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Die Neue Hochschule Heft 3-2020

Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. - Themenschwerpunkt: Nachhaltigkeit in Lehre, Forschung und Hochschulalltag

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27<br />

„Eine Zivil- oder Friedensklausel ersetzt folglich<br />

keine Compliance-Maßnahmen im Bereich der<br />

Exportkontrolle, sondern schließt nur die<br />

explizite Forschungsausrichtung zu<br />

militärischen Zwecken aus und verdeutlicht eine<br />

Grundeinstellung der Hochschulkultur.“<br />

für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die<br />

Natur- und Ingenieurwissenschaften. In einzelnen<br />

Wissenschaftsbereichen können die Informationen<br />

aus Forschungsarbeiten, Entwicklungen, Fertigungsverfahren,<br />

Management sowie Kooperationsvorhaben<br />

besonders proliferationsrelevant sein und<br />

sind dadurch aus Sicht der Exportkontrolle besonders<br />

sensibel.<br />

Exportkontrolle vs. Wissenschaftsfreiheit<br />

Zunächst hat jedermann das Recht zu forschen<br />

und die Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit<br />

zugänglich zu machen. Normiert ist diese Wissenschaftsfreiheit<br />

in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes<br />

(GG). <strong>Die</strong>s umfasst die Freiheit der Lehre sowie<br />

die Möglichkeit zur Verbreitung von wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen. Warum sollte die im Grundgesetz<br />

verankerte Freiheit der Wissenschaft und<br />

Forschung also eingeschränkt werden?<br />

Rechte Dritter und Verfassungsgüter wie das Recht<br />

auf Leben und körperliche Unversehrtheit führen<br />

zur Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Eine<br />

maßgebliche Rechtfertigung ergibt sich zum einen<br />

bei der Herstellung von atomaren, biologischen oder<br />

chemischen Waffen, Flugkörpern sowie Dual-Use-Gütern<br />

als solchen und zum anderen aus der dazugehörigen<br />

Technologie. Technologie umfasst die gesamte<br />

Wissensbasis, somit das Know-how, welches zur<br />

Problemlösung benötigt wird, einschließlich wissenschaftlicher<br />

Methoden und immaterieller Güter. Mit<br />

der Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit soll der<br />

unkontrollierte Informationsfluss und die dadurch<br />

potenziell bedingte Förderung von Menschenrechtsverletzungen<br />

und kriegerischen Handlungen eingedämmt<br />

werden.<br />

Zur Förderung des Schutzes der genannten Güter<br />

und Rechte lehnen einige <strong>Hochschule</strong>n eine Beteiligung<br />

an Wissenschaft und Forschung mit militärischem<br />

Hintergrund in einer Zivil- oder auch Friedensklausel,<br />

welche in ihrer Satzung verankert ist,<br />

ab. Fraglich ist, ob eine solche Klausel ausreicht, um<br />

diesen Schutzgedanken gerecht zu werden und die<br />

exportkontrollrechtlichen Bestimmungen zu erfüllen.<br />

<strong>Die</strong> Festschreibung einer solchen Klausel allein<br />

genügt nicht. Über zahlreiche Umwege versuchen<br />

Hersteller von Massenvernichtungswaffen an Informationen<br />

zu gelangen. Sie geben vor, die Informationen<br />

oder Waren nicht für militärische Zwecke<br />

nutzen zu wollen, integrieren sich über verschiedenste<br />

Wege in Forschungsprojekte oder agieren über<br />

Dritte, um an die gewünschten Güter zu gelangen.<br />

Eine intensive Auseinandersetzung mit Kooperations-<br />

und Forschungspartnern sowie Abnehmern<br />

von Waren, <strong>Die</strong>nstleistungen und Informationen ist<br />

folglich unabdingbar. Zudem gibt es zahlreiche Güter<br />

mit einem doppelten Verwendungszweck, sodass es<br />

kaum möglich ist, eine militärische Nutzung gänzlich<br />

auszuschließen. Viele Kleinstteile, welche vermeintlich<br />

rein zivilen Forschungszwecken dienen, können<br />

in Verbindung mit weiteren Bauteilen auch für militärische<br />

Zwecke genutzt werden. Eine Zivil- oder Friedensklausel<br />

ersetzt folglich keine Compliance-Maßnahmen<br />

im Bereich der Exportkontrolle, sondern<br />

schließt nur die explizite Forschungsausrichtung<br />

zu militärischen Zwecken aus und verdeutlicht eine<br />

Grundeinstellung der Hochschulkultur.<br />

<strong>Die</strong> Exportkontrollregeln und außenwirtschaftlichen<br />

Beschränkungen schränken die Wissenschaftsfreiheit<br />

und die Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs<br />

nach § 1 AWG gleichermaßen für Unternehmen,<br />

Privatpersonen und Wissenschaftler ein. <strong>Die</strong> Bestimmungen<br />

finden beispielsweise bei Forschungskooperationen<br />

mit ausländischen Einrichtungen, bei der<br />

Versendung von Geräten ins Ausland, bei der Zusammenarbeit<br />

mit Gastwissenschaftlern, beim Wissenstransfer<br />

und bei Veröffentlichungen Anwendung.<br />

<strong>Die</strong> Verbote und Genehmigungspflichten im<br />

Bereich der Exportkontrolle dienen als Umsetzungsinstrumente<br />

der entsprechenden exportkontrollrechtlichen<br />

Vorschriften. <strong>Die</strong> Genehmigungspflichten<br />

sind beispielsweise in der Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung<br />

(Ausfuhrliste) und in Anhang I zur<br />

DNH 03 | <strong>2020</strong>

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