzt. Mit dem Einsatz<br />

von RPA verfolgen die Studienteilnehmer<br />

hauptsächlich Effizienz- und Qualitätsziele<br />

wie beispielsweise die Schaffung von<br />

Freiraum für wertstiftende Tätigkeiten,<br />

die Erhöhung der Bearbeitungsgeschwindigkeit<br />

oder die Vermeidung von Fehlern.<br />

Hauptanwendungsbereich der Technologie<br />

ist bisher das Backoffice, wobei die<br />

Autoren der Studie ausführen, dass Robotic<br />

Process Automation daneben auch in<br />

weiteren Funktionsbereichen wie in der<br />

IT, dem Rechnungswesen oder im Vertrieb<br />

Effizienz- und Qualitätsgewinne ermöglichen<br />

kann. So sind 64 % der Befragten<br />

der Überzeugung, dass RPA kein Hype,<br />

sondern eine nachhaltige Zukunftstechnologie<br />

ist, deren weitere Implementierung<br />

binnen 18 Monaten geplant ist. Ebenfalls<br />

64 % der Befragten gehen davon<br />

aus, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz<br />

als nächste technologische Entwicklungsstufe<br />

folgen wird und planen diesbezügliche<br />

Umsetzungen in den nächsten<br />

anderthalb Jahren.<br />

Christian Peltzer, Manager bei zeb, führt<br />

aus: „Unsere Studie zeigt, Robotic Process<br />

Automation ist ein geeignetes Instrument<br />

zur Automatisierung von Geschäftsprozessen<br />

im Finanzsektor. Banken und<br />

Versicherer haben das Potenzial von RPA<br />

mehrheitlich erkannt, und erfolgreiche Institute<br />

zeigen, dass Effizienzvorteile tatsächlich<br />

auch realisiert werden können. Aus<br />

unserer Sicht fehlt es allerdings in weiten<br />

Teilen an einer geeigneten Governance,<br />

um das volle Effizienzpotenzial von RPA zu<br />

heben.“<br />

Autor: www.zeb.de<br />

Quelle: © Sikov - AdobeStock.com<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

41


FinanzBusinessMagazin I INSURETECHS<br />

Branchenkompass Insurance 2019:<br />

Versicherer und Makler<br />

meiden Insurtechs<br />

60 Prozent der Entscheider von Versicherern<br />

und Maklern in Deutschland sehen keinen<br />

großen strategischen Nutzen darin, mit<br />

Insurtechs zusammenzuarbeiten. Anders<br />

als bei Banken halten sich Kooperationen<br />

und Beteiligungen in Grenzen. Ein Grund:<br />

Deutlich weniger Versicherer betrachten<br />

digitale Versicherer und Vermittler als<br />

ernste Bedrohung für das eigene Geschäft.<br />

Die meisten setzen auf eigene Digitalisierungsmaßnahmen.<br />

Das ergibt die Studie<br />

„Branchenkompass Insurance 2019“ von<br />

Sopra Steria Consulting.<br />

Die weltweiten Investitionen in Insurtechs<br />

steigen signifikant. Viele deutsche Startups<br />

erhalten die zweite oder dritte Finanzierung<br />

– ein Indiz dafür, dass die Geschäftsmodelle<br />

gereift sind und sich nun<br />

skalieren lassen. Viele Versicherer und<br />

Makler bleiben dennoch gelassen und auf<br />

Abstand. Jeder fünfte Versicherungsentscheider<br />

sieht den Wettbewerb mit Insurtechs<br />

als sehr große Herausforderung an.<br />

Themen wie Datenschutz, die Digitalisierung<br />

der eigenen Geschäftsprozesse, dauerhaft<br />

niedrige Zinsen und die vielen Regulierungen<br />

stehen deutlich weiter oben auf<br />

der Agenda der Vorstände. Dazu kommt,<br />

dass die Versicherer selbst digital nachziehen,<br />

beispielsweise indem sie IT-Systeme in<br />

Cloud-Lösungen überführen, eigene Apps<br />

entwickeln und in Online-Kundenportale<br />

investieren. Versicherer Ergo beispielsweise<br />

hatte im Mai 2017 die IT-Gesellschaft<br />

Ergo Digital IT gegründet. Ziel ist, sich<br />

gegenüber neuen Wettbewerbern aus eigener<br />

Kraft zu behaupten.<br />

Das zeigt: Die Branche nimmt das digitale<br />

Heft mittlerweile selbst in die Hand. Nur<br />

acht Prozent der befragten Versicherer und<br />

Makler haben externe Insurtech-Lösungen<br />

bei sich integriert, 28 Prozent haben es<br />

vor. Andere Unternehmen sind stark mit<br />

sich selbst beschäftigt und nicht ausreichend<br />

auf Partnerschaften vorbereitet. „Es<br />

gibt noch einige Versicherer, die bei ihren<br />

Quelle: © Rawpixel - Fotolia.com<br />

internen Hausaufgaben derart hinterherhinken,<br />

dass sie gar nicht mit Insurtechs<br />

kooperieren können. Es fehlen schlicht die<br />

technischen, organisatorischen und kulturellen<br />

Voraussetzungen“, sagt Christian<br />

Diemaier, Leiter des Geschäftsbereichs<br />

Insurance von Sopra Steria Consulting.<br />

Zudem halten sich die Kundenzahlen jedes<br />

Insurtechs für sich genommen noch so<br />

weit in Grenzen, dass sie derzeit von den<br />

Traditionsunternehmen nicht als Gefahr<br />

wahrgenommen werden und nur punktuell<br />

als mögliche Partner oder Übernahmekandidaten<br />

in Betracht kommen.<br />

Die Makler und Vermittler halten sich mit<br />

Kooperationen ebenfalls zurück. 24 Prozent<br />

streben eine Insurtech-Kooperation an.<br />

Über Makler läuft ein Großteil des Geschäfts,<br />

und sie bevorzugen derzeit lieber die Geschäftsbeziehungen,<br />

die sie über Jahre<br />

hinweg aufgebaut haben. „Makler wissen,<br />

was sie an der Zusammenarbeit mit den<br />

bewährten Partnern haben. Sie werden<br />

nicht sofort auf das nächstbeste Pferd<br />

setzen“, so Christian Diemaier von Sopra<br />

Steria Consulting.<br />

Insurtechs unter Beobachtung,<br />

Konzerne sind aktiv<br />

Dennoch beobachten Versicherer und<br />

Makler die Insurtech-Szene genau. Die<br />

Branche nimmt wahr, dass die Zahl der<br />

Herausforderer steigt. Die reinen Online-<br />

Vertragsverwaltungsportale wie Knip und<br />

Clark entwickeln sich zu digitalen Maklern.<br />

Echte Vollversicherer mit BaFin-Lizenz<br />

formieren sich, beispielsweise Neodigi-<br />

42 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


INSURETECHS I FinanzBusinessMagazin<br />

tal und Mailo – zuletzt ist US-Versicherer<br />

Lemonade in Deutschland gestartet. Zudem<br />

besetzen Insurtechs Produktnischen,<br />

beispielsweise Getsurance mit einer<br />

Krebsversicherung sowie One Insurance<br />

oder Adam Riese mit On-demand-Versicherungen<br />

mit geringen Laufzeiten und<br />

kurzen Kündigungsfristen.<br />

Konzerne sind Insurtech-affiner<br />

Für die Versicherungskonzerne wie Allianz,<br />

Baloise, Zurich, Ergo und Münchener<br />

Rück trifft die Zurückhaltung bei der Zusammenarbeit<br />

mit Insurtechs nicht zu.<br />

Die großen Player beteiligen sich seit geraumer<br />

Zeit strategisch an Insurtechs und<br />

gründen eigene Start-ups. Im Juli hatte<br />

beispielsweise die Zurich-Versicherung die<br />

Übernahme des Insurtechs Dentolo verkündet,<br />

um sich einen leichteren Einstieg<br />

in das Zahnzusatzgeschäft zu verschaffen.<br />

Viele digitale Assekuranz-Neulinge suchen<br />

ihrerseits die Nähe der Versicherer. Für sie<br />

ist der Zugang zu den Kunden der Versicherer<br />

und Vermittler entscheidend, da<br />

sie allein durch Marketing nicht genügend<br />

Kunden gewinnen können. Verbrauchern<br />

sind die vielen kleinen Versicherungsneulinge<br />

unbekannt. Das stellte das Rostocker<br />

Start-up Hepster mit einer eigenen Umfrage<br />

fest.<br />

Angst vor Abhängigkeit<br />

Ambivalent ist für viele Versicherer zudem<br />

das Verhältnis zu Vergleichsplattformen<br />

und Nischenplattformen aus der Branche.<br />

Hier befürchten oder erleben Versicherungsunternehmen<br />

bereits, dass ihnen der<br />

Draht zu ihren Kunden abhandenkommt<br />

und sie zu reinen Lieferanten degradiert<br />

werden. 74 Prozent der Finanzdienstleister<br />

sorgen sich um ihre Unabhängigkeit.<br />

83 Prozent sehen Nischenplattformen als<br />

Hauptbedrohung, 44 Prozent Vergleichsplattformen<br />

wie Verivox und Check24, so<br />

die Studie „Potenzialanalyse Digitale Plattformen“<br />

von Sopra Steria Consulting.<br />

Autor: www.soprasteria.de<br />

InsurTech:<br />

Investitionen bleiben auf Rekordniveau<br />

Die weltweiten Investitionen in Insurtech-Unternehmen<br />

bewegen<br />

sich weiter auf dem hohen Niveau<br />

der vergangenen Quartale. Mit 1,41 Milliarden<br />

US-Dollar weltweit überstiegen die<br />

Kapitalanlagen auch im zweiten Quartal<br />

2019 die Marke von einer Milliarde US-<br />

Dollar. Im Vergleich zum ersten Quartal<br />

2019 fiel allerdings die Anzahl der Investitionen<br />

von 85 auf 69 Transaktionen. Dies<br />

ermittelte Willis Towers Watson, eines der<br />

weltweit führenden Unternehmen in den<br />

Quelle: © Photo Mix - pixabay.com<br />

Bereichen Advisory, Broking und Solutions,<br />

in seinem InsurTech Briefing Q2/2019.<br />

„Bemerkenswert ist die Höhe der Investitionen.<br />

Wir haben weltweit vier Investments<br />

von mehr als 100 Millionen US-Dollar gesehen”,<br />

sagt Michael Klüttgens, Leiter der<br />

Versicherungsberatung bei Willis Towers<br />

Watson in Deutschland.<br />

Insurtechs werden erwachsen –<br />

Branche deutlich gereift<br />

Der Rückgang der Transaktionsanzahl<br />

ist im Wesentlichen auf die Verringerung<br />

der Erstfinanzierungen (Early Stage, d.h.<br />

Seed und Series-A-Finanzierungen) zurückzuführen,<br />

die im vergangenen Quartal<br />

mit einem Anteil von zehn Prozent (147<br />

Millionen US-Dollar) am Gesamtvolumen<br />

auf den niedrigsten Stand seit Q3/2017<br />

gefallen sind. Gleichzeitig konnte ein deutlicher<br />

Anstieg von Later-stage-Investitionen<br />

verzeichnet werden, welche üblicher-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

43


FinanzBusinessMagazin I CYBERVERSICHERUNG<br />

weise deutlich größer ausfallen als die der<br />

ersten Finanzierungsrunden. „Wir sehen<br />

einen sich weiter fortsetzenden Trend zu<br />

späten Finanzierungsrunden, was zum<br />

Einen die zunehmende Reife der Branche,<br />

zum anderen aber auch die Bereitschaft<br />

von Investoren zu großen Finanzierungen<br />

unterstreicht”, sagt Niki Winter, Director<br />

und Digitalisierungsexperte bei Willis Towers<br />

Watson in Deutschland.<br />

Fokus auf Angebot und Policierung<br />

als Teil der Wertschöpfungskette<br />

Wie im ersten Quartal angekündigt,<br />

konzentriert sich das zweite Briefing dieses<br />

Jahres mit dem Thema Angebotserstellung<br />

und Policierung auf den nächsten<br />

Kernbereich der Wertschöpfungskette<br />

in Versicherungsunternehmen. „Versicherer<br />

suchen verstärkt nach Lösungen,<br />

um Angebotserstellung und Policierung<br />

zu einem automatisierten und nahtlosen<br />

Prozess zu transformieren“, so Klüttgens.<br />

„Neben Kostenvorteilen durch effizientere<br />

Prozesse steht hier insbesondere ein<br />

verbessertes Kundenerlebnis im Vordergrund,<br />

da innovative Technologien einen<br />

Abschluss nahezu in Echtzeit ermöglicht.“<br />

Im aktuellen Briefing stellt Willis Towers<br />

Watson verschiedene Insurtechs vor, die<br />

mit ihren Technologien an besagtem Teil<br />

der Wertschöpfungskette ansetzen.<br />

Darüber hinaus enthält der Bericht eine<br />

Diskussion mit John Chambers, Director of<br />

Innovation and Corporate Development<br />

bei AEGIS London, über Opal, das Angebotsund<br />

Policierungssystem von AEGIS, einen<br />

Artikel über BrovadaOne, eine Lösung,<br />

die Kommunikation zwischen Vertreter<br />

und Versicherer in Echtzeit ermöglicht<br />

und eine Analyse von PolicyBazaar, Indiens<br />

größtem Versicherungsaggregator,<br />

der kürzlich eine große Finanzierungsrunde<br />

über 152 Millionen US-Dollar abgeschlossen<br />

hat.<br />

Autor: www.willistowerswatson.com/de<br />

Zwei von fünf Unternehmen wurden<br />

zuletzt Opfer einer Cyberattacke –<br />

Angst vor künftigen Angriffen groß<br />

Cyberattacken dürften künftig weiter<br />

zunehmen: Fast jedes Unternehmen<br />

in Deutschland (97 Prozent) geht<br />

davon aus, dass die Gefahr durch Spionage<br />

oder Datenklau in Zukunft steigen wird.<br />

Zuletzt sind vor allem die größeren Unternehmen<br />

ins Visier von Cyberkriminellen<br />

geraten: 44 Prozent der Großunternehmen<br />

mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen<br />

Euro haben in den vergangenen Jahren<br />

Hinweise auf Cyberattacken erhalten.<br />

Dagegen wurden nur bei 33 Prozent der<br />

kleineren Unternehmen mit einem Umsatz<br />

von unter zehn Millionen Euro derartige<br />

Hinweise bekannt.<br />

Trotzdem schätzen 48 Prozent der Befragten<br />

das Risiko für das eigene Unternehmen,<br />

Opfer von Cyberangriffen und Datenklau<br />

Quelle: © TheDigitalWay - pixabay.com<br />

zu werden, als gering ein und 81 Prozent<br />

halten die eigenen Sicherheitsvorkehrungen<br />

für ausreichend.<br />

Meistens bleiben die Verantwortlichen unbekannt:<br />

In 55 Prozent der registrierten<br />

Fälle ließ sich der Täterkreis nicht ermitteln.<br />

In 20 Prozent der Fälle ging die Gefährdung<br />

von Hacktivisten aus, in 16 Prozent der Fälle<br />

waren die Unternehmen Zielscheibe der<br />

organisierten Kriminalität.<br />

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prü-<br />

44 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


CYBERVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

fungs- und Beratungsgesellschaft EY, für<br />

die Geschäftsführer sowie Führungskräfte<br />

aus IT-Sicherheit und Datenschutz von 453<br />

deutschen Unternehmen befragt wurden.<br />

Bodo Meseke, Partner Forensic & Integrity<br />

Services bei EY: „Die Vernetzung der<br />

Systeme und Maschinen hat in den letzten<br />

Jahren zugenommen und wird in Zukunft<br />

noch weiter ansteigen. Cyberkriminelle<br />

wittern da ihre Chance und haben leider<br />

auch immer wieder Erfolg. Unternehmen<br />

haben im Schadensfall viel zu verlieren:<br />

ihre Geschäftsgeheimnisse, ihre Kundendaten<br />

und letztendlich auch das Vertrauen<br />

ihrer Geschäftspartner und Kunden. Deswegen<br />

sollte kein Unternehmen das Risiko<br />

unterschätzen – egal ob großer Weltkonzern<br />

oder kleiner Mittelständler.“<br />

Fast ein Drittel (31 Prozent) der Attacken<br />

richtete sich gegen den Vertrieb, das<br />

Management wurde in 25 Prozent der Fälle<br />

attackiert und das Finanzwesen bzw. die<br />

Rechnungslegung in 23 Prozent.<br />

„Während Cyberkriminelle früher vor<br />

allem Produkt- oder Unternehmensinformationen<br />

im Visier hatten, haben sie in<br />

den vergangenen Jahren etwas viel Wertvolleres<br />

entdeckt: die Kundendaten“, sagt<br />

Meseke. „Deswegen werden auch gerade<br />

Großunternehmen zum Opfer ihrer Attacken,<br />

obwohl sie in der Regel besser geschützt<br />

sind. Der Schatz in Form vieler Kundendaten<br />

ist nämlich äußerst verlockend.<br />

Diese können zu hohen Preisen auf dem<br />

Schwarzmarkt oder an Wettbewerber<br />

verkauft werden.“<br />

In 73 Prozent der Unternehmen, die bereits<br />

durch Cyberattacken und Datenklau geschädigt<br />

wurden, griff das interne Kontrollsystem<br />

und deckte die kriminellen Handlungen<br />

auf. Allerdings gaben 15 Prozent der<br />

befragten Unternehmen an, dass kriminelle<br />

Handlungen nur durch Zufall aufgedeckt<br />

worden seien. Die Dunkelziffer der tatsächlich<br />

erfolgten Cyberangriffe und Datenklau<br />

dürfte demnach deutlich höher sein.<br />

Unternehmen halten Bedrohung aus<br />

China und Russland für besonders<br />

groß<br />

Vor allem aus dem Reich der Mitte ist die<br />

Bedrohung aus Sicht der Befragten groß:<br />

41 Prozent sehen ein besonders hohes<br />

Gefährdungspotenzial aus China. Erst im<br />

Juli war bekannt geworden, dass eine<br />

Gruppe namens Winnti mehrere deutsche<br />

DAX-Konzerne gehackt hat. Experten vermuten,<br />

dass die Gruppe aus China stammt.<br />

Die Gefahr aus Russland ist aus Sicht von<br />

31 Prozent der Unternehmen groß. Der<br />

Anteil derjenigen, die eine große Gefahr<br />

aus den USA sehen, ist dagegen in den<br />

vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen:<br />

von 27 Prozent im Jahr 2017 auf<br />

derzeit 14 Prozent. “Unternehmen müssen<br />

sich gegen Gefahren aus allen Richtungen<br />

absichern“, rät Jens Greiner, Associate<br />

Partner Forensic & Integrity Services bei<br />

EY. „Es wäre falsch, nur eine Region als<br />

Ausgangspunkt von Attacken zu identifizieren.<br />

Die Wahrnehmung der Bedrohung<br />

wird oft durch mediale Aufmerksamkeit<br />

beeinflusst – lenkt aber davon ab, dass<br />

auch in Ländern wie beispielsweise Nordkorea<br />

oder Iran aber auch in anderen<br />

Staaten Gruppen aktiv sind, die es auf<br />

Unternehmensdaten abgesehen haben.“<br />

34 Prozent der Unternehmen sind<br />

durch Versicherung abgesichert<br />

Rund ein Drittel der Unternehmen hat bisher<br />

noch keinen Krisenplan für ein Notfallszenario<br />

vorbereitet. Bei 58 Prozent<br />

der Unternehmen, die einen Krisenplan<br />

ausgearbeitet haben, werden dessen<br />

Abläufe mindestens einmal jährlich trainiert.<br />

18 Prozent der befragten Unternehmen<br />

gaben jedoch an, dass die Abläufe noch<br />

nie geübt worden seien. Für den Fall der<br />

Fälle ist mindestens jedes dritte Unternehmen<br />

inzwischen gegen Hackerangriffe<br />

versichert: 34 Prozent geben an, eine entsprechende<br />

Versicherung abgeschlossen<br />

zu haben.<br />

Um sich und ihre Daten abzusichern, rät<br />

Lorenz Kuhlee, Associate Partner Forensic<br />

& Integrity Services bei EY, Unternehmen<br />

zu einer umfassenden IT-Sicherheitsstrategie.<br />

Denn nach einem Angriff kann der<br />

Schaden schnell in die Millionen gehen. „Zu<br />

einer guten Sicherheitsstrategie gehören<br />

umfangreiche technische Vorkehrungen,<br />

die Erhöhung der digitalen Kompetenz der<br />

Mitarbeiter, ein Krisenreaktionsplan sowie<br />

eine funktionierende Kommunikation.<br />

Absolute Sicherheit lässt sich aber nicht<br />

herstellen. Deswegen sollten Unterneh-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

