VdS_Journal für Astronomie_Nr 74
Die Vereinigung der Sternfreunde e.V. ist der größte überregionale Verein von Amateur-Astronomen im deutschsprachigen Raum. Wir informieren Sie über aktuelle astronomische Ereignisse sowie Neuigkeiten aus der Amateurastronomie-Szene und aus dem Verein.
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Nr. 74
3/2020
Astronomie
Journal für
ISSN 1615-0880
Zeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Merkur und Merkurtransit
ASTROFOTOGRAFIE Im Grenzgebiet zwischen Cepheus und Cassiopeia
SONNE Zyklus 25 – warum wir jetzt Magnetogramme brauchen
VDS-NACHRICHTEN Ergebnisse der Mitgliederbefragung 2019
Editorial
Liebe Sternfreundinnen,
liebe Sternfreunde,
seit dem letzten Editorial, das am 24. Februar geschrieben wurde, ist die Welt eine
andere geworden. Hoffentlich erreichen Sie diese Zeilen bei bester Gesundheit und
die Einschränkungen in Verbindung mit der COVID-19-Pandemie sind erträglich.
Allen, die tatsächlich vom Virus betroffen sind, sprechen wir unsere Anteilnahme aus.
Zu unserem Titelbild
Merkur ist mit bloßem Auge stets nur in
der Dämmerung erkennbar. Kein Wunder,
wenn unsere Autoren das abendliche
oder morgendliche Farbenspiel zusammen
mit Merkur im Bild festhalten
wollen. Zuweilen trifft der flinke Planet
Merkur dann auch auf andere Planeten.
Unser Titelbild von Sven Melchert zeigt
Venus und Merkur nebeneinander am
4. April 2010 bei sehr klarer Durchsicht
am Abendhimmel über Stuttgart. Zur
Verwendung kam eine Kamera Canon
30D mit Objektiv Tamron 28-300 mm bei
f = 28 mm, Blende 6,3 und ISO 400. Die
Belichtungszeit betrug 6 Sekunden.
Heute ist Montag, der 18. Mai. Seit dem Wochenende verwöhnt uns ein sternklarer
Himmel, wie es in diesem Frühjahr ungewöhnlich oft der Fall war. Ausnahmsweise
sind Beschwerden über das Wetter also nicht angebracht. Ganz im Gegenteil: viele
Hobby- und Amateurastronomen konnten die Nächte für ausgiebige Beobachtungen
nutzen. Manchen wird diese „Schönwetterkatastrophe“ schon wieder zu viel. Statt
Stau im Berufsverkehr herrscht nun Datenstau auf der Festplatte.
Die hell strahlende Venus hat für zahlreiche Anfragen gesorgt, was das denn für ein
Stern sei. Vielleicht sind auch deshalb bei manchen Astrohändlern die Regale leer
(oder die Zeit im Homeoffice hat bei einigen Zeit zum Onlineshopping ermöglicht).
Das ist in der ansonsten betrüblichen Lage doch ein gutes Zeichen.
Der im letzten Heft als potenziell besonders helle Komet angekündigte C/2019 Y4
(Atlas) hat sich auf seinem Flug in Richtung Sonnennähe in Einzelteile aufgelöst – mit
spektakulären Stadien, wie die Bilder im VdS-Forum zeigen. Bestimmt wird die Fachgruppe
Kometen in einem der nächsten Hefte die Ereignisse schildern. Leider blieb
auch der zweite Kandidat C/2020 F8 (SWAN) nach einem steilen Helligkeitsanstieg
hinter seinen Erwartungen zurück. Kometen sind eben immer für Überraschungen
gut – in beide Richtungen.
Unser Schwerpunktthema in diesem Heft beschäftigt sich hingegen mit einem Himmelskörper,
dessen Sichtbarkeit sich exakt vorhersagen lässt: Merkur. Der ist nun auch
nicht leicht zu entdecken, umso mehr haben uns die zahlreichen Artikel dazu gefreut.
Just in diesen Tagen taucht Merkur wieder einmal am Abendhimmel auf und wird
dabei Venus nah begegnen. Da Sie dies erst im Juli lesen, sei für kurzfristige Ereignisse
noch einmal auf unsere Beiträge unter facebook.com/sternfreunde und Twitter
(@astronomietag) hingewiesen. Über besonders Wichtiges wird natürlich auch auf
unserer Website www.sternfreunde.de informiert.
Apropos Astronomietag. Der für den 28. März geplante ist bekanntlich den kurz zuvor
eingeführten Beschränkungen zum Opfer gefallen. Doch viele Sternwarten und
Vereine wurden spontan online aktiv, so konnte und kann man noch am Bildschirm
bisher unbekannte Orte und Menschen kennen lernen. Die aus der Not heraus geborenen
Aktionen werden von vielen weiterverfolgt und bringen uns Sternfreunde virtuell
näher zusammen – das macht echt Freude. Wir wagen einen neuen Versuch, auch
wenn heute noch niemand abschätzen kann, wie es um unsere Freiheiten im Oktober
bestellt sein wird: der nächste Astronomietag findet am 24. Oktober statt. Über den
Termin zum Frühjahrs-Astronomietag 2021 hat der Vorstand bereits beraten. In einer
Online-Konferenz, versteht sich. Mehr dazu im nächsten Heft.
Herzliche Grüße und alles Gute
Ihr
Sven Melchert
Journal für Astronomie Nr. 74 | 1
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
SCHWERPUNKTTHEMA
Merkur und Merkurtransit
6
AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
Mit 8 Zoll unterwegs
47
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
Bleibt das Sonnensystem stabil?
72
GESCHICHTE
Der Wolfsche Sechszöller
89
VERÄNDERLICHE
Beobachtung von Exoplaneten-
Transits mit Amateurmitteln
116
SCHWERPUNKTTHEMA
1
4
5
6
7
10
12
14
16
20
22
25
26
27
28
28
30
34
42
44
45
46
47
EDITORIAL
NACH REDAKTIONSSCHLUSS
Neue Meteorkamera für Sternwarte Kirchheim
Bericht aus dem Vorstand
MERKUR UND MERKURTRANSIT
Merkur und Merkurtransit
Merkurtransit in Norddeutschland trotz ungünstiger
Wetterlage
Merkurtransit mit Hindernissen
Beobachtung des Merkurtransits am
Ratsgymnasium Peine
Was hat Saturn mit dem Merkurtransit vom
11.11.2019 zu tun?
Merkurtransit hoch drei
Merkurpassage in Schwülper bei Braunschweig
Merkurtransit mit Planetentechnik
Der Merkurtransit in Florida
Merkurtransit in Radebeul
Merkurtransit mit dem Smartphone
Merkurtransit aus Sachsen
Merkurtransit aus Berlin
Die Grenzen der Merkursichtbarkeit
Merkur in der Dämmerung
Merkur im Teleskop
Merkuraufnahmen mit langer Brennweite
Merkur am Taghimmel im Teleskop
FACHGRUPPENBEITRÄGE
AMATEURTELESKOPE/SELBSTBAU
Smartphonehalterung selbst gebaut
Mit 8 Zoll unterwegs
50
52
53
55
58
60
64
67
68
71
72
75
77
78
81
85
85
86
Mit einem 3D-Drucker zum individuellen Teleskopbauteil
Nachruf: Klaus Weyer, ein echter „Astromaniac“
ASTROFOTOGRAFIE
Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie
Grundlagen der Bildebnung in der Astrofotografie – Teil 2
Extragalaktische Bildfelder für Astrofotografen
Im Grenzgebiet von Cepheus und Cassiopeia (Teil 1)
ASTRONOMISCHE VEREINIGUNGEN
Astronomie und Schule: Die Rolle der Amateurastronomie
im Astronomie-Unterricht und in der allgemeinen
Bildung
Paten der Nacht
7. Norddeutsche Tagung der Planetenfotografen
ASTROPHYSIK & ALGORITHMEN
Eine einfache Methode zum automatisierten Fokussieren
von CCD-Kameras
Bleibt das Sonnensystem stabil?
ATMOSPHÄRISCHE ERSCHEINUNGEN
Das 17. Himmelsbeobachtertreffen des AKM
DEEP SKY
Neues aus der Fachgruppe Deep Sky
Beobachtung Galaktischer Nebel
Skyguide 2020 – 2 (Sommer)
Erratum: Beobachten mit kleiner Öffnung
GESCHICHTE
Neues aus der Fachgruppe Geschichte der Astronomie
Die astronomischen Arbeiten von Alfred Wegener
89
93
94
95
97
100
104
107
107
112
116
119
122
122
Der Wolfsche Sechszöller
JUGENDARBEIT
Auf der Jagd nach Wolkenlücken
KLEINE PLANETEN
Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten
Kosmische Begegnungen
KOMETEN
Bedeutende Kometen des vierten Quartals 2019
MOND
Neue Mondbilder
SONNE
Zyklus 25 – warum wir jetzt Magnetogramme brauchen
Sonnenfleckenminimum erreicht?
STERNBEDECKUNGEN
Streifende Sternbedeckungen durch den Mond
im 3. Quartal 2020
VERÄNDERLICHE
Entdeckung des kataklysmischen Veränderlichen 000-
BNG-512
Beobachtung von Exoplaneten-Transits mit Amateurmitteln
VDS-NACHRICHTEN
Ergebnisse der Mitgliederbefragung 2019
Wir begrüßen neue Mitglieder
Jubiläen
125
128
131
133
137
140
143
79
84
115
143
4
9
51
132
VDS VOR ORT/TAGUNGSBERICHTE
38. BoHeTa mit Fokus auf Be-Sterne und Doppelsternsysteme
SERVICE
Himmelsvorschau Juli bis September 2020
VORSCHAU
Vorschau auf astronomische Veranstaltungen Juli bis
September 2020
BEOBACHTERFORUM
UrsaMajor Observatory – Teil 2: die Technik
Unterm südlichen Sternenhimmel
Totale Sonnenfinsternis über Chile
Enkelkinder ans Teleskop!
IMPRESSIONEN
Osternacht über der Berger Kirche
Die Galaxienhaufen Abell 1495 und HCG 61
IC 1848 in der Cassiopeia
Die schmale Mondsichel
HINWEISE
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Inserenten
Impressum
Gibt es Neuigkeiten
2 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 3
Nach Redaktionsschluss
Neue Meteorkamera für Sternwarte Kirchheim
– viele Lyriden gesehen
von Sven Melchert
Seit einigen Wochen ist an der Sternwarte
in Kirchheim bei Erfurt eine neue Meteorkamera
im Einsatz. Sie ergänzt das Netz der
AllSky-Kameras der VdS-Fachgruppe Meteore,
die automatisch den Himmel nach
besonders hellen Sternschnuppen überwachen.
Es gab bereits erste Beobachtungserfolge
und jetzt auch ein tolles Video der
Lyriden-Meteore im April.
Zum 25-jährigen Jubiläum der Sternwarte
Kirchheim als „Feriensternwarte der VdS“
im Juni 2017 wollte der VdS-Vorstand den
Sternfreunden in Kirchheim eine AllSky-
Kamera zum Geschenk machen. Verbunden
mit zwei Zielen: der automatischen
Aufzeichnung von hellen Meteoren und
Ihr Beitrag im VdS-Journal für Astronomie
Nachdem wir unser Schwerpunktthema für das Journal 75 „Infrarotastronomie“ abgeschlossen
haben, möchten wir gerne auf unsere zukünftigen Schwerpunktthemen
hinweisen:
„Astrotourismus/Astrourlaub“ in Journal Nr. 76
Redaktionsschluss: 01.08.2020
Redakteur: Michael Schomann (michael.schomann@vds-astro.de)
„Doppelsterne“ in Journal Nr. 77
Redaktionsschluss: 01.11.2020
Redakteur: Robert Zebahl (fg-deepsky@vds-astro.de)
Zur Gestaltung unserer Journale benötigen wir Beiträge der Mitglieder. Dies kann sowohl
ein wissenschaftlich fundierter Artikel als auch ein einfaches Beobachtungserlebnis sein.
Außerdem soll es möglichst regelmäßig eine Galerie von Fotografien und Zeichnungen
geben. Wer nicht gerne schreibt, kann also auch auf diese Weise vertreten sein! Wir freuen
uns über alle Einsendungen!
Beiträge sollen an die zuständigen Redakteure (siehe auch Liste der VdS-Fachgruppen-
Redakteure) oder an die VdS-Geschäftsstelle (Mail/Postadresse) geschickt werden. Vorher
empfehlen wir, als Hilfestellung die Autorenhinweise zu nutzen (siehe www.vds-astro.de/
index.php?id=307). Dort finden Sie in der rechten Randspalte auch einen Musterartikel
als Vorbild und das Artikeldeckblatt zum Eintragen der wichtigsten Daten.
Mit dem Einsenden gibt der Autor gleichzeitig sein Einverständnis zum Abdruck im
„VdS-Journal für Astronomie“ und zur Veröffentlichung auf den Webseiten der VdS.
Es besteht jedoch keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge
gar nicht oder in gekürzter Form abzudrucken. Das Copyright obliegt den jeweiligen
Autoren. Die Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Die Redaktion
1 An der Sternwarte Kirchheim wurde eine neue Meteorkamera installiert (siehe Pfeil).
Genau genommen sind es sogar sieben Kameras, die den Himmel vollständig abdecken.
für einen Blick an den Sternenhimmel über
den Computer. Doch die Suche nach einem
geeigneten Gerät gestaltete sich schwierig:
damals waren Kameras noch nicht empfindlich
genug, um den Anforderungen zu
entsprechen.
Die Fachgruppe Meteore hatte sich der Sache
angenommen und verschiedene Systeme
getestet. Sirko Molau trug einen Vergleich
der besten Kameras „FRIPON“ und
„AllSky6“ auf der VdS-Tagung im Oktober
2019 vor. Sein Fazit war eindeutig: das Modell
AllSky6 von www.allskycams.com ist
für den Zweck am besten geeignet und wird
das Modell für die Himmelsüberwachung
der Fachgruppe sein.
Im März 2020 konnte endlich das Nachfolgemodell
AllSky7 an der Sternwarte
Kirchheim installiert werden (siehe Bilder).
Kaum in Betrieb, wurden bereits die
ersten Feuerkugeln aufgezeichnet. In der
Nacht vom 22. auf 23. April fand das diesjährige
Maximum des Meteorstroms der
Lyriden statt; eigentlich kein besonders
auffälliger Strom, doch dank mondloser
Nachtzeit eine gute Gelegenheit, um auf
2 Kaum aufgebaut, hatten sich Vögel die
Kamera als neuen „Aussichtspunkt“ erkoren
und beschmutzten dabei deren Plexiglashaube.
Eine Krähenattrappe sorgt seitdem
für Abschreckung.
Bericht aus dem Vorstand
von Astrid Gallus, Schriftführerin
An dieser Stelle berichtet der Vorstand der
Vereinigung der Sternfreunde e.V. über seine
Arbeit der letzten drei Monate. Seit dem
letzten Bericht hat sich einiges ereignet,
aller dings nicht in dem Sinne, wie wir es
uns gewünscht haben!
3 In der Nacht vom 22. auf den 23. April konnten zahlreiche Lyriden-Meteore detektiert
werden. Hier ein besonders helles Exemplar um 20:36 Uhr UT, links darunter das Sternbild Löwe.
Astronomietag 28.03.2020
und 24.10.2020
Der im März geplante Astronomietag gehörte
zu den ersten überregionalen Veranstaltungen,
die, astronomisch gesehen,
dem Corona-Virus zum Opfer fiel. Zunächst
dachten wir, dass einzelne Sternwarten
und Vereine besondere Konditionen
anbieten könnten, die den Bestimmungen
des Robert-Koch-Institutes und denen der
Länderregierungen entsprachen, letztlich
fiel der Astronomietag weitestgehend aus.
Die Verantwortung für die Gesundheit der
Besucher zu übernehmen, war einfach zu
groß. Ob der dieses Jahr probeweise geplante
2. Astronomietag (was sich in diesen
Zeiten als Glücksfall erweisen würde) im
Herbst stattfinden wird, steht zum Zeitpunkt
des Berichts zu diesem Journal noch
in den Sternen.
Messen und Tagungen
Wie Hohn klingt im Nachhinein auch die
Ankündigung im letzten Journal bezüglich
der Teilnahme der VdS an Messen und Tagungen
und die Vorfreude auf die persönlichen
Treffen und Gespräche vor Ort: Die
Würzburger Frühjahrstagung musste nach
sorgfältigen Erwägungen und langen Absprachen
mit der Stadt Würzburg und dem
Gymnasium abgesagt werden. Die Walter-
Hohmann-Sternwarte musste schweren
Herzens zum ersten Mal den ATT absagen,
kurz darauf folgte die Absage der AME in
Villingen-Schwenningen im Herbst. Offen
ist bis jetzt, ob die BoHeTa in Bochum
stattfinden wird oder die große Tagung der
Sternschnuppenjagd zu gehen. Auch die
neue AllSky-Kamera der Sternwarte Kirchheim
war im Einsatz und zeichnete zahlreiche
helle Meteore auf. Tobias Pfaff hat sich
die Mühe gemacht, die „Treffer“ zu einem
Film zusammen zu schneiden. Es ist wirklich
erstaunlich, mit welcher Zeitauflösung
diese Kamera(s) Meteore registrieren können.
Doch sehen Sie selbst: https://youtu.
be/mRlxLevm6AY. Mittlerweile wurde die
Software so weit verbessert, dass alle Kameras
des AllSky7-Netzwerks online aktuelle
(!) Bilder zeigen und sogar kurze Filme der
hellsten Feuerkugeln angeschaut werden
können: https://allsky7.net/.
Wer sich für Meteore interessiert, und sei
es auch nur sporadisch, dem sei das Forum
der Fachgruppe Meteore empfohlen
(auch für Atmosphärische Phänomene und
Polarlichter immer wieder ein Lichtblick):
https://forum.meteoros.de/
Fachgruppe Astronomische Vereinigungen
in Halle am 13.-15. November 2020.
Personelle Unterstützung
Was geblieben ist, ist der Aufruf zur personellen
Unterstützung der Redakteure des
VdS-Journals. Wer Freude am geschriebenen
Wort hat und sich viermal im Jahr in
netter Runde einen langen Samstag in unserer
Geschäftsstelle in Heppenheim vorstellen
kann oder aus der Ferne zuarbeiten
möchte, ist herzlich willkommen!
Ausblick
Da es sich bei den Astronomen im Allgemeinen
und den VdS-Mitgliedern im
Besonderen um sehr positiv eingestellte
Erdenbürger handelt, geht der Vorstand
davon aus, im nächsten Journal bessere
Nachrichten für Sie zu haben.
Sie sehen, bei uns ist (fast) immer etwas los!
Es grüßt Sie bis zum nächsten Mal Ihre VdS
4 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 5
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkurtransit in Norddeutschland
trotz ungünstiger Wetterlage
von Kai-Oliver Detken
Am 11. November 2019 war nicht nur
Karnevalsbeginn in den Hochburgen der
Narren, sondern es stand auch der letzte
Merkurtransit der nächsten 13 Jahre an.
Allerdings zeigte sich auch die Sonne mit
Merkur von ihrer närrischen Seite, da sie
nur für kurze Zeit zwischen den Wolken
auftauchte. So war es dieses Jahr wesentlich
aufwändiger, das Schauspiel zu beobachten
oder gar zu fotografieren, als dies noch im
Mai 2016 der Fall war. Vor drei Jahren war
der Himmel wolkenlos und die Teilnehmer
hatten eher mit der Sonneneinstrahlung zu
kämpfen als mit schlechten Sichtbedingungen.
Trotzdem öffnete die Astronomische
Vereinigung Lilienthal (AVL) [1] auch dieses
Mal wieder ihre Sternwarten und hoffte
auf kurze Durchblicke.
1 Erwartungsfrohes Hoffen auf eine Wolkenlücke (Foto: Ute Spiecker)
Merkur und Merkurtransit
Das Schwerpunktthema in diesem Heft
widmet sich dem kleinsten und sonnennächsten
Planeten: Merkur. Nach den
Transiten von 2003 und 2016 war der
Durchgang am 11. November 2019 der
letzte für weitere 13 Jahre – erst am 13.
November 2032 wird Merkur wieder vor
die Sonne treten. Die Bilder von Merkur
vor der Sonne mögen auf den ersten Blick
alle gleich aussehen: ein kleiner schwarzer
Punkt vor der großen Sonnenscheibe.
Doch die Ereignisse und Erlebnisse rund
um die Beobachtungen sind jede für sich
einzigartig.
Ohne einen Transit bleiben zur Beobachtung
von Merkur die bekannten Sichtbarkeiten
am Abend- oder Morgenhimmel.
Dazu bieten sich in jedem Jahr mindestens
zwei Phasen von jeweils einigen Tagen.
Dieser klassischen Beobachtung von
Merkur widmet sich der zweite Teil unseres
Schwerpunktthemas.
Als dritter Teil und krönender Abschluss
wird über die Beobachtung bzw. Fotografie
von Merkur mit dem Teleskop berichtet.
Wie wir feststellen durften, ist das
auch zur heutigen Zeit immer noch eine
besondere Herausforderung. Nun juckt
es in den Fingern, bei nächster Gelegenheit
selbst einmal zu versuchen, Merkur
mit langer Brennweite aufzunehmen und
dann vielleicht grobe Oberflächendetails
zu erkennen!
Die nächste gute Sichtbarkeit von Merkur
findet übrigens Anfang bis Mitte November
statt – am Morgenhimmel, wie es im
Herbst immer der Fall ist.
1 Pünktlich zum Redaktionsschluss
dieses Schwerpunktthemas tauchte
Merkur im Februar am Abendhimmel auf.
Das Bild zeigt ihn während seines Untergangs
am 6. Februar über Stuttgart.
Aufnahme: Sven Melchert.
Große Erlebnisse mit dem kleinen
Planeten wünscht allen
Sven Melchert
Dabei waren die Wettervorhersagen alles
andere als optimal und widersprachen sich
gegenseitig. So prognostizierte der astronomische
Wetterdienst meteoblue [2] eine geschlossene
Wolkendecke mit kleinen Sichtfenstern,
während Wetteronline [3] zuerst
Sonnenschein vorhersagte und dann auf
dem Satellitenbild eine Wolkendecke zum
Zeitpunkt der Transits anzeigte. Trotz der
nicht optimalen Wettervorhersagen hatten
sich einige AVL-Mitglieder mit ihrem
Equipment eingefunden (s. Abb. 1 und 2),
auch die AVL-Sternwarten wurden geöffnet.
Denn das Ereignis wurde in der Regionalzeitung
publik gemacht, und es verirren sich
normalerweise auch bei schlechten Wetterbedingungen
Besucher nach Wührden/Lilienthal.
So hätte man im schlimmsten Fall
immerhin die Sternwarten zeigen und das
Himmelsspektakel erklären können.
War das Wetter morgens noch relativ gut,
zogen mittags aber, wie durch Wetteronline
vorhergesagt, immer mehr Wolken am
Himmel auf, die eine Beobachtung nicht
nur erschwerten, sondern fast unmöglich
machten. Mit unserem Vereinsmitglied Jürgen
Ruddek waren wir telefonisch in Kontakt,
da er sich gerade in Bremen im Stadtteil
Gröpelingen aufhielt, und bekamen
von ihm die hoffnungsvolle Botschaft,
dass es dort langsam aufklarte. Zwar hielt
2 Aufbau ganz
unterschiedlicher
sich das Aufklaren bei uns in engen Grenzen,
aber man konnte die Sonne in der
Tat durch die Wolkendecke beobachten.
Allerdings meistens ohne Sonnenfilter,
weshalb an den Fotoapparaten und Tele-
Beobachtungsmöglichkeiten
(Foto: Kai-
Oliver Detken)
6 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 7
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
skopen dauernd hin- und hergewechselt
werden musste. Trotzdem kam Bewegung
in die Beobachter, die nun alles versuchten,
um einen erfolgreichen Blick auf die Sonne
mit Merkur zu erhaschen.
Zwischendurch besuchten uns wie erwartet
einige interessierte Zuschauer (Abb. 3),
wobei die meisten nach relativ kurzer Zeit
etwas frustriert wieder abzogen. Schließlich
gab es nach wie vor nicht wirklich etwas zu
sehen. Da parallel zu der AVL auch das Telescopium
[4] in Lilienthal zur Merkurbeobachtung
einlud, verteilten sich die wenigen
Besucher auf zwei Standorte. Und beim
Telescopium konnten sie dann wenigstens
etwas über die astronomische Geschichte
Lilienthals erfahren und den Nachbau des
27-Fuß-Spiegelteleskops von 1793 von Johann
Hieronymus Schroeter. So ließ sich
auch trotz des nicht optimalen Wetters noch
astronomisches Wissen vermitteln.
Erschwerend kam bei der Beobachtung
hinzu, dass sich der kleine Merkur nicht so
deutlich von der Sonnenscheibe abhebt wie
Venus. Durch die sich bewegenden Wolken
war er daher noch schwerer zu entdecken.
Wir gaben trotzdem nicht auf, bis ein Erfolgsschrei
von unserem Vereinsmitglied
Ute Spiecker kam, die Merkur immerhin
zwei Sekunden lang in ihrem Fernglas erspähen
konnte. Nun waren alle anderen
natürlich angespornt und wollten es ihr
gleichtun, leider ohne entsprechenden Erfolg.
Zwar blinzelte die Sonne immer wieder
durch die Wolkendecke, aber visuell
war es nicht mehr möglich, Merkur mit
Sicherheit zu bestimmen.
3 Trotz des schlechten Wetters kamen interessierte Besucher.
(Foto: Kai-Oliver Detken)
4 Nachweis des Merkurtransits unter erschwerten Bedingungen
(Foto: Kai-Oliver Detken)
Daher blieb die Hoffnung, dass man auf
den gemachten Bildern etwas mehr Glück
haben könnte. Aber selbst auf dem Fotoapparat-Display
konnte man vor Ort nicht
wirklich erkennen, ob die Bildversuche von
Erfolg gekrönt waren. Daher wurden immer
wieder auf gut Glück Bilder von der
Sonne geschossen – meistens ohne Filter,
da die Wolken ausreichend abschirmten.
Erst zu Hause bei der Auswertung des Bildmaterials
ließ sich erkennen, dass auch ein
paar Aufnahmen erfolgreich waren (Abb. 4).
Obwohl die Fokussierung und die dauernd
wechselnden Lichtbedingungen extrem
schwer für die fotografischen Aufnahmen
waren, hatte es dennoch geklappt.
Am Ende des Tages trudelten dann die
Erfolgs- und Frustmeldungen aus der gesamten
Republik über die VdS-Mailingliste
ein. Natürlich hatte nicht nur Norddeutschland
mit dem Wetter Probleme gehabt. Nur
Ostdeutschland und teilweise dem Ruhrgebiet
war eine wolkenfreie Sicht auf die
kleine Sonnenfinsternis vergönnt gewesen.
Abends meldete sich unser Vereinsmitglied
Alexander Alin aus der Hauptstadt Apia
von Samoa (Südhalbkugel) und schickte
seine Aufnahmen, die er morgens in der
letzten Stunde des Transits geschossen
hatte – natürlich bei besten Wetterbedingungen
(Abb. 5). Er befand sich gerade beruflich
in Neuseeland und machte für den
Merkurtransit einen kleinen Abstecher von
dort nach Samoa. Da er fast jeder Sonnenfinsternis
weltweit hinterherjagt, ist das
kein ungewöhnliches Verhalten für ihn. Er
hatte mit uns in Wührden mitgefiebert und
sorgenvoll die Wolkendecke auf den Satellitenbildern
betrachtet.
Trotzdem war auch dieser Merkurtransit in
Wührden ein Erfolg. Zwar konnten nur wenige
Teilnehmer erfolgreich einen kurzen
Blick auf den Transit erhaschen, aber das
gemeinsame Erlebnis, die Gespräche und
Andere für Astronomie zu begeistern, war
ausreichend Lohn. Es kann halt nicht jeder
Merkurtransit so schönes Wetter und optimale
Bedingungen mit sich bringen wie
der vor drei Jahren. Und schon gar nicht in
Norddeutschland.
5 Merkurtransit auf der Südhalbkugel (Foto: Alexander Alin)
Internethinweise (Stand: Januar 2020):
[1] Astronomische Vereinigung Lilienthal: www.avl-lilienthal.de
[2] Wetterdienst meteoblue mit astronomischer Seeing-Vorhersage
unter der Rubrik „Freizeit und Sport“: www.meteoblue.com
[3] Wetterdienst Wetteronline: www.wetteronline.de
[4] Historischer Nachbau der Sternwarte Lilienthal: www.telescopium-lilienthal.de
INSERENTEN
65 ATB (Burgwald)
144 APM Telescopes, Rehlingen
23 astronomie.de, Neunkirchen
33 Astroshop.de nimax GmbH, Landsberg
U4 Baader Planetarium, Mammendorf
41 Gerd Neumann jr. Entwicklung und Herstellung
feinmechanischer & optischer Instrumente
19 Kosmos Verlag, Stuttgart
U3 Optical Vision Limited, UK
29 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg
99 Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg
U2 Vesting e. K. Fachhandel für Astronomie, Hamburg
8 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 9
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkurtransit mit Hindernissen
von Monika Müller
Wie für Astronomen üblich, verfolgten die
Mitglieder des Fördervereins der Schulsternwarte
Zwickau, die sich in der Gartenanlage
„Zum Kreuzberg“ befindet, das
Wettergeschehen Anfang November und
waren freudig überrascht, dass genau am
10. und 11.11.2019 ein kleines Hoch für
klaren Himmel sorgen würde.
Leider ergab der Gerätetest am 10.11., dass
die Sonne für unsere fest montierten Teleskope
in der Beobachtungskuppel schon um
13 Uhr zu tief stand und die Beobachtungssäulen
auch nicht genutzt werden konnten,
da hier die Bäume des Naturschutzgebietes,
welches sich im Westen an das Gelände der
Sternwarte anschließt, stören.
Was nun? Werbung in Presse und Rundfunk
war bereits geschaltet und Besucher
bei schönstem Sonnenschein wieder fortzuschicken,
kam nicht in Frage. Also suchten
wir nach einem Ersatzstandort in der Nähe
der Sternwarte und wurden am Eingang
der Gartenanlage fündig. Am Insektenhotel
fanden die Mitglieder des Fördervereines
ideale Bedingungen vor. So bauten wir
dort verschiedene Beobachtungsgeräte wie
Telementoren, einen apochromatischen
Refraktor, ein Fernglas und ein Solarscope
auf. Die Verlagerung des Beobachtungsortes
aus dem Gelände der Sternwarte heraus
hatte auch einen positiven Effekt: Viele
Spaziergänger und Hundebesitzer konnten
so im Vorbeigehen für ein astronomisches
Ereignis sensibilisiert werden. Mittels Sonnenschutzfolie
und Vergrößerungseffekt
durch verschiedene Optiken konnten sie
den Merkur als kleinen schwarzen Punkt
über die Sonnenscheibe laufen sehen.
Häufig schlossen sich nach dem Schauen
vielfältige Gespräche über Astronomie im
Allgemeinen und die Zwickauer Sternwarte
im Besonderen an. Wer wollte, konnte dann
im Vortragssaal der Sternwarte noch einem
Vortrag zu Transits lauschen. Insbesondere
1 Das Sternwartengelände (Foto: Jürgen Müller)
2 Die Ausweichbeobachtungsstelle (Foto: Jürgen Müller)
für die Schüler des naturwissenschaftlichen
Profils des Peter-Breuer-Gymnasiums
war die Beobachtung des Merkurtransits
ein zusätzliches Highlight zum
Unterrichtsstoff „Orientierung am Sternhimmel/Koordinatensysteme“.
Neben der Publikumsbetreuung konnten
die Mitglieder des Fördervereines immer
wieder selbst schauen und fotografieren.
Auch ein Video des Transits konnte von
Matthias Hillmann erstellt werden. Insbesondere
für die Älteren unter uns war es
ein gelungener Beobachtungstag, da eine
Wartezeit von 13 Jahren auf den nächsten
Transit doch recht lang ist.
Für die Aufnahmen des Merkurtransits
wurde ein apochromatischer Refraktor
mit 80 mm Öffnung und 480 mm Brennweite,
Baader-Sonnenfolie der Dichte 5
und eine Kamera Canon EOS 80D verwendet.
Alle Bilder wurden mit 1/1000 s bei
ISO 1000 belichtet. Aufgrund der kurzen
Brennweite sind alle Bilder Ausschnitte der
Originale. Man sieht durch die identische
Belichtung sehr schön die Helligkeitsabnahme
und Farbänderung der Sonne bei
zunehmender Horizontnähe. Durch die
parallaktische Nachführung steht der
Horizont in der Abbildung 5 schräg.
3 Merkur vor der Sonne kurz nach dem Eintritt um 13:38 Uhr
(Foto: Matthias Hillmann).
4 Merkur- und Flugzeugtransit um 15:48 Uhr
(Foto: Matthias Hillmann).
5 Letzte Aufnahme des Merkurtransits um 16:07 Uhr kurz vor
Sonnenuntergang (Foto: Matthias Hillmann).
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Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Beobachtung des Merkurtransits
am Ratsgymnasium Peine
von Reiner Guse
Während der Schulzeit nehmen an jedem
Montag von 14:00 Uhr bis 15:30 Uhr Schülerinnen
und Schüler des Ratsgymnasiums
Peine an einer Astronomie-Arbeitsgemeinschaft
teil, die von mir in der Sternwarte
der Schule geleitet wird. Das war auch am
11.11.2019 der Fall, am Tag des Merkurtransits.
Obwohl die Wetterprognosen einige
Tage zuvor nicht optimal waren, hatten
wir in unserer Kuppel der Sternwarte entsprechende
Vorbereitungen getroffen:
– Ausstattung des 12-Zoll-Teleskops von
Meade mit einer Sonnenfilterfolie, um
damit den Durchgang direkt zu beobachten.
– Montage eines kleinen Refraktors auf
das Meade-Teleskop, um mit einer angeschlossenen
Kamera den Transit auf
einem Monitor zu zeigen und Videosequenzen
aufzunehmen. Der Refraktor
wurde ebenfalls mit einer Sonnenfilterfolie
versehen (Abb. 1).
Da der Transit bereits kurz nach 13:30 Uhr
begann, vereinbarten wir bei klarer Sicht
einen früheren Beginn der AG.
Die Wetterverhältnisse waren bei uns in
Norddeutschland an diesem Tag sehr unterschiedlich,
teilweise war es bedeckt, aber
es gab immer wieder Wolkenlücken. Hoffnungsvoll
beobachteten wir die Wetterlage
und waren hoch erfreut, als schon vor
13:30 Uhr die Wolken verschwanden. Die
ersten der 19 Teilnehmer der AG erschienen
bereits jetzt in der Kuppel. Gespannt
erwarteten wir dann den Eintritt von Merkur
vor der Sonnenscheibe; pünktlich um
13:35 Uhr bemerkten die Beobachter eine
kleine Einbuchtung am Sonnenrand, einige
Minuten später war Merkur als kleiner
schwarzer Punkt deutlich vor der Sonne
zu erkennen. Den Schülerinnen und Schülern
wurde noch einmal der Größenunterschied
zwischen Merkur und der Sonne
klar, wobei sie beeindruckt davon waren,
1 Beobachtung des Transits durch das 12-Zoll-Teleskop LX200 von Meade.
Darüber ist der Refraktor mit einer Videokamera montiert.
wie deutlich Merkur trotzdem sowohl im
12-Zoll-Teleskop als auch auf dem Monitor
zu sehen war. Außerdem wurden ihre Erkenntnisse
aus dem Astronomieunterricht
bezüglich der Umläufe der Planeten um
die Sonne anschaulich bestätigt. Bis nach
15 Uhr konnte der Transit mit nur kurzen
Wolkenunterbrechungen beobachtet werden.
(Abb. 2). Auch einige Sternfreunde
vom Astro-Stammtisch Peine waren zum
Beobachten in der Sternwarte erschienen.
Gegen 14:40 Uhr entschieden wir uns noch
einmal zur Aufnahme einer etwas längeren
Videosequenz. Kurz danach fiel einigen
auf dem Monitor ein Objekt auf, das plötzlich
schnell über den Bildschirm huschte.
Die Schülerinnen und Schüler hofften,
dass es sich um ein UFO handeln würde,
der Video ausschnitt zeigte dann, dass es
ein Flugzeug war (Abb. 3). Sternfreunde
des Astro-Stammtisches ermittelten einige
Tage später den Flugzeugtyp und mit dem
Online-Dienst Flightradar24 die Flugroute:
Es handelte sich um einen Airbus Beluga.
Mit Hilfe dieser Daten und der Videoaufnahme
konnten nun über die Winkelausdehnung
die Entfernung und aufgrund des
Sonnenstandes die Flughöhe berechnet
werden. Das Flugzeug war demnach zum
Aufnahmezeitpunkt 40 km entfernt und
hatte eine Flughöhe von 8,5 km. Eine erstaunlich
gute Übereinstimmung mit der
angegebenen Flughöhe bei Flightradar24
von 8,473 km!
Dank der guten Wetterbedingungen und
der Vorbereitungen war der Merkurtransit
für alle Beteiligten ein eindrucksvolles Ereignis.
Sowohl beim folgenden Unterricht
der Astronomie-AG als auch beim nächsten
Treffen der Sternfreunde vom Astro-
Stammtisch erfreute man sich an den aufgenommenen
Videos und Fotos und erinnerte
sich noch gern an diese gelungene
Veranstaltung.
2 Merkurtransit am 11.11.2019 zu den angegebenen Zeiten. Die Aufnahmen sind Videoausschnitte,
die durch einen Refraktor von 80 mm Öffnung und 560 mm Brennweite mit
der Videokamera ASI 120MC aufgenommen wurden.
3 Merkur- und Flugzeugtransit um 14:43 Uhr,
aufgenommen mit den Geräten wie bei Abb. 2.
Die Einzelbelichtungszeit betrug 0,011 s.
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Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Was hat Saturn mit dem Merkurtransit
vom 11.11.2019 zu tun?
von Olaf Squarra
Die bisherigen von Deutschland aus sichtbaren
Transitereignisse unserer inneren
Nachbarplaneten Merkur und Venus in der
2000er-Jahren konnte ich allesamt beobachten.
Solch ein Beobachterglück ist erstaunlich,
zudem von Norddeutschland aus! Nun
stand erneut ein Transit bevor – der kleine
Merkur sollte es wieder sein. Verlockend war
das Ereignis auf jeden Fall, da ich auch eine
neue optische Anordnung nutzen konnte,
mit der ich mir bessere Ergebnisse erhoffte.
Dann kamen die berühmten „Aber“:
– Transittag 11.11.2019
– Novemberschmuddelwetter?
– tiefer Sonnenstand (Luftunruhe?)
– dafür extra Urlaub nehmen?
– … der Merkur ist ja so klein!
– Und die Chance auf begleitende Sonnenflecken,
ja überhaupt einen winzigen
Sonnenfleck dabei zu haben, schien im
aktuellen Sonnenfleckenminimum sehr
gering …
Trotzdem behielt ich den Termin fest im
Auge und hatte die Option auf einen kurzfristig
zu nehmenden, zumindest halben
freien Tag angemeldet.
Der Termin rückte näher. Die Wettervorhersagen
versprachen zumindest kein
dauerhaft klares Wetter. So blieb es, was
dies betrifft, spannend bis zum Schluss. Am
Abend vorher bestand die Gelegenheit, den
Aufbau weitgehend vorzubereiten. Tief am
Südwesthimmel zwang sich Saturn noch
einmal förmlich auf, betrachtet zu werden.
Wie nicht anders zu erwarten, erschien
der tief stehende Planet bei höherer Vergrößerung
sehr wabbelig. Anschließend
wurde der Okularauszug mit einer 4x-Powermate
von TeleVue und einer Kamera
mit Vollformatsensor (Sony Alpha 7S)
bestückt. Die Grundbrennweite meines
Pentax-125-SDP-Refraktors (f = 800 mm)
wurde so auf ca. f = 3,2 m verlängert. Die
1 Saturn am Vorabend des Transittags
diente zur Scharfstellung des Gerätes.
Aufnahmedaten: 17:31 Uhr, t = 1/6 s,
ISO 1000, f = 3,2 m, Bildausschnitt
anschließende Scharfeinstellung diente als
Anhalt für den morgigen Transittag, um
gegebenenfalls frisch von der Arbeit kommend
nicht bei Null anfangen zu müssen
(Abb. 1). So sollte der geplante technische
Aufbau für den Merkurtransit am 11.11.2019
bestehen bleiben (Abb. 2). Mehr Brennweite
hätte bei tief stehender Sonne aufgrund der
wahrscheinlichen Luftunruhe wenig Sinn
2 Teleskop- und Aufnahmetechnik am Transittag, Geräte siehe Text
gemacht. Weniger Brennweite bei circa f =
2 m hätte zwar die gesamte Sonnenkugel
mit abgebildet, jedoch wäre Merkur sehr
winzig geblieben.
Früh zeichnete sich ab, dass der Transittag
keinen eitel Sonnenschein bieten würde. Ein
mögliches Aufreißen der Hochnebeldecke
wurde im Rahmen der Möglichkeiten mit
zunehmender Tageszeit kontrolliert. Doch
es sah nicht gut aus für meinen nördlichen
Standort in Rostock … Trotzdem juckte es
in den Fingern. Durch die Vorankündigung
des Ereignisses fiel es mir zu recht spätem
Zeitpunkt plötzlich doch leicht, für den
Rest des Tages frei zu nehmen.
Zu Hause angekommen, wurde das Fernrohr
grob in Position gebracht, der Objektivsonnenfilter
aufgesetzt und die Kamera
mit Fernauslöser installiert. Der Wind war
unangenehm frisch, so kam mangels Mittagessen
erst mal Müsli auf den Tisch. Bis
zum ersten Kontakt war noch etwas Zeit,
3 Die Sonne gibt sich ab und an zu erkennen! Übersichtsaufnahme um 13:54 Uhr
mit f = 105 mm, Bildausschnitt
der wolkenverhangene Himmel zeigte
mehr und mehr Kontraste und mitunter
kleine blaue Lücken. Es fühlte sich
einfach spannend an, und ich dachte
mir, wenn es auch nur eine Momentaufnahme
wird, dann kann ich mich freuen
und wäre dabei!
So sollte es einige Minuten nach dem
ersten Kontakt tatsächlich kommen,
jedoch ohne wirklich blauen Himmel
zu haben (Abb. 3). Die Lücken blieben
minimal, meist waren es dünne Hochnebelränder,
welche die Sonne etwas
hindurchließen. Immerhin konnte so
die Sonne im gefilterten 6x30-Sucher
eingestellt und der Montierungsmotor
zur Nachführung gestartet werden.
An der Kamera drehte ich an der ISO-
Empfindlichkeit zeitweilig auf Werte
von 51.200 oder sogar 128.000, um aufgrund
der Lichtabschwächung durch
Wolken überhaupt etwas erkennen zu
können! Für Sonnenfotografie im Alltag
ist das natürlich ein Unding. Eines
wurde auch klar: Nur Serienbilder würden
die Chance wahren, gegebenenfalls
einmal ein richtig belichtetes Bild,
das möglichst wenig Verzerrung durch
Luftunruhe aufweist, festzuhalten
(Abb. 4). Nun zeigte sich auch, dass der
gestrige Aufbau mit der kurzen Saturnbetrachtung
ein Glücksgriff war. Eine
mögliche Schärfeeinstellung am heutigen
Transittag wäre aufgrund der ständig
wechselnden Lichtverhältnisse und
starker Luftunruhe schlicht unmöglich
gewesen. Saturn sei gedankt!
Eine Reihe von ca. 100 Bildern war später
im Kasten. Die Sonne sank weiter
herab und die hochnebelartigen Verhältnisse
wurden nicht mehr besser,
sondern schlechter (Abb. 5). Ich war
trotzdem einfach fröhlich, dass der ganze
Aufbau nicht umsonst war, dass die
Technik funktioniert hatte und natürlich
dankbar dafür, dass ich erneut einen
der seltenen Transits in Teilen miterleben
durfte. Das hat Spaß gemacht!
4 Merkur vor der Sonne um 13:47 Uhr,
t = 1/40 s, ISO 320, f = 3,2 m, Bildausschnitt,
Kontrastanpassung mittels Autokorrektur in
der Apple-Vorschau
5 Merkur vor der Sonne um 14:07 Uhr, t = 1/20 s, ISO 12.800, f = 3,2 m
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Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Das Observatorium auf dem 1.845 m hohen
Wendelstein ist Teil der Universitätssternwarte
München. Von der Bergstation
der Zahnradbahn führt ein mehr als 100 m
langer Stollen zu einem Aufzug, der – direkt
durch eine Kalksteinhöhle – ins Observatoriumsgebäude
führt. Alle Geräte mussten
über diesen Weg hoch geschafft werden.
Meine Aufnahmetechnik bestand aus einer
Philips ToUCam 740K, damals das Standardgerät
der Amateure für Planetenaufnahmen,
die über USB (1.1!) von einem
Laptop gesteuert wurde. Die Abbildung 2
zeigt den Aufbau: Die Webcam wurde an
den Coudé-Fokus des Koronografen angeflanscht.
Ein 50-Euro-Massenartikel an
einem professionellen 200 mm/3.750 mm
Zeiss-Refraktor – das hatte etwas …
2 Instrumentierung für den Merkurtransit am 7. Mai 2003: Philips ToUCam 740K
mit Notebook am Coudé-Fokus des 200 mm/3.750 mm-Koronografen des Wendelstein-
Observatoriums.
Merkurtransit hoch drei
von Peter C. Slansky
Verfinsterungen und Transite sind astronomische
Ereignisse mit ganz eigener
Dramatik: Das große Himmels-Mobile
offenbart seine Präzision in einer für uns
sinnlich erfahrbaren Weise. Zweifellos am
spektakulärsten sind Sonnenfinsternisse,
mit etwas Abstand Mondfinsternisse. Beide
sind mit dem bloßen Auge erlebbar. Transite
der beiden inneren Planeten Merkur und
Venus vor der Sonne erfordern hingegen
eine teleskopische Beobachtungstechnik.
Hierfür gelten Anforderungen wie für die
Sonnenbeobachtung.
Mein Lehrfach an der Hochschule für Fernsehen
und Film München ist die Film- und
Fernsehproduktionstechnik. Hierdurch
ergibt sich eine schöne Überschneidung
meiner Profession mit meiner Passion, der
Astronomie. Da Transite der inneren Planeten
nur mit einem Teleskop sichtbar gemacht
werden können und da sie außerdem
einem präzisen Zeitablauf folgen, laden sie
zu einer Live-Aufzeichnung und -Übertragung
per Video ein. Mit unterschiedlichen
Techniken konnte ich alle Merkur- und Venustransite
dieses Jahrhunderts in Europa
beobachten. Von den drei Merkurtransiten
2003, 2016 und 2019 möchte ich hier berichten.
Der Merkurtransit am 7. Mai 2003 war nach
der Sonnenfinsternis 1999 und der Mondfinsternis
2001 erst meine dritte Transitbeobachtung.
Er sollte vor allem als Generalprobe
für den Venustransit 2004 dienen.
Matthias Knülle, Ulf Wossagk und ich
hatten frühzeitig Kontakt zum damaligen
1 Der Merkurtransit am 11. November 2019, beobachtet
durch eine kurze Wolkenlücke mit einer Sony α 7S an einem
Selbstbau-Faltrefraktor 71 mm/1.734 mm.
Leiter des Wendelstein-Observatoriums
der Universitätssternwarte München, Dr.
Heinz Barwig, aufgenommen und ihn davon
überzeugen können, uns Amateurastronomen
die Aufgabe zu übertragen, den
Venustransit live ins Internet zu übertragen.
Das war damals durchaus noch nicht
so weit verbreitet wie heute und versprach
Aufmerksamkeit für das Wendelstein-
Observatorium, auch bei seinen Partnern
in den USA, wo das Ereignis in die Nacht
fiel. Für diese PR-Maßnahme wurde der
wissenschaftlich eigentlich nicht mehr genutzte
Koronograf reaktiviert. Zur Vorbereitung
ermöglichte Dr. Barwig uns einen
„Probedurchlauf “ beim Merkurtransit am
7.5.2003. Und das war auch dringend nötig,
wie sich später herausstellte.
Bei den ersten Tests stellte sich heraus, dass
der Funkmast unmittelbar hinter dem Observatorium
kräftige Einstrahlungen in
die Elektronik der Kamera abgab, die zu
inakzeptablen Bildstörungen führten. Angewiesen
auf die „Bordmittel“ oben auf
dem Berggipfel, war guter Rat teuer. Den
lieferte Ulf Wossagk: Eine zusätzliche Signalabschirmung
in Form einer vierfach um
das dünne USB-Kabel und das Kunststoffgehäuse
der Webcam gewickelten Alufolie
aus der Küche des Observatoriums schaffte
Abhilfe.
Am frühen Morgen des 7. Mai 2003 erlebten
wir auf dem Wendelstein einen grandiosen
Sonnenaufgang. Die Beobachtung
wurde insofern ein Erfolg, als zwar der
erste Kontakt wegen einer falschen Teleskop-Positionierung
verpasst wurde – am
langbrennweitigen Refraktor lieferte die
Webcam nur einen winzigen Bildausschnitt
und das Umlenkprisma ergab ein seitenverkehrtes
Bild –, aber der zweite, dritte und
vierte Kontakt konnten aufgenommen werden.
Es entstand ein Zeitraffervideo, in dem
3 Merkurtransit im Hα-Licht am 7. Mai 2003 um 12:27 MESZ, kurz vor dem 3. Kontakt. Die
Aufnahme erfolgte mit einer Philips ToUCam 740K im Coudé-Fokus des 200 mm/3.750 mm-
Koronografen des Wendelstein-Observatoriums.
nur die Transitmitte durch Wolken gestört
wurde. Die Abbildung 3 zeigt Merkur und
Sonne kurz vor dem dritten Kontakt.
Nach dieser Generalprobe verlief die Beobachtung
des Venustransits ein Jahr später
sehr erfolgreich. Mit den Erfahrungen vom
Merkurtransit 2003 hatte ich meine Webcam
in ein Metallgehäuse gebaut und das
dünne USB-Kabel gegen ein hochwertig
abgeschirmtes ersetzt. Neben der ToUCam
im Coudé-Fokus des Koronografen konnte
auf eine Übersichtskamera der Sonne sowie
zwei weitere Kameras in der Kuppel und im
Außenbereich umgeschaltet werden – jede
volle Minute ein neues Standbild im Inter-
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Merkur und Merkurtransit
4 Den Merkurtransit am 9. Mai 2016
übertrug ich während der Mittagspause
der Jahrestagung der Fernseh- und Kinotechnischen
Gesellschaft live auf einen
Bildschirm im Tagungsgelände.
5 Merkurtransit am 9. Mai 2016 in Leipzig um 13:19 MESZ, kurz nach dem 2. Kontakt.
Die Aufnahme erfolgte mit einer Sony α 7S an einem 102 mm/1.100 mm-Fraunhofer-Refraktor
in Okularprojektion bei einer effektiven Brennweite von ca. 15 m.
net, so etwas nannte sich damals „Web-
TV“... Gleichwohl erhielten wir eine E-Mail
vom Direktor des Observatoriums auf dem
Mauna Kea, Hawaii, Prof. Dr. Rolf Kudritzki:
„Great pictures ... unfortunately, we
miss the transit in Hawaii. But all the IfA
people are looking at your images. A rare
occasion, where Wendelstein beats Mauna
Kea and Haleakala. Aloha!“ (Die Pointe:
Bis 1999 war Rolf Kudritzki Professor für
Astronomie an der Ludwig-Maxilians-Universität
München gewesen.)
13 Jahre später waren die Rahmenbedingungen
für den nächsten Merkurtransit,
am 9. Mai 2016, ganz anders: Der erste
Kontakt um 13:12 Uhr MESZ fiel genau
in die Mittagspause der Jahrestagung der
Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft
FKTG in Leipzig. In Abstimmung
mit der Tagungsleitung baute ich mein Teleskop
auf dem Bürgersteig direkt vor dem
Tagungsort auf, dem Helmholtz-Zentrum
für Umweltforschung in Leipzig, genannt
Leipziger Kubus. An einem 102 mm/1.100
mm-Fraunhofer-Refraktor kam eine Sony
α 7S mit einem Baader-Herschelprisma
zum Einsatz. Für ihr 35,5 mm x 20 mm
großes Bildfeld – rund zehnmal so groß
wie das der ToUCam – wurde eine Okularprojektion
mit effektiver Brennweite
von 15 m realisiert. Mit einem 15 m langen
HDMI-Kabel wurde das Live-Video-Signal
meiner Kamera auf einen 65-Zoll-Monitor
im Tagungszentrum übertragen (Abb. 4).
Leider war die Luft sehr unruhig, da sich
der Bürgersteig neben dem Leipziger Kubus
durch die Sonne stark aufgeheizt hatte.
Um die chromatischen Fehler der Luftunruhe
und des Teleskops auszuschalten,
hatte ich einen Schmalbandfilter bei 540
nm (Grün) mit einer Halbwertbreite von
10 nm eingesetzt; die Kamera wurde im
Schwarzweißmodus betrieben. Angesichts
der starken Luftunruhe ergab die Videoaufnahme
einen großen Vorteil gegenüber der
Einzelbildfotografie: Nachträglich konnten
die wenigen scharfen Einzelbilder aus der
Videosequenz herausgesucht werden (Abb.
5). Über 60 Experten der Film- und Fernsehtechnik
beobachteten den ersten und
zweiten Kontakt. Danach forderte das Tagungsprogramm
wieder ihre Aufmerksamkeit,
doch das überraschende, gemeinsame
Erlebnis blieb allen in positiver Erinnerung
– und fand seine Erwähnung im Tagungsbericht
und in verschiedenen Artikeln [1].
Meinen dritten Merkurtransit konnte ich
am 11. November 2019 beobachten, 16
Jahre nach meinem ersten und drei Jahre
nach meinem zweiten. Das Datum fiel allerdings
genau in mein Seminar Fernsehtechnik
im 3. Semester. So beschloss ich,
dieses Ereignis in das Seminarprogramm
einzubauen. Während die Studierenden auf
dem Außengelände südlich der Hochschule
für Fernsehen und Film ihre Übungsszenen
drehten, baute ich mein Teleskop auf.
