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kultur Nr. 165

Magazin der Theatergemeinde BONN - April 2020

Magazin der Theatergemeinde BONN - April 2020

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kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 1

k u l t u r

mAgAziN der theAtergemeiNde boNN

Selbst die dunkelste Nacht wird enden und

die Sonne wird aufgehen.

Victor Hugo (Les Misérables)

nr 165

April 2020

Verkaufspreis 2 €

63187


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 2

kulturInhalt+Editorial

editorial

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

liebe Mitglieder der Theatergemeinde Bonn,

das Corona-Virus greift nun in alle unsere Lebensbereiche ein. Es hängt von

uns allen ab, wie wir diese globale Krise überstehen. Verantwortungsvolles

Handeln jedes einzelnen ist ebenso gefordert wie Solidarität untereinander.

Und das in einem Maß, wie wir es uns vor wenigen Tagen noch kaum vorstellen

konnten. Vielleicht werden die aktuell fraglos notwendigen Einschränkungen

unserer Grundrechte uns aber auch klarmachen, was wir verlieren,

wenn wir nicht mehr in der offenen, freiheitlichen Gesellschaft leben

und arbeiten können, die wir fast schon für selbstverständlich hielten. „Alle

Macht dem Virus“ ist ebenso falsch wie Panik oder fahrlässige Verharmlosung

der ernsten Situation.

Alle öffentlichen Veranstaltungen sind aus guten Gründen bis auf weiteres

verboten. Theater, Konzerte, Ausstellungen, Lesungen und Festivals wurden

abgesagt. Museen, Kinos, Bibliotheken, Restaurants, Hotels und viele Geschäfte

müssen geschlossen bleiben. Reisen sind vorläufig nicht mehr möglich,

alle direkten sozialen Kontakte sind auf das unbedingt Notwendige zu

beschränken.

Das trifft auch Ihre Theatergemeinde hart, die sich ja das gemeinsame Erleben

zur Aufgabe gemacht hat und sich ausschließlich über vermittelte Karten

und eigene Veranstaltungen (Museumsbesuche, Reisen, Seminare etc.)

finanziert. Auch viele andere gemeinnützige Organisationen, zahlreiche

Selbstständige und Freiberufler sind akut in ihrer Existenz gefährdet und

brauchen schnelle, unbürokratische Unterstützung von Bund, Ländern und

Kommunen.

Um auf unseren unmittelbaren Tätigkeitsbereich zurückzukommen: Von den

Schließungen besonders betroffen sind neben der Theatergemeinde gleichermaßen

die freien und privaten Theater. Unsere und deren Arbeit und das

ohnehin bescheiden bezahlte Personal werden überwiegend durch den Kartenverkauf

finanziert. Damit ist die großartige Vielfalt der Bonner Szene massiv

gefährdet. Wir werden alles in unseren Möglichkeiten liegende tun, um

nachhaltige Einschnitte zu verhindern. deshalb sind wir alle dankbar, wenn

Sie das geld für bereits bezahlte tickets nicht sofort zurückfordern und für

Vorstellungsbesuche nach der Krise nutzen oder sogar der theatergemeinde

oder einem privaten theater spenden.

Unser kultur-Magazin erscheint diesmal leider um etliche vertraute Rubriken

reduziert. Premierenvorschauen und Filmtipps beispielweise sind derzeit

wenig sinnvoll. Niemand kann aktuell vorhersagen, wann und wie der Vorstellungsbetrieb

wieder aufgenommen wird. Alle arbeiten daran, die Ausfälle

zu kompensieren, aufgeschobene Produktionen nachzuholen und neue

Projekte zu planen.

Ganz froh sind wir, dass wir in diesem Magazin Auszüge aus der viel beachteten

Festrede der Bonner Sport- und Kulturdezernentin Dr. Schneider-Bönninger

zum Kulturpolitischen Aschermittwoch des Kulturkreises Bonn veröffentlichen

dürfen. Vor rund einem Monat war

die Relevanz ihres ermutigenden Appells zur demokratischen

Mündigkeit noch nicht so akut wie

im derzeitigen Krisenmodus, der keinesfalls zum

Normalzustand werden darf.

Der Pandemie-Schockwelle können wir nur

durch stabile Solidarität widerstehen. „Seid umschlungen“

hieß das Motto des mittlerweile abgesagten

Beethovenfestes im März 2020. Jahrelang

hat Bonn sich auf das Jubiläum vorbereitet,

das der ganzen Welt zeigen sollte, welches Zukunftspotenzial

in Beethovens musikalischen

Gedanken zu Freiheit, Brüderlichkeit und Liebe

zur Natur steckt. „Auferstehn, ja auferstehn“ lautet der Leitspruch des Beethovenfestes

im kommenden September. Dass es wie geplant stattfinden

kann, hoffen wir zuversichtlich.