45


FinanzBusinessMagazin I CYBERVERSICHERUNG<br />

men prüfen, ob eine Versicherung gegen<br />

Cyberangriffe für sie sinnvoll sein kann.“<br />

„Jeder Vorfall – ganz gleich wie klein oder<br />

groß er ist – erfordert eine versierte und<br />

passgenaue Kommunikation“, ergänzt<br />

Greiner. „Ein Unternehmen mag Fälle von<br />

Cyberangriffen und Datenklau erfolgreich<br />

abwehren, aufklären und lösen können<br />

– wenn jedoch die Kommunikation nicht<br />

angemessen bewältigt wird, dann wird<br />

das Unternehmen ganz andere Probleme<br />

bekommen – und das Vertrauen von<br />

Partnern und Kunden verlieren.“<br />

Autor: www.ey.com/de<br />

Quelle: © Pete Linforth - pixabay.com<br />

Cyber-Studie 2019:<br />

Risikobewusstsein<br />

deutscher Unternehmen wächst<br />

Für einen Großteil der deutschen Unternehmen<br />

hat das Thema Cyber-<br />

Risikomanagement deutlich an Bedeutung<br />

gewonnen – 86 Prozent finden die<br />

Möglichkeit, Cyber-Risiken in eine eigene<br />

Versicherungs-Police zu transferieren, interessant.<br />

Dabei kennen allerdings nur 36 Prozent<br />

den Umfang einer Cyber-Versicherung,<br />

und es bestehen nach wie vor Unsicherheiten,<br />

was die Abgrenzung zu bestehenden<br />

Deckungen angeht. Das sind die Ergebnisse<br />

der „Cyber-Studie 2019“, die Willis Towers<br />

Watson unter zahlreichen Unternehmen<br />

verschiedener Branchen in Deutschland<br />

durchgeführt hat. „Die Unternehmen in<br />

Deutschland sind endlich aufgewacht und<br />

erkennen die potenziellen Gefahren durch<br />

Cyber-Angriffe“, sagt Mathias Pahl, Head<br />

of Corporate Risk and Broking bei Willis<br />

Towers Watson in Deutschland. „94 Prozent<br />

der Studienteilnehmer sehen Cyber-Risiken<br />

als relevant an. Das zeigt uns, dass Cyber-<br />

Sicherheit zunehmend zur Chefsache wird<br />

und konkrete Maßnahmen angeboten werden<br />

müssen.“ Als größte Herausforderung<br />

im Umgang mit Cyber-Risiken sehen die<br />

Teilnehmer die Risikoeinschätzung bzw.<br />

-erfassung (39 Prozent) sowie die quantitative<br />

Bewertung von Schadensszenarien<br />

(32 Prozent).<br />

Individuelles Risikoprofil ist Basis<br />

für Gefahrenminimierung<br />

„Wir empfehlen den Unternehmen, im ersten<br />

Schritt mögliche Cyber-Risiken zu identifizieren<br />

und zu quantifizieren, um im Anschluss<br />

die aufgedeckten Sicherheitslücken mit Hilfe<br />

des entsprechenden Risikoprofils adäquat<br />

abdecken zu können“, sagt Studienleiter<br />

Gerald Sonnleitner, Head of Technology,<br />

Media, Telecommunication bei Willis Towers<br />

Watson. „Das dann noch verbleibende Restrisiko<br />

kann und sollte erst abschließend in<br />

eine Cyber-Versicherung transferiert<br />

werden. So ist der Zweck einer Versicherung<br />

klar umrissen.“<br />

Auf den konkreten Fall eines Cyber-Angriffs<br />

haben sich bisher 49 Prozent der Befragten<br />

mit einem Notfall-Management-Konzept<br />

vorbereitet – das sind zehn Prozentpunkte<br />

mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der<br />

Unternehmen, die zwar noch keine Cyber-<br />

Sicherheitsstrategie besitzen, jedoch<br />

einen dringenden Bedarf sehen, ist auf<br />

49 Prozent gestiegen (2018: 41 Prozent).<br />

„Fast jedes Unternehmen hat das Gefährdungspotential<br />

durch Cyber-Angriffe erkannt,<br />

nur noch zwei Prozent unserer Studienteilnehmer<br />

sehen dieses Risiko für ihr<br />

46 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


CYBERVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Unternehmen nicht“, so Sonnleitner. „Das<br />

bestätigt uns auch der zehnfache Anstieg bei<br />

der Schaffung eines Cyber-Maßnahmenkatalogs.“<br />

Auswirkungen von Cyber-Angriffen<br />

sind fatal<br />

Die fatalen Auswirkungen von Cyber-<br />

Angriffen – vor allem Betriebsunterbrechungen,<br />

Haftungsrisiken und Reputationsverlust<br />

– sind mittlerweile bekannt.<br />

Allerdings scheuen sich die Unternehmen<br />

noch davor, eine Risikobewertung durch<br />

externe Dienstleister durchführen zu lassen:<br />

Nur für 47 Prozent der Befragten ist<br />

das von Interesse. Der Umfang solcher<br />

externen Bewertungen fällt noch sehr<br />

unterschiedlich aus. „Das liegt vornehmlich<br />

daran, dass nur widerwillig Einblick in<br />

die eigenen Daten gewährt wird“, erklärt<br />

Sonnleitner.<br />

Ein weiterer wichtiger Sicherheitsaspekt<br />

ist der Faktor Mensch: Zur Eingrenzung<br />

von Cyber-Gefährdungen gehört neben<br />

dem Schließen von technischen Sicherheitslücken<br />

auch die Sensibilisierung der<br />

eigenen Mitarbeiter. Auch hier ist das Gefahrenbewusstsein<br />

gestiegen: 86 Prozent<br />

messen der Sensibilisierung der Mitarbeiter<br />

einen sehr hohen Stellenwert bei, und 63<br />

Prozent haben Interesse daran, ein Cyber-<br />

Training zu etablieren.<br />

Autor: www.willistowerswatson.com/de<br />

Cyberkriminalität kostet deutsche<br />

Unternehmen im Schnitt 13 Millionen<br />

US-Dollar pro Jahr<br />

Die Bedrohungslage durch Cyberangriffe<br />

verschärft sich weltweit und<br />

Unternehmen geben mehr Geld<br />

denn je aus, um sich mit den Kosten und<br />

Folgen immer komplexerer Angriffe auseinanderzusetzen.<br />

Das zeigt die 9. „Cost<br />

of Cybercrime“-Studie, die die Unternehmensberatung<br />

Accenture gemeinsam mit<br />

dem Ponemon Institute in elf Ländern<br />

und 16 Branchen durchgeführt hat. In<br />

Deutschland wurden im Rahmen der<br />

Untersuchung 289 Führungskräfte<br />

aus 40 Unternehmen befragt. Bei<br />

diesen Firmen stiegen die durchschnittlichen<br />

Kosten im Zusammenhang<br />

mit Cyberangriffen im vergangenen<br />

Jahr um 18 Prozent auf rund<br />

13 Mio. US-Dollar. Bezogen auf die<br />

letzten fünf Jahre haben sie sich fast<br />

verdoppelt (+40%).<br />

Malware ist die häufigste Art von<br />

Cyberangriffen in Deutschland, gefolgt<br />

von personenbezogenen Attacken<br />

durch Phishing und Social Engineering.<br />

Auf Personen ausgerichtete<br />

Angriffsarten wie gezielte Ransomware<br />

(+4%) und schädliche<br />

Unternehmens-Insider (+3%) weisen die<br />

höchsten Zuwachsraten auf. Außerdem<br />

nehmen Attacken durch Malware (+3%)<br />

und Denial-of-Service (+3%) zu. Um dieser<br />

Bedrohungslage Herr zu werden, investieren<br />

Unternehmen verstärkt. So fließen heute<br />

15 Prozent des Cybersicherheitsbudgets in<br />

Maßnahmen gegen schnell wachsende Cyberangriffe<br />

mit Personenbezug wie Phishing<br />

oder Ransomware.<br />

Quelle: © Gerd Altmann - pixabay.com<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