Diesmal kam mein Sonnen-Faltrefraktor
71 mm / 1.734 mm zum Einsatz (Abb. 6).
Die Tatsache, dass ich dieses Gerät selbst
konstruiert und gebaut hatte, verschaffte
mir bei den Studierenden zusätzliche Aufmerksamkeit.
Das Wetter zeigte sich allerdings
ungünstig, fast den ganzen Tag war es
bedeckt; andererseits steigerte das auch die
Dramatik. Um 13:46 MEZ, wenige Minuten
nach dem 1. Kontakt, erschien eine kleine
Wolkenlücke und ich konnte ganze drei
Fotos machen. Immerhin hatten auch die
Studierenden einen Blick auf das Livebild
des kleinen schwarzen Punkts vor der Sonnenscheibe
erhaschen können. Von diesen
drei Bildern gefällt mir das letzte am besten
(Abb. 1), weil es gerade wegen der Wolken
diesen Merkurtransit am treffendsten wiedergibt.
Bis zum nächsten Merkurtransit, meinem
dann vierten, wird es nun 13 Jahre dauern.
Dann werde ich (klopfe auf Holz) pensioniert
sein – und bei der Beobachtung sicher
über die Erinnerungen an meine damalige
(also heutige) Beobachtungstechnik
schmunzeln. Und das große Himmels-Mobile
wird präzise ablaufen, wie immer …
Kosmos
1/2 Seite oben
6 Den Merkurtransit am 11. November 2019 beobachtete ich vom Außengelände der
Hochschule für Fernsehen und Film durch eine kurze Wolkenlücke. Immerhin konnten
auch einige Studierende einen Blick auf das Ereignis auf dem Kameradisplay werfen.
Internethinweis (Stand: Januar 2020):
[1] www.fktg.org/der-mann-mit-dem-fernrohr
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Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkurpassage
in Schwülper bei Braunschweig
von Jürgen Burghard
Vom Wetter her war es total spannend: Gibt es etwas zu sehen oder nicht?
Und wenn ja, hält das Wetter? Es hielt tatsächlich bis zum Abtauchen
der Sonne hinter dem Haus! Je tiefer die Sonne sank, desto rasanter verschlechterten
sich die Sichtbedingungen. Ansonsten gab es im Süden
leichten Dunst, einige Kondensstreifen vagabundierten ab und zu durch
das Sichtfenster. Mit dem Aufbauen der beiden Teleskope Skywatcher
FH 120 mm/1.000 mm (mit Herschelkeil) und dem Lunt-Hα-Teleskop
begann ich auf dem Wendehammer vor unserem Haus ca. 70 Minuten
vor dem 1. Kontakt. Das war zu knapp, denn den Eintritt habe ich verpasst.
Erstmalig bediente das Laptop zwei Kameras: Die ASI-178MM am
Lunt und die ASI-1600MM pro am FH.
1 Zwei Teleskope, zwei Kameras: den Merkurtransit beobachtete
ich im Weißlicht und mit einem Hα-Teleskop.
3 Die Sonne mit Merkur im Weißlicht um 13:59 Uhr 4 Sonne, Merkur, Wolken und Kondensstreifen eines
Flugzeugs: So sah die Situation um 15:04 Uhr aus.
2 Kurz nach dem
ersten Kontakt um 13:37 Uhr:
Hα-Aufnahme der Sonne mit Merkur.
5 Zusammenstellung meiner Aufnahmen des Merkurtransits von Anfang bis Ende, Uhrzeit in UT
20 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 21
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkurtransit mit Planetentechnik
von Sven Melchert
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Nach erfolgreichen Beobachtungen der
Transite von 2003 und 2016 stellte sich
für das Ereignis am 11. November 2019
die Frage: was würde diesmal anders sein
– außer dem kleinen schwarzen Merkurscheibchen
vor der Sonne? – Die Technik!
2003 kam noch Farbdiafilm zum Einsatz,
2016 war es eine digitale Spiegelreflexkamera,
jeweils in Verbindung mit einem
Refraktor und Objektivsonnenfilter. Besonders
scharfe Sonnenbilder (egal ob mit
oder ohne Merkur) sind mir aber selbst
mit der Digitalkamera nie gelungen. Vermutlich
fehlt mir die Geduld, um auf einen
Moment mit wenig Luftunruhe zu warten.
Zudem ist das Scharfstellen am hellen Tag
jedes Mal ein ordentliches Herumeiern.
Gibt es denn keine zuverlässigere Methode
für scharfe Aufnahmen der Sonne?
Diese Frage beantwortete sich im Sommer
2017, als ich eine für Planetenvideos übliche
Kamera ASI 290 zur Beobachtung eines
Transits der ISS vor der Sonne verwendete.
Zwar passte die Sonne bei 480 mm Brennweite
nicht vollständig auf den Chip, doch
die ISS wurde auf 22 Bildern erwischt und
die anschließende Bearbeitung mit dem
üblichen Ablauf in AutoStakkert! 3 und
Registax ließ nicht nur die schwarze Silhouette
der ISS, sondern auch Andeutungen
der Granulation auf der Sonne erkennen.
Mit dieser Methode die gesamte Sonne aufzunehmen,
erschien vielversprechend!
Der Gedanke blieb noch zwei Jahre lang
Theorie, bis eine zur Brennweite von 738
mm des Refraktors mit 123-mm-Öffnung
passende Kamera mit kleinen Pixeln erhältlich
und meine Entreicherungsbereitschaft
ausreichend gestiegen war. Anstelle des
Objektivsonnenfilters kam auf Empfehlung
eines geübten Sonnenbeobachters außerdem
ein Herschelkeil zum Einsatz.
Die Kamera ist eine ASI 183MM, deren Pixel
nur 2,4 x 2,4 μ groß sind. Bei 738 mm
Brennweite ergibt sich ein Pixelmaßstab
von 0,67''. Die Sonne (oder der Mond) passt
gerade so auf den 8,8 mm hohen Chip. Ein
großer Nachteil dieser Kombination: Um
die 5.496 x 3.672 Pixel der Kamera zu übertragen,
sind selbst per USB 3 nur Raten von
kaum mehr als 10 Bildern pro Sekunde (fps,
frames per second) möglich. In der Praxis
kann das Bildfeld etwas beschnitten werden,
so dass sich eine Rate von 25 fps ergibt.
Immerhin.
Zurück zum Merkurtransit. Eine scharfe
Aufnahme der Sonne mit dem kleinen
Merkur war ein Ziel, löste aber noch keine
Begeisterung aus. Wenigstens wollte ich
versuchen, den Eintritt exakt zu erwischen
und, sofern das Wetter mitspielte, eine Animation
des weiteren Verlaufs zu erstellen.
Am Tag des Merkurtransits bewegte sich
Merkur mit etwa fünf Bogensekunden pro
Minute relativ zur Sonne. Bei einem Pixelmaßstab
von 0,67'' legte Merkur damit in
acht Sekunden eine Pixelbreite zurück und
in zwei Minuten seinen eigenen Durchmesser
von 10''. Damit war ausgemacht: Alle
zwei Minuten sollte ein Video von zehn Sekunden
Länge aufgenommen werden.
2 Mit einem Badetuch über Kopf und Bildschirm wurde die Aufnahmesoftware
FireCapture bedient.
Auf dem Satellitenfilm konnte man später sehen, wie herannahende Wolken den Nebel
vertrieben. Es vollzog sich der Wechsel von Pest zu Cholera: erst Nebelsuppe,
dann „richtige“ Wolken. Doch in der Übergangszeit, genau pünktlich zum Beginn
des Merkurtransits, bildeten sich die erhofften Wolkenlücken. Noch einmal schnell
nachfokussiert, die Sonne im Bildfeld zentriert, um 13:36 Uhr und 16 Sekunden der
Klick auf den Aufnahmeknopf (Abb. 2). Zehn Sekunden später war das Video im
Kasten, keine Minute später zogen wieder Wolken über die Sonne. Puh!
Den Eintritt hatte ich anscheinend erwischt, doch aus der geplanten Serienaufnahme
wurde nichts. „Mein“ Merkurtransit dauerte aufgrund der Wetterlage nur 30 Minuten.
Nur einmal war die Sonne noch komplett wolkenfrei. Nach der Bildbearbeitung
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1/3 Seite
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astronomie.de
1 Der Nebel geht, die Wolken kommen, das Teleskop wartet auf seinen Einsatz
(Refraktor LZOS 123 mm / 738 mm, Baader-Cool-Ceramic-Herschelprisma,
Kamera ASI 183MM, Montierung AP Mach 1).
So weit die Theorie. Blieb die Frage nach
dem Wetter. Das war für November überraschend
erfreulich, doch der Hochdruckeinfluss
ließ Stuttgart unter einer grauen
Nebeldecke schlummern. Immerhin klarte
es am Sonntagnachmittag auf, so dass die
Technik für den Transit am Montag aufgebaut
und getestet werden konnte (Abb. 1).
Am Montag wollte sich der Hochnebel zunächst
nicht verziehen. Bange Blicke aus dem
Bürofenster: Lasse ich den halben Arbeitstag
sausen und hoffe auf pünktliches Aufklaren,
oder hake ich die Sache als „Pech
gehabt“ ab? Gegen Mittag zeigten sich erste
Auflösungserscheinungen der Nebeldepression.
Gesehen, gegangen, eine gute halbe
Stunde später war das Teleskop bereit,
das Wetter aber noch nicht.
3 Beginn des Merkurtransits um 13:36:22 Uhr. Ausschnitt einer Gesamtaufnahme
der Sonne. Das Schwarzweißbild wurde per Software eingefärbt.
22 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 23
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Der Merkurtransit in Florida
1 Beginn des Merkurtransits kurz nach
Eintritt vor der Sonne. Zenit ist oben.
von Stefan Meyer
(die aufgrund der Datenmenge ein Kapitel
für sich ist) durfte ich erfreut feststellen: Der
Eintritt von Merkur (Abb. 3) und eine spätere
Gesamtaufnahme der Sonne waren für
die Bedingungen gut geworden (Abb. 4).
Das Minimalziel hatte ich damit erreicht
und somit meinen insgesamt fünften Planetentransit
vor der Sonne erfolgreich beobachtet.
Was will man mehr? Den sechsten
natürlich! Leider findet der am Vormittag
des 13. November 2032 statt – die Verhältnisse
stellen sich von Deutschland aus dann
nicht besser dar. Doch wer weiß, über welche
technischen Möglichkeiten wir Hobbyastronomen
bis dahin verfügen werden?
4 Merkur vor der Sonne um 13:49:14 Uhr –
die zweite und letzte wolkenfreie Aufnahme.
Das Schwarzweißbild wurde per Software eingefärbt.
Am Tag des Merkurtransits hielt ich mich
im sonnigen Miami in Florida auf und
konnte das Ereignis von Miami Beach aus
verfolgen. Das Wetter war hervorragend,
nur vereinzelt gab es Wolken, der Wind
störte nicht. Von Florida aus konnten wir
den Transit in seiner ganzen Länge beobachten.
Die Fotos zeigen auch den Zeitpunkt
um den Merkuraustritt, denn dieser
war von Mitteleuropa aus nicht zu beobachten.
Meine Frau und ich waren begeistert!
Die Fotos wurden ohne Teleskop, nur mit
einer Nikon-Coolpix-P900-Kamera aufgenommen
– natürlich durch einen Sonnenfilter
(Dichte 5). Bei ISO 100 betrugen die
Belichtungszeiten 1/800 s bis 1/400 s.
2 Merkur nähert sich dem Sonnenrand, der Austritt ist nicht mehr fern. Zenit ist oben.
24 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 25
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkurtransit
in Radebeul
von Martin Fiedler
Merkurtransit mit
dem Smartphone
von Kurt Hopf
Ich beobachtete den Merkurtransit an der Sternwarte
Radebeul in drei Wellenlängenbereichen. Für die
Weißlichtaufnahme (oben) wurde der Maksutov-
Newton mit 14 Zoll Öffnung und 1.600 mm Brennweite
eingesetzt.
Die Hα-Aufnahme (Mitte) wurde durch ein dafür geeignetes
Teleskop von Lunt gewonnen.
Das dritte Bild zeigt die Sonne im Licht der blauen
Kalzium-Linie; hierfür kam ebenfalls ein Teleskop
von Lunt zum Einsatz. Kamera war eine Canon EOS
M3.
Zur Fotografie durch meine Teleskope habe
ich mir eine Halterung für das Smartphone
selbst gebaut (oben rechts). Für die Aufnahme
des Merkurtransits wurde ein achromatischer
Refraktor mit 70 mm Öffnung und 700 mm
Brennweite (auch bekannt als „Lidl-Refraktor“)
verwendet. Merkur war bereits auf dem
Display des Smartphones deutlich zu erkennen
(oben). Das Gesamtbild der Sonne mit Merkur
entstand um 15:01 Uhr in Hof (rechts). Wer Interesse
an solch einem Adapter für 5 Euro hat,
kann mich unter www.kurt-hopf.de gern kontaktieren.
26 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 27
Merkur und Merkurtransit
Merkurtransit
aus Sachsen
von Lutz Clausnitzer
Am 11. November 2019 veranschaulichte
ein Naturschauspiel die Winzigkeit der Planeten
gegenüber der Sonne. Merkur wanderte
vor der Sonne entlang und machte
glaubhaft, dass die Sonne 99,8 % der Masse
des Sonnensystems in sich vereint. Vielleicht
ist das auch Anlass für uns Menschen
zu ein bisschen mehr Demut. Das Bild wurde
um 14:30 Uhr mit 1.280 mm Brennweite
(Teleskop: Borg 100 mm / 640 mm mit 2x-
Barlowlinse von Zeiss, Kamera: Sony Alpha
7s) durch einen Objektivsonnenfilter aufgenommen.
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Spektrum der Wissenschaften
Merkurtransit
aus Berlin
von Rainer Schendel
Von Berlin aus konnte ich den Merkurtransit
bis zum Sonnenuntergang sehen – das
war ein Genuss. Für die Beobachtung habe
ich einen Refraktor mit 90 mm Öffnung
und 1.000 mm Brennweite (Meade Explorer
135) verwendet. Die Aufnahme wurde
in afokaler Projektion durch ein Okular
vom Typ Kellner gewonnen – indem ich
meine Digitalkamera hinter das Okular gehalten
habe.
28 | Journal für Astronomie Nr. 74
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkur-Abendsichtbarkeit 2010
Die Grenzen der Merkursichtbarkeit
von Paul Hombach
Die Beobachtung von Merkur mit freiem
Auge oder Fernglas ist nur während weniger
Wochen im Jahr möglich. Damit Merkur
sichtbar wird, muss er sich von der Erde
aus gesehen möglichst weit von der Sonne
entfernen. Diese maximalen Winkelabstände
können zwischen 18° und 28° erreichen.
Das ist nicht viel, der innerste Planet
des Sonnensystems nutzt also allenfalls die
Morgen- oder Abenddämmerung als Bühne
für seine Himmelsauftritte. Ein genügend
großer Abstand zur Sonne allein führt
nicht automatisch zu einer guten Erkennbarkeit:
Merkur muss dabei noch möglichst
hoch über dem Horizont stehen. Die besten
Sichtbarkeiten des scheuen Planeten ereignen
sich für Beobachter in nördlichen
Breiten im ersten Halbjahr am Abendhimmel,
im zweiten am Morgenhimmel. Grund
hierfür ist die Lage der Ekliptik zum Horizont.
Sie steht zwischen Winter- und Sommersonnenwende
steil über dem westlichen
Abendhimmel, zwischen Sommer- und
Wintersonnenwende ragt sie beobachterfreundlich
hoch am östlichen Morgenhimmel
empor. Wenn Merkur während dieser
Zeiten einmal östlich (Abendhimmel)
bzw. westlich (Morgenhimmel) der Sonne
steht, kann er das Beste aus seinem kleinen
Winkelabstand machen. Dazu kommt,
dass Merkur eine Mindesthelligkeit haben
sollte, um in der Dämmerung gesehen zu
werden. Auch sollte die Dämmerung nicht
zu hell sein, wir benötigen zusätzlich noch
eine Mindesttiefe der Sonne unter dem Horizont.
Diese muss umso größer sein, je geringer
Merkurs Helligkeit ausfällt.
Aus all diesen Werten lässt sich die Sichtbarkeit
des eiligen Götterboten berechnen.
Daraus ergeben sich dann Sichtbarkeitsdiagramme,
wie sie in astronomischen
Zeitschriften und Jahrbüchern zu finden
sind. Die typische Grafik für eine Abendsichtbarkeit,
meist gerechnet für den Ort
auf 50° Nord und 10° Ost, sieht dann wie in
1 Merkur neben einer Kirchturmspitze
am Abendhimmel
des 25. Juni 2018, aufgenommen
mit einer Lumix FZ-300
mit 600 mm Brennweite
(Foto: Paul Hombach).
2 Sichtbarkeitsdiagramm von Merkur aus dem Kosmos Himmelsjahr 2010, S. 91. Im
dunkel gelben Bereich ist Merkur eher schwierig, im hellgelben gut zu sehen. Das Diagramm
ist für 50° Nord und 10° Ost gerechnet. Die Untergangs- und Sichtbarkeitszeiten liegen dadurch
systematisch früher als bei den Beobachtungen des Autors. An den relativen Sichtbarkeiten
ändert sich durch den fast gleichen Breitengrad allerdings praktisch nichts. Zur besseren
Vergleichbarkeit mit den Grafiken des Autors ist die Darstellung gegenüber dem Original
um 90° nach links gedreht. (Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Kosmos-Verlags)
der Abbildung 2 aus: Eine Achse zeigt das
fortlaufende Datum, die andere die Uhrzeit.
Eingetragen sind die Untergangszeiten
von Sonne und Merkur. Während sich die
Sonnenuntergänge im Frühjahr kontinuierlich
verspäten (im Diagramm als schräge
Linie zu sehen), geht Merkur zunächst immer
deutlicher nach der Sonne unter. Wenn
sein Sonnenabstand wieder schrumpft, nähert
sich seine Untergangskurve wieder der
3 Die Merkursichtbarkeit im Frühjahr 2010. Eingetragen sind die Untergangszeiten von Merkur und Sonne. Die drei farbigen
Linien zeigen die berechnete früheste Sichtbarkeit unter den Bedingungen super (S, orange), brauchbar (B, rot) und mäßig (M,
blau) an. Senkrecht dazu sind die tatsächlich mit bloßem Auge erfolgten Beobachtungen eingetragen (Abbildung: Paul Hombach).
4 In das gleiche Schema wie bei Abb. 3 sind hier die berechneten frühesten Sichtbarkeiten (super = rot, brauchbar = grün, mäßig =
blau) und die tatsächlich erfolgten Beobachtungen mit dem Fernglas eingetragen. Die Beobachtungen erfolgten auf 50,7° Nord und
6,2° Ost, außer der vom 17. April (50,7° N, 7,1° O) (Abbildung: Paul Hombach).
30 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 31
Merkur und Merkurtransit
Sonnenuntergangszeit an. Zwischen der
Kurve der Merkurzeiten und der Linie der
Sonnenuntergangszeiten liegt irgendwo
der Bereich, in dem der flotte Planet sichtbar
wird. Diese Zone wird meist zweifarbig
dargestellt. In einem weniger hellen Teil ist
Merkur schwierig bzw. nur mit dem Fernglas
zu sehen, im inneren, helleren Teil ist
er besonders günstig zu sehen. Durch die
beiden Farben und die elliptische Form des
Bereichs erinnert das Diagramm etwas an
ein längs aufgeschnittenes hartgekochtes
Ei. Merkurfans, die den Planeten mit bloßem
Auge erspähen wollen, können so im
„Dotterbereich“ direkt Tag und Uhrzeit
ermitteln, an denen – gutes Wetter vorausgesetzt
– eine Beobachtung am Erfolg versprechendsten
ist. (In neueren Ausgaben
des Kosmos Himmelsjahres wird inzwischen
eine differenziertere Farbabstufung
verwendet.)
Lässt sich so ein „Hartgekochtes-Ei-Diagramm“
aus eigenen Beobachtungen rekonstruieren?
Und was ist von den Wahrnehmungsgrenzen
zu halten? Gibt es eine
Sichtbarkeit außerhalb der „Eigelb-Zone“?
Der Autor kann inzwischen auf einige hundert
dokumentierte Merkurbeobachtungen
seit 1982 zurück blicken. Exemplarisch sei
hier die Abendsichtbarkeit von Merkur im
März/April 2010 dargestellt. Was die theoretischen
Sichtbarkeitsgrenzen betrifft, so
hat hierzu vor Jahren der Programmierer
Thomas Pfleger (Deep-Sky-Beobachtern
als Autor der Software „Eye&Telescope“
[1] bekannt) das Programm „Hermes“ geschrieben.
Dieses untersucht einen vorgegebenen
Zeitraum automatisch auf eine
mögliche Merkursichtbarkeit und stellt
diese tabellarisch dar. Hierbei kann man
zwischen Beobachtungen mit bloßem Auge
oder Fernglas wählen und zwischen drei
angenommenen Sichtbedingungen (super,
brauchbar, mäßig) unterscheiden. In meinen
eigenen Diagrammen finden sich entsprechend
drei weitere Linien.
Auf der x-Achse in den Abbildungen 3
und 4 sind das fortlaufende Datum und
die Helligkeit von Merkur (bei Abendsichtbarkeiten
abnehmend, da Merkur vor
seinem Überholmanöver der Erde von uns
aus gesehen immer sichelförmiger und
somit lichtschwächer wird) vermerkt, auf
der senkrechten y-Achse ist die Uhrzeit
in MESZ zu finden. Die schräge untere
schwarze Linie markiert die Sonnenuntergänge,
der schwarze Bogen im oberen Bereich
die Merkuruntergänge. Die drei farbigen
Linien in der Abbildung 3 für das bloße
Auge zeigen die Zeit an, ab wann laut „Hermes“
Merkur in der Dämmerung zu sehen
sein sollte. Orange unter Bestbedingungen,
rot unter brauchbaren, blau unter mäßigen.
Wie man erkennt, kann der kleine Planet
unter perfekten Umständen bereits knapp
20 Minuten nach Sonnenuntergang gesichtet
werden, selbst bei mäßiger Transparenz
immerhin 35-40 Minuten nach Verschwinden
des Zentralgestirns. Als senkrechte
Balken sind nun meine tatsächlichen Beobachtungen
eingetragen. Die Linie der frühestmöglichen
Sichtung wird tatsächlich
am 5. April getroffen. Auch das Intervall
der möglichen Tage wird recht gut ausgeschöpft,
mit einer ersten Beobachtung am
29. März und der letzten am 15. April. Wetterbedingt
brachte auch das Fernglas (Abb.
4) zu Beginn der Periode keinen Vorteil,
lieferte allerdings für den schon arg blassen
Gesellen noch für den 17. April einen späten
Datenpunkt. Freisichtig und mit dem
Fernglas ließ sich – natürlich abhängig vom
örtlichen Horizont und der atmosphärischen
Durchsicht – mit beiden Methoden
Merkur manchmal bis auf 20 Minuten vor
seinem Untergang verfolgen. Die längste
Zeit freiäugiger Beobachtungen am Stück
betrug ca. 55 Minuten, mit dem Fernglas,
damals ein durchschnittliches 8x30-Glas,
waren auch schon mal rund 60 Minuten
drin.
Insgesamt lässt sich das „Merkur-Ei“ schön
durch eigene Beobachtungen bestätigen.
Bei anderen Morgen- und Abendsichtbarkeiten
gelang es, die Prognosen manchmal
zu übertreffen. Günstig hierfür sind besonders
Zeiten zu Beginn einer Abendsichtbarkeit,
wenn Merkur bei noch eher geringem
Sonnenabstand schön hell ist. Insofern ist
die oben untersuchte Abendsichtbarkeit
durch ihren „verpassten Anfang“ nicht einmal
optimal. Es bleibt ein schöner Sport,
den Planeten Merkur oft und unter möglichst
grenzwertigen Bedingungen zu erspähen,
für mich auch außerhalb der „offiziellen
Zeiten“ immer das Gelbe vom Ei!
Internethinweis (Stand: 13.02.2020):
[1] www.eyeandtelescope.com
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32 | Journal für Astronomie Nr. 74
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
2 Oben: 22. Januar 2015, 18:18 Uhr, Blick
vom Gornergrat in der Schweiz zum Mat-
3 Unten: Abendsichtbarkeit von Merkur am
28. April 2015, fotografiert von Werner E.
4 Folgende Doppelseite: Merkur und
die schmale Sichel des zunehmenden
terhorn: über dem Horizont sind Mars, der
Celnik aus Rheinberg. Um 22:09 MESZ wurde
Mondes am 8. April 2016 um 18:45 Uhr
Mond, Venus und Merkur auszumachen.
mit einer Canon 5DMkII und Zoom-Objektiv
lokaler Zeit. Martin Fiedler gelang diese
Werner E. Celnik hielt die Szenerie mit einem
24-105 mm (Arbeitsbrennweite 47 mm) bei
stimmungsvolle Aufnahme vom Mount
35-mm-Objektiv bei Blende 5,6, ISO 800 mit
Blende 4 und ISO 3200 0,5 Sekunden lang
Tapyas bei Coron (Philippinen) mit einer
Merkur in der Dämmerung
zusammengestellt von Sven Melchert
1 Am 27. März 2013 begegneten sich Merkur (oben),
Venus (Mitte) und Jupiter (unten) im Sternbild Stier. Das
Foto gelang Stefan Binnewies im Bergischen Land mit einem
24-mm-Objektiv, das Bild zeigt einen Ausschnitt der
einer Belichtungszeit von zwei Sekunden im
Bild fest.
mit freier Hand aus dem Dachfenster belichtet.
Knapp über Merkur stehen die Plejaden,
links oben die helle Venus.
Canon EOS M3 bei f = 55 mm und 1,3 s
Belichtungszeit.
zehn Aufnahmen zu je zehn Sekunden Belichtungszeit.
Jedes Jahr gibt es meist zwei Gelegenheiten,
um Merkur aufzusuchen: im Frühjahr am
Abendhimmel und im Herbst am Morgenhimmel.
Für eine erfolgreiche Beobachtung
muss dann alles passen: das Wetter, der
freie Blick zum Horizont und die eigene
freie Zeit, um sich für eine halbe Stunde bis
Stunde nach Merkur auf die Lauer zu legen.
Wann Merkur zu sehen ist, steht bekanntlich
in astronomischen Zeitschriften und
Jahrbüchern. Damit die Beobachtung gelingt,
sollte man sich vorher mit dem Horizont
in der entsprechenden Himmelsrichtung
vertraut machen. Es muss nicht immer
ein hoch- und abgelegener Beobachtungsplatz
sein – manchmal genügt in der Stadt
ein größerer freier Platz oder der Blick aus
dem oberen Stockwerk, damit der Himmel
nahe dem Horizont nicht von Gebäuden
verdeckt wird. Zur Vorbereitung hilft auch
ein Blick auf die abend- oder morgendliche
Himmelssituation mit dem Programm
Stellarium [1].
Selbst bei freier Horizontsicht und klarem
Himmel ist jede Merkursichtbarkeit anders.
Manchmal sieht man ihn glasklar über bunten
Dämmerungsfarben, bei anderen Gelegenheiten
kann sich Merkur kaum gegen
die horizontnahen Dunstschichten durchsetzen
– das ist immer wieder spannend zu
verfolgen. Wer die Möglichkeit hat, Merkur
von der Südhalbkugel aus zu beobachten,
für den stellt sich die Situation übrigens
sehr viel entspannter dar. Denn leider hat
es die Natur so eingerichtet, dass günstige
Sichtbarkeiten auf der Nordhalbkugel nur
mit der maximalen Elongation von 18 Grad
zusammenfallen. Auf der Südhalbkugel ist
es umgekehrt, dort fällt eine Abend- oder
Morgensichtbarkeit immer mit der Elongationsdistanz
von 28 Grad zusammen;
Merkur steht daher in der Dämmerung viel
höher am Himmel und kann über Wochen
verfolgt werden.
Die Krönung einer Merkursichtbarkeit sind
schließlich Konjunktionen mit dem Mond
oder anderen Planeten; dann bleiben meist
nur ein oder zwei Tage, um das Zusammentreffen
zu sehen. (Nächste Gelegenheit in
diesem Jahr übrigens am Morgen des 13.
November.)
Vielen Dank an alle, die uns ihre Aufnahmen
von Merkur zur Verfügung gestellt
haben! Wir zeigen sie in chronologischer
Reihenfolge von 2013 bis zur Abendsichtbarkeit
im Februar 2020. Und viel Erfolg
bei weiteren Streifzügen am Morgen- oder
Abendhimmel, um ein kleines Licht zu erhaschen,
dessen Anblick jedes Mal große
Freude macht.
Internethinweis (Stand: 14.02.2020):
[1] www.stellarium.org/de
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Journal für Astronomie Nr. 74 | 35
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
36 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 37
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
5 Oben: Am 29. September 2016
hatte sich das frühe Aufstehen
gelohnt, zwischen einigen Wolken
tauchte die schmale Sichel des abnehmenden
Mondes neben Merkur
auf. Canon 6D mit 300-mm-Objektiv
bei Blende 4, ISO 1000, t = 0,5 s.
Foto: Sven Melchert.
6 Unten: Das Bild von Merkur, Venus und dem Mond
entstand am Abend des 19. März 2018 knapp unterhalb
des Teide-Observatoriums bei Izaña auf Teneriffa.
Kamera war eine Canon 6D mit 24-mm-Objektiv bei
Blende 4. Belichtet wurde 13 s bei ISO 1600. Die helle
Venus und Merkur stehen rechts neben dem 3.715 m
hohen Pico de Teide, der Mond rechts oberhalb des
Vulkangipfels. Der kleine Lichtpunkt knapp unterhalb
des Gipfels auf dem Vulkankegel markiert die Berghütte
Altavista in 3.260 m Höhe. Foto: Stefan Binnewies.
7 Rechts: Über dem Serengeti-Nationalpark
stand am 14. Juli 2018 die Ekliptik
fast senkrecht zum Horizont. Im Löwen
leuchtete damals die helle Venus, weiter
unten, direkt über den Wolken, findet man
Merkur. Martin Fiedler verwendete die
Kamera Canon M3 mit Weitwinkelobjektiv
und belichtete vier Sekunden.
8 Im Februar 2019 herrschte weiträumig gutes Wetter, so dass die Abendsichtbarkeit von Merkur über mehrere Tage
hinweg verfolgt werden konnte. Sabine Mauer aus Halsenbach im Hunsrück ist es sogar an sieben Tagen gelungen, Merkur
zu fotografieren. Sie hat dazu immer vom gleichen Ort und zur gleichen Zeit (17:33 Uhr) aus fotografiert. Die Aufnahmen mit
einer Canon 80D und 55-mm-Objektiv (Blende 5, ISO 6400, t = 1/400 s) wurden später in Adobe Photo shop überlagert, um
die Positionsveränderungen von Merkur über den Zeitraum zu zeigen. Das ist sehr gelungen!
38 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 39
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
10 Ebenfalls am 7. Februar 2020 nahm Jens Leich die zwei Abendplaneten in der Dämmerung auf. Er hat die sehr
transparente Luft vor dem Aufziehen eines Sturmtiefs genutzt, sich trotz Kälte aufs Fahrrad geschwungen und Venus
mit Merkur über der Silhouette von Wiehl-Marienhagen fotografiert. Kamera: Fujifilm X-T20 mit 18-55-mm-Objektiv bei
f = 18 mm, Blende 1,8, ISO 200, t = 2 s.
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9 Merkur versinkt am Abend des 27. Februar 2019 über dem Südwesthorizont von Stuttgart. Über einen
Zeitraum von 30 Minuten hat Sven Melchert (ungefähr) alle zwei Minuten eine Aufnahme gemacht.
Canon 6D mit 85-mm-Objektiv bei unterschiedlichen ISO-Werten und Belichtungszeiten.
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Gerd Neumann
40 | Journal für Astronomie Nr. 74
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkur im Teleskop
– eine echte Herausforderung!
von Sven Melchert
Er ist klein, er ist nur selten in der Dämmerung
zu sehen, er steht tief am Horizont:
Merkur drängt sich für Planetenbeobachter
nicht gerade als verheißungsvolles Ziel
auf. Während Jupiter mit durchschnittlich
40 Bogensekunden aufwartet, Mars
bei einer nahen Opposition um die 25
Bogensekunden groß wird und die Sichel
der Venus gut eine Bogenminute erreicht,
wird Merkur kaum größer als zehn Bogensekunden
– theoretisch, denn dann steht
er zu nah an der Sonne, um selbst mit ausgefeilten
Techniken beobachtet werden zu
können. Bei großem Sonnenabstand misst
ein „Halbmerkur“ gerade mal sieben Bogensekunden.
Wer ihn in der Dämmerung
mit dem Teleskop aufsucht, wird wegen der
Horizontnähe nur ein sehr unruhiges und
von atmosphärischer Dispersion geprägtes
unscharfes, zappelndes, klitzekleines Planetenscheibchen
sehen, in dem man mit
Ach und Krach und mit viel gutem Willen
gerade so seine Phasengestalt erkennt.
Besser ist es, Merkur am Taghimmel zu
beobachten. Geht das überhaupt? Überraschenderweise
ja – vorausgesetzt, man
verfügt über eine computergesteuerte Goto-Montierung
oder hat die Geduld und
das Geschick, die Position von Merkur relativ
zur Sonne zu bestimmen und ihn dann
vor dem hellen Himmelshintergrund aufzufinden.
Auf dem Papier sind die Zeiten
der größten Elongationen dazu am besten
geeignet, im Alltag werden sich Beobachtungsversuche
auf ein Wochenende mit
sehr klarem Himmel beschränken. Drücken
wir die komplizierte Situation einmal
anders aus: Wer tagsüber Zeit und Lust auf
Himmelsbeobachtung hat, der sollte auch
mal schauen, ob Merkur derzeit weit genug
von der Sonne entfernt steht und dann einen
Versuch wagen (bitte mit den üblichen
Vorsichtsmaßnahmen, wenn die Sonne als
Wegweiser ins Spiel kommt!).
Bei der Beobachtung, und noch mehr für
Aufnahmen, hilft ein Rotfilter – möglichst
dunkel, also für den Durchlass bei langen
Wellenlängen in Richtung Infrarot. Die Beobachtung
im Rotlicht verstärkt einerseits
den Kontrast zum blauen Taghimmel und
„beruhigt“ andererseits die Luftunruhe, da
sie sich bei längeren Wellenlängen weniger
stark ausprägt. Nachteil: die Auflösung des
1 Merkur am 25. März 2017
– meine erste und einzige
Aufnahme von Merkur als
„Planetenscheibchen“ bisher
– ein Beifang, da an diesem
Tag Venus in unterer Konjunktion
stand. Teleskop war ein
Refraktor mit 80 mm Öffnung
und 480 mm Brennweite,
die mit einer Barlowlinse auf
1.920 mm verlängert wurde.
Als Kamera diente eine ALccd
5L-II, zwischen Teleskop und
Kamera saß ein Rotfilter,
Kantenwellenlänge 685 nm.
Die Phase „Halbmerkur“ ist
gerade so zu erkennen.
2 Martin Fiedler nahm
Merkur am 21.05.2007 durch
den 14-Zoll-Maksutov-Newton
der Sternwarte Radebeul auf.
Kamera: DMK 21AF04.
Teleskops nimmt mit zunehmender Wellenlänge
ab, doch in der Praxis überwiegen
die Vorteile. Eine kleine Merkursichel vor
hellem Himmelsblau kann natürlich auch
hübsch aussehen.
Manchen Spezialisten gelingt es sogar,
auf dem winzigen Planetenscheibchen
Albedostrukturen auszumachen, die im
Vergleich zu einer unscharf dargestellten
(„blurred“) Simulation von Merkur auf Basis
von Aufnahmen der Raumsonde Messenger
real sein könnten – der Konjunktiv
wird hier bemüht, da selbst Teleskope mit
großer Öffnung, langer Brennweite, einer
Kamera mit kleinsten Pixeln und die besten
Algorithmen der Bildverarbeitungssoftware
hier an ihre Grenzen stoßen.
Dieser Teil unseres Schwerpunktthemas
fällt entsprechend kurz aus. Wem von unseren
Lesern Aufnahmen von Merkur gelungen
sind oder wer sogar weitere hilfreiche
Tipps zur Beobachtung oder Fotografie hat,
der ist herzlich eingeladen, seine Ergebnisse
hier im VdS-Journal für Astronomie zu
veröffentlichen!
Ein Nachtrag
Am Osterwochenende lag das Schwerpunktthema
im Layout zur Kontrolle vor.
Ich las noch einmal den Text, sah meine
einzige Merkuraufnahme in Abb. 1. und
dann die der anderen Beobachter. Draußen
war klarer Himmel, das Teleskop dank der
langen Schönwetterperiode bereits aufgebaut.
Wo steht derzeit eigentlich Merkur?
Ein Blick in Guide beantwortete die Frage:
rund 22° westlich der Sonne, etwa eine
Stunde vor seiner Kulmination. Und wie
groß ist er? Gerade mal 5,8 Bogensekunden.
Könnte auf die Schnelle ein Aufnahmeversuch
erfolgreich sein?
3 Was mit einem großen Teleskop und Können des Beobachters möglich ist, zeigt die Aufnahme
von Rudolf A. Hillebrecht vom 5. Februar 2020. Links die Aufnahme, Mitte und rechts
die simulierte Ansicht von Merkur aus der Software WinJUPOS. Daten zur Aufnahme in der
Abbildung.
Der Gedanke war kaum zu Ende gedacht,
schon steckte die Kamera ASI183 MM mit
Rotfilter 685 nm im Okularauszug, der Refraktor
(123 mm/738 mm) schwenkte zu
Merkur und auf dem Livebild zeigte sich
ein sehr kleines, kontrastarmes Planetenscheibchen
vor hellem Hintergrund. Merkur
wurde exakt in die Bildfeldmitte gestellt,
die Barlowlinse mit 4-facher Brennweitenverlängerung
eingesetzt, so gut es
mit dem zappelnden Merkur ging, fokussiert
und dann bei Gain 230 eine Aufnahme
mit 10 ms Belichtungszeit für
120 s gestartet.
Von dem Film mit 11.872 Bildern wurden
in AutoStakkert!3 fünf Prozent
gemittelt und per Drizzle auf 150%
vergrößert. Es folgte eine leichte Schärfung
mit Registax und Kontrastanpassung
mit Photoshop. Auf Merkur waren
tatsächlich leichte Schattierungen
zu erkennen – sind sie echt oder eine
Folge der Bildbearbeitung? Das sollte
ein Vergleich mit dem Simulationsbild
aus WinJupos zeigen, das per Gaußfilter
unscharf gemacht wurde. Das
Ergebnis zeigt Abb. 4.; die Übereinstimmung
der Oberflächenmerkmale
ist nicht besonders deutlich, doch der
untere dunkle Bereich könnte real sein.
4 Oben: Merkur am 11. April 2020
um 11:45 Uhr MESZ; unten: Simulation
mit WinJupos. Mehr dazu im
Text. Aufnahme: Sven Melchert.
42 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 43
Merkur und Merkurtransit
Merkur und Merkurtransit
Merkuraufnahmen mit langer Brennweite
von Michael Nolle
Neben den „Standardplaneten“ Jupiter, Saturn,
Mars und Venus habe ich über die Jahre
hinweg auch immer wieder einmal versucht,
oder besser gesagt geplant, Merkur
durch das Teleskop zu beobachten und aufzunehmen.
Wegen seiner schnellen Bewegung
am Himmel und des niemals großen
scheinbaren Abstands von der Sonne sind
die Zeiträume für eine brauchbare Beobachtung
aber sehr begrenzt. Zudem reicht
es nicht aus, dass sich Merkur um seine
größte östliche oder westliche Elongation
befindet, die Ekliptik muss obendrein auch
noch steil zum Horizont stehen, um für
Merkur genügend Höhe zu ermöglichen.
Dann kommen noch die Wetterbedingungen
und andere Umstände hinzu, und
schon sind die Chancen für eine erfolgreiche
Beobachtung oder gar Aufnahme sehr
spärlich. Neben dem natürlich schlechteren
Seeing spielt nah am Horizont auch die atmosphärische
Dispersion eine entscheidende
Rolle. So habe ich es einmal nicht
geschafft, den zu einem kleinen Spektrum
auseinandergezogenen, 11° hoch stehenden
Merkur mittels eines atmosphärischen
Dispersionskorrektors (ADC) vollständig
zu korrigieren. Um den Einfluss der atmosphärischen
Turbulenz und der Dispersion
so weit wie möglich zu reduzieren, empfehle
ich, einen Rotfilter mit begrenztem
Durchlassbereich (keinen Kantenfilter wie
Wratten #25 alleine) oder IR-Filter für die
Fotografie zu verwenden.
Seit meinen Anfängen in der Videografie
(Mitte 2014) ist es mir aber dreimal gelungen,
ein vorzeigbares Bild von Merkur zu
erstellen. Dabei half es auch, dass ich am
Westrand der Mittelmeerinsel Gozo (Malta)
lebe und freien Blick übers Meer mit
wenig Land dazwischen habe, das sich im
Sommer stark aufheizt. Leider ist es bei mir
aber oft windig.
1 Merkur am 3. Mai 2015. Teleskop:
Meade 10-Zoll-ACF und 2x-
Barlowlinse (effektive Brennweite
3.700 mm), Kamera: ZWO ASI
120MM mit Filter Wratten Nr. 25
und IR-Sperrfilter. 7% von 2.500
Bildern wurden mit der Software
Giotto gestackt und dann mittels
Gauß- und Mexican-Hat-Filter
(Butterworth-Filter) geschärft.
2 Merkur am 25. Juni 2018. Teleskop:
GSO-8-Zoll-RC und Baader-
Hyperion-Barlowlinse (effektive
Brennweite 3.300 mm), Kamera:
ZWO ASI 120MM mit ZWO-Rot-
Interferenzfilter aus dem RGB-Filtersatz.
2% von 13.000 Bildern
wurden mit der Drizzle-Funktion
(1,5x) mit AutoStakkert gestackt
und vorgeschärft, dann leicht in
Adobe Photoshop nachgeschärft.
Die Abbildung 1 wurde am 3. Mai 2015 gewonnen.
Dabei stand der 7,3'' große Merkur
14° über dem Horizont. Merkur war
an diesem Abend zu 47% beleuchtet. Das
Video wurde durch einen Wratten-Filter
Nr. 25 aufgenommen, dessen Durchlassbereich
mittels eines IR-Sperrfilters begrenzt
wurde.
Die Abbildung 2 wurde am 25. Juni 2018
gemacht und ist ein Zufallsprodukt, da an
dem Abend eigentlich die Venus mein Ziel
war. Diese videografiere ich normalerweise
im UV-Licht, wozu ich meinen 8-Zoll-Ritchey-Chretien
(RC) verwende. Der RC ist
durch den großen Fangspiegel kein ideales
Planetengerät, enthält aber als reiner
Reflektor keine UV-Licht absorbierenden
Glaskomponenten. Beim Einstellen der Venus
ist mir Merkur aufgefallen, wobei ein
flüchtiger Blick durch das Okular vielversprechend
war. Leider bestand keine Zeit
mehr, das Teleskop zu wechseln. Merkur
hatte während der Aufnahme nur eine Höhe
von 8,5°, einen scheinbaren Durchmesser
von 6'' und war zu 70% beleuchtet.
Drei Tage später visierte ich Merkur wieder
gezielt an. Die Bedingungen an diesem
Abend waren nicht schlecht. Sein scheinbarer
Durchmesser war leicht auf 6,3'' angewachsen,
wobei der Beleuchtungsgrad auf
65% gesunken war. Während der Aufnahme
befand sich Merkur 11° über dem Horizont.
Das Ergebnis hat mich überrascht,
denn ich meine, dass Details auf Merkur
erkennbar sind. Um dies zu überprüfen,
habe ich mit der Software WinJUPOS eine
perspektivische Ansicht erstellt. Diese Ansicht
wurde per Gauß-Filter unscharf gemacht
und dann kontrastverstärkt, um
meiner Aufnahme zu ähneln. Die linke Seite
von Abbildung 3 zeigt meine Aufnahme,
die rechte Seite die bearbeitete Ansicht aus
WinJUPOS. Obwohl der Vergleich doch
Unterschiede zeigt, meine ich, dass die
Strukturen auf meiner Aufnahme durchaus
real sind. Dabei gilt es zu Bedenken,
dass die von WinJUPOS verwendete Karte
auf Fotos der Raumsonde Messenger basieren,
deren wellenlängenabhängige Empfindlichkeit
sich von meiner Ausrüstung
unterscheidet. Dazu kommt, dass die perspektivische
Ansicht die unterschiedlichen
Beleuchtungswinkel durch die Kugelform
von Merkur nicht berücksichtigt.
3 Merkur am 28. Juni 2018. Links meine Aufnahme und rechts die bearbeitete Ansicht aus
WinJUPOS. Teleskop: Meade 10-Zoll-ACF und Baader-Hyperion-Barlowlinse (effektive Brennweite
6.100 mm), Kamera: ZWO ASI 120MM mit ZWO-Rot-Interferenzfilter aus dem RGB-
Filter satz. 3% von 12.800 Aufnahmen wurden mit AutoStakkert gestackt und vorgeschärft,
anschließend mit dem Mexican-Hat-Filter von Giotto weiter geschärft und in Adobe Photoshop
kontrastverstärkt.
Weitere Informationen zu den Gerätekonfigurationen
und der Bearbeitung der
Aufnahmen sind den Bildunterschriften zu
entnehmen.
Merkur am Taghimmel im Teleskop
von Ralf Kreuels
Der Kontrast am Taghimmel des 25.02.2019
war sehr gering, im Sucher war Merkur
kaum zu sehen. Seine Position fand ich, indem
ich von der Sonne „zurückrechnete“.
Als Aufnahmesoftware wurde SharpCap
[1] verwendet, aber eine alte Version, in der
es noch einen Gamma-Regler gab. Zur Beurteilung
des Fokus’ am Bildschirm war das
nicht unwichtig.
Beobachtet wurde mit dem C 11 bei f/10,
der Kamera ASI 178MM und einem IR-
Filter mit Kantenwellenlänge bei 742 nm.
Merkur war an diesem Tag knapp 18 Grad
von der Sonne entfernt und wies einen
Durchmesser von rund sieben Bogensekunden
auf. Die Aufnahmen wurden am
Nachmittag mit einer Belichtungszeit von
20 ms gemacht – davon 110 AVI-Filme von
je 10 Sekunden. Diese 110 Videos wurden
in AutoStakkert!3 [2] mit einer Verwendungsrate
von 66% gemittelt, die daraus
entstandenen 110 Bilder erneut gestackt
und mit einer Verwendungsrate von 33%
gemittelt. Geschärft wurde in Adobe Photoshop
mit einer unscharfen Maske von 2,2
Pixel Radius.
Das Ergebnis war noch nicht wirklich
schön anzusehen, denn es gab helle und
dunkle Ringe auf dem Planetenscheibchen.
Zum Glück waren diese sehr symmetrisch
und ich konnte sie mit einer invertierten
unscharfen Maske ebnen.
Dies war erst mein zweiter Versuch an Merkur.
Einige Oberflächendetails konnte ich
verifizieren, obwohl die Luftunruhe verglichen
mit guten Nächten gar gruselig war.
Bessere Ergebnisse würde ich mir vormittags
kurz nach Sonnenaufgang erwarten …
ich bleibe dran!
Internethinweise (Stand: 14.02.2020):
[1] www.sharpcap.co.uk
[2] www.autostakkert.com
1 Merkur am Taghimmel des 25.02.2019,
Planetendurchmesser rund 7’’. Aufnahme
mit Celestron C 11 bei f/10, Kamera ASI
178MM, IR-Filter 742 nm, Bildautor: Ralf
Kreuels.
44 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 45
Amateurteleskope / Selbstbau
Amateurteleskope / Selbstbau
Smartphonehalterung selbst gebaut
von Hans-Ulrich Veith
Die modernen Smartphones zeichnen sich
zum Teil u. a. durch sehr gute Kameras
aus. Das hegte bei mir den Wunsch, mein
Smartphone für erste einfache Astrofotos
an meinem 4,5-Zoll-Newtonteleskop einzusetzen.
Ich habe bisher nur visuell beobachtet.
Da ich in meinem Keller eine kleine Werkstatt
habe, lag es für mich nahe, es für die
ersten fotografischen Experimente mit
einer kostengünstigen Halterung im Selbstbau
zu versuchen. In meiner Materialsammlung
gab es noch ein Stück 16 mm
dicke Korkplatte. Die erschien mir stabil
genug. Als Befestigung des Smartphones
wählte ich eine Siliconhülle, passend zu
meinem Smartphone.
Im ersten Schritt habe ich die Korkplatte auf
die Größe der Siliconhülle zugeschnitten
und die Kanten mit Schleifpapier gerundet.
Die Bohrung für das Kameraobjektiv habe
ich mit einem Forstner-Bohrer mit einem
Durchmesser von 34,6 mm (Topfbohrer
für Türschaniere) gebohrt (Abb. 1 und 2).
Die Okulare haben einen ähnlichen Durchmesser,
so dass ich damit auch gleich die
Okularaufnahme realisieren könnte. Mit
16 mm ist die Platte auch dick genug, um
ein Verkippen am Okular zu vermeiden.
Ich musste keine zusätzliche Steckhülse fertigen.
Bei Bedarf kann diese Bohrung mit
Klebeband wieder etwas verengt werden.
Die Kanten habe ich mit einem Akkuschleifer
gerundet (Abb. 3). Die Siliconhülle ist
mit einer 5-mm-Senkkopfschraube auf
der Korkplatte befestigt (Abb. 4). Dabei ist
es wichtig, dass diese Schaube etwa in der
Mitte der Hülle sitzt, um den Okularwechsel
zu vereinfachen. Die Schraube wird auf
der Rückseite mit einer Flügelmutter oder
einem Sterngriff geklemmt. Damit kann ich
die Okulare sehr flexibel wechseln (Abb. 5).
Die ersten Fotografien von den Jupitermonden
(Abb. 6) und vom Mond (Abb. 7)
1 Herstellung der Okularhalterung mit dem
Forstner-Bohrer
2 Bearbeitung der Bohrungsränder mit
dem Elektroschleifer
3 Ansicht okularseitig 4 Ansicht kameraseitig
5 Gesamtansicht
von der Seite
6 Die Jupitermonde, aufgenommen mit der selbstgebauten
Halterung an meinem 4,5-Zoll-Newton
Für Strukturen bei Deep-Sky-Objekten
sind mindestens 8 Zoll Öffnung wünschenswert.
Weitere Forderungen sind ein
geringes Gewicht und geringe Abmessungen.
Bei den meisten Fluggesellschaften
darf der Koffer eine maximale Größe von
158 cm (Summe aus Höhe, Breite und Tiezeigen
das Ergebnis. Die Halterung ist ausreichend stabil, wenngleich
ich noch weitere Übung brauche, um das Ergebnis zu verbessern.
Nach vielen Jahren der Abstinenz ist mit diesem kleinen
Projekt die Freude an der Astronomie bei mir neu aufgeflammt.
Literaturhinweis:
Mit 8 Zoll unterwegs
von Bernd Gährken
In südlichen Ländern ist das Wetter oft besser
und die Licht- und Luftverschmutzung
geringer. Für die Urlaubszeit wurden in den
letzten Jahren daher praktische Reiseteleskope
entwickelt.
1 Der zusammengelegte Dobson. Die Stangen
stammen von einem ausrangierten Fotostativ.
Nach dem Abschrauben der Höhenräder
wird der Spiegelkasten in der Rockerbox
versenkt. Die Bauhöhe liegt dadurch knapp
unter den 26 cm des Koffermaßes.
7 Der zunehmende Mond
[1] P. M. Oden, 2019: „Mondfotografie mit dem Smartphone“, Sterne und Weltraum 7/2019, S. 80
46 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 47
Amateurteleskope / Selbstbau
Amateurteleskope / Selbstbau
2 Wenn der Staubschutzdeckel abgenommen wird, kann man den
Hut mit Spinne und den Sekundärspiegel erkennen. Die Vertikalführungen
sind hier auch schon angeschraubt.
3 Für die Okularauszugs- und Sucherhalterung gibt es separate,
maßlich angepasste Aussparungen in der Verkleidung der Spiegelbox.
Auf der Spiegelabdeckung sind der Okularauszug und Sucher
angebracht. Dadurch haben sie einen festen, definierten Platz und
stoßen nicht an den Wandungen an.
fe) und ein Höchstgewicht von 23 kg nicht überschreiten. Ein
Reiseteleskop sollte in einen Standardkoffer passen.
Die Fotoreihe zeigt einen Reisedobson, der aus Anlass der
Sonnenfinsternisreise nach Chile im Juli 2019 konstruiert
und gebaut wurde. Die Südamerikareise [1] dauerte drei
Wochen und es wurden einige der dunkelsten Standorte in
Argentinien und Chile besucht. Es gab ein halbes Dutzend
Nächte, in denen sich das Teleskop nutzen ließ. Dazwischen
musste es sieben Flugreisen überstehen. Das Bodenpersonal
geht mit den Koffern eher ruppig um, doch das Gerät hat die
14 Ein- und Ausladevorgänge weitestgehend unbeschadet
überstanden. Nach der Rückkehr musste lediglich die Rockerbox
mit einigen Metallwinkeln verstärkt werden.
Die Sonnenfinsternis fand am 2. Juli 2019 statt. Im Juli ist auf
der Südhalbkugel Winter und die Nächte sind entsprechend
lang. Die Beobachtungsplätze lagen zwischen Meereshöhe
und 4.300 m Höhe. Mit dem Auto wurden allein in Chile
6.000 Kilometer zurückgelegt. Die besten Beobachtungen
gelangen am Paranal und auf dem Altiplano an der bolivianischen
Grenze.
5 Oben: Alle Komponenten sind baulich aufeinander abgestimmt.
Der helikalische 1,25-Zoll-Okularauszug und der Sucher werden von
einem kleinen Aluminiumwinkel gehalten. Damit ist auch ausreichende
Stabilität für die Justage gewährleistet.