Die Auferstehung eines Menschen, der Leiden und Tod auf sich nahm, um die

Menschheit zu retten, ist für die christliche Welt eine frohe Botschaft. Man

muss nicht daran glauben, aber Hoffnungszeichen brauchen wir überall. Deshalb

verabschieden wir uns mit einem derzeit viel zitierten Beethoven-Satz:

„Die Hoffnung nährt mich, sie nährt ja die halbe Welt; und ich habe sie mein

Lebtag zur Nachbarin gehabt; was wäre sonst aus mir geworden?“

In diesem Sinn grüßt Sie herzlich mit besten Wünschen zum Frühlingsanfang

und zum Osterfest

Ihre

elisabeth einecke-Klövekorn, Vorsitzende der theatergemeinde boNN

PS: Ihre Theatergemeinde arbeitet wie viele andere in der Kulturbranche intensiv

daran, die unvermeidlichen Schäden für die Anbieter, unsere Mitarbeiter*innen,

Partner*innen und das treue Publikum so gering wie möglich

zu halten. Wir planen unsere laufenden Abos neu und bereiten die nächste

Saison vor. Wann unser nächstes Kulturmagazin erscheint, können wir derzeit

nicht sagen. Schon abgesagt haben wir die 14. Bonner Theaternacht am

20. Mai und unser 18. Schultheater-Festival „spotlights“ Anfang Juli. Über unsere

Homepage und per Email halten wir Sie weiterhin gern auf dem Laufenden.

Was jeder von uns trotz der vernünftigen Abstandsregeln nun tun kann:

Freunde und Verwandte anrufen, auf einsame Menschen in der Umgebung

achten, Bücher lesen und die Energie fürs Internet nicht übermäßig strapazieren,

um digitale Kapazitäten für die medizinische Versorgung freizuhalten.

Vielleicht auch mal einfach dem Klang der Stille lauschen. Hören Sie auf keine

Populisten, die aus der ernsten Situation Kapital zu schlagen versuchen

und bleiben Sie vor allem gesund!

iNhALt Nr. 165 – April 2020

K r i t i s c h e r ü c k b l i c k e

die Fledermaus im Opernhaus. 3 - 4

my Ladies rock Tanzgastspiel in der Oper 4

König Lear im Schauspielhaus 5 - 6

blick zurück im zorn im Kleinen Theater 6

mädchen wie die in der Werkstatt 7

beethoven bei Nacht im Th. Die Pathologie. 8

K u l t u r - e s s a y

dr. birgit Schneider-bönninger

Anstiftung zur Mündigkeit 9 -10

K u l t u r - P e r s o n e n

thomas Kölsch Interview mit Timo Wopp 11

e. einecke-Klövekorn trifft E. Sventelius. 12 - 13

b u n t e S e i t e n

kurz und interessant 4, 7, 8, 10

Ausgelesen Der von den Löwen träumte

von Hanns-Josef Ortheil 14

kultur-Sudoku 14

gastro-tipp Pizzeria Da Sasà 2 in Poppelsdorf 15

m u s e u m s s z e n e

tV-tipps 18 -19

Neues von unseren KulturCard-Partnern 15 - 17

museumsbesuch heidrun Wirth

Dalí u. Arp/Jonas Burgert im Arp Museum 16

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des Autors bzw. der Autorin, jedoch nicht unbedingt die der Redaktion wieder.

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kultur 166 erscheint, sobald wir wieder über bonns tolles Kulturgeschehen

berichten können. - titelbild: Foto: pixabay

kultur-herausgeber

Theatergemeinde BONN

Bonner Talweg 10 - 53113 Bonn

tel. 0228 / 91 50 30

Fax 0228 / 91 50 350

www.theatergemeinde-bonn.de

kultur-redaktion

Udo bielke (ubi)

(Gestaltung, Angebote, TV)

Juliane Schmidt-Sodingen (J.S.)

(Kino, Museen, Kulinarisches)

e-mail:

kultur.TG-BONN@gmx.net

imPreSSUm

druck und Verlag

Köllen Druck + Verlag GmbH

Postfach 41 03 54 - 53025 Bonn

Tel. 0228 / 9 89 82-82

(nur für Anfragen bzgl. Anzeigen)

Fax 0228 / 9 89 82-99

kultur-mitarbeit

elisabeth einecke-Klövekorn (E.E.-K.)

rita hoffmann (R.H.)

thomas Kölsch

heidrun Wirth (H.W.)


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 3

Die Fledermaus

von Johann Strauss in der oper

Süße Rache und die Majestät des Champagners

Bei der ausverkauften Premiere konnte man noch witzeln über die

Furcht vor Corona. Wenige Tage später übernahm das Virus die Weltherrschaft.