47


FinanzBusinessMagazin I CYBERVERSICHERUNG<br />

Auch die Kosten, die den Unternehmen<br />

für einzelne Vorfälle entstehen,<br />

steigen:<br />

Attacken durch böswillige Insider sind die<br />

teuersten Angriffsarten. Die Kosten hierfür<br />

lagen 2018 in Deutschland bei rund<br />

231.269 US-Dollar. Dies ist ein Anstieg<br />

von elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.<br />

Am stärksten stiegen jedoch die Kosten<br />

für Ransomware-Attacken. Hier haben<br />

sich die Kosten mit einem Zuwachs von<br />

92 Prozent auf 74.400 US-Dollar nahezu<br />

verdoppelt, da es mittlerweile deutlich<br />

länger dauert diese Angriffsart zu bewältigen<br />

(+26% in 2018).<br />

Nur 17 Prozent der CISOs sagen, dass<br />

die Mitarbeiter für die Cybersicherheit<br />

mitverantwortlich sind<br />

"Menschen, Daten und Technologien –<br />

alle Bereiche eines Unternehmens bergen<br />

Risiken. Häufig sind IT-Sicherheitsteams<br />

nicht intensiv genug daran beteiligt,<br />

schützenswerte Innovationen zu identifizieren<br />

und sie danach gezielt zu sichern“,<br />

stellt Uwe Kissmann, Geschäftsführer bei<br />

Accenture Security fest. "Dieser isolierte<br />

Ansatz ist schädlich für das Geschäft und<br />

kann zu schlecht abgegrenzten Verantwortungsbereichen<br />

innerhalb der gesamten<br />

Organisation führen. Auch der<br />

Irrglaube, dass Sicherheit und der Aufbau<br />

von Cyber-Resilienz nicht von allen<br />

Mitarbeitern mitgetragen werden muss,<br />

kann zu dieser Fehleinschätzung führen.<br />

Unsere Studie zeigt, dass es höchste Zeit<br />

ist, einen holistischen, proaktiven und<br />

präventiven Ansatz für das Cyber-Risikomanagement<br />

zu entwickeln, der uneingeschränktes<br />

Engagement von Partnern im<br />

gesamten Ökosystem beinhaltet. Es geht<br />

darum, den Geschäftserfolg zu schützen<br />

und nicht die IT.“<br />

Weitere wichtige Ergebnisse der<br />

Studie sind:<br />

2018 verzeichneten die im Rahmen der<br />

Studie befragten Unternehmen weltweit<br />

im Durchschnitt je 145 Cyberangriffe,<br />

die zur Infiltration ihrer Kernnetzwerke<br />

bzw. Unternehmenssysteme führten. Das<br />

sind elf Prozent mehr als im Vorjahr und<br />

67 Prozent mehr als vor fünf Jahren. In<br />

Deutschland verzeichneten die Studienteilnehmer<br />

durchschnittlich 81 Attacken,<br />

was einem Rückgang von fünf Prozent<br />

gegenüber dem Vorjahr entspricht.<br />

Die wirtschaftlichen Folgen sind trotzdem<br />

kostspielig: Der Verlust von Informationen<br />

gehört für deutsche Unternehmen<br />

zu den teuersten Folgen von Cyberattacken<br />

(6 Mio. US-Dollar), gefolgt von Kosten, die<br />

durch Betriebsstörungen entstehen (4,8 Mio.<br />

US-Dollar).<br />

Im Branchenvergleich verursacht Cyberkriminalität<br />

bei Banken und Energieversorgern<br />

in Deutschland die höchsten Kosten.<br />

In Banken sind die Kosten von 16,55 Mio.<br />

US-Dollar im Jahr 2017 auf 18,37 Mio.<br />

US-Dollar in 2018 gestiegen und bei Energieversorgern<br />

von 15,11 Mio. US-Dollar<br />

in 2017 auf 17,84 Mio. US-Dollar in 2018.<br />

Der globale Ländervergleich zeigt, dass<br />

die USA den höchsten Zuwachs an Kosten<br />

durch Cyberkriminalität im Jahr 2018 mit<br />

29 Prozent verzeichneten. Die durchschnittlichen<br />

Kosten lagen bei 27,4 Mio.<br />

US-Dollar pro Unternehmen. Japan erreichte<br />

mit 13,6 Mio. US-Dollar den zweithöchsten<br />

Wert, gefolgt von Deutschland<br />

mit 13,1 Mio. US-Dollar und Großbritannien<br />

mit 11,5 Mio. US-Dollar. Die Länder<br />

mit den niedrigsten Durchschnittskosten<br />

pro Unternehmen waren Brasilien und<br />

Australien mit 7,2 Mio. US-Dollar bzw.<br />

6,8 Mio. US-Dollar.<br />

"Ein gesteigertes Bewusstsein für die<br />

negativen Auswirkungen von Cyberangriffen,<br />

sowie eine informierte und zielgerichtete<br />

Einführung innovativer Sicherheitstechnologien<br />

sind der beste Weg,<br />

um sich vor Cyberrisiken zu schützen",<br />

erklärt Uwe Kissmann. "Die größten<br />

Kosteneinsparungen lassen sich mit<br />

modernen Identitäts- und Zugriffsrichtlinien,<br />

dem Einsatz von Automatisierung,<br />

künstlicher Intelligenz, maschinellem<br />

Lernen sowie der Ausgabe<br />

von Sicherheitsinformationen und einer<br />

besseren Risikoverteilung erzielen. Das<br />

funktioniert jedoch nur bei vollständiger<br />

Implementierung über alle Unternehmensbereiche<br />

hinweg und klarem Fokus<br />

auf den Schutz der wichtigsten Daten<br />

und Informationen. Unterlässt man dies,<br />

verbrauchen bereits generische Schutzmaßnahmen<br />

sowohl das Budget als auch<br />

die personellen Mittel.“<br />

Autor: www.accenture.de<br />

48 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


CYBERVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Innovationen<br />

brauchen Versicherungen<br />

Digitalisierung und Nachhaltigkeit<br />

sind zwei Megatrends, die der Industrie<br />

große Wachstumschancen<br />

bringen – aber auch neue Risiken. Auf<br />

manche Risiken sind die Beteiligten noch<br />

zu wenig vorbereitet. Das geht aus dem<br />

aktuellen Marktreport hervor, den das<br />

Makler- und Beratungsunternehmen Aon<br />

heute veröffentlicht hat.<br />

Die Zukunft hat schon begonnen: Bereits<br />

<strong>2020</strong> könnte das Internet der Dinge (IoT)<br />

bis zu 26 Milliarden Objekte vernetzen.<br />

Es ergeben sich unzählige neue Anwendungsmöglichkeiten.<br />

Allerdings auch viele<br />

Einfallstore für Hackerangriffe. Eine gegen<br />

Cyber-Risken gewappnete IT wird für<br />

die Unternehmen deswegen immer wichtiger.<br />

Allerdings lösen Versicherer Cyber-<br />

Risiken inzwischen vollständig aus anderen<br />

Sparten wie Sach- oder Vertrauensschaden<br />

heraus, um sogenannte „Silent Cyber<br />

Risiken“ zu reduzieren. Silent Cyber<br />

Risiken sind Risiken, die nicht explizit ein-,<br />

aber auch nicht ausgeschlossen sind, weil<br />

sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses<br />

schlicht nicht verbreitet waren.<br />

„Silent Cyber Risiken sind potenzielle<br />

Zeitbomben“, sagt Hartmuth Kremer-<br />

Jensen, Chief Broking Officer des Erstversicherungsmaklers<br />

bei Aon Deutschland.<br />

„Die Industrie 4.0 zeigt drastisch, dass<br />

wir zwar in einer Welt von Innovationen<br />

leben, diese Welt aber auch voller neuer<br />

Risiken steckt. Deshalb muss die Investition<br />

in Innovation unternehmerisch<br />

abgesichert werden können. Fehlen hier<br />

Versicherungskonzepte, wird die Innovationstätigkeit<br />

von Firmen abgebremst“,<br />

so Kremer-Jensen.<br />

Besonders beim Thema Nachhaltigkeit<br />

kann der Versicherungsmarkt den Fortschritt<br />

durch innovative Versicherungspakete<br />

wesentlich vorantreiben. Ein Beispiel<br />

ist die Stärkung von regenerativen<br />

Quelle: © Tumisu - pixabay.com<br />

Energieformen. Eine große Herausforderung<br />

liegt im Ausbau der Netzinfrastrukturen.<br />

Denn die Stromerzeugung<br />

aus erneuerbaren Energien findet häufig<br />

weit entfernt vom Abnehmer statt (z. B.<br />

Offshore-Wind). Zurzeit werden deshalb<br />

große Mengen erzeugter Energie nicht<br />

wirtschaftlich genutzt. Die Stromnetze<br />

müssen ausgebaut werden – das wird zu<br />

erheblichen Investitionen führen. Damit<br />

aber investiert wird, müssen innovative<br />

Versicherungskonzepte den Boden bereiten.<br />

Das Besondere an der Digitalisierung und<br />

Nachhaltigkeit: Dadurch, dass sie sich<br />

nicht nur auf eine Sparte oder Branche<br />

auswirken, wird man sich zunehmend<br />

von einem rein spartenzentrierten Ansatz<br />

verabschieden und den Versicherungsnehmer<br />

bedarfsorientiert und ganzheitlich<br />

betrachten müssen.<br />

Autor: www.aon.com/germany<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

49


FinanzBusinessMagazin I SACHVERSICHERUNG<br />

Schadenmanagement:<br />

Versicherte überzeugen<br />

und Kosten senken<br />

Mehr als 80 Prozent der Kosten von<br />

Sachversicherern entfallen auf den<br />

Schadenaufwand und die zugrunde<br />

liegende Schadenregulierung. Zugleich<br />

hat keine andere Leistung einen so großen<br />

Einfluss auf die Kundenloyalität wie die<br />

Unterstützung im Schadenfall. Trotzdem<br />

steht das Schadenmanagement in seiner<br />

ganzen Komplexität bislang kaum im Fokus<br />

der Versicherer. Deren Mitarbeiter haben<br />

nach Schätzungen der internationalen<br />

Managementberatung Bain & Company<br />

derzeit bei weniger als zwei Dritteln aller<br />

Schadenfälle einen vollständigen Überblick.<br />

Welche Chancen die Assekuranz damit<br />

verpasst, bringt die neue Bain-Studie „Auf<br />

Aktion programmiert: Eine neue Ära im<br />

Schadenmanagement“ zutage. Danach<br />

können Versicherer mit einem optimierten<br />

Schadenmanagement ihre Gesamtkosten<br />

um 3 bis 5 Prozent senken und gleichzeitig<br />

ihre Kunden stärker binden. Dies kann<br />

weitgehend innerhalb eines Jahres realisiert<br />

werden.<br />

„Versicherer sollten im Schadenfall viel<br />

häufiger agieren, anstatt einfach nur zu<br />

reagieren und sich auf die Regulierung<br />

zu beschränken“, erklärt Bain-Partner<br />

und Co-Autor Dr. Christian Kinder. Wie<br />

das konkret aussehen kann, verdeutlicht<br />

folgendes Beispiel: Ein vernetztes Auto<br />

alarmiert bei einem Auffahrunfall automatisch<br />

das Servicecenter des Versicherers.<br />

Quelle: © Gerd Altmann - pixabay.com<br />

Ein Mitarbeiter nimmt sofort Kontakt auf<br />

und bietet Hilfe an. Bei größeren Schäden<br />

organisiert er den Abschleppwagen und<br />

bei Bedarf einen Termin in der nächsten<br />

Vertragswerkstatt inklusive Bereitstellung<br />

eines Ersatzfahrzeugs. „Technisch ist proaktives<br />

Vorgehen schon heute machbar,<br />

organisatorisch allerdings noch eine<br />

Herausforderung“, so Kinder. „Und kulturell<br />

bedeutet es gar einen Neubeginn für die<br />

Sachversicherer.“<br />

Zusätzliche Ertragschancen<br />

Auf seinem Status quo sollte kein Anbieter<br />

beharren, denn proaktives Schadenmanagement<br />

erwarten Versicherungsnehmer<br />

im digitalen Zeitalter. Sie wollen vor<br />

allem unkomplizierte und schnelle Hilfe im<br />

Schadenfall sowie unverzügliche Reparaturen.<br />

Im Rahmen einer Bain-Studie zur<br />

Kundenloyalität, an der mehr als 10.000<br />

deutsche und 4.000 Schweizer Versicherte<br />

teilgenommen haben, begrüßt jeder Zweite<br />

ein erweitertes Leistungsspektrum seines<br />

Anbieters. In der Kfz-Sparte erklärt sogar<br />

jeder zweite Kunde in Deutschland,<br />

dass er die Versicherung für Services, die<br />

über das klassische Leistungsspektrum hinausgehen,<br />

wechseln würde. Bain-Partner<br />

und Co-Autor Dr. Klaus Neuhaus betont:<br />

„Die Rolle der Sachversicherer wandelt<br />

sich vom Produktverkäufer und Schadenregulierer<br />

hin zum Lösungsanbieter. Das<br />

entspricht nicht nur den Erwartungen der<br />

Kunden, sondern eröffnet auch zusätzliche<br />

Ertragschancen.“<br />

Das praxiserprobte Claims Excellence<br />

Framework von Bain mit seinen drei Stellhebeln<br />

Schadeneinkauf, Schadensteuerung<br />

und Kosteneffizienz schafft dafür<br />

den entsprechenden strategischen Rahmen.<br />

Im Mittelpunkt steht die Auswahl<br />

der richtigen Partner. Denn bei rund der<br />

Hälfte der Versicherungsfälle kommt ein<br />

externes Unternehmen zum Einsatz, sei<br />

50 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


SACHVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

es eine Kfz-Werkstatt, ein Gutachter oder<br />

ein Handwerksbetrieb. „Versicherer müssen<br />

alles daransetzen, exzellente Partner mit<br />

hohem Qualitäts- und Serviceniveau zu<br />

gewinnen“, so Neuhaus. „Denn deren<br />

Leistung entscheidet letztendlich über die<br />

Loyalität der Versicherten.“<br />

Mehr Effizienz und Kundentreue<br />

Mit einer optimierten Schadensteuerung<br />

können Versicherer den Anteil dieser<br />

Partner am Schadenaufkommen deutlich<br />

erhöhen. Branchenvorreiter wirken zum<br />

Teil bei mehr als der Hälfte der Schadenfälle<br />

aktiv auf die Auswahl der Dienstleister<br />

ein. Generell ist es mithilfe des<br />

Claims Excellence Framework möglich,<br />

den Anteil aktiv gesteuerter Schadenfälle<br />

um bis zu 25 Prozent zu steigern, die<br />

Preise der beteiligten Dienstleister um bis<br />

zu 30 Prozent zu senken und die Produktivität<br />

im Schadenmanagement selbst<br />

um 15 Prozent zu verbessern. „Die Versicherer<br />

sollten nicht länger zögern, ihr<br />

Schadenmanagement auf Aktion zu programmieren“,<br />

konstatiert Branchenexperte<br />

Kinder. „Neben der Effizienz nimmt<br />

auch die Kundenloyalität zu – ein doppelter<br />

Vorteil im umkämpften Sachversicherungsmarkt.“<br />

Autor: www.bain.com/de<br />

Royal Sun Alliance nutzt Willis Towers<br />

Watson Software jetzt auch in der<br />

Schadenbearbeitung<br />

Der schwedische Versicherer Trygg<br />

Hansa, ein Unternehmen der Royal<br />

Sun Alliance (RSA), erweitert den<br />

Einsatz der Willis Towers Watson Enterprise-Software<br />

Radar Live auf sein Schadenmanagement.<br />

Damit ist der Sachversicherer<br />

jetzt in der Lage, mit einem<br />

einzigen Tool Schadenmeldungen in Echtzeit<br />

zu bearbeiten und Betrugsfällen vorzubeugen.<br />

Erste Testdurchläufe haben<br />

bereits gezeigt, dass die Betrugserkennungsrate<br />

um 100 Prozent gestiegen ist.<br />

„Die Versicherungsbranche befindet sich<br />

in einem tiefgreifenden Wandel“, sagt Dr.<br />

Gero Nießen, Senior Director bei Willis Towers<br />

Watson. „Der disruptive Markt und<br />

die steigenden Kundenerwartungen verlangen<br />

von den Gesellschaften auch eine<br />

deutlich schnellere Schadenbearbeitung.<br />

Radar Live macht das möglich.“ Durch die<br />

maschinellen Lernalgorithmen der Software<br />

können Entscheidungen über das<br />

weitere Vorgehen bereits getroffen werden,<br />

während der Kunde noch am Telefon<br />

ist oder seinen Schaden online meldet.<br />

Die Anwender sind außerdem in der Lage,<br />

agil zu reagieren und jederzeit neue Regeln<br />

und Modelle in den Algorithmus zu<br />

integrieren.<br />

Quelle: © everythingpossible - Fotolia.com<br />

„Radar Live verwendet ’Advanced Analytics‘<br />

zur Bewertung strukturierter und unstrukturierter<br />

Daten, um versteckte Betrugsmuster<br />

und komplexe Beziehungen<br />

in sozialen Netzwerken aufzudecken. Dies<br />

ermöglicht es uns, die Schadeninformationen<br />

auf mögliche Betrugshinweise in<br />

Echtzeit zu überprüfen und entsprechend<br />

zu handeln“, sagt Sascha Firle, Director<br />

Advanced Analytics bei Trygg Hansa. „Durch<br />

die schnelleren Reaktionszeiten und besseren<br />

Vorhersagen sind wir jetzt in der<br />

Lage, Betrüger früher zu erkennen und die<br />

Auszahlungen bei betrügerischen Ansprüchen<br />

zu reduzieren – was unsere Rentabilität<br />

verbessern wird.“ Willis Towers Watson<br />

will künftig diese signifikante Leistungssteigerung<br />

durch die Ergänzung externer<br />

Daten und die Weiterentwicklung der<br />

maschinellen Lernmodelle noch verbessern.<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

51


FinanzBusinessMagazin I SACHVERSICHERUNG<br />

Das sind die wichtigsten Features<br />

der Radar Live Software<br />

für die Schadenbearbeitung:<br />

Echtzeit-Betrugserkennung: Die Anwendung<br />

ist eine Kombination aus maschinellen<br />

Lernfunktionen und “Predictive Analytics“,<br />

die sich sehr einfach an das Schadensystem<br />

des Versicherers anbinden lässt. So wird<br />

eine umfangreiche Entscheidungsgrundlage<br />

geschaffen, die eine Echtzeit-Risikobewertung<br />

erstellt und verdächtige Aktivitäten<br />

früher im Prozess aufdeckt.<br />

Prognose: Radar Live verwendet „Advanced<br />

Analytics“ zum Erfassen strukturierter<br />

Daten. Ebenso kann die Software unstrukturierte<br />

Daten konvertieren und<br />

analysieren. Dadurch identifiziert Radar<br />

Live Betrugsmuster und Risiken, die für<br />

das menschliche Auge bisher nicht erkennbar<br />

waren.<br />

KI-Plattform für alle Schadenfälle:<br />

Radar Live dient als Entscheidungshilfe<br />

entlang des gesamten Lebenszyklus eines<br />

Schadens. Durch die Fähigkeit, sogar mehrere<br />

Szenarien eines Falls zu erstellen,<br />

ergibt sich eine große Bandbreite an Möglichkeiten<br />

in der Schadenbearbeitung unter<br />

Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Diese<br />

reichen von Zuständigkeitsentscheidungen<br />

bei der ersten Schadenanzeige bis hin zu<br />

der Einschätzung großer Verluste oder gar<br />

Rechtsstreitigkeiten.<br />

Quelle: © pixabay.com<br />

„Nachdem die Software bereits erfolgreich<br />

in vielen Häusern im Pricing eingesetzt<br />

wird, haben wir mit Trygg Hansa nun auch<br />

einen aktiven Anwender in der Schadenbearbeitung“,<br />

sagt Gero Nießen. „Mit Radar<br />

Live unterstützen wir den Versicherer dabei,<br />

auf neue Bedrohungen zu reagieren und<br />

bei der Erkennung von Schadenfällen an<br />

auf dem neuesten Stand zu bleiben. Denn<br />

traditionelle Methoden sind hierbei aufgrund<br />

der langsameren Batch-Abläufe und<br />

festen Geschäftsregeln längst überholt, da<br />

sie ausschließlich verdächtige Aktivitäten<br />

von Betrug wahrnehmen, die im Vorfeld<br />

bereits stattgefunden haben. Das macht<br />

Versicherer abhängig von externen Anbietern,<br />

um analytische Verbesserungen<br />

vornehmen zu können.“<br />

Autor: www.willistowerswatson.com/de<br />

Impressum<br />

Verlag:<br />

RedaktionMedien Verlag<br />

Astrid Klee<br />

Schwaighofstraße 17A<br />

83684 Tegernsee<br />

Tel.: +49 (0) 8022 - 85 83 010<br />

klee@redaktionmedien-verlag.de<br />

www.redaktionmedien-verlag.de<br />

www.FinanzBusinessMagazin.de<br />

Steuernummer: 139 / 236 / 60261<br />

USt-IdNr.: DE292943593<br />

Geschäftsführung:<br />

Astrid Klee<br />

Herausgeber / Chefredaktion:<br />

Friedrich A. Wanschka<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Redaktionsbüro<br />

Friedrich A. Wanschka<br />

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Der Verleger übernimmt keine Haftung für unverlangt eingereichte Manuskripte und Fotos. Mit der Annahme zur Veröffentlichung überträgt der Autor dem<br />

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52 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


SACHVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Swiss Re und Sopra Steria Consulting<br />