6 Oben rechts: Die Rockerbox ist durch die großen Löcher gewichtsoptimiert.
Die „große Spiegelbox“ sorgt außerdem für etwas
Blendschutz. Verwendet wurden 5 mm und 8 mm starke Multiplexplatten.
Lediglich die Höhenräder und der Hut sind aus dickeren
Multiplexplatten (15 mm) gefertigt, um Verwindungen zu vermeiden.
7 Rechts: Das komplette Teleskop (8 Zoll, f/5) ist in wenigen
Minuten einsatzbereit und wiegt unter 9 kg.
Auf der Beobachtungsliste standen u. a. Sternhaufen in den
Magellanschen Wolken, IC 4628, die beeindruckende Sculptor-Galaxie
NGC 253, IC 5150, die Region um den Kugelsternhaufen
NGC 6723 mit den Reflexionsnebeln NGC 6729 und
IC 4812, aber auch Klassiker wie der Katzenpfotennebel, die Kugelsternhaufen
M 4 und NGC 6144, die Spiralgalaxie M 83, Centaurus
A und Eta Carinae fehlten natürlich auch nicht.
Vielen Dank an Hubert Hermelingmeier von der VdS-Fach gruppe
Amateurteleskope, auf dessen Anregung hin dieser Fotobericht
entstanden ist.
4 Die Abdeckung für die Spiegelbox ist einseitig mit schwarzem
Velours belegt, und dient so gleichzeitig als Blendschutz gegenüber
dem Okularauszug.
Internetlink (Stand 02.10.2019):
[1] B. Gährken, 2019: „Reisebericht Sonnenfinsternis Chile
2019“, www.astrode.de/reisen/reisen19c/chile2019.htm
48 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 49
Amateurteleskope / Selbstbau
Amateurteleskope / Selbstbau
Mit einem 3D-Drucker zum individuellen
Teleskopbauteil
von Uwe Braasch
Eigentlich aus einer Laune heraus entschied
ich mich zum Kauf eines 3D-Druckers. Inzwischen
hat sich die Technik etabliert und
man bekommt bereits zu relativ geringen
Kosten ein brauchbares Gerät. Bausätze
beginnen bei ca. 100 Euro, ein fertig aufgebauter
Drucker liegt bei etwa 350 Euro aufwärts.
3D-Druck von Kunststoffteilen ist
inzwischen keine Hexerei mehr, aber leider
nicht, was die Geschwindigkeit angeht. Man
muss schon je nach Drucker einige Minuten
warten, bis Druckbett (mehr und mehr
werden auch preiswertere Drucker mit
beheizbarem Druckbett angeboten) und
Druckkopf aufgeheizt sind und der Druck
beginnen kann. Als Druckbett bezeichnet
man übrigens den Teil des 3D-Druckers,
auf dem die Objekte schichtweise mithilfe
des Druckkopfes aufgebaut werden. Je nach
Druckertyp bewegt es sich horizontal oder
vertikal, wobei es auch Drucker mit unbeweglichem
Druckbett gibt. Eine Beheizung
des Druckbettes ist nicht immer erforderlich.
Das hängt vom verwendeten Filament
(so nennt man das schnurförmige Druckmaterial)
ab. Je nach Größe des Objektes
kann ein Druckvorgang durchaus mehrere
Stunden dauern. Das Ergebnis entschädigt
allerdings für die Wartezeit. Mit einem Programm,
das dem Drucker beiliegt, wird ein
beliebiges 3D-Modell in die für den jeweiligen
Drucker passende Kommandosprache
umgewandelt. Diesen Vorgang bezeichnet
man als „Slicing“. Dieser englische Begriff
ist im Deutschen gleichzusetzen mit „in
Scheibchen oder Schichten schneiden“. Das
Arbeitsgerät dazu, ein Slicer, baut also 3D-
Objekte scheibchenweise aus vielen dünnen
Schichten auf, die Schicht für Schicht
gedruckt werden. Sinnvollerweise bietet
dieses Programm auch Möglichkeiten zur
Nachbearbeitung an wie Skalieren, Drehen
und Spiegeln.
1 Okular-Wandhalter – oben rechts die Vorschau aus der Slicer-Software
Für den Hausgebrauch verwendet man Filamentmaterial
aus Polylactiden, also PLA,
das in vielen Farben angeboten wird. Mit
Woodfill-PLA gedruckte Teile sollen das
Aussehen von Holz imitieren. Bei PLA handelt
es sich um einen Kunststoff, der aus regenerativen
Quellen gewonnen wird (z. B.
Maisstärke). Empfindliche Nasen bemerken
während des Druckvorgangs vielleicht
einen leichten Geruch, der an Schaumzucker
erinnert. Doch eigentlich kann man
sagen, dass die Verarbeitung dieses Materials
fast geruchlos und schadstoffarm
erfolgt. Nachteil von PLA ist der niedrige
Schmelzpunkt von ca. 55 °C, der aber in der
Praxis meist höher liegt. Im Internet findet
man zahlreiche Berichte darüber. Man ist
sich dort einig, dass ein Schmelzen des Objekts
in der Sonne nicht zu befürchten ist.
Die meisten 3D-Drucker verarbeiten auch
ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer),
PETG (Polyethylenterephthalat, auch
PET genannt) und andere exotische Materialien.
Die Verarbeitung dieser Materialien
sollte aber wegen giftiger Emissionen
nicht in Wohnräumen erfolgen.
Als Standard für 3D-Modelle hat sich die
STL-Schnittstelle (Stereo-Lithografie)
durchgesetzt. Sie ist Standardschnittstelle
vieler CAD-Systeme. CAD steht für
Computer-Aided Design, also rechnerunterstütztes
Konstruieren. Gute Tools für
CAD-3D-Modelle gibt es auch als Freeware,
mit der man bereits die wichtigsten
Modelle entwickeln kann. So konnte ich
nach kurzer Einarbeitung in eins dieser
Programme einen Okularhalter entwerfen
und drucken, der als Wandhalter dem zeitweisen
Ablegen meiner Okulare dient, die
ich gerade vorübergehend nicht benötige
(Abb. 1). So bot es sich dann auch an, die
fehlende Augenmuschel für mein in den
USA gekauftes 65-mm-Okular (ein Super-
Plössl XL) mit passendem Deckel zu drucken
(Abb. 2). Meine EQ5-Nachführeinheit
findet nun nebst Powerbank sicheren Halt
am Stativ (Abb. 3). Fehlende Okularabdeckungen
sind schnell gedruckt und meine
Filter befinden sich in identischen Boxen,
die sich auch bei Dunkelheit und mit kalten
Händen problemlos öffnen lassen.
2 Augenmuschel mit
Staubschutzkappe
Auf der Seite www.thingiverse.com findet
man zahlreiche fertige Modelle im
STL-Format, welche kostenlos angeboten
werden. Sie können nach dem Download
mit oder ohne Nachbearbeitung für das
jeweilige Druckermodell umgewandelt
und dann gedruckt werden. Was allein bei
Thingiverse für das Gebiet der Astronomie
für den 3D-Druck angeboten wird, ist erstaunlich.
Über Bahtinovmasken, diverse
Adapter, Okularabdeckungen, Filterboxen,
Arretierungen für Kamera-Objektive zur
Fixierung der Fokuslage bis hin zu aufwändigen
Nachführeinheiten findet jeder etwas
für seine Belange Passendes. Größtenteils
Dinge, die sonst nirgends erhältlich sind,
lassen sich mit einem 3D-Drucker kurzerhand
drucken. Mein 3D-Drucker steht
kaum noch still.
3 Individuelle Halterung für die Steuerbox einer GoTo-Montierung
IMPRESSUM
VDS-JOURNAL FÜR ASTRONOMIE
Vereinszeitschrift der Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS)
Hier schreiben Sternfreunde für Sternfreunde.
Herausgeber: Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS)
Geschäftsstelle: Postfach 1169 | 64629 Heppenheim | GERMANY
Telefon: +49 62 52 78 71 54 | Fax: +49 62 52 78 72 20
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Redaktion: Dietmar Bannuscher, Dr. Werner E. Celnik, Otto Guthier,
Sven Melchert. Redaktionelle Mitarbeit der VdS-Fachgruppen-Redakteure und
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Gestaltung/Layout: Bettina Gessinger, Dipl. Designerin
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Bezug: „VdS-Journal für Astronomie“ erscheint viermal pro Jahr und ist im Mitgliedsbeitrag
von 40,- E (EU) und 45,- E (außerhalb der EU) bzw. ermäßigt 25,- E
pro Jahr enthalten.
Beiträge: Beiträge für die Rubriken der VdS-Fachgruppen werden erbeten an die
Redakteure der Fachgruppen (Adressen siehe unter www.vds-astro.de).
Andere Beiträge senden Sie bitte an die VdS-Geschäftsstelle, Postfach 1169,
64629 Heppenheim, E-Mail: service@vds-astro.de.
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Amateurteleskope / Selbstbau
Astrofotografie
Nachruf
Klaus Weyer, ein echter
„Astromaniac“
Neues aus der Fachgruppe Astrofotografie
Sternströme um NGC 5907
von Peter Riepe
Vor knapp 20 Jahren reanimierte Klaus sein
seit der Jugend bestehendes Interesse an
der Astrofotografie. In den Astronomieforen
suchte er nach Gleichgesinnten und traf
sich mit ihnen in sternenklaren Nächten
auf den Feldern in der Solinger Umgebung,
um dem gemeinsamen Hobby zu frönen.
Zu Beginn experimentierte er noch kurz
mit der chemischen Fotografie und verlagerte
sich nach den ersten Schritten auf
die digitale Fotografie, in der er die große
Zukunft sah. Zur Vereinfachung der Kommunikation
von Gleichgesinnten gründete
er das Forum ASTROMANIACS.
Neben dem Forum, welches sich schnell
als Blog seiner Aktivitäten entwickelte, war
Klaus der persönliche Austausch ein wichtiges
Anliegen. Er gründete zusammen
mit weiteren Forennutzern den Haaner
Astrostammtisch und schloss sich dem
Solinger Astrofotografentreffen an. Nach
zahlreichen astrofotografischen Exkursionen
in die nähere Umgebung erwarb er ein
Gartenhäuschen. Er baute es zu einer auf
Schienen gelagerten Sternwarte um, die
er nur zur Seite schieben musste, um auch
kurze Wolkenlücken für die Astrofotografie
nutzen zu können. Die ersten in der
neuen Sternwarte entstandenen Bilder des
Sternbilds Orion und der darin befindlichen
Deep-Sky-Objekte fasste er in einem
Kurzfilm „Raumschiff Orion“ zusammen,
welches als Daumenkino im VdS-Journal
für Astronomie Nr. 16 (2005) und auf seiner
Homepage veröffentlicht wurde.
Schnell stieß Klaus mit den von der Stange
gekauften Teleskopen und Zubehörteilen an
die Grenzen des Machbaren. Er wollte den
Horizont erweitern und stieg in den Selbstbau
von Zubehörteilen ein. Mangels einer
mechanischen Werkstatt wurde er Großabnehmer
von Pattex-Powerknete und formte
mit seinen geschickten Händen Adapter
und Bauteile, um Kameras und Leitrohre an
Fernrohren zu befestigen. Die Powerknete
wurde einer seiner wichtigsten Begleiter,
was am Flughafen oftmals zu zusätzlichen
und intensiven Sicherheitskontrollen führte.
Seine Erfahrungen im Bereich der Programmierung
in Kombination mit seinem Entdeckungsdrang
waren die Grundlage für viele
Selbstbauprojekte, die er auf seiner Homepage
watchgear.de präsentierte und in dem
Forum zur Diskussion stellte. Highlights
waren beispielsweise die Modifizierung von
Canon-Spiegelreflexkameras mit Autoguider
und einem Peltierelement mit Wasserkühlung
zur Reduzierung des thermischen
Rauschens, die Programmierung von Tools
zum Einnorden und automatischen Nachführen
von Montierungen und Routinen in
der Bildverarbeitung von Astrofotografien.
Im Laufe der Zeit wurde die Powerknete
durch den aufkommenden 3D-Druck ergänzt.
Klaus erkannte die Potenziale dieser
1 Klaus Weyer in seiner Außensternwarte
Technik und erwarb einen ersten Drucker,
der schnell durch weitere ergänzt wurde,
um Adapter, Bauteile und seine Ideen zur
Weiterentwicklung des Zykloidgetriebes für
Montierungen zu produzieren. Um die Visionen
des Getriebes realisieren zu können,
baute er sich einen eigenen 3D-Drucker,
mit dem er während der Stammtische Teile
live druckte. Zur Vollendung des Getriebes
kam es leider nicht mehr. Klaus verstarb am
9. November 2019 im Alter von 54 Jahren
nach einer kurzen Krankheit.
Wir werden Klaus mit seinem trockenen
Humor sehr vermissen und immer als hilfsbereiten
und großzügigen Astrofotografen
und Selbstbauer in Erinnerung behalten, der
sein Wissen gerne weitergegeben und damit
viele Amateurastronomen inspiriert hat.
Stefan Ueberschaer
2 Umgebaute Canon 40D mit Wasserkühlung
und integriertem Autoguider
Eine große Scheibengalaxie wie unsere
Milchstraße fängt eine Zwerggalaxie ein.
Diese bewegt sich durch den galaktischen
Halo und wird durch Staudruck und Gezeitenkräfte
entlang ihrer Bahn in die Länge
gezogen. So verliert sie mit der Zeit stellare
und interstellare Materie an die „kannibalische
Galaxie“. Das widerfuhr auch der
Zwerggalaxie Sagittarius Dwarf, deren stellare
Überreste noch deutlich im Sternbild
Schütze und beidseitig weit darüber hinaus
nachweisbar sind. Sternströme sind mittlerweile
ein bekanntes Phänomen, auch in
anderen Galaxien.
Heute arbeiten Amateure und Profis auf
den Gebieten Zwerggalaxien und Sternströme
zusammen. Mit dieser Zielsetzung
wurde 2012 auch unsere TBG-Gruppe gegründet,
siehe [1]. Publikationen lassen
nicht lange auf sich warten. Bereits zum
Jahresende 2008 veröffentlichten David
Martinez-Delgado und Kollegen einen
Aufsehen erregenden Artikel im Astrophysical
Journal, Thema: Ein Sternstrom um
die Galaxie NGC 5907 [2]. In der Einleitung
heißt es: „Unsere tiefen Aufnahmen enthüllen
erstmals einen großräumigen Komplex
umlaufender Bögen.“ Diese Struktur war
aber nicht neu und auch schon publiziert
[3, 4], allerdings als Einzelbogen. Neu in
der Arbeit von Martinez-Delgado: Der
Sternstrom zeigt einen markanten Doppelbogen,
ein deutlicher Unterschied zu [3]
und [4]. Das zugehörige Bild stammt von R.
Jay Gabany. Aus Datenschutzgründen kann
es hier nicht einfach abgedruckt werden.
Bitte also den Link unter [2] öffnen und
selbst nachschauen.
TBG-Mitglied Robert Pölzl hatte 2011 NGC
5907 ebenfalls lang belichtet, von dem markanten
Doppelbogen keine Spur! Wir veröffentlichten
daher nichts, sondern fragten
uns: Was hat Gabany anders gemacht?
Einigen anderen Astrofotografen gelang
1 NGC 5907 mit Sternstrom, Bild: Robert Pölzl, Mai/Juni 2011, Salzstiegel/Steiermark,
368-mm-Newton f/3,6 mit Wynne-Korrektor, CCD-Kamera FLI 8300, L-Filterung 225 min
belichtet, dazu ein L aus RBG mit 360 min belichtet. Dark- und Flatkorrektur.
es, einen Doppelbogen zu dokumentieren.
Heute bringen wir hier Robert Pölzls Bild
(Abb. 1), denn der einfache Sternstrombogen
erscheint durchaus diskussionswürdig,
wie nachfolgend beschrieben. 2016 gingen
Seppo Laine et al. näher auf den Sternstrom
von NGC 5907 ein, mit dem Bild von Martinez-Delgado
und Gabany in der Einleitung.
Gezeigt wurde auch ein eigenes Bild,
gewonnen im r-Band am Subaru-Teleskop
[5]. Darauf ist der Sternstrom wie auf dem
TBG-Bild zu sehen – einfach, nicht doppelt.
Laine et al. sprechen vorsichtig nur vom
„hellsten Teil des Sternstroms“, wenngleich
die Gabany-Aufnahme beide Bögen etwa
gleich hell zeigt. Auch das Subaru-Teleskop
hätte beide Sternströme eigentlich registrieren
müssen, oder? Inzwischen hat sich
auch Pieter van Dokkum mit der Dragonfly-Gruppe
NGC 5907 vorgenommen [6],
dazu eine weitere Gruppe um Oliver Müller
mit einem 1,4-m-Teleskop [7]. In den Auf-
52 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 53
Astrofotografie
Astrofotografie
Grundlagen der Bildebnung in der
Astrofotografie – Teil 2
von Peter Köchling
nahmen beider Gruppen ist kein doppelter
Sternstrom um NGC 5907 sichtbar (Abb.
2), sondern nur ein einfaches „Knie“. Das
extrem tiefe Dragonfly-Bild zeigt zudem
einen sehr schwachen Bogenfortsatz westlich
von NGC 5907 (siehe Link in [6]). Die
folgende Diskussion in der Fachwelt war
heftig, sowohl für Martinez-Delgado als
auch die Kritiker.
Fazit: In einer Fachpublikation muss ein so
lichtschwaches Gebilde wie ein Sternstrom
unbedingt durch eine zweite, unabhängige
Aufnahme untermauert werden! Inzwischen
läuft in der TBG-Gruppe das neue
„Projekt NGC 5907“. Aber auch andere
interessierte Astrofotografen können NGC
5907 gemeinsam mit uns tief belichten. Mal
sehen, was wir zum Doppelsternstrom herausfinden.
Übrigens steht das TBG-Team
mit Oliver Müller im Kontakt.
Literatur- und Internethinweise (Stand: Februar 2020):
2 NGC 5907 mit Sternstrom, aufgenommen im Oktober 2019 am serbischen
„Milankovic“-1,4-m-Teleskop, CCD-Kamera Andor IKONL, Belichtungszeit 7,2 h
mit Einzelbelichtungen von 300 s. Mit freundlicher Genehmigung von [7].
[1] TBG-Gruppe der FG Astrofotografie (Tief Belichtete Galaxien): http://tbg.vdsastro.de/
[2] D. Martinez-Delgado et al., 2008: “The Ghost of a Dwarf Galaxy: Fossils of the Hierarchical
Formation of the Nearby Spiral Galaxy NGC 5907”, Astrophys. J. 689, p. 184,
siehe https://iopscience.iop.org/article/10.1086/592555/pdf
[3] Z. Shang et al., 1998: “Ring structure and warp of NGC 5907 - Interaction with
dwarf galaxies”, Astrophys. J. 504, p. 23, siehe https://iopscience.iop.org/
article/10.1086/311563/pdf
[4] Z. Zheng et al., 1999: “Deep intermediate-band surface photometry of NGC 5907,
Astron. J. 117, p. 2757, siehe https://iopscience.iop.org/article/10.1086/300866/pdf
[5] S. Laine et al., 2016: “Metallicity and age of the stellar stream around the disk galaxy
NGC 5907”, Astron. J. 152, p. 72, siehe https://iopscience.iop.org/article/
10.3847/0004-6256/152/3/72/pdf
[6] P. van Dokkum et al., 2019: “Dragonfly imaging of the galaxy NGC 5907: a different
view of the iconic stellar stream”, Astrophys. J. 883, L32-L32, siehe https://arxiv.org/
pdf/1906.11260.pdf
[7] O. Müller, A. Vudragović, M. Bílek, 2019: “Hunting ghosts: the iconic stellar stream(s)
around NGC 5907 under scrutiny”, Astron. Astrophys. 632, id.L13, 5 pp., siehe
www.aanda.org/articles/aa/pdf/2019/12/aa37077-19.pdf
Im ersten Teil ging es um die Grundlagen
bei der Erstellung von Flatfieldaufnahmen
für tief belichtete Deep-Sky-Aufnahmen.
Nach einer Belichtungsnacht sollten neben
den belichteten Einzelbildern eines Objekts
(Lights) auch die Dunkelbilder (Darks)
und die Bilder zur Bildebnung (Flats) vorliegen.
Sofern die Flats mit einer anderen
Belichtungseinstellung als die Lights erstellt
wurden, sind noch die Dunkelbilder
für die Flats notwendig, die sogenannten
Flatdarks.
Im Folgenden beschreibe ich nun die
Prozedur am PC, mit der die Bildebnung
vollzogen werden kann. In dem Flatfield
Projektteam des Ostwestfälischen Astro-Stammtisches
(OwAS) waren wir uns
einig, der Öffentlichkeit zwei Prozeduren
anzubieten. Die erste Prozedur sollte für
Einsteiger mit Hilfe der kostenlosen Freeware
Fitswork möglich sein. Die zweite, anspruchsvollere
Prozedur erfolgt mit PixInsight.
Auf Basis dieser Prozedur erhoffen
wir uns zu einem späteren Zeitpunkt, den
Ablauf durch geeignete Programmierung
zu automatisieren. Letztlich ist aber nicht
die Software entscheidend für die korrekte
Durchführung der Bildebnung, sondern
die mathematischen Algorithmen dahinter.
1 Nach der ersten Bildebnung können
am Lightdummy noch Restfehler übrig
bleiben. a) Sind die Ecken noch dunkler als
das Zentrum, so ist das Bild unterkorrigiert.
b) Sind die Ecken zu hell, spricht man von
überkorrigiert. c) Durch Wahl eines richtigen
Korrekturwerts, der zum Flatfield addiert
wird, erreicht man eine gute Bildebnung. Lediglich
ein linearer Helligkeitsgradient bleibt
eventuell im Lightdummy zurück.
54 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 55
Astrofotografie
Astrofotografie
Als ersten Schritt in der Prozedur sollten
aus den einzelnen Darks und Flatdarks
durch Mittelung das Masterdark und das
Masterflatdark erstellt werden. Die Anzahl
der Darks sollte möglichst größer sein als
die Anzahl der Lights. Dazu ist es erlaubt,
die Darks mehrerer zeitlich naher Tage zu
mitteln, sofern die Kameraeinstellung und
die Sensortemperatur etwa dieselbe waren.
Im zweiten Schritt erzeugen wir ein sogenanntes
Lightdummy. Dazu werden alle
Lights ohne jede Kalibrierung oder Bildausrichtung
gemittelt. Das Lightdummy
sieht zwar nicht besonders schön aus, da die
Sterne und weiteren Objekte aufgrund der
Nachführfehler einer Nacht verschmiert
sind. Dafür repräsentiert dieses Lightdummy
den perfekten Fehler durch Vignettierung
einer ganzen Belichtungsreihe, überlagert
von den verschmierten Himmelsobjekten,
der Lichtverschmutzung und dem
Sensorrauschen. Es bildet die Basis für eine
spätere Kalibrierung des Masterflats. Der
Begriff „Lightdummy“ ist eine Wortneuschöpfung
durch Ulf Kriese.
Im dritten Schritt widmen wir uns den
Flats. Um ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis
zu erreichen, sollten die Flats gut durchbelichtet
sein. Gleichzeitig ist zu beachten,
dass die Pixelhelligkeiten nicht im oberen
Drittel des Histogramms zu liegen kommen,
da dort der nichtlineare Bereich vieler
Sensoren beginnt. Die Einzelflats werden
zum Masterflat gemittelt. Anschließend
subtrahiert man von diesem Masterflat
das Masterflatdark, um Hotpixel und andere
systematische Pixelfehler des Sensors
im Masterflat zu entfernen. Grundsätzlich
sollten im Masterflat auch schwache Reste
von Sternen oder gewanderten Partikeln
auf dem Sensor durch genügen gemittelte
Flats minimiert werden. Gelingt das nicht,
müssten Reste von Sternen oder die Donuts
durch Partikel auf dem Sensor manuell im
Flat entfernt werden, was weitere Risiken
2 Dieses unkalibrierte Flatfield eines Celestron 11 mit Hyperstar und Canon EOS 60Da
erscheint blau, da es in der Dämmerung aufgenommen wurde. Über das Flatfield werden
in PixInsight manuell neun Messfelder verteilt. Genauso erfolgt dies auch bei dem Lightdummy
derselben Nacht. Anhand der Helligkeiten der Messfelder erfolgt die Kalibrierung
des Flatfields an dem Lightdummy (Abb. 3).
von Bildartefakten mit sich bringt. Das
Masterflat wird aber noch leicht verrauscht
sein. Dieses Rauschen besteht neben dem
zufälligen Rauschen auch aus einem systematischen
Signalanteil (unterschiedliche
Pixelempfindlichkeit) des Sensors. Mit Hilfe
des Masterflats können wir also auch diesen
systematischen Anteil in den Lights korrigieren.
Abschließend normiert man das
Masterflat, indem man das Bild durch sein
Maximum dividiert und so hochskaliert.
Viele glauben, dieses normierte Masterflat
sei vollkommen ausreichend zur Bildebnung.
Wendet man dieses auf die Einzelbilder
an, indem man jedes Einzelbild durch
das normierte Masterflat dividiert, so wird
man weiterhin leichte Abweichungen feststellen.
So wird der eine Farbkanal des geebneten
Einzelbildes leicht unterkorrigiert
sein, das heißt die Ecken sind durch die
Vignettierung noch leicht abgedunkelt.
Ein anderer Farbkanal kann überkorrigiert
sein, wenn die Ecken heller erscheinen. Somit
ist eine Kalibrierung des normierten
Masterflats je Farbkanal Rot, Grün und
Blau notwendig. Dazu teilen wir das Masterflat
und das Lightdummy in die drei Kanäle
auf. Für jeden Farbkanal dividieren wir
in erster Iteration das Lightdummy durch
das Masterflat in Fitswork. Ist das geebnete
Lightdummy dieses Farbkanals unterkorrigiert,
so muss man von dem Masterflatfield
des Farbkanals einen konstanten Korrekturwert
(Offset) subtrahieren (Abb. 1a). Ist
das geebnete Lightdummy überkorrigiert,
die Ecken also heller, so muss man zu dem
normierten Masterflat einen Offset hinzufügen
(Abb. 1b). Mittels Intervallschachtelung
weniger Iterationen und visueller
Beurteilung des geebneten Lightdummys
lässt sich je Farbkanal so der ideale Offset in
Fitswork bestimmen. Oliver Schneider und
Mathias Straube setzen dieses Verfahren
seit Langem erfolgreich in der Bildbearbeitung
von tief belichteten Deep-Sky-Objekten
ein.
In PixInsight habe ich eine andere Prozedur
entwickelt, die zu adäquaten Ergebnissen
kommt. Ich verteile über das Masterflat und
das Lightdummy je Farbkanal neun Messfelder
(PixInsight – Previews), in denen ich
jeweils mit dem Median die Helligkeit des
Himmelshintergrundes messe (PixInsight
– Statistics, Abb. 2). Anschließend trage
ich diesen Messwert des Masterflats in eine
Tabelle (MS Excel oder Open Office Calc)
neben den Messwert der gleichen Messfeldposition
des Lightdummys ein. Trägt man
nun je Farbkanal die neun Messwerte des
Masterflats gegen die zugehörigen Messwerte
des Lightdummys in ein Diagramm
ein, so bilden diese eine ziemlich perfekte
Gerade (Abb. 3). Im Tabellenkalkulationsprogramm
berechne ich die Steigung und
den Achsenabschnitt einer linearen Regression.
Multipliziere ich nun das Masterflat
mit der Steigung und addiere den
Achsenabschnitt hinzu, so entspricht das
Masterflat fast genau dem Hintergrund des
Lightdummys. Anhand des Bestimmtheitsmaßes
R² der linearen Regression lässt sich
die Güte des Flatfields zum Lightdummy
quantifizieren. Ich erreiche mittlerweile R²
größer 99%. Nach dieser Kalibrierung jedes
Farbkanals des Masterflats führe ich diese
wieder zum RGB-Bild zusammen und normiere
diese. In der Prozedur der linearen
Regression entspricht der berechnete Achsenabschnitt
dem Korrekturwert (Offset)
der Iteration der ersten Prozedur. Wir glauben,
dass dieser Offset durch unterschiedliches
Streulicht im Teleskop und Tubus
während der Flatfielderstellung und Light-
Belichtung herrührt, welches nicht der Vignettierung
unterworfen ist. Oft sind nicht
passende Darks oder Bias eine plausible Erklärung
für Fehler bei der Bildebnung.
Ganz gleich, mit welcher der beiden Prozeduren
das normierte und kalibrierte Masterflat
erstellt wird, bleibt letztlich noch ein
Fehler übrig. Wendet man die Bildebnung
auf das Lightdummy an, so erkennt man im
Hintergrund häufig einen leichten Helligkeitsgradienten
(Abb. 1c). Eine Ecke des
Bildes ist etwas heller als die andere. Der
Gradient wird durch Dämmerungseffekte
während der Belichtung, Lichtverschmutzung,
Streulicht oder leichte Verschiebung
der Blende zwischen Flatfielderstellung
und Lights erzeugt. Um Gradienten durch
das Instrument zu korrigieren, muss das
3 Im obigen Diagramm werden die Helligkeitswerte (roter Kanal, Schwarz = 0, Weiß = 1) der
neun Messfelder des Flatfields gegen die zugehörigen Messwerte des Lightdummys aufgetragen.
Daraus lässt sich die lineare Regression errechnen. In den Diagrammen unten sind die
Abweichungen der neun Messfelder zur linearen Regression dargestellt. Starke Abweichungen
nach oben deuten auf helle Himmelsobjekte im Messfeld des Lightdummys hin.
normierte und kalibrierte Masterflat in
seiner Helligkeit leicht gekippt werden.
In Fitswork verwendet man hierfür die
Funktion „Hintergrund Gradient ebnen
manuell“ separat an jedem Farbkanal des
kalibrierten und normierten Masterflats,
bis der Gradient im geebneten Lightdummy
augenscheinlich verschwunden ist.
Dieses normierte, kalibrierte und gekippte
Masterflat ist das finale Flat zur Bildebnung.
In PixInsight erzeugt man dieses
durch automatische Berechnung. Als erstes
wird das Lightdummy mit dem normierten
und kalibrierten Masterflat geebnet.
Dann berechnet man mit der Funktion
„Automatic Backgrund Extraction“ einen
„Background“ 1. Ordnung durch Division.
Dieser bildet den linearen Gradienten perfekt
ab. Diesen Background normiert man
wiederum und multipliziert ihn mit dem
normierten und kalibrierten Masterflat.
Das Ergebnis ist wiederum ein normiertes,
kalibriertes und gekipptes Masterflat.
Natürlich birgt diese Art Gradientenentfernung
auch das Risiko, Bildartefakte in das
Bild hineinzuholen. So könnte die dunklere
Ecke nicht von einem Dämmerungsgradienten
herrühren, sondern tatsächlich eine
schwache kosmische Dunkelwolke sein, die
so weggerechnet wird. Und die hellere Ecke
könnte in Wirklichkeit ein wenig auffälliger,
schwacher Reflexionsnebel gewesen
sein. Auch die Sterne selbst werden natürlich
durch diese Art der Gradienteneliminierung
in den dunkleren Ecken gegenüber
den anderen Sternen künstlich aufgehellt.
Korrekte Fotometrie ist somit nicht möglich.
Daher sollte man eher über eine klassische
Entfernung des Gradienten nach Bildebnung
am Einzelbild durch Subtraktion
des Dämmerungsgradienten nachdenken.
Zugegeben sind beide beschriebenen Prozeduren
sehr zeitaufwändig. Doch vor allem
die Prozedur in PixInsight ließe sich
mit einigem Programmieraufwand leicht
automatisieren. So bitten wir – der Ostwestfälische
Astro-Stammtisch – an dieser Stelle
um die Mithilfe anderer Hobbyastronomen
bei der Programmierung der hier beschriebenen
Prozedur. Der Lohn wird die Dankbarkeit
vieler anderer sein, die dann in der
Lage sind, in tief belichteten Aufnahmen
neue Zwerggalaxien, Sternströme, Nebel
und Dunkelwolken zu entdecken.
56 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 57
Astrofotografie
Astrofotografie
Extragalaktische Bildfelder für Astrofotografen
Neufassung eines Galaxienverzeichnisses besonderer Art
von Wolfram Fischer
Bereits im Jahr 2011 vollendete ich mein
erstes Online-Galaxienverzeichnis des
nördlichen Himmels und veröffentlichte
es auf meiner Homepage. Es folgte 2016 die
Erweiterung auf den Südhimmel. Reichlich
3 Jahre später, im Februar 2020, wurde
eine aufwändige Neuerarbeitung des
Nordhimmels (Begleittexte in englischer,
spanischer und deutscher Sprache) unter
dem Titel „Extragalaktische Bildfelder für
Astrofotografen – Nordhimmel bis DE -6
Grad“ fertig und frei verfügbar ins Netz gestellt
[1]. Diese Neufassung wendet sich an
fortgeschrittene Astrofotografen, übertrifft
die Vorgängerversion von 2011 bei Weitem
und beschenkt den Benutzer mit Antworten
auf Fragen wie: „Galaxien fotografieren,
aber welche, wo, Objektdaten, Aussehen,
wann am besten?“
Sie können sich leicht und zeitsparend,
auch auf ein geplantes Aufnahmedatum bezogen,
aus 910 Bildfeldern (meist im Format
25’ x 38’) einen bisher nie dagewesenen
Überblick und weitreichende Informationen,
auch aus professionellen Datenströmen
verschaffen! Das Verzeichnis entstand
nach zusätzlicher Durchsicht aller Arp-Objekte
und aller Abell-Galaxienhaufen (mit
allen Erweiterungen an Nord- und Südhimmel
5.250 an der Zahl). Insgesamt sichtete
ich inzwischen über 11.000 Bildfelder
des Digitized Sky Survey (DSS)!
Der grundsätzliche Aufbau des Verzeichnisses
entspricht dem Südhimmelsverzeichnis
von 2016. Die Koordinaten der
empfohlenen Bildmitten (linke Spalte)
sind verlinkt mit der SIMBAD-Datenbank
(Strasbourg). Dort werden Objekte aller
Klassen in einem Radius von 10’ um diese
Koordinaten angezeigt. Zugleich öffnet
sich dort ein quadratisches Bildfeld „Aladin
Lite“, das den betreffenden Himmelsausschnitt
(mit gekennzeichneten Objekten)
auf einer tiefen Aufnahme zeigt (wahlweise
1 Der Autor hinter seinem Teleskop (12-Zoll-ACF von Meade) in der kleinen Station der
Sternwarte Sohland a. d. Spree.
z. B. DSS oder SDSS): ein wunderbares Instrument
zur Objektidentifizierung. Man
kann damit u. a. auch am Bildschirm bogensekundengenau
die Koordinaten von
Objekten bestimmen. Gibt man diese bei
NED ein (NASA/IPAC Extragalactic Database,
die weltweit größte extragalaktische
Datenbank [2]), so wird man erstaunt sein,
wie gut die Koordinaten übereinstimmen.
So kann man auch für schwache Galaxien
eine Bezeichnung finden. Mehr ist in den
meisten Fällen nicht bekannt.
In der 3. Spalte werden wichtige Objekte im
Bildfeld genannt, verlinkt zum Digitized
Sky Survey (digitalisierte Aufnahmen des
POSS II). Sie können sich also die Aufnahmefelder
direkt ansehen, aufgenommen
durch das 48-zöllige Oschin-Schmidt-Teleskop
des Mt. Palomar Observatory. Heutige
digitale Amateuraufnahmen können ähnliche
Auflösungen und Tiefen erreichen.
Die POSS-Bilder sind eine wunderbare
Referenzquelle. Ein Sternchen am Ende der
3. Spalte weist auf besonders schöne Aufnahmefelder
hin.
Unter der 6. Spalte stehen die durch den
Platz sehr limitierten Objektdaten (nebst
Quellenangaben), jetzt meist für 4 bis 5
Galaxien pro Aufnahmefeld, bei deren
Auswahl und Erstellung ich viel Zeit und
Sorgfalt aufgewendet habe. Primäre Datenquellen
waren erstmals NED, für helle
Objekte das Verzeichnis von Dr. Wolfgang
Steinicke (NGC/IC-Project), aber auch
SIMBAD. Stets das betreffende POSS-Bild
vor Augen, machte ich vielfältige Erfahrungen
mit den Angaben in den Datenbanken
und bemühte mich, Widersprüchlichkeiten
auszumerzen.
Ein häufiges Problem waren die oft deutlich
zu kleinen Winkelgrößen der Galaxien
(auch im NGC/IC-Project). Da deren Begrenzungen
nicht klar erkennbar sind, legt
man eine Grenzisophote fest. Als Amateurfotograf
interessiert mich nur, wie groß in
etwa ein Objekt auf „meinen“ Referenzaufnahmen
(POSS II oder SDSS) erscheint.
Während der Ausarbeitung des Verzeichnisses
ging ich daher zunehmend dazu
über, die Winkelausdehnungen (im Zwei-
felsfall oder wenn diese fehlten) am Bildschirm
(SIMBAD, Aladin Lite) selbst auszumessen.
Es ist mir bewusst, dass dann die
übernommenen Helligkeiten (zur Punkthelligkeit
aufintegrierte Galaxienflächen)
dazu nicht mehr richtig passen und etwas
heller sein müssten.
Öfters galt es, das Knäuel unterschiedlicher
Objektbezeichnungen (Anmerkung:
„Cwt“ steht im Verzeichnis für „Durcheinander
mit den Bezeichnungen“) in engen
Gruppen zu entfitzen. Auch bestimmte ich
gelegentlich die Winkelausdehnungen von
Gezeitenarmen (engl. tidal tails – Gezeitenschweife,
in meinem Verzeichnis kurz
„tails“), machte Bestimmungen des Typs
(dank Aladin Lite, SDSS und meiner jahrelangen
Erfahrung) und in Einzelfällen wagte
ich grobe Helligkeitsschätzungen, weil
ich mehr bringen wollte als nur Objektbezeichnungen.
In einigen Bildfeldern stieß
ich auf lichtschwache ausgedehnte galaktische
oder intergalaktische Nebelschwaden,
auf deren Vorhandensein ich hinwies. Diese
Nebel sind auf den blauen POSS-Platten
deutlicher zu erkennen als auf den roten,
also kein Ha-Licht in Emission.
Manche Benutzer werden sich vermutlich
an dem von mir benutzten Begriff „Lichtlaufzeit“
stören und diesen automatisch als
Entfernung in Lichtjahren verstehen. Bitte
bedenken Sie, in einem beschleunigt expandierenden
Universum wird die Gleichsetzung
von Lichtlaufzeit und Entfernung
mit zunehmender Rotverschiebung immer
absurder! Die Lichtlaufzeit ist im Idealfall
gleich der Strecke in Lichtjahren, die das
Licht zu uns zurückgelegt hat. Dies ist aber
weder die Entfernung des Objekts, als das
Licht auf Reisen ging, ebenfalls nicht die
heutige Entfernung, noch ist es die Zeit, die
ein Lichtsignal jetzt dorthin bräuchte. Nur
in kosmologischer Nähe zu unserer Milchstraße
(bis ca. z = 0,1, Lichtlaufzeit etwa
1,2 Milliarden Jahre) ist diese vereinfachte
Sicht in Anbetracht der Unsicherheiten
hinnehmbar.
Für die Berechnungen der Lichtlaufzeiten
(NED Wright´s Javascript Cosmology
Calculator) nutzte ich diesmal korrigierte
Rotverschiebungen von NED, bei denen
unsere Bewegung gegenüber der 3K-Hintergrundstrahlung
herausgerechnet wurde.
Warum? Die 3K-Hintergrundstrahlung ist
in Sachen Raumexpansion das universelle
Inertialsystem. Dank genauer Satellitenmessungen
weiß man heute, dass wir uns
mit ca. 620 km/s in eine Richtung gegen die
3K-Hintergrundstrahlung bewegen. Berücksichtigt
man dies, ist die Trefferwahrscheinlichkeit
einer annähernd richtigen
Lichtlaufzeit statistisch am wahrscheinlichsten.
Leider kennen wir in der Regel
die Eigengeschwindigkeiten der Galaxien
im Raum nicht und erhalten lediglich eine
Schätzung der Lichtlaufzeit, indem wir z allein
als Raumexpansion deuten.
In dichten Galaxienhaufen kann die Eigengeschwindigkeit
aber bis zu 1.000 km/s
streuen. Vor allem bei nahen Objekten ist
die Unsicherheit extrem groß, und eine
ähnliche Geschwindigkeit gegenüber der
Hintergrundstrahlung ist naheliegend. Daher
verwendete ich hier oft Entfernungsangaben
von Wikipedia (dort z meist korrigiert
auf das galaktische Zentrum). Als
Hubble-Parameter kam ein erstes Ergebnis
der Gaia-Mission (H 0
= 73,5 km/s/Mpc)
zur Anwendung, was im Widerspruch zu
den Ergebnissen der Kosmologie-Raumsonden
WMAP und Planck steht. H 0
ist offensichtlich
keine Konstante.
Ich bin froh und dankbar, dass es mir vergönnt
war, dieses Projekt „Nordhimmel“
abschließen zu können. Seine Benutzung
wird nun darüber entscheiden, ob der Aufwand
gerechtfertigt war.
Redaktionelle Anmerkung:
W. Fischer (66) war in seinem Berufsleben
Musiker im Leipziger Gewandhausorchester.
Schon in frühester Jugend
fesselte ihn der gestirnte Himmel.
Seit über 50 Jahren ist er durch seine
astrofotografische Leidenschaft mit
der Schul- und Volkssternwarte im
Oberlausitzer Sohland a. d. Spree eng
verbunden. Er steht auch in freundschaftlichem
Kontakt mit der VdS-
Fachgruppe Astrofotografie.
Internethinweise (Stand: Februar 2020):
[1] Homepage des Autors, www.
astrofotografie-wolfram-fischer.de/
GxVNn/GxVNn.index.htm
[2] NASA/IPAC Extragalactic Database,
http://ned.ipac.caltech.edu/forms/
nearposn.html
58 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 59
Astrofotografie
Astrofotografie
Im Grenzgebiet von Cepheus und Cassiopeia
(Teil 1)
von Hans Jürgen Mayer
Molekülwolken sind die Geburtsstätten der
Sterne. Tief in ihrem Inneren finden sich die
kältesten Orte unserer Milchstraße. Sie bieten
damit ideale Voraussetzungen für einen
gravitativen Kollaps der Wolke oder Teilen
der Wolke, an dessen Ende oft eine Gruppe
junger Sterne entsteht. Molekülwolken beherbergen
gigantische Massen von Gas und
sind meistens auch mit viel Staub assoziiert.
Sie konzentrieren sich besonders entlang
der Milchstraßenebene und offenbaren
sich schon dem bloßen Auge als dunkle
Zonen, die das schimmernde Band der
Milchstraße an vielen Stellen immer wieder
unterbrechen. Glaubte man früher, dass es
sich um sternlose Gebiete handelt, so wissen
wir heute, dass wir es mit vorgelagerten
staubhaltigen Strukturen zu tun haben, die
den Blick auf die dahinter liegenden Sterne
der Milchstraße verwehren.
Der in der nebenstehenden Aufnahme vorgestellte
Himmelsausschnitt (Abb. 1) führt
in die Grenzregion zwischen Cepheus und
Cassiopeia. Schon auf den ersten Blick
fällt die Zweiteilung der Szenerie auf. Obwohl
wir in Richtung Milchstraße blicken,
erscheint der nördliche Teil (oberer Bildbereich)
vergleichsweise sternarm. Tatsächlich
zieht sich hier im Vordergrund ein
ausgedehnter Molekülwolkenkomplex mit
großen Mengen an eingelagertem Staub
quer durch das Bild. Nach Süden hin klart
die Sicht jedoch auf, und wir blicken ungehindert
auf die weit im Hintergrund liegenden
dichten Sternwolken des Perseusarms
unserer Milchstraße. In meinem Bericht
greife ich nachfolgend die interessanten
Partien heraus und schildere den aktuellen
Wissensstand. Dabei sind die Abbildungen
2, 3 und 5 übersichtlichere Ausschnittsvergrößerungen
aus der Abbildung 1.
Der nördliche Bildbereich wird beherrscht
durch ausgedehnte, hell leuchtende HII-
Regionen und dichte Staub- und Molekülwolken.
Einen markanten Blickfang
bildet die nordwestlich gelegene auffällige
HII-Region Sharpless 171 (Sh2-171), die
im NGC-Katalog unter der Nummer 7822
geführt ist. Sie besteht bildlich gesprochen
aus zwei Teilen. Ihr zentraler, hellerer Teil
wird von einem lichtschwächeren, halbkreisförmigen
Emissionsbereich umrahmt.
Das gesamte Emissionsgebiet ist eine physikalisch
zusammenhängende Struktur und
liegt inmitten der jungen Sternassoziation
Cepheus OB4 (Cep OB4), deren Mitglieder
sich erst vor wenigen Millionen Jahren
durch den Kollaps massereicher Dunkelwolken
in diesem Gebiet gebildet haben.
Cep OB4 befindet sich in einer Entfernung
von weniger als 1 kpc und enthält mehr als
40 junge heiße Sterne in einem Gebiet von
ca. 60 pc Durchmesser [1], von denen allein
zehn Sterne vom Spektraltyp B1 und
früher sind. Die heißesten dieser Sterne ionisieren
mit ihrer intensiven UV-Strahlung
große Bereiche der sie umgebenden Gaswolken.
Dennoch erscheinen die meisten
Mitglieder der Assoziation im Bild nur als
unscheinbare Lichtpunkte mit scheinbaren
Helligkeiten deutlich schwächer als die
11. Größenklasse. Die Extinktion erreicht
in diesem Gebiet aufgrund vorgelagerten
Staubes zum Teil mehr als drei Magnituden,
was gleichzeitig zu einer deutlichen
Rötung der Sternfarben führt.
Sehr schön wird diese Verfärbung auch in
dem optischen Sternhaufenpaar NGC 7762
und King 11 sichtbar (Abb. 2). King 11 ist
mit ca. 4 Milliarden Jahren ein relativ alter
Haufen und liegt in einer Entfernung von
ca. 2-3 kpc. Die fast schon orangene Färbung
seiner Sterne kontrastiert auffällig
mit den eher weißlich erscheinenden Sternen
von NGC 7622, der sich in einer Entfernung
von lediglich etwa 1 kpc noch vor
den absorbierenden Staubwolken befindet.
Die im sichtbaren Licht auffälligsten Mitglieder
von Cep OB4 sind die Sterne des relativ
kompakten offenen Haufens Berkeley
59, etwas nordwestlich des Zentrums von
Sh2-171 gelegen (Abb. 3). Er ist allerdings
noch einmal jünger als der übrige Rest von
Cep OB4. Mit lediglich etwa 2 Millionen
Jahren und einer Entfernung von ca. 1 kpc
ist er einer der jüngsten und am nächsten
gelegenen Sternhaufen überhaupt. Seine
ganze Pracht entfaltet er im infraroten
Licht, welches den vorgelagerten Staub mühelos
durchdringt (Abb. 4).
Zu Berkeley 59 gehört auch der etwas außerhalb
des Zentrums gelegene O5-Stern
V747 Cep, ein Bedeckungsveränderlicher
vom Algol-Typ, mit einem Begleitstern
vom Typ B2 oder B3 [2]. V747 Cep – der
heißeste Vertreter der gesamten Assoziation
– gilt als primäre Ionisationsquelle von
Sh2-171. Durch die starke Rötung erscheint
der Stern im Bild gelblich weiß, obwohl
er aufgrund seines Spektraltyps tief blau
sein müsste. Mit der extrem hohen Oberflächentemperatur
ist ein beträchtlicher
Masse verlust durch starke Sternwinde verbunden,
die das dünne Gas in seiner Umgebung
hinwegblasen. Zurück bleiben die
dichteren Wolken kalten und staubhaltigen
Gases, die durch die Winde zu säulenartigen
Strukturen geformt werden, die wie Finger
auf ihren Verursacher zu zeigen scheinen.
Auch sie werden jedoch über kurz oder lang
der zerstörerischen Wirkung der Strahlung
des O5-Sterns zum Opfer fallen. Diese intensive
UV-Strahlung, die auf die Randbereiche
dieser Strukturen trifft, lässt sie im
Licht des ionisierten Wasserstoffs hell aufleuchten,
eine Erscheinung, die als „bright
rimmed clouds“ (BRC) in der englischsprachigen
Fachliteratur bekannt ist (Abb. 3).
Eine Kette sehr dichter und aufgrund des
eingelagerten Staubes tief schwarz erscheinender
Molekülwolken zieht sich quer von
West nach Ost über das Zentrum von Sh2-
171. Diese Wolken sind Orte reger Stern-
1 Zwischen Cassiopeia und Cepheus, Zweifachmosaik, Objektiv Canon EF 200 mm (f/2,8 bei Arbeitsblende 3,5), Canon EOS 1300Da,
ISO 800, oberes Teilbild 25,5 Stunden belichtet, unteres Teilbild 19,5 Stunden, Hα jeweils 5,5 Stunden mit EOS 1100Da mono, Aufnahmeort
Stolac/Kroatien und Silbertal/Montafon.
60 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 61
Astrofotografie
Astrofotografie
entstehung. Zahlreiche Kandidaten für Protosterne,
so genannte YSO (young stellar objects),
die sich häufig durch die Emission von
Hα-Strahlung verraten, wurden innerhalb der
Dunkelwolken gefunden [3].
punktquellen oder molekularen Ausflüssen
gefunden. Einige unscheinbare Reflexionsnebel
sieht man in unmittelbarer Nähe einiger
Dunkelwolken, auch sie sind Zeichen der
fortdauernden Sternentstehung (Abb. 5).
2 Dieser Ausschnitt aus Abb. 1 rechts oben zeigt das (optische) Sternhaufenpaar
King 11 und NGC 7762.
Eine weitere auffällige Struktur hell leuchtender
Wolkenränder findet sich in der Form
eines V in der nördlich des Zentrums gelegenen
lichtschwächeren Region von Sh2-171.
Auch dieses Gebiet ist ein Hort fortschreitender
Sternentstehung, auch hier wurde eine
Vielzahl protostellarer Objekte gefunden. Für
die Ionisation dieser Region wird in der Fachliteratur
allerdings kein einzelner Stern verantwortlich
gemacht. Diskutiert wird vielmehr
die Anregung durch einen zweiten Mechanismus.
Beobachtungen im Infrarot-, optischen
und Radiobereich legen nahe, dass die intensiven
Sternwinde der jungen OB-Assoziation
zur Bildung zweier expandierender Gasblasen
geführt haben. Letztere treffen hier nun auf
dichte Gas- und Staubwolken und regen das
Gas durch Stoßionisation zum Leuchten an [4,
5]. Andererseits zeigt die Spitze der V-förmigen
Struktur genau auf V747 Cep, die primäre
Ionisationsquelle für Sh2-171, was man als
Hinweis werten kann, dass der O5-Stern auch
hier zur Ionisation beiträgt [6].
Hiermit lasse ich den Ausflug in die nördliche,
von Dunkelwolken geprägte Region
des Grenzgebietes zwischen Cepheus und
Cassiopeia enden. Der Teil 2 dieses Artikels
wird sich der südlichen Hälfte widmen, die
sich mit einem gänzlich anderen Charakter
präsentiert. Unbehindert durch Staub endet
der Blick hier erst bei den weit entfernten
Sternwolken des Perseusarms.
Literaturhinweise:
[1] D. J. MacConnel, 1968: „A study of the
Cepheus IV association“, Astrophys. J.
Suppl. Ser. 16, p. 275
[2] D. J. Majaess et al., 2008: „The exciting
star of the Berkeley 59/Cepheus OB4
complex and other chance variable
star discoveries“, arXiv:0801.3749
[astro-ph]
[3] Y. Yang, Y. Fukui, 1992: „A CO study of
Sharpless 171: Evidence for interaction
between the HII region and its neigh-
4 Berkeley 59 im Infraroten, Kopie aus Aladin/2MASS
bouring molecular clouds“, Astrophys.
3 Das Zentrum von NGC 7822. Der Sternhaufen Be 59 liegt knapp nordwestlich des
Bildzentrums, V747 Cep noch einmal schräg darüber. Deutlich sind die fingerartigen
auf V747 Cep weisenden Wolkenstrukturen mit den hell aufleuchtenden Rändern zu sehen.
In den im Vordergrund liegenden Dunkelwolken findet rege Sternentstehung statt.
Eingebettet in den gewaltigen Dunkelwolkenkomplex,
der die Sterne der Milchstraße
im Cepheus verbirgt, zieht sich eine weitere
Kette kompakter dichter Molekülwolken, beginnend
am südlichen Ende von Sh2-171 nach
Osten. Diese kompakten Wolken beherbergen
Gas und Staubmassen in einer Größenordnung
von einigen hundert bis einigen tausend
Sonnenmassen [7]. Die größte im Bild ist
[YDM97] CO 121 mit fast einem Quadratgrad
und etwa 5.000 Sonnenmassen. Flächenmäßig
ähnlich groß ist mit ca. 3.000 Sonnenmassen
[YDM97] CO 130, etwa 1 Grad weiter nordöstlich
gelegen. Auch hier wurden überall die
typischen Zeichen aktiver Sternbildung in
Form von Emissionsliniensternen, Infrarot-
J. 386, p. 618
[4] T. A. Lozinskaya et al., 1987: „Gasdust
complex NGC 7822+S 171 (W 1)
connected with association Cep OB4“,
Astron. Zh. 64, p. 939
[5] M. Kun et al., 2008: „Star Forming
Regions in Cepheus“, in: Bo Reipurth
(Ed.), Handbook of Star Forming Regions
Vol. I, Astronomical Society of the
Pacific
[6] Persönliche Mitteilung, Peter Riepe,
2020
[7] Y. Yonekura et al., 1997: „Molecular
clouds in Cepheus and Cassiopeia“,
Astrophys. J. Suppl. Ser. 110, p. 21-69
5 Gebiet von Molekülwolken, Reflexionsnebeln und Dunkelwolken im Cepheus.
In der Bildmitte die große Dunkelwolke [YMD97] CO 121.