Dass ein falscher Feueralarm dem Premierenpublikum auch

noch ein Duett des Frosch (samt Hund des Regisseurs) mit einer Sirene

bescherte, erschien im ersten Moment wie inszeniert bei der ungemein

vergnüglichen Vorstellung in der Regie von Aron Stiehl, der in Bonn zuletzt

mit hinreißendem Esprit mozarts Hochzeit des Figaro auf die Bühne

brachte. Ein großer Teil des Ensembles ist auch wieder dabei in

Johann Strauss‘ Fledermaus, dem Inbegriff der klassischen Wiener Operette.

kulturKritisches

von den Librettisten Carl haffner und richard genée bearbeitet. Mit der

unsterblichen Operettenmusik des Walzerkönigs Johann Strauss (Sohn)

kam die Fledermaus 1874 im Theater an der Wien heraus. Leicht verzögert

durch den Börsenkrach 1873, der die Spekulationsblase der „Gründerzeit“

platzen ließ. Das neureiche Bürgertum tanzt indes weiter im

schönen Baden bei Wien. Auf Österreichisch klingt „Boan“ fast wie Bonn,

erklärt der notorisch besoffene Gefängniswärter Frosch, herrlich komisch

verkörpert von Christoph Wagner-trenkwitz, der am 20. Februar

noch aus dem „Quarantäne-Kaschterl“ spitzzüngig den Wiener Opernball

kommentierte. Und wo wir nun schon im Rheinland sind, ist Mitsingen

erwünscht beim Karnevalshit „Da simmer dabei!“

Den Champagner als Grundnahrungsmittel scheint man im Hause Eisenstein

vorsorglich gehamstert zu haben. Rosalinde versteckt

ihren Lover Alfred jedenfalls in einem bestens gefüllten

Kühlschrank. Der junge lyrische Tenor Kai Kluge,

der in Bonn zuletzt als „Christus am Ölberge“ in Beethovens

Oratorium gefeiert wurde, singt und spielt verführerisch

den hoffnungsvollen Opernstar, an den Eisensteins

Gattin ihr Herz verloren hat. Die beliebte Sopranistin

Anna Princeva ist als Rosalinde ein sängerisches und komödiantisches

Ereignis. Selbst wenn sie unten in der Küche

wütend im dampfenden Suppentopf rührt (möglicherweise

der Alarmauslöser), bleibt sie die elegante

Dame. Als geheimnisvolle ungarische Gräfin blendet sie

mit wachsendem Vergnügen ihren nicht sonderlich treuen

Ehemann. Der Tenor Johannes mertes gibt absolut

Foto links: giorgos Kanaris (Falke), Johannes mertes (eisenstein),

martin tzonev (Frank), Susanne blattert (orlofsky), Anna Princeva

(rosalinde), Chor

Foto unten: Anna Princeva (rosalinde), Johannes mertes

(eisenstein), tänzerinnen und tänzer; Chor

© thilo beu

Schon bei der vom beethoven orchester unter der Leitung

von daniel Johannes mayr spritzig gespielten

Ouvertüre lüftet sich der rote Samtvorhang. Man sieht

tanzende Füße, mitunter auch kopfüber zappelnde

Gestalten. Die Choreografie von bärbel Stenzenberger,

die zudem noch Adeles reizende Schwester Ida spielt, ist

ein absolutes Glanzstück des von witzigen Einfällen nur so

sprühenden Abends. Vor allem beim Maskenball im Palais

des reichen russischen Prinzen Orlofsky liefern die eigens

für diese Produktion engagierten neun Tänzerinnen

und Tänzer eine fulminante Show ab. Wobei einer wegen

einer Probenverletzung im Rollstuhl sitzend mit Kopfhörern

als merkwürdig geistesabwesende Gestalt vom Gastgeber

besonders aufmerksam betreut wird. Die rollenerfahrene

Mezzosopranistin Susanne blattert singt und

spielt die große Partie glänzend in einem eleganten halb

männlichen, halb weiblichen Outfit (wunderbare Kostüme:

okarina Peter), und auch sonst dürfen die Geschlechterrollen

beim rauschenden Fest munter vertauscht

werden. „Chacun à son goût“ heißt schließlich die Devise. Beim

Erscheinen seiner fürstlichen Hoheit mit „Pomp and Circumstance“ fordert

der Dirigent das Publikum auf, sich von den Sitzen zu erheben. Was

dieses ebenso fröhlich mitmacht wie später das Klatschen beim „Radetzkymarsch“

von Johann Strauss (Vater), zu dem die Gefängnisinsassen

im dritten Akt aus ihren Zellen in den Zuschauerraum verduften. Fabelhaft

präsent ist auch der ungemein spielfreudige und bewegliche, von

marco medved einstudierte Opernchor.

Die Geschichte hat ihre Wurzeln auf dem Boulevard. Zugrunde liegt ein

deutsches Lustspiel, das als Vorlage für eine Vaudeville-Komödie des berühmten

französischen Autorenduos henri meilhac und Ludovic halévy

diente. Das 1872 in Paris mit großem Erfolg uraufgeführte Stück wurde

formidabel den betrogenen Betrüger Eisenstein. Rosalindes Kammerzofe

Adele (bezaubernd selbstbewusst: marie heeschen) genießt den gemopsten

Schampus direkt aus der Flasche, um sich dann als hochtalentierte

Nachwuchs-Sopranistin Olga ins schillernde Ballgeschehen zu mischen.

Natürlich darf dabei auch Beethoven nicht fehlen. Verkleidet als

größter Bonner Sohn greift Korrepetitor igor horvat zum Czardas beherzt

in die Tasten eines vom Bühnenhimmel hängenden bemoosten

Flügels.