entwickeln ganzheitliche Lösung<br />

zur Effizienzsteigerung aktiver<br />

Sachversicherungsbestände<br />

Der internationale Rückversicherer<br />

Swiss Re und die Managementund<br />

Technologieberatung Sopra<br />

Steria Consulting haben eine strategische<br />

Kooperation geschlossen. Ziel ist, den<br />

Erstversicherungsmarkt bei der aufwändigen<br />

und kostenintensiven Verwaltung<br />

von Altbeständen zu entlasten. Dafür<br />

wurde eine ganzheitliche Lösung (Active<br />

Legacy Portfolio Management – ALPM)<br />

entwickelt, die Risikokapital, Versicherungsexpertise<br />

und Technologie optimal<br />

bündelt. Die Lösung spricht Erstversicherer<br />

an, die sich strategisch neu ausrichten,<br />

Ressourcen für neue Geschäftsideen<br />

und Innovationen freisetzen oder<br />

Transformationsprogramme finanzieren<br />

wollen.<br />

Die ALPM-Lösung umfasst die Übernahme<br />

von aktiven Sachversicherungsbeständen<br />

durch Swiss Re, die aus geschäftsstrategischen<br />

Überlegungen übertragen werden<br />

sollen. Anders als bei einem klassischen<br />

Run-off bleibt der Kontakt des übertragenden<br />

Erstversicherers zum Versicherungsnehmer<br />

bestehen. Der Versicherer<br />

kann sein Kundengeschäft weiter ausbauen.<br />

Mit ALPM können aktive Sachversicherungsbestände<br />

deutlich effizienter betreut<br />

werden, von Hausrat- und Kfz-Versicherungen<br />

über Unfallversicherungen bis zu<br />

Spezialverträgen im Privatkundengeschäft<br />

sowie in der Gewerbe- und Industrieversicherungssparte.<br />

Erstversicherer profitieren,<br />

indem sie einen geringeren Aufwand<br />

in strategisch weniger relevante<br />

Bestände investieren müssen. Sie können<br />

sich noch stärker auf ihr künftiges Kerngeschäft<br />

fokussieren, gleichzeitig bleiben die<br />

Kundenbeziehungen bestehen.<br />

„Für Swiss Re stellt die Zusammenarbeit<br />

eine echte Innovationspartnerschaft dar, mit<br />

der wir die Handlungsoptionen unserer Kunden<br />

erweitern und deren Konkurrenzfähigkeit<br />

nachhaltig sichern können“, sagt Frank<br />

Reichelt, Hauptbevollmächtigter der Niederlassung<br />

Swiss Re Deutschland. „Altbestände<br />

binden finanzielle und personelle Ressourcen<br />

und verringern damit die Innovationskraft<br />

für die Bewältigung der digitalen Transformation.<br />

Die mit Sopra Steria Consulting entwickelte<br />

Lösung stützt sich auf die Kernkompetenzen<br />

beider Unternehmen. Sie erlaubt<br />

unseren Kunden, sich umfänglich auf die sich<br />

rasch verändernden Bedürfnisse ihrer Versicherten<br />

zu konzentrieren.“<br />

Sopra Steria Consulting berät bei der technologischen<br />

Bewertung und Auswahl der<br />

Versicherungsportfolios, übernimmt den<br />

operativen Betrieb der Plattform, das Management<br />

der Verträge sowie Schäden<br />

und stellt den technischen Unterbau zur<br />

Verfügung. Die Plattform basiert auf der<br />

Cloud-Lösung INgine von Sopra Steria<br />

Consulting. Den Kern bildet die ISS Insurance<br />

Platform und die Bestandsführungssoftware<br />

winsure, beides Lösungen von<br />

ISS Software, einem Tochterunternehmen<br />

von Sopra Steria Consulting. Mit mehr als<br />

30 erfolgreichen Implementierungen im<br />

deutschsprachigen Raum zählt winsure im<br />

Sachversicherungsgeschäft zu den führenden<br />

Softwarelösungen.<br />

„Versicherer müssen ihre Strategien heute<br />

schneller umsetzen, um weiter wettbewerbsfähig<br />

zu bleiben. Swiss Re und Sopra<br />

Steria Consulting bündeln ihre Stärken und<br />

bieten Sachversicherern eine Lösung, damit<br />

sie neue Erlösquellen erschließen können<br />

und gleichzeitig ihre Kunden gut betreut<br />

wissen“, sagt Urs M. Krämer, CEO von<br />

Sopra Steria Consulting. „Die Kooperation<br />

mit Swiss Re ist für Sopra Steria Consulting<br />

eine weitere große Chance, das Potenzial<br />

digitaler Plattformlösungen wie INgine<br />

sowie unsere tiefe Branchenexpertise im<br />

Versicherungsmarkt zu untermauern.“<br />

Autor: www.soprasteria.de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

53


FinanzBusinessMagazin I SACHVERSICHERUNG<br />

Versicherungsmarktreport 2019<br />

für Deutschland<br />

Zusammenschlüsse, Markteintritte<br />

und -rückzüge von Versicherern<br />

zeichnen ein buntes, jährlich wechselndes<br />

Bild – der hoch kompetitive deutsche<br />

Versicherungsmarkt zeigt sich dabei insgesamt<br />

weiter leistungsfähig und stabil.<br />

Für 2019 steht die industrielle Sachversicherung<br />

besonders im Fokus: So war die<br />

versicherungsnehmende Wirtschaft im<br />

vergangenen Jahr mit einem sehr uneinheitlichen<br />

Vorgehen der Sachversicherer<br />

konfrontiert. Deren Ergebnisse sind seit<br />

Jahren schlecht, und es ist davon auszugehen,<br />

dass der Sanierungsdruck weiter zunehmen<br />

wird. Viele langfristig abgeschlossene<br />

Verträge stehen<br />

zur Vertragsverlängerung<br />

am 1.1.<strong>2020</strong> an.<br />

Die versicherungstechnische<br />

Qualität<br />

der zu versichernden<br />

Unternehmen wird<br />

eine entscheidende<br />

Rolle dabei spielen,<br />

den zu erwartenden<br />

Forderungen der Versicherer<br />

erfolgreich<br />

entgegenzuwirken.<br />

Für die allgemeine<br />

Haftpflichtversicherung<br />

in Deutschland war 2018 erneut ein<br />

profitables Jahr, sodass sich die für Kunden<br />

positive Marktentwicklung auch 2019 fortsetzen<br />

wird. Die stabilen bzw. erneut<br />

gesunkenen Schaden-Kosten-Quoten führen<br />

wie in den vergangenen Jahren zu versicherungstechnischen<br />

Gewinnen der Versicherer,<br />

die sich in Prämienreduzierungen<br />

und in Vereinbarungen prämienfreier<br />

Deckungsverbesserungen widerspiegeln.<br />

Bei der Bewertung des eigenen Risikos<br />

wird das mögliche Schadenausmaß von<br />

den Unternehmen oft unterschätzt. Das<br />

führt dazu, dass das vorhandene Großschadenpotenzial<br />

oftmals nicht vollständig<br />

abgedeckt wird. Steigende Investitionen,<br />

die zu einer Erhöhung der Werte und<br />

damit zu einem Anstieg der Großschadenhöhe<br />

führen, bleiben unberücksichtigt,<br />

und es gibt weiterhin Policen mit nicht<br />

ausreichenden Deckungssummen.<br />

Cyber-Risikomanagement ist eines der<br />

großen Themen unserer Zeit. Die Anzahl<br />

der durch Cyber-Risiken verursachten<br />

Schäden nimmt zu, und das Ausmaß<br />

wird immer größer. Die Prämien in der<br />

Cyber-Versicherung entwickeln sich stabil<br />

bis leicht steigend. Vereinzelt beginnen<br />

Versicherer, insbesondere jene, die<br />

bereits früh mit einem Cyber-Produkt in<br />

den deutschen Markt eingestiegen sind,<br />

Prämien zu erhöhen. Allerdings lassen sich<br />

auch – u.a. durch den Eintritt von neuen<br />

Marktteilnehmern und ein starkes Wettbewerbsumfeld<br />

– noch immer attraktive<br />

Prämien für Cyber-Risiken erzielen. Eine<br />

wichtige und richtige Diskussion wird im<br />

Markt aktuell unter der der Überschrift<br />

„Silent Cyber“ geführt. Es gilt dabei zu analysieren,<br />

welche Deckungsumfänge und<br />

-überschneidungen für Cyber-Risiken in<br />

allen vorhandenen Policen vorliegen. Für<br />

Unternehmen sind hierbei vor allem zwei<br />

Dinge wichtig: Klarheit über ihren Versicherungsschutz<br />

und Leistungsfähigkeit im<br />

Schadenfall.<br />

Autor: www.marsh.com/de<br />

Quelle: © pixabay.com<br />

54 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


AV I FinanzBusinessMagazin<br />

bAV durch Entgeltumwandlung:<br />

Kein Schub durch BRSG<br />

Eine betriebliche Altersversorgung<br />

durch Mitarbeiterbeiträge gehört<br />

zum Standardangebot von Unternehmen:<br />

In 88 Prozent der Firmen sind<br />

Regelungen für die Umwandlung von Entgelt<br />

in Altersvorsorgeansprüche etabliert.<br />

Weitere acht Prozent übernehmen entsprechende<br />

Vorschläge ihrer Mitarbeiter.<br />

Dennoch greifen nur wenige Mitarbeiter<br />

zu. Lediglich in einem Drittel der Unternehmen<br />

nehmen mehr als 50 Prozent der<br />

Mitarbeiter dieses Angebot wahr, wie eine<br />

aktuelle Umfrage der Unternehmensberatung<br />

Willis Towers Watson zeigt. Daran<br />

hat auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz<br />

(BRSG) nichts geändert, wie 83 Prozent<br />

der Unternehmen sagen.<br />

„Die Unternehmen packen die Entgeltumwandlung<br />

aktiv an und kommen den<br />

Wünschen der Arbeitnehmer nach einer<br />

sicheren und bedarfsgerechten bAV weitgehend<br />

nach – das ist gut“, sagt Dr. Heinke<br />

Conrads, Leiterin Retirement Deutschland<br />

und Österreich bei Willis Towers Watson.<br />

„Dennoch zeigt sich, dass Mitarbeiter ihren<br />

Vorsorgebedarf offenbar nicht gut genug<br />

einschätzen können und die bisherigen<br />

Informationen der Unternehmen diese<br />

Lücke wohl nicht wirksam füllen. Wenn das<br />

Ziel des BRSG – die weitere Verbreitung der<br />

bAV und der Ausbau ihrer Finanzierungsgrundlage<br />

– erreicht werden soll, bleibt<br />

also noch viel zu tun“, resümiert Conrads.<br />

Gute Leistungspakete für Mitarbeiter<br />

Vier Fünftel (80 Prozent der Unternehmen)<br />

bieten für die Eigenvorsorge der<br />

Mitarbeiter mehr als einen Durchführungsweg<br />

an. Am häufigsten wird hier die<br />

Direktversicherung genannt (75 Prozent),<br />

gefolgt von der Direktzusage (54 Prozent).<br />

Die „klassisch-konservative“ Anlage der<br />

Beiträge herrscht über die unterschiedlichen<br />

Durchführungswege hinweg weiter<br />

vor, doch halten immer mehr Unternehmen<br />

zumindest als Alternative stärker<br />

am Kapitalmarkt orientierte Anlagemöglichkeiten<br />

bereit. So bieten mehr als die<br />

Hälfte der Unternehmen (58 Prozent)<br />

noch klassische Versicherungsprodukte<br />

mit garantiertem Rechnungszins an, in<br />

40 Prozent gibt es (auch) schon neuere<br />

Versicherungsprodukte mit Garantie der<br />

eingezahlten Beiträge. Kapitalmarktorientierte<br />

Versicherungsprodukte finden<br />

sich bei 30 Prozent der Unternehmen und<br />

in zwölf Prozent der Unternehmen besteht<br />

auch die Möglichkeit eine über den<br />

Kapitalmarkt finanzierte Direktzusage zu<br />

nutzen.<br />

Die durch das BRSG überarbeitete Riester-<br />

Förderung wird hingegen für die bAV nur<br />

selten genutzt: Lediglich 13 Prozent der<br />

Unternehmen halten entsprechende Angebote<br />

bereit. Dabei können die Mitarbeiter<br />

in den meisten Unternehmen (75<br />

Prozent) ihre bAV an ihren individuellen<br />

Bedarf anpassen – meist im Hinblick auf<br />

einmalige oder laufende Beiträge und die<br />

Auszahlung als Rente oder Einmalbetrag,<br />

aber auch bezüglich zusätzlicher Absicherungsoptionen<br />

für den Invaliditäts- oder<br />

Todesfall.<br />

Schließlich bezuschusst fast zwei Drittel der<br />

Unternehmen (63 Prozent) die Beiträge<br />

der Mitarbeiter zu ihrer Altersversorgung,<br />

mehrheitlich über das gesetzlich geforderte<br />

Maß hinaus. Heiko Gradehandt,<br />

Director bei Willis Towers Watson:“Mit einer<br />

überzeugenden Kommunikation der<br />

bereits implementierten Vorsorgeangebote<br />

fehlt quasi nur noch der letzte Meter<br />

bis zum Tor.”<br />

„Die Unternehmen haben – auch schon<br />

vor dem BRSG – die bestehenden Möglichkeiten<br />

genutzt, um ihren Mitarbeitern<br />

durchdachte Vorsorgemöglichkeiten anzubieten.<br />

Das BRSG hat die Notwendigkeit<br />

einer betrieblichen Altersversorgung<br />

nun noch einmal stärker in das Bewusstsein<br />

der Öffentlichkeit gerückt – aber<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

55


FinanzBusinessMagazin I bAV<br />

Mitarbeiter lassen darauf noch keine Taten<br />

folgen“, erklärt Heiko Gradehandt,<br />

Director bei Willis Towers Watson. Mehr<br />

als vier Fünftel (83 Prozent) der Unternehmen<br />

registrieren keine Veränderung.<br />

Lediglich in 15 Prozent ist die Nachfrage<br />

nach Eigenvorsorgemöglichkeiten deutlich<br />

gestiegen. Woran hakt es also?<br />

Angebote werden dennoch<br />

zu selten genutzt<br />

Hier scheinen sich Unternehmen und Mitarbeiter<br />

einig zu sein: Mitarbeiter kennen<br />

ihren Versorgungsbedarf nicht. Diesen<br />

Grund führen die befragten Unternehmen<br />

am häufigsten an. Auf Platz 2 folgt: sie<br />

haben nicht genügend freies Einkommen<br />

zur Vorsorge zur Verfügung. Mitarbeiter<br />

verstünden die Angebote nicht oder seien<br />

grundsätzlich skeptisch gegenüber Versicherungsangeboten<br />

– diese Argumente<br />

werden ebenfalls genannt.<br />

„Damit schätzen die Unternehmen ihre<br />

Mitarbeiter treffend ein“, sagt bAV-Experte<br />

Gradehandt mit Blick auf die Ergebnisse<br />

einer weiteren Studie: Fast die Hälfte der<br />

Mitarbeiter (45 Prozent) halten die ihnen<br />

vorliegenden bAV-Informationen für zu<br />

komplex. Knapp ein Drittel (31 Prozent)<br />

fühlt sich nicht ausreichend informiert,<br />

wie der Global Benefits Attitudes Survey<br />

von Willis Towers Watson 2017 zeigte.<br />

Jedoch lohnt es sich für Unternehmen,<br />

hier „nachzulegen“. Denn für die meisten<br />

Mitarbeiter (74 Prozent) ist es wichtig,<br />

dass ihr Arbeitgeber eine aktive Rolle bei<br />

der bAV einnimmt. Und für 58 Prozent ist<br />

eine bedarfsgerecht gestaltete und kommunizierte<br />

bAV ein wesentlicher Grund,<br />

bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben, wie die<br />

Studie zeigte.<br />

„Unternehmen tun das Richtige – aber<br />

vielleicht nicht auf die richtige Weise“,<br />

vermutet Gradehandt. „Sie bieten gute<br />

Vorsorgelösungen an und kommunizieren<br />

diese. Wenn dies bei den Mitarbeitern<br />

aber nicht oder nicht verständlich<br />

ankommt, werden sie die Angebote<br />

auch nicht wahrnehmen.“ Unternehmen<br />

sollten die Angebote daher häufiger, einfacher<br />

und ansprechender kommunizieren,<br />

empfiehlt der bAV-Experte von Willis<br />

Towers Watson. Er betont: „Unternehmen<br />

lassen trotz schwieriger Arbeitsmärkte hier<br />

viel Potenzial zur Mitarbeiterbindung und<br />

-gewinnung liegen. Zudem ist ein Großteil<br />

der Arbeit – die Entwicklung und Implementierung<br />

der Vorsorgeangebote – ja<br />

schon getan. Jetzt fehlt mit der überzeugenden<br />

Kommunikation quasi nur noch<br />

der letzte Meter bis zum Tor.“ Bei rund<br />

der Hälfte der Unternehmen (49 Prozent)<br />

fällt dieser Hinweis auf fruchtbaren<br />

Boden: Sie planen, ihre Informationsmaßnahmen<br />

künftig zu intensivieren.<br />

Autor:www.willistowerswatson.com/de<br />

56 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


AV I FinanzBusinessMagazin<br />

bAV-Administration<br />

erlebt Digitalisierungs-Schub<br />

Die Verwaltung der betrieblichen Altersversorgung<br />

(bAV) wird aktuell<br />

auf breiter Fläche modernisiert. So<br />

investiert ein Drittel der Unternehmen bis zu<br />

30 Prozent seiner Administrationsbudgets<br />

in Digitalisierungsprojekte. Im Vorjahr investierte<br />

erst ein Fünftel eine vergleichbare<br />

Summe. Dies ergab eine Befragung von 54<br />

Unternehmen durch den bAV-Dienstleister<br />

Willis Towers Watson. Die Unternehmen reagieren<br />

damit auf gestiegene Anforderungen<br />

im Hinblick auf Prozess- und Datensicherheit.<br />

Mehr als vier Fünftel erwarten für die<br />

Zukunft eine noch stärkere Automatisierung<br />

der Administrationsplattformen. Aber auch<br />

die Erwartungen ihrer Mitarbeiter im Hinblick<br />

auf Self-Service, Verständlichkeit und<br />

intuitive Bedienbarkeit der entsprechenden<br />

Plattformen spielen bei den geplanten Investitionen<br />

eine wesentliche Rolle. Zwei Drittel<br />

der Unternehmen erwarten, dass diese Erwartungen<br />

künftig noch stärker berücksichtigt<br />

werden als bislang.<br />

„Unternehmen ziehen die längst überfällige<br />

Modernisierung der bAV-Verwaltung nach“,<br />

berichtet Dr. Michael Paulweber, Leiter<br />

Technology and Administration Solutions<br />

bei Willis Towers Watson. Dabei setzen<br />

knapp drei Viertel der Unternehmen den<br />

Stellenwert hoch an (2018: 70 Prozent).<br />

In der Vergangenheit standen zwar angesichts<br />

meist enger IT-Budgets noch andere<br />

Unternehmensbereiche im Fokus von<br />

Digitalisierungsprojekten. Aber nicht nur<br />

die durch die Studie zutage geförderten<br />

Daten lassen einen bevorstehenden Digitalisierungs-Schub<br />

erkennen. „Wir merken<br />

das ganz klar anhand einer erheblich steigenden<br />

Nachfrage“, so Paulweber. Willis<br />

Towers Watson betreut als Dienstleister die<br />

bAV-Verwaltung von rund 300 Unternehmen<br />

mit insgesamt 330.000 Leistungsbeziehern<br />

und 1,2 Millionen bAV-Anwärtern.<br />

Digitalisierungsgrad sehr heterogen<br />

In der Praxis ist der Digitalisierungsgrad<br />

der bAV-Administration sehr heterogen<br />

und insgesamt noch erstaunlich niedrig.<br />

Nur 41 Prozent der Administrationsprozesse<br />

(wie beispielsweise die Ermittlung<br />

von Rentenansprüchen) sind automatisiert.<br />

Die Gründe hierfür sind vielfältig<br />

und sehr unternehmensindividuell. „Die<br />

Vorstellung, dass große Unternehmen vorausgehen<br />

und kleine Unternehmen in der<br />

Digitalisierung der bAV-Verwaltung hinterherhinken,<br />

trifft nicht unbedingt zu“, erklärt<br />

Paulweber. Vielmehr hängt der Digitalisierungsgrad<br />

neben der Budgetsituation<br />

wesentlich von der jeweiligen bAV-Landschaft<br />

im Unternehmen ab. „So haben<br />

etwa große Unternehmen, die nach Zukäufen<br />

viele unterschiedliche Pensionspläne zu<br />

managen haben, hier eine komplexere<br />

Ausgangssituation als z.B. kleine, junge<br />

Unternehmen mit nur einem Pensionsplan,<br />

der gezielt administrationsfreundlich<br />

gestaltet wurde.“<br />

Möglich ist jedoch auch, dass Unternehmen<br />

die Erwartungen ihrer Mitarbeiter<br />

und Leistungsbezieher – gerade im Hinblick<br />

auf elektronische Kommunikation –<br />

unterschätzen. „Wir alle sind es gewohnt,<br />

im Online-Shopping schnell und unkompliziert<br />

Produkte zu vergleichen und Kaufentscheidungen<br />

umgehend zu treffen und zu<br />

übermitteln“, so Paulweber. Die bAV-Kommunikation<br />

kann mit diesen Standards bislang<br />

nicht mithalten. Derzeit kommuniziert<br />

nicht einmal die Hälfte der Unternehmen<br />

(48 Prozent) digital mit bAV-Anwärtern<br />

und nur 17 Prozent mit Leistungsbeziehern.<br />

„Wenn Unternehmen die bAV jedoch<br />

personalpolitisch als Instrument zur Mitarbeitergewinnung<br />

und -bindung einsetzen<br />

wollen, sollten sie auch die Handhabung<br />

für die Mitarbeiter ansprechend gestalten,<br />

denn nur so kann sich auch die gewünschte<br />

Wirkung entfalten“, betont Paulweber.<br />

Dringender Handlungsbedarf, aber<br />

schwierige Entscheidungsgrundlagen<br />

Angesichts neuer Technologien (z.B.<br />

Cloud-Computing, Ablösung von Softwaresystemen)<br />

erwarten fast alle Unternehmen,<br />

dass es zu grundlegenden Verän-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