62 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 63
Astronomische Vereinigungen
Astronomische Vereinigungen
ASTRONOMIE UND SCHULE
Die Rolle der Amateurastronomie im Astronomie-
Unterricht und in der allgemeinen Bildung
von Hubert Hermelingmeier und Meinolf Bathe
Der Astronomie-Unterricht in den Schulen
nimmt in den Lehrplänen leider nur
einen geringen Platz ein. Wir finden hierzu
auch Diskussionen innerhalb der VdS. Die
Gründe hierfür mögen vielfältig sein, hängen
aber sicherlich auch mit dem Interesse
einzelner Lehrer sowie den Budgets für die
Beschaffungen entsprechender Arbeitsmittel
zusammen. Die Autoren haben in ihrer
langjährigen Tätigkeit in astronomischen
Vereinigungen unterschiedliche Erfahrungen
zu diesem Thema gesammelt.
Beispielsweise hatte der Förderverein eines
Gymnasiums ein hochwertiges Teleskop finanziert,
welches im Physikunterricht zum
Einsatz kam. Durch die Leistungsverdichtung,
mit der auch die Lehrer zunehmend
zu tun haben, vor allem jedoch durch einen
späteren Lehrerwechsel, kam das Teleskop
nicht mehr zum Einsatz und verstaubte im
Schrank. An einer anderen Schule sollte ein
Teleskop beschafft werden, der Anschaffungspreis
überzog aber leider das Budget.
An einem weiteren Gymnasium wurde eine
Sternwarte mit viel Elan errichtet, für deren
Finanzierung der Physiklehrer mit großem
Engagement Sponsoren gefunden hatte.
Der Schulträger beteiligte sich erfreulicherweise
mit den nötigen Investitionen für das
Gebäude. Jedoch bleibt auch hier zu hoffen,
dass dieses Leuchtturmprojekt für die
Schulastronomie nicht mit dem Ausscheiden
des Lehrers endet.
Tatsächlich sind die Rahmenbedingungen
für transportable Teleskope aus Sicht der
Autoren relativ ungünstig und beeinträchtigen
deren Einsatz: der langwierige Transport
zum Beobachtungsort, das anschließende
Ausrichten der Montierung, die
häufig ungünstige Wetterlage; es vergeht
viel Zeit, bis mit der Beobachtung begonnen
werden kann.
1 Schüler am
Dobson des Autors
(Bild: R. Brinkmann)
2 Anschauungsmaterial auf dem Beobachtungsplatz (Bild: Hubert Hermelingmeier)
Zum Glück haben junge Menschen aber ein
hohes Interesse gerade auch an der praktischen
Astronomie. Daher sollte trotz der
geschilderten Hindernisse dieses Potenzial
genutzt werden, um die Begeisterung für
die Astronomie und Naturwissenschaft
allgemein zu wecken und auch aufrechtzuerhalten
[1-7].
In diesem Spannungsfeld kann die Amateurastronomie
mit ihren Vereinen und
vielen guten und engagierten Fachleuten
eine wichtige Unterstützung bieten. Einer
der Autoren hat daher an die Schulen seiner
Umgebung das Angebot gerichtet, seine
Sternwarte für kleine Astronomieprojekte
zu nutzen. Die Sternwarte beherbergt zwei
Refraktoren. Das große Teleskop hat 150
mm Öffnung und 2.300 mm Brennweite.
Vergrößerungen von 38-fach bis 300-fach
sind hiermit möglich. Dieses Teleskop ist
mit einem Hα-System für die Protuberanzen-Beobachtung
auf der Sonne ausgestattet.
Das kleine Teleskop hat eine Öffnung
von 100 mm und eine Brennweite von 600
mm. Für beide Teleskope sind Objektivsonnenfilter
und ein Farbfiltersatz vorhanden.
Die Teleskope sind auf einer parallaktischen
Montierung mit elektrischer Nachführung
montiert. Aufgrund der jahrzehntelangen
Erfahrung, die der Autor in seinem Hobby
erlangt hat, schlägt er auf seiner Webseite
[8] einzelne Projekte verschiedenen Umfangs
vor. Nach kurzer Abstimmung mit
den Lehrern, Schülerinnen und Schülern
kann er das Teleskop für die Beobachtung
einrichten und die Arbeit fachlich begleiten.
Wichtig ist ihm, dass der Fachlehrer
eingebunden ist, weil dieser die Bewertungen
der Arbeitsergebnisse vornehmen
muss. Der Autor sieht sich hier „nur“ in
einer unterstützenden Rolle. Abgerundet
wird das Angebot durch die Ausleihe von
Fachbüchern des Autors, die gegen die Zahlung
einer Kaution genutzt werden können.
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1/3 Seite quer
ATB Burgwald
3 Ein Schüler bei der Mondbeobachtung
mit den Feldstecher
(Bild: R. Brinkmann)
4 Ein Grundschüler am Teleskop
bei der Mondbeobachtung
(Bild: Hubert Hermelingmeier)
Für die Beobachtung im Klassenverband
bieten die Autoren mit Unterstützung weiterer
Amateurastronomen und deren Teleskopen
bereits seit vielen Jahren Beobachtungen
auf den Schulhöfen oder auf geeigneten
Flächen in der Umgebung an (Abb.
1). Außer den Teleskopen werden beobachtungsbezogene
Schautafeln aufgestellt, um
das Beobachtete darzustellen und zu besprechen
(Abb. 2). Hier werden dann auch
die begleitenden Lehrer einbezogen. Der
Lehrer kennt die aktuellen Lehrinhalte und
kann Bezug darauf nehmen. Bei der Mondbeobachtung
(Abb. 3) gibt es beispielsweise
Schautafeln zur gebundenen Rotation, zur
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64 | Journal für Astronomie Nr. 74
Astronomische Vereinigungen
5 Mondkratersimulation
mit Grundschulkindern
(Bild: Hubert Hermelingmeier)
Entstehung der Mondphasen sowie Hinweise
zu beobachtbaren Oberflächendetails.
Die Autoren versuchen die Themen
möglichst einfach und anschaulich darzustellen,
um das Verständnis zu erleichtern.
Der Impuls zu diesen Beobachtungen
kommt oft von den Autoren selbst. Nach
Absprache mit den Lehrern wählen sie
den Zeitpunkt und den Beobachtungsort.
Dies hat sich gerade bei unsicheren
Wetterbedingungen bewährt. Über die Informationssysteme
für die Stundenpläne
lassen sich die Termine in der Schule gut
spontan publizieren.
Ferner gab es in der Vergangenheit einige
Besuche in Kindergärten und Grundschulen
(Abb. 4). Auch hier trifft man häufig
auf ein sehr interessiertes Publikum. Bei
diesen Veranstaltungen steht die praktische
Beobachtung am Teleskop im Vordergrund.
Wenn die Beobachtung wegen
des schlechten Wetters nicht möglich ist,
nutzen die Autoren ihre Rechner mit der
Planetariums-Software Stellarium. Große
Wirkung haben überdies praktische Experimente
zur Mondkraterentstehungen
(Abb. 5) [9], zur Schwerkraft [10] oder zum
„Funkeln der Sterne“ [11]. Natürlich müssen
diese Veranstaltungen jeweils individuell
vorbereitet werden. Dennoch ist es oft
vorgekommen, dass die vorbereiteten Themen
nicht angesprochen wurden, weil die
Kinder mit ihren interessanten Fragen und
Wortmeldungen selbst die „Tagesordnung“
bestimmten. Es ist immer wieder erstaunlich,
wie qualifiziert jüngere Kinder bereits
fragen und welches Wissen vorhanden ist.
Bei einer Veranstaltung zum Jubiläum der
Mondlandung konnten einzelne Grundschulkinder
sogar die Apollo-11-Besatzung
beim Namen nennen.
Die Autoren geben ihnen bekannten Physiklehrern
regelmäßig Tipps zu interessanten
Beobachtungsterminen. Die jährlichen
Astronomietage der VdS haben sich ebenfalls
als eine gute Gelegenheit für solche
Angebote herausgestellt.
Mit diesem Artikel möchten die Autoren
engagierten Amateurastronomen und
Astro nomievereinen eine Anregung geben
und dazu aufrufen, auf diese Weise das
astronomische Wissen in die Schulen und
die Bevölkerung zu tragen. Für die Schulen
Literatur- und Internethinweise (Stand: 30.11.2019):
kann es ein attraktives Angebot sein, da der
oben beschriebene Aufwand mit der Pflege
und Handhabung der Teleskope entfällt
und die Betreuung der Projektarbeit weitaus
geringer ist. Flyer für die Informationen
an die Eltern der Schülerinnen und Schüler
stehen beispielhaft zur Verfügung, werden
auf Anforderung aber auch gerne als Worddokument
verschickt, damit Inhalte und
Anschriften angepasst werden können.
[1] M. Quast, S. Hohmann, A. Schulz, 2018: „Erhebung astronomischer Lerninhalte in
den Lehramtsstudiengängen deutscher Universitäten“, Astronomie u. Raumfahrt
im Unterricht 6, S. 5-11
[2] L. Clausnitzer, 2012: „Vor fünf Jahren verlor Sachsen das Fach Astronomie“,
VdS-Journal für Astronomie 43 (IV-2012)
[3] Th. Eversberg, 2012: „Über die Effizienz der Schulastronomie – eine Erwiderung“,
VdS-Journal für Astronomie 43 (IV-2012)
[4] G. Woede, 2016: „Astrophobie als Bildungsnotstand eines Lehrers“, VdS-Journal
für Astronomie 56 (I-2016), S. 139
[5] G. Woede, 2017: „Warum ist eine Lehrerfraktion gegen das Fach Astronomie?“,
VdS-Journal für Astronomie 61 (IV-2017), S. 111
[6] H. Bernhard, 2005: „Zur astronomischen Schulbildung in Deutschland“,
www.lutz-clausnitzer.de/as/ProAstro-Sachsen/Bernhard_Studie_26.02.2005.pdf
[7] H. Hermelingmeier und M. Bathe, 2019: „Wie kann man Kinder und Jugendliche
nachhaltig für die Astronomie begeistern?“, VdS-Journal für Astronomie 70
(III-2019), S, 122
[8] H. Hermelingmeier, Homepage: www.privatsternwarte.net/schule
[9] C. Liefke, „Mit ASI und DMK Asteroideneinschläge simulieren“, VdS-Journal für
Astronomie 59 (IV-2016), S. 87
[10] H. Hermelingmeier, 2017: „Schwerkraftexperiment und Sonnensystem“, www.
privatsternwarte.net/schule/Schwerkraftexperiment_Sonnensystem_Web.pdf
[11] H. Hermelingmeier, 2020: „Experiment veranschaulicht Sternefunkeln“, VdS-
Journal für Astronomie 73 (II-2020), S. 55
Paten der Nacht
von Benjamin Mirwald
Schon wieder ein hell beleuchteter Parkplatz
in der Nachbarschaft, und noch ein
zusätzlicher greller LED-Fluter am Schaufenster
gegenüber – welche Sternwarte,
welche Hobbyastronomin kennt das nicht?
Erwartungsvoll flüchten wir im Urlaub in
Sternenparks, aber auch dorthin dringt die
Lichtverschmutzung vor. Zu verlockend
sind die billigen Leuchtmittel, so dass unsere
Nächte nach wie vor jährlich um 2 bis
6 Prozent heller werden. Aber: Durch die
schädlichen Umweltfolgen wie Schlafstörungen
und Insektensterben werden mehr
und mehr Nicht-Astronomen aufs Thema
Lichtverschmutzung aufmerksam, vor allem
in Zeiten lauter werdender Forderungen
nach Energieeinsparung. Zu Recht
werden wir in Sternwarten und Astro-Vereinen
gefragt, was wir gegen zu viel Licht
unternehmen. Dann darf der Hinweis auf
die Dark-Sky-Initiative der VdS nicht fehlen,
denn deren unermüdliche Arbeit hat
viele Lichtplaner sensibilisiert, so dass Städte
mittlerweile oft offen für eine Reduktion
der Beleuchtung geworden sind. Im Gewerbe
und in Privathaushalten ist der Trend zu
hellerem Licht jedoch ungebrochen.
Den Ingenieur und Werbefachmann Manuel
Philipp störte das bei seinen amateurastronomischen
Aktivitäten so sehr, dass
er den jüngsten Sternenpark Deutschlands
ins Leben rief: Die Winklmoos-Alm im
1 Die Lichtverschmutzung über München, Aufnahme von 2015. (Foto: B. Mirwald)
Landkreis Traunstein in den Alpen. Um
den dortigen dunklen Himmel zu erhalten,
nahm er Kontakt zu lokalen Sternwarten
auf. Wegen der immer weiter wachsenden
Lichtverschmutzung wurde schnell klar,
dass viel großflächiger etwas getan werden
muss als nur in Form von Sternenparks. Erfolg
würde das aber nur haben, wenn man
sich zusammentut, Kräfte und Knowhow
bündelt. Und so entwickelte Manuel das
Projekt „Paten der Nacht“. Es soll auf die
Bedeutung und Wichtigkeit der Dunkelheit
ganz im Allgemeinen hinweisen und
dabei klarmachen und sensibilisieren, dass
jeder von den Konsequenzen der Lichtverschmutzung
betroffen ist, aber gleichzeitig
auch jeder mit einfachen Mitteln mithelfen
kann, die Situation zu verbessern. Um
zu zeigen, dass es Menschen gibt, die ihr
Licht nach den vorgegebenen Empfehlungen
ändern („Umrüster“) oder mit ihrem
Licht schon gut oder gar vorbildlich umgehen
(„Vorreiter“), sollen diese Firmen,
Gemeinden und Personen dann öffentlich
als Positiv-Beispiele auf der Internetseite im
Verzeichnis der Paten gelistet werden.
Nach einer intensiven Diskussion der Fachgruppe
Astronomische Vereinigungen
Region Süd beim Sternwartentreffen 2019
kam Fahrt in das Projekt. Ein Flyer samt zugehöriger
Website entstand, die ersten Paten
registrierten sich. Ein ehrenamtliches
Team bildete sich. Auch der Autor selbst ist
im Projektteam von „Paten der Nacht“ aktiv.
Schnell konnten mithilfe der Teammitglieder
Paten gewonnen werden und das Verzeichnis
füllte sich rasant. Manuel wurde
von Presseanfragen förmlich überwältigt.
Astrohändler und Naturschutz-Vereine
verbreiten die Flyer, die über umwelt- und
himmelsfreundliche Beleuchtung aufklären;
Teammitglieder halten Vorträge in anderen
Vereinen und vor Lichtplanern.
Noch aber sind wenige Sternwarten als Unterstützer
von „Paten der Nacht“ verzeichnet.
Was verwundern mag, denn das Projekt
ist neutral, setzt auf positive und motivierende
Kommunikation und tiefgehende
wissenschaftliche Expertise. Das Team ist
gut vernetzt mit Forschenden und anderen
im Thema aktiven Gruppen. Es versucht
etwa, die Dark-Sky-Fachgruppenarbeit zu
ergänzen und zu unterstützen. Und nicht
zuletzt werden die Paten der Nacht in den
Medien äußerst wohlwollend rezipiert, vor
allem in Süddeutschland.
Astrovereine oder Privatpersonen,
die diesen Beitrag gelesen haben und
das Projekt unterstützen wollen, können
dies direkt via Web-Formular tun
paten-der-nacht.de/pate-werden
Sie erhalten dann einen Eintrag auf der Website, die
zugehörigen Flyer lassen sich auf Wunsch auch mit
Vereinslogo bestellen.
66 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 67
Astronomische Vereinigungen
Astronomische Vereinigungen
7. Norddeutsche Tagung der Planetenfotografen
– Damian Peach berichtete über seine 30-jährige Erfahrung in der Planetenfotografie
von Kai-Oliver Detken
Am 11. Januar 2020 trafen sich in Bremervörde
zum siebten Mal begeisterte Astrofotografen
zur Norddeutschen Tagung der
Planetenfotografen (NTP) [1]. Da der Tagungsraum
nur eine begrenzte Anzahl von
Astrofotografen zuließ, musste die Teilnehmerzahl
erneut auf 40 begrenzt werden.
Dabei gab es durchaus ein noch viel größeres
Interesse an der Tagung, da der Experte
Damian Peach aus Großbritannien angereist
war, um über seine 30-jährige Erfahrung
bei Planetenaufnahmen zu berichten.
Zusätzlich erläuterte Dr. Michael Theusner
wie man mit Amateurmitteln den Nachweis
von Exoplaneten erbringen kann. Es
versprach daher eine interessante Tagung
zu werden.
Bei der Einführung des Gastgebers Dr.
Michael Schröder wurde bestätigt, dass die
Veranstaltung binnen kürzester Zeit ausgebucht
war. Themenschwerpunkt in diesem
Jahr war ein Workshop über die Bildgewinnung
und -bearbeitung von Planetenaufnahmen,
die durch den internationalen
Experten Damian Peach [2] durchgeführt
wurde. Vorab fand eine gegenseitige Vorstellungsrunde
statt, die auch einige neue
Gesichter zutage brachte. Aber auch viele
Wiederholungstäter waren erneut angereist.
Herausheben konnte man dabei den
Entwickler von FireCapture [3] Torsten
Edelmann, den Entwickler der Astronomik-Filter
Gerd Neumann [4] und Michael
Schomann vom Vorstand der Vereinigung
der Sternfreunde (VdS). Ein Mitarbeiter
von Teleskop-Service Ransburg [5] hatte
ebenfalls den weiten Weg aus Süddeutschland
auf sich genommen, um sich über den
neuesten Stand in Sachen Planetenaufnahme
und -bearbeitung zu informieren.
1 Gruppenbild aller Teilnehmer vor dem Veranstaltungsgebäude der D. Schröder KG [18]
In seinem Einführungsvortrag ging Damian
Peach erst einmal auf die Teleskoptechnik,
Seeing-Probleme und das Auflösungsvermögen
ein. Dabei war er der
Meinung, dass es kein typisches Planetenteleskop
gibt, sondern man durchaus mit
jedem Gerät brauchbare Ergebnisse erzielen
kann. Schmidt-Cassegrain-Teleskope
werden zwar meistens dafür verwendet,
was aber hauptsächlich an dem sehr guten
Preis-Leistungsverhältnis liegt. In jedem
Fall ist für gute Aufnahmen die exakte
Kollimation eines Teleskops ausschlaggebend,
weshalb dies regelmäßig durchgeführt
werden sollte. Dafür muss man sich
Zeit nehmen und nur Sterne über 45 Grad
Horizonthöhe anvisieren. Ein Rotfilter ist
dabei ebenfalls nützlich, um eine stabilere
Sicht zu erhalten. Damian Peach nutzt
neben seinem C14-Teleskop von Celestron
inzwischen remote ein Ritchey-Chrétien-
Cassegrain-Teleskop RC-1000 von ASA in
Chile [6].
Auch für die Abkühlung des Teleskops sollte
man sich Zeit lassen, da auch im Tubus
Seeing entstehen kann. Die Fokussierung
ist natürlich ebenfalls sehr wichtig und
sollte direkt am Objekt (z. B. Jupiter) erfolgen,
denn ohne einen perfekten Fokus
lassen sich keine hochauflösenden Bilder
erzielen. Der Einsatz einer Bahtinov-Maske
ist bei Planetenaufnahmen daher nicht
zu empfehlen. Ein Atmospheric Dispersion
Corrector (ADC) führt ebenfalls zu
besseren Bildern und wird von ihm bereits
unterhalb einer Planetenhöhe von 60 Grad
eingesetzt. So hat er noch bei 30 Grad Horizonthöhe
eindrucksvolle Marsbilder erzielen
können. Der ADC wird dabei von ihm
manuell justiert und nicht mittels FireCapture.
Diese Software wird aber in jedem Fall
von ihm präferiert, wofür er Torsten Edelmann
persönlich auf der Tagung dankte.
Alle Aufnahmen werden anschließend mit
WinJUPOS [7] derotiert und mit AutoStakkert
[8] zusammengesetzt. Zum Schärfen
wird nach wie vor RegiStax [9] gerne verwendet,
auch wenn dieses Programm seit
geraumer Zeit nicht mehr weiterentwickelt
wird. Hier sollte man bei den Wavelet-Filtern
möglichst nur die ersten beiden Layer
zur Bildverbesserung nutzen. Der größte
Feind einer Aufnahme bleibt aber das astronomische
Seeing, weshalb er inzwischen
nach Barbados mitsamt seinem C14-Teleskop
ausweicht. Dort entstanden nach seiner
Meinung bisher die besten Aufnahmen.
Abschließend stellte er noch seine Video-
Tutorial-Webseite [10] vor, die diverse
Bildverarbeitungsvideos enthält, aber nicht
kostenlos nutzbar ist. Eine komplett um
sich drehende Jupiter-Animation rundete
den ersten Vortrag eindrucksvoll ab.
Nach einer längeren Kommunikationspause,
die auch mit einem herzhaften Mittagessen
verbunden war, führte Damian Peach
in seinem anschließenden Workshop in eigene
Bildverarbeitungsmethoden ein. Dabei
sahen schon die Rohbilder besser aus als
manches Endergebnis anderer Planetenfotografen.
Hierbei fiel auf, dass er die Alignment-Points
in AutoStakkert manuell setzt
und dafür größere Flächen mit Überlappungen
an den Rändern verwendet. Nachdem
die Bilder mit AutoStakkert3! gestackt
und mit WinJUPOS derotiert worden sind,
findet die letzte Feinbearbeitung bei ihm
oftmals mit der Bildverarbeitungssoftware
Topaz [11] statt. Speziell das Schärfen und
Entrauschen wird von dieser Lösung durch
integrierte KI-Algorithmen sehr feinfühlig
vorgenommen. So kann man bei der Entrausch-Funktion,
im Gegensatz zu Photoshop,
die Schärfe beibehalten. Die Software
wirbt sogar damit, dass sie JPEG-Bilder zu
RAW-Aufnahmen umwandeln kann.
2 Einsatz der Bildverarbeitungssoftware Topaz an einer Jupiteraufnahme [19]
3 Damian Peach geht auf den Effekt der atmosphärischen Turbulenzen ein [18]
Abschließend stellte Damian Peach seine
Planetenaufnahmen der Vergangenheit
bis zur Gegenwart vor. Er fing bereits 1988
mit diesem Hobby an und nahm Planeten
damals auf Analogfilm auf. Erst die Webcam
von Philips im Jahr 2003 ermöglichte
mit Videoaufnahmen wesentlich bessere
Ergebnisse. Nachdem die Kameras immer
weiter verbessert und ausgetauscht wurden,
hat er nun das Kamera-Optimum mit
einer Öffnung von 40 cm an seinem Teleskop
erreicht. Auch die Aufnahme- und
Bearbeitungssoftware ist inzwischen fast
ausgereizt. Daher kann nur noch eine Verbesserung
erzielt werden, indem man auf
größere Öffnungen (45-70 cm) wechselt.
Dafür wird aber auch wiederum eine andere
Himmelsqualität benötigt, weshalb er
auf Remote-Observatorien, wie das Chilescope
[12] in Chile, ausweicht. Das kostet
aber immerhin 200 US$ pro Stunde! Auf
seiner Webseite kann man die Entwicklung
von 1991 bis heute sehr schön nachverfolgen,
was auch Mut macht für eigene Aufnahmen.
Am Ende gab Damian Peach noch
den Tipp, die besten Planetenaufnahmen
auch zu Organisationen wie British Astronomical
Association (BAA) [13], The As-
68 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 69
Astronomische Vereinigungen
Astrophysik & Algorithmen
Eine einfache Methode zum automatisierten
Fokussieren von CCD-Kameras
von Johannes Kribbel
[3] FireCapture, Webseite: www.
firecapture.de
[4] G. Neumann jr., Webseite des Astro-
Anbieters: www.gerdneumann.net
[5] Teleskop-Service Ransburg, Webseite
des Astro-Anbieters: www.
teleskop-express.de
[6] Chilescope, Teleskopdaten des
Remote-Teleskopanbieters: www.
chilescope.com/equipment-and-
Seit mehr als 10 Jahren verwende ich Focus-
Max 3.x [1] zum Fokussieren meiner CCD-
Kamera. Nach der Umstellung auf Windows
10 funktionierte die Kombination Focus-
Max und MaximDL [2] leider nicht mehr
so stabil wie früher. Da die neuesten Versionen
von FocusMax (ab 4.0) nicht mehr
kostenlos sind, habe ich nach Alternativen
gesucht, nichts für mich Passendes gefunden
und dann selbst eine Lösung entwickelt.
infrastructure/telescopes/
4 Das Organisationsteam der NTP-Veranstaltung mit den Referenten [18]
sociation of Lunar & Planetary Observers
(ALPO) [14] oder NASA Juno Mission [15]
zu schicken, da die Profi-Astronomen auch
Amateuraufnahmen auswerten würden. So
nutzen inzwischen auch die NASA und die
Europäische Weltraumorganisation ESA
seine Fotografien für ihre Arbeit.
Als zweiter Referent kam Dr. Michael
Theusner zum Thema Exoplaneten zu
Wort. Der erste von inzwischen über 4.000
Exoplaneten wurde 1995 nachgewiesen.
Als Detektionsmethoden gibt es verschiedene
Möglichkeiten: Studie der Eigenbewegung,
Transitmethode, direkte Fotografie
oder Verschiebung der Spektrallinien.
Für den Amateurastronomen ist dabei die
Transitmethode eine machbare Variante,
um selbst Exoplaneten nachweisen zu können,
da hiermit quasi eine Sternenfinsternis
erkannt wird. Die Abnahme der Helligkeit
beläuft sich dabei auf eine Differenz von
nur 0,01 mag. Eine eigene Messung wurde
vom Referenten anhand des Exoplaneten
HD189733 vorgenommen. Dafür verwendete
er die Transitvorhersage der Exoplanet
Transit Database [16]. Die Software Astro-
ImageJ [17], die auch die Profi-Astronomen
verwenden, kann anschließend für die
Auswertung kostenlos genutzt werden. So
ist man gut gerüstet, um Planeten in Neptungröße
selbst entdecken zu können.
Obwohl es dieses Mal nur zwei Referenten
auf der Planetentagung gab, verging die
Zeit wie im Flug. Aufgrund des großen Interesses
wird es auch im kommenden Jahr
einen weiteres Treffen geben, das wahrscheinlich
wieder im Januar stattfinden
wird. Inzwischen hat sich die Norddeutsche
Tagung der Planetenfotografen (NTP) zu
einem der größten und wichtigsten Treffen
in Deutschland herauskristallisiert.
Literatur- und Internethinweise:
[1] Norddeutsche Tagung der Planetenfotografen:
www.norddeutschetagung-der-planetenfotografen.de
[2] D. Peach: Homepage, www.damianpeach.com
[7] WinJUPOS, Webseite des Programms:
www.jupos.privat.t-online.
de
[8] AutoStakkert, Webseite des Programms:
www.autostakkert.com
[9] RegiStax, Webseite des Programms:
www.astronomie.be/registax/index.
html
[10] D. Peach, Video-Tutorial-Webseite:
www.patreon.com/peachastro
[11] Topaz, Webseite des Programms:
https://topazlabs.com/denoise-ai/
[12] Chilescope, Webseite des Remote-
Teleskopanbieters: www.chilescope.
com
[13] British Astronomical Association
(BAA), Webseite: https://britastro.
org
[14] The Association of Lunar & Planetary
Observers (ALPO), Webseite:
http://alpo-astronomy.org
[15] Juno-Missionsseite der NASA:
www.missionjuno.swri.edu
[16] Exoplanet Transit Database (ETD),
Webseite: http://var2.astro.cz/ETD/
predictions.php
[17] AstroImageJ, Webseite des Programms:
www.astro.louisville.edu/
software/astroimagej/
[18] Torsten Lietz: Fotografie, Astronomische
Vereinigung Lilienthal, Teil
des Organisationsteams
[19] Jürgen Ruddek: Fotografie, Astronomische
Vereinigung Lilienthal
Die Idee ist es, einfach eine Reihe von Bildern
mit unterschiedlichen Fokus-Einstellungen
aufzunehmen und dann mittels
Bilderkennung die Abbildungen der Sterne
in den Aufnahmen zu identifizieren
und deren Größe zu minimieren. Mit der
Skriptsprache Python und frei verfügbaren
Bibliotheken wie OpenCV [3], astropy [4]
und numpy [5] ließ sich diese Idee in knapp
40 Zeilen Code [6] realisieren. Vorbedingung
ist, dass die Fits-Dateien vorliegen
und im Header oder im Dateinamen die
Fokus-Position enthalten ist. Diese Dateien
können mit MaximDL „Sequences“ oder
einem weiteren Skript, das CCD-Kamera
und Fokussierer (bei mir ein Optec TCF-S)
steuert, automatisch aufgenommen werden.
Im Gegensatz zu vorher muss man
keinen helleren Stern zum Fokussieren anfahren,
sondern kann einen beliebigen Ausschnitt
am Himmel wählen, der Einfachheit
halber z. B. gleich das nächste Beobachtungsobjekt.
In einer Schleife werden dann die einzelnen
Fits-Dateien verarbeitet. Zunächst lesen
wir aus dem Header die Fokus-Position
aus. Danach ziehen wir im Bild den Himmelshintergrund
ab, so dass nur mehr die
Sterne selbst übrig bleiben. Anschließend
erzeugen wir ein Binärbild, indem wir den
Pixeln unter und über einem Schwellenwert
jeweils 0 oder 1 zuordnen. Im letzten
und entscheidenden Schritt wenden wir die
OpenCV-Funktion „findContours“ an, die
1 Bestimmung des optimalen Fokus
die Sternabbildungen erkennt und deren
Flächen ausweist. Der Algorithmus dafür
folgt den Kanten im Bild und bildet so zusammenhängende
Flächen [7]. Die Fokus-
Position und den Mittelwert aller Größen
der Sterne (hier Größe = Flächeninhalt der
Kontur in Pixel) legen wir in einer Liste
ab, mit der man dann ein X-Y-Diagramm
zeichnen kann (Abb. 1). Die genaue Größe
der Sternabbildungen ist für unser Ziel unerheblich,
so dass es auch nicht stört, wenn
diese weiter außerhalb des Fokus zu „Donuts“
werden.
Beim Verfahren von FocusMax oder MaximDL
wird von links und rechts kommend
das „Full Width Half Maximum“
ermittelt und der optimale Fokus als der
Schnittpunkt der zugehörigen Regressionsgeraden
errechnet. Da wir aber die Flächen
der Sternabbildungen bestimmt haben, liegen
die Messpunkte nun in etwa auf einer
Parabel. Um hier den optimalen Fokus zu
finden, müssen wir also bestmöglich eine
Parabel in die Messwerte fitten und danach
deren Minimum bestimmen. Auch das geht
mit Python in wenigen Zeilen. Die Bibliothek
numpy enthält eine Funktion polyfit,
die nach der Methode der kleinsten Quadrate
[8] ein Polynom findet, bei dem die
Summe der quadrierten Abstände von
Messpunkt zu Polynom möglichst gering
wird. Auch das Minimum der Parabel lässt
sich leicht als Nullstelle der Ableitung der
Parabel finden. Dazu gibt es in numpy die
Funktionen „deriv“ für die Ableitung und
das Attribut „r“ für die Nullstellen.
Für meine Zwecke der Fotometrie Veränderlicher
Sterne und meine Gerätekombination
funktioniert das Verfahren gut. Die
Vorteile sehe ich darin, dass kein hellerer
Fokus-Stern gefunden und angefahren
werden muss und der beste Fokus statistisch
aus allen Sternen im Bild berechnet
wird. Aus praktischer Sicht erspare ich mir
das Skripting der FocusMax-Applikation
für den robotischen Betrieb und nehme damit
etwas Komplexität heraus. Nachteil ist
vielleicht, dass es eine Spur langsamer geht,
weil man eine komplette Bildserie aufnehmen
muss. So dauert bei mir der Fokussiervorgang
inklusive 12 x 10 Sekunden Belichtungen
etwa drei Minuten. Aber wenn ich
bei FocusMax die Suche nach einem hellen
Stern dazunehme, relativiert sich der Aufwand
wieder. Außerdem habe ich gleichzeitig
ein paar zusätzliche Aufnahmen meines
Veränderlichen gewonnen.
70 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 71
Astrophysik & Algorithmen
Astrophysik & Algorithmen
Literatur- und Internethinweise:
(Stand 2019)
[7] S. Suzuki, K. Abe, 1985: „Topological
[1] FocusMax: https://focusmax.org
[4] Astropy Project: https://www.
Structural Analysis of Digitized Binary
(Stand 2019)
astropy.org (Stand 2019)
Images by Border Following“, CVGIP
[2] MaximDL von Diffraction Limited:
[5] numpy: https://numpy.org/ (Stand
30 1, pp 32-46
http://diffractionlimited.com/
2019)
[8] Methode der kleinsten Quadrate:
product/maxim-dl/
[3] OpenCV: https://opencv.org
[6] Source Code cvFokus.py: https://
astro.wildlbumen.at/cvFokus.html
Bleibt das Sonnensystem stabil?
– Verbesserungen der Simulation des Mehrkörperproblems
von Uwe Pilz
Im vorigen Heft habe ich ein Prinzip erläutert,
wie man das Mehrkörperproblem
der Astronomie numerisch lösen kann [1].
Das Verfahren hat keine gute Genauigkeit.
Dies liegt darin, dass die Beschleunigung
am Anfang stellvertretend für das gesamte
Zeitintervall akzeptiert wird. In Wirklichkeit
verändert sich die Beschleunigung
auch während einer recht kurzen Zeit
merklich, da sich die Körper alle bewegen.
Eine Verbesserung lässt sich mit dem Verfahren
nach Karl Heun erreichen: Man bestimmt
zusätzlich die Beschleunigung am
Ende des Intervalls und nimmt den Mittelwert
der Beschleunigung stellvertretend für
das Intervall (Abb. 1). Das Problem besteht
darin, dass man die Lage der Körper am
Intervallende nicht kennt und deshalb die
Beschleunigung auch nicht ermitteln kann.
Deshalb wird dieser Ort zunächst behelfsmäßig
mit dem Euler-Cauchy-Verfahren
berechnet und daraus die Beschleunigung
am Intervallende. Mit dem Durchschnitt
der beiden Beschleunigungswerte werden
dann die letztendlichen, als gültig
angenommenen Werte für Ort und Geschwindigkeit
berechnet. Ihr könnt diesen
Ausschnitt (S. 74) in das Programm
der vorigen Ausgabe einsetzen und damit
experimentieren, wie sich die Genauigkeit
bei Verringerung der Schrittweite erhöht.
Wikipedia, https://de.wikipedia.org/
wiki/Methode_der_kleinsten_Quadrate
Auch das Heun-Verfahren bietet Ansätze
für Verbesserungen. Zum einen kann
man in der Abbildung 1 sehen, dass die
Beschleunigung an den Intervallgrenzen
kleine Sprünge macht, weil sie ja aus einer
behelfsmäßigen Ortsbestimmung hervorgeht.
Am Ende des Schrittes kennt man
einen besseren Wert (den man als gültig
akzeptiert). Man könnte hiermit die Beschleunigung
noch einmal berechnen, was
allerdings Rechenzeit kostet (eine zusätzliche
Berechnung aller Kräfte) und das Ergebnis
damit verbessern.
Die zweite Verbesserungsmöglichkeit besteht
darin, noch mehr Stützstellen zu
benutzen. Damit kann man die Beschleunigung
nicht nur durch eine Gerade annähern,
sondern durch eine höhere Funktion,
z. B. eine Parabel, die auch eine Krümmung
berücksichtigt. Hierzu dienen so genannte
Interpolationspolynome [2]. Die so entstehenden
Verfahren werden nach Carl Runge
und Martin Wilhelm Kutta als „Runge-
Kutta-Verfahren“ bezeichnet. Die Anzahl
der verwendeten Stützstellen nennt man
die „Ordnung“ des Verfahrens. Das Euler-
Cauchy-Verfahren ist 1. Ordnung und das
Heun-Verfahren 2. Ordnung.
Die Ordnung gibt an, wie schnell sich der
Verfahrensfehler bei Verringerung der
Schrittweite verringert. 1. Ordnung heißt:
doppelte Schrittweite = halber Fehler. Für
das Heun-Verfahren 2. Ordnung hingegen
gilt: halbe Schrittweite = ein Viertel
des Fehlers. Um eine zusätzliche gültige
Stelle im Ergebnis zu erhalten, muss man
beim Euler-Cauchy-Verfahren zehnmal
so viele Rechenschritte ausführen. Beim
Heun-Verfahren genügen dazu etwa dreimal
so viele. Beim unten vorgestellten
Fehlberg-Verfahren 5. Ordnung steigt die
Rechenlast für eine zusätzliche Stelle nur
um den Faktor 1,6. Da fällt es dann nicht
mehr so ins Gewicht, dass für den einzelnen
Schritt mehrere Beschleunigungswerte
zu berechnen sind. Das Ganze hat Grenzen:
Bei Ansätzen hoher Ordnung entwickeln
die Ansatzfunktionen ein Eigenleben und
beginnen zu schwingen. Als stabil werden
Verfahren bis zur Ordnung fünf oder sechs
angesehen.
Man kann ein Verfahren schließlich so
modifizieren, dass man eine Abschätzung
des lokalen, bei einem Rechenschritt entstehenden
Fehlers erhält. Damit kann man
eine Steuerung der Schrittweite aufbauen,
welche in unserem Fall die Länge des Zeitschritts
verändert. Falls es nahe Begegnungen
zweier Körper gibt, dann verringert
sich die Schrittweite automatisch. Pionierarbeit
hierbei leistete Erwin Fehlberg, in
dem er die Runge-Kutta-Verfahren so modifizierte,
dass die Fehlerabschätzung ohne
zusätzlichen Rechenaufwand möglich war.
Konsequenterweise heißen diese Verfahren
Runge-Kutta-Fehlberg-Verfahren. Als
zweites Programm (S. 74) gebe ich ein Runge-Kutta-Fehlberg-Verfahren
5. Ordnung
an. Mit diesem Verfahren ist eine Steuerung
der Zeitschrittweite prinzipiell möglich,
wird aber für die Rechnung in diesem Aufsatz
nicht benutzt, da sich die Verhältnisse
im Rechenbeispiel „Sonnensystem“ nicht
grundlegend ändern. Für dieses Programm
sind weitere Arrays für r, v, und a nötig.
Hier im Heft habe ich diese nicht alle ausgeschrieben.
Ich habe damit untersucht, ob unser Sonnensystem
auf lange Sicht stabil ist. Die Simulation
reicht für 2 Mio. Jahre in die Zukunft
(Abb. 2). Wie man sieht – es gibt zwar
ein paar Schwankungen, aber keine dramatischen
Ereignisse. Wir brauchen uns also
für die nahe Zukunft keine Sorgen zu machen,
zumindest nicht wegen der Stabilität
des Sonnensystems. In Python dauert diese
Rechnung selbst auf schnellen Computern
viele Tage, Python ist eben nicht besonders
schnell. Dasselbe Programm unter C++ ist
in einigen Stunden fertig.
Literatur- und Internethinweise:
[1] U. Pilz, 2020: „Das Mehrkörperproblem
in der Astronomie“, VdS-
Journal für Astronomie 73, S. 91
[2] Interpolation mit Polynomen:
http://fg-astrophysik.vdsastro.de/
algInterpol.html
2 Variation von Perihel- und
Apheldistanzen der Planeten von
Venus bis Neptun. Offensichtlich
beeinflussen sich Venus und Erde
etwas, Jupiter und Saturn sind
stark gekoppelt in ihren Schwankungen.
Für die nächsten zwei
Mio. Jahre bleibt das Sonnensystem
aber grundsätzlich stabil.
1 Prinzip des Heun-Verfahrens, verglichen mit dem Euler-Cauchy-Verfahren
72 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 73
Astrophysik & Algorithmen
Atmosphärische Erscheinungen
Programm-Ausschnitt für das Heun-Verfahren (Python)
r1 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)]
v1 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)]
a1 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)]
:
def heun(tsteps, dt):
for t in range(tsteps):
beschleunigung(N, m, r0, a0);
for i in range(N):
for k in range(3):
r1[i][k] = r0[i][k] + dt * v0[i][k]
v1[i][k] = v0[i][k] + dt * a0[i][k]
beschleunigung(N, m, r1, a1);
for i in range(N):
for k in range(3):
r0[i][k] = r0[i][k] + dt * ( 0.5*v0[i][k] + 0.5*v1[i][k] )
v0[i][k] = v0[i][k] + dt * ( 0.5*a0[i][k] + 0.5*a1[i][k] )
Programm-Ausschnitt für das Runge-Kutta-Fehlberg-Verfahren (Python)
r2 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)] ...
... a5 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)]
r0_4 = [[0 for i in range(3)] for j in range(10)] # Ergebnis für RKF 4. Ordnung
:
def rkf5(tsteps, dt):
for t in range(tsteps):
beschleunigung(N, m, r0, a0);
for i in range(N):
for k in range(3):
r1[i][k] = r0[i][k] + 1/4*dt * v0[i][k]
v1[i][k] = v0[i][k] + 1/4*dt * a0[i][k]
beschleunigung(N, m, r1, a1);
for i in range(N):
for k in range(3):
r2[i][k] = r0[i][k] + 3/32 * dt*v0[i][k] + 9/32 * dt*v1[i][k]
v2[i][k] = v0[i][k] + 3/32 * dt*a0[i][k] + 9/32 * dt*a1[i][k]
beschleunigung(N, m, r2, a2);
for i in range(N):
for k in range(3):
r3[i][k] = r0[i][k] + 1932/2197 * dt*v0[i][k] + -7200/2197 * dt*v1[i][k] + \
7296/2197 * dt*v2[i][k]
v3[i][k] = v0[i][k] + 1932/2197 * dt*a0[i][k] + -7200/2197 * dt*a1[i][k] + \
7296/2197 * dt*a2[i][k]
beschleunigung(N, m, r3, a3);
for i in range(N):
for k in range(3):
r4[i][k] = r0[i][k] + 439/216 * dt*v0[i][k] - 8 * dt*v1[i][k] + 3680/513 * \
dt*v2[i][k] - 845/4104 * dt*v3[i][k]
v4[i][k] = v0[i][k] + 439/216 * dt*a0[i][k] - 8 * dt*a1[i][k] + 3680/513 * \
dt*a2[i][k] - 845/4104 * dt*a3[i][k]
beschleunigung(N, m, r4, a4);
for i in range(N):
for k in range(3):
r5[i][k] = r0[i][k] - 8/27 * dt*v0[i][k] + 2 * dt*v1[i][k] - 3544/2565 * \
dt*v2[i][k] + 1859/4104 * dt*v3[i][k] - 11/40 * dt*v4[i][k]
v5[i][k] = v0[i][k] - 8/27 * dt*a0[i][k] + 2 * dt*a1[i][k] - 3544/2565 * \
dt*a2[i][k] + 1859/4104 * dt*a3[i][k] - 11/40 * dt*a4[i][k]
beschleunigung(N, m, r5, a5);
for i in range(N):
for k in range(3):
r0_4[i][k] = r0[i][k]
# Ergebnis 4. Ordnung zur Fehlerberechnung
r0_4[i][k]+= dt* ( 25/216 * v0[i][k] + 0 * v1[i][k] + 1408/2565 * v2[i][k] + \
2197.0/4104 * v3[i][k] - 1/5 * v4[i][k] + 0 * v5[i][k] )
# eigentliches Ergebnis 5. Ordnung
r0[i][k]+= dt* ( 16/135 * v0[i][k] + 0* v1[i][k] + 6656/12825 * v2[i][k] + \
28561/56430 * v3[i][k] - 9/50 * v4[i][k] + 2/55 * v5[i][k] )
v0[i][k]+= dt* ( 16/135 * a0[i][k] + 0* a1[i][k] + 6656/12825 * a2[i][k] + \
28561/56430 * a3[i][k] - 9/50 * a4[i][k] + 2/55 * a5[i][k] )
# Fehler ausrechnen. Benutzung erfordert eine while- statt einer for-Schleife
err=0;
for i in range(N): # welcher Körper gibt den größten Fehler?
localErr=0;
for k in range(3):
localErr+=sq(r0_4[i][k]-r0[i][k])
localErr=sqrt(localErr)
if (localErr>err):
err=localErr;
Das 17. Himmelsbeobachtertreffen des AKM
in Lauterbach/Thüringen (6.-8.12.2019)
von Elmar Schmidt
Die Organisation dieses Treffens hatte
Reinhard Nitze aus Barsinghausen übernommen
und das mit dem Gedanken verbunden,
sich dieses Jahr zu Beobachtungen
von „Haareis“ zu versammeln, mit denen
er seit vielen Jahren im heimatlichen Deister-Gebirge
Erfahrungen gesammelt hat.
Bei Haareis handelt es sich um gefrierende
Feuchtigkeit, die offensichtlich unter Beteiligung
von Pilzgeflecht aus vermoderndem
Totholz härchenartig ausgetrieben wird und
dann in Form von weißen Locken oder Bärten
auf Ästen und Stämmen anzutreffen ist,
am besten sichtbar bei nicht vorhandener
oder nur leichter Schneedecke im Wald [1].
Natürlich ist dazu leichter Nachtfrost nötig,
und den hatte es leider nur bis wenige
Tage zuvor im über 400 m hoch gelegenen
Nationalpark Hainich neben der Jugendherberge
gegeben. Einzig Reinhard selber
war am Nikolaustag früh genug eingetroffen,
um nochmals rechtzeitig in den Wald
zu gehen. Dort wurde er von einem Ranger
angesprochen, der zu Reinhards Erstaunen
gut über das besagte Phänomen informiert
war und ihn mit seinem Geländewagen an
eine Stelle fuhr, wo tatsächlich noch Haareis
zu finden war (Abb. 1).
Gerade noch vor Einbruch der Dunkelheit
in der Herberge zurück, begrüßte er dort
die anderen sechs Teilnehmer am Treffen:
Günther Busch und den Verfasser, Claudia
und Wolfgang Hinz und schließlich Andreas
Möller und Alexander Haußmann
(Abb. 2).
Am ersten Abend zeigten Claudia & Wolfgang
eine Auswahl ihrer frisch aus Patagonien
mitgebrachten Fotos, die neben
putzigen Pinguinen und spektakulären
Landschaften wie den Torres del Paine und
dem ins Meer mündenden Perito-Moreno-
Gletscher auch weniger bekannte Gegenden
vom Südzipfel des amerikanischen
1 Haareisreste im Hainich (Foto: Reinhard Nitze)
Doppelkontinents zeigten. Atmosphärenoptisch
interessanter Höhepunkt waren die
Luftspiegelungen über Wasserflächen und
über der Pampa mit grasenden Guanacos.
Am Morgen des zweiten Tages begannen
die fachlichen Beiträge. Den Auftakt machte
Elmar, der das mit Michael Großmann
und Helga Maria Dickopf (Stephen-Hawking-Schule,
Neckargemünd) aufgelegte
Projekt eines Regenbogensimulators für
den schulischen Einsatz vorstellte. Es trägt
den Arbeitstitel „Globodrom“, weil kugelförmige
Streuer als Tropfenersatz und
Halbkugeln als Projektionsschirme eingesetzt
werden.
2 Teilnehmer am Halotreffen (Foto: Andreas Möller)
Es schloss sich ein Vortrag von Alexander
Haußmann über neue Erkenntnisse und
Erwartungen für natürliche Regenbögen
an. Hauptsächlich ging es um Ergebnisse
geometrischer Vielstrahlsimulationen an
abgeplatteten sowie – ganz neu – schwingenden
Regentröpfchen. Für diese wurden
gemessene Tropfengrößenverteilungen und
erwartbare Oszillationsfrequenzen, -amplituden
und -dämpfungen in die Modelle
eingebaut. Unter den Ergebnissen für Beobachter
am interessantesten sind vorhergesagte
Intensitätserhöhungen an Bögen
2., 4., 5. und 6. Ordnung, die allerdings
nur für bestimmte Sonnenhöhen maximal
sind und dann teilweise auf oder unter dem
74 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 75
Atmosphärische Erscheinungen
Atmosphärische Erscheinungen
3 Spiegelverkehrte
Horizont liegen. Herauszuheben ist sein
Resultat, wonach gespaltene Regenbögen
auch durch Tröpfchenoszillationen erklärt
werden könnten, mit zusätzlichen Freiheitsgraden,
um sehr anomale Spaltbögen
zu deuten [2].
In Alex’ zweitem Vortrag ging es um Simulationen
von Pollenkoronen, für welche er
verschiedene Pollenarten mit mikroskopbasierten,
realistischen Konturen, Größen
und Positionierungen ausstattete und an
Kollektiven derselben Fraunhofer-Beugungsbilder
für verschiedene Sonnenhöhen
berechnete und darstellte. Die Übereinstimmung
mit Alex’ eigenen und anderen
Fotografien vor allem des intensiven
Pollenjahrs 2018 wurde dabei erstaunlich
gut, was bei den nicht kreisförmigen Ringen
und Lichtknoten auf denselben nicht
selbstverständlich ist [3].
Anschließend stellte Elmar zum fünften
Mal in Folge die im oder dem AKM gemeldeten
deutschlandnahen Zirkumhorizontalbögen
(ZHB) des jeweiligen letzten Sommers
vor. Die 29 fotografischen und ebenso
vielen visuellen Sichtungen täuschten dabei
ein besseres ZHB-Jahr vor, als es 2019 war.
Denn die Hälfte von ihnen bezieht sich auf
nur schwache Exemplare, die sich aber mit
Sonnenhöhe und zeitlicher Lage recht nahtlos
ins Bild der Vorjahre einfügen. Seit 2015
wurden von ihm 150 ZHB ausgewertet.
Danach zeigte er noch eine Vortragspassage
mit Bildern von Andreas und ihm aus dem
Mexikanischen Nationalobservatorium auf
der Halbinsel Niederkalifornien, wo sie am
20./21. Januar 2019 eine totale Mondfinsternis
beobachtet hatten.
Gegen 15:30 Uhr lief man gemeinsam auf
den örtlichen Ausguckberg, von wo man
den Sonnenuntergang zu sehen hoffte,
nachdem es unter sonst grauem Himmel
immer wieder einmal Aufheiterungen gegeben
hatte. Jedoch trog die Hoffnung, und
es war außer einem sich gelborange färbenden
Wolkenriss nichts weiter geboten.
Abends nahm Andreas die Teilnehmer in
einem mit tollen Fotos und Videos garnierten
Reisebericht mit ins argentinische Vorandenland
zur Sonnenfinsternis am 2. Juli
2019. Eine trotz nur weniger Protuberanzen
spektakulär „fedrige“ Minimumskorona
und das immer wieder frappierende
Erdlicht auf der Mondscheibe sind hier zu
nennen.
Reinhard führte zum Thema bzw. eher
Motto des Treffens zurück, indem er uns
Polarisation eines Rosenkäfers
(Fotos: Reinhard Nitze)
einen mit seiner Actionkamera gefilmten
Waldgang im Deister zeigte, was für einen
hautnahen Eindruck von seiner Suche nach
Haareis sorgte. Teile dieses Films wurden
noch mit denselben Bildern von seiner zweiten
und für Stereoaufnahmen gekoppelten
Actionkamera zusammengesetzt und konnten
anderntags nochmals in 3D betrachtet
werden.
Nach dem Sonnabendessen gab es Alex’ bebilderten
Reisebericht über die „Light and
Color in Nature Conference“ im Juli 2019
in Bar Harbor, Maine, mit vielen bekannten
Gesichtern der Atmosphärenoptikszene.
Aus dem dortigen Vortrag von Laura Bagge
demonstrierte er eine so amüsante wie rätselhafte
Laune der Natur am toten Subjekt
eines im Weißlicht grünlich schillernden
Rosenkäfers. Betrachtet man diesen allerdings
durch Zirkularpolfilter sieht er nur in
4 Alexander Haußmann bei der Erzeugung von Pollenkoronen durch Bärlauchsporen
(Foto: Andreas Möller)
einer Orientierung so aus, in der anderen
(rechtszirkularer Filter) hingegen schwarz
(Abb. 3). Der Grund für die bevorzugte Reflexion
linkszirkular polarisierten Lichtes
von diesen und ähnlichen Kerbtieren ist
den Biologen bislang unbekannt.
Angeregt durch eine Beobachtung Reinhard
Nitzes, der durch zunächst unabsichtliches
Schütteln eines Eibenstrauchs schöne
Koronen um eine Gartenlampe produzieren
konnte, hatte sich Alexander ein Säckchen
mit Bärlauchsporen beschafft, um
zunächst bei sich in Hörlitz ebenfalls Lampenkoronen
zu produzieren. Diese fallen
wegen der geringen Größe dieser Sporensorte
von nur 30 μ sowohl sehr ausgedehnt
als auch schön farbig aus. Lycopodiumkoronen
wurden bislang nur mit bestäubten
Glasplatten gezeigt, wo sie kreissymmetrisch
ausfallen.
Wenn man den Sporenstaub hingegen in
die Luft wirft, gibt es durch aerodynamische
Ausrichtung eine wenngleich geringe Asymmetrie
der Ringe. Dies war auch schon Teil
von Alex’ Nachmittagsvortrag, doch richtig
spektakulär wurde es erst, als wir hinausgingen
und bei recht windigen Bedingungen
Bärlauchsporenkoronen um seine helle
Weißlichtlampe produzierten (Abb. 4). Erwartet,
aber frappierend dabei sind die Größenänderungen
je nach Lage der Sporenwolke
zur Lampe mit ihrem divergenten Licht,
ganz entsprechend zu der für Eisnebel-Lampenhalos
bekannten Minnaert-Zigarre.
Nicht vergessen werden sollte aber der
bislang noch zu jedem Treffen garantierte
Halo, ein kurzzeitiger, schwacher 22-Grad-
Ring um den Dreiviertelmond, der sich
dann noch mit einem Hof umgab und stoisch
auf unser Treiben herabsah.
Nach einigen eher touristischen Eindrücken
aus USA-Reisen von Elmar und Andreas
wurde es am Schlussmorgen wieder
etwas optischer. Alexander stellte seine
orientierenden Polfilterstudien an Halos
zur Diskussion. Auf diesem Gebiet wurde
nach den Arbeiten von Gunther Können
recht wenig weiter gearbeitet. Anhand von
Vexier- und Differenzbildern konnte Alex
das „Springen“ von Nebensonnen um einige
Zehntelgrad zeigen, welches auf das
schwach doppelbrechende Eis zurückführbar
ist. Ein anderes Motiv zeigte, dass
man mit einem Differenzbild gekreuzt
polarisiert aufgenommener Fotos zu einer
Kontraststeigerung gelangt, wie sie ähnlich
sonst nur mit USM- oder Rot-Blau-Differenz-Bildern
möglich ist.