Bühnenbildner timo dentler hat für den ersten Akt eine Art Setzkasten

mit sechs Zimmern entworfen, in denen alle ihre Fäden spinnen und hoffen,

dass ihre Lügen nicht auffliegen. Das bürgerliche Puppenstuben-Ambiente

öffnet sich im zweiten Akt für die wilde Party des amüsierwilligen

____ kulturseite 3 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 4

kulturKritisches

My Ladies Rock

Tanzgastspiel im opernhaus

Fulminantes Tanzgastspiel aus Frankreich

Anfang Januar 2018 feierte die Compagnie Jean-Claude gallotta im Bonner

Opernhaus die Deutschland-Premiere ihres Stücks My Rock. Der sehr

persönliche Rückblick des Choreografen gallotta (*1950) auf die befreiende

Kraft der Rockmusik begeisterte das Publikum auf diversen

internationalen Tourneen. Nun kehrte die Truppe, die abseits der Metropolen

in Grenoble residiert, am 1. März zurück mit der 2017 uraufgeführten

Tanzrevue My Ladies Rock. Das rund 75-minütige Werk erzählt

im Grunde die gleiche Geschichte

wie My Rock, nur

mit einem Perspektivwechsel

zur weiblichen Seite der

Bewegung. Der Rock war felsenfest

männlich dominiert,

Frauen kamen bestenfalls

als Background-Sängerinnen

oder Groupies vor. Bis

Wanda Jackson selbstbewusst

die Bühne betrat und

elvis Presley ernsthaft Konkurrenz

machte. Plötzlich

waren Künstlerinnen zu erleben,

die laut oder leise poetisch,

exzentrisch oder rebellisch,

politisch aufbegehrend,

mitunter radikal bis zur

Selbstzerstörung, ihre Rechte

auf eigenständige Wahrnehmung

beanspruchten.

Gallotta beschwört die Hits

eines halben Jahrhunderts herauf mit temperamentvoll getanzten Duetten,

Trios und Ensemble-Nummern. Gendergrenzen oder verschiedene

Hautfarben spielen keine Rolle mehr. Da erscheint in einer berührenden

Szene das Rock-Wunderkind brenda Lee, genannt „Little Miss

Dynamite“. Aretha Franklin und Janis Joplin werden herbeizitiert, die

wilde betty davis („The Black Panther Woman“), die eigenwillige Patti

Smith und die legendäre marianne Faithfull, zu deren „Sister Morphine“

hochadeligen Ironikers Orlofsky. In dessen prunkvollen Gartensaal ranken

von oben grüne Pflanzen, als ob die Natur sich den Raum bereits zurückerobert

hätte. Das finanziell gebeutelte Bürgertum mit seiner Sehnsucht

nach gesellschaftlichem Glanz: Hier darf es dem schönen Schein

(inkl. reizenden kleinen Frivolitäten) huldigen, bis seine Wohnwaben sich

im dritten Akt in Knastzellen verwandeln. In der eigentlich für Eisenstein

reservierten (wegen Beamtenbeleidigung – im Rheinland wäre sowas

mit ein paar Scheinchen erledigt) landet Alfred, was sein Arienreper toire

aber nicht schmälert.

Eingefädelt hat das Ganze Dr. Falke. Aus Rache, weil Eisenstein ihn einst

nach einem Faschingsball sturzbetrunken im Fledermauskostüm hilflos

auf der Straße sitzen ließ und dem Gespött der Gassenjungen und Marktweiber

preisgab. Der Bariton giorgos Kanaris gibt vortrefflich den souveränen

Spielmacher im ‚tierischen‘ Gewimmel der Eitelkeiten. Deutlich

nüchterner als Gefängnisdirektor Frank (wie immer großartig: der Bass

martin tzonev), der sich als „Chevalier Chagrin“ ein irres französisches

Wortgefecht mit dem als „Marquis Renard“ auftretenden Eisenstein geliefert

hat. Wenig zur Wahrheitsfindung beitragen kann der köstlich stotternde

Advokat Dr. Blind (Kieran Carrell). Muss auch nicht sein.

„Glücklich ist, wer vergisst“, lautet das versöhnliche Schlussplädoyer. Eisenstein

bekommt seine Taschenuhr samt Gattin zurück, Adele findet einen

großzügigen Mäzen. Ansonsten war an allem seine Majestät der

Champagner schuld. Lange Ovationen vom begeisterten Publikum für

eine grandiose Vorstellung. e.e.-K.

ein sensibler Pas de deux psychische Abgründe öffnet.

Natürlich darf in dem vielseitigen Panoptikum der Rock-Ladies der

Superstar tina turner nicht fehlen, aber auch Post-Punk-Ikone Nina hagen

und weniger prominente Künstlerinnen kommen vor. Imitiert werden

sie von den elf hervorragenden Tänzerinnen und Tänzern nicht, die

mit ihrem raffiniert zwischen Tempo und intimen Momenten changierenden

heutigen Bewegungsvokabular den Aufbruchsgeist weitertragen.

Gallotta selbst hat seine nachdenklichen Kommentare zu der Show

eingesprochen – in Bonn

mit eingeblendeten deutschen

Übersetzungen

versehen von Literaturhaus-Chefin

Almuth Voß.