57


FinanzBusinessMagazin I bAV<br />

derungen kommen wird. Rund 60 Prozent<br />

der Teilnehmer erwarten, dass Administrationsplattformen<br />

aufgrund des Technologiewandels<br />

anzupassen sind. Sogar<br />

70 Prozent gehen davon aus, dass Kommunikationsplattformen<br />

angepasst werden<br />

müssen. Etwa ein Drittel der Unternehmen<br />

wollen ihre bAV-Funktion durch den<br />

Einsatz externer Dienstleister auf den<br />

Technologiewandel vorbereiten. Ebenso<br />

viele wollen ihre Systeme und Plattformen<br />

selbst anpassen. Jeder Fünfte ist noch in<br />

der Sondierungsphase.<br />

Allerdings befinden sich die technologischen<br />

Rahmenbedingungen in einem<br />

permanenten Wandel – neue Services sind<br />

auf dem Markt verfügbar; etablierte<br />

Lösungen veralten und werden nicht immer<br />

fortgeführt. Dies erschwert die Entscheidungen<br />

für neue Technologien,<br />

während gleichzeitig ein hoher Entscheidungsdruck<br />

besteht, nicht zuletzt im Hinblick<br />

auf z. B. wachsende Informationspflichten<br />

in der bAV oder den stärkeren<br />

Fokus auf Effizienz und Sicherheit von<br />

bAV-Prozessen. „Trotz dieses Dilemmas ist<br />

abwarten und nichts tun der schlechteste<br />

Ausweg. Unternehmen sollten vielmehr in<br />

kleinen pragmatischen Schritten Prozesse<br />

vereinfachen und wo möglich automatisieren.<br />

Dazu gehört auch, Sonderregelungen abzuschaffen<br />

und Versorgungsordnungen<br />

soweit wie möglich zu harmonisieren. Das<br />

vereinfacht spätere Veränderungen in der<br />

IT-Landschaft erheblich“ empfiehlt bAV-<br />

Experte Paulweber.<br />

Autor: www.willistowerswatson.com/de<br />

Reine Beitragszusage:<br />

breite Umsetzung erst ab 2021 zu erwarten<br />

Die bAV-Community zeigt sich im<br />

Hinblick auf die reine Beitragszusage<br />

im Sozialpartnermodell sehr<br />

verhalten. Erst nach 2021 werde man solche<br />

Modelle in der Breite sehen, sagen<br />

51 Prozent. Sie werden sich gar nicht in<br />

der Breite durchsetzen, meint sogar ein<br />

gutes Drittel (38 Prozent). Dies ergab<br />

eine Umfrage im Rahmen der jährlichen<br />

bAV-Konferenz von Willis Towers Watson,<br />

die am 16. Oktober in Frankfurt stattfand.<br />

Wie die betriebliche Altersversorgung<br />

(bAV) optimal gestaltet werden kann, war<br />

eines der Schwerpunktthemen auf der Konferenz,<br />

welche die Unternehmensberatung<br />

jährlich für rund 200 bAV-Verantwortliche<br />

aus großen und mittelständischen Unternehmen<br />

ausrichtet.<br />

„Mitarbeiter wünschen sich vor allem eine<br />

sichere Altersversorgung, wie Studien<br />

von Willis Towers Watson belegen“, sagt<br />

Dr. Heinke Conrads, Leiterin Retirement<br />

Deutschland und Österreich bei Willis Towers<br />

Watson. Dies erkläre auch die Skepsis<br />

der Marktteilnehmer: „Sicherheit wird<br />

meist mit Garantien assoziiert. Dass hingegen<br />

eine bAV ohne Garantien durchaus<br />

zielführend sein kann, müssen die Tarifpartner<br />

erst einmal vermitteln – und hier<br />

scheinen sich die Player im Markt bislang<br />

schwer zu tun.“ Zwei Jahre zuvor hatte<br />

sich die bAV-Community noch optimistischer<br />

bezüglich der reinen Beitragszusage<br />

gezeigt. Auf der Willis-Towers-Watson-Konferenz<br />

2017 hatte ein Drittel der<br />

Teilnehmer Sozialpartnermodelle in der<br />

Breite schon für das Jahr 2019 erwartet;<br />

58 Prozent für nach 2019.<br />

Conrads schätzt das Für und Wider der<br />

reinen Beitragszusage wie folgt ein:<br />

„Einerseits bietet eine reine Beitragszusage<br />

gerade im Niedrigzinsumfeld<br />

durchaus eine realistische Chance auf ein<br />

höheres ergänzendes Alterseinkommen.<br />

Andererseits sind hier die erforderlichen<br />

Abstimmungen komplexer, da ein Sozialpartnermodell<br />

nicht nur auf betrieblicher<br />

Ebene, sondern zwischen den Tarifparteien<br />

vereinbart werden muss. Auch dies<br />

mag für Verzögerungen bis zur Einführung<br />

des ersten Modells gesorgt haben.“<br />

Conrads stuft die reine Beitragszusage<br />

als eine von mehreren Möglichkeiten ein<br />

und betont: „Mit den ‚klassischen‘ Gestal-<br />

58 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


AV I FinanzBusinessMagazin<br />

tungsmöglichkeiten lassen sich weiterhin<br />

gute bAV-Modelle umsetzen – wie auch in<br />

vielen Unternehmen zu sehen ist.“<br />

Ähnlich äußerte sich Prof. Bernd Raffelhüschen<br />

vom Institut für Finanzwissenschaft<br />

der Universität Freiburg, der als<br />

Key-Note-Sprecher über Demografie<br />

und Alterssicherung referierte. Auch er<br />

Quelle: © pixabay.com<br />

kritisierte die Komplexität der bAV. Er<br />

ergänzt: „Betriebliche Altersvorsorgevermögen<br />

sollten rentierlicher investiert<br />

werden dürfen. Sie sind aktuell zu anleihelastig<br />

refinanziert, sollten aber stärker<br />

in renditestarke Realkapitalinvestitionen<br />

angelegt werden.“ Gerade versicherungsförmig<br />

durchgeführte betriebliche Versorgungsmodelle<br />

sind jedoch aufgrund gesetzlicher<br />

Vorgaben gezwungen, in niedrig<br />

verzinste Anleihen zu investieren.<br />

Zu staatlich organisierten privaten Altersvorsorgemodellen,<br />

wie etwa der aktuell<br />

diskutierten Deutschland-Rente oder der<br />

Extrarente, äußerte sich die bAV-Community<br />

ebenfalls verhalten. Solche Modelle könnten<br />

die bAV allenfalls ergänzen (47 Prozent),<br />

aber nicht ersetzen (48 Prozent). Das ergab<br />

eine weitere Umfrage im Rahmen der<br />

bAV-Konferenz von Willis Towers Watson.<br />

Key-Note-Sprecher Raffelhüschen betonte<br />

in seinem Vortrag: „Altersvorsorge-Kapital<br />

gehört in die bAV oder in die Hände der<br />

Einzelpersonen, aber nicht in politische<br />

Hände.“ Conrads spricht sich angesichts<br />

der Umfrageergebnisse noch einmal für<br />

die bAV aus: „Für Mitarbeiter ist die bAV<br />

zunehmend nicht nur eine gute, sondern<br />

auch eine sehr wertgeschätzte Form der<br />

Altersvorsorge. Dabei ist es nicht entscheidend,<br />

ob die bAV als neue reine Beitragszusage<br />

oder in den langjährig bewährten<br />

Formen angeboten wird. Wichtig ist vielmehr,<br />

dass sie passend für das jeweilige<br />

Unternehmen und seine Mitarbeiter ausgestaltet<br />

wird. Dann entfaltet sie auch für<br />

das Unternehmen eine messbare Wirkung<br />

mit Blick auf Mitarbeiterbindung und<br />

-engagement.“<br />

Autor: www.willistowerswatson.com/de<br />

Pensionskassen sehen erheblich<br />

steigenden Aufwand für regulatorische<br />

Aufgaben mit deutlichen Zusatzkosten<br />

Pensionskassen stehen vor zahlreichen<br />

Herausforderungen – nicht<br />

nur im Hinblick auf das anhaltende<br />

Niedrigzinsumfeld, sondern auch auf die<br />

Regulierungsdichte, die in den vergangenen<br />

Jahren bereits erheblich gestiegen ist.<br />

Für die Zukunft befürchten Unternehmensund<br />

Branchenpensionskassen noch weiter<br />

steigenden Aufwand für die Erfüllung<br />

regulatorischer Anforderungen. Bis 2021<br />

erwartet ein knappes Drittel (30 Prozent),<br />

dass sich der Aufwand im Vergleich zum<br />

Jahr 2014 fast verdoppeln könnte (+ 75-<br />

100 Prozent). Ein weiteres knappes Drittel<br />

rechnet mit einer Aufwandssteigerung von<br />

50-75 Prozent. Dies ergab eine Umfrage<br />

unter rund 30 Vertretern von Unternehmensund<br />

Branchenpensionskassen im Rahmen<br />

des diesjährigen Pensionskassentags von<br />

Willis Towers Watson in Frankfurt am Main.<br />

„Die steigenden regulatorischen Anforderungen<br />

stellen für die meisten Pensionskassen<br />

eine besondere Herausforderung<br />

dar. Aktuell zu nennen sind dabei etwa<br />

die Umsetzung der EbAV-II-Richtlinie<br />

sowie das anstehende EIOPA- und EZB-<br />

Reporting. Dadurch gebundene Ressour-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

59


FinanzBusinessMagazin I bAV<br />

cen stehen für andere wesentliche Kernaufgaben<br />

der Pensionskassen nicht mehr<br />

zur Verfügung bzw. die Kosten steigen<br />

deutlich an“, sagt Dr. Heinke Conrads,<br />

Leiterin Retirement Deutschland und<br />

Österreich bei Willis Towers Watson.<br />

Verbesserungsfähiges<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis<br />

Bei den im Grundsatz sinnvollen regulierten<br />

Themenbereichen gilt es allerdings,<br />

das Kosten-Nutzen-Verhältnis für<br />

die Unternehmens- und Branchenpensionskassen<br />

im Blick zu behalten. Hier<br />

zeigen sich die Pensionskassenvertreter<br />

pessimistisch. Fast die Hälfte (48 Prozent)<br />

hält das Kosten-Nutzen-Verhältnis für<br />

„eher schlecht“, ein Viertel (24 Prozent)<br />

für „neutral“ und nur ein Fünftel (20 Prozent)<br />

für „eher gut“. „Wichtig wäre eine<br />

viel konsequentere Berücksichtigung des<br />

Proportionalitätsprinzips gerade für Unternehmens-<br />

und Branchen-Pensionskassen,<br />

damit eine im Grundsatz sinnvolle Regulierung<br />

nicht über das Ziel hinausschießt<br />

und damit durch unverhältnismäßige<br />

Kosten und Bürokratie ggf. selbst zu<br />

einem Risikofaktor für die Versorgung der<br />

Begünstigten wird“, betont Conrads.<br />

Komplexität der Kapitalanlage<br />

bedeutet weiteren Mehraufwand<br />

Hinzu kommt ein wesentlicher zeitlicher<br />

Mehraufwand aufgrund der gestiegenen<br />

Komplexität der Kapitalanlage. Ein Drittel<br />

schätzt ihn auf 25-50 Prozent, ein Fünftel<br />

sogar auf 50-75 Prozent. „Viele Pensionskassen<br />

begegnen dem herausfordernden<br />

Kapitalmarktumfeld mit stärker diversifizierten,<br />

an die eigene Risikostruktur angepassten<br />

und professionell gemanagten<br />

Portfolien. Dies verursacht natürlich auch<br />

einen entsprechend höheren Aufwand“,<br />

berichtet bAV-Expertin Conrads.<br />

Autor: www.willistowerswatson.com/de<br />

Deckung von Pensionsverpflichtungen:<br />

Trend zur externen Finanzierung hält an<br />

Die zielgerichtete Kapitaldeckung<br />

von Pensionsverpflichtungen – das<br />

sogenannte Funding – ist für immer<br />

mehr Unternehmen von hohem Interesse.<br />

Was sind die Motive dahinter? Dieser Frage<br />

geht eine aktuelle Studie des Beratungsund<br />

Dienstleistungsunternehmens Aon<br />

auf den Grund. Sie zeigt, welche Ziele die<br />

Unternehmen mit dem Funding verfolgen<br />

und welche Ausgestaltungen favorisiert<br />

werden. Nur knapp über zehn Prozent der<br />

befragten Teilnehmer schließt eine gesonderte<br />

Finanzierung mit separierten Vermögensmitteln<br />

längerfristig aus.<br />

Nach wie vor dominiert die Direktzusage als<br />

wichtigster Durchführungsweg die betriebliche<br />

Altersversorgung in Deutschland:<br />

Knapp 50 Prozent der Deckungsmittel (in<br />

2017: € 303,1 Mrd.) für die bAV entfallen<br />

auf die rückstellungsfinanzierte Pensionszusage.<br />

Und der Trend zur vollständigen<br />

oder teilweisen (externen) Kapitaldeckung<br />

solcher Pensionsverpflichtungen<br />

hält unverändert an: Die Studie zeigt klar,<br />

dass die überwiegende Mehrheit der befragten<br />

Unternehmen (86 Prozent) bereits<br />

eine Funding-Strategie umsetzt oder deren<br />

Umsetzung plant. Für mehr als zwei Drittel<br />

der Unternehmen, die eine Funding-<br />

Strategie verfolgen, haben sich die damit<br />

verbundenen Ziele voll erfüllt.<br />

Von den Unternehmen, die eine Funding-<br />

Strategie planen, sind CTA (Contractual<br />

Trust Arrangement, 34%) und Pensionsfonds<br />

(25%) die favorisierten Gestaltungsformen<br />

zur Umsetzung der Kapitaldeckung.<br />

„Es sind nicht nur Großunternehmen, die<br />

diese Präferenzen setzen“, konstatiert Fred<br />

Marchlewski, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

und CEO der Aon Hewitt GmbH.<br />

„Auch kleinere und mittlere Unternehmen<br />

bevorzugen das Funding. Die wichtigsten<br />

Motive für sie alle sind, die Bilanz zu verkürzen<br />

und Risiken auszulagern.“ An dritter<br />

60 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


AV I FinanzBusinessMagazin<br />

Stelle steht das Ziel, Liquiditätsrisiken zu<br />

vermindern.<br />

Die Studie spiegelt eine aktuelle Momentaufnahme<br />

wider. Auch wenn die Aussagen nicht<br />

repräsentativ sind, zeigen sie Trends in<br />

der bAV: zum einen das weiterhin große<br />

Interesse an Kapitaldeckung bzw. Gestaltungsformen<br />

wie CTA und Pensionsfonds-Lösungen,<br />

zum anderen die interessante<br />

Tatsache, dass diese längst<br />

nicht mehr nur für Großunternehmen in<br />

Frage kommen. Befragt wurden 89 Unternehmen<br />

im Frühsommer 2019 aus einem<br />

breiten Branchenspektrum, darunter<br />

Chemie, Energie, Fahrzeuge, Maschinenbau,<br />

Pharma. Die überwiegende Mehrheit<br />

der befragten Unternehmen (86 Prozent)<br />

setzt bereits eine Funding-Strategie um<br />

oder plant deren Umsetzung.<br />

Autor: www.aon.com/germany<br />

DAX30-Konzerne machen<br />

betriebliche Altersversorgung wetterfest<br />

Die jährliche Analyse der Geschäftsberichte<br />

der DAX30-Unternehmen<br />

von Aon zeigt: Die betriebliche<br />

Altersversorgung ist robust. Auch wenn<br />

die Hälfte der Unternehmen wegen der<br />

schwächelnden Kapitalmärkte in 2018<br />

einen Rückgang des Planvermögens zu<br />

verzeichnen hatte, können alle Konzerne<br />

weiterhin auf umfangreiches Deckungsvermögen<br />

zurückgreifen, das speziell für<br />

die betriebliche Altersversorgung reserviert<br />

ist. Der Deckungsgrad hat sich bei<br />

vielen DAX-Konzernen sogar verbessert,<br />

Unternehmen wie die Telekom haben ihre<br />

Kapitaldeckung sogar erheblich aufgestockt.<br />

Aon hat die Pensionsverpflichtungen und<br />

die Trends der betrieblichen Altersversorgung<br />

in den Jahresabschlüssen der<br />

DAX-Unternehmen für 2018 analysiert.<br />

Die Pensionsverpflichtungen machen bei<br />

DAX-Konzernen nach wie vor einen bedeutenden<br />

Teil der Bilanzsumme aus, im<br />

Schnitt ca. 15%. Bilanzgrößen wie Verpflichtungsumfang<br />

(+0,4%) und Planvermögen<br />

(-1%) haben sich gegenüber<br />

dem Vorjahr insgesamt kaum verändert.<br />

Der durchschnittliche Rechnungszins –<br />

der wichtigste Faktor für die Ermittlung<br />

der Pensionsrückstellungen – blieb mit<br />

1,92% konstant auf dem Niveau des Vorjahres.<br />

Die Bandbreite reicht von 1,6%<br />

(Deutsche Telekom) bis 2,3% (Deutsche<br />

Post und SAP).„Die DAX30-Konzerne<br />

sind bei ihrem internen Risikomanagement<br />

bestens aufgestellt.”, konstatiert<br />

Aon Geschäftsführer Fred Marchlewski.<br />

„Sie betreiben aktives Assetmanagement<br />

und überprüfen ihre Anlagestrategien<br />

regelmäßig, dabei werden alle wichtigen<br />

Risiken berücksichtigt. Das ist eine gute<br />

Nachricht für die betriebliche Altersversorgung,<br />

die weiterhin auf einer soliden<br />

Basis steht.”<br />

Planen müssen die Unternehmen unter<br />

anderem mit Risiken wie Zins- und Gehaltsentwicklung<br />

sowie mit demographischen<br />

bzw. biometrischen Risiken. Besonders<br />

der letzte Aspekt stand im Geschäftsjahr<br />

2018 im Fokus, da neue Sterbetafeln<br />

veröffentlicht wurden und damit aktuelle<br />

Erkenntnisse in der Bewertung der Verpflichtungen<br />

zu berücksichtigen waren.<br />

Die neuen statistischen Daten und die Anpassungen<br />

der Rechnungsgrundlagen bewirkten<br />

jedoch bei den DAX-Unternehmen<br />

– anders als bei früheren Anpassungen –<br />

nur einen moderaten Anstieg der Pensionsverpflichtungen.<br />

In den letzten Jahren wurden die Pensionspläne<br />

bei den DAX-Konzernen risikoadäquat<br />

weiterentwickelt. An die Stelle klassischer<br />

Leistungszusagen sind mehr und<br />

mehr beitragsorientierte Systeme getreten.<br />

Insgesamt machen die beitragsorientierten<br />

Zusagen inzwischen 96% der<br />

Gesamt-Zusagen aus. Außerdem räumen<br />

die Unternehmen vielfach ihren Mitarbeitern<br />

ein Wahlrecht bei der Auszahlung<br />

ein. Dadurch nimmt der Anteil der Auszahlungen<br />

in Form von Raten oder Kapital<br />

gegenüber lebenslangen Renten immer<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