Claudia Hinz machte den Abschluss mit
Fotos eines zwei Stunden lang sichtbaren
und spektakulär weit aufgespaltenen Regenbogens
vom Fichtelberg. Ebenfalls einer
Simulation würdig wäre ein ihr aus Österreich
zugesandtes Regenbogenfoto, in dem
es zusätzlich zu einer Aufspaltung noch
Interferenzbögen zu sehen gab, was im Allgemeinen
so nicht der Fall ist.
Vor dem Abschied auf dem Parkplatz beschenkte
Reinhard noch jeden Teilnehmer
mit einer mit haareishöffigem Totholz auf
Laubbett gefüllten Plastikbox, verbunden
mit dem Aufruf diese Eisform in eigenen
beregneten winterlichen Gärten bzw. auf
Veranden und Balkonen zu züchten, was
späterhin auch an verschiedenen Orten gelungen
ist.
Literaturhinweise:
[1] A. Wegener, 1918: „Haareis auf morschem
Holz“, Die Naturwissenschaften
6/41, S. 598
[2] A. Haußmann, 2019: “Rainbows from
realistically shaped drops: Higherorder
amplifications, axis tilts, and
oscillations”, 13th Conference on
Light and Color in Nature, Bar Harbor
Maine (USA), July, 15-18, 2019
[3] A. Haußmann, 2019: “Pollen coronae:
New insights from observations and
simulations”, 13th Conference on
Light and Color in Nature, Bar Harbor
Maine (USA), July 15-18, 2019
Neues aus der Fachgruppe
Deep Sky
Der Skyguide wird nun schon seit 2014 in unveränderter Form bereitgestellt und
erscheint auch regelmäßig im VdS-Journal für Astronomie. Ab dem Jahr 2021 wird
es ein paar kleinere Änderungen in Bezug auf die Gestaltung sowie den Inhalt geben.
Er wird weiterhin im Journal erscheinen und ist auch auf der Webseite unserer
Fachgruppe verfügbar. Lasst euch einfach überraschen.
Zudem wird sich das VdS-Journal für Astronomie Nr. 77 mit dem Schwerpunktthema
„Doppelsterne“ befassen. Wir freuen uns über jeden Artikel zu diesem Thema.
Der offizielle Redaktionsschluss ist am 01.11.2020. Aufgrund der größeren
Anzahl an Artikeln bitten wir darum, uns diese bis spätestens 01.10.2020 an
r.zebahl@gmx.de zu schicken.
Robert Zebahl
Deep Sky
76 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 77
Deep Sky
Deep Sky
Beobachtung Galaktischer Nebel
mit einem 10- und 21-Zoll-Teleskop
von Mathias Sawo
Im Sommer 2018 habe ich dank lang anhaltender Hochdruck-Wetterlagen viele klare Nächte zum Beobachten nutzen
können. Selbst bis in den November hinein gab es solche längeren Phasen wolkenloser Nächte. Für die Beobachtung
bin ich mit meinem 10- oder 21-Zoll-Teleskop auf die Wasserkuppe in der Rhön gefahren. Teilweise konnte
ich bedingt durch den Wind keine höhere Vergrößerung nutzen und war gezwungen, mir großflächige Objekte anzuschauen.
Einige der Ergebnisse und Zeichnungen möchte ich hier präsentieren. Die Transparenz war speziell in der
Nacht, als ich mir M 78 vornahm, außerordentlich gut, was ich so in Deutschland noch nicht erlebt habe.
IC 410 (mit 10 Zoll)
Dieses schöne Objekt (Abb. 1) befindet
sich in einem weit reichenden Gebiet aus
Nebeln, das im Fuhrmann zu finden ist.
Ohne einen Filter war zunächst der auffällige
NGC 1893, ein länglicher Sternhaufen
zu sehen. Benutzt man einen [OIII]-Filter,
wird der Sternhaufen abgeschwächt und
ein deutlicher Nebel kommt zum Vorschein.
Der Nebel war unförmig und aus
unterschiedlich hellen Segmenten zusammengesetzt.
In der Mitte wirkte er deutlich
dunkler, mit einer scharfen Kante zur südlichen
Innenseite, ein Hinweis auf die Dunkelwolke.
Für die Beobachtung nutzte ich
eine geringe Vergrößerung, da das Objekt
recht ausgedehnt ist. Bei höherer Vergrößerung
und mehr Öffnung kann man westlich
vom Nebel zwei kaulquappenartige kleine
Globulen finden, die als Simeis 130 und 129
bezeichnet werden.
NGC 2024 (mit 10 Zoll)
Noch in der gleichen Nacht beobachtete
ich NGC 2024, der auch Flammennebel
genannt wird und Teil eines Sternentstehungsgebietes
im Orion ist (Abb. 2). Auch
hier wählte ich eine eher geringe Vergrößerung
und beobachtete ohne einen Filter, da
er dann mehr Details zeigte. Ganz wichtig
war, dass der sehr helle Stern Alnitak nicht
im Gesichtsfeld zu sehen war, da er sonst die
schwachen Nebeldetails überstrahlt hätte.
Bei geduldiger Beobachtung und mit Hilfe
von indirektem Sehen in Verbindung mit
„field sweeping“ (leichter Fernrohrbewegung)
zeigte mir das Objekt einige schwache
Nebelfetzen sowie Dunkelteilungen.
3 M 78 mit 10 Zoll Öffnung und 72x bis 125x
(Zeichnung Mathias Sawo)
4 IC 1470 mit 21 Zoll Öffnung und 580x (Zeichnung Mathias Sawo)
Impression
Osternacht über der Berger Kirche
Peter Remmel fotografierte
in der Osternacht
2020 den Nordhimmel
über der 1270 Jahre
alten Berger Kirche in
Werschau (Region Hintertaunus).
Daten der
Strichspuraufnahme:
Canon EOS 6D, Objektiv
Walimex 2,8/14 mm
bei Blende 4, 125 x 30 s
bei ISO 1250, Software:
Startrails und Magic
Lantern.
1 IC 410 mit 10 Zoll Öffnung und 57x (Zeichnung Mathias Sawo) 2 NGC 2024 mit 10 Zoll Öffnung und 89x (Zeichnung Mathias Sawo)
78 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 79
Deep Sky
Deep Sky
M 78 (mit 10 Zoll)
Im Sternbild Orion ist einer der hellsten Reflexionsnebel
am gesamten Himmel zu finden,
und ich kannte ihn schon gut von einer
früheren Beobachtung mit deutlich mehr
Öffnung. Bei der Sichtung mit meinem
10-Zoll-Teleskop (Abb. 3) erwischte ich
eine Nacht mit einer exzellenten Transparenz.
So war nicht nur ein strukturiert wirkender
M 78 mit einer scharfen Kante am
Nordrand zu sehen, sondern auch einige
der deutlich schwächeren Nebel in der Umgebung,
die allesamt eine NGC-Nummer
tragen (NGC 2064, NGC 2067, NGC 2071).
NGC 2071 zeigte sogar etwas Struktur und
wirkte V-förmig. Eine Vergrößerung von
125-fach war nötig, um diese kleineren Nebel
sicher zu erfassen.
IC 1470 (mit 21 Zoll)
Dieser Emissionsnebel im Kepheus ist
eher weniger bekannt, obwohl er recht
hell ist. Da er aber auch klein ist, sind höhere
Vergrößerungen nötig, um Strukturen
zu erkennen, bei meiner Sichtung war
das 580-fach. Recht gut zu sehen war eine
längliche Aufhellung um einen Stern herum
(Abb. 4). Nach Südost waren mit indirektem
Blick spitz zulaufende Ausläufer
zu erkennen. Bei geduldiger Beobachtung
erschienen darin hellere Knoten, wodurch
das Zentrum dunkel wirkte.
Parsamian 21 (mit 21 Zoll)
Dieses physikalisch sehr spannende Objekt
im Sternbild Adler ist ein YSO (Young
Stellar Object). Hier kann man einen noch
jungen Stern in seiner frühen Entwicklungsphase
und den angestrahlten, dazugehörigen
Reflexionsnebel beobachten. Er
ist vom visuellen Erscheinungsbild ähnlich
der eines Kometen (Abb. 5). Die südliche
Seite war hell und gut zu sehen, zusammen
mit dem feinen Stern, der mit indirektem
Sehen aus dem Nebel hervorblitzte. Deutlich
schwächer war der nach Norden verlaufende
Teil, der nur indirekt und besser
mit „field sweeping“ in seiner vollen Länge
erfassbar war.
Sharpless 254-257 (mit 21 Zoll)
Eine beeindruckende Ansammlung von
Objekten aus dem Sharpless-Katalog gibt es
am Winterhimmel zu bewundern. Um die
bis zu vier nah beieinanderliegenden runden
Nebel im Orion zu bestaunen, braucht
man dunklen und transparenten Himmel
und möglichst große Öffnungen. Auch ein
Hβ-Filter ist sehr hilfreich sowie ein kleine
Vergrößerung. Mit meinem 21-Zoll-Teleskop
und 82-facher Vergrößerung konnte
ich zunächst recht einfach Sharpless 254,
255 und 257 erkennen, mit indirektem Sehen
teilweise mit Strukturen wie Dunkelteilungen.
Deutlich schwieriger war Sharpless
256, der nur indirekt und mit „field sweeping“
sicher zu erfassen war.
Skyguide 2020 – 2 (Sommer)
von Robert Zebahl und René Merting
Unser Skyguide soll in erster Linie Anregungen
für eigene Beobachtungen geben
und wird dabei jährlich für jede Jahreszeit
fünf Objekte kurz beschreiben. Es werden
dabei sowohl leichte als auch schwierige
Objekte ausgewählt, welche nach Schwierigkeitsgrad
sortiert sind. Wie schwer ein
Objekt letztlich ist, hängt natürlich von
verschiedenen Faktoren ab, vor allem der
Himmelsqualität, der Teleskopöffnung und
der persönlichen Erfahrung.
Zu jedem Objekt werden die wichtigsten
Informationen in Kurzform angegeben.
Des Weiteren ist eine Karte, erstellt mit der
freien Software Cartes du Ciel (Skychart),
für die grobe Orientierung vorhanden, welche
Sterne bis zu einer Größenklasse von ca.
8,0 mag zeigt. Telradkreise (0,5°; 2°; 4°) auf
der Karte markieren die Position des Objekts.
Im Allgemeinen empfehlen wir aber,
eigene Aufsuchkarten zu erstellen. Die visuelle
Beschreibung des Objekts basiert
weitestgehend auf eigenen Beobachtungen
und soll lediglich als Anhaltspunkt dienen.
Übersichtskarte der Objekte für Skyguide 2020-2
5 Parsamian 21 mit 21 Zoll Öffnung und 357x
(Zeichnung Mathias Sawo)
6 Sharpless 254-257 mit 21 Zoll Öffnung und 82x
(Zeichnung Mathias Sawo)
Karte erstellt mit Cartes du Ciel
80 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 81
Deep Sky
Deep Sky
French 1 (The Toadstool)
Gamma Delphini (STF 2727)
Typ:
Doppelstern
Sternbild:
Delphinus
Koordinaten (2000.0): 20 h 46 m 39,50 s , +16° 07’ 27,40’’
Helligkeit:
4,4 / 5,0 mag
Winkelabstand 8,9’’
Positionswinkel: 266°
Jahr: 2018
Gamma Delphini ist verschiedenen Quellen zufolge ein
physischer Doppelstern in einer Entfernung von ungefähr
110 Lichtjahren. Die Hauptkomponente ist vom Spektraltyp
K1IV (orangefarbener Unterriese), sein Begleiter F7V
(weißgelber Zwerg). Das ist visuell ebenfalls nachvollziehbar.
Beobachter nehmen bei kleiner Teleskopöffnung zumindest
den Hauptstern oft als gelblich wahr. Durch die
Helligkeit und dem moderaten Winkelabstand ist dieser
Doppelstern ein einfaches Ziel, selbst unter stark aufgehelltem
Himmel. Ein Großfernglas sollte für eine Trennung
der Komponenten bei gutem Sehvermögen ausreichen,
wobei eine Vergrößerung von etwa 20-fach nötig ist.
Knapp 15 Bogenminuten südwestlich von Gamma Delphini
befindet sich noch der Doppelstern STF 2725 (AB) mit
einem Winkelabstand von gut 6 Bogensekunden. Damit
lassen sich beide Doppelsterne schön in einem Gesichtsfeld
beobachten. Hierfür sollte aber wenigstens ein kleines
Teleskop verwendet werden.
Typ:
Sternmuster
Sternbild:
Delphinus
Koordinaten (2000.0): 21 h 07 m 25 s ,
+16° 19’ 00’’
Winkelausdehnung: 12,0’ x 12,0’
Dieses Stermuster ist eine klare Empfehlung. Es
ist relativ einfach zu finden, auffällig und auch
gut für kleinere Teleskope geeignet. Die Helligkeiten
der Sterne liegen zwischen 9,2 und 10,7
mag. Der Name „Toadstool“ (Pilz) rührt vom
Aussehen dieser Sterngruppe: Der Pilz ist auf
dem DSS-Bild Richtung Südwesten gekippt, der
Stamm zeigt gen Nordosten. Der Pilz präsentiert
sich mit einem schön geschwungenen Hut und
einem breiter werdenden Stamm. Rechts am Fuße
des Pilzes befindet sich noch die Galaxie NGC
7025 (s.u.).
3 French 1, Quelle: DSS, gemeinfrei
NGC 7006 (H 1.52)
Typ:
Kugelsternhaufen
Sternbild:
Delphinus
Koordinaten (2000.0): 21 h 01 m 29,47 s ,
+16° 11’ 16,49’’
Helligkeit:
10,6 mag
Winkelausdehnung: 2,8’ x 2,8’
NGC 7025 (UGC 11681)
Typ:
Galaxie
Sternbild:
Delphinus
Koordinaten (2000.0): 21 h 07 m 47,33 s ,
+16° 20’ 09,09’’
visuelle Helligkeit: 12,8 mag
Winkelausdehnung: 1,9’ x 1,2’
Das Sternbild Delfin gehört mit einer Fläche von
knapp 190 Quadratgrad zu den 20 kleinsten der
insgesamt 88 Sternbilder, enthält jedoch zwei
Kugelsternhaufen: NGC 6934 (8,9 mag) sowie
NGC 7006. Obwohl NGC 7006 die geringere
Gesamthelligkeit hat, ist dessen Flächenhelligkeit
aufgrund der kleineren Winkelausdehnung
deutlich höher. Eine Aufsuchkarte ist aber empfehlenswert,
vor allem im städtischen Umfeld.
Teleskope ab etwa 4 Zoll Öffnung sollten den
Sternhaufen zumindest als kompakten Nebel
zeigen. Ab welcher Teleskopöffnung sind erste
Einzelsterne sichtbar?
2 NGC 7006, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
NGC 7025 ist eine Spiralgalaxie in einer Entfernung
von rund 210 Millionen Lichtjahren.
Sie wird als sogenannte LINER-Galaxie (lowionization
nuclear emission-line region) klassifiziert.
Es handelt sich bei diesem Typ um Galaxien,
deren Kernregion Emissionslinien mit
geringem Ionisationsgrad aufweist. Ein weiteres,
bekanntes Beispiel für eine LINER-Galaxie
ist die Sombrero-Galaxie (Messier 104). Unter
dunklem Himmel lässt sich NGC 7025 bereits
gut mit mittlerer Teleskopöffnung beobachten.
So zeigt sie sich schon bei 6 Zoll Teleskopöffnung
als ovale, kaum kondensierte Aufhellung.
Die schwachen Staubbänder sind möglicherweise
mit großen Teleskopen zugänglich. Aufgrund
ihrer „besonderen“ Lage am Fuße des
Pilzes (French 1) bekam sie von uns vor Jahren
auf einem Teleskoptreffen den liebevollen Beinamen
„Fußpilzgalaxie“. Das macht sie gleich viel
sympathischer.
4 NGC 7025, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
82 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 83
Deep Sky
Deep Sky
Abell 72 (PK 59-18.1)
Typ:
Planetarischer Nebel
Sternbild:
Delphinus
Koordinaten (2000.0): 20 h 50 m 02,05 s ,
+13° 33’ 29,6’’
Helligkeit:
14,6 mag
Winkelausdehnung: 2,0’ x 2,0’
Abell 72 ist ein eher kleiner Vertreter der Planetarischen
Nebel des Abell-Katalogs und zeigt unzählige,
feine Strukturen. Er ist damit sicher ein schönes
Ziel für Fotografen. Doch auch mit großem Teleskop
ab 16 Zoll Teleskopöffnung unter dunklem
Himmel lassen sich Berichten zufolge erste innere
Strukturen visuell erfassen. Mit kleinerer Teleskopöffnung
ist Abell 72 zumindest indirekt noch halbwegs
gut als rundliche, gleichmäßige Aufhellung
erkennbar. Abell 72 dürfte dem erfahrenen Beobachter
mit 5 Zoll Teleskopöffnung unter dunklem
Landhimmel keine Schwierigkeiten bereiten, wobei
eine genaue Aufsuchkarte notwendig ist. Es
wird auf jeden Fall ein [OIII]-Filter empfohlen.
5 Abell 72, Quelle: Pan-STARRS, gemeinfrei
Impression
Die Galaxienhaufen Abell 1495 und HCG 61
Erratum
Beobachten mit kleiner Öffnung
– Ein Irrtum selbst fabriziert
von Thomas Eversberg
Im VdS-Journal für Astronomie Nr. 72 habe ich zwei Irrtümer hinsichtlich
des Seeings und des Bildkontrasts (Signal-zu-Rausch-Verhältnis
S/N) bei kleinen Teleskopöffnungen beschrieben – und bin
dabei selbst einem Irrtum zum Opfer gefallen. Auf diesen Irrtum
hat mich dankenswerterweise Jochen Eislöffel von der Thüringer
Landessternwarte Tautenburg hingewiesen (danke, Jochen!). Es ist
zwar korrekt, dass das Seeing das geometrische Auflösungsvermögen
ab einer bestimmten Objektivöffnung „einfriert“ (Punkt A),
doch bei meiner Betrachtung zur erreichbaren Grenzgröße bei einem
gegebenen Signal-zu-Rausch-Verhältnis S/N (Punkt B) ist mir
ein Fehler unterlaufen. Ich erläuterte folgende Proportionalitäten
mit der Lichtintensität S, dem Photonenrauschen N, der Photonenanzahl
N e
, der Optikfläche A und der Apertur D.
Der Schritt
ist jedoch falsch, da die Gesamtzahl der
Photonen proportional zum Integral des Photonenflusses pro Zeitund
Flächeneinheit dA dt ist, nicht zur Apertur. Bei identischem
S/N kann bei doppelter Apertur ein viermal schwächeres Objekt
detektiert werden (um denselben Effekt zu erzielen, kann auch die
Belichtungszeit vervierfacht werden). Der Ansatz kann mit der Annahme
eines konstanten S/N für zwei verschiedene Aperturen (hier
mit 1 und 2 indiziert) dargestellt werden.
Da die Anzahl der aufgenommenen Photonen durch den Lichtstrom
Φ, die Optikfläche A und die Aufnahmezeit t definiert ist,
ergibt sich
Bei gleicher Belichtungszeit t 1
= t 2
= t und doppelter Apertur D, also
A 2
= 4 A 1
erhalten wir
Bei konstantem Signal-zu-Rausch-Verhältnis sieht man bei doppelter
Apertur also Objekte, die viermal schwächer sind. Dass die
Grenzgröße nicht mit dem linearen Durchmesser der Optik, sondern
quadratisch zunimmt, ist anschaulich darstellbar. Betrachten
wir dazu eine an die Dunkelheit adaptierte Augenpupille von 6 mm
Durchmesser, mit der man Objekte von 6 Magnituden erreichen
kann. Vergleicht man die Pupille mit dem Very Large Telescope
(VLT) mit einem rund 1.300-fachen Optikdurchmesser, so entspricht
dies knapp 8 Magnituden Differenz, und das VLT hätte laut
meiner Darstellung im VdS-Journal für Astronomie 72 eine Grenzgröße
von nur etwa 14 Magnituden. Wir wissen allerdings, dass
dazu ein Amateurinstrument von 11 Zoll Öffnung ausreicht! Der
VLT-Preis dürfte also begründet sein.
Neues aus der Fachgruppe
Geschichte der Astronomie
von Wolfgang Steinicke
Geschichte
Abell 1495 – am Stern links oben gelegen – ist gut 2 Milliarden Lichtjahre entfernt, die Hicksongruppe HCG 61 dagegen nur
etwa 190 Mio. Lichtjahre. Allerdings steht die blaue Galaxie (NGC 4173) nicht in HCG 61, sondern weit davor: Entfernung nur
~54 Mio. Lichtjahre. Bernd Wallner gelang diese LRGB-Aufnahme in seiner Gartensternwarte in Burghausen. Daten: 11. –
27. April 2020, 600-mm-Cassegrain bei f/8, Kamera FLI ML 16803, Gesamtbelichtungszeit 19 h, davon 9,5 h Luminanz.
In diesem Heft lesen Sie zwei Beiträge. Im ersten berichtet Klaus Rohe über „Die astronomischen Arbeiten von
Alfred Wegener“. Es ist vielleicht den meisten nicht bekannt, dass sich der bekannte Meeres- und Polarforscher
auch mit Astronomie befasst hat. Der andere Artikel erzählt den Lebenslauf eines historischen Teleskops. Gemeint
ist Max Wolfs 6-zölliger Refraktor, aufgestellt in dessen Heidelberger Privatsternwarte. Der Autor ist Klaus Wenzel.
Die nächste Geschichtstagung wird voraussichtlich vom 30.10.-1.11.2020 stattfinden. Der Tagungsort steht noch
nicht fest. Näheres dazu finden Sie zu gegebener Zeit auf der Webseite der Fachgruppe „Geschichte der Astronomie“
http://geschichte.fg-vds.de. Versorgen Sie mich auch weiterhin mit interessanten Artikeln.
84 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 85
Geschichte
Geschichte
Die astronomischen Arbeiten
von Alfred Wegener
von Klaus Rohe
Alfred Wegener ist weltbekannt für seine
Theorie der Kontinentalverschiebung. Wenig
bekannt sind seine Arbeiten auf dem
Gebiet der Astronomie. Nach einer kurzen
Biografie wird ein Überblick seiner Arbeiten
in diesem Bereich dargestellt. Diese reichen
von Untersuchungen zu den Alfonsinischen
Tafeln in seiner Dissertation, über
Forschungen zu Meteoren und Meteoriten
bis zu Arbeiten zur Entstehung der Mondkrater
durch Impaktereignisse.
Lebenslauf
Die Tabelle im ersten Kasten gibt einen
Überblick über wichtige Ereignisse und
Stationen von Alfred Wegeners Leben. Eine
umfassende und aktuelle Biografie ist bei
Greene [15] zu finden. Gestorben ist Wegener
wahrscheinlich an Herzschwäche im
November 1930 auf Grönland. Sein Grab
wurde im Mai 1931 von seinem Bruder Kurt
gefunden. Dieser führte die Expedition zu
Ende und gab dann das aus sieben Bänden
bestehende Werk „Wissenschaftliche Ergebnisse
der Deutschen Grönland-Expedition
Alfred Wegeners“ heraus. Er übernahm die
Professur von Alfred an der Universität Graz.
Promotion in Astronomie
Alfred Wegener wurde 1905 an der Berliner
Universität promoviert. Der Titel seiner
Dissertation lautet „Die Alfonsinischen
Tafeln für den Gebrauch eines modernen
Rechners“ [1]. Es folgen zwei weitere
Arbeiten, die sich mit geschichtlichen und
philosophischen Themen aus dem Gebiet
der Astronomie und Kosmologie befassen
[2, 3]. Eine sehr ausführliche und kritische
Diskussion von Wegeners Dissertation ist
in der Abhandlung von Roland & Ute Wielen
vom Astronomischen Rechen-Institut
der Universität Heidelberg zu finden [16].
Dort wird die von Wegener entwickelte
Rechenmethode auf den astronomischen
Kalender von 1448 angewandt und mit modernen
Ephemeriden verglichen.
1 Alfred Wegner 1910 (links) und 1925 (rechts). https://de.wikipedia.org/wiki/
Alfred_Wegener
Lebenslauf von Alfred Wegener
1880 Alfred Wegener wird am 1. November in Berlin geboren
1890 - 1899 Besuch des Köllnischen Gymnasiums in Berlin
1899 Abitur
1899 - 1905 Studium der Astronomie und Meteorologie an den Universitäten
Berlin, Heidelberg und Innsbruck
1905 Promotion in Astronomie (Details s. Text)
1905 - 1906 Assistent am Königlich-Preußischen Aeronautischen Observatorium
Lindenberg. Zusammenarbeit mit seinem Bruder Kurt. Am 5. April
1906 starteten die Gebrüder Wegener von dort eine Ballonfahrt, um
meteorologische Untersuchungen durchzuführen. Sie wurde zu einem
Weltrekord! Sie legten eine Strecke von ca. 1.300 km zurück. Die Dauer
des Fluges betrug 52½ Stunden. Sie führte von Lindenberg über
Jütland bis in die Nähe von Aschaffenburg.
1906 - 1908 Teilnahme an dänischer Grönlandexpedition
1909 Habilitation an der Universität Marburg mit der Arbeit „Die Drachenund
Fesselballon-Aufstiege der Danmark-Expedition“
1912 - 1913 Teilnahme an dänischer Expedition zur Durchquerung Grönlands
1913 Heirat mit Else Köppen, Tochter des Meteorologen und Klimatologen
Wladimir Köppen
1914 - 1918 Teilnahme als Offizier im 1. Weltkrieg
1919 - 1924 Abteilungsleiter der Deutschen Seewarte in Hamburg
1924 Ordentlicher Professor für Meteorologie und Geophysik an der
Universität Graz
1929 - 1930 Grönlandexpedition und Tod
Arbeiten über Meteore/Meteorite
1915 veröffentlicht Wegener eine Arbeit
über den Farbwechsel der Meteore [4].
Wegener schließt, dass der Farbwechsel
von grün nach rot in einer Höhe von 70-80
km liegen muss, wo er den Übergang von
der Wasserstoff- zur Stickstoffatmosphäre
postuliert. 1918 legte er zu dem gleichen
Thema eine weitere umfangreiche Untersuchung
vor. Über der Wasserstoffatmosphäre
nimmt er noch eine Schicht aus
einem noch unbekannten Element an, was
leichter als Wasserstoff sein soll. Er nennt es
Geocoronium. Man weiß heute, dass dieses
Schichtenmodell grundsätzlich richtig ist,
aber nicht in der Zusammensetzung, die
Wegener aus dem Farbwechsel der Meteore
ableitet.
Am 3. April 1916 war nachmittags gegen
15:25 Uhr über Hessen ein heller Meteor
(Feuerkugel) zu beobachten. Wegener hatte
im April einen 14-tägigen Urlaub vom Militärdienst
und nutzte diese Zeit, um den Fall
systematisch zu untersuchen, um eventuell
den Rest des Meteors zu finden. Er schrieb
überregionale Tageszeitungen an, die er
bat, Aufrufe zur Einsendung von Berichten
über die Beobachtung der Feuerkugel zu
veröffentlichen. Aus diesen Berichten ging
hervor, dass der Einschlagspunkt, wenn
vorhanden, in der Nähe der Stadt Treysa
liegen musste. Er begab sich zusammen
mit seiner Frau Else in die Umgebung von
Treysa und führte dort detaillierte Befragungen
von Beobachtern der Feuerkugel
durch. Ein Befragter soll geantwortet haben:
„Da war eine feurige Wolke, in der das
Bild des Kaisers erschien“ ([6], Seite 125).
Aus den Ergebnissen der Beobachtungen
ermittelte Wegener den wahrscheinlichen
Einschlagsort. Eine sehr ausführliche Beschreibung
von Wegeners Recherchen wird
in [5] gegeben. Im Januar 1917 wurde dann
ca. 800 m von dem vorausgesagten Einschlagsort
entfernt ein Eisenmeteorit mit
2 Aus: A. Wegener, 1921, „Die Entstehung der Mondkrater [9], Seite 13
einer Masse von ca. 60 kg in einer Tiefe von
1,6 m gefunden. In [7] unterzieht Wegener
die in [5] beschriebene Vorgehensweise
einer kritischen Analyse. Es war das erste
Mal, dass ein Meteorit durch systematische
Auswertungen von Beobachtungen gefunden
wurde.
1927 veröffentlicht Wegener noch eine Arbeit
über die Geschwindigkeit großer Meteore
[10], in der er die veröffentlichten Daten
von Meteorbeobachtern untersucht. Er
wendet eine modifizierte Methode der Geschwindigkeitsbestimmung
an und kommt
zu dem Ergebnis, dass die meisten Meteore
eine hyperbolische heliozentrische Geschwindigkeit
haben und daher nicht aus
unserem Sonnensystem stammen können.
Entstehung der Mondkrater
Wegener war der Ansicht, dass der Großteil
der Krater auf dem Mond durch den
Einschlag von Meteoroiden entstanden
war. Dies stand im Gegensatz zur der damals
gängigen Ansicht, dass die Mondkrater
vulkanischen Ursprungs sind. Um
seine These zu untermauern, führte er im
Winter 1918/1919 in Marburg Experimente
mit Zementstaub durch, um künstliche
„Mondkrater“ zu erzeugen. Die Ergebnisse
86 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 87
Geschichte
Geschichte
dieser Experimente veröffentlichte er 1919 und 1920 [8, 9]. Außerdem
fasste er seine Thesen zur Entstehung der Mondkrater in einer
Monografie mit dem Titel „Die Entstehung der Mondkrater“ zusammen,
die 1921 vom Verlag Vieweg herausgegeben wurde. Wegener
setzt sich hier ausführlich mit den vier damals hauptsächlich
diskutierten Hypothesen zur Entstehung der Mondkrater auseinander.
Sie sind im zweiten Kasten beschrieben.
Gegen die Blasen- und Gezeitenhypothese, die teilweise durch Laborexperimente
gestützt wurden, argumentiert er, dass man die
Laborverhältnisse nicht auf einen Himmelskörper wie den Mond
übertragen könne, da im Labor Adhäsionskräfte dominieren, wohingegen
bei Himmelskörpern Massenkräfte ausschlaggebend
sind. Gegen die Vulkanhypothese, die damals von vielen Wissenschaftlern
akzeptiert wurde, argumentiert er mit einem Bild, in
dem er die Querschnittsprofile von Mondkratern und irdischen
Vulkanen maßstabsgerecht einzeichnet (Abb. 2). Man sieht, dass
sich die Querschnittsprofile von Vulkanen und Mondkratern deutlich
unterscheiden. Die von ihm bevorzugte Aufsturzhypothese
untermauert er mit der Beschreibung und Bildern von den Versuchen,
die er im Winter 1918/1919 in Marburg durchgeführt hatte
[8, 9]. Er beschäftigt sich dann noch mit dem Barringer-Krater in
Arizona, der auch damals schon von vielen als Impaktkrater betrachtet
wird und fragt sich, ob weitere auf der Erde zu finden seien.
Einen Hinweis darauf, dass es weitere Krater geben müsste, sieht er
z. B. in den Moldaviten ([9], Seite 39). Heute weiß man, dass diese
beim Nördlinger-Ries-Impakt entstanden sind. 1928 untersuchte
Wegener einen Krater in Estland [11], der heute als Kaali-Meteoritenkrater
bekannt ist (Abb. 3), und stufte ihn als Impaktkrater ein,
was sich aus heutiger Sicht als richtig erwies. Mit diesen Hypothesen
zur Entstehung von Impaktkratern auf dem Mond und der Erde
ist Wegener seiner Zeit weit voraus, denn erst nach 1960 wurde die
Theorie der Entstehung der Mondkrater durch Impakt allgemein
anerkannt und es wurden auch viele geologische Strukturen auf der
Erde mit großer Sicherheit als Impaktkrater identifiziert, z. B. das
Nördlinger Ries und das Steinheimer Becken.
Hypothesen zur Entstehung der Mondkrater
Aufsturzhypothese:
Der Großteil der Krater auf dem Mond ist durch Impakt von
kosmischen Körpern entstanden.
Blasenhypothese:
Die Krater sind in der Frühzeit des Mondes durch aufsteigende
Gasblasen im flüssigen Inneren entstanden, die an der Mondoberfläche
explodierten.
Gezeitenhypothese:
Die Krater sind in der Frühzeit des Mondes, als die starre
Oberfläche noch sehr dünn war, durch Gezeitenkräfte auf das
flüssige Innere entstanden. Diese Kräfte verursachten teilweise
einen Durchbruch des flüssigen Magmas durch die dünne,
starre Mondoberfläche. Durch Erstarrung bildeten sich dann
ringförmige Strukturen.
Vulkanhypothese:
Der Großteil der Krater auf dem Mond ist vulkanischen
Ursprungs.
Literaturhinweise:
[1] A. Wegener, 1905: „Die Alfonsinischen Tafeln für den Gebrauch
eines modernen Rechners“, Inaugural-Dissertation
Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, Druck E. Ebering
[2] A. Wegener, 1905: „Die astronomischen Werke Alfons X“,
Bibliotheca Mathematica, Zeitschrift für Geschichte der
Mathematischen Wissenschaften, Teubner, Leipzig, 3. Folge,
6. Band, 2. Heft, S. 129-185
[3] A. Wegener, 1906: „Über die Entwicklung der kosmischen
Vorstellungen in der Philosophie“, Mathematisch-Naturwissenschaftliche
Blätter, Band 3, S. 61-64, u. S. 78-82
[4] A. Wegener, 1915: „Ueber den Farbwechsel der Meteore“, in:
„Das Wetter“, Sonderheft zum 13. April 1915, S. 62-66
[5] A. Wegener, 1917: „Das detonierende Meteor vom 3. April
1916, 3½ Uhr nachmittags in Kurhessen“, Sitzungsberichte
der Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften
zu Marburg 1917, 14 (1)
[6] A. Wegener, 1918: „Der Farbwechsel Großer Meteore“, Abh.
Kaiserl. Leop.-Carol. Deutsch. Akademie Naturforscher
(= Nova Acta 104) 1, S. 1-34
[7] A. Wegner, 1918: „Über die planmäßige Auffindung des
Meteoriten von Treysa“, Astronomische Nachrichten 207,
S. 185-190
[8] A. Wegener,1919: „Versuche zur Aufsturztheorie der Mondkrater“,
Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung
3 Kaali-Meteoritenkrater: https://de.wikipedia.org/wiki/
Kaali_(Saaremaa)
der gesamten Naturwissenschaften
zu Marburg 1919 (2), 7-10
[9] A. Wegener, 1921: „Die Entstehung
der Mondkrater“, Friedrich Vieweg
und Sohn, Braunschweig
[10] A. Wegener, 1927: „Die Geschwindigkeit
großer Meteore“, Die Naturwissenschaften
15, Heft 12, Berlin,
S. 286-288
[11] E. Kraus, R. Meyer, A. Wegener,
1928: „Untersuchungen über den
Krater von Sall auf Ösel“, Kurlands
Beiträge zur Geophysik 20,
Der Wolfsche Sechszöller
– Der Lebenslauf eines historischen Teleskops
von Klaus Wenzel
Beim „Wolfschen 6-Zöller“ handelte es sich
um einen 6-Zoll-Refraktor mit einem Objektiv
von Reinfelder und Hertel auf einer
deutschen Montierung der Firma Sendtner,
der ab 1885 in einer 5-m-Kuppel im Hinterhof
des Wohnhauses der Familie Wolf in der
Heidelberger Märzgasse 16 aufgestellt war.
Dieses Teleskop war sozusagen das erste
Mosaiksteinchen der Heidelberger Astronomie
vom Königsstuhl bis zum 3,5-m-Teleskop
auf dem Calar Alto. Eine besondere
historische Bedeutung muss man ihm zugestehen,
da mit ihm der erste Kleinplanet
((323) Brucia) auf fotografischem Wege
entdeckt wurde, was eine Revolution in der
Kleinplanetenforschung bedeutete.
Zunächst benutzte Max Wolf dieses Instrument
für visuelle Beobachtungen. Doch
schon frühzeitig setzte er auf die Fotografie.
Erstes fotografisches Objekt war der Stern
Zeta Ursae Majoris am 24. September 1887
mit einer Belichtungszeit von 40 s durch das
Hauptrohr. Ab 1889 begann Max Wolf kleinere
Objektive (Kranz 5 Zoll und Steinheil
61 mm) an den Refraktor zu montieren, um
damit größere Sternfelder aufzunehmen.
Der Refraktor selbst wurde bei diesen Aufnahmen
als Leitrohr verwendet. Der große
Erfolg folgte dann am 22. Dezember 1891,
als er auf der Platte A358 mit Brucia (323)
seinen ersten Kleinplaneten entdecken
S. 312-378
[12] E. Wegener, Alfred Wegener, 1960:
„Tagebücher, Briefe, Erinnerungen“,
F. A. Brockhaus, Wiesbaden 1960
[13] G. Ehmke, 1980: „Alfred Wegener
und die Himmelskunde. Ein Beitrag
zum 100. Geburtstag des bedeutenden
Naturforschers“, Die Sterne 56,
Heft 6, S. 331-340
[14] Mott T. Greene, 1998: „Alfred Wegener
an the Origin of Lunar Craters“,
Earth Sciences History 17, No. 2,
Impacts Issue: Rocks from Space?
konnte. Dies war die erste fotografische
Entdeckung eines Kleinplaneten
überhaupt.
Wenige Wochen zuvor (9.-10.
September 1891) belichtete Max
Wolf die Region um Deneb über
zwei Nächte insgesamt 13 Stunden
und 5 Minuten. Auf dieser
kontrastreichen Aufnahme entdeckte
er die gesamte Form des
Nebels NGC 7000, den Wilhelm
Herschel bereits am 24. Oktober
1786 als schwache, extrem große,
sehr diffuse Nebelregion entdeckt
hatte. Die Form des Nebels erinnerte
Max Wolf an Nordamerika,
damit war der Eigenname „Nordamerikanebel“
geboren.
(1998), pp. 111-138
[15] Mott T. Greene, 2015: „Alfred Wegener:
science, exploration, and the
theory of continental drift“, Johns
Hopkins University Press
[16] Roland u. Ute Wielen, 2017: „Alfred
Wegener und das Astronomische
Rechen-Institut“, Astronomisches
Rechen-Institut, Zentrum für Astronomie,
Universität Heidelberg,
Heidelberg: https://archiv.ub.uniheidelberg.de/volltextserver/24001
(Stand: Januar 2020)
1 Die historische Kuppel mit dem Wolfschen
6-Zöller in der Heidelberger Märzgasse um 1890
Ende Januar/Anfang Februar
1892 wurde das Teleskop mit einer
6-Zoll-Portraitlinse (f/5) von
Voigtländer (I) aus Braunschweig
aufgerüstet. Ab Januar 1893 kam
eine weitere 6-Zoll-Voigtländerlinse
(II) hinzu, damit war der
Astrograf fertig. Es konnten nun
2 Der 6-Zöller mit den Voigtländer-
Kameras in der alten Kuppel um 1892
88 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 89
Geschichte
Geschichte
3 Ausschnitt aus der Entdeckungsaufnahme A358 mit dem Kleinplaneten Brucia (323)
vom 22. Dezember 1891. Brucia ist die kleine Strichspur an der Spitze des Pfeiles. Bei dem
hellen Stern südwestlich von Brucia handelt es sich um SAO 78858. Bei dem dunklen Strich
in der linken unteren Ecke handelt es sich leider um eine Beschädigung der Platte.
gleichzeitig identische Sternfelder aufgenommen
werden, um etwaige Plattenfehler
zu erkennen. Eine der Hauptaufgaben
des Astrografen war die Suche nach neuen
Kleinplaneten. Kleinplaneten verrieten
sich auf den belichteten Platten durch
kleine Strichspuren, aufgrund der Eigenbewegung
während der relativ langen Belichtungszeit,
die durchaus einige Stunden
betragen konnte.
Die letzten Aufnahmen in der Heidelberger
Altstadt wurden am 29. Juni 1897 belichtet,
danach wurde das Instrument abgebaut und
in einer extra hierfür errichteten Kuppel
(weiße Kuppel) auf dem Gelände des neu
gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums
der Badischen Landessternwarte
auf dem Königstuhl wieder aufgebaut.
Der reguläre Beobachtungsbetrieb auf dem
Königsstuhl startete am 28. Juni 1898, Ziel
war der Stern Deneb (Alpha Cygni) mit Belichtungszeiten
von 30 bzw. 45 Minuten.
Der 6-Zöller war nun bis zur Inbetriebnahme
des Bruce-Astrografen am 16. August
1900 das Hauptinstrument der Sternwarte
und wurde danach weiterhin, meist durch
die Assistenten, hauptsächlich zur Suche,
Überwachung und Bahnbestimmung von
Kleinplaneten, Kometen und veränderlichen
Sternen genutzt. Aber auch Max Wolf
ließ es sich nicht nehmen, von Zeit zu Zeit
mit seinem alten 6-Zöller zu beobachten.
Im September 1915 trat dann ein Defekt an
der Kuppel auf. Deshalb wurde das Instrument
demontiert und erst nach Installation
einer neuen Kuppel (schwarze Kuppel) im
5 Die „weiße“ Kuppel des 6-Zöllers auf
dem Königsstuhl (rechts). Bei der Kuppel
am linken Bildrand auf dem kleinen Turm
handelt es sich um die Kuppel des Bruce-
Teleskops. Aufnahme um 1900.
Juni 1919 wieder in Betrieb genommen.
Die letzte Platte wurde mit diesem Instrument
am 16. Juni 1939 4 min lang belichtet.
Das Ziel war der Veränderliche P Cygni. Es
war die Platte mit der laufenden Nummer
A8393.
Der Wolfsche 6-Zöller verblieb dann vermutlich
ungenutzt die nächsten beiden
Jahrzehnte in seiner Kuppel. Er wurde erst
1960 abgebaut und als Museumsstück im
heutigen Ostinstitut aufgestellt.
Bis heute verließ das Instrument noch zweimal
den Königsstuhl. Einmal 1961 zu einer
Ausstellung anlässlich der 575-Jahr-Feier
der Universität Heidelberg im Heidelberger
Schloss. Den zweiten Ausflug machte der
Refraktor vom November 2009 bis September
2010 in die Universitätsbibliothek nach
Heidelberg, anlässlich des Internationalen
Jahres der Astronomie.
Heute steht er wieder an seinem Platz im
Heidelberger Ostinstitut und kann dort
besichtigt werden. Die alte Kuppel in der
6 Der Wolfsche 6-Zöller in seiner Kuppel
auf dem Königsstuhl um 1900, Bild von
M. Wolf
4 Ausschnitt der historischen Aufnahme
des Nordamerikanebels vom 9.
und 10. September 1891
7 Die Sternwarte um 1930. Links im
Vordergrund die „schwarze“ Kuppel des
6-Zöllers. Im Hintergrund die Kuppel des
Waltz-Reflektors und am rechten Bildrand
die Kuppel des Bruce-Teleskops.
90 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 91
Geschichte
Jugendarbeit
Auf der Jagd nach Wolkenlücken
von Anna Bauernschmitt
8 Der 6-Zöller mit dem Autor als Museumsstück
im Ostinstitut
9 Okulareinblick mit den
Voigtländer-Kameras I und II
Heidelberger Märzgasse ist ebenfalls noch
erhalten und kann zumindest von außen
besichtigt werden. Die Kuppel auf dem
Königsstuhl, die zwischen dem Walz-Reflektor
und dem Hauptgebäude gestanden
hatte, wurde vermutlich in den 1960er Jahren
abgebaut.
Die Bezeichnung „Wolfscher 6-Zöller“ geht
übrigens auf Max Wolf selbst zurück. Auf
dem von ihm beschrifteten Einbanddeckel
des ersten Beobachtungsbuches steht:
„Aufnahmen mit dem Wolf 6-Zöller“
Die Abbildungen 1 - 7 für diesen Beitrag wurden freundlicherweise
von der Landessternwarte, Zentrum für Astronomie der
Universität Heidelberg zur Verfügung gestellt.
Die historischen Himmelsaufnahmen sind im Internet unter
http://dc.g-vo.org/hdap frei verfügbar (siehe auch: Sterne und
Weltraum 3/2010, S. 68).
Besten Dank auch an Herrn Dr. Holger Mandel für die Unterstützung
bei Recherchen in der Landessternwarte Heidelberg.
Vom 27.7. bis zum 10.8.2019 fand wieder
das alljährliche astronomische Sommerlager
der VEGA e.V. [1] statt und dieses
Jahr konnten wir Jubiläum feiern. Schon
seit zwanzig Jahren kommen Jugendliche
und junge Erwachsene zusammen, um für
zwei Wochen ein gemeinsames Interesse
zu verfolgen: Astronomie. Neben allerlei
Workshops, Vorträgen, täglichen Arbeitsgruppen
und auch vielem nicht-astronomischem
Programm standen für uns vor
allem die nächtlichen Beobachtungen an
erster Stelle. Das ausgewählte Schullandheim
in Bischofsheim an der Rhön [2], wo
das ASL schon mehrmals stattgefunden
hat, bot für alle Beobachter einen atemberaubenden
Sternenhimmel.
Zur Freude von ein paar Teilnehmern und
natürlich mir wurden dieses Jahr verschiedene
Astroprojekte angeboten, wie zum
Beispiel die Beobachtung von Exoplaneten
mit der Transitmethode und unter anderem
auch „Mein erstes Astrofoto“. Da mich
Astrofotografie schon immer sehr begeistert
hat, wollte ich mich mit einer kleinen
Gruppe darin versuchen. Das stündliche
Aktualisieren und Vergleichen des Wetterberichts
war bei meiner Projektpartnerin
Johanna Müller und mir deshalb an der Tagesordnung.
1 M 31 mit sichtbarer Begleitgalaxie M 32 am 06.08.2019, 60 Bilder je 30 s belichtet,
Details s. Text. Foto: Anna Bauernschmitt und Johanna Müller
Dass dieses Gebiet ein sehr großes Frustpotenzial
mit sich bringen kann, durften
wir hier am eigenen Leib erfahren. Wenn
man es dann mal geschafft hatte, eine Kabeltrommel
zu organisieren, keine Spiegel
am Teleskop dejustiert und die Akkus der
Kameras geladen waren und man endlich
bereit war, ein paar Bilder aufzunehmen,
machte einem das Wetter einen Strich
durch die Rechnung. Doch trotz der vielen
Wolken fanden wir ein paar klare Nächte
fürs Beobachten. Unser Ziel: M 31 – die
Andromedagalaxie (Abb. 1). Fotografiert
haben wir durch das Sky-Watcher-10-Zollf/4-Newton-Teleskop
von Jan Beckmann
– einem der Projektleiter – und mit einer
Spiegelreflexkamera Nikon D5600 von Lukas
Weis, welcher uns dabei tatkräftig unterstützt
hat. Zudem mit ISO 3200 und einer
Gesamtbelichtungszeit von 30 Minuten.
Toll dabei war vor allem zu lernen, was alles
in so ein Bild hineinfließt, inklusive der
Auswertung. Mit dieser haben wir uns in
den Tagen danach beschäftigt. Verwendet
haben wir hierfür hauptsächlich Fitswork
[3], DeepSkyStacker [4] und Nikon Capture
NX-D [5]. Unser erstes Astrobild dann
schließlich auf dem Bildschirm zu sehen,
war ein tolles Gefühl, und es hat mich auf
jeden Fall dazu motiviert, in Zukunft mehr
auf diesem Gebiet zu versuchen. Natürlich
haben wir nicht nur M 31 beobachtet, sondern
dazu kamen auch verschiedene Nebel,
Quasare, Sternhaufen und andere Galaxien.
Egal wie kalt oder unbequem es draußen
war, man konnte uns - wann immer
der Himmel es zuließ – an den Teleskopen
finden. Es war schön, von den älteren Teilnehmern
unseres „Observer-Teams“ schon
ab der ersten Nacht sofort aufgenommen zu
werden und ihnen jederzeit über die Schulter
sehen zu können.
Letztendlich waren die zwei Wochen sowie
unser Astroprojekt ein voller Erfolg und ich
kann nur jedem empfehlen, sich auch mal
in der Astrofotografie auszuprobieren, egal
ob „Himmel“ oder „Deep-Sky“.
Internethinweise (geprüft 27.03.2020):
[1] Astronomisches Sommerlager der
VEGA: www.vega-astro.de
[2] Schullandheim Bischofsheim: https://
bauersberg.rhoeniversum.de/
[3] Fitswork Software: www.fitswork.de/
software/download.php?f=bin/
Fitswork447.zip
[4] DeepSkyStacker Software: http://
deepskystacker.free.fr/german/
[5] Nikon Downloadcenter: https://
downloadcenter.nikonimglib.com/de/
products/162/Capture_NX-D.html
92 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 93
Kleine Planeten
Kleine Planeten
Neues aus der Fachgruppe Kleine Planeten
von Gerhard Lehmann
Kosmische Begegnungen
von Klaus Hohmann und Wolfgang Ries
Die Nächte im Sommer sind kurz, aber vielleicht
haben Sie auch Lust, einen Kleinplaneten
zu beobachten. Es muss nicht immer
die Astrometrie im Vordergrund stehen.
Nahe scheinbare Begegnungen mit Deep-
Sky-Objekten haben ebenfalls ihren Reiz.
Unser FG-Mitglied Wolfgang Ries hat für
den Sommer solche Ereignisse zusammengestellt
und ruft zur Beobachtung auf.
Im kommenden Jahr wird die FG Kleine
Planeten ihre 24. Kleinplanetentagung
durchführen. Wenn Sie diese Zeilen lesen,
ist die diesjährige Kleinplanetentagung
schon wieder Geschichte. Wir hoffen,
schon bald einen Tagungsbericht veröffentlichen
zu können. Informationen zum Ort
und zum Zeitpunkt der 24. Kleinplanetentagung
2021 entnehmen Sie bitte der Kleinplanetenseite
[1].
Dr. Lutz D. Schmadel (1942-2016) war viele
Jahre am Astronomischen Recheninstitut
(ARI) tätig [2]. In bleibender Erinnerung
ist er auch durch sein 1992 erstmals veröffentlichtes
Buch „Dictionary of Minor
Planet Names“. Dieses immer wieder aktualisierte
Werk enthält Informationen zur
Entdeckung und Namensgebung von Asteroiden.
Unter anderem beinhaltet es auch
eine Einteilung der Kleinplanetennamen
nach verschiedenen Kategorien.
Der Autor dieser Zeilen hat 2017 auf der
Kleinplanetentagung in Leiden/NL diese
Kategorien genutzt und die in der FG entdeckten
sowie danach benannten Kleinplaneten
zugeordnet (Abb. 1). Die Kategorie
der „Städte, Häfen und Gebäude“ befindet
sich an dritter Position. Dieser schönen
Tradition folgend hat unser FG-Mitglied
Erwin Schwab seinen Kleinplaneten mit
der Nummer 274835 nach der alten Kaiserstadt
Aachen [3] benannt.
Wenn Sie Lust bekommen haben, vielleicht
auch einmal Kleinplaneten zu beobachten,
dann sind Sie herzlich eingeladen. Als Mitglied
in der FG Kleine Planeten werden Sie
Gleichgesinnte treffen und von den Erfahrungen
der anderen profitieren.
Internethinweise (geprüft 27.03.2020):
[1] Kleinplanetenseite:
www.kleinplanetenseite.de/
[2] Lutz D. Schmadel: https://de.
wikipedia.org/wiki/Lutz_D._Schmadel
[3] Aachen: https://de.wikipedia.org/
wiki/Aachen
Ab und zu findet man auf Astroaufnahmen
von Deep-Sky-Objekten kurze Strichspuren.
Der Verursacher ist meist ein Kleinplanet,
der sich während der Belichtungszeit
ein kleines Stück auf seiner Bahn um die
Sonne weiterbewegt hat. Für viele Astrofotografen
sind solche zufälligen kosmischen
Begegnungen eine Bereicherung des Bildes.
Besonders dann, wenn man nach einiger
Recherche herausfindet, wer der Verursacher
der Strichspur war.
Nachdem in der letzten Ausgabe ein Zwergplanet
an der kosmischen Begegnung beteiligt
war, ist diesmal zum ersten Mal ein
waschechter Planet Akteur unserer Artikelreihe.
Zu verdanken haben wir diese
Premiere Rüdiger Graf aus Ulm. Rüdiger
hat schon viele Jahre Interesse an der Astronomie.
Seine Versuche mit den üblichen
Kaufhausteleskopen endeten aber eher
frustrierend. Erst der Kauf eines 10-zölligen
Schmidt-Cassegrains vor ein paar Jahren
von einem Sternfreund und dessen tatkräftige
Unterstützung brachte den Durchbruch
für das Hobby Astronomie. Seither
ist Rüdiger ein eifriger Astrofotograf und
Beobachter. Meist beobachtet er vom heimischen
Balkon aus, weswegen er seine
Homepage [1] unter dem Namen „Balkon-
Sternwarte Gögglingen“ laufen hat. Das
Sichtfeld vom Balkon aus ist zwar etwas
eingeschränkt, aber der Blick von Südost
bis Südwest ist einigermaßen dunkel, während
im Norden die Lichtglocke von Ulm
Astronomie stark beeinträchtigt. Falls er
1 Die in der FG entdeckten, nummerierten und danach benannten Kleinplaneten, den Kategorien von Dr. Lutz D. Schmadel zugeordnet,
(Stand: 2017). Bild: Gerhard Lehmann
1 Neptun, Triton und (135) Hertha, aufgenommen von Rüdiger Graf mit einem 80 mm Apochromaten f/6 und einer ASI1600MC-Kamera,
Bildausschnitt ca. 40% des Kameragesichtsfeldes.
94 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 95
Kleine Planeten
Kometen
2 Eine Detailansicht von Abb. 1, Pfeil oben: (135) Hertha, Pfeil unten: Neptun mit Triton,
im zeitlichen Abstand von 140 Minuten. Bild: Rüdiger Graf
doch mal ein Ereignis nicht vom Balkon aus
sehen kann, weicht er in seinen Garten aus.