Am Schluss steht ein

deutliches Plädoyer für

den Feminismus. Stehende

Ovationen im ausverkauften

Opernhaus für

Gallotta und seine fabelhafte

Compagnie nach einer

höchst unterhaltsamen

Vorstellung.

my Ladies rock © Stephanie Para

SPieLdAUer CA. 3 StUNdeN, eiNe PAUSe

von Martin Schläpfer und William Forsythe.

Das nächste Highlight des

internationalen Tanzes

ist vorgesehen am 27.

Mai. Das Ballett am Rhein

Düsseldorf Duisburg

gastiert dann mit herausragenden

Choreografien

Eigentlich wollten wir an dieser Stelle auch schon eine kurze Vorschau

auf die geplanten Tanzgastspiele der kommenden Saison geben. Wir holen

das nach, wenn die aktuelle Situation sich wieder entspannt hat.

e.e.-K.

KUrz

&

iNtereSSANt

Es gibt auch noch gute Nachrichten

Das Kleine Theater, das nach acht Monaten unter neuer Leitung schon fast gerettet schien und nun erneut ums Überleben

kämpft, erhielt am 19. März eine Spende von 2.500 Euro vom Kreisverband Bonn/ Rhein-Sieg des Deutschen Beamtenbundes

und der Spardabank West. Anlass war die Verleihung des Karnevalsordens „Lachender Amtsschimmel“ im Februar an den

Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Ulrich Kelber.

Eine bespielhafte Solidaritätsaktion!

____ kulturseite 4 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 5

König Lear

von William Shakespeare im Schauspielhaus

Der alte Herrscher und der Zerfall der Welt

Der König ist des Regierens müde, will die Macht abgeben und sein Reich

an seine Töchter verteilen. Aber König will er bleiben. „Er hat geglaubt,

ein König könne nicht aufhören, König zu sein, so wie die Sonne nicht aufhören

kann zu leuchten. Er glaubte an die reine Majestät, an die reine

Idee des Königs.“ Der polnische Autor Jan Kott schrieb das in seinem berühmten,

1964 auf Deutsch erschienenen Buch Shakespeare heute, in

dem er auch gedankliche Parallelen zieht zum absurden Theater. Insbesondere

zu Becketts Warten auf Godot, das Luise Voigt in der vergangenen

Spielzeit sehr erfolgreich in der Werkstatt inszenierte. Man müsse

König Lear von der „ganzen romantischen und naturalistischen Staffage

befreien, aufhören, ihn als Oper oder als ein Melodrama über einen von

seinen Töchtern vertriebenen Greis zu sehen, der barhaupt in Sturm und

Wind über die Bühne rast und der infolge von Schicksalsschlägen buchstäblich

die Sinne verliert.“

kulturKritisches

Foto links: holger Kraft (Cornwall), Sandrine zenner (regan), Sören

Wunderlich (Albany), Sophie basse (goneril), roland riebeling

(Kent), bernd braun (Lear)

Foto unten: bernd braun (Lear)

© thilo beu

Luise Voigt (Regie und Bühne) hält sich konsequent an

diese Empfehlung. Shakespeares düsterstes Drama erscheint

hier sehr hell wie eine klinische Versuchsanordnung

mit wenigen Überlebenden. Weiß und silbergrau

schimmern die Kostüme (maria Strauch). Weiß geschminkt

sind der König und sein Hofstaat, die Damen

tragen bizarr aufgetürmte Frisuren. Es ist eine extrem

künstliche Welt, die da im Wahnsinn zugrunde geht.

Eine riesige aufblasbare Puppe (Modellkonzept: rüdiger

Stern), deren Haartracht an Buddha-Figuren erinnert,

dominiert die Bühne und illustriert das historische philosophische

Konstrukt vom unsterblichen politischen Körper

des Königs. Dagegen steht der individuelle menschliche

Königskörper mit all seinen Gebrechen. In manchen

Szenen sackt das symbolische Herrscher-Ich zusammen

wie eine leere Hülle.

Anfangs wird Lear von seinen Bediensteten angekleidet

für seinen zeremoniellen letzten Auftritt als Regent. Äußerlich

nun ein Ebenbild der unnahbaren Puppe, innerlich

bereits unterwegs zur Trennung von seinem offiziellen

Dasein, was sich als fataler Irrweg erweisen wird. Liebesbekundungen

erwartet er von seinen drei Töchtern im Austausch für die reiche Erbschaft.

Die älteren, Goneril und Regan, überbieten sich unterwürfig mit

ihren rhetorischen Floskeln. Die junge Cordelia reagiert mit einem

schlichten „Nichts“, wird von ihrem Vater verstoßen und zieht ohne Mitgift

als Gattin des Königs von Frankreich fort. Lena geyer spielt die ehrlich

liebende Tochter und vor allem den Hofnarren, der seinem mutwillig

aus der sozialen und hierarchischen Weltordnung gefallenen Herrn

eine Narrenkappe anbietet und ihn hellwach in die Umnachtung begleitet.

Leider bleibt sein gewitzter Nihilismus manchmal auf der Strecke.