61


FinanzBusinessMagazin I bAV<br />

mehr zu und Veränderungen in Lebenserwartung<br />

haben insgesamt eine geringere<br />

Auswirkung auf die Bilanzen.<br />

Zur Sicherung der Pensionsverpflichtungen<br />

findet sich bei allen DAX-Konzernen speziell<br />

reserviertes Deckungs¬vermögen. Mehr<br />

als die Hälfte der Unternehmen weist gegenüber<br />

dem Vorjahr ein geringeres Planvermögen<br />

aus, was eine direkte Folge der<br />

schwächelnden Kapitalmärkte in 2018<br />

war. Dennoch hat sich der Deckungsgrad<br />

(Verhältnis von Planvermögen zu Pensionsverpflichtungen)<br />

bei vielen DAX-Konzerne<br />

verbessert.<br />

Autor: www.aon.com/germany<br />

DAX 30-Unternehmen:<br />

Rechnungszins sorgt für Entlastung<br />

bei den Pensionsverpflichtungen<br />

Der Wert der Pensionsverpflichtungen<br />

der DAX 30-Unternehmen ist im<br />

Jahr 2018 von 380,8 Mrd. Euro auf<br />

etwa 368 Mrd. Euro gesunken. Im gleichen<br />

Zeitraum sank das Pensionsvermögen im<br />

IFRS-Abschluss von 258,0 Mrd. Euro auf<br />

etwa 250 Mrd. Euro. Der Deckungsgrad<br />

der Pensionsverpflichtungen ist mit etwa<br />

68 Prozent zwar gegenüber dem Vorjahr<br />

(69 Prozent) leicht gesunken, liegt aber im<br />

Vergleich zu den vorherigen Jahren immer<br />

noch auf überdurchschnittlichem Niveau. Dies<br />

sind die Ergebnisse einer Schätzung des<br />

Beratungsunternehmens Mercer auf Basis<br />

der Geschäftsberichte der DAX 30-Unternehmen<br />

sowie aktueller Kapitalmarktinformationen.<br />

Erhöhter Rechnungszins lässt<br />

Pensionsverpflichtungen sinken<br />

Im Jahr 2018 haben die Commerzbank<br />

und ProSiebenSat.1 Media den DAX 30<br />

verlassen, Covestro und Wirecard wurden<br />

neu aufgenommen. Dadurch sank<br />

der Verpflichtungswert um 5,4 Mrd. Euro<br />

auf 375,4 Mrd. Euro. Zum Jahresende lag<br />

der Wert mit etwa 368 Mrd. Euro um gut<br />

7 Mrd. Euro oder etwa 2 Prozent niedriger<br />

als der so angepasste Vorjahreswert.<br />

Diese Reduzierung erklärt sich in<br />

erster Linie durch den leicht gestiegenen<br />

Rechnungszins. Auch im Vorjahr war der<br />

Rechnungszins schon leicht angestiegen,<br />

die daraus resultierende Verringerung<br />

der Pensionsverpflichtungen fiel mit<br />

etwa 4 Mrd. Euro aber noch geringer aus.<br />

„Von einer deutlichen Trendwende kann<br />

noch nicht gesprochen werden“, erläutert<br />

Thomas Hagemann, Chefaktuar von Mercer<br />

Deutschland.<br />

Der Rechnungszins nach der Mercer Yield<br />

Curve, einem Verfahren zur Herleitung des<br />

Rechnungszinssatzes nach IAS 19, ist im<br />

Jahr 2018 für eine Duration von 15 Jahren<br />

von etwa 1,9 auf etwa 2,0 Prozent und für<br />

eine Duration von 20 Jahren von etwa 2,1<br />

auf etwa 2,2 Prozent gestiegen. „Die tatsächliche<br />

Zinsveränderung in den einzelnen<br />

Unternehmen hängt von der Bestandszusammensetzung<br />

und dem gewählten<br />

Zinsermittlungsverfahren ab. Wir gehen<br />

davon aus, dass die DAX 30-Unternehmen<br />

den Rechnungszins im Durchschnitt ebenfalls<br />

um etwa 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte<br />

erhöht haben“, so Hagemann weiter.<br />

Ohne eine Änderung beim Rechnungszins<br />

und ohne die Veränderung bei der<br />

Zusammensetzung des DAX wären die<br />

Verpflichtungswerte nahezu unverändert<br />

geblieben, weil Dienstzeit- und Zinsaufwand<br />

2018 in etwa genauso groß waren<br />

wie die getätigten Zahlungen. Zu beachten ist,<br />

dass es sich bei dem Rückgang der Pensionsverpflichtungen<br />

zunächst nur um eine<br />

rein bilanzielle Bewertung handelt. Die<br />

Verpflichtungen selbst sind i. d. R. nicht<br />

zinsabhängig, d. h. die späteren Versor-<br />

62 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


AV I FinanzBusinessMagazin<br />

gungszahlungen werden durch die Niedrigzinsphase<br />

im Allgemeinen und die aktuelle<br />

kurzfristige Entlastung im Besonderen<br />

grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Die bilanziellen<br />

Effekte aus der Zinsänderung<br />

werden zudem erfolgsneutral erfasst, belasten<br />

also nicht das Unternehmensergebnis.<br />

Schwieriges Aktienjahr<br />

führt zu leichter Reduktion<br />

des Pensionsvermögens<br />

Durch die geänderte Zusammensetzung<br />

des DAX 30 sank das Pensionsvermögen<br />

um gut 6 Mrd. Euro auf 251,9 Mrd. Euro.<br />

Das so angepasste Vermögen ist im Jahr<br />

2018 weiter gesunken, was vor allem auf<br />

das vergangene Aktienjahr zurückzuführen<br />

ist. Der europäische Aktienmarkt<br />

startete 2018 mit Verlusten, hauptsächlich<br />

getrieben durch die sich eintrübenden<br />

Wirtschaftsindikatoren. Danach sah es im<br />

Jahresverlauf positiver aus. Insbesondere<br />

der nordamerikanische Aktienmarkt überraschte<br />

mit hohen Renditen im dritten<br />

Quartal. Die internationalen Handelsspannungen<br />

führten jedoch dazu, dass das<br />

Aktienjahr 2018 insgesamt negativ geschlossen<br />

hat. Bei Renditen von -10 Prozent<br />

für europäische Aktien und -5 Prozent bei<br />

nordamerikanischen Aktien konnten auch<br />

die festverzinslichen Wertpapiere, die teilweise<br />

positiv rentierten, die Verluste nicht<br />

ausgleichen. Auch von den sogenannten<br />

Schwellenländern gab es in 2018 keinen<br />

positiven Renditebeitrag. Die geschätzte<br />

Gesamtrendite der DAX 30-Unternehmen<br />

liegt bei ca. -3 Prozent.<br />

Die Reduktion des Pensionsvermögens<br />

wäre jedoch noch größer ausgefallen,<br />

hätten die Unternehmen nicht zusätzliche<br />

Zuführungen zu den Planvermögen geleistet.<br />

In 2018 lagen diese schätzungsweise<br />

bei etwa 3,5 Mrd. Euro über den Auszahlungen.<br />

„Im Vergleich zur restlichen Wirtschaft<br />

in Deutschland sind die Verpflichtungen<br />

der DAX 30-Unternehmen sehr gut<br />

mit Pensionsvermögen bedeckt“, kommentiert<br />

Jeffrey Dissmann, Senior Investment<br />

Consultant bei Mercer. Zu beachten<br />

ist, dass es in Deutschland keine Pflicht<br />

gibt, Pensionsvermögen zu bilden. Aufgrund<br />

der gesetzlichen Insolvenzsicherung<br />

durch den Pensions-Sicherungs-Verein a.<br />

G. besteht auch keine Notwendigkeit, die<br />

Versorgungsberechtigten über Pensionsvermögen<br />

abzusichern. Die Bildung von<br />

Pensionsvermögen geschieht also auf rein<br />

freiwilliger Basis. Dennoch entscheiden sich<br />

immer mehr Unternehmen für die Ausfinanzierung<br />

und damit für die Bildung von<br />

eigenem Pensionsvermögen.<br />

Unternehmen müssen ihre Portfolien<br />

2019 auf Kreditausfälle vorbereiten<br />

Auch wenn es letztes Jahr Zeichen für einen<br />

Aufwärtstrend beim Rechnungszins gab,<br />

bleibt das Zinsniveau in der Eurozone<br />

weiterhin unter dem historischen Durchschnitt.<br />

Das Risiko, dass dieser Zins wieder<br />

sinken wird, besteht weiterhin. Somit sind<br />

auch zinsbedingte Erhöhungen des Verpflichtungsumfangs<br />

nicht ausgeschlossen.<br />

Dadurch werden die Unternehmen immer<br />

stärker dazu gezwungen, modernere Zusageformen<br />

ohne Garantien – insbesondere<br />

Zinsgarantien – zu wählen. „Reine<br />

Beitragszusagen werden in der Zukunft<br />

vermehrt im Fokus stehen, auch wenn die<br />

durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz<br />

geschaffenen neuen Möglichkeiten von<br />

den Tarifpartnern im Jahr 2018 noch nicht<br />

genutzt wurden“, erklärt Hagemann.<br />

Die Weltwirtschaft bewegt sich momentan<br />

auf das Ende des aktuellen Kreditzyklus<br />

zu, der in der Regel klar definierte Phasen<br />

durchläuft. Mit dem steigenden Schuldenniveau<br />

der Unternehmen steigen auch die<br />

Risiken, wodurch sich das Kreditausfallrisiko<br />

erhöht. „Wir erwarten auch weiterhin<br />

politische Entscheidungen, die sich für die<br />

Unternehmen kurzfristig positiv auswirken<br />

werden, sowie unterstützende makroökonomische<br />

Bedingungen. Jedoch gilt es<br />

schon jetzt, Wertpapierportfolien so anzupassen,<br />

dass Ausfälle möglichst minimiert<br />

werden können“, so Dissmann. „Ähnlich<br />

wie 2018 werden auch in diesem Jahr politische<br />

Konflikte äußert relevant für den<br />

Kapitalmarkt sein. Die gegenläufige Entwicklung<br />

des Anleihen- und Aktienmarkts,<br />

die zunehmend restriktivere Geldpolitik der<br />

Zentralbanken und die möglichen politischen<br />

Konflikte der großen Volkswirtschaften<br />

sind Themen, die von Kapitalanlegern<br />

Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft<br />

fordern.“<br />

Autor: www.mercer.de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

63


FinanzBusinessMagazin I bAV<br />

Betriebliche Altersversorgung viel<br />

Luft nach oben<br />

Das Anfang 2018 in Kraft getretene<br />

"Betriebsrentenstärkungsgesetz"<br />

(BRSG) soll die Verbreitung der<br />

betrieblichen Altersvorsorge (bAV) stufenweise<br />

vorantreiben. In der Praxis hapert<br />

es damit aber noch deutlich: fast drei<br />

Viertel (71%) der Erwerbstätigen kennen<br />

das BRSG bisher überhaupt nicht, und die<br />

Mehrheit der Arbeitnehmer zeigt sich vom<br />

Engagement und von den Angeboten ihrer<br />

Arbeitgeber zur bAV nur wenig begeistert.<br />

Daran hat auch der Anfang 2019 für Neuverträge<br />

verpflichtend eingeführte Arbeitgeber-Zuschuss<br />

von mindestens 15 Prozent<br />

des umgewandelten Entgelts (bei Sozialversicherungsersparnis)<br />

bislang wenig<br />

geändert. Viele Arbeitgeber - insbesondere<br />

kleinere und mittlere Betriebe, die den<br />

Großteil der Beschäftigungsverhältnisse<br />

ausmachen - verhalten sich in puncto bAV<br />

weiterhin passiv, motivieren ihre Mitarbeiter<br />

nur wenig zum Abschluss. Aktuell hat nur<br />

etwa jeder zweite sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte in Deutschland eine<br />

bAV abgeschlossen; Tendenz: stagnierend.<br />

Dies sind Ergebnisse der aktuellen<br />

Ausgabe des «Trendmonitor Finanzdienstleistungen»<br />

des Marktforschungsinstituts<br />

Nordlight Research. Rund 1.000 erwerbstätige<br />

Bundesbürger ab 18 Jahren wurden<br />

im August und September 2019 ausführlich<br />

zu ihren Einstellungen und ihrem Verhalten<br />

zu den Vorsorgeprodukten "Betriebliche<br />

Altersvorsorge" (bAV) und "Berufsunfähigkeitsversicherung"<br />

(BU) befragt.<br />

ABSCHLUSSHÜRDEN UND<br />

ABSCHLUSSTREIBER FÜR DIE<br />

BETRIEBLICHE ALTERSVORSORGE<br />

Haupthürde für den Abschluss einer bAV<br />

stellt aus Sicht der Erwerbstätigen die<br />

mangelnde Aktivität der Arbeitgeber dar.<br />

Daneben spielen auch die Höhe des Eigenbetrags<br />

und Zweifel an der Rentabilität eine<br />

Rolle. Kommt es zum Abschluss einer bAV,<br />

wird dies in drei Viertel der Fälle (74%)<br />

vom Arbeitgeber initiiert, deutlich seltener<br />

von den Arbeitnehmern selbst. Kenntnisse<br />

Quelle: © Photographee.eu - Fotolia.com<br />

und Aktivitäten der Beschäftigten zur bAV<br />

sind im Durchschnitt gering ausgeprägt.<br />

Tendenziell ist die Unzufriedenheit der Erwerbstätigen<br />

mit dem Engagement und<br />

den Angeboten der Arbeitgeber zur bAV<br />

in kleineren und mittleren Betrieben<br />

etwas stärker ausgeprägt als in großen.<br />

Primär entscheidend für den Abschluss einer<br />

bAV ist am Ende meist der Arbeitgeberzuschuss.<br />

Aktuell sind etwa ein Drittel der<br />

bisher abgeschlossenen bAV-Verträge rein<br />

arbeitgeberfinanziert, zwei Drittel hingegen<br />

über Entgeltumwandlung (mit Arbeitgeberzuschuss).<br />

"Zentrale Stellschraube<br />

für die Stärkung der bAV sind die Arbeitgeber",<br />

sagt Dr. Torsten Melles, Geschäftsführer<br />

bei Nordlight Research. "Um<br />

die politischen Ziele des BRSG zu erreichen,<br />

braucht es insbesondere für kleinere<br />

und mittlere Arbeitgeber stärkere Impulse.<br />

Vermehrte fachliche Unterstützung,<br />

positive Vermittlungsanreize und auch<br />

eine Reduzierung der Verwaltungsaufwände<br />

können Ansatzpunkte sein, die bAV aus<br />

ihrem gegenwärtigen Status als eher ungeliebtes<br />

Low-Involvement-Produkt herauszuholen."<br />

Gegenwärtig naiv erscheint<br />

hingegen, aufgrund des BRSG von den<br />

Erwerbstätigen selbst mehr Eigenaktivität<br />

zur bAV zu erwarten. Lediglich 15 Prozent<br />

der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />

wissen zumindest einigermaßen,<br />

was das Gesetz überhaupt anstrebt. Erwartet<br />

wird ein Impuls von Seiten des<br />

Chefs.<br />

64 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


AV I FinanzBusinessMagazin<br />

BERUFSUNFÄHIGKEITSVERSICHERUNG:<br />

OFT NOCH ZU TEUER - SCHLANKERE<br />

ANGEBOTE GEFRAGT<br />

Generell haben klassische Markenanbieter<br />

gegenüber Fintechs, Insurtechs und großen<br />

Digitalkonzernen immer noch die Nase vorn.<br />

So kommen für die deutschen Verbraucher<br />

beim Abschluss einfacher Bankprodukte<br />

(Girokonto etc.) bevorzugt Sparkassen,<br />

Volks-/ Raiffeisenbanken, ING, Postbank<br />

und Commerzbank in Frage. Präferierte<br />

Anbieter für den Abschluss einfacher Versicherungsprodukte<br />

(Hausrat / Kfz etc.) sind die<br />

HUK-Coburg / HUK24, Allianz, R+V, Ergo<br />

und Axa. Neue Anbieter liegen zumeist erst<br />

am Ende der Präferenz-Rankings.<br />

Autor: www. nordlight-research.com<br />

Betriebsrentner werden entlastet<br />

Pflichtversicherte Betriebsrentnerinnen<br />

und Betriebsrentner werden<br />

ab dem 1. Januar <strong>2020</strong> um 1,2 Milliarden<br />

Euro jedes Jahr entlastet. Der<br />

Deutsche Bundestag stimmte am Donnerstag<br />

dem „Gesetz zur Einführung eines Freibetrages<br />

in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

zur Förderung der betrieblichen<br />

Altersvorsorge“ zu. Rund vier Millionen<br />

Betriebsrentner werden von der Entlastung<br />

profitieren. Das Gesetz trat am 1. Januar<br />

<strong>2020</strong> in Kraft.<br />

Dazu erklärt Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn: „Wer zusätzlich fürs Alter<br />

vorsorgt, soll nicht dafür bestraft werden.<br />

Deshalb senken wir die Kassenbeiträge auf<br />

Betriebsrenten spürbar. Etwa ein Drittel der<br />

Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner<br />

mit kleinen Betriebsrenten zahlt weiterhin<br />

gar keinen Beitrag, ein weiteres knappes<br />

Drittel zahlt maximal den halben Beitrag.<br />

Auch Bezieher höherer Betriebsrenten<br />

werden spürbar entlastet. Wir stärken die<br />

betriebliche Altersvorsorge und machen sie<br />

attraktiver für die jüngeren Generationen.“<br />

Die wesentlichen Regelungen des<br />

Gesetzes:<br />

Ab 1. Januar <strong>2020</strong> gilt ein monatlicher Freibetrag<br />

von 159,25 Euro. Erst Betriebsrenten,<br />

die über der Freibetragsgrenze liegen,<br />

werden anteilig mit dem bei der jeweiligen<br />

Krankenkasse geltenden Beitragssatz verbeitragt.<br />

Der Freibetrag kommt also allen<br />

Betriebsrentnern zugute. Rund 60 Prozent<br />

der Betriebsrentner bekommen weniger<br />

als 318 Euro im Monat, sie zahlen somit<br />

künftig verglichen mit heute höchstens den<br />

halben Beitrag. Auch die weiteren knapp<br />

40 Prozent werden spürbar entlastet. Bislang<br />

gab es eine Freigrenze in Höhe von<br />

155,75 Euro. Betriebsrenten bis zu dieser<br />

Summe blieben beitragsfrei. Wer mehr<br />

Betriebsrente bekam, musste auf die<br />

komplette Summe den jeweiligen Krankenkassenbeitrag<br />

zahlen.<br />

Von dem Freibetrag werden auch Betriebsrentnerinnen<br />

und Betriebsrentner profitieren,<br />

die schon ihre Rente beziehen oder deren<br />

Kapitalauszahlung weniger als zehn Jahre<br />

zurückliegt. Der Freibetrag ist an die sozialversicherungsrechtliche<br />

Bezugsgröße gekoppelt<br />

und verändert sich jährlich in etwa<br />

wie die durchschnittliche Lohnentwicklung.<br />

Für die Beiträge zur Pflegeversicherung gilt<br />

weiterhin die Freigrenze.<br />

Die Mindereinnahmen der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung werden <strong>2020</strong> in<br />

vollem Umfang aus der Liquiditätsreserve<br />

des Gesundheitsfonds finanziert. Um die<br />

Mindereinnahmen von 1,2 Mrd. Euro auch<br />

in den Folgejahren stufenweise zu kompensieren,<br />

werden in den Jahren 2021<br />

bis 2023 abnehmende Beträge aus der<br />

Liquiditätsreserve entnommen. Im Jahr<br />

2021 werden 900 Millionen Euro, in 2022<br />

600 Millionen Euro und in 2023 300 Millionen<br />

Euro entnommen. Insgesamt wird<br />

damit im Zeitraum <strong>2020</strong> bis 2023 aus der<br />

Liquiditätsreserve ein Entlastungsvolumen<br />

von drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.<br />

Erst ab dem Jahr 2024 müssen die<br />

Krankenkassen die Beitragsausfälle in voller<br />

Höhe tragen.<br />

Autor: www.bundesgesundheitsministerium.de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

65


FinanzBusinessMagazin I RENTENVERSICHERUNG<br />

Wer besser verdient,<br />

lebt zunehmend länger und erhält<br />

dadurch überproportional mehr Rente<br />

Wer in seinem Leben ein niedriges<br />

Erwerbseinkommen erwirtschaftet<br />

hat, ist nicht nur einem erhöhten<br />

Altersarmutsrisiko ausgesetzt,<br />

sondern lebt auch noch kürzer als Besserverdienende.<br />

Dadurch erhalten Menschen<br />

aus den unteren Lohngruppen überproportional<br />

weniger Rentenzahlungen im<br />

Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen.<br />

Und der Abstand bei den Lebenserwartungen<br />

zu den Besserverdienenden nimmt<br />

auch noch zu. Dies sind die Ergebnisse<br />

einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts<br />

für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).<br />

Sie unterstreicht damit, wie wichtig<br />

eine Aufwertung der unteren Rentenansprüche<br />

wäre, um die Verhältnismäßigkeit<br />

wiederherzustellen und das Altersarmutsrisiko<br />

zu senken.<br />

Quelle: © StockSnap - pixabay.com<br />

Die DIW-Ökonomen Peter Haan, Daniel<br />

Kemptner und Holger Lüthen haben anhand<br />

der Administrativdaten der Deutschen<br />

Rentenversicherung untersucht, wie sich<br />

die Lebenserwartungen verschiedener<br />

Geburtsjahrgänge im Verhältnis zu den<br />

Lebenslohneinkommen im Zeitverlauf entwickeln<br />

und welche Verteilungswirkungen<br />

das für die Rente hat. Aus Gründen der<br />

erwerbsbiografischen Konsistenz wurden<br />

ausschließlich die Daten westdeutscher<br />

männlicher Arbeitnehmer erhoben, die<br />

zwischen 1926 bis 1949 geboren wurden,<br />

also die heutigen Rentenbezieher sind. Es<br />

zeigt sich nicht nur, dass die Lebenserwartung<br />

mit höheren Lebenslohneinkommen<br />

steigt. Auffällig ist auch, dass der Unterschied<br />

in der Lebenserwartung zwischen<br />

dem obersten und dem untersten Lebenslohndezil<br />

im Zeitverlauf zunimmt. Lag er<br />

für die ältesten Geburtsjahrgänge noch<br />

bei vier Jahren, erhöht er sich für die Jahrgänge<br />

1947 bis 1949 auf sieben Jahre.<br />

Dieser Zusammenhang zwischen Lebenslohneinkommen<br />

und Lebenserwartung<br />

wird künftig auch bei Frauen auftreten, da<br />

diese zunehmend längere Erwerbsbiografien<br />

und damit höhere Lebenslohneinkommen<br />

erzielen.<br />

Die Ungleichheit im gesetzlichen<br />

Rentensystem steigt<br />

„Menschen mit niedrigem Lebenslohneinkommen<br />

beziehen also nicht nur weniger,<br />

sondern auch kürzer Rente, was dem<br />

Äquivalenzprinzip der Gesetzlichen<br />

Rentenversicherung widerspricht. Und<br />

diese Ungleichheit steigt“, sagt Studienautor<br />

Holger Lüthen. Die Idee dieses Äquivalenzprinzips<br />

ist es, dass jeder relativ zu<br />

seinen eingezahlten Beiträgen gleich viel<br />

aus der Rentenversicherung ausbezahlt<br />

bekommt. Dies basiert allerdings auf der<br />

Annahme, dass die Lebenserwartung innerhalb<br />

eines Jahrgangs gleich ist und<br />

sich nicht nach Einkommen unterscheidet.<br />

Durch die tatsächlich festgestellten unterschiedlichen<br />

Lebenserwartungen wird dieses<br />

Prinzip aber unterlaufen: Die Arbeitnehmer<br />

erhalten relativ zu ihren geleisteten<br />

Beiträgen umso mehr Rentenzahlungen,<br />

je höher ihr Lebenseinkommen war. „Dies<br />

hat insofern eine Verteilungswirkung, als<br />

die Lebenseinkommen nun insgesamt, einschließlich<br />

des Renteneinkommens, ungleicher<br />

werden“, sagt Studienautor Daniel<br />

Kemptner. Berücksichtigt man die Mortalitätsraten<br />

nach Lebenslohneinkommen<br />

nicht, sinkt die reale Rendite über die Lohndezile.<br />

Anders sieht es aus, wenn die Mortalitätsraten<br />

berücksichtigt werden: Je niedriger<br />

das Lebenslohndezil, desto niedriger<br />

66 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


RENTENVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

die reale Rendite. Eine Ausnahme ist hier<br />

das unterste Lohndezil, das die Möglichkeiten<br />

zur Frühverrentung und Erwerbsminderung<br />

verstärkt in Anspruch genommen<br />

hat. „Menschen mit niedrigem Lebenslohneinkommen<br />

beziehen also nicht nur weniger,<br />

sondern auch kürzer Rente, was dem<br />

Äquivalenzprinzip der Gesetzlichen Rentenversicherung<br />

widerspricht“ Holger Lüthen.<br />

Dieser generelle Effekt tritt auch auf, wenn<br />

die Witwenrenten, die rund ein Fünftel der<br />

Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung<br />

ausmachen, berücksichtigt werden.<br />

Zwar profitieren die unteren Dezile überproportional<br />

von den Hinterbliebenenrenten.<br />

Doch der generelle Befund bleibt bestehen:<br />

Die Rendite für Arbeitnehmer ist auch bei<br />

Berücksichtigung der erwarteten Rentenzahlungen<br />

an ihre Witwen umso höher, je<br />

höher ihr Lebenslohneinkommen ist.<br />

Geringere Rentenansprüche sollten<br />

aufgewertet werden<br />

Quelle: © Gerd Altmann - pixabay.com<br />

„Diese Ergebnisse machen deutlich, dass<br />

das Äquivalenzprinzip in der GRV nicht gilt<br />

und nicht als Argument gegen eine Aufwertung<br />

von geringen Rentenansprüchen<br />

überzeugt. Im Gegenteil unsere Ergebnisse<br />

sprechen für eine Aufwertung. Das würde<br />

auch der Altersarmut vorbeugen“, konstatiert<br />

Studienautor Peter Haan. Die derzeit<br />

diskutierte Grundrente – unabhängig von<br />

der Frage einer Bedürftigkeitsprüfung –<br />

wäre dabei eine Möglichkeit. Dabei sollten<br />

sonstige Alterseinkommen insbesondere<br />

von Beamten und Selbstständigen, die in<br />

der Regel geringe Ansprüche aber eine hohe<br />

Lebenserwartung haben, berücksichtigt<br />

werden oder Mindestbeitragszeiten gelten.<br />

Allerdings, geben die Autoren zu bedenken,<br />

sollte das Armutsproblem nicht nur über die<br />

Rentenversicherung aufgefangen werde. Als<br />

gesamtgesellschaftliche Herausforderung<br />

wäre es auch denkbar, steuerliche Hebel in<br />

Bewegung zu setzen, um nicht einseitig die<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu<br />

belasten. Autor: www.diw.de<br />

Lebenserwartung steigt nur noch<br />

langsam<br />

Die Lebenserwartung für neugeborene<br />

Mädchen beträgt aktuell<br />

83,3 Jahre und für neugeborene<br />

Jungen 78,5 Jahre. Wie das Statistische<br />

Bundesamt (Destatis) nach den Ergebnissen<br />

der Sterbetafel 2016/2018 weiter mitteilt,<br />

ist die Lebenserwartung in Deutschland<br />

gegenüber der letzten Berechnung<br />

(2015/2017) bei Mädchen und Jungen um<br />

etwa 0,1 Jahre gestiegen. Dies entspricht<br />

der durchschnittlichen jährlichen Veränderung<br />

der vergangenen zehn Jahre. Damit<br />

ist inzwischen ein Trend hin zu einem langsameren<br />

Anstieg der Lebenserwartung zu<br />

beobachten.<br />

Bis zur Sterbetafel 2006/2008 hatte die<br />

Lebenserwartung Neugeborener jahrzehntelang<br />

im jährlichen Durchschnitt<br />

noch um rund 0,2 Jahre bei den Mädchen<br />

und um etwa 0,3 Jahre bei den Jungen<br />

zugenommen.<br />

Im Zuge dieser Entwicklung geht auch die<br />

Differenz in der Lebenserwartung zwischen<br />

Frauen und Männern nicht mehr so stark<br />

zurück wie in den vorangegangenen Jahrzehnten:<br />

Um die Jahrtausendwende belief<br />

sie sich noch auf 6,0 Jahre zugunsten der<br />

Frauen. In den zehn Jahren danach verringerte<br />

sich der Unterschied dann um<br />

ein Jahr auf 5,0 Jahre und nahm danach<br />

nur noch leicht ab. Er beträgt nach den<br />

Ergebnissen der aktuellen Sterbetafel<br />

2016/2018 noch 4,8 Jahre.<br />

Im Vergleich der einzelnen Bundesländer<br />

haben Frauen in Baden-Württem-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

67


FinanzBusinessMagazin I RENTENVERSICHERUNG<br />

berg aktuell mit 84,1 Jahren sowie dort<br />

lebende Männer mit 79,7 Jahren nach<br />

wie vor die höchste Lebenserwartung bei<br />

der Geburt. Die niedrigsten Werte weisen<br />

weiterhin Frauen im Saarland mit 82,1 Jahren<br />

sowie Männer in Sachsen-Anhalt<br />

mit 76,3 Jahren auf. Die Differenz in<br />

der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern<br />

zugunsten der Frauen ist mit<br />

6,4 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern<br />

am größten und in Hessen mit 4,3 Jahren<br />

am geringsten.<br />

Autor: www.destatis.de<br />

Quelle: © Alexander Kliem - pixabay.com<br />

Umfassende Renteninformation:<br />

Kompliziert, aber machbar<br />

Wieviel Rente werde ich einmal<br />

bekommen? Die Antwort auf<br />

diese Frage könnte künftig<br />

leichter werden. Das Beratungsunternehmen<br />

Aon und die Universität Ulm haben<br />

jetzt in einem Forschungsprojekt für das<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />

(BMAS) und das Bundesministerium<br />

der Finanzen (BMF) den Weg zu einem<br />

übersichtlichen Informationssystem zur<br />

Altersvorsorge skizziert. Jeder Bürger<br />

soll sich an einer zentralen Stelle darüber<br />

informieren können, was er an Rente zu<br />

erwarten hat – ganz gleich, ob als gesetzliche<br />

Rente, Betriebsrente oder Privatvorsorge.<br />

Das Fazit der Studie: Der Weg dorthin ist<br />

nicht einfach, aber machbar. Die Experten<br />

empfehlen, stufenweise zu beginnen, um<br />

schnell starten zu können. In einer ersten<br />

Stufe sollen Informationen der Vorsorgeeinrichtungen<br />

zusammengefasst werden,<br />

die schon regelmäßig sogenannte Standmitteilungen<br />

versenden. Das sind neben<br />

der gesetzlichen Rentenversicherung und<br />

Versicherungsunternehmen vor allem<br />

große Einrichtungen der betrieblichen<br />

Altersversorgung. Andere Leistungen,<br />

zum Beispiel aus der Beamtenversorgung,<br />

berufsständischen Versorgungswerken<br />

und der weiteren betrieblichen und privaten<br />

Vorsorge, können dann nach und nach<br />

ergänzt werden.<br />

„Wir haben in Deutschland eine sehr<br />

heterogene Landschaft in der Altersvorsorge.<br />

Hier die richtigen Daten auf einer<br />

Plattform zusammenzufassen, ist deshalb<br />

eine sehr herausfordernde Aufgabe. Es ist<br />

nicht sinnvoll zu warten, bis alles unter<br />

einem Hut ist”, erklären Gundula Dietrich<br />

und Dr. André Geilenkothen, beide Partner<br />

bei Aon. Sie verantworten gemeinsam<br />

mit Prof. Dr. Hans-Joachim Zwiesler von<br />

der Universität Ulm die Untersuchung.<br />

Werden die gesetzlichen Voraussetzungen<br />

zügig geschaffen, kann aus Sicht der Studienautoren<br />

in den nächsten zwei bis drei Jahren<br />

ein Pilotprojekt starten. Ziel sei es, alle<br />

Informationen der verschiedenen Vorsorgeeinrichtungen<br />

zu sammeln, zu filtern und<br />

aggregiert auf einer Plattform darzustellen.<br />

Dazu sei es aber nicht notwendig, alle Daten<br />

an einer Stelle zu speichern. Vielmehr sollen<br />

die jeweiligen Informationen erst durch die<br />

Nutzer abgerufen werden. Das sei auch im<br />

Sinne des Datenschutzes zweckmäßig.<br />

Ein stufenweises Vorgehen empfiehlt die<br />

Studie auch für die Art der Informationen.<br />

Ein kompletter Überblick für alle über die<br />

zu erwartenden Leistungen brauche Zeit:<br />

„Schon ein reiner Überblick über vorhandene<br />

Altersvorsorgeprodukte an einer zentralen<br />

Stelle würde die gegenwärtige Situation<br />

deutlich verbessern”, so Prof. Zwiesler.<br />

Die Studie empfiehlt, die Anbieter gesetz-<br />

68 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


PFLEGEVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

lich zu verpflichten, die Daten auf Anfrage<br />

zur Verfügung zu stellen, warnt jedoch<br />

vor zu detaillierten Regelungen. Eine Übergangsfrist<br />

für bereits bestehende Verträge<br />

sollte vorgesehen werden. Schließlich<br />

steht auch der einfache Export der Daten<br />

auf der Liste der Empfehlungen. Unter<br />

anderem können diese dann als Grundlage<br />

für eine fundierte Altersvorsorgeberatung<br />

dienen.<br />

„Der Bedarf an einer säulenübergreifenden<br />

Altersvorsorgeinformation ist groß.<br />

Jeder sollte auf eine aggregierte, leicht<br />

verständliche Modellrechnung über seine<br />

Altersvorsorge zugreifen können. Das<br />

wird nicht auf Anhieb gehen, doch jeder<br />

Schritt auf dem Weg dorthin ist für sich<br />

schon wertvoll. Unsere Empfehlung ist<br />

deshalb eindeutig: Nicht warten, sondern<br />

beginnen”, fasst Dietrich die Ergebnisse<br />

des Forschungsvorhabens zusammen.<br />

Autor: www.aon.com/germany<br />

Armut durch Pflegebedürftig –<br />

neue Studie kalkuliert Kosten und<br />

Verteilungswirkung<br />

Da die Pflegeversicherung derzeit nur<br />

eine Teilabsicherung bietet, stellen<br />

die Zuzahlungen zur Pflege für viele<br />

pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen<br />

ein erhebliches Armutsrisiko dar.<br />

Ein Drittel der in Heimen Gepflegten sind<br />

aktuell auf Sozialhilfe angewiesen. Eine<br />

Pflegevollversicherung, die alle Kosten<br />

für Pflegeleistungen abdeckt, würde die<br />

finanzielle Belastung deutlich reduzieren.<br />

Ob das langfristig zu finanzieren ist und<br />

was die Leistungsverbesserung für die<br />

Beitragszahler bedeutet, hat der Gesundheitsökonom<br />

Prof. Dr. Heinz Rothgang in<br />

einer neuen, von der Hans-Böckler-Stiftung<br />

geförderten Studie anhand von drei Szenarien<br />

untersucht. Dabei zeigt sich: Für die<br />

große Mehrheit der Versicherten und der<br />

Arbeitgeber sind die zusätzlichen Kosten<br />

überschaubar, wenn die Pflegeversicherung<br />

künftig als soziale Bürgerversicherung<br />

ausgestaltet würde. Aktuell müssten<br />

gesetzlich Versicherte für eine Voll-Absicherung<br />

durchschnittlich gut fünf Euro im<br />

Monat mehr bezahlen als für das Teil-Modell,<br />

im Jahr rund 65 Euro. Der zusätzliche<br />

Beitrag der Arbeitgeber wäre mit durchschnittlich<br />

25 Euro im Jahr noch geringer,<br />

kalkuliert der Wissenschaftler von der<br />

Universität Bremen. Der Beitragssatz fiele<br />

nahezu identisch aus, auch langfristig: So<br />

läge 2060 der durchschnittliche Beitragssatz<br />

in einer Pflegebürgerversicherung als<br />

Quelle:© Photographee.eu_Fotolia.com<br />

Vollversicherung nur um knapp 0,25 Prozentpunkte<br />

höher als bei einer Fortsetzung<br />

der Teil-Versicherung in der heutigen<br />

gesetzlichen Sozialen Pflegeversicherung<br />

(SPV). In der SPV sind knapp 90 Prozent<br />

der Menschen in Deutschland versichert.<br />

Auch bislang in der Privaten Pflegepflichtversicherung<br />

(PPV) Versicherte wären<br />

durch die Bürger-Vollversicherung besser<br />

abgesichert als bisher. Insbesondere bei<br />

Privat-Versicherten mit größeren Einkommen<br />

fiele der nötige Beitragsaufschlag<br />

für die erweiterten Leistungen aber höher<br />

aus.<br />

Derzeit müssen Gepflegte in stationären<br />

Einrichtungen jeden Monat im Bundesdurchschnitt<br />

rund 660 Euro aus eigener<br />

Tasche für Pflegeleistungen zahlen. Hinzu<br />

kommen die Kosten für Miete und Essen.<br />

Rechnet man auch die Zuzahlungen zur<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

69


FinanzBusinessMagazin I PFLEGEVERSICHERUNG<br />

ambulanten Pflege hinzu, müssen Pflegebedürftige<br />

allein für Pflegeleistungen jährlich<br />

rund 8,5 Milliarden Euro selber tragen.<br />

Die Eigenanteile zur Pflege sind seit Einführung<br />

der Pflegeversicherung vor über<br />

20 Jahren fast kontinuierlich und deutlich<br />

angestiegen. Und sie werden nach der derzeitigen<br />

Rechtslage weiter wachsen, weil<br />

diese zusätzliche Pflegekosten einseitig<br />

den Gepflegten zuschreibt, so die Untersuchung<br />

des renommierten Gesundheitsökonomen<br />

der Universität Bremen. Die Studie<br />

nutzt umfassende Daten aus Pflegeversicherung,<br />

amtlicher Statistik und repräsentativen<br />

Befragungen.<br />

Mehr als 50 Prozent der gesetzlich<br />

Versicherten würden für die<br />

vollständige Absicherung<br />

maximal 4 Euro im Monat zahlen<br />

Die Studie zeigt grundsätzlich positive Verteilungswirkungen<br />

einer Bürger-Vollversicherung,<br />

weil Menschen mit niedrigen und<br />

mittleren Einkommen weniger zahlen als<br />

Versicherte mit hohen Einkommen: Für die<br />

Leistungsverbesserung, die Zuzahlungen<br />

zu notwendigen Pflegeleistungen überflüssig<br />

macht, müssten die einkommensmäßig<br />

„unteren“ 50 Prozent aller SPV-Versicherten<br />

aktuell maximal 50 Euro pro Jahr<br />

beziehungsweise höchstens vier Euro im<br />

Monat an höheren Beiträgen zahlen.<br />

Nur 10 Prozent der SPV-Versicherten würde<br />

eine Umstellung auf die Voll-Übernahme<br />

der Pflegekosten in einer Bürgerversicherung<br />

pro Jahr mehr als 100 Euro zusätzlich<br />

kosten. Dabei handelt es sich um die<br />

einkommensstärksten Haushalte. In der<br />

unteren Hälfte des obersten Einkommens-<br />

Zehntels sind es im Durchschnitt 140 Euro<br />

im Jahr. Für die fünf Prozent der Versicherten<br />

mit den höchsten Einkommen stiege<br />

der Beitrag um jährlich durchschnittlich<br />

250 Euro an. Das liegt vor allem daran,<br />

dass sie neben höheren Erwerbseinkommen<br />

nennenswerte Einkünfte aus Kapitalvermögen,<br />

Vermietung oder Gewerbebetrieben<br />

haben. Diese Einkommen würden<br />

bei einer Bürgerversicherung mitgerechnet,<br />

während bislang nur von Arbeitseinkommen<br />

Beiträge erhoben werden. Zudem hat<br />

der Forscher im durchgerechneten Szenario<br />

die Beitragsbemessungsgrenze auf das<br />

Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung<br />

im Westen angehoben. Somit würden<br />

die Pflege-Beiträge bei einem Jahres-Bruttoeinkommen<br />

von 76.200 Euro gekappt und<br />

nicht schon bei 52.200 Euro.<br />

Forscher:<br />

Bürgerversicherung würde für<br />

„gerechten Lastenausgleich“ sorgen,<br />

wie ihn das Bundesverfassungsgericht<br />

fordert<br />

Auch Versicherte, die heute in der Privaten<br />

Pflegeversicherung (PPV) ebenfalls nur eine<br />

Teil-Absicherung haben, würden von den<br />

erweiterten Leistungen der Bürger-Vollversicherung<br />

profitieren. Da viele von ihnen<br />

bislang extrem niedrige Beiträge zahlen,<br />

wäre der nötige Aufschlag dafür aber höher:<br />

Im Durchschnitt müssten privat Pflegeversicherte<br />

pro Jahr rund 530 Euro mehr<br />

zahlen als bisher, ihre Arbeitgeber knapp<br />

240 Euro. Dabei gilt auch für zuvor PPV-<br />

Versicherte, dass Menschen mit geringeren<br />

Einkommen für die Vollabsicherung deutlich<br />

weniger bezahlen müssten als sehr<br />

gut Verdienende – anders als heute. Hintergrund<br />

ist, dass die Pflegeversicherung –<br />

wie die Krankenversicherung – derzeit aufgespalten<br />

ist. Rund 72 Millionen Menschen<br />

in Deutschland sind in der SPV versichert,<br />

knapp neun Millionen in der PPV. Privat<br />

pflegeversichert sein können überhaupt<br />

nur Arbeiter und Angestellte oberhalb einer<br />

Einkommensgrenze sowie Beamte und<br />

Selbständige. Zudem müssen Privatversicherte<br />

eine Risikoprüfung durchlaufen.<br />

Beides führt dazu, dass durchschnittliche<br />

Mitglieder in der PPV im Vergleich zur SPV<br />

ein um zwei Drittel höheres beitragspflichtiges<br />

Einkommen haben, zudem aktuell<br />

eine günstigere Altersverteilung aufweisen<br />

und gesünder sind, analysiert Rothgang.<br />

So haben die PPV-Versicherer aktuell nicht<br />

einmal die Hälfte der Leistungs-Ausgaben<br />

und können mit konkurrenzlos niedrigen<br />

Prämien kalkulieren.<br />

Angesichts dieser Unwucht könne von einer<br />

„ausgewogenen Lastenverteilung“, wie sie<br />

das Bundesverfassungsgericht mit Blick<br />

auf die „duale“ Gestaltung der Pflegeversicherung<br />

schon vor Jahren gefordert hat,<br />

keine Rede sein, betonen Rothgang und<br />

sein Co-Autor Dominik Domhoff. „Vielmehr<br />

zeigt sich hier aus Gerechtigkeitsüberlegungen<br />

ein deutlicher und dringender<br />

70 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


PFLEGEVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Quelle: © Bacho Foto - Fotolia.com<br />

Reformbedarf“ – der mit der Umstellung<br />

auf eine Pflege-Bürgerversicherung eingelöst<br />

werden könnte. Zudem hätten bislang<br />

PPV-Versicherte langfristig den Vorteil<br />

einer berechenbareren Kostenentwicklung.<br />

Denn durch die vergleichsweise kleine<br />

Versichertenzahl ist die PPV anfälliger für<br />

Beitragsschwankungen – und die heute<br />

relativ günstige Altersstruktur mit vielen<br />

gut verdienenden Versicherten in mittlerem<br />

Alter wird sich laut der Studie in den kommenden<br />

Jahrzehnten in ihr Gegenteil verkehren.<br />

„Mit einer Pflegebürgerversicherung werden<br />

die Gerechtigkeitsdefizite weitgehend<br />

beseitigt, die die aktuelle Aufspaltung<br />

bringt. Wird diese als Vollversicherung<br />

ausgestaltet, werden nicht nur die derzeitigen<br />

Eigenanteile bei der Pflege abgebaut.<br />

Vielmehr werden die ansonsten unmittelbar<br />

drohenden Anstiege der Eigenanteile<br />

verhindert, und zwar langfristig, ohne dass<br />

der Beitragssatz für das Gros der Versicherten<br />

und ihre Arbeitgeber nennenswert<br />

höher wäre“, erklärt Gesundheitsökonom<br />

Rothgang. Gestützt auf umfassende Daten<br />

aus sozio-ökonomischem Panel, amtlicher<br />

Einkommens- und Verbrauchsstichprobe<br />

(EVS), aus der Pflegeversicherung und aus<br />

Bevölkerungsprognosen des Statistischen<br />

Bundesamts machen die Forscher das über<br />

eine Projektion der Beitragssätze bis 2060<br />

deutlich.<br />

Da die Zahl der Pflegebedürftigen zunächst<br />

deutlich zunimmt, steigt der zur<br />

Finanzierung notwendige Beitragssatz<br />

auch im aktuellen SPV-Teilleistungsmodell<br />

– von heute 3,05 Prozent bis 2040 auf<br />

rund 3,7 Prozent. Für die Bürgervollversicherung<br />

müsste er dann bei rund<br />

4 Prozent liegen. Für das Jahr 2060<br />

veranschlagen die Forscher einen Beitragssatz<br />

von 4,9 Prozent im Status Quo<br />

und 5,14 Prozent bei einer Bürgervollversicherung.<br />

Diese Beitragssätze ergeben sich,<br />

wenn die Leistungsbeträge – anders als<br />

derzeit gesetzlich verankert – mit der<br />

Lohnentwicklung angepasst werden und<br />

nicht mit der Inflation. Ab Mitte der<br />

2050er Jahre hat die Zahl der Pflegebedürftigen<br />

dann nach den aktuellen<br />

Prognosen ihren Höhepunkt erreicht<br />

und würde in der Folge zurückgehen,<br />

während die Beitragssätze 0stagnieren.<br />

Zusätzlich zum Status Quo und zur Bürgervollversicherung<br />

haben die Forscher noch<br />

zwei Szenarien berechnet. Die Modellierungen<br />

zeigen: Würde man nur die SPV –<br />

also ohne Bürgerversicherung – auf Vollversicherung<br />

umstellen, müssten die Beiträge<br />

weitaus stärker steigen: Derzeit lägen sie<br />

um gut 0,6 Beitragspunkte über dem Status<br />

Quo, 2060 betrüge die Differenz sogar etwa<br />

1,1 Punkte. Falls man das aktuelle Modell<br />

zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln<br />

würde, ohne die Leistungen auf Vollübernahme<br />

der Pflegekosten auszuweiten,<br />

wären die Beitragssätze dagegen deutlich<br />

niedriger als im aktuellen SPV-Modell: Derzeit<br />

lägen sie um knapp 0,5 Beitragspunkte<br />

darunter, 2060 um knapp 0,7 Punkte. Das<br />

Problem der hohen Eigenanteile bliebe dann<br />

aber ungelöst.<br />

Autor: www.boeckler.de<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

71


FinanzBusinessMagazin I PFLEGEVERSICHERUNG<br />

Was stationäre Pflege kostet<br />

Wie viel Angehörige und Pflegebedürftige<br />

für Pflegeheime zahlen,<br />

unterscheidet sich von Bundesland<br />

zu Bundesland stark. Besonders der Eigenanteil<br />

ist in den vergangenen Jahren gestiegen<br />

– teilweise um 78 Prozent, zeigt<br />

eine neue Studie des Instituts der deutschen<br />

Wirtschaft (IW).<br />

Stationäre Pflege ist in vielen deutschen<br />

Regionen recht teuer: Monatlich werden<br />

schnell 3.000 Euro und mehr fällig, für<br />

Mahlzeiten, Zimmerreinigung, den Unterhalt<br />

des Gebäudes und natürlich für die<br />

Pflege selbst. Die Kosten für Unterkunft<br />

und Verpflegung müssen die Pflegebedürftigen<br />

selbst tragen, die Kosten für die<br />

Pflegeleistungen hingegen nur zum Teil:<br />

Den Rest zahlt die gesetzliche Pflegeversicherung.<br />

Dennoch bleibt ein großer Eigenanteil<br />

übrig, den die Betroffenen schultern<br />

müssen – und dieser Eigenanteil unterscheidet<br />

sich in den Bundesländern stark,<br />

zeigt eine neue IW-Studie: Demnach ist<br />

Pflege in Baden-Württemberg, Bayern und<br />

Berlin bundesweit für die Betroffenen am<br />

teuersten. In Baden-Württemberg zahlen<br />

Pflegebedürftige aktuell monatlich 953 Euro<br />

aus eigener Tasche, 15 Prozent mehr als<br />

2018. In Berlin werden 915 Euro fällig, in<br />

Bayern 864.<br />

Eigenanteile sind stark gestiegen<br />

Am günstigsten ist Pflege in den neuen<br />

Bundesländern. In Thüringen zahlen Pflegebedürftige<br />

und ihre Angehörigen monatlich<br />

355 Euro, in Sachsen 442 Euro. Gleichzeitig<br />

sind hier die Eigenanteile im vergangenen<br />

Jahr am stärksten angestiegen: In Mecklenburg-Vorpommern<br />

zahlen Pflegebedürftige<br />

in diesem Jahr rund 78 Prozent mehr<br />

als im Vorjahr, in Sachsen 59 Prozent mehr.<br />

„In der Öffentlichkeit entsteht oft der Eindruck,<br />

dass Pflege in den vergangenen<br />

Jahren deutlich teurer geworden ist“, sagt<br />

IW-Studienautorin Susanna Kochskämper.<br />

„Für die Gesamtkosten stimmt das nur teilweise.<br />

Allerdings sind die Eigenanteile in<br />

allen Bundesländern stark gestiegen.“<br />

Rückgang der Versicherungsleistung<br />

Das liegt hauptsächlich daran, dass in der<br />

Vergangenheit der Versicherungsanteil an<br />

den Pflegekosten immer weiter zurückgegangen<br />

ist. Eine Pflegereform sollte das<br />

korrigieren – allerdings scheint das nicht<br />

nachhaltig gelungen zu sein. Höhere Löhne<br />

in der Pflegebranche haben dafür gesorgt,<br />

dass die Pflegekosten steigen – und mit<br />

ihnen die Eigenanteile. Die Versicherungen<br />

haben ihre Leistungen seit 2017 nicht mehr<br />

erhöht. Hinzu könnte ein weiterer, durchaus<br />

politisch gewünschter Effekt treten:<br />

Leben in den Pflegeheimen mehr Menschen<br />

mit hohen Pflegegraden, erhöht dies die<br />

Pflegekosten und damit ebenfalls die Eigenanteile.<br />

Das IW hat in einer kürzlich erschienen<br />

Studie einen Vorschlag gemacht,<br />

wie sich die Pflegefinanzierung besser<br />

gestalten ließe.<br />

Quelle: © s_l - Fotolia.com<br />

In den Jahren seit Einführung der einrichtungseinheitlichen<br />

Eigenanteile ist in allen<br />

Bundesländern eine deutliche Zunahme<br />

dieses selbst zu tragenden Anteils an den<br />

Pflegekosten zu beobachten – allerdings<br />

auch hier wieder in einer großen Varianz<br />

zwischen knapp 9 Prozent (Berlin) und<br />

knapp 66 Prozent (Thüringen). Welche<br />

Gründe der Anstieg der einrichtungseinheitlichen<br />

Eigenanteile in den letzten beiden<br />

Jahren hat, kann aufgrund der noch nicht<br />

öffentlich zugänglichen Daten zu den<br />

Pflegesätzen bisher nicht genau untersucht<br />

werden. Deshalb werden hier nur einige<br />

Hypothesen formuliert, die es in Zukunft<br />

genauer zu untersuchen gilt.<br />

Autor: www.iwkoeln.de<br />

72 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


KRANKENVERSICHERUNG I FinanzBusinessMagazin<br />

Gesetzlich Versicherte setzen<br />

auf digitale Gesundheitsservices<br />

Unterstützung bei der Arzt- und<br />

Krankenhaussuche, Expertenberatung<br />

während einer Behandlung<br />

oder Reha und Gesundheits-Checks:<br />

Zwei von drei gesetzlich Versicherten in<br />

Deutschland erwarten, dass ihre Krankenkasse<br />

solche Dienstleistungen zukünftig<br />

über digitale Kanäle anbietet. Auch andere<br />

Online- und Mobile-Services sind von großem<br />

Interesse. Die Studie „Die Erfolgsformel<br />

für Krankenkassen: Interagieren, intensivieren,<br />

differenzieren“ der internationalen<br />

Managementberatung Bain & Company<br />

macht die wachsende Bedeutung digitaler<br />

Angebote in der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

deutlich. Sie identifiziert Stellhebel,<br />

mit denen sich die Kundenloyalität<br />

steigern lässt. Bain hat für die Studie mehr<br />

als 3.400 Versicherte bei 18 großen Krankenkassen<br />

in Deutschland gefragt.<br />

Zahl der zufriedenen Kunden überwiegt<br />

Die mit dem Net Promoter Score® (NPS®)<br />

messbare Kundenloyalität unterscheidet<br />

sich von Krankenkasse zu Krankenkasse<br />

deutlich. Besonders hohe NPS-Werte erzielten<br />

erneut die Techniker Krankenkasse,<br />

die AOK PLUS sowie die Knappschaft. Im<br />

Vergleich zur letzten Bain-Studie 2016 sind<br />

die Verfolger gerade im oberen Drittel näher<br />

herangerückt. Zudem haben viele der 2016<br />

schlechter bewerteten Krankenkassen ihre<br />

Position verbessert. Mit einem durchschnittlichen<br />

NPS von 14 Prozent sind die gesetzlich<br />

Krankenversicherten allerdings relativ loyal.<br />

Entscheidend für einen hohen Loyalitätswert<br />

ist regelmäßige Interaktion. Je weniger Zeit<br />

seit dem letzten Kontakt mit der Krankenkasse<br />

vergangen ist, desto höher ist der NPS. Innovation<br />

ist der zweite wichtige Treiber. Der<br />

Beitragssatz hingegen hat eine vergleichsweise<br />

geringe Bedeutung für die Kundentreue<br />

(Abbildung). „Mit dem Ausbau ihrer<br />

digitalen Services können Krankenkassen<br />

ihre Innovationskraft unter Beweis stellen<br />

und regelmäßige Interaktionen mit den<br />

Kunden erleichtern“, erklärt Dr. Christian<br />

Kinder, Bain-Partner und Co-Autor der<br />

Studie. „Beides fördert die Loyalität der<br />

Kunden.“ Eine starke Kundenbindung hat<br />

unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen.<br />

Denn je höher der NPS ist, desto mehr neue<br />

Versicherte kann eine Krankenkasse<br />

tendenziell pro Jahr gewinnen.<br />

Unter 35-Jährige<br />

sind digital deutlich aktiver<br />

In puncto Interaktion ist für die Versicherten<br />

noch immer das persönliche Gespräch<br />

in der Geschäftsstelle am wichtigsten.<br />

Neben E-Mails werden in Zukunft auch<br />

andere digitale Kanäle wie Websites, Apps<br />

und Onlinechats an Bedeutung gewinnen.<br />

Dies spiegelt sich auch in der hohen Erwartungshaltung<br />

der Versicherten<br />

in Bezug auf Online- und Mobile-Services<br />

wider. Rund 16 Prozent der unter 35-Jährigen<br />

nutzen bestehende Angebote bereits,<br />

bei den über 35-Jährigen sind es 11 Prozent.<br />

Bain-Partnerin und Studien-Co-Autorin<br />

Mareike Steingröver ist überzeugt: „Der<br />

Griff zum Smartphone oder Tablet wird in<br />

Zukunft auch bei Gesundheitsthemen zur<br />

Selbstverständlichkeit. Und die Krankenkassen<br />

können dabei zur bevorzugten<br />

Anlaufstelle zu werden.“<br />

Ökosysteme mit zusätzlichen Gesundheitsservices<br />

werden diesen Trend verstärken<br />

und einen persönlichen, emotionalen Mehrwert<br />

für die Versicherten schaffen. Bislang<br />

überzeugen die gesetzlichen Krankenversicherungen<br />

am stärksten bei funktionalen<br />

Themen wie der Produkt- und Servicequalität<br />

oder der Angebotsauswahl. „Die Profile<br />

der Krankenkassen gleichen sich, eine klare<br />

Differenzierung fehlt bisher“, so Steingröver.<br />

Bonusprogramme als erster Schritt in<br />

Richtung Ökosysteme<br />

Gesundheitsökosysteme, die die Krankenkassen<br />

zunehmend aufbauen, werden<br />

das ändern. Ein Baustein sind Bonusprogramme,<br />

die eine gesunde Lebensweise<br />

honorieren. Krankenkassen arbeiten dafür<br />

mit verschiedenen Dienstleistern – bei-<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

73


FinanzBusinessMagazin I KREDITVERSICHERUNG<br />

spielsweise Fitnessstudios – zusammen. So<br />

bieten sie ihren Kunden Leistungen, die über<br />

die klassische Versicherung hinausgehen.<br />

„Der Aufbau eines Gesundheitsökosystems<br />

ist für gesetzliche Krankenversicherer die<br />

größte strategische Herausforderung, um<br />

ihre Kunden auch in Zukunft an sich zu<br />

binden“, betont Bain-Partner Kinder.<br />

Darüber hinaus gilt es, den Kunden in den<br />

Mittelpunkt zu rücken und Kundenorientierung<br />

im Unternehmen wirklich zu leben.<br />

Mithilfe von Online- und Mobile-Services<br />

kann die Kontaktfrequenz auch zu solchen<br />

Kunden ausgebaut werden, die wenig<br />

Leistungen in Anspruch nehmen. Kinder<br />

ist überzeugt: „Mit kundenorientierter<br />

Interaktion, regelmäßigerem Kontakt und<br />

einer stärkeren Differenzierung über<br />

Ökosysteme sind die Krankenkassen für<br />

den Wettbewerb der kommenden Jahre gut<br />

gerüstet.“<br />

So berechnet sich der NPS<br />

Der Net Promoter Score® (NPS®) von Bain<br />

ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige<br />

Frage: „Auf einer Skala von null bis zehn, wie<br />

wahrscheinlich ist es, dass Sie Ihre Krankenkasse<br />

einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“<br />

Die Antworten werden drei Kategorien<br />

zugeordnet. Die Erfahrung gezeigt, dass nur<br />

Werte von neun oder zehn für wirklich loyale<br />

Kunden stehen („Promotoren“), sieben und<br />

acht passiv Zufriedene sind und Bewertungen<br />

von sechs oder weniger als Kritiker eingestuft<br />

werden müssen. Wird der Anteil der Kritiker<br />

von dem der Promotoren subtrahiert, ergibt<br />

sich der NPS.<br />

Autor: www.bain.com/de<br />

Gesetzliche Neuregelung zeigt Wirkung:<br />

Nutzung von<br />

Restkreditversicherungen geht zurück<br />

Ratenzahlungen bei Verbraucherkrediten<br />

können durch eine Restkreditversicherung<br />

(RKV) abgesichert<br />

werden. Aktuell sind 23 Prozent<br />

aller Ratenkredite versichert. Dies ist die<br />

niedrigste Versicherungsquote innerhalb<br />

der letzten zehn Jahre. Zu diesem Ergebnis<br />

kommt eine aktuelle Verbraucherbefragung,<br />

die der Bankenfachverband im<br />

Rahmen einer Marktstudie jährlich durchführt.<br />

Die gesetzliche Neuregelung der<br />

Restkreditversicherung in 2017 mit erhöhten<br />

Auflagen für die Banken zeigt aus<br />

Sicht des Verbandes ihre Wirkung. Zwar<br />

entscheiden sich weniger Verbraucher für<br />

eine Versicherung, wer sich versichert<br />

hat, ist mit dieser Entscheidung aber<br />

mehrheitlich zufrieden.<br />

Zufriedenheit bleibt hoch<br />

Zwei Drittel der Kunden, die eine Restkreditversicherung<br />

abgeschlossen haben,<br />

sind mit ihrer Produktauswahl zufrieden.<br />

Nur sieben Prozent teilen diese Einschätzung<br />

nicht und rund ein Viertel ist neutral eingestellt.<br />

„Nach wie vor haben Kreditkunden<br />

ein hohes Absicherungsbedürfnis beim<br />

Kreditabschluss“, erläutert Jens Loa, Geschäftsführer<br />

des Bankenfachverbandes.<br />

Die große Mehrheit aller Verbraucher ist<br />

der Meinung, dass Banken beim Abschluss<br />

eines Kredits über mögliche Risiken informieren<br />

müssen. Mehr als 70 Prozent sehen<br />

die Banken in der Pflicht, bereits beim<br />

Kreditabschluss die Absicherungsoptionen<br />

der Restkreditversicherung aufzuzeigen<br />

und anzubieten.<br />

Weiteren Regulierungsbestrebungen erteilt<br />

Loa daher eine Absage: „Die Restkreditversicherung<br />

ist ein wichtiges Mittel zur Überschuldungsprävention,<br />

das im Sinne der<br />

Verbraucher erhalten bleiben muss“. Mit<br />

einer Selbstverpflichtung hatte der Bankenfachverband<br />

Anfang 2019 weitere verbraucherfreundliche<br />

Maßnahmen zur RKV veröffentlicht.<br />

Weitere Informationen finden sich<br />

unter: www.rkv-pro-verbraucher.de.<br />

Autor: www.bfach.de<br />

74 <strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong>


Für Ihre Notizen:<br />

Quelle: © sepy - Fotolia.com<br />

<strong>VERSICHERUNGEN</strong> <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

75


Für Entscheider der Finanzbranche:<br />

Banken unterschätzen den<br />

Erfolgsfaktor Mensch<br />

Stresstest zeigt: Deutsche<br />

Banken und Sparkassen<br />

sind widerstandsfähig<br />

Brexit führt nicht zu<br />

Gehaltsanstieg in Banken<br />

Bauwirtschaft wächst<br />

stärker als die deutsche<br />

Gesamtwirtschaft<br />

Immobilienpreisblase:<br />

Warnstufe Gelb für<br />

Deutschland<br />

Deutscher Wohninvestmentmarkt<br />

erreicht die<br />

20 Milliarden-Marke<br />

<strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

IMMOBILIEN<br />

<strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

Investmentmärkte für Seniorenwohnen:<br />

Eine wachsende Nische in Europa<br />

Anhaltender Preiskampf schmälert Gewinne<br />

im Firmenkundengeschäft der Banken<br />

Finanzsektor 4.0: Die Zukunft von Banken und Versicherungen<br />

wird mit Mut gemacht … und mit Daten<br />

Immobilien nachgefragt wie noch nie:<br />

Neuer Transaktionsrekord am deutschen Investmentmarkt<br />

zum Ende eines „Jahrzehnts der Immobilie“<br />

BANKING <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

www.FinanzBusinessMagazin.de<br />

IMMOBILIEN <strong>Ausblick</strong> <strong>2020</strong><br />

www.FinanzBusinessMagazin.de<br />

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