Das heutige Bild [2] entstand in der Nacht
vom 10. auf den 11. August 2019. Der zunehmende
Mond war schon zu 80% beleuchtet.
Trotzdem wollte Rüdiger die klare Nacht
unbedingt für Astroaufnahmen nutzen.
Als Optik wählte er seinen 80-mm-Apochromaten
mit einer ASI1600MC-Kamera.
Zuerst wurde fleißig am Mond fotografiert.
Als der immer tiefer sank, wurde auf Neptun
geschwenkt. Die kurze Brennweite von
480 mm ist eigentlich zu kurz für Planeten,
aber Rüdiger wollte mit seinen Aufnahmen
die Bewegung des Planeten vor den Sternen
zeigen. Damit wandelt er auf den Spuren
Tabelle 1
von uns Kleinplanetenbeobachtern, die ja
durch Blinken die Asteroiden im Sternenfeld
finden. Die beiden Aufnahmen von
Rüdiger entstanden mit einer Zeitdifferenz
von ca. 140 Minuten (Abb. 2), wobei in
der Zwischenzeit der Hantelnebel fotografiert
wurde. Diese Zeitdifferenz reicht aus,
um auch beim fernen Neptun bereits eine
kleine, aber deutliche Bewegung zu erkennen.
Womit Rüdiger aber nicht gerechnet
hat, war erstens, dass auf den Aufnahmen
auch der Mond Triton sehr gut zu sehen ist
und zweitens, dass auch ein weiterer heller
Punkt herumhüpfte. Er identifizierte ihn
als den Kleinplaneten (135) Hertha.
Neptun ist bekanntlich der 8. und derzeit äußerste
Planet im Sonnensystem. Visuell ist er
als bläuliches Minischeibchen, das maximal
ca. 7,8 mag hell werden kann, zu sehen. Am
11. August 2019 war er ca. 4,34 Milliarden
km von der Erde entfernt. Der Durchmesser
des Gasplaneten beträgt knapp unter 50.000
km und entspricht damit ca. dem Vierfachen
des Erddurchmessers.
Für die Umrundung der Sonne benötigt
Neptun fast 165 Jahre. Entdeckt wurde er
1846 von dem deutschen Astronomen Johann
Gottfried Galle aufgrund von Berechnungen,
die der französischen Mathematiker
Urbain Le Verrier über Bahnstörungen
des Planeten Uranus durchführte. Derzeit
sind 14 Neptunmonde bekannt. Der weitaus
größte von ihnen ist Triton mit ca. 2.700
km Durchmesser. Er besitzt eine Helligkeit
von ca. 13,5 mag und wurde bereits 17 Tage
nach der Entdeckung Neptuns vom britischen
Amateurastronomen William Lassell
gefunden. Triton könnte ursprünglich ein
Objekt des Kuipergürtels gewesen sein, das
von Neptun eingefangen wurde. Das würde
seine auffällige Umlaufbahn um seinen Planeten
erklären. Triton kreist sehr nahe um
Neptun, wobei seine Bahn als einziger „großer“
Mond im Sonnensystem retrograd, also
Ausgewählte, besonders empfehlenswerte Begegnungen von Kleinplaneten
mit Deep-Sky-Objekten für das 3. Quartal 2020
Datum Uhrzeit Kleinkörper mag Objekt Art mv Abstand
19.07.2020 23:00 (2638) Gadolin 15,7 NGC 6751 PN 11,9 7’
21.07.2020 23:00 (2965) Surikov 15,5 M 26 OC 8,0 7’
17.08.2020 22:00 (24827) Maryphil 15,4 NGC 6822 Gx 8,7 10’
20.08.2020 24:00 (6070) Rheinland 15,8 NGC 7443/4 Gx 12,9 2’
17.09.2020 24:00 (257) Silesia 13,7 NGC 7606 Gx 10,8 5’
18.09.2020 24:00 (2920) Automedon 15,7 NGC 7817 Gx 11,8 5’
Abkürzungen: PN - Planetarischer Nebel, OC - Offener Sternhaufen, Gx - Galaxie
entgegen der Drehrichtung seines Planeten,
verläuft. Er nähert sich außerdem immer
weiter Neptun an und wird wahrscheinlich
in ca. 100 Mio. Jahren die Roche-Grenze
unterschreiten und von den Gezeitenkräften
Neptuns zerrissen werden. Falls dann noch
intelligente Wesen im Sonnensystem existieren,
können sie zwei schöne Ringplaneten
bewundern.
Der Kleinplanet (135) Hertha, ein Asteroid
des inneren Hauptgürtels, war während
der Aufnahme ca. 147 Mio. km von der Erde
entfernt. Als ca. 80 km großer Brocken
braucht er für die Umrundung der Sonne
ca. 3 Jahre und 10 Monate. Seine Helligkeit
betrug 10,5 mag. Sie wurde 1874 von
dem deutsch-amerikanischen Astronomen
Christian Heinrich Friedrich Peters entdeckt,
der sie nach einer nordischen Göttin
benannte. Peters entdeckte 48 Kleinplaneten
und zwei Kometen und war damit einer
der erfolgreichsten Kleinplanetenentdecker
seiner Zeit [3].
Bedeutende Kometen
des vierten Quartals 2019
von Uwe Pilz
C/2017 T2 PANSTARRS
Dieser Komet wurde im letzten Quartal am
meisten beobachtet. Seine Helligkeit stieg
während der letzten Monate des Jahres
2019 von 12 mag auf 10 mag an. Damit war
er ein Ziel auch für kleinere Instrumente.
Der Staubschweif besteht aus sehr großen
Partikeln, die Analyse mit meinem Schweifsimulationsprogramm
ergab 150-200 μ.
Solche großen Partikel bewegen sich nur
langsam vom Kometenkern hinweg. Dadurch
ergibt sich ein sehr gut kondensierter
Komet. PANSTARRS war auch von Standorten
mit mäßiger Lichtverschmutzung gut
zu erkennen. Das Foto von Norbert Mrozek
gibt den visuellen Anblick gut wieder (Abb.
1). Der Komet verfügte über eine schwache
äußere Koma, die auf dem eingefügten Bild
von Roland Fichtl gerade so erkennbar ist.
Visuell war dies nicht erreichbar.
Kosmische Begegnungen finden täglich
statt. Die Tabelle auf Seite 98 enthält eine
kleine Auswahl interessanter Begegnungen
zwischen Kleinplaneten und Deep-Sky-Objekten,
die von uns erstellt wurde. Damit soll
Ihnen Ihr Weg zum persönlichen Bild einer
kosmischen Begegnung erleichtert werden.
Eine Möglichkeit, sich täglich über aktuelle
kosmische Begegnungen zu informieren,
finden Sie auf der Homepage von Klaus Hohmann
[4]. Dort kann sich der interessierte
Astrofotograf in dem von Klaus geschriebenen
Tool kosmische Begegnungen anzeigen
lassen. Interaktiv hat man die Möglichkeit,
verschiedene Parameter wie die Helligkeit
des Deep-Sky-Objektes oder die Helligkeit
des Kleinplaneten selbst auszuwählen, um eine
passende Konjunktion für sich zu finden.
Wir möchten Sie im Namen der Fachgruppe
Kleine Planeten der VdS bitten, Ihre kosmische
Begegnung einzusenden, um zukünftige
Ausgaben des VdS-Journals für Astronomie
mit Ihren Bildern zu bereichern. Schicken
1 C/2017 T2 PAN-
STARRS, 30.11.2019,
21:10 UT, Instrument:
20-Zoll-Hypergraf
(f/8), 40 min belichtet
mit Canon-CCD-Kamera
(Norbert Mrozek).
Einfügung: 4. Dezember
2019, 22:35 UT,
Instrument: 16-Zoll-
Newton (f/2,5), 12 min
belichtet mit Canon-
CCD-Kamera (Roland
Fichtl).
Sie die Bilder per Mail mit dem Betreff „Kosmische
Begegnung“ an ries@sternwarte-altschwendt.at.
Bitte vergessen Sie nicht das
Aufnahmedatum, die fotografierten Objekte
und die Daten des Teleskops bzw. der Kamera
mitzuteilen. Der Autor eines ausgewählten
Bildes wird anschließend aufgefordert, eine
unkomprimierte Version des Bildes für den
Druck zur Verfügung zu stellen.
Internethinweise (geprüft 27.03.2020):
[1] Homepage: https://
balkonsternwartegoegglingen.
blogspot.com/
[2] Homepage: https://
balkonsternwartegoegglingen.
blogspot.com/p/veroffentlichungen.
html
[3] C.H.F. Peters: https://de.wikipedia.
org/wiki/Christian_Heinrich_
Friedrich_Peters
[4] Homepage: http://astrofotografie.
hohmann-edv.de/aufnahmen/
kosmische.begegnungen.php
96 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 97
Kometen
2 C/2018 N2 ASASSN, 30.10.2019,
21:10 UT, Instrument: 12-Zoll-Astrograf
(f/3,6), 40 min belichtet mit Sony-CCD-
Kamera. Nördlich des Kometen die
diffuse Galaxie PGC 2666. Bild: Martin
Nischang
C/2018 N2 ASASSN
Die Helligkeit dieses Kometen nahm
gegen Ende des Jahres langsam ab.
Dennoch wurde er von unserer Fachgruppe
visuell beobachtet. Das Bild
von Martin Nischang zeigt die Passage
an der Zwerggalaxie PGC 2666, wenige
Bogenminuten nördlich des Kometen.
Die schwache Galaxie ist auf dem Foto
gerade so zu erkennen.
2I/Borisov
war eine Besonderheit: Er ist der erste
Schweifstern, der nachweislich nicht
aus dem Sonnensystem stammt. Er
konnte bis Mitte Dezember von Mitteleuropa
aus in ausreichender Höhe am
Morgenhimmel beobachtet werden.
Da die Magnitude unterhalb von 15
mag lag, war er vom deutschen Sprachraum
aus visuell nicht erreichbar. Michael
Jäger fotografierte bereits Ende
Oktober den Vorübergang des seinerzeit
nur 16 mag hellen Kometen an Regulus
und der Zwerggalaxie Leo I.
Anzeige
1/1 Seite
Spektrum der
Wissenschaften
3 2I/Borisov, 26.10.2019, 03:30 UT,
Instrument: 8-Zoll-Astrograf (f/2,0), belichtet
mit ASI-1600-CMOS-Kamera. Der
helle Stern ist Regulus, die Galaxie nördlich
davon Leo I. Bild: Michael Jäger
98 | Journal für Astronomie Nr. 74
Mond
Mond
Neue Mondbilder
Peter Riepe
Wieder einmal kamen sehr viele schöne Mondbilder
zusammen. Dabei waren es nicht nur wirkungsvolle
irdische Stimmungsbilder mit dem
Erdtrabanten über interessanter Kulisse, sondern
auch gut aufgelöste Aufnahmen der Mondoberfläche.
Bildeinsender waren verschiedene Astrofotografen
aus dem gesamten deutschsprachigen
Raum. Dafür allen einen herzlichen Dank. Leider
ist es aber nicht möglich, alle eingesandten Bilder
zu zeigen. Hier ein repräsentativer Querschnitt.
Viel Spaß beim Anschauen.
1 Manfred Kiau zeigt uns die Konjunktion der
85 Stunden alten Mondsichel mit dem -1,9 mag
hellen Jupiter am 31.10.2019 um 17:45 Uhr MEZ.
Aufnahmeort war die Ostsee-Nehrung Graswarder
nördlich von Heiligenhafen mit Blick auf den Osthafen.
Kamera: Canon 7D MkII mit Objektiv Canon
EF 24-70 mm f/2,8 L USM, Belichtungszeit 2,5 s
bei Blende 4, 70 mm Brennweite und ISO 200.
3 Mondaufgang vor der Burg Hochosterwitz (Kärnten) am Karfreitag, 19.04.2019, gegen 20:18 Uhr von Werner
Probst aufgenommen. Apochromat TV 127is (1:5,2), Canon 5D MkII, belichtet 0,8 s und 1/400 s bei ISO 400.
2 Harald Kaiser nahm den Mond mit
dem nahestehenden Planeten Jupiter
ganz spontan am Abend des 16.06.2019
auf. Schnell war das Fotostativ aufgestellt,
Kamera mit Objektiv Sony FE 70-
200 aufgesetzt, bei 200 mm und Blende
5,6 bei ISO 3200. Hier ein Ausschnitt.
Belichtet wurde 10 x 1/1.000 s auf den
Mond und 1 x 1/50 s auf Jupiter.
4 Auch Reinhard Kaltenböck fotografierte den Ostervollmond 2019 am Karfreitag in Emmerich
am Niederrhein. Teilweise sind die Rheinwiesen mit Sträuchern bepflanzt, um für Vögel
und andere Tiere Lebensräume zu schaffen. Die Signalleuchte im Bild befindet sich an der Einfahrt
zum Sicherheitshafen. Skywatcher AC 80/400, Canon EOS 100D fokal, 1/4 s bei ISO 100.
100 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 101
Mond
Mond
5 Werner E. Celnik und Dieter Sporenberg hielten mit einem Meade
ACF 356 mm / 3.560 mm und einer Kamera QHY5III178c bei f = 6 m
auf die Bodenwellen Dorsa Smirnov um den Krater Le Monnier B
(Very, Bildmitte) im Mare Serenitatis. Oben im Dunkel der Rand des
Großkraters Posidonius, rechts unten der rund 1.100 m hohe Mons
Argaeus. Aufnahme vom 02.08.2018 um 00:03 Uhr UT auf Farm Tivoli
(Namibia), UV/IR-Sperrfilter, Einzelbelichtung 15 ms, Videodauer
180 s mit 2 fr/s.
6 Südbereich des Mondes mit Wallebene Clavius und Krater
Tycho. Aufnahme vom 14.02.2019 in Mülheim/Ruhr. Optik war ein
Celestron C 9,25 SC mit 235 mm Öffnung und 2.350 mm Brennweite.
Als Kamera wurde eine ZWO ASI120MM verwendet. Bildautor Udo
Siepmann bearbeitete den Stack aus 400 Frames mit AutoStakkert,
Registax und Photoshop CS5.
8 Bei mittelmäßiger
Luft und 3 °C brauchte
Jens Leich am Abend
des 15. Februar 2019 in
seiner Sternwarte in Wiehl-
Marienhagen 96 Minuten,
das Mare Humorum mit den
vermerkten Kratern zu zeichnen.
Diese Zeichnung gehört zu den
großflächigsten, die er bisher vom
Mond angefertigt hat. Starfire-130-mm-
Apochromat, Okular DeLite 3mm bei 279-
facher Vergrößerung. Man beachte die vielen
Detailstrukturen in Gassendi.
7 Südsüdostbereich des Mondes (Ausschnitt aus einem Panorama), aufgenommen von Manfred Wolf am 20.06.2018 in Köngetried.
In der Mitte der rechten Bildhälfte der Krater Boussingault - zwei ineinander verschachtelte Krater. Links unterhalb davon Bogulawsky,
weiter links Manzinus mit flachem Kraterboden und vielen Kleinstkratern, darüber Mutus. Videoaufnahme mit Celestron 14 und Kamera
TIS SkyRis 445M, Brennweitenverlängerung 1,7-fach mit Baader Q-Turret, Baader-IR-Passfilter, Verwendungsrate 5%, AutoStakkert 3.
9 Am 16. und 17.02.2019 nahm Ralf Kreuels aus Kempen mit einem Celestron 11 bei 2.800 mm Brennweite und einer Kamera
ASI178MM plus Grünfilter ebenfalls den Krater Gassendi auf (zum Vergleich mit Abb. 8). Im Livebild konnte er blickweise die maximale
Auflösung sehen. Pro Motiv wurden ca. 3.000 Bilder belichtet und daraus ein 28%iger Stack mittels AutoStakkert AS!3 angefertigt.
102 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 103
Sonne
Sonne
Zyklus 25
Warum wir jetzt Magnetogramme brauchen
von Heinz Hilbrecht
Der neue Sonnenfleckenzyklus 25 kündigt sich
nun mit klaren Signalen an. Über Weihnachten
2019 und zum Jahreswechsel 2019/2020 gab es
drei Aktivitätsgebiete mit Sonnenflecken. Alle
standen bei rund 25 bis 30 Grad heliografischer
Breite, also in ziemlich hohen Breiten auf der
Sonne. Doch waren sie wirklich Boten des neuen
Zyklus 25?
Es ist bekannt, dass die Flecken des nächsten Zyklus
zuerst in hohen heliografischen Breiten auftauchen
und die Aktivitätsgebiete dann im Verlauf
des Zyklus zu immer niedrigeren heliografischen
Breiten wandern. Doch das physikalisch wichtige
Merkmal ist die Polarität des Magnetfelds in bipolaren
Gruppen. Mit dem Wechsel zum nächsten
Zyklus tauchen immer mehr Sonnenfleckengruppen
auf, die eine entgegengesetzte Polarität
des Magnetfelds im Vergleich zum ablaufenden
Zyklus aufweisen.
Ein paar Hintergründe
In einer bipolaren Sonnenfleckengruppe gibt es
zwei Zentren, in denen sich die Sonnenflecken
konzentrieren. Die Achse zwischen beiden liegt
– sehr vereinfacht gesprochen – ungefähr parallel
zu den Breitenkreisen auf der Sonne. Die Flecken
„vorne“ in Richtung der Sonnenrotation werden
p-Fleck genannt, vom englischen „preceding“
1 Magnetogramm der Sonne vom 26. Dezember
2019. Zwei Aktivitätsgebiete brachten B-Gruppen
hervor. AR 12753 und AR 12754 zeigen die Polarität
von bipolaren Sonnenfleckengruppen des neuen
Zyklus 25, die auf der Nord- und Südhalbkugel entgegengesetzt
ist. Quelle: SDO/NASA (Courtesy
of NASA/SDO and the AIA, EVE, and HMI science
teams.)
2 Magnetogramm der Sonne vom 3. Januar 2020.
Die Fleckengruppe in AR 12755 zeigt die Polaritätsverteilung
des neuen Zyklus 25 auf der Südhalbkugel:
„schwarz vorn“. Quelle: SDO/NASA (Courtesy
of NASA/SDO and the AIA, EVE, and HMI science
teams.)
(vorausgehend). Die nachfolgende Fleckenkonzentration
heißt f-Fleck, vom englischen
„following“ (nachfolgend). Im ablaufenden
Sonnenfleckenzyklus 24 trugen
die Aktivitätsgebiete mit einem regulären
bipolaren Magnetfeld auf der Südhalbkugel
das Merkmal „weiß vorn – schwarz hinten“.
„Weiß“ und „schwarz“ zeigen in Magnetogrammen
die Richtung des Magnetfelds an.
Schwarz bedeutet, die Feldlinien sind vom
Beobachter weggerichtet. Weiß markiert
sind Flächen im Magnetfeld, in denen die
Feldlinien auf den Beobachter zugerichtet
sind. Die üblichen Bezeichnungen für
Nord- und Südpol eines Magnetfelds vermeiden
wir bewusst, wie unten noch erklärt
wird.
Im Zyklus 24 waren also auf der Südhalbkugel
die Feldlinien im p-Fleck typisch auf
den Beobachter zugerichtet („weiß“) und
im f-Fleck vom irdischen Beobachter weg
(„schwarz“).
Auf der Nordhalbkugel war es bei bipolaren
Gruppen genau umgekehrt: „schwarz vorn
– weiß hinten“. Die Polaritätsverteilung
verhält sich nämlich auf der Nordhalbkugel
umgekehrt wie auf der Südhalbkugel.
Im neuen Zyklus 25 kehrt sich die Polaritätsverteilung
in einer bipolaren Fleckengruppe
um: „schwarz vorn – weiß hinten“
für die Südhalbkugel - „weiß vorn – schwarz
hinten“ für die Nordhalbkugel. Allein das
ist ein sicheres Merkmal, um die Aktivitätsgebiete
des alten und des neuen Zyklus
zu unterscheiden. Die heliografische Breite
liefert den Verdacht, nicht den Beweis.
3 AR 12755 mit einer B-Gruppe am 2. Januar 2020, 12:20 Uhr UT. Den p-Fleck bildete eine
ungewöhnlich große Umbra, in der Lichtbrücken beobachtbar waren. Refraktor 123 mm/
738 mm, Baader-Herschelkeil mit Solar-Continuum-Filter, Kamera: ASI183MM. Belichtungszeit
0,5 ms, als Ausschnitt aufgenommen, Aufnahmezeit 90 s. Verarbeitung mit AutoStakkert
(Drizzle auf 150%), Schärfung mit Registax. Bild: Sven Melchert
Kleine Aktivitätsgebiete und sogar einige
sehr kurzlebige A- und B-Gruppen (nach
der Waldmeier-Klassifikation) mit der Polaritätsverteilung
des kommenden Zyklus
25 gab es immer wieder seit ungefähr drei
Jahren. Das ist normal – die Aktivitätszyklen
überlappen sich. Bisher waren solche
Magnetfeldkonfigurationen klein, kurzlebig
und undeutlich. Das hat sich zum Jahreswechsel
2019/2020 klar geändert.
Zweimal Süd, einmal Nord,
alle Zyklus 25
Am 24. Dezember 2019 erschien das Aktivitätsgebiet
AR 12753 als B-Gruppe bei
einer heliografischen Breite 29 Grad S. Die
relativ hohe Breitenlage weckte den Verdacht
auf eine Zugehörigkeit zum Zyklus
25. Das Magnetogramm in der Abbildung
1 liefert den Beweis: „schwarz vorn – weiß
hinten“.
AR 12754 erschien ebenfalls am 24. Dezember
als B-Gruppe, die sich aber schon
am 26. Dezember zur Waldmeier-Klasse
A entwickelte. Das Gebiet verschwand am
29. Dezember 2019 durch die Sonnenrotation
hinter dem Sonnenrand. Mit einer
heliografischen Breite von 25 Grad N war
AR 12754 ein Kandidat für den neuen Fleckenzyklus
25. Das Magnetfeld entwickelte
sich interessant. Zuerst entstand die Fleckengruppe
ganz ohne erkennbare Polaritätsverteilung
und entwickelte erst am 26.
Dezember ein bipolares Magnetfeld mit
„weiß vorn – schwarz hinten“. Das ist die
neue Polaritätsverteilung des Zyklus 25 für
die Nordhalbkugel.
Die dritte Fleckengruppe in AR 12755 erschien
am 1. Januar 2020 bei einer heliografischen
Breite von 35 Grad S in der Nähe
des Ostrands der Sonne. Sie begann sofort
als B-Gruppe, am 5. Januar 2020 hatte sie
sich zu einer A-Gruppe entwickelt. Das
Magnetfeld war eindeutig: „schwarz vorn
– weiß hinten“, also Zyklus 25 (Abb. 2).
AR 12755 war ungewöhnlich, da eine auffallend
große Umbra den p-Fleck bildete
(Abb. 3).
Und noch eine Lichtbrücke
Der p-Fleck in AR 12755 war groß genug,
um auch mit Amateurteleskopen eine
Lichtbrücke in einer Umbra ohne Penumbra
zu beobachten. Normalerweise sind
isolierte Umbren zu klein, um die – tatsächlich
oft vorhandenen – Lichtbrücken
in ihnen regelmäßig zu beobachten. Eine
„Alarm-Meldung“ im SONNE-Forum auf
dem Internet-Forum der VdS lenkte das Interesse
auf das Phänomen. Tatsächlich hatte
Sven Melchert diese Lichtbrücke bereits fotografiert,
visuelle Beobachtungen lieferten
weitere Bestätigung (Abb. 3).
104 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 105
Sonne
Sonne
Sonnenfleckenminimum erreicht?
4 Für ein Magnetogramm wird physikalisch gemessen,
ob die Magnetfeldlinien eines aktiven Gebiets auf
den Beobachter zugerichtet sind oder vom Beobachter
weg. Steht das Magnetfeld in Randnähe, liefern die
Messungen deshalb eine „falsche“ Polaritätsverteilung.
Die Polarität im f-Fleck am Ostrand der Sonne und im
p-Fleck am Westrand wird auf einer zu großen Fläche
dargestellt. Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/
wiki/Sonnenfleck#/media/Datei:Sunspot_diagram.svg,
05.01.2020) / Heinz Hilbrecht
Provisorische Sonnenflecken-Relativzahlen
des SONNE-Netzes der Fachgruppe Sonne
(Monatsmittel, ungeglättet und geglättet)
von Januar 2018 bis Januar 2020. Die
im Beitrag von Heinz Hilbrecht genannten
Fleckengruppen hatten einen großen Anteil
daran, dass die Relativzahlen um den Jahreswechsel
2019/2020 wieder leicht anstiegen.
Ob damit das Ende des aktuellen Minimums
begonnen hat, kann noch nicht mit Gewissheit
gesagt werden.
Andreas Bulling
Die Lichtbrücke entstand zunächst als einfache
Lichtbrücke, die die Umbra teilte.
Entlang der Lichtbrücke gab es Helligkeitsveränderungen
in Zeitskalen von Minuten
bis wenigen Stunden. Bis zum 4. Januar
5 Das Magnetogramm der Sonne am 12. Juli 2014. Im Westen (rechts) stehen mehrere Fleckengruppen,
für die das Magnetogramm aufgrund des Randeffekts nicht die wirkliche Polaritätsverteilung
anzeigt. Scharfe Grenzen zwischen den Polaritäten, ungefähr parallel zum
Sonnenrand kennzeichnen solche Artefakte eindeutig. Beispiele sind durch Pfeile markiert.
Auf der Nord- und Südhalbkugel sind die Polaritäten der p- und f-Flecken entgegengesetzt.
Quelle: SDO/NASA (Courtesy of NASA/SDO and the AIA, EVE, and HMI science teams.)
hatten mehrere Lichtbrücken ungefähr
senkrecht zueinanderstehend die Umbra in
fünf Umbren zerlegt. Die Breite der Lichtbrücken
betrug dabei nur eine bis zwei Bogensekunden.
Hartes Brot für die Beobachter,
aber mit viel Geduld für den richtigen
Moment geringer Luftunruhe von Erfolg
gekrönt.
Vorsicht Falle!
Bei der Interpretation von Magnetogrammen
lauert eine Falle, denn in den Messungen
stecken Randeffekte. Deshalb entsteht
der verbreitete Fehler, „schwarz“ oder
„weiß“ mit der tatsächlichen Polaritätsverteilung
in einer Fleckengruppe gleichzusetzen.
Die Richtungsangabe für die Magnetfeldlinien
mit den Farben im Magnetogramm
ist physikalisch korrekt und gibt
allein die Messung wieder.
Allerdings bedeutet das nicht zwingend
magnetisch Nord oder Süd, denn auf der
gekrümmten Sonnenoberfläche entstehen
Artefakte, die eine einfache Interpretation
nur in der Nähe der Scheibenmitte
zulassen. Die Abbildung 4 zeigt, wie diese
Artefakte entstehen. Ein klarer Hinweis
auf solche Artefakte sind scharfe und sonnenrandparallele
Grenzen zwischen den
beiden Polaritäten. Die Abbildung 5 zeigt
verschiedene Beispiele.
Allerdings zeigen sich scharfe Grenzen als
Warnhinweis erst einigermaßen nahe am
Sonnenrand. Tatsächlich wird aber auch
weiter entfernt vom Sonnenrand die Fläche
der randnäheren Polarität im bipolaren
Fleck zu groß dargestellt. Deshalb macht es
zum Beispiel wenig Sinn, Flächenmessungen
an Magnetogrammen durchzuführen.
Streifende Sternbedeckungen
durch den Mond im 3. Quartal 2020
von Eberhard Riedel
Die Monate August und September sowie die erste
Hälfte des Oktobers bieten gleich sieben sehenswerte
und einfach zu beobachtende streifende
Bedeckungen von Sternen durch den Mond. Die
Landkarte zeigt die Grenzlinien dieser Ereignisse
quer über Deutschland, die der mittlere Mondrand
während des Vorbeizuges am Stern beschreibt. Von
jedem Punkt in der Nähe dieser Linien ist zum
richtigen Zeitpunkt das oft mehrfache Verschwinden
und Wiederauftauchen des Sterns bereits in
einem kleinen bis mittleren Fernrohr zu verfolgen.
Alle sieben Streifungen finden am unbeleuchteten
nördlichen Mondrand in ausreichendem Abstand
zum hellen Mondterminator statt. Der Mond ist
jeweils abnehmend, so dass alle Ereignisse in die
2. Nachthälfte fallen.
Grundlage der hier veröffentlichten Profildaten sind
Laser-Messungen des amerikanischen Lunar Reconaissance
Orbiters, die in ein dichtes Netz von librationsabhängigen
Profilwerten umgerechnet wurden.
Um streifende Sternbedeckungen erfolgreich beobachten
zu können, werden eine ganze Reihe
präziser Informationen benötigt. Die europäische
Sektion der International Occultation Timing Association
(IOTA/ES) stellt diese Daten zur Verfügung.
Kernstück ist die Software ‚GRAZPREP‘ des
Autors, die sowohl eine komplette und stets aktualisierte
Auflistung aller interessanten Ereignisse
Sternbedeckungen
106 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 107
Sternbedeckungen
Sternbedeckungen
als auch für jedes Ereignis die genauen Koordinaten
der Grenzlinien und viele weitere
Informationen liefert. Darüber hinaus
kann von jedem Standort aus das Profil des
Mondes und die zu erwartende Sternbahn
grafisch in verschiedensten Vergrößerungen
dargestellt werden, um so den besten
Beobachtungsstandort auswählen zu können.
Letzterer muss auch unter Berücksichtigung
der Höhe optimiert werden,
Ereignis 1: 08.08.2020
Am frühen Morgen des 8. August zieht ab
03:11 Uhr MESZ der zu 82% beleuchtete
abnehmende Mond mit seinem Nordrand
am 6,9 mag hellen Stern SAO 128787 vorbei.
Die Streifung ist im südöstlichen Bayern
auf einer Linie von Garmisch-Partenkirchen
über Penzberg und Landshut bis
Viechtach zu sehen.
Die Abbildung 1a zeigt für die Länge 12°
Ost, dass die scheinbare Sternbahn (blauweiß
gestrichelte Linie mit Minutenangaben)
den mittleren Mondrand (weiß gepunktet),
für den die geografische Breite
der Streifung berechnet ist, um 03:15:10
Uhr gerade berührt. Zu sehen ist aber
auch, dass es an dieser Beobachtungsposition
wegen des abgesenkten Mondterrains
zu keiner Sternbedeckung kommen wird.
Die roten Begrenzungslinien geben vor,
wie sich, bedingt durch die Mondparallaxe,
die scheinbare Sternbahn verschiebt,
wenn man die vorausberechnete Position
um 3.000 m nach Norden bzw. Süden verlässt
(jeweils senkrecht zur Richtung der
Streifungslinie).
In dieser Grafik ist das Mondrandprofil in
12-facher Überhöhung dargestellt, weshalb
auch die Krümmung der scheinbaren
Sternbahn grafisch erforderlich ist. Auf
diese Weise kann besser beurteilt werden,
wann und wie viele Bedeckungsereignisse
im Einzelnen zu erwarten sind. Beobachter
an verschiedenen Stationen erleben somit
sehr unterschiedliche Kontaktzeiten.
weil diese einen Einfluss auf den Blickwinkel
zum Mond hat. Hierzu können höhenkorrigierte
Grenzlinien automatisch in
eine Google-Earth-Karte übertragen werden,
mit der es dann einfach ist, die besten
Beobachtungsstationen festzulegen.
Einen weiteren Einfluss auf die zu beobachtenden
Kontakte hat auch die Höhe des
Beobachtungsortes, für die die aufzusuchende
Beobachtungsposition korrigiert
werden muss. (zur Software s. o.)
Die Abbildung 1b zeigt die voraussichtliche
Situation bei einer Abweichung von
Die Software kann kostenlos unter www.
grazprep.com heruntergeladen und installiert
werden (Password: IOTA/ES). Zusätzlich
benötigte Vorhersagedateien sind dort
ebenfalls herunterzuladen oder sind direkt
vom Autor (e_riedel@msn.com) oder über
die IOTA/ES (www.iota-es.de) zu beziehen.
Weiterführende Informationen, z. B. über
die Meldung der Bedeckungszeiten, sind
dort ebenfalls erhältlich. Die VdS-Fachgruppe
Sternbedeckungen informiert ferner über
Beobachtungs- und Aufzeichnungstechniken
dieser eindrucksvollen Ereignisse.
1a Die scheinbare Sternbahn von SAO 128787 (blauweiß gestrichelte Linie) bei
Beobachtung genau von der vorhergesagten Grenzlinie, mit 12-facher Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 3 km
1b Die scheinbare Sternbahn von SAO 128787 mit 12-facher Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 3 km
ca. 1.650 m südöstlich der mittleren Streifungslinie.
Berücksichtigt ist hierbei ebenfalls
die Höhe des Terrains vom 540 m an
dieser Stelle. Dort kommt es zwischen
03:13:56 und 03:15:42 Uhr MESZ zum
Ereignis 2: 17.08.2020
Am frühen Morgen des 17. August kommt es wegen
der nur noch zu 5% beleuchteten Mondsichel 2 Tage
vor Neumond zu einer besonders reizvollen Sternbedeckung:
Der Mond bedeckt den 6,0 mag hellen Stern 9
Cancri. Die Streifungslinie zieht sich über Lindau, Bad
Wörishofen und Straubing bis Bodenmais.
Der Mondrandausschnitt in der Abbildung 2 verdeutlicht
die Situation bei der geografischen Länge von 10°
Ost und einer Höhe von 760 m. Da erneut auf der für
das mittlere Mondniveau vorausberechneten Zentrallinie
keine Kontakte zu sehen sein werden, wurde
diese Grafik für eine Position 910 m weiter südöstlich
gerechnet. Bei dieser Position können zwischen 04:59
und 04:59:50 Uhr MESZ 12 und mehr Kontakte erwartet
werden. Das Mondrandprofil ist erneut in 12-facher
Überhöhung dargestellt. Die roten Begrenzungslinien
deuten den Versatz der scheinbaren Sternbahn in
einem Abstand von ± 1.000 m von der dargestellten
Streifungslinie an.
Ereignis 3: 09.09.2020
Erneut für Frühaufsteher auf einer Linie von Trier über
Koblenz, Bad Arolsen, Beverungen, Braunschweig und
Plau am See bis Greifswald bietet der Morgen des 9.
September eine sehenswerte Streifung des 5,9 mag hellen
Sterns SAO 93721. Der Mond ist zwar zu 62% beleuchtet,
aber der Abstand zum hellen Terminator ausreichend
groß, so dass auch eine kleinere Optik reicht.
Die Abbildung 3 zeigt die scheinbare Sternbahn, wie
sie auf 10° östlicher Länge bei einer Breite, die um etwa
1.650 m von der für das mittlere Mondniveau vorausberechneten
Linie nach Südosten verlagert ist. Von dieser
ca. 140 m hohen Beobachtungsposition aus verschwindet
der Stern hinter mehreren kleinen Mondhügeln
innerhalb von 2 Minuten mindestens siebenmal nacheinander.
Die roten Begrenzungslinien deuten den Versatz
der scheinbaren Sternbahn in einem Abstand von
± 2.000 m von der dargestellten Streifungslinie an. Das
Profil ist erneut 12-fach überhöht abgebildet.
viermaligen Verschwinden und Wiederauftauchen
des Sterns. Da SAO 128787 nicht als Doppelstern
bekannt ist, dürfte das Verschwinden und Wiedererscheinen
des Sterns am Mondrand jeweils schlagartig
erfolgen. Nicht selten wurden jedoch bei Sternbedeckungen
durch den Mond neue Doppelsterne entdeckt.
Zu beobachten wäre dann ein langsameres oder
nur teilweises Verschwinden und Wiederauftauchen
des Sternlichtes.
2 Die scheinbare Sternbahn von 9 Cancri, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 1 km
9 Cancri ist ein enger Doppelstern mit einem 10,0 mag
hellen Begleiter. Visuell werden die Kontakte mit dem
Mondrand aber schlagartig erfolgen. Erst eine Videoaufzeichnung
dürfte das nacheinander erfolgende Verschwinden
und Wiederauftauchen des Sterns auflösen.
3 Die scheinbare Sternbahn von SAO 93721, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 2 km
SAO 93721 ist ein sehr enger Doppelstern mit gleich
hellen Komponenten, die sich visuell nicht auflösen
lassen.
108 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 109
Sternbedeckungen
Sternbedeckungen
Ereignis 4: 14.09.2020
Am frühen Morgen des 14. September ist
der Mond nur noch zu 14% beleuchtet und
bedeckt auf einer Linie von Karlshausen
über Daun, Koblenz, Bad Hersfeld und
Halle (Saale) bis nach Lübbenau/Spreewald
den 4,7 mag hellen Stern γ Cancri. Im Osten
des Landes ist die Beobachtung jedoch
durch die bereits große Himmelshelligkeit
erschwert.
Ereignis 5: 08./09.10.2020
Ebenso zahlreiche Bedeckungskontakte
verspricht die Streifung vom 6,1 mag hellen
Stern 8 Geminorum in der Nacht vom
8. auf den 9. Oktober. Der Mond ist zu 60%
beleuchtet, aber auch wegen des großen
Winkelabstandes zum Terminator wird
die Beobachtung durch die hellen Mondstrukturen
in keiner Weise beeinträchtigt.
Die Linie verläuft von Bad Bentheim über
Cloppenburg, Bremervörde und Neumünster
bis Panker.
Die Abbildung 5 ist für eine Länge von 10°
Ost und eine Höhe von 40 m gerechnet und
lässt erkennen, dass es sich lohnt, in diesem
Fall sogar über 3.100 m nach Südosten auszuweichen.
Die roten Begrenzungslinien
stehen im Abstand von ± 3.000 Metern.
Die Profilhöhen sind 12-fach gedehnt dargestellt.
Zweieinhalb Minuten lang kann an
dieser Position ab 00:32 Uhr MESZ neunmal
oder öfter das Verschwinden und Wiederauftauchen
des Sterns zu sehen sein.
4 Die scheinbare Sternbahn von γ Cancri, 6-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 2 km
Auf der vorausberechneten Linie wird es
erneut nicht zu Kontakten kommen. Notwendig
ist daher ein Ausweichen um mindestens
1.200 Meter nach Südosten. Die
Abbildung 4 zeigt die Streifungssituation
1.766 Meter entfernt von der vorausberechneten
Breite Richtung Südosten, bei einer
Länge von 10° Ost, wo es ab 06:02:24 Uhr
MESZ innerhalb von knapp 2 Minuten zu
18 Kontakten und mehr kommen kann.
Die roten Begrenzungslinien zeigen hier
den Versatz der scheinbaren Sternbahn in
einem Abstand von ± 2.000 m von der mittleren
Streifungslinie an. Das Mondrandprofil
ist 6-fach überhöht dargestellt.
γ Cancri ist ein sehr enger Doppelstern mit
gleich hellen Komponenten, die sich visuell
nicht auflösen lassen.
5 Die scheinbare Sternbahn von 8 Geminorum, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 3 km
Auch 8 Geminorum ist ein sehr enger Doppelstern
mit gleich hellen Komponenten,
die sich visuell nicht auflösen lassen.
Ereignis 6: 09./10.10.2020
Gleich in der Folgenacht vom 9. auf den 10.
Oktober ist die Streifung des 5,9 mag hellen
Sterns 48 Geminorum auf einer Linie von
Radolfzell am Bodensee über Bad Saulgau,
Laupheim und Donauwörth bis Schwarzenfeld
zu verfolgen. Der Mond ist genau
im letzten Viertel.
Auch in diesem Fall muss von der berechneten
Linie nach Südosten ausgewichen
werden, um Sternbedeckungen sehen zu
können. Die Abbildung 6 gibt ein Beispiel
mit 12-facher Profildehnung für eine Abweichung
um 1.250 m in einer Höhe von
500 m. Hier wären ab 00:40:58 Uhr MESZ
eine Minute lang mindestens 10 Kontakte
zu erwarten.
48 Geminorum ist nicht als Doppelstern bekannt.
Ereignis 7: 15.10.2020
Beobachter auf einer Linie von Offenburg
über Ulm, Augsburg und Freising nach Bad
Füssing kommen am Morgen des 15. Oktober
in den Genuss einer Streifung bei nur
4% beleuchtetem Mond. Nur im Osten Bayerns
stört die Morgendämmerung.
Bedeckt wird der 7,5 mag helle Stern SAO
119227. Wenn man sich entsprechend der
Abbildung 7 ca. 1.850 m südlich der vorausberechneten
Linie aufstellt, können ab
06:46 Uhr über 2 Minuten lang 16 Kontakte
und mehr verfolgt werden.
SAO 119227 ist ein sehr enger Doppelstern,
dessen zweite Komponente mit 12,8 mag
bei der Bedeckung visuell nicht wahrnehmbar
ist.
6 Die scheinbare Sternbahn von 48 Geminorum, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 1 km
7 Die scheinbare Sternbahn von SAO 119227, 12-fache Mondhöhendehnung,
rote Begrenzungslinien bei ± 2 km
110 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 111
Veränderliche
Veränderliche
Entdeckung des Kataklysmischen
Veränderlichen 000-BNG-512
von Erwin Schwab und Paul Breitenstein
Im Rahmen des Space Situational Awareness
Program der Europäischen Weltraumorganisation
(ESA) hat Erwin Schwab die
Möglichkeit, am ehemaligen Hamburger
0,8-m-Schmidt-Teleskop, das sich seit 1979
in Spanien auf dem Calar Alto befindet,
ferngesteuert zu beobachten [1, 2]. In der
Nacht vom 26. auf den 27.07.2019 sollte
damit der Komet P/2012 K3 (Gibbs) im
Sternbild Schütze wiederentdeckt werden.
Leider konnte der Komet nicht gefunden
werden, stattdessen „verschwand“ ein Fixstern
ganz plötzlich vom Firmament! Welches
Ereignis könnte dafür verantwortlich
sein? Vielleicht war es eine Sternbedeckung
durch einen Kleinplaneten? Handelt es sich
um einen veränderlichen Stern? Oder wurde
das Objekt sogar von einem Schwarzen
Loch verschluckt?
2 Phasendiagramm der Bedeckungsperiode. Die Abkürzungen in der Legende sind eine Kombination aus den letzten drei Tagen des
Julianischen Datums und das Kürzel des verwendeten Teleskops.
1 In der Entdeckungsnacht „verschwindet“ ein Stern von einer Aufnahme
zur nächsten. Teleskop: 0,8-m-Schmidt, Calar Alto, Spanien. Bildausschnitt: 1’ x 1’.
Belichtungszeit: 60 s. Aufnahmezeitpunkte: 2019-07-27, 00:25 UT und 00:27 UT.
Bild: Erwin Schwab
Die Fotos haben eine Belichtungszeit von
jeweils einer Minute. Betrachtet man sie genauer,
dann stellt man fest, dass von einer
Aufnahme zur nächsten ein schneller Helligkeitsabfall
um ca. 2 Magnituden stattfindet
(Abb. 1). Außerdem blieb der Stern in
der Entdeckungsnacht „unsichtbar“ für die
restlichen 20 Minuten der Beobachtungszeit.
Einen bekannten Kleinplaneten gibt
es an dieser Stelle nicht. Vielleicht wurde
die Bedeckung durch einen unbekannten
Kleinplaneten verursacht? Jedoch ergab
eine grobe Abschätzung, dass man eine
Sternbedeckung durch einen Kleinplaneten
ausschließen kann. Denn die mindestens
20 Minuten andauernde Bedeckung
bedeutet bei einem Transneptunischen
Objekt, dass dieses ungefähr die Größe der
Erde hätte haben müssen – sicher eine Sensation,
aber eine unwahrscheinliche. In der
nächsten Nacht war die Wetterlage in Spanien
gut und siehe da, der Stern war wieder
in voller Pracht sichtbar – also nicht von
einem Schwarzen Loch verschluckt.
Im Variable Star Index (VSX) [3] der American
Association of Variable Star Observers
(AAVSO) war kein bekannter Veränderlicher
registriert. Bei den betreffenden
Koordinaten (Rektasz. 18 h 32 m 21,56 s , Dekl.
-16° 27’ 04,2’’) befindet sich ein Stern, der
von Gaia vermessen wurde und die Katalognummer
4102856333775127296 bekam.
Laut Gaia hat er eine Entfernung von
4.200 Lichtjahren. Ist dieser Stern nun ein
unbekannter Veränderlicher? Wenn ja, ändert
sich die Helligkeit periodisch und mit
welcher Periode? Um welchen Veränderlichentyp
handelt es sich?
Zur Klärung dieser Fragen waren weitere
Beobachtungen nötig. In der dritten Nacht
konnte dann endlich wieder eine Verfinsterung
beobachtet werden! Diese Bedeckung
fand rund eine Stunde früher statt als drei
3 Schematische Lichtkurve mit einem sichtbaren Höcker (hump) vor dem
Bedeckungsminimum. Dieser Helligkeitsanstieg wird durch einen heißen Fleck
auf der Akketionsscheibe verursacht. Bild: Erwin Schwab
Nächte zuvor. Es konnte somit eine maximal
mögliche Periode bestimmt werden
von ca. 2,96 Tagen. Möglich wären aber
auch ganzzahlige Teiler dieser Maximal-
Periode, z. B. 1,48 Tage, 0,74 Tage, 0,37
Tage, usw. Um nun diese Bedeckungsperioden
nachzuweisen oder auszuschließen,
hatte man von Spanien aus ein Problem:
Zum Zeitpunkt der Bedeckung, verursacht
durch eine 1,48-Tage-Periode, war in
Spanien heller Tag. Der Zeitpunkt der Bedeckung
verschiebt sich zwar alle drei Tage
um eine Stunde, wäre somit nach rund
einem Monat am spanischen Nachthimmel
beobachtbar. So lange wollte der Entdecker
aber nicht warten. Hier kam Unterstützung
von Paul Breitenstein, der im Rahmen von
Schulprojekten Zugang zu Teleskopen in
Australien, USA und Südafrika hat. Er hat
die Möglichkeit der Nutzung des Las Cumbres
Observatory (LCO) und des 1,2-m-
MONET-Teleskops in Sutherland, welches
durch das Institut für Astrophysik / IAG
der Georg-August-Universität Göttingen
betrieben wird. Somit war die Möglichkeit
der 24-Stunden-Abdeckung gegeben.
Durch diese Zusammenarbeit konnte der
Veränderliche vom 26.7.2019 bis zum
19.10.2019 insgesamt 46,8 Stunden beobachtet
werden. Eine detaillierte Auflistung
der Beobachtungszeitspannen ist im BAV-
Rundbrief zu finden [4]. Die verwendeten
Teleskope sind in der Tabelle 1 aufgeführt.
Bestimmung der Perioden
Nach einer Weile kristallisierte sich heraus,
dass die richtige Periode 1/8 der zunächst
vermuteten 2,96 Tage war, nämlich 0,3695
Tage (8,868 h). Die Dauer der 8 beobachteten
Bedeckungen betrug zwischen 30 und
36 Minuten. In unserem Phasendiagramm
(Abb. 2) ist neben der Bedeckung auch eine
sinusähnliche Veränderung mit kürzerer
Periode auffällig. Die ermittelte Kurzzeitperiode
beträgt 0,045445 Tage (1,1 h) und
hat eine Amplitude von über 0,5 Magnituden
mit einer sichtbaren Feinstruktur, deren
mögliche Ursachen im BAV-Rundbrief
[4] näher erläutert werden.
Des Weiteren gibt es Beobachtungen, in denen
das Objekt über einen längeren Zeitraum
lichtschwächer als 19,5 Magnituden blieb.
Diese drei aufeinander folgenden Nächte
(699_CAS, 700_CAS, 701.1_FTS, 701.8_
FTS, 701.9_FTS ) sind im Phasendiagramm
mit horizontalen Strichen symbolisiert. Die
Vermutung liegt nahe, dass im Zeitraum
vom 3.8. bis 5.8.2019, höchstwahrscheinlich
auch darüber hinaus in dem Zeitraum ohne
Beobachtungen, der Veränderliche durch
einen außergewöhnlichen Vorgang verdunkelt
wurde. Als Ursache hierfür könnte eine
Abschattung durch eine Staubscheibe oder
Dunkelwolken stattgefunden haben.
Klassifizierung
Auf Grundlage der hier gezeigten Beob-
112 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 113
Veränderliche
Veränderliche
achtungen ist eine Klassifizierung als kataklysmischer
Veränderlicher (CV) am
plausibelsten. Die lange Periode ist die Umlaufzeit
des Doppelsternsystems. Während
eines Umlaufs wird die hellere Komponente
(Weißer Zwergstern) von der größeren,
aber lichtschwächeren Komponente (Spenderstern
oder Donator) bedeckt.
Der Spenderstern überschreitet die Größe
der Roche-Grenze, weshalb Materie auf die
Oberfläche des Weißen Zwerges gelangt
und am Aufschlagort eine hohe Energieemission
verursacht. Dieser starken lokalen
Energieemissionsquelle ist es zu verdanken,
dass letztendlich die Rotation des Weißen
Zwergsterns durch eine sinusähnliche
Periode in der Lichtkurve sichtbar wird.
Die Tatsache, dass die Rotationsperiode
eine andere ist als die Bedeckungsperiode,
führt uns zu den kataklysmischen Veränderlichen
des Typs DQ Herculis, die auch
als intermediäre Polare (IPs) bezeichnet
werden. Bei den polaren kataklysmischen
Veränderlichen des Typs AM Herculis hingegen
ist die Rotationsperiode des Weißen
Zwerges aufgrund eines sehr starken Magnetfeldes
synchron zur Orbitalperiode. Des
Weiteren deutet die beobachtete Langzeitabdunkelung
auf das Vorhandensein einer
Staubscheibe hin, die sich innerhalb oder
außerhalb des Doppelsternsystems befinden
könnte.
Die Amplitude der Rotationsperiode ist
außergewöhnlich hoch und deutet auf
einen hohen Materiestrom zur Oberfläche
des Weißen Zwerges hin. Ein Hinweis
auf einen Höcker (im Englischen „hump“)
in der Lichtkurve ist nicht zu erkennen.
Der Höcker ist typisch für viele DQ-Herculis-Veränderliche,
siehe schematische
Beispiellichtkurve in Abbildung 3. Dies ist
ein sanftes Ansteigen der Helligkeit, wenn
der heiße Fleck (Hot Spot), der durch das
Aufprallen der Materie auf die Akkretionsscheibe
verursacht wird, sich auf der dem
Beobachter zugewandten Seite der Akkretionsscheibe
befindet. Dieses Phänomen
4 Mögliche Varianten von
kataklysmischen Veränderlichen.
Bild: Erwin Schwab
konnten wir nicht identifizieren. Deshalb
gehen wir davon aus, dass es hier keine
dichte, zusammenhängende Akketionsscheibe,
zumindest keinen Hot Spot auf
einer eventuell vorhandenen Akkretionsscheibe
gibt.
Gemäß Norton (1993) [5] gibt es mindestens
vier unterschiedliche Varianten von
kataklysmischen Veränderlichen, siehe Abbildung
4:
– Nicht magnetische kataklysmische Veränderliche,
ohne Materiestrom zum Weißen
Zwergstern (a),
– Materiestromgespeiste (stream-fed) magnetische
kataklysmische Veränderliche,
bei denen die Entstehung einer Akkretionsscheibe
durch ein zu hohes Magnetfeld
verhindert wird (b),
– Akkretionsscheibengespeiste (disc-fed),
bei denen die Akkretionsscheibe an der
Magnetosphärengrenze unterbrochen ist
und der Materiestrom von der inneren
Scheibengrenze über die Magnetfelder
auf den Weißen Zwergstern gelangt (c),
– Magnetische kataklysmische Veränderliche,
die ebenso wie (c) eine zum Weißen
Zwergstern hin unterbrochene Akkretionsscheibe
haben, aber der Materiestrom
zum Teil über die Oberfläche der Scheibe
gleitet und direkt zum Weißen Zwergstern
fließt (d).
Bei unserem Objekt ist das letzte Szenario
am wahrscheinlichsten. Somit könnte
es sich um einen materiestromgespeisten
kataklysmischen Veränderlichen des Typs
DQ Herculis mit zumindest manchmal
vorhandener Staubscheibe handeln.
Anerkennung der Entdeckung
Am 05.09.2019 wurde die Entdeckung
schließlich anerkannt, der Veränderliche
bekam den AAVSO Unique Identifier (AU-
ID) 000-BNG-512. Während der Überprüfung
durch den Moderator des Variable
Star Index (VSX) wurde festgestellt, dass
die Veränderlichkeit des Sterns auch bereits
durch den PanStarrs1-3π-survey mittels
der „Machine-learned Identification“ detektiert
wurde. Die Daten des PanStarrs1-
3π-survey haben jedoch aufgrund der
automatischen Identifikation ein Risiko
der fehlerhaften Klassifizierung und/oder
Periodenbestimmung. Das ist vermutlich
der Grund, weshalb diese Durchmusterung
nicht in die Datenbank des VSX pauschal
übertragen wurde.
In der Veröffentlichung des PanStarrs1-
3π-survey von Sesar et al. (2017) [6] ist der
Stern als RR-Lyrae-Typ mit einer Periode
von 0,512 Tagen angegeben [7], was sich
nicht mit unseren Ergebnissen vereinbaren
lässt. Obwohl die Profis schneller waren
mit ihrer Veröffentlichung, haben die hier
gezeigten umfangreicheren und exakteren
Ergebnisse letztendlich dazu geführt, dass
in der Datenbank des VSX die Berufsastronomen
lediglich zweitrangig als Entdecker
eingetragen wurden [8].
Entdeckt wurde ein sehr interessanter Veränderlicher,
der zudem zu einer seltenen
Klasse gehört, denn bisher sind erst rund
100 davon bekannt. In Zukunft darf man
gespannt sein, welche Rätsel mittels spektroskopischen
Analysen im sichtbaren oder
im Röntgenbereich noch gelöst werden
können.
Literatur- und Internethinweise:
[1] E. Schwab, 2018: „NEOs und Kometen
mit dem Hamburger-Schmidt-
Teleskop auf dem Calar Alto“, VdS-
Journal für Astronomie 67, S. 76
[2] E. Schwab, 2019: „Zerreißprobe des
NEOs 2018 AM12 beobachtet mit
dem Calar-Alto-Schmidt“, VdS-Journal
für Astronomie 68, S. 83
[3] AAVSO, Variable Star Index:
www.aavso.org/vsx/index.
php?view=search.top
[4] E. Schwab, P. Breitenstein, 2019:
„Entdeckung des Veränderlichen
Sterns 000-BNG-512, dessen Klassifizierung
als DQ-Herculis-Typ sowie
die Bestimmung der Perioden“, BAV
Rundbrief 4 (2019), S. 187
[5] A. J. Norton, 1993: “Simulation of
X-ray light curves of intermediate polars”,
Monthly Not. Roy. Astron. Soc.
265, p. 316. 1993MNRAS.265..316N
[6] B. Sesar et al., 2017: “Machine-learned
Identification of RR Lyrae Stars from
Sparse, Multi-band Data: The PS1
Sample”. Astrophys. J. 153, p. 5
[7] ViezieR, RR Lyrae Stars: http://
vizier.u-strasbg.fr/viz-bin/VizieR-5?-
ref=VIZ5d75f8484d29&-out.add=.
&-source=J/AJ/153/204/
table5&recno=104932
[8] AAVSO, Variable Star Index: „USNO-
B1.0 0735-0599207”, www.aavso.
org/vsx/index.php?view=detail.
top&oid=844744
Impression
IC 1848
in der Cassiopeia
Dieser bekannte Emissionsnebel
Tabelle 1
ist hier in Falschfarben gemäß der
Hubble-Palette dargestellt. Die
Auflistung der verwendeten Teleskope
Zerstörung der Molekülwolkenränder
wird sehr schön sichtbar. Andreas
Kürzel Teleskop Standort Land Beobachter
CAS 0,8m-Schmidt Calar Alto Spanien Erwin Schwab
Rörig gelang das Bild remote in
DeepSkyWest, New Mexico. Daten:
Astro-Physics RH-305 mit einer
FTS 2,0m-RC Faulkes-Süd (Sinding Spring) Australien Paul Breitenstein
MDO 1,0m-RC McDonald (Mt. Locke) USA Paul Breitenstein
MTS 1,2m-RC Monet-Süd (Sutherland) Südafrika Paul Breitenstein & Tim-Oliver Husser
SBIG STX-16803 und Astrodon-
Filtern, [SII]: 40 x 900 s, Hα: 25 ×
900 s, [OIII]: 19 × 900 s, also 21 h
Gesamtbelichtungszeit.
SAO 1,0m-RC Sutherland Südafrika Paul Breitenstein
114 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 115
Veränderliche
Veränderliche
Beobachtung von Exoplaneten-Transits
mit Amateurmitteln
von Jürgen Dirscherl
Auch 25 Jahre nach der ersten Entdeckung
eines Planeten, der um eine fremde Sonne
kreist, hat das Thema Exoplaneten nichts
von seiner Faszination eingebüßt. Ebenfalls
im VdS-Journal für Astronomie wurde bereits
mehrfach dazu berichtet. Von den verschiedenen
Nachweismethoden für Exoplaneten
hat sich die Transitmethode als die
einfachste für Amateure herausgestellt. Der
Lichteinbruch beim Vorbeiziehen eines
Planeten vor seinem Stern lässt sich auch
bei widrigen Bedingungen (s. u.) recht präzise
messen. Obwohl nur bei einem kleinen
Teil der Exoplaneten die Umlaufbahn hinreichend
genau in der Sichtlinie für einen
Transit verläuft, sind inzwischen hunderte
bekannt, mit zum Teil erstaunlich hohem
Lichteinbruch bis zu 0,04 mag (= 3,8%).
Zum Vergleich: Die Erde würde nur einen
Lichteinbruch um 0,008% verursachen, Jupiter
um 1%.
Die Exoplanet Transit Database (ETD) [1]
listet bestätigte Transits auf und erlaubt
die Vorhersage beobachtbarer Ereignisse.
Am leichtesten zu beobachten sind „Hot
Jupiters“, also Gasriesen, die auf sehr engen
Bahnen um ihre Muttersterne kreisen (mit
entsprechend hohen Oberflächentemperaturen
oft >1.000 °C), mit Umlaufzeiten von
teilweise nur einigen Tagen und Transitzeiten
von wenigen Stunden. Als Einsteiger
in dieses Thema (und ohne jede Erfahrung
auch mit der Beobachtung von Veränderlichen)
suchte ich in der Datenbank nach
Transits mit mind. 0,02 mag Lichteinbruch.
Nach mehreren am Wetter gescheiterten
Versuchen gelang die Beobachtung des
Transits von HAT-P-32b um seinen Mutterstern
am 29.12.2019.
Als Teleskop kam ein fotografisch optimierter
Newton-Reflektor mit Öffnung
250 mm und Brennweite 1.000 mm zum
Einsatz. Dank Carbon-Tubus und konischem
Quarz-Hauptspiegel (Strehl 0,99 für
1 Newton-Reflektor
250 mm/1.000 mm auf
Knicksäule (Johann-
Kern-Sternwarte Wertheim,
rechts 6-Zoll-
Refraktor)
Haupt- und Fangspiegel) ist der Fokus auch
über mehrere Stunden Beobachtungszeit
stabil. Der Tubus lässt sich auf eine ALT-
5-Montierung auf einer Knicksäule (Abb. 1)
der Johann-Kern-Sternwarte Wertheim [2]
montieren, wodurch problemlos mehrstündige
Belichtungen möglich sind. Zur Nachführung
dient ein kleiner Refraktor (Öffnung
80 mm mit Brennweite 400 mm) mit Kamera
ZWO ASI 178 und Nachführungssoftware
PHD 2. Die eigentlichen Aufnahmen wurden
mit einer gekühlten monochromen
CMOS-Kamera ZWO ASI1600MMC bei
-20 °C Chiptemperatur und Komakorrektor
durchgeführt. Als Filter wurde lediglich
ein IR/UV-Blockfilter verwendet.
Die Datenaufnahme erfolgte mit Firecapture.
Der Mutterstern HAT-P-32 im Sternbild
Andromeda hat eine (visuelle) Helligkeit
von 11,3 mag. Dies klingt nach wenig, doch
darf der Stern keinesfalls überbelichtet werden.
Die Kamera ASI1600 zeigt bereits ab
75% des Vollsignals erste Sättigungseffekte.
Um diese sicher auszuschließen, wurde
das Signal des Muttersterns auf ca. 50%
eingestellt. Dazu musste die Belichtungszeit
selbst bei Verstärkung Null auf nur
noch 20 s reduziert werden. Der Transit am
29.12.2019 war von ETD für die Zeit von
18:57 bis 22:03 Uhr (MEZ) vorhergesagt.
Daher wurde die Aufnahmesequenz bereits
gegen 18 Uhr gestartet, und bis 22:38
Uhr wurden ununterbrochen Aufnahmen
durchgeführt, resultierend in insgesamt 810
Bildern (aufgrund der Bildladezeit benötigte
jede Aufnahme 20,93 s). Der Bildausschnitt
wurde so klein wie möglich gewählt,
jedoch noch so groß, dass mindestens vier
Referenzsterne im Bild zu sehen waren.
Aufgrund der präzisen Nachführung war
der Bildausschnitt über die gesamte Aufnahmesequenz
nahezu konstant.
Leider zogen während dieser Zeit immer
wieder Schleierwolken durch das Bild, so
dass ich kaum Hoffnung auf ein verwertbares
Ergebnis hatte. Die Intensität des
2 HAT-P-32 sowie die vier Referenzsterne
Zielsterns ging teilweise bis auf 45% des
Maximalwertes zurück. Erstaunlicherweise
waren jedoch nur wenige Datenpunkte
völlige Ausreißer und es konnte eine relativ
gute Lichtkurve erfasst werden. Zur
relativen Helligkeitsbestimmung hatte ich
bereits gute Erfahrungen mit der Software
Fitswork gemacht. Dazu wird der zu bestimmende
Stern mit Taste „L“ markiert
und anschließend die relative Magnitude
von Referenzsternen mit Taste „M“ bestimmt.
Fitswork arbeitet nicht mit einer
Apertur, sondern fittet eine Gaußkurve in
das jeweilige Sternbild, so spielen weder
Hintergrund noch Apertur eine Rolle. Da
eine Auswertung von 810 Bildern mit jeweils
vier Referenzsternen sehr mühsam
erschien und ich zudem Zweifel hatte, ob
das Fitten einer Gaußkurve durch Fitswork
bei einem verrauschten Sternbild noch gut
funktioniert, wurden vorab jeweils 10 Bilder
(nach Abzug von Darks) überlagert
und anschließend die 81 Summenbilder
wie oben beschrieben vermessen. Vor einer
fotometrischen Auswertung dürfen die Bilder
in keiner Weise bearbeitet werden. Auf
die Anwendung von Flats wurde in Anbetracht
des kleinen, zentral gelegenen Bildausschnitts
und der stabilen Lage auf dem
Chip verzichtet.
Fitswork berechnet die relative Magnitude
mit einer Auflösung von 0,01 mag, mit vier
Sternen ergibt sich damit eine Auflösung
von 2,5 mmag. Die Abbildung 2 zeigt HAT-
P-32 sowie die vier verwendeten Referenzsterne
(bezeichnet mit 1 bis 4, keine veränderlichen
Sterne). Diese sind 0,08 bis 1,5
mag schwächer als der Zielstern. Für diese
Abbildung wurden die 81 Summenbilder
überlagert und das Histogramm gestreckt.
Die aus den 81 Summenbildern ermittelten
jeweils vier relativen Magnituden wurden
in eine Excel-Tabelle eingetragen und für
jedes Summenbild gemittelt. Der Mittelwert
vor und nach der Bedeckung wurde
auf die Nulllinie normiert, wobei eine
minimale lineare Drift von 2 mmag vom
Start zum Ende herausgerechnet wurde.
Die Abbildung 3 zeigt die gemessene Lichtkurve
(blaue Punkte), aufgetragen über der
lokalen Zeit (MEZ) mit Fehlerbalken von 5
mmag. Die rote Linie zeigt den gleitenden
Mittelwert über 10 Punkte zur besseren
Veranschaulichung.
Die Daten wurden auch auf die Website der
ETD hochgeladen und mit der theoretisch
zu erwartenden Bedeckungskurve verglichen.
Das Ergebnis (Abb. 4 und [3]) zeigt
eine – für die schlechten Aufnahmebedingungen
– erstaunlich gute Übereinstimmung.
Ein Fit der gemessenen Daten mit
Hilfe der Tools auf der ETD-Website ergab
folgende Parameter:
T min
: HJD = 2458847,31093 ± 0,00047 =
(19:23:25 ± 41 s) Uhr MEZ am 29.12.2019
Lichteinbruch um: (0,0282 ± 0,0005) mag
Bedeckungsdauer: (186,9 ± 1,6) min
Eine gleichmäßige Abschwächung des
Lichts von Ziel- und Referenzsternen durch
Wolken führt zu keiner Beeinflussung des
relativen Magnitudenwertes. Dennoch ist
bei Durchzug einer Wolke natürlich mit
einer unterschiedlichen temporären Beeinflussung
der fünf Sterne zu rechnen, die sich
auch in diesen Daten in Messfehlern und
erhöhten Schwankungen ausdrückt. Bei
optimalen Verhältnissen (ohne Wolken) ist
sicherlich eine deutlich bessere Datenqualität
zu erwarten. Bedeckungen mit unter
0,01 mag Tiefe sollten noch gut nachweisbar
sein. Eine weitere positive Botschaft ist,
dass auch bei widrigen Verhältnissen wie
Dunst, schlechter Transparenz oder Mondschein
solche Messungen noch möglich
erscheinen, wenn die Astrofotografie lichtschwacher
Objekte schon unmöglich ist.
Der beobachtete Exoplanet wurde bereits
2004 vom HATnet (Hungarian Automated
Telescope Network) am Stern GSC 3281-
00800 (seitdem neue Bezeichnung: HAT-
P-32) gefunden. Aufgrund starker Schwankungen
im Spektrum des Sterns („Jitter“)
konnte der Planet erst 2011 mit Spektren
vom Keck-Teleskop bestätigt werden.
HAT-P-32 ist ca. 950 Lichtjahre von uns
116 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 117
Veränderliche
VdS-Nachrichten
Ergebnisse der Mitgliederbefragung 2019
von Torsten Güths
3 Gemessene Lichtkurve von
HAT-P-32b am 29.12.2019.
Blaue Punkte: Messdaten (je 209 s
Abstand), rote Kurve: gleitender
Mittelwert über 10 Punkte
Die VdS lebt von der Beteiligung und den Interessen ihrer Mitglieder. Dazu müssen wir
natürlich diese, d. h. Ihre (!) Interessen erkunden. Die letzte Mitgliederbefragung wurde
in den Jahren 2000/2001 durchgeführt [1]. An dieser Stelle wollen wir Ihnen, liebe Leser,
eine Auswahl von prägnanten Ergebnissen geben. Der Vorstand dankt nochmals den Mitgliedern
für ihre rege Teilnahme und versucht, ihren Wünschen gerecht zu werden. Den
Teilnehmern der vergangenen Mitgliederversammlung 2019 in Neunburg vorm Wald und
den Fachgruppenleitern wurden die Ergebnisse bereits vorgestellt.
Dass leider nur 5% der Mitglieder weiblich
sind, ist sicherlich schon jedem aufgefallen.
Eine Mitgliedschaftsdauer in der VdS von
mindestens 25 Jahren wurde von 32% der
Befragten angegeben. Immerhin 33% der
Antwortenden sind erst in den letzten 10
Jahren Mitglied in der VdS geworden.
entfernt und selbst ein Doppelstern: HAT-
P-32A ist ein G- bis F-Stern, etwas schwerer
und 2,4-mal leuchtstärker als die Sonne.
Die zweite Komponente (HAT-P-32B) ist
ein M-Zwerg mit etwa halber Sonnenmasse,
er ist 2,9’’ entfernt vom Hauptstern und
3,4 mag schwächer. In den Aufnahmen ist
er nicht zu erkennen (eventuell mit IR-Filter
trennbar?).
Der Exoplanet HAT-P-32b umkreist den
Hauptstern in nur 2,15 Tagen in einem
Abstand von gerade 0,03 AE. Seine Oberflächentemperatur
wird auf 1.890 K geschätzt.
Seine Bahnebene ist 1,3° gegen die
Sichtlinie geneigt. Die Masse des Planeten
beträgt ca. 80% der von Jupiter, er hat aber
fast doppelte Größe. Dieser „aufgeblähte“
Exoplanet wurde wissenschaftlich genauer
untersucht [4]. Die Ursache für die enorme
Größe ist unklar. Die Bedeckungskurve
wurde in verschiedenen Wellenlängen
gemessen [5] und deutliche Unterschiede
von Rot zu Blau gefunden, die auf Partikel
in den Wolken und Dunst hinweisen. Eine
weitere Untersuchung des Systems im UV
ergab einen scheinbar größeren Planetenradius
bei kürzeren Wellenlängen, was auf
Aerosol-Partikel in der Planetenatmosphäre
hindeutet [6].
Eine Messung der Bedeckungskurve von
„Hot Jupiters“ mit unterschiedlichen Filtern
von UV bis IR wäre auch mit Amateurmethoden
möglich und öffnet ein weites
Betätigungsfeld. Transits von erdähnlichen
Planeten führen zu einem Lichteinbruch
von bestenfalls wenigen mmag und stellen
eine echte Herausforderung dar.
4 Messdaten (aus Abb. 3) mit theoretischer
Verdunkelungskurve (erzeugt auf ETD)
Literatur- und Internethinweise
(geprüft 30.03.2020):
[1] S. Poddany, L. Brat, O. Pejcha, 2010:
“Exoplanet Transit Database. Reduction
and processing of the photometric
data of exoplanet transits”,
New Astron. 15 (2010), pp. 297-301,
(arXiv:0909.2548v1), http://var2.
astro.cz/ETD/predictions.php
[2] Sternwarte Wertheim, Homepage:
www.sternwarte-wertheim.de/
[3] Auswertung Transit: http://var2.
astro.cz/EN/tresca/transit-detail.
php?id=1577901607
[4] J.D. Hartman et al., 2011: “HAT-P-
32b AND HAT-P-33b: Two highly
inflated hot Jupiters transiting
high-jitter stars”, https://arxiv.org/
abs/1106.1212v1
[5] J. Tregloan-Reed et al., 2017: “Possible
detection of a bimodal cloud distribution
in the atmosphere of HAT-P-
32Ab from multi-band photometry”,
https://arxiv.org/abs/1712.00415v1
[6] M. Mallon, H.R. Wakeford, 2017:
“Near-UV transit photometry of HAT-
P-32 b with the LBT: Silicate aerosols
in the planetary atmosphere”, https://
arxiv.org/abs/1707.08328v2
Zur Erhebung 2019
Dem VdS-Journal für Astronomie 68
(1/2019) wurde ein zweiseitiger Fragebogen
beigelegt, der auch online ausgefüllt
werden konnte. Es haben uns 740 bzw. 18%
der Mitglieder ihre Antworten zugeschickt.
Davon erfolgten 230 Antworten online.
Das ist ein sehr guter Wert, denn in der alten
Erhebung wurde nur ein Rücklauf an
Fragebögen von 10,6% der damaligen Mitgliederzahl
erzielt.
Demografie der Befragten
Das Durchschnittsalter beträgt rund 58 Jahre.
Bei der Altersverteilung der Mitglieder
ist der junge Nachwuchs deutlich unterrepräsentiert.
Besonders wenn man bedenkt,
dass bei über der Hälfte der Mitglieder das
Interesse an Astronomie im Teenageralter
begann. Im jüngeren Lebensalter scheint
der „Zug“ zu einem Verein, bzw. zur VdS,
nicht so groß zu sein (Abb. 1).
Der enorme Anteil der 50- bis 70-Jährigen
liegt auch darin begründet, dass in der Zeit
von 2001 bis 2015 rund 2.000 Mitglieder
eingetreten sind. Deren Durchschnittsalter
beim Eintritt betrug fast 50 Jahre und sie
sind somit heute in dieser Alterskategorie
zu finden.
Die Wohnorte der Mitglieder verteilen
sich nicht gleichmäßig über Deutschland:
Die Postleitgebiete 00 und 01 im Osten
Deutschlands sind unterrepräsentiert gemessen
an dem Bevölkerungsanteil. Hingegen
sind die Regionen 05, 06 und 07 etwas
überrepräsentiert (Abb. 2).
1 2
In den letzten drei Jahren wurden weniger
Mitglieder als zuvor gewonnen. Aber diese
beteiligten sich reger an der Befragung, als
ihr Anteil am gesamten Mitgliederstamm
beträgt („VdS 2019“ – rote Balken im Diagramm,
Abb. 3).
Interessen und Aktivitäten
Die Frage nach der Intensität der Ausübung
des Astronomie-Hobbys war leider nicht
unmissverständlich gestellt. Geplant war,
nur eine Antwort zuzulassen. Jedoch wurden
oft mehrere angekreuzt. Die Auszählung
wurde nunmehr auf die 530 Befragten
reduziert, die sich für nur eine Stufe der
Intensität entschieden haben. Es zeigt sich,
dass gleichermaßen Gelegenheits- wie regelmäßige
Beobachter zu je 45% im Verein
sind. Echte berufsmäßige Forscher sind nur
gering vertreten und „Schreibtisch“-Hobbyastronomen
mit knapp 10% (Abb. 4).
118 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 119
VdS-Nachrichten
VdS-Nachrichten
3 4
7 8
Bei der Frage nach den Objekten des Interesses
wurden durchschnittlich fast 4 Objekte
pro Person angegeben und das zeugt von
einer gewissen Breite des Interessenspektrums.
Dabei lagen Planeten, Deep Sky und
Mond praktisch gleichauf mit je fast 70%.
Die Sonne weckt das Interesse von 45% und
Kometen von 37% der Befragten (Abb. 5).
Bei den nur 70 Personen zählenden reinen
Spezialisten, d. h. denjenigen, die nur ein
Interessengebiet angaben, führt Deep Sky
mit 61%, weit vor Variablen Sternen (11%)
sowie Planeten (8%) und Mond (7%).
Wie bzw. womit beobachtet wird, zeigt die
Auswertung der Beobachtungstechniken.
Visuelle Genussbeobachter machen den
Löwenanteil mit fast 80% aus. Gefolgt werden
sie von 60% der Beobachter, die auch
fotografische Bildaufzeichnung einsetzen.
Mit respektablem Abstand folgen Videoaufzeichnungen
(20%) und die Zeichnung
von Objekten (16%). Jeweils weniger als
10% führen Messungen oder Radioastronomie
durch. Auch hier waren mehrfache
Antworten möglich (Abb. 6).
VdS-Mitgliedschaft
Über die Hälfte der Befragten gab die Zeitschrift
„Sterne und Weltraum“ als Quelle
ihrer Kenntnis der VdS an. Mit deutlichem
Abstand und über 20% kennt man die VdS
vom Hörensagen und Tagungen und Messen
folgen entsprechend mit weniger als 20%.
Es ist für uns im Vorstand sehr erfreulich
zu erfahren, dass der selbstlose Gedanke,
die VdS in ihrer Arbeit zu unterstützen,
bei über 70% liegt. Dicht gefolgt vom Bezug
des VdS-Journals für Astronomie, das
eine nicht mehr wegzudenkende Serviceleistung
der VdS darstellt. Mehrfache Antworten
bzw. Gründe waren bei dieser Frage
zulässig. Zählt man nur Antworten, die sich
für einen Grund entschieden haben, sieht
das Bild etwas anders aus: 50% unterstützen
die VdS, 30% geben explizit das Journal als
Grund an, in der VdS zu sein (Abb. 7).
Schwierig auszuwerten waren die offenen
Fragen nach den Erwartungen der Mitgliedschaft.
Eine quantitative Erfassung
erfolgte durch die Zählung von Schlagworten.
So führt deutlich der Wunsch nach
Informationen und Berichten. Austausch
und Kontakte folgen sowie die Förderung
der Hobby-/Amateurastronomie. Unterstützung,
Anregungen, Tipps und Praxis
wurden ebenfalls gewünscht. Nicht zuletzt
werden Öffentlichkeitsarbeit und Einsatz
für „Dark Sky“ gefordert.
Rund jeder Fünfte gab an, in mindestens
einer Fachgruppe aktiv bzw. beteiligt zu
sein. Darunter ist die Fachgruppe Astrofotografie
die beliebteste (18%), gefolgt mit
einigem Abstand von Kometen (13%) und
Veränderlichenbeobachtung (12%). Spektroskopie
(10%), Kleinplaneten (9%) und
Sonne (8%) schließen sich an.
Gemäß den oben erwähnten Gründen für
die Mitgliedschaft in der VdS wird erwartungsgemäß
das Journal fast von allen Befragten
als Service genutzt. Gut ein Drittel
führte eine Vergünstigung von Eintrittspreisen
bei Veranstaltungen an, rund ein
Viertel nimmt Material für den Astronomietag
und Flyer in Anspruch.
Leider fiel erst bei der Auswertung das Fehlen
der Antwortmöglichkeit „Tagungen“
auf. Diese hätten vermutlich noch einigen
Zuspruch erzielt (Abb. 8).
zusätzlich auf 40% der online ausgefüllten
versus knapp 15% der nicht-online ausgefüllten
Fragebögen (Abb. 9).
Zu den Inhalten ist festzustellen, dass für
Erfahrungsberichte und Instrumententests
sowie Aktuelles zur Astronomie und das
Beobachterforum tendenziell mehr Raum
gewünscht wird. Besonders zu den ersten
beiden rufen wir Sie gerne auf, Ihren Beitrag
im Journal zu veröffentlichen!
Auf der anderen Hand werden „VdS-Nostalgie“,
„Kinderseiten“ sowie „zum Nachdenken“
und Erfahrungsberichte tendenziell
weniger gewünscht. Allerdings sind die
Bewertungen der ersten beiden genannten
Rubriken sehr polarisiert. Auch Einsteigerastronomie
ist unterdurchschnittlich gewünscht,
wenn auch nur leicht. Das steht
im Gegensatz zur erwünschten Förderung
der Einsteiger, wie weiter unten festgestellt
wird. Hier scheiden sich die Geister.
Wünsche und Zukunft
Die Unterstützung für Einsteiger und Jugendliche
wird eigentlich am stärksten bewertet;
gefolgt von der Unterstützung von
Sternwarten, so dass die VdS als Dachorganisation
wahrgenommen werden würde.
Die Gastbeobachtung oder Remote-Astronomie
an anderen Observatorien sind
ebenfalls gerne erwünscht. Apps und eine
Online-Datenbank für die eigenen Astroaufnahmen
sollten hingegen weniger im
Fokus der Aktivitäten liegen.
Literaturhinweis:
[1] O. Guthier, W. Steinicke, 2003: „Ergebnisse
der VdS-Mitgliederbefragung“,
VdS Journal für Astronomie 10
(I/2003), S. 125
VdS-Journal für Astronomie
Die Beurteilung des Journals ist schnell
erfolgt: Eins-Minus! Sicherlich gibt es den
einen oder anderen Kritikpunkt, je nach
persönlichen Vorlieben. Eine mehrmals
erwähnte Kritik betraf den Geruch. Das
lässt sich allerdings angesichts der hohen
Druckqualität, bei der die Druckerschwärze/-farben
sehr stark an der Oberfläche haften,
kaum vermeiden.
5 6
Als Format wird mit deutlichen 90% das gedruckte
Heft verlangt. Das digitale pdf-Format
hingegen wünschen sich die Mitglieder
9
120 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 121
VdS-Nachrichten
VdS-Nachrichten
Wir begrüßen neue Mitglieder
Mitgl.-Nr. Name Vorname Mitgl.-Nr. Name Vorname
21173 Dr. Tomsik Justus
21180 Flecken Josef
21183 Rueffer René
21195 Binder Albrecht
21200 Burgers Rob
21204 Bruckhoff Jan
21228 Reiber Michael
21229 Klös Lucas-Maximilian
21230 Schnitzbauer Thomas
21231 Brehme Hans-Jürgen
21232 Hermanns Gregor Heinrich
21233 Plützer Guido
13068 Eislöffel Jochen
13075 Haas Rainer
13078 Gerchel Thomas
13080 Schauer Ewald
13090 Buhl Thomas
13098 Hoffmann Peter
13108 Schmidt Rudolf
14651 Kober Werner
14652 Metz Helmut
14654 Harder Christian
14655 Brämer Ulrich
14659 Herm Frank
14664 Gerhardt Bernd-Reiner
14666 Bilgeri Georg
14778 Wussow Volker
14780 Gensler Jan
14794 Griwatz Ingo
14796 Schmidt Armin
14798 Rebotzke Dirk
14800 Frey Reinhold Günter
14822 Wilhelmi Otto
21212 Mülller Barbara
21234 Buk Michael
13120 Krieg Konrad
14667 Schmidt Franz-Georg
14824 Prietzel Werner
21216 Thomas Wolfgang
21235 Koke Andreas
13124 Godau Torsten
14669 Wettlaufer Wolfgang Martin
14828 Frank Christoph
21218 Jäckel Patrick
21219 Hermus Martin
21220 Dönmez Faik Fikret
21221 Jost Christian
21222 Troppmann Ralph
21223 Kruse Joachim
21224 Fechner Thomas
21225 Mayr Martin
21226 Weinreich GbR
21227 Timmermann Markus
21236 Podsada Frank
21237 Jung Martin
21238 Gammer Martin
21239 Przybysz Leszek
21240 Moritz Diana
21241 Rochel Stefan
21242 Köster Martin
21243 Corente Andreas
21244 Kox Timo
21245 Durner Heinz-Erich
13125 Kern Hans-Rudolf
13244 Schridde Klaus-Dieter
30-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
14541 Gährken Bernd
14548 Opizzo Yves
14554 Maxdorf Harald
14555 Döpper Frank
14558 Grueninger Hans Wolfgang
14671 Spiecker Ralf
14676 Langenhorst Andreas
14678 Banholzer Eberhard
14691 Wallner Bernd
14698 Kanzok Rudolf
14700 Raddatz Klaus-Dieter
14702 Schenk Rainer
14705 Nicolet Fred
14708 Onnebrink Martin
14709 Gaul Marcus
14829 Eppler Hans-Peter
14831 von Eiff Hermann
14832 Maintz Gisela
14836 Ewald Dieter
14837 Horn Werner
14838 Guhl Konrad
14839 Laux Uwe
14849 Böhme Dietmar
14851 Meyer Maik
14857 Itting-Enke Sonja
Jubiläen
Ehrenmitglied
Mitgl.-Nr. Name Vorname
12075 Keßler Thomas
60-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name Vorname
10676 Moellendorf Joachim
10683 Fernandes Mario
10691 Brück Rüdiger
10703 Keil Karl-August
10712 Alt Eckhard
10714 Lienau Michel
10730 Planetarium Nürnberg
10733 Kapp Heinrich
10747 Galileum Solingen Walter-Horn-Gesellschaft e.V.
10748 Westfälische Volkssternwarte und Planetarium
10764 Mallmann Horst-Günter
50-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name Vorname
11712 Tennigkeit Joachim
11757 Klugmann Joachim
Der Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. gratuliert folgenden Mitgliedern zu der
jetzt 20-jährigen, 30-jährigen, 40-jährigen, 50-jährigen und 60-jährigen Mitgliedschaft in der
VdS sehr herzlich und bedankt sich für Ihre Treue!
11772 Observatory & Planetarium Stuttgart
Prof. Dr. Hans-Ulrich Keller
11780 Wittmer Detlev
11849 Tessin Hartmut
11857 Trillmich Rainer
11866 Bayer. Volkssternwarte München e. V.
11884 Hänel Andreas
11910 Darr Heinz
40-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name Vorname
13021 Plagge Jochen
13025 Kiefer Claus
13029 Mette Volker
13033 Müller Marcel
13037 Köllner Gerd
13040 Weiland Gerhard
13047 Zille Claus
13061 Wolin Egon
13062 Lucius Dirk
13065 Herzogenrath Gerd Friedrich
14561 Tomsik Harald
14563 Wrage Günter
14564 Heinz Rudolf
14566 Bihrer Konrad
14568 Naujoks Jens
14569 Lau Stephan
14572 Wahlmann Friedrich
14573 Hauss Michael
14576 Monz Gunter
14581 Gerdes Jörg
14594 Kusch Norbert
14596 Ohlert Joh. M.
14598 Van der Smissen Bernd
14604 Jonscher Peter
14611 Schäfer Udo
14614 Wolf Thomas
14615 Hampel Rainer
14617 Grimm Wolfgang
14621 Schoppmeyer Jörg
14631 Hinze Rudolf
14633 Pappmann Wilfried
14634 Gengel Walter
14635 Piendl Max
14645 Filling Holger
14650 Nikolai Andre
14712 Hahn Bernd
14714 Engel Karl Emil
14718 Renner Horst
14721 Hamann Gerald
14723 Gorniak Karl
14725 Tiedtke Jürgen
14726 Dümichen Tim
14727 Klemme Rolf
14729 Wulfrath Hans-Jürgen
14733 Meyer Michael
14734 Ost Viola
14735 Meier Michaela
14736 Paech Wolfgang
14739 Lau Detlev
14741 Lipinski Hans-Gerd
14747 Völkening Martin
14748 Henseler Michael
14753 Schmitt Rudolf
14755 Schnitzler Hermann Josef
14758 Volmer Werner
14761 Lille Wolfgang
14764 Wierny Frank
14767 Schiefer Heinz
14769 Reiter Helmut
14772 Pils Georg
14858 Windeck-Gymnasium
Bernhard Schorpp
14860 Enskonatus Peter
14861 Hamel Juergen
14863 Leitenberger Bernd
14867 Zunker Andreas
14868 Malecha Robert
14872 Marx Erhard
14873 Fürst Dietmar
14875 Knobloch Helmut
14878 Kluge Wilfried
14879 Zeidler Detlef
14882 Hinz Wolfgang
14884 Görlitzer Sternfreunde e.V.
Förderverein der Scultetus-
Sternwarte Görlitz
14890 Atzler Bruno
14892 Paul Eberhard
14895 Evers Alfons
14896 Bardenhagen Harald
14898 Astronomische Arb.gemeinschaft
Mainz e.V.
c/o Naturhistorisches Museum
14899 Rümmler Frank
14902 Gfrerer Manfred
122 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 123
VdS-Nachrichten
VdS vor Ort / Tagungsberichte
14903 Lerch Rudolf
14906 Hase Frank
14907 Lüdicke Stefan
14908 Menz Torsten
14911 Bayerl Manfred
14913 Holl Manfred
14918 Fischer Kasper David
14924 Gutsche Fred
14940 Kannenberg Theo
14941 Dietz Uwe
14943 Tittel Olaf
14958 Dependahl Ingo
14960 Krzyk Stephen
14963 Gallus Astrid
14979 Döpp Hermann
14986 Wittmer Andreas
20-jähriges Jubiläum
Mitgl.-Nr. Name
Vorname
15446 Nagele Friedrich
17467 Rebbe Martin
17468 Reitemann Thomas
17470 Furthmann Willy
17471 Pfennig Herbert
17473 Schliep Wolfgang
17478 Bauer Manfred
17480 Frenzel Thomas
17482 Dobler Helmut
17483 Briesemeister Jens
17485 Mündlein Ralf
17487 Sternwarte Eschenberg Winterthur
c/o Herrn M. Griesser
17495 Aders Oliver
17499 Schremmer Hans
17500 Tappe Heinrich
17503 Schaffner Wolf
17504 Stelzer Walter
17505 Eisoldt Alexander
17506 Payer Thomas
17510 Steube Günther
17512 Tuchan Thomas
17517 Kirchner Heinrich
17519 Klages Klaus
17521 Borgert Jochen
17524 van Kerkhof Willem
17526 Obert Dieter
17529 Schönwiesner Peter
17531 Neuhaus Marcus
17532 Lemke Alexander
17533 Janz Joachim
17534 Eckert Günther
17536 Wieto Marcel
17539 Schielinsky Reinhard
17545 Mühlenbruch Markus
17547 Eikmeier Klaus
17549 Weltzien Ulrich
17551 Loscar Michael
17552 Sperberg Ulrich
17554 Schmögner Mathias
17556 Meiss Robert
17557 Syre Philipp
17559 Häusler Alexandra
17563 Lademann Kersten Jörg Helge
17564 Haupt Martina
17567 Kurzan Bernd
17570 Peldszus Reinhard
17571 Thielemans Roger
17573 Baumgardt Jochen
17578 Thoennes René
17580 Siebeneichner Thomas
17581 Schiller Martin
17582 von Poschinger Konstantin
17586 Sohl Frank
17587 Rottloff Herbert
17589 Hopf Hans
17594 Roesner Jürgen
17595 Krause Uwe
17598 Martell Gunther
17603 Segelhorst Henrik
17608 Klotz Ulrich
17610 Beister Heinz Jürgen
17611 Schmitz Andreas
17614 Heinrich Volker
17615 Förderverein Volkssternw. Amberg e.V.
c/o Herrn Prof. Dr. Matthias Mändl
17617 Wulff André
17618 Meister Stefan
17621 Merklin-Noll Thomas
17622 Wolff Jürgen
17632 Wolfrum Reinhold
17636 Domel Mirko
17638 Finkenrath Horst
17639 Danckert Harry
17641 Schmitz Harald
17650 Thiel Mathias
17657 Hofmann Rainer
17658 Engel Joachim
17660 Seidl Sebastian
17663 Hilverkus Gerhard
17666 Schober Jennifer
17668 Slansky Peter C.
17671 Zander Hans Günter
17674 Kaufmann Ekkehart
17676 Kampschulte Tobias
17677 Christensen Bernd
17679 Wahls Michael
17680 Stoll Uwe
17683 Krause Matthias
17685 Grieblinger Hans
17689 Kaletsch Peter M.
17690 Schmidt Stefan
17692 Wohlrab Uwe
17694 Leu Christian
17696 Ortmann Thomas
17697 Berger André
17698 Arnemann Heiko
17701 Schlinzig Helge
17702 Büenfeld Dietmar
17703 Heiduck Uwe
17710 Schneider Robert
17711 Süssli Marcel
17712 Nezel Michael
17715 Greßmann Holger
17717 Latußeck Arndt
17718 Berger Martin
17721 Hüntemann Rolf
17724 Otawa Christoph
17725 Legler Gunar
17730 Netter Armin
17736 Knese Gerd Christian
17740 Buchsteiner Jürgen
17744 Siolek Wolfgang
17747 Holzhey Bernd
17748 Vogtmann Thomas
17754 Metz Markus
17760 Scharnhorst Danny
17761 Schmidt Gerald
17763 Schulze Maik
17765 Merz Heinz
17766 Sternfreunde Nordenham e. V.
c/o Herrn Hans-Heinrich Berends
17767 Troyer David
17772 Paus Dieter
17777 Keller Walter
17778 Born Frank
17779 Sturm Christian
17782 Abels Hans-Gerd
17783 Ludwig Dieter
17785 Müller Wolf-Dieter
17790 Hillmann Matthias
17792 Hoffmann Dirk
17793 Bertram Björn
17794 Simmen Peter
17796 Brandt Michael
17797 Seeger Karlheinz
17798 Richter Ralph-Mirko
17799 Kammerlohr Philipp
17800 Tomasek-Schaller Carolin
17804 Ehresmann Wolfgang
17807 Ott Hubert
17810 Niebling Frank
17816 Kühnel Jörg
17819 Dorn Michael
17821 Klüven Marko
17832 Tomitsch Michael
38. BoHeTa
mit Fokus auf Be-Sterne und Doppelsternsysteme
von Kai-Oliver Detken
Die Bochumer Herbsttagung (BoHeTa) [1]
fand traditionsgemäß an der Ruhr-Universität
Anfang November 2019 zum bereits
38. Mal statt. Peter Riepe und Prof. Dr. Ralf-
Jürgen Dettmar luden wieder gemeinsam
zur Tagung ein, die auch in diesem Jahr
wieder mit vielen interessanten Beiträgen
aufwarten konnte. In den Reiff-Vorträgen
kamen wie gewohnt ein Fach- und ein
Amateurastronom zu Wort, diesmal mit
den Themen Be-Sterne und Doppelsternsysteme.
Neu war der kostenlose Besuch der
Veranstaltung, die sich ab jetzt durch Spenden
finanzieren wird. Erfreulich, dass auch
einige neue Teilnehmer angereist waren.
Bei der Begrüßung gab es auch eine kurze
Vorstellung der Vereinigung der Sternfreunde
(VdS) durch den Vorsitzenden
Sven Melchert. Pünktlich startete der erste
Vortrag zum Bau einer privaten Sternwarte.
Thomas Wahl hat sie in seinem Garten
in einer relativ lichtverseuchten Neubausiedlung
im Ruhrgebiet erbaut. Durch den
Kontakt zum Tiefbauamt erreichte er, dass
die Straßenlaternen für ihn bis zu 50% abgeschirmt
wurden. Neben einem imposanten
Kuppelbau wurden zwei separate Beobachtungsplattformen
zusätzlich im Garten
geschaffen. Ein schneller Abbau der Kuppel
wurde dabei für den Fall eines Umzugs mit
eingeplant.
Im Anschluss berichtete Dr. Sighard
Schraebler von dem Einschlag auf der
Mondoberfläche, den er während der
Mondfinsternis im Januar 2019 zufällig
aufgenommen hatte [2]. Erst später bei
der Bildverarbeitung fiel ihm ein Aufblitzen
auf, das von dem Einschlag herrührte.
Dieses außergewöhnliche Ereignis wurde
später in der Fachzeitschrift „Spektrum der
Wissenschaft“ zusätzlich bestätigt. Inzwischen
ist sogar eine Zusammenarbeit mit
Wissenschaftlern zustande gekommen und
erste Fachveröffentlichungen sind in Vorbereitung.
Bernd Gährken [3], treuester BoHeTa-
Referent, präsentierte Chiles Nachtlandschaften,
die er anlässlich seiner Reise zur
totalen Sonnenfinsternis 2019 erlebt hatte.
„Nightscape-Videos“ wie seine werden immer
beliebter. Man benötigt dafür lediglich
eine normale Kompaktkamera. Mittels der
Open-Source-Software Magic Lantern [4]
kann dabei sogar ohne zusätzlichen Timer
direkt mit einer Canon-Kamera losgelegt
werden. Auf seiner Chile-Reise wurde viel
mit Nightscape-Aufnahmen experimentiert.
Die Sonnenfinsternis selbst wurde
beim europäischen Vorzeigeobservatorium
Very Large Telescope (VLT) [5] in
Chile beobachtet. Aber auch hier war der
Sternhimmel nicht komplett dunkel. Dies
1 Der mit insgesamt 185 Teilnehmern gut besuchte Hörsaal HZO 10, Bild: Michael Schomann
wird u. a. durch interplanetaren Staub verursacht,
der das Licht äußerer Quellen (wie
z. B. Sonne oder Jupiter) streut.
Zum Abschluss des ersten Blocks berichtete
Claudia Henkel über die Bündelung
der Astro nomie-Aktivitäten in Deutschland.
Viele Hobbyastronomen sind über
Deutschland verteilt. Deshalb bietet die
VdS-Fachgruppe Astronomische Vereinigungen
zentrale Anlaufstellen für fünf
verschiedene Regionen an. Jede Region
betreibt eine Webseite (z. B. www.astronomie-west.de),
um Sternwarten, Planetarien
und Organisationen einheitlich
darzustellen. Zusätzlich tauscht man sich
untereinander zu verschiedenen Themen
aus und entwickelt neue Ideen.
Im zweiten Vortragsblock nahm sich Wolfgang
Bischof [6] die verborgene Vielfalt der
Farben des Mondes vor. Für die meisten
Menschen besteht der Mond nur aus „Fifty
Shades of Grey“, wie er humoristisch ausführte.
Aber der Mond besitzt durchaus
eine Farbvielfalt, die bei Farbaufnahmen
durch die Variation von Dynamik und
Sättigung zum Vorschein kommt. Dabei
bleibt die Farbverstärkung am Mond einem
„Hauch von Willkür“ unterworfen. Er stellte
daher eine eigene Methode vor, um mit
den Farben des Mondes dem Mineraliengehalt
auf die Spur zu kommen. Informatives
Bildmaterial wurde präsentiert.
Rolf Hempel stellte die neue Astronomie-
Software PlanetarySystemStacker [7] vor.
Nach eigener Darstellung möchte er damit
andere Astro-Programme ablösen, die
nicht mehr aktuell sind. So sind RegiStax,
AviStack und Giotto zwar recht beliebt,
werden aber seit geraumer Zeit nicht mehr
weiterentwickelt. Neben der jeweiligen
Closed-Source-Strategie werden auch die
verwendeten Algorithmen nicht offengelegt.
Deshalb rief er nun ein eigenes Open-
124 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 125
VdS vor Ort / Tagungsberichte
2 Dr. Dietrich Baade beim Reiff-Vortrag
über Be-Sterne, Bild: Michael Schomann
3 Bild aus dem Vortrag von Peter C. Slansky:
Bahnverlauf von 3414-2018 mit Punkten A
(Eintrittspunkt), B, C (Terminal Flash) und D
(Verglühen) mit Längenangaben in km
Source-Projekt ins Leben, an dem beliebig
viele Entwickler mitarbeiten könnten. Sein
Programm ist bereits einsatzfähig und für
Mondbilder optimiert. Bei Planeten hat allerdings
noch AutoStackkert!3 [8] leicht die
Nase vorne, was Hempel in Zukunft aber
ändern möchte.
Im Anschluss stellte Prof. Dr. Udo Backhaus
[9] von der Universität Duisburg/Essen
eigene Messungen zur Eigenbewegung
und Parallaxe von Barnards Pfeilstern mit
professionellen Remote-Teleskopen vor.
Barnards Pfeilstern ist dabei besonders
schnell unterwegs. Für die Messungen
stand das Projekt Monitoring Network
of Telescopes (MONET) der Universität
Göttingen [10] zur Verfügung. So konnten
Bilder aus einigen Jahren ausgewertet werden.
Dabei wurde ebenfalls die Parallaxe
ermittelt. Da aber während der langjährigen
Messungen das Teleskop kaputt ging,
musste auf ein anderes zugegriffen werden.
Dessen Messungen passten dann aber nicht
mehr zu den ursprünglichen. Warum dies
so ist, wird noch untersucht.
Die Verleihung des Reiff-Preises für Amateur-/Schularbeit
2019 [11] wurde wieder
souverän von Dr. Carolin Liefke übernommen.
Die Reiff-Stiftung fördert Schulprojekte,
die Kindern und Jugendlichen
die Astronomie näherbringen. Als Sieger
wurden die Kindertagesstätte „Die Holzwürmer“
aus Eschelbronn, die Sternwarte
Burgsolms (Volkssternwarte Mittelhessen),
die Hans-Nüchter-Sternwarte in Fulda und
das Sprachen- und Realgymnasium Nikolaus
Cusanus Bruneck ausgezeichnet.
Der traditionelle Reiff-Vortrag wurde von
Dr. Dietrich Baade gehalten. Der ehemalige
ESO-Mitarbeiter begann mit dem berühmten
Ausspruch Hamlets von Shakespeare:
„To Be or not to Be“ – hier waren die Be-
Sterne gemeint. Die Bochumer Ruhr-Universität
war einmal ein wichtiges Zentrum
zur Erforschung der Be-Sterne, die 1866
erstmals von Pater Angelo Secchi am Vatikan-Observatorium
gefunden wurden. Be-
Sterne zeigen Wasserstoff in Emission. Sie
entstammen der sehr frühen Phase unseres
Universums und rotieren sehr schnell.
Die Ursache dafür ist noch unbekannt.
Der NASA-Satellit TESS [12] überwacht
zwischen 2018 und 2020 ca. 200.000 Sterne,
darunter auch Be-Sterne. Bei der Suche
nach schnellen Rotationen wird er auch
neue Be-Sterne auffinden. Das ist deshalb
so spannend, weil man mit ihrer Hilfe auch
die Sternentstehung studieren kann.
Der Amateurvortrag von Ernst Pollmann
knüpfte daran an. Das Doppelsternsystem
VV Cephei ist ein Riesendoppelsternsystem
im Vergleich zu unserer Sonne. In
einer Stoßfront entstehen Hα-Emissionen,
die sich gegenseitig überlagern. Eine Wasserstoffscheibe
um den enthaltenen Be-
Stern konnte in Hα nachgewiesen werden,
wie ein erstes CCD-Spektrum zeigte. Es
wurde dafür ein Langzeitmonitoring der
Hα-Äquivalentbreite seit 1996 bis heute
durchgeführt und eine Periode von 43 Tagen
ermittelt. An dem Vortrag konnte man
daher gut erkennen, wie Amateurastronomen
die Profis unterstützen können, die ja
für Langzeitbeobachtungen kaum Kapazitäten
besitzen.
Peter Köchling holte die Teilnehmer wieder
in die Astrofotografie ab. Sein Thema war
die Erstellung von Flatfields zur Bildebnung.
Die Vorgehensweise dazu wurde am
OwAS-Stammtisch [13] erarbeitet. Flatfields
sind in der Astrofotografie unabdingbar,
da sie Vignettierung und Staub kompensieren.
Als optimale Flat-Lösung wurde
ein „Light-Dummy“ präsentiert – über die
Nacht erstellt – zwecks Anpassungen von
4 Der Cocoon-Nebel und seine Umgebung, aufgenommen im Oktober 2018 und August 2019 in Bremen-Borgfeld, Skywatcher
Esprit 100ED bei f/5,5 mit Atik 490EXm, Gesamtbelichtung 34 h, davon 28 h LRGB mit Baader-Filtern und 6 h Hα mit Astrodon 3 nm.
Zur Farbverstärkung wurde ein reines, kontinuumsubtrahiertes Hα-Bild verwendet. Bild: Kai Wicker
Flats für jeden Kanal. Dabei wurden die Bearbeitungsmöglichkeiten
mit Fitswork und
PixInsight durchgespielt.
Der nachfolgende Vortrag beschäftigte
sich mit einem weiteren astronomischen
Aspekt: der Mehr-Spektralbereichsfotometrie.
Prof. Dr.-Ing. Peter C. Slansky [14],
München, erläuterte am Beispiel einer digitalen
Fotokamera und der selbst fotografierten
Perseiden-Feuerkugel IMO 3414-
2018, wie man den Terminal Flash und
das Phänomen des weitgefächerten, nachleuchtenden
bläulichen Himmelsleuchtens
(Skyglow) untersuchen kann. So konnte er
die Ausmaße der Feuerkugel errechnen. Bei
der Mondfinsternis 2019 wurde eine Ausmessung
des Monds über sieben Messfelder
vorgenommen. Aus beiden Arbeiten sind
Fachveröffentlichungen entstanden.
Zum Abschluss stellte Dr. Kai Wicker
[15] von der Fotogruppe der Astronomischen
Vereinigung Lilienthal [16] vor, wie
man trotz Lichtverschmutzung natürliche
Farben beibehält. In Bildbeispielen verdeutlichte
er seine Vorgehensweise, um
RGB-Einzelaufnahmen mit Hα/[OIII]/
[SII]-Aufnahmen zu verbinden. Anhand
des Cocoon-Nebels, Messier 97 und Jones
Emberson 1 konnten die Objekte durch
seine Bearbeitungsmethode der Kontinuumssubtraktion
deutlich besser herausgearbeitet
werden, als bei reinen RGB-Aufnahmen
an seinem Standort möglich. Der
Vortrag war damit ein schöner Abschluss
eines langen und wieder sehr informativen
Tages. Der nächste BoHeTa-Termin wurde
ebenfalls schon bekanntgegeben: der
31.10.2020. Bitte schon einmal vormerken.
Internethinweise
(Stand: Dezember 2019):
[1] Bochumer Herbsttagung:
www.boheta.de
[2] S. Schraebler, Astroaufnahmen:
http://astro.square7.ch/2019impact/
[3] B. Gährken: www.astrode.de
[4] Magic Lantern, Open-Source-
Programm: www.magiclantern.fm
[5] Very Large Telescope der ESO (VLT,
Chile): www.eso.org/public/germany/
teles-instr/paranal-observatory/vlt/
[6] W. Bischof, Homepage: www.
magicviews.de
[7] R. Hempel: „PlanetarySystem
Stacker, Open-Source-Astronomy-
Software“, https://github.com/Rolf-
Hempel/PlanetarySystemStacker
[8] AutoStakkert!, Stacking-Software:
www.autostakkert.com
[9] U. Backhaus, Homepage:
www.astronomie-und-internet.de
[10] Projekt Monitoring Network of
Telescopes (MONET): http://monet.
uni-goettingen.de
[11] Reiff-Stiftung: www.reiffstiftung.org
[12] NASA-Satellit TESS: www.nasa.gov/
tess-transiting-exoplanet-survey-
satellite
[13] Ostwestfälischer Astro-Stammtisch:
www.balkonsternwarte.de/OwAS/
index.htm
[14] P. C. Slansky, Homepage:
www.peter-slansky.de
[15] K. Wicker, Homepage: http://
photonenfangen.de
[16] Astronomische Vereinigung Lilienthal,
Homepage: www.avl-lilienthal.de
126 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 127
PEGASUS
DELFIN
FÜLLEN
FÜCHSCHEN
Atair
PFEIL
Deneb
SCHWAN
Albireo
ADLER
LEIER
Wega
DRACHE
HERKULES
NÖRDL.
KRONE
SCHLANGE
(KOPF)
Gemma
Arktur
GROSSER BÄR
BOOTES
JAGDHUNDE
HAAR DER
BERENIKE
JUNGFRAU
KLEINER LÖWE
LÖWE
DREIECK
FISCHE
ANDROMEDA
PEGASUS
EIDECHSE
KEPHEUS
Deneb
SCHWAN
FÜCHSCHEN
PFEIL
DELFIN
FÜLLEN Atair
Albireo
ADLER
LEIER
Wega
DRACHE
HERKULES
NÖRDL.
KRONE
SCHLANGE
(KOPF)
GROSSER BÄR
Gemma
JAGDHUNDE
BOOTES
Arktur
HAAR DER
BERENIKE
JUNGFRAU
WASSERMANN
SCHLANGE
(SCHWANZ)
SCHLANGEN-
TRÄGER
Neptun
WASSERMANN
SCHLANGE
(SCHWANZ)
SCHLANGEN-
TRÄGER
STEINBOCK
Saturn
Jupiter
SCHILD
SKORPION
WAAGE
Spica
STEINBOCK
SCHILD
SKORPION
WAAGE
SÜDOST
Pluto
SCHÜTZE
Antares
WOLF
SÜDWEST
SÜDOST
Pluto
SCHÜTZE
Antares
SÜDWEST
Saturn
Jupiter
SÜD
Sternkarte exakt
gültig für 15. Juli
23 Uhr MESZ
SÜD
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
www.sternfreunde.de
Sternkarte exakt
gültig für 15. August
23 Uhr MESZ
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
www.sternfreunde.de
Mondphasen im Juli 2020
Mondphasen im August 2020
Vollmond
5.7.
Letztes Viertel
13.7.
Neumond
20.7.
Erstes Viertel
27.7.
Vollmond
3.8.
Letztes Viertel
11.8.
Neumond
19.8.
Erstes Viertel
25.8.
Ereignisse im Juli
01. 4h Merkur in unt. Konjunktion mit der Sonne
02. 23h Mond 5,5° NO Antares (α Sco, 1,1 mag)
03. 23:40 U Oph, Min. 6,6 mag, Abstieg von 5,9 mag in 2,5 Std.
04. 13h Erde im Aphel
04. 22:55 RR Lyr, Max. 7,1 mag, schneller Anstieg von 8,1 mag
05. 05:44 Vollmond
06. max. Libration West
06. 1h Mond 3,0° SO Jupiter (-2,7 mag, 47,5’’) u. 6,2° SW Saturn
(0,2 mag, 18,4’’)
06. 22:50 RZ Cas, Min. 7,7 mag, Abstieg von 6,1 mag in 2,5 Std.
10. 9h Venus in max. Helligkeit, -4,7 mag, 37,1’’
12. 01:30 Mond 3,1° SO Mars (-0,7 mag, 12,4’’)
12. 20h Mond erdfern, 29,6’
13. (2) Pallas (9,6 mag) in Opposition zur Sonne
13. 00:29 Letztes Viertel
14. 9h Jupiter (-2,8 mag, 47,6’’) in Opposition zur Sonne,
Sternbild Schütze
15. 20h Pluto (14,4 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild
Schütze
17. 3h Mond 2,8° NW Venus (-4,5 mag, 33,4’’) und 3,2° N
Aldebaran (α Tau, 1,0 mag)
19. max. Libration Ost
20. 18:33 Neumond
20. 23h Saturn (0,1mag, 18,5’’, Ring 39,7’’) in Opposition zur Sonne,
Sternbild Schütze
22. 03:30 Merkur (0,4 mag, 7,9’’) in größter westl. Elong., 20°,
NO-Hor.
25. 6h Mond erdnah, 32,4’
26. 22h Mond 5,9° NO Spica (α Vir, 1,1 mag)
27. 13:33 Erstes Viertel
29. 22:30 Mond 5,9° N Antares (α Sco, 1,1 mag)
29. auf 30. Maximum Meteorschauer der Delta-Aquariden, 41 km/s,
ca. 16/h
Quellen: US Naval Observatory, eigene Recherchen mittels GUIDE (Project Pluto), Berechnungen
der BAV, Berechnungen der IOTA (Steve Preston), Berechnungen der IOTA/ES (Eberhard Riedel
[GRAZPREP]), Homepage der International Meteor Organization (IMO).
Ereignisse im August
02. max. Libration West
02. 1h Mond 2,4° S Jupiter (-2,7 mag, 47,1’’) u. 8,5° SW Saturn
(0,2 mag, 18,4’’)
03. 16:59 Vollmond
05. 2h (1) Ceres (8,0 mag) 5,6’ SO Stern 88 Aqr (3,7 mag),
Sternbild Wassermann
06. 1h (2) Pallas (9,7 mag) 5,8’ NO Stern 111 Her (4,3 mag),
Sternbild Hercules, vgl. Folgeabend
06. 23h (2) Pallas (9,7 mag) 6,5’ S Stern 111 Her (4,3 mag),
Sternbild Hercules
08. ab 02:11 Streif. Sternbed. Mond – SAO 128787 (6,9 mag), Linie
Garmisch-Partenkirchen – Penzberg – Landshut -
Viechtach
08. 24:00 AI Dra, Min. 8,1 mag, Abstieg von 7,0 mag in rd. 2 Std.
09. 3h Mond 3,5° SW Mars (-1,3 mag, 15,6’’)
09. 15h Mond erdfern, 29,5’
09. 23:30 η Aql, Max. 3,48 mag, An- und Abstieg in 7,17 Tagen
11. 17:45 Letztes Viertel
11. auf 12. Maximum Meteorschauer der Perseiden, 60 km/s,
ca. 100/h
13. 3h Venus (-4,3 mag, 23,6’’) in größter westl. Elong, 46°, O-Hor.
13. 3h Mond 4,5° NW Aldebaran (α Tau, 1,0 mag)
15. max. Libration Ost
15. 03:30 Mond 5,7° NW Venus (-4,3 mag, 23,1’’)
17. ab 03:59 Streif. Sternbed. Mond – 9 Cnc (SAO 79940) (6,0 mag),
Linie Lindau – Bad Wörishofen – Straubing - Bodenmais
17. 16h Merkur in ob. Konjunktion mit der Sonne
19. 03:42 Neumond
21. 12h Mond erdnah, 32,9’
23. ca. 00:09 (328) Gudrun (13,5 mag) bedeckt TYC 6947-00591-1
(9,3 mag) für 9,0 s, Hell.-Abnahme 4,4 mag, Pfad Schweiz,
Österr.
25. 18:58 Erstes Viertel
25. ab 19:20 Mond bedeckt Doppelstern β Sco (2,6 mag), bis ca. 20:31,
Zeitpunkte abh. v. Standort!
25. 20:30 Mond 8,5° NW Antares (α Sco, 1,1 mag)
26. ca. 20:34 (2651) Karen (17,5 mag) bedeckt HIP 79851 (8,4 mag)
für 2,0 s, Hell.-Abnahme 9,8 mag, Pfad N- nach SW-
Deutschland, Schweiz
28. max. Libration West
28. (1) Ceres (7,7 mag) in Opposition zur Sonne, Sternbild
Wassermann
28. 22h Mond 3,6° SW Jupiter (-2,6 mag, 44,7’’)
29. 21h Mond 3,5° SO Saturn (0,3 mag, 18,0’’)
Alle Zeitangaben in MEZ für Standort bei 10° ö.L. und 50° n.Br., falls nicht anders angegeben. Zum
Umrechnen in MESZ im Zeitraum 29.03.2020 2:00 Uhr MEZ bis 25.10.2020 2:00 MEZ eine Stunde
zu den Zeitangaben addieren. „Libration West“ bedeutet, dass das Mare Crisium sich weit weg vom
westlichen Mondrand befindet.
128 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 129
DRACHE
PERSEUS
Algol
KASSIOPEIA
KEPHEUS
BOOTES
Vorschau
DREIECK
ANDROMEDA
EIDECHSE
Deneb
SCHWAN
Wega
HERKULES
NÖRDL.
KRONE
Gemma
Vorschau auf astronomische Veranstaltungen
Juli bis September 2020
WIDDER
LEIER
zusammengestellt von Werner E. Celnik aus vorliegenden Informationen (Angaben wie immer ohne Gewähr)
Uranus
Mars
WALFISCH
SÜDOST
FISCHE
Sternkarte exakt
gültig für 15. September
23 Uhr MESZ
Neptun
Fomalhaut
Mondphasen im September 2020
Vollmond
2.9.
Ereignisse im September
02. 06:22 Vollmond
PEGASUS
WASSERMANN
SÜDL. FISCH
03. 23:30 X Tri, Min. 11,3 mag, Abstieg von 8,6 mag in rd. 1,5 Std.
06. 7h Mond erdfern, 29,5’
06. 04:30 Mond 1,2° SW Mars (-1,9 mag, 19,7’’)
09. ab 02:12 Streif. Sternbed. Mond – SAO 93721 (5,9 mag),
Linie Trier – Koblenz – Bad Arolsen – Beverungen –
Braunschweig – Plau am See – Greifswald
09. 4h Mond 7,8° NW Aldebaran (α Tau, 1,0 mag)
09. 19h Mars wird rückläufig
09. 23:00 Delta Cep, Max. 3,48 mag, An- und Abstieg in 5,36 Tagen,
zirkumpolar
10. 4h Mond 6,4° NO Aldebaran (α Tau, 1,0 mag)
10. 10:26 Letztes Viertel
11. 21h Neptun (7,8 mag, 2,4’’) in Opposition zur Sonne, Sternbild
Wassermann
12. max. Libration Ost
Letztes Viertel
10.9.
13. 4h Venus (-4,1 mag, 17,7’’) 2,2° S off. Hfn. Praesepe (M 44)
13. 23:10 AI Dra, Min. 8,1 mag, Abstieg von 7,0 mag in rd. 2 Std.
14. ab 05:02 Streif. Sternbed. Mond – γ Cnc (SAO 80378) (4,7 mag.),
Linie Karlshausen – Daun – Koblenz – Bad Hersfeld –
Halle (Saale) – Lübbenau/Spreewald
DELFIN
FÜLLEN
STEINBOCK
SÜD
FÜCHSCHEN
Neumond
17.9.
PFEIL
Atair
Saturn
Albireo
Pluto
SCHÜTZE
ADLER
Jupiter
SCHILD
SCHLANGE
(SCHWANZ)
SÜDWEST
SCHLANGEN-
TRÄGER
SCHLANGE
(KOPF)
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
www.sternfreunde.de
14. 4h Mond 4,0° N Venus (-4,1 mag, 17,5’’), dazwischen
off. Hfn. M 44
15. 04:45 Mond 8,9° NW Regulus (α Leo, 1,4 mag)
16. 04:45 Mond 7,4° O Regulus (α Leo, 1,4 mag)
16. 22:20 Beta Per (Algol), Min. 3,4 mag, Abstieg von 2,1 mag
in 3 Std.
17. 12:00 Neumond
18. 15h Mond erdnah, 33,3’
22. 14:31 Herbstanfang, Herbsttagundnachtgleiche
24. 02:55 Erstes Viertel, max. Libration West
25. 19:20 Mond 6,6° SO Jupiter (-2,4 mag, 41,2’’) u. 3,6° S Saturn
(0,4 mag, 17,4’’)
29. ca. 04:27 (55) Pandora (13,7 mag) bedeckt TYC 844-448-1
(9,3 mag) für 1,8 s, Hell.-Abnahme 4,3 mag,
Pfad Mitte Deutschld.
Erstes Viertel
24.9.
WICHTIGE ANMERKUNG:
Wegen der aktuellen Pandemie-Einschränkungen
vergewissern Sie sich vor der Anreise bitte, ob die
genannte Veranstaltung auch tatsächlich stattfindet.
Juli 2020
SA, 11.07. – SO, 12.07.2020
Sonnetagung
Ort: Planetarium des Museums am Schölerberg,
Klaus-Strick-Weg 10, 49082 Osnabrück. Kontakt: Michael Delfs,
info@vds-sonne.de
MO, 20.07. – MI, 22.07.2020
17. Bundesweite Lehrerfortbildung Astronomie in Jena
Ort: Physikalisch-Astronomische Fakultät, Friedrich-Schiller-
Universität Jena.
Bundesweite Fortbildungsveranstaltung für Lehrerinnen und
Lehrer, die im Rahmen des Astronomie-, Physik- oder Geografie-
Unterrichts, als Leiter von Arbeitsgemeinschaften oder als Mitarbeiter
von Volks- und Schulsternwarten und Planetarien astronomische
Bildung vermitteln.
SA, 25.07. – SO, 26.07.2020
WAA-Sommerworkshop „Welches Fernrohr passt zu mir?“
Ort: Hohe Wand beim Alpengasthof Postl.
Auftakt zur dies jährigen WAA Summer Star Party.
Info u. Anmeldung: https://www.waa.at/workshop/2020-3sws/
index.shtml
August 2020
SA, 01.08. – SA, 15.08.2020
Astronomisches Sommerlager (ASL 2020)
Ort: Schullandheim Wolfsburg (St. Andreasberg im Harz).
Für Anfänger und Fortgeschrittene im Alter von 14 bis 24 Jahren.
Anm.: Vereinigung für Jugendarbeit in der Astronomie e.V.
(VEGA), Info: www.vega-astro.de
FR, 14.08. – SO, 16.08.2020
Raffaels Starparty (Malliß)
Ort: Campingplatz „Am Wiesengrund“ Malliß.
Kleines familiäres Teleskoptreffen am Selenter See. Organisator:
Raffael Benner. Info: https://astronomie-nord.de/
teleskoptreffen/raffaels-starparty
Aktuelle Informationen im Terminkalender der VdS
unter www.vds-astro.de
FR, 14.08. – SO, 16.08.2020
Burggespräche des Orion
Ort: Schloss Albrechtsberg an der Pielach, Österreich.
Himmlisches Wochenende mit Sternschnuppen, Sonne, Mond
und Planeten. Für Hobbyfotografen tagsüber interessante Motive
im Schloss und nachts am Himmel.
Info: www.burggespraeche.info
DO, 20.08.2020
11. Mecklenburger Teleskoptreffen (MTT)
Ort: Campingplatz im Ortsteil Garden der Gemeinde Lohmen,
Mecklenburg, 20 km südlich v. Güstrow.
Sehr dunkler Himmel, freie Sicht zu den wichtigsten Himmelsrichtungen,
Möglichkeiten für Camping und Übernachtung,
saubere Sanitäranlagen und 230-V-Anschluss.
Info: http://www.astronomieverein.de/index.php?seitenname=
Teleskoptreffen
DO, 20.08. – SO, 23.08.2020
WestHavelländer AstroTreff (WHAT)
Ort: Havelaue, Ortsteil Gülpe. Kontakt: Förderverein Sternenpark
Westhavelland e.V., Info@sternenpark-westhavelland.eu,
Info: http://sternenpark-westhavelland.eu/what
DO, 20.08. – SO, 23.08.2020
Bayerisches Teleskop Meeting (BTM)
Ort: Osterberg bei Pfünz/Eichstätt. Größtes amateurastronomisches
Event in Bayern mit 20-jähriger Geschichte.
Info: www.astronomie-ingolstadt.de/btm
DO, 20.08. – SO, 23.08.2020
Hunsrücker Teleskoptreffen HuTT
Ort: Sportplatz bei 55430 Perscheid/Hunsrück.
FR, 21.08. – SA, 22.08.2020
19. Astronomietage „Mirasteilas“
Ort: Sternwarte Mirasteilas, Falera (Graubünden/Schweiz).
Teleskoptreffen.
Info: www.mirasteilas.net
130 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 131
Vorschau
Beobachterforum
SA, 22.08.2020
11. City-Star-Party Stuttgart
Ort: Stuttgart, ab 14 Uhr.
Besuchen Sie uns gerne mit oder auch ohne Ihr Teleskop auf der
Sternwarte Stuttgart auf der angrenzenden ca. 2.000 m² großen
Wiese, auch Anfänger. Eintritt frei.
Anm. u. Info: www.city-star-party.de
SA, 22.08.2020
H-alpha-Treff Rüsselsheim (HaTR)
Ort: Ewald-Becher-Sternwarte in Rüsselsheim,
Beginn 10 Uhr.
Info u. Anfahrt: www.ruesselsheimer-sternfreunde.de
FR, 28.08. – DI, 01.09.2020
39. European Symposium on Occultation Projects (ESOP)
Ort: Freiburg. Info u. Anm.: esop39.iota-es.de
September 2020
DO, 17.09. – SO, 20.09.2020
Internationales Teleskoptreffen in Kärnten (ITT)
Ort: Sattleggers Alpengasthof, Emberger Alm, Berg im Drautal,
Österreich.
Eines der höchstgelegenen Teleskoptreffen (1.900 m), herrlicher
Sternhimmel mit Camping-Möglichkeit – früher kommen &
länger bleiben möglich! Info: www.alpsat.at/internationalesteleskoptreffen-itt_D.html
DO, 17.09. – SO, 20.09.2020
Schleswig-Holsteiner Teleskoptreffen (SHT)
Ort: Rendswühren, Schleswig-Holstein.
Antwort
Vereinigung der Sternfreunde e.V.
Postfach 11 69
64629 Heppenheim
Kontakt: SHT@Sternwarte-nms.de,
Info: www.sternwarte-nms.de/veranstaltungen/
teleskoptreffen-sht
DO, 17.09. – SO, 20.09.2020
11. Sankt Andreasberger Teleskoptreffen (STATT)
Ort: Sankt Andreasberg.
Beobachtungsmöglichkeiten u. Rahmenprogramm mit
Vorträgen von renommierten Fachleuten.
Info: www.sternwarte-sankt-andreasberg.de/termine/statt/
DO, 17.09. – SO, 20.09.2020
Herzberger Teleskoptreffen (HTT)
Ort: Jeßnigk im Süden Brandenburgs.
Kontakt: info@herzberger-teleskoptreffen.de,
Info: www.herzberger-teleskoptreffen.de
FR, 18.09. – SO, 20.09.2020
Almberg-Treffen Mitterfirmiansreut (ATM)
Ort: Almberg (1.139 m) bei Mitterfirmiansreut, Bayerischer Wald.
Info: www.almberg-treffen.de
SA, 19.09.2020
10. Norddeutsches Sternwartentreffen (NST)
Ort: Aula der KGS in Tornesch bei den Sternfreunden Tornesch.
Sternfreunde können im Rahmen von Kurzvorträgen ihre Sternwarte,
Projekte oder Forschungen vorstellen.
Info: https://astronomie-nord.de/tagungen/nst
FR, 25.09. – SO, 27.09.2020
Teleskoptreffen Hoher Berg (TTHB)
Ort: Hoher Berg südlich von Bremen, auf einem ehem.
militärisch genutzten Gelände.
Info: www.astroberg-syke.de
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UrsaMajor Observatory
– Teil 2: die Technik
von Markus Blauensteiner
In diesem zweiten Teil gehe ich auf die technischen
Details der Sternwarte ein – was die
Teleskope und Zubehör betrifft, aber auch
was die „Peripherie“ angeht. Ganz perfekt
ist es wohl nie – gerade während ich diese
Zeilen schreibe, steht zum Beispiel ein Kamerawechsel
bevor. Mal sehen, was dabei
herauskommt.
Beginnen wir mit dem Wichtigsten für
die Astrofotografie – den Instrumenten
(Abb. 1 und 2). Bei der Montierung fiel die
Wahl auf eine 10Micron GM2000 HPS II,
ein wirklich sehr präzise laufendes Stück
Technik. Sie lässt sich über LAN ansteuern
– eine sehr schöne Sache gegenüber USB
oder seriellen Verbindungen. Dazu später
mehr. Auf der Montierung tun zwei Teleskope
ihren Dienst. Ein 250-mm-Newton
mit f = 1.000 mm von Lacerta [1], und ein
Takahashi Epsilon 130ED mit f = 430 mm.
Am großen Newton kommt eine CCD-Kamera
Starlight Xpress Trius 649 zum Einsatz,
was einen Bildmaßstab von 0,93’’ / Pixel
ergibt. Im Filterrad (ebenfalls Starlight
Xpress) sind L/R/G/B/Hα/[OIII] Filter
von Baader. Der Motorfokus am Newton
kommt ebenfalls aus dem Hause Lacerta,
und als Nachführkamera kommt der bekannte
Lodestar zum Einsatz. Das Guiding
erfolgt über einen Off-Axis-Guider, ebenfalls
von Starlight Xpress [2]. Am TAK Epsilon
sammelt (noch) eine Moravian G2-
8300 Photonen (Bildmaßstab 2,60’’ / Pixel).
Beim Filterrad kommt das große Rad mit
10 Plätzen desselben Herstellers zum Einsatz,
Off-Axis-Guider und Nachführkamera
stammen ebenfalls aus diesem Hause.
Die Filtersatz-Bestückung wie oben plus
[SII] ist wiederum von Baader. Der Motorfokus
an diesem Teleskop ist ein Robofocus.
Beide Teleskope sind nebeneinander montiert.
Unter dem kleinen TAK Epsilon (ich
schreibe „klein“, man darf aber sein Gewicht
nicht unterschätzen!) hat mir Peter
1 Die Teleskope – links der 250-mm-Newton, rechts der TAK Epsilon 130ED
Großpointner eine Vorrichtung konstruiert,
mit deren Hilfe die Optik exakt parallel
zum Newton ausgerichtet werden kann.
Natürlich ist auch ein Staubschutz installiert,
sprich PC-gesteuerte Deckel. Für
beide Teleskope wurde die „SnapCap“ von
Gemini telescope design [3] gewählt, ohne
Flatfolie. Warum kein Flatfolien-Einsatz im
Deckel? Die Konstruktion für den großen
Newton ist mit etwa 1.800 g sehr schwer,
wobei das Ganze auch noch im kritischen
Bereich der Fangspiegelspinne befestigt
ist. Vorsicht ist auch bei solchen Deckeln
mit Folie geboten, die sich nur 90° öffnen
lassen: hier kann Streulicht an der weißen
Fläche Gradienten erzeugen, die eine wahre
„Freude“ sind. Zudem setzt sich im geöffneten
Zustand im Laufe der Zeit auf dem
Datum, Unterschrift
Journal für Astronomie Nr. 74 | 133
Beobachterforum
Beobachterforum
Flatfolien-Einsatz Staub und Schmutz ab,
was sicher nicht ideal für Flats ist.
Um die Anzahl der Kabel zu reduzieren, ist
an jedem Teleskop ein USB-Hub und eine
Verteilerbox für 12 V für eben dieses Teleskop
befestigt. So müssen nur die „Hauptleitungen“
vom Teleskop weg zugfrei zum
Boden und weitergeführt werden. Somit
sind zwar alle Verbraucher eines Teleskops
(= Kamera, Motorfokus und ggf. Filterrad)
nur gemeinsam schaltbar, aber immerhin
für beide Teleskope unabhängig. Für die
USB-Hubs gibt es zwei getrennte Netzteile,
um sie jederzeit einzeln aus- und einschalten
zu können, was sich schon bewährt hat.
Ursprünglich war die Sternwarte mit einem
Antrieb und einer Steuerung von Scope
Dome ausgestattet. Beides ist identisch mit
dem angebotenen Set für die Kuppeln von
ScopeDome, bloß reduziert auf das Notwendige
für ein Rolldach. Sagen wir es so:
Meine Beziehung zu ScopeDome wurde
vom ersten Tag an auf eine harte Probe gestellt.
Verschiedene Dinge funktionierten
nicht so wie vorgesehen, manche Komponente
fehlte bei der Lieferung (die sehr spät
erfolgte und wir erinnern uns: der nächste
große Ort ist weit, weit weg). Das erzeugte
Unsicherheit. Eines sollte aber nahezu
100% sicher sein bei einer Remote-Sternwarte:
dass das Dach schließt.
Daher stellte ich mit tatkräftiger Unterstützung
durch Stefan Reichmann (er ist der
Konstrukteur der Hütte) im Sommer 2018
auf eine Relaisbox von Lunatico („Dragonfly“
[4]) um, die nun mit den zugehörigen
Scripten das Dach sehr zuverlässig steuert
und noch ein paar andere Aufgaben übernimmt.
Dragonfly ist im Gegensatz zur
ScopeDome-Steuerung über LAN ansteuerbar.
Der Dachantrieb setzt sich somit
zusammen aus einem Motor + Spannungswandler
aus dem ScopeDome-Paket und
dem Dragonfly.
2 Blick Richtung Osten auf die Teleskope
Ein wichtiger Punkt: Das Dach lässt sich
immer schließen, egal wie das Teleskop
gerade steht. Versagt die Einparkroutine
für das Teleskop, kann die Dachsteuerung
trotzdem bedenkenlos das Dach zufahren.
Mittlerweile sind zwei PCs in Betrieb –
einer für jedes Teleskop. Das bietet Redundanz,
sollte einer mal ausfallen. Hier
kommt wieder die Tatsache ins Spiel, dass
sich sowohl die Montierung als auch die
Dachsteuerung über LAN ansteuern lassen.
Beides ist somit problemlos von beiden
PCs aus erreichbar, ohne dass jemand
Kabel umstecken müsste.
Eine ganz wesentliche Komponente – die in
den heimischen Gartensternwarten wohl
eher selten anzutreffen ist – ist eine USV
(unabhängige Spannungsversorgung). Sie
ist in der Lage, die gesamte Sternwarte bei
einem Stromausfall für mindestens fünf
Minuten mit Strom zu versorgen. Das ist
völlig ausreichend, um das „Notfallprotokoll“
ablaufen zu lassen. Im Wesentlichen
soll das Dach geschlossen und der PC heruntergefahren
werden. Wie weiß nun die
Sternwarte, dass sie „stromlos“ ist? Diese
Feststellung geschieht auf zwei Arten. Erstens
ist die USV am PC angeschlossen und
wird von diesem als „Akku“ erkannt. Bei
Stromausfall läuft der PC also auf Akku.
Bei jedem PC lässt sich einstellen, was er
im Akkubetrieb nach einer bestimmten
Zeit machen soll. Hier ist ganz einfach „herunterfahren
nach 4 Minuten“ eingestellt.
Sollte in der Zwischenzeit der Stromausfall
vorbei sein, geht der Betrieb normal weiter.
Zweitens verfügt der Wettersensor, ein Lunatico
AAG, über ein Relais, das sich immer
dann öffnet, wenn die Wetterbedingungen
„schlecht“ (= unsave) sind – oder eben der
Strom ausfällt. Dazu darf der AAG natürlich
nicht hinter der USV angeschlossen
sein, sondern muss direkt am Stromnetz
hängen. Den Zustand des Relais überwacht
die Dachsteuerung. Sie schließt das Dach,
sobald der Status „unsave“ erreicht wird.
Also sowohl bei Schlechtwetter (was ich im
nächsten Absatz noch näher erläutere) als
auch bei Stromausfall.
3 So sieht der Bildschirm im laufenden Betrieb aus.
Die Wetterüberwachung: Wir verfügen
über zwei AAG Cloudwatcher (Redundanz
...). Beide sind jeweils an einem eigenen
kleinen PC angeschlossen, dort werden die
gelieferten Daten gespeichert und auch ausgewertet.
Auf die Daten (eine kleine, simple
Datei) kann jeder Sternwartenbesitzer über
das Netzwerk zugreifen und am lokalen PC
mit der passenden Software auswerten. Das
bedeutet, dass jeder für sich die Parameter
für „klar“, „wolkig“ usw. und auch für „sicher“
und „unsicher“ definieren kann. Die
Sternwarten-Steuerungsprogramme (egal
ob der von mir verwendete CCD Commander
oder andere wie CCD Autopilot,
Sequence Generator pro, ...) greifen immer
auf diesen Status zu. Somit bestimmt jeder
Sternwartenbesitzer selbst, wann sein Dach
öffnet und schließt.
Ich habe zusätzlich den kleinen Vorteil, dass
der zweite AAG an meiner Hütte befestigt
ist und daher das oben beschriebene Relais-
Kabel auch in meine Hütte führt. Ich habe
es an meiner Dachsteuerung angeschlossen.
Wann das Relais öffnet (d.h. wann der
Status „unsave“ ist), wird auf jenem PC definiert,
an dem der AAG angeschlossen ist.
Dort habe ich die Wetterparameter etwas
„sanfter“ eingestellt als auf meinem lokalen
PC. Einfach ausgedrückt: wenn auf meinem
PC bereits „wolkig“ angezeigt wird, ist
es am AAG-PC noch „klar“. Mein lokaler
PC wird das Einparken der Montierung,
Aufwärmen der Kamera, Schließen des
Staubschutzdeckels und des Daches veranlassen.
Sollte der lokale PC das nicht tun –
beispielsweise, weil er „hängt“, so registriert
der AAG-PC die Wolken einige Minuten
später, geht in den Status „unsave“ und öffnet
das Relais. Dadurch wiederum tritt die
Dachsteuerung in Aktion und schließt das
Dach. Teleskop parken usw. kann sie allerdings
nicht. Auf diese Weise ist erneut Redundanz
geschaffen: reagiert die erste Instanz
nicht auf das Wetter, tritt wenig später
die zweite Instanz in Aktion.
Das Ein- und Ausschalten der Geräte (PC,
Montierung, Kameras, USB-Hubs, Lüfter
für Teleskop und Hütte, Dachsteuerung)
erfolgt über zwei „IP-Steckdosen“, konkret
sind es Steckdosen des Typs „Gude Expert
Power Control“. Für alle sechs Sternwarten
zugänglich und nutzbar sind die zwei AAG-
Cloudwatcher-Wettersensoren, ein SBIG-
Seeingmonitor, eine Überwachungskamera
für das Grundstück und eine All-Sky-
Cam für den nächtlichen Himmel.
Wir verfügen glücklicherweise über zwei
unabhängige ADSL-Anschlüsse sowie
einen „GSM-Notanschluss“. Zum einen
bewährt es sich, wenn sich die bis zu sechs
Nutzer auf zwei Leitungen aufteilen, zum
anderen ist schon mal ein Anschluss ausgefallen
und es zeigt sich, dass der Support
seitens des Internetanbieters teils ziemlich
zu wünschen übriglässt. Vielleicht steht
diese strukturschwache Region nicht unbedingt
weit oben auf der Prioritätenliste.
Betrieb in der Praxis
Im nächtlichen Betrieb braucht es ein Programm,
das mehr oder weniger alle Vorgänge
in der Sternwarte automatisch steuert.
Mehr oder weniger soll heißen, dass man
wahrscheinlich nicht für jede Kleinigkeit
134 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 135
Beobachterforum
Beobachterforum
Unterm südlichen Sternenhimmel
von Hubert Hermelingmeier
unbedingt eine Fernsteuerung braucht. Bei
mir z.B. sind die Lüfter in der Hütte, jene
am Teleskop und auch die Staubdeckel beider
Teleskope von Hand einzuschalten bzw.
zu öffnen. Das dauert nur wenige Sekunden
und erfolgt am Abend nach einer letzten
Überprüfung des Wetters. Alles Weitere,
wie Kühlen der Kamera, Öffnen und
Schließen des Daches, Objekt anfahren, Fokussieren,
gegebenenfalls einen Leitstern
suchen und anschließend Guiden, … sollen
automatisch ablaufen. Es gibt verschiedenste
Programme dafür – manche steuern
alle Komponenten selbst, andere greifen
auf verschiedene Steuerprogramme für die
einzelnen Komponenten zu. Ich verwende
CCD Commander [5], ein Programm,
das zur zweiten Kategorie gehört. Das bedeutet,
meine Kamera wird via MaxImDL
6.20 bedient, der Motorfokus via Focus-
Max, das Dach über die eigene Steuerung
von Lunatico. CCD Commander greift auf
diese Programme zu und löst dort den gewünschten
Prozess aus. Ich habe mich für
CCD Commander entschieden, weil es ein
recht einfach aufgebautes Programm ist,
und sich im laufenden Betrieb Änderungen
vornehmen lassen, ohne dass alles angehalten
werden muss.
In CCD Commander gibt man einzelne
Aktionen vor, wie z.B. das Dach zu öffnen,
die Kamera zu kühlen, zu bestimmten Koordinaten
zu fahren, Sky-Flats zu machen
oder auch einfach nur zu warten. Die meisten
dieser Aktionen lassen sich auch zu sogenannten
„Sub-Actions“ zusammenfassen,
das sind dann Aktionen, die mehrere
Aktionen beinhalten. Man könnte z.B. eine
Sub-Action erstellen, die den Schwenk zu
einem Objekt, ein plate-solving zur Überprüfung
des Bildausschnittes und anschließend
das Fokussieren an einem bestimmten
Stern beinhaltet. Diese Aktion speichert
man unter einem passenden Namen (z.B.
„M 27 east“) ab. In der Reihe Aktionen für
4 Die Oberfläche von CCD Commander mit den Aktionen für die kommende Nacht
die Nacht braucht man nun nur noch die
Aktion „M 27 east“ einfügen, und die genannten
drei Vorgänge werden ausgeführt.
Das macht die Liste deutlich übersichtlicher.
Solche Sub-Actions lassen sich auch
für andere, immer gleiche Vorgänge nutzen
– man denke an das Ende der Nacht:
da wird immer das Dach geschlossen, die
Montierung geparkt und die Kamera aufgewärmt.
Und schon ist das eine Aktion namens
„good morning“ (Abb. 3 und 4).
Am Abend wird die Verbindung zum PC in
Frankreich aufgebaut. Der Zugriff auf die
IP-Steckdosen erfolgt über den Browser, es
werden die Kameras, die Dachsteuerung,
die Lüfter in der Hüttenwand und der Teleskoplüfter
eingeschaltet. Anschließend
wird im CCD Commander das Aktionspaket
für die Nacht zusammengestellt bzw.
jenes der vorangegangenen Nacht modifiziert.
Dann noch die Deckel der Teleskope
geöffnet, und ab diesem Punkt übernimmt
CCD Commander das Zepter. Das vorgegebene
Programm wird abgearbeitet, hoffentlich
bis zum Morgengrauen. Nach der
Datenübertragung nach Hause sind wieder
frische Rohbilder für das nächste Astrobild
auf der Festplatte gelandet. Ob das nicht
langweilig ist? Für mich nicht. Ich mag, was
die Technik alles möglich macht und habe
große Freude damit.
Quellenhinweise (Stand: Oktober 2019):
[1] Lacerta-Produkte: www.teleskopaustria.at
[2] Starlight Xpress: www.sxccd.com
[3] PC-gesteuerte Deckel „SnapCap“:
www.geminitelescope.com
[4] Relaisbox von Lunatico:
www.lunatico.es
[5] Steuerprogramme für einzelne Komponenten:
www.ccdcommander.com
1 Aufbau der Säule mit der Montierung Celestron CGE Pro
Im März 2019 erreichte uns eine E-Mail aus unserer lokalen Mailingliste.
Ein Amateurastronom aus Bielefeld suche Hilfe beim
Aufbau einer Astrofarm in Namibia. Ich schickte die Mail mit
einem zwinkernden Auge an einen Freund weiter, der seit kurzem
Pensionär war. Er war sofort interessiert, zumal Namibia
schon lange auf unserer Exkursionsliste stand. Wir beide hatten
Lust auf diese Aufgabe. Nach der Durchsicht meines Terminkalenders
und einem Blick auf die Mondphasen war der Entschluss
schnell gefasst. Die Wetterkarte zeigte häufig gute Bedingungen
und der abnehmende Mond dominierte den Morgenhimmel.
Beste Voraussetzungen für die Beobachtung des südlichen Sternenhimmels.
Nach einem Nachtflug mit Air Namibia wurden wir von Faried
Abu-Salih, dem Gründer und Projektleiter von DeepSkySafaris,
am Flughafen in Windhoek abgeholt und gemeinsam fuhren wir
über eine Schotterpiste 180 km nach Südwesten. Unser Ziel war
die Rooisand Desert Ranch, eine Gästefarm, am Fuße des Gamsberg
direkt an der C26 auf ca. 1.200 m Höhe. Hier hat die junge Firma
DeepSkySafaris ihre erste Heimat gefunden. Wir wurden von
der Farmerfamilie und ihrem Manager herzlich empfangen. In
einem kleinen Chalet, ca. 2,5 km oberhalb der Gästefarm gelegen,
bezogen wir unser Quartier. Das Chalet ist mit zwei Schlafräumen
und 2 Bädern für 4 Personen ausgelegt und bestens ausgestattet.
Draußen befinden sich zwei Betonplattformen und das Gelände
wird von einem Elektrozaum gesichert. Was wollten wir mehr!
3 Der montierte 12-Zoll-Ritchey-Chrétien-Astrograf
wird nach der Montage ins Depot gebracht.
2 Der Firmengründer Faried Abu-Salih bei Montagearbeiten
auf der Beobachtungsplattform
136 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 137
Beobachterforum
Beobachterforum
4 Der Autor bei der Montage des 16-Zoll-Spiegels
am Gitterrohrdobson
5 Die Montierung Fornax 102 wird montiert.
Beide stehen in unserer Region leider nicht sehr hoch
über dem Horizont. Aber gerade der Omeganebel ist
unter dem südlichen Himmel im Vergleich dazu eine
Wucht. Die Zentralregion erschien dreidimensional
und erinnerte mich an das Gehäuse einer Köcherfliege,
auf das man schräg von der Öffnung her blickt –
fast gesichtsfeldfüllend. Ebenso der Kugelsternhaufen
Omega Centauri. Bei 140-facher Vergrößerung fast
gesichtsfeldfüllend und aufgelöst bis ins Zentrum.
Sehr beeindruckend. Eta Carinae in der Milchstraße
zeigte viele Details. Es wechseln sich Dunkelwolken
und gasgefüllte Regionen ab. Die Gaswolken zeigten
viele Schattierungen, erschienen stellenweise aufgebläht
und an anderen Stellen wieder eingeschnürt.
Dazwischen immer wieder helle Sterne. Die Dunkelwolken
verstärken anscheinend den Kontrast der grau
schattierten Gaswolken.
7 Zeichnung des Autors vom Tarantelnebel am 16-Zoll-Gitterrohrdobson
Nach einer kurzen Pause und einem kleinen
Rundgang auf der Farm verloren wir keine
Zeit und begannen mit dem Auspacken der
Geräte, die am Tag zuvor von einem Spediteur
angeliefert worden waren: 950 kg
Astro-Material auf drei Europaletten! Wir
hatten uns bereits Teleskope ausgesucht, die
wir in der Nacht „testen“ wollten.
Bei 30 °C im Schatten packten wir aus, sortierten,
verschraubten und kollimierten in
den nächsten Tagen Teleskope und Montierungen
bester Qualität. Unterstützung bekamen
wir immer wieder von dem Farmer
und dessen Verwalter.
Wenn wir am Abend vor die Tür traten, ging
der erste Blick natürlich unmittelbar zum
Himmel. Sofort fielen uns das Kreuz des
Südens und der Kohlensack (Dunkelwolke)
auf. Knapp über dem Gamsberg standen die
beiden Magellanschen Wolken. Die hatte
ich nicht so groß erwartet. Der Horizont war
unerwartet klar, so dass die Sterne beim Aufund
Untergang in ihrer Helligkeit kaum getrübt
wurden. Die tiefe Dunkelheit war ungewohnt
für mich und ich schaute immer
wieder zum Boden, um nicht zu stolpern.
6 Der Freizeitbereich der Rooisand Desert Ranch mit Pool
In der ersten Nacht wollte ich mich vornehmlich
orientieren und hatte mir einen
100er-APM-Bino zur Beobachtung der
Milchstraße gewählt. Die bekannten Sternbilder
der Nordhemisphäre standen auf
dem Kopf, Orion lag auf der Seite, knapp
über dem Horizont. Die erste Orientierung
fiel mir daher nicht leicht. Das Bino zeigte
unglaubliche Details in der Milchstraße,
deren Zentrum fast im Zenit stand. Immer
wieder hatte ich Schwierigkeiten, mich an
den Sternbildern des Südhimmels zu orientieren.
Für die folgenden Nächte hatte ich
mir einen Gitterrohrdobson mit 16 Zoll
Öffnung und die Ethos-Okularserie zum
Beobachten ausgesucht. Hier zu Hause
beobachte ich mit einem 150-mm-Refraktor
und einem 14-Zoll-Gitterrohrdobson.
Der Leistungsunterschied zwischen den
beiden Dobsons ist technisch nicht sehr
groß. Umso imposanter war es für mich,
die bekannten Objekte wie Sombreronebel
(M 104 in der Jungfrau) oder den Omeganebel
(M 17 im Schützen) zu beobachten.
Mit dem UHC-Filter traten zusätzliche Details auf.
Gigantisch. Ähnlich war es mit dem Tarantelnebel in
der GMW. In der Zeichnung ist mir die Wiedergabe
leider nicht in allen Details gelungen. Das war eine
Herausforderung, wie ich sie bisher beim Zeichnen
nicht kannte.
Da ich die Objekte per Starhopping aufgesucht hatte,
musste ich mich immer wieder mit bloßem Auge am
Himmel orientieren. Manchmal habe ich mich dann
im Stuhl auch einfach zurückgelehnt und den Anblick
der hellen Milchstraße genossen. Dabei habe ich immer
auch helle Sternschnuppen des Meteorstroms der
Eta Aquariden über den Himmel huschen sehen. Einige
davon waren so groß und hell, dass sie zerplatzten.
Das Zodiakallicht konnte ich ebenfalls abends und
morgens gut beobachten. In der Morgendämmerung
war durch die gute Horizontsicht sogar der Erdschatten
als graues Band sichtbar. Die Venus tauchte beim
Aufgang am Morgen hinter den Bergen so hell auf wie
nach einer Bedeckung durch den Mond.
Das Essen wurde auf der Gästefarm unterm großen
Strohdach serviert und bestand immer aus einem
reichhaltigen Buffet. Die Oryxhackbällchen haben
mir am besten geschmeckt. Die Familie und die Gäste
sitzen alle an einem Tisch. Dadurch hatten wir viele
interessante Gespräche und konnten viel über das
8 Zeichnung des Autors von der Galaxie Centaurus A am 16-Zoll-Gitterrohrdobson
Land und die Leute erfahren. Wir sind als Gäste gekommen
und nach einer Woche als Freunde wieder
abgereist. Es war eine sehr beeindruckende Reise für
mich unter einem wunderbaren Sternenhimmel.
Die Teleskope vermietet die Fa. DeepSkySafaris und
vermittelt die Unterkunft mit Verpflegung auf der
Rooisand Desert Ranch.
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Beobachterforum
Beobachterforum
Totale Sonnenfinsternis über Chile
– „Follow the shadow of the moon – and see the world!“
von Kerstin Rätz
Als uns eine Sonnenfinsternis-Freundin aus Deutschland diesen Satz mitgab, war uns klar
geworden, dass wir mittlerweile auch zur Gemeinde von Freunden der Astronomie gehören,
für die eine totale Sonnenfinsternis das ultimative Abenteuer ist; das Größte, was
man erleben kann und das so selten ist. Für den 2. Juli 2019 war wieder einmal ein solches
Himmelsschauspiel vorausgesagt – und wir sechs Sternfreunde vom Verein Sternwarte
Kirchheim machten uns auf nach Chile, um in die Zone der Totalität zu gelangen.
fahrt betrieben werden kann. Badestrände
sucht man hier allerdings vergebens – da
der Titicacasee von Gletschern gespeist
wird, erreicht er keine badeüblichen Temperaturen.
Dann hieß es Abschied nehmen
von Peru.
Peru
Wir verbanden diese Expedition mit einer
einwöchigen Reise nach Peru und wandelten
auf den Spuren der Inka. Beeindruckt,
was diese Kultur bereits im 13. bis 16. Jahrhundert
hervorgebracht hat, besichtigten
wir Bauwerke in Cusco, z. B. den „goldenen
Tempel“ Qoricancha. Wir hatten nicht geahnt,
dass schon damals das Prinzip der
Legosteine erfunden worden war – genauso
wurden nämlich große Steinquader zu
Mauern zusammengesetzt: ohne Mörtel
passgenau ineinander verzahnt!
Interessant ist, dass es bei den Inka kein
Geld gab, ihre Arbeit basierte auf gegenseitiger
Hilfe: „Erst bearbeiten wir dein Feld
zusammen, dann meines.“ Dem ständigen
Wassermangel wirkten sie mit Terrassenanbau
und Bewässerungssystemen entgegen
und bauten ausgeklügelte Vorratsspeicher.
Unser besonderes Erlebnis war der Besuch
der Inka-Festung Machu Picchu, im 15.
Jahrhundert erbaut und immer noch gut
erhalten. Die Gebäude sind auf Terrassen
gelegen und mit einem System von Treppen
verbunden. Sie verfügen über gut durchdachte,
in die Mauern eingebaute Wasserablauföffnungen.
Unser nächstes Ziel war Puno, die Busfahrt
dorthin führte über eine 4.328 m hohe
Ebene. In Puno angekommen, war es nicht
mehr weit zum Titicacasee. Er ist mit 3.812
m über dem Meeresspiegel das höchstgelegene
Gewässer der Erde, auf dem Schiff-
1 Unser Expeditionsteam, v.l.n.r.: Manfred und Kerstin Rätz, Jürgen und Liane Schulz,
Silvia und Manfred Kretzschmar, im Hintergrund auf Balkon und Wiese unsere Beobachtungstechnik.
Foto: ein Passant, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.
Chile
Wir flogen über Nacht, am nächsten Tag
hatten wir unser Date mit dem Paranal –
einem der größten astronomischen Observatorien
der Welt. Diese Sternwarte in der
Atacamawüste im Norden Chiles wird von
der Europäischen Südsternwarte (ESO) betrieben.
Wir waren sehr beeindruckt von
den großen Teleskopen!
In San Pedro de Atacama stand endlich wieder
ein Bett für uns bereit. Noch vor dem
Morgengrauen brachen wir zu den El-Tatio-Geysiren
auf. Womit wir nicht gerechnet
hatten: Je höher wir kamen, desto tiefer
sank das Thermometer im Auto … und
zeigte schließlich -13 °C an. Zwar hatten
wir eine Jacke mehr angezogen und Mützen
dabei, aber teilweise dünne Hosen an. Dann
aber erglühten die Bergspitzen von den ersten
Strahlen der aufgehenden Sonne … Um
den Krater des 4.280 m hohen Vulkans El
Tatio befindet sich ein Geothermalgebiet
mit Geysiren und heißen Quellen. Die Geysire
stoßen fast ständig Wasser und Wasserdampf
in hohen Fontänen aus. Warmes und
kaltes Wasser fließen in ein Becken zusammen,
in dem man baden kann – und das taten
wir auch (und keiner dachte daran, dass
immer noch -5 °C herrschten …).
Am Abend konnten wir endlich einmal die
Sterne des Südens in voller Schönheit genießen.
Wenn dann das Kreuz des Südens
sowie Alpha und Beta Centauri am Himmel
stehen und die Milchstraße in einer Pracht
erstrahlt, wie wir sie vom nördlichen Teil
des Sternenhimmels überhaupt nicht kennen,
dann fühlen sich Sternfreunde wie wir
2 Verlauf der Finsternis von Beginn bis Ende der Totalität; Fotos: Manfred Rätz
in ihrem Element. Herrlich wand sich der
Skorpion im Zenit. Wir hatten auch die Gelegenheit,
Objekte wie den Lagunennebel
und die Sombrero-Galaxie im Fernrohr anzuschauen.
Einige Tage später ereilte die Optimisten
das Glück. Als wir uns für La Silla – einem
weiteren großen astronomischen Observatorium
– zur Besichtigung anmelden wollten,
hieß es: ausgebucht! Doch wir hatten
die Idee, trotzdem einmal hinzufahren,
vielleicht erschienen ja nicht alle angemeldeten
Besucher, und es wurden wieder
Plätze frei? Tatsächlich ging unsere Rechnung
auf und wir durften die Sternwarte
besichtigen. Als wir dann unter dem Teleskop
mit 3,6 m Spiegeldurchmesser standen,
verschlug es uns ob dieser Gewaltigkeit fast
den Atem! Unsere letzte Reiseetappe war
La Serena – gelegen in der Totalitätszone
der Sonnenfinsternis am 2. Juli 2019. Eine
weite, erlebnisreiche Reise mit viel Kultur
und viel Landschaft sollte ihren krönenden
Abschluss finden, denn die Stadt La Serena
war voll auf „Eclipse“ gepolt.
Überall Plakate, Infostände, etwas außerhalb
der Stadt noch schnell planierte Flächen
für Beobachtungscamps. Sonnenfinsternisbrillen
gab es an jeder Ecke. Und
wir waren mit unseren gelben Sonnenfinsternis-T-Shirts
mittendrin; so kamen
wir oft mit Gleichgesinnten ins Gespräch
und lernten neue Sonnenfinsternisfreunde
kennen. Aber auch Bekannte trafen wir
in dieser abgelegenen Ecke der Welt. Dass
diesmal sogar ein Team des chilenischen
Fernsehens auf uns aufmerksam wurde,
hatten wir jedoch nicht geahnt. Zum Glück
spricht unser Reiseleiter Jürgen Schulz fließend
Englisch und berichtete über unsere
Expedition und die heimatliche Sternwarte
Kirchheim. Nun blieb es uns noch, auf gutes
Wetter zu hoffen.
Die Sonnenfinsternis
Am 2. Juli zeigte sich ein blauer Himmel
mit nur wenigen Wolken. Es sah so aus, als
würden sich diese im Laufe des Tages noch
auflösen. Schon am Morgen wurde die
Technik aufgebaut. Vor allem zwei Canon-
EOS-Kameras mit 500er- und 300er-Teleobjektiv,
jeweils durch ein Spezialprogramm
für Sonnenfinsternisse computergesteuert.
Temperatur und Himmelshelligkeit sollten
durch einen entsprechenden Sensor aufgezeichnet
werden. Eine weitere Canon-EOS-
Kamera nahm dazu mit konstanter Blende
und Belichtungszeit alle zwölf Sekunden die
Umgebung auf, um das Dunkelwerden und
die Lichtstimmung festzuhalten. Auf einem
großen weißen Blatt Papier hofften wir, fliegende
Schatten aufzunehmen – wir hatten ja
noch kleinere Kameras und Handys.
Um 15:22 Uhr Ortszeit war erster Kontakt,
der Mond begann, die Sonne zu bedecken.
Nachdem eine der Kameras Anlaufschwierigkeiten
hatte, klickten sie dann doch alle
fleißig und spulten ihr Programm ab. Wir
selbst verfolgten das Himmelsschauspiel
mit Sonnenfinsternisbrillen. Als die Sonne
etwa zu 70% hinter dem Mond verschwunden
war, machte sich schon dieses typische
fahle Licht bemerkbar. Kurz vor der Totalität
frischte der Wind auf – ein unheimlicher
Hauch von Kälte. (Dass die gefühlte Kälte
etwas ganz anderes war als der wahre Temperaturabfall,
sollten wir erst später bei der
Auswertung der Messwerte der Helligkeitsund
Temperatursensoren erfahren.)
Immer hat man zu wenig Hände … will
mit der Fotokamera ein Video aufnehmen,
auch mit Handy fotografieren und keinen
Augenblick verpassen … und da waren
sie, die fliegenden Schatten! Durch die wabernden
Luftschlieren unterschiedlicher
Temperatur und die Spaltwirkung des letz-
140 | Journal für Astronomie Nr. 74 Journal für Astronomie Nr. 74 | 141
Beobachterforum
Beobachterforum
Enkelkinder ans Teleskop!
von Karl-Heinz Kower
3 Die total verfinsterte Sonne mit
ten verbliebenen Sonnenlichts geisterten
leichte Zebrastreifen über die Landschaft.
Aber nicht auf der dafür vorgesehenen, eigens
ausgelegten weißen Fläche, sondern
an der Hauswand waren sie zu sehen. Bei
keiner der bisher beobachteten totalen Sonnenfinsternisse
hatten wir die fliegenden
Schatten auch nur erahnt. Um 16:38 Uhr
stand für einen winzigen Augenblick ein
Diamantring am Himmel – der Mond war
vollständig vor die Sonne getreten, die Korona
erstrahlte … unbeschreiblich schön.
Doch wie schnell war es wieder vorbei!
Schon blitzten die ersten Sonnenstrahlen
am Mondrand hervor – 3. Kontakt um
16:40 Uhr –, ein winziger Augenblick Diamantring,
dann überflutete das Sonnenlicht
die Landschaft, die noch in bläulichfahlem
Schein lag. Nochmal flimmerten die
geisterhaft scheinenden Schattengebilde.
Langsam gab der Mond die Sonne wieder
frei, um 17:46 Uhr war die Finsternis vollendet.
Interessant war dann, was inzwischen der
Helligkeits- und Temperatursensor aufgezeichnet
hatte. Die Helligkeit zeigt einen
allmählich sinkenden Verlauf – unterbrochen
von dem scharfen Minimum der totalen
Sonnenfinsternis. 1. und 4. Kontakt
sind gekennzeichnet, die Zeit vom 2. zum 3.
Kontakt entspricht in dieser Darstellung in
etwa der Strichdicke beim Minimum. Um
17:56 Uhr war Sonnenuntergang (in der
Darstellung Minute 77), der steile Abstieg
am Ende repräsentiert diesen.
Korona; Foto: Manfred Rätz
Es ist verblüffend,
wie sehr die Empfindung
des Temperaturabfalls
von
der Wirklichkeit
abweichen kann.
Gefühlt hätte man
mindestens 5 °C
geschätzt (bei
einer totalen Sonnenfinsternis muss es
doch eisig kalt werden!), tatsächlich waren
es ca. 3 °C. Der „nur“ von der Bedeckung
der Sonne durch den Mond verursachte
Temperaturabfall wurde diesmal überlagert
vom bevorstehenden Sonnenuntergang.
Man sieht auch die schon bei früheren
Sonnenfinsternissen beobachtete zeitliche
Verschiebung des Temperaturminimums
gegenüber dem Helligkeitsminimum, das
direkt mit dem Totalitätszeitpunkt zusammenfällt:
Bleibt das Sonnenlicht aus, dann
gibt der Boden noch Wärme an die Luft ab,
ehe die Abkühlung wirksam wird.
Bei der Auswertung unseres Foto- und Videomaterials
stellten wir fest, dass wir die
fliegenden Schatten tatsächlich festhalten
konnten. Auf einem Handyvideo von Manfred
Kretzschmar sind sie richtig gut zu sehen.
Der Versuch, daraus ein Standbild zu
gewinnen, um sie hier zu zeigen, brachte
allerdings einen zu geringen Kontrast. Aber
vielleicht tut sich irgendwann für uns eine
neue Chance auf. Denn es kommt uns so
vor, als sollte das nicht die letzte totale Sonnenfinsternis
für uns gewesen sein. Wenn
einen der Virus einmal befallen hat …
4 Diagramme
zum Helligkeits-
und Temperaturverlauf
bei der
totalen Sonnenfinsternis.
Diskussion
dazu
s. Text
„Opa, du schaust dir immer die Sterne an, dürfen wir denn auch mal?“ So
meine beiden Enkelinnen Amélie und Josephine. Wer könnte da nein sagen.
Schnell war ein kleiner Refraktor aufgebaut und umgehend folgte ein erster
Test. Am selben Abend standen in der Dämmerung Mond, Jupiter und Saturn
tief am Himmel. Der Mond schien nicht so interessant, aber Jupiter und
Saturn wurden lange verfolgt und mussten immer wieder ins Gesichtsfeld geholt
werden. Neben Jupiter wurden vier kleine Sterne entdeckt – die Galileischen
Monde. Und dann kam die völlig überraschende Frage: „Opa, warum
hat der Jupiter denn einen roten und einen blauen Rand?“
Oh je, nun war es doch aufgefallen, ich hatte einen meiner ersten Refraktoren
mit 70 mm Öffnung und 700 mm Brennweite hervorgeholt. Er hat als einfacher
Achromat noch die bekannten Farbabweichungen. Beim nächsten Mal
werde ich also meinen 10-Zoll-Newton aufstellen, dann natürlich auch mit
stabiler Leiter.
Anmerkung der Redaktion
Hier können gern auch weitere Berichte zur Astronomie mit Kindern
veröffentlicht werden. Uns allen ist klar: Wir brauchen dringend den
„astronomischen Nachwuchs“.
Peter Riepe
1 Meine Enkelin Amélie bei ihren ersten Beobachtungen
am Refraktor
Die schmale
Mondsichel
Die schmale Mondsichel am Abend- und am
Morgenhimmel. Aufnahme von Patricio
Calderari am Standort Breite 45° 52’ 13’’ N und
Länge 08° 58’ 03’ O, Höhe 350 m. Kamera:
Nikon D810, Objektiv Nikkor 200-500 mm
(f/5,6). A: Mond am ersten Tag, 27.12.2019
um 16:39 Uhr, Brennweite 500 mm, Blende 8,
1 s belichtet. B: Mond am letzten Tag,
23.01.2020, 07:24 Uhr, 500 mm, Blende 8,
1 s belichtet.
Impression
142 | Journal für Astronomie Nr. 74
Journal für Astronomie Nr. 74 | 143
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