Alle Darsteller sprechen mit Mikroports, was den artifiziellen Grundton

der Aufführung unterstreicht, aber gelegentlich zu Lasten der sprachlichen

Substanz geht. Zu den Stärken gehört indes die spannungsvolle

elektronische Musik von Friederike bernhard, die selbst am Bühnenrand

das Geschehen begleitet.

Im Zentrum der Inszenierung steht fraglos der großartige Schauspieler

bernd braun. Sein Lear ist buchstäblich ein Verrückter. Jemand, der sich

in dem Zwischenraum von angestammter Macht, persönlicher Anmaßung

und ohnmächtiger Wut verirrt hat. Jemand, der selbstgerecht einfordert,

was er aus eigener Willkür aufgegeben hat. Mitunter wirkt er

wie ein uraltes Kind, das schutzlos in ein fremdes Dasein gefallen ist. Lear

ist der wirkliche Narr, der manches weiß und nichts begreift. Mitleid

weckt er nicht, ebenso wenig wie die anderen Figuren

des streng formalisierten Spiels. Zumeist bewegen sie

sich, angeleitet von dem belgischen Schauspieler und

Biomechanik-Spezialisten tony de maeyer, wie Marionetten

oder von ihrer Körpersprache bestimmte Akteure

ohne tiefere Psychologie. Oft erscheinen sie gleichzeitig

gespenstisch überlebensgroß auf dem Videoscreen im

Hintergrund. Per Video toben auch Sturm und Gewitter

über die kahle Heide, auf der Lear gegen die entfesselte

Natur ankämpft.

In seinem Elend geblieben sind ihm die „Guten“, die noch

an die Würde des Königs glauben. Wie der von roland

riebeling mit deutlicher Empathie verkörperte treue

Kent, der trotz der barschen Verbannung seinem Herrn

unverdrossen weiter dient. Wenn er in den Block gesperrt

wird, scheint ihn hier die Königspuppe fast zu erdrücken. Tapfer

zu Lear hält auch der alte Graf von Gloster, dessen Tragödie sich zunehmend

mit dem Schicksal der Hauptfigur verbindet. Wolfgang rüter spielt

mit gradliniger Contenance den Vater zweier Söhne, verblendet längst

bevor ihm brutal die Augen ausgerissen werden. Als intriganter Schurke

entpuppt sich sein Sprössling Edmund (teuflisch blendend: Christoph

gummert), Glosters legitimer „guter“ Sohn Edward muss sich zum

____ kulturseite 5 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 6

kulturKritisches

Schutz als Wahnsinniger ausgeben. Alois reinhardt tänzelt mit

grotesken Verrenkungen virtuos durch seine Maskerade als halbnackter

armer Irrer und begleitet schließlich unerkannt seinen blinden Vater auf

die Klippen, von denen dieser sich in den Tod stürzen will. Vergeblich, der

verzweifelte Sprung bleibt ein gnadenloses Spiel mit dem Leben und

Gloster ein Narr wie Lear.

Gnadenlos wie in alten Märchen rebellieren die „bösen“ Schwestern gegen

die Ansprüche des alten Patriarchen. Die fabelhafte Sophie basse

gibt ihrer Goneril Anflüge von unberechenbarer Hysterie. Sandrine zenner

als kühl kalkulierende Regan hat ihren Gatten Cornwall (robust: holger

Kraft) fest im Griff, während der blasse Albany (Sören Wunderlich)

angewidert die Seiten wechselt. Als windiger Haushofmeister Oswald

fungiert das ehemalige Ensemble-Mitglied manuel zschunke; als Ritter,

Boten etc. bewähren sich Florian Janik, markus müller und Leander

Spaglia (Absolventen der Alanus-Hochschule).

Gestorben sind am Ende fast alle Protagonisten in diesem schaurigen

Krieg um die Macht. Niemand ist mehr da, um Edgar als neuen König zu

proklamieren. Emotionale Anteilnahme weckt die über dreistündige

Vorstellung selten. Faszinierend ist jedoch ihre an fernöstliche Theaterformen

erinnernde Ästhetik. Getragen wird der spannende Versuch über

ein schwieriges Stück von Bernd Brauns eigenwilligem Lear. Insgesamt

ein gedanklich widerständiges Highlight der aktuellen Schauspielsaison,

das die Anstrengung unbedingt lohnt. e.e.-K

SPieLdAUer 3 ¼ StUNdeN iNKL. eiNer PAUSe

die WeitereN termiNe:

dA erSt WeNige mALe geSPieLt eiN heiSSer KANdidAt Für eiNe WiederAUFNAhme

im herbSt, FALLS biS zUm Sommer NiCht mehr geSPieLt WerdeN dArF.

Blick zurück im Zorn

von John osborne im Kleinen theater

Wut und Weltschmerz

Bei einer Aufführung am Broadway 1957 soll eine junge Zuschauerin die

Bühne gestürmt und den Hauptdarsteller geohrfeigt haben. Im Kleinen

Theater kann man das gut begreifen, denn das aggressive Verhalten des

jungen Mannes und sein enervierendes Selbstmitleid erregen einfach

Widerwillen. Jimmy Porter ist wütend. Auf alles: Die Gesellschaft, seine

Familie, seine prekären Verhältnisse und die eigene Perspektivlosigkeit.

Der Arbeitersohn hat sein Studium abgebrochen und lebt von den sehr

bescheidenen Einkünften seines kleinen Bonbonladens. Seine Empörung

lässt er aus an seiner Frau Alison, Tochter einer bürgerlichen Mittelschichtfamilie.

Alison

hat Jimmy geheiratet,

weil sein rebellisches

Wesen ihr gefiel. Nun

hockt sie mit ihm in einer

ärmlichen Souterrain-Wohnung

und

lässt apathisch seine

nicht nur verbalen Angriffe

über sich ergehen.

Mit seinem 1956 in

London uraufgeführten

Dramenerstling

Blick zurück im Zorn

wurde der damals 26-

jährige britische Autor

John osborne berühmt.

Sein Stück

stand Pate für das

Schlagwort der „Angry

Young Men“, zu denen

beispielweise harold

Pinter und edward bond zählten. Es ist die Generation, die im Zweiten

Weltkrieg erwachsen wurde, den Zerfall der historischen Weltordnung,

(in England speziell der kolonialen) erlebte und aufbegehrte gegen die

Klassengesellschaft.

Im Kleinen Theater hat Stefan Krause (Regie und Ausstattung) den

englischen Klassiker, der 1959 mit Richard Burton in der Hauptrolle verfilmt

wurde, mit einem deutlichen Blick auf die heutige Zeit inszeniert.

Die sozialen Klassengegensätze sind nur noch teilweise ein Motiv für

Jimmys Zorn. Seine Verunsicherung entlädt sich auch selten in direkter

Gewalt. Das berühmte Bügelbrett als wichtiges Requisit des Originals

kommt hier nicht vor. Aber unübersehbar tragen Jimmy und die beiden

Frauen Lonsdale-Sportkleidung. Die 1960 gegründete Marke wurde in

den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts beliebt in der rechtsradikalen

____ kulturseite 6 ____

Subkultur, die zufällige Buchstabenkombination „NSDA“ gegen alle Abwehr

des Unternehmens zum Erkennungszeichen für nationalistische

Gesinnung. Krause macht das nicht zum Hauptmotiv, lässt aber durchscheinen,

welch gefährliches Potenzial im ziellosen Willen zur Provokation

steckt.

Janosch roloff, der zuletzt im Kleinen Theater schon als Borcherts

Beckmann überzeugte, spielt den verzweifelt tobenden Jimmy. Mitunter

schaut er aus dem rohen Backstein-Verlies durch ein schmales Fenster

nach draußen, ärgert sich über Kirchenglocken, lamentiert über seine

verlorene Kindheit und wiederholt seine Beleidigungen aller bis zur

Schmerzgrenze. Erst

nach der Pause zeigt

er sensible Verletzlichkeit

in der von

Grund auf unsympathischen

Figur.

Leonie houber gibt

anrührend die unglückliche

Alison, die

stoisch leidend an

dem brutalen Typen

hängt. Als sie ein Kind

erwartet, verlässt sie

ihn zwar auf Anraten

ihrer Freundin Helena,

die dann jedoch

flugs ihren Platz an

Jimmys Seite und im

Bett einnimmt.

Vanessa Frankenbach

spielt energisch

die junge Bühnenkünstlerin,

die unversehens

zum Alison-Double mutiert. Als geduldiger guter Geist in der Beziehungshölle

fungiert dominik Penschek in der Rolle des Hausfreundes

Cliff, der sich schließlich Jimmys rabiater Faszination entzieht. Alison

kehrt zurück, nachdem sie ihr Baby verloren hat. Helena räumt ihren

Platz und verschwindet. Jimmy und Alison träumen am Schluss von einer

heilen Zukunft als Teddybär und Eichhörnchen: Kinderspielzeug aus der

Vergangenheit. Kaputt wie die einsamen vier Menschen auf der Suche

nach Sinn in der Beliebigkeit ihres Daseins.

Die nachdenkliche Inszenierung ist ungemütlich wie unsere Zeit. Viel Beifall

bei der gut besuchten Premiere. e.e.-K.

Leonie houber, Janosch roloff, im hintergrund dominik Penschek - Fotos: Patric Prager – die Prager botschaft

SPieLdAUer CA. 2 StUNdeN, iNKL. eiNer PAUSe


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 7

Mädchen wie die

von evan Placey in der Werkstatt

Machtverhältnisse im Zeitalter des Cybermobbing

Eine scheinbar sichere Gemeinschaft zerbricht. Mitten im Geschichtsunterricht

– es ging gerade um Frauenemanzipation im 20. Jahrhundert

– ist es passiert. Alle Smartphones

leuchteten auf. Alle Mädchen waren

plötzlich hellwach: Jemand hatte ein

Nacktfoto ihrer Klassenkameradin Scarlett

gepostet. In wenigen Minuten wissen

es alle: Scarlett ist eine Schlampe.

Dabei ist St. Helens eine Eliteschule. Nur

zwanzig hochbegabte Mädchen pro

Jahrgang werden aufgenommen. Seit ihrem

fünften Lebensjahr haben sie alle

Lebenserfahrungen miteinander geteilt,

sind wie eine perfekte Familie zusammengewachsen

und nun in dem Alter,

wo die sexuelle Neugier erwacht.

Die Klassen sind zwar streng nach Geschlechtern

getrennt, aber Jungs gibt’s

an der Schule auch. Man trifft sich auf

dem Schulhof oder bei Partys, flirtet und

probiert Annäherungen aus. Und nun

dieses Foto – Mädchen wie Scarlett bringen

die ganze Gemeinschaft in Verruf.

Schlagartig ist die Freundschaft vorbei.

Eine bringt es auf den Punkt: Es ist wie

bei den Hühnern, die plötzlich grausam

auf eine geschwächte Artgenossin einhacken.

Um Mobbing geht es in dem

2013 in Birmingham uraufgeführten,

mehrfach preisgekrönten und an etlichen

deutschen Bühnen gespielten

Stück Mädchen wie die aber nur vordergründig.

Der kanadisch-britische Autor

evan Placey deckt dahinter Geschlechtsrollen-Klischees

auf. Als kurz danach ein Nacktfoto des allseits beliebten

Schülers Russell auftaucht, steigert das eher sein Ansehen. Sehr deutlich

macht der Autor das mit der „Schlüsseltheorie“: „Ein Schlüssel, der eine

Menge Schlösser aufkriegt, ist ein richtig guter Schlüssel.(…) Aber ein

Schloss, das eine Menge Schlüssel öffnen können, ist ein echt beschissenes

Schloss.“ Was Jungs dürfen, ist für Mädchen strikt tabu.

Die Regisseurin Carina eberle hat in der Werkstatt von Theater Bonn den

Text auf vier junge Profischauspielerinnen verteilt. Soraya Abtahi, Julia

hofstaedter, dorothée Neff und Joana tscheinig verkörpern einzeln

oder im Chor sprachlich bravourös und mit viel Energie alle Figuren des

bösen Spiels. Und sie zeigen, was in den Köpfen der Mädchen vorgeht,

die froh sind, dass es nicht sie getroffen hat. Sie lassen sich auf riesige

Und noch eine gute Nachricht

Soraya Abtahi, dorothée Neff, Joana tscheinig,

Julia hoffstaedter © thilo beu

rote Kissen fallen, verstecken sich gelegentlich darunter und geraten

doch zwischen die hellblauen Spinnenfäden des Gebildes, das auf der anderen

Bühnenseite hängt (Ausstattung: Karen Simon). Sie mimen auch

die Jungs, die sich auf Partys mit Youporn-

Videos brüsten und keinesfalls als

schwach oder gar schwul abgestraft werden

wollen.

Wie die Mädchen ihre bisherige Freundin

nicht nur verbal demütigen, geht unter die

Haut. Per Live-Kamera wird in Großaufnahme

gezeigt, wie sie Scarletts Gesicht

grausam entstellen und ihr Chips zwischen

die geschlossenen Lippen pressen. Die aus

der Gemeinschaft verbannte Scarlett hat

freilich auf alles nur eine lakonische Antwort:

„Klar“. Keine Wut, keine Verteidigung,

keine Verzweiflung, nur dieses

nüchterne „Klar“. Mitunter erscheinen die

Mädchen per Video als Frauen früherer

Generationen. Die Urgroßmutter, die für

das Frauenwahlrecht kämpfte, die ersten

Vertreterinnen in Parlamenten. Die Großmutter,

die in den 1960er Jahren unter

dem Motto „Mein Körper gehört mir“

neue Freiheiten eroberte. Die Mutter, die

sich unbeirrt eine berufliche Führungsposition

erarbeitete. Hat die Generation der

Internet-Natives das vergessen? Sind

weibliche Solidarität und Vertrauen so

schnell verschwunden in der Welt des

Cybermobbings und der brutalen

Hackordnung?

Zum unter Jugendlichen weit verbreiteten

„Sexting“ (Kofferwort für Sex und Texting)

gibt es im Netz mittlerweile zahlreiche

Warnungen. Aber auf allen Kanälen kursieren erotische Selfies. „I feel

pretty“ (auf das Musical West Side Story spielt der originale Stücktitel

„Girls like that“ an) und möchte das zeigen. Stars und Influencer machen

es vor. Leider sind intime Postings leicht weiterzuleiten. Manchmal mit

tödlichen Folgen. Die spannende Inszenierung lässt den Ausgang offen.

Ohne pädagogischen Zeigefinger spielt sie unterhaltsam mit den unverschämt

witzigen Momenten der ernsten Geschichte. Überzeugter Beifall

vom überwiegend jungen Publikum (darunter viele Mitglieder der Jungen

Theatergemeinde BONN) bei der ausverkauften Premiere. e.e.-K.

SPieLdAUer CA. 90 miNUteN, KeiNe PAUSe

kulturKritisches

KUrz

&

iNtereSSANt

Kurz vor Aschermittwoch kam nach langem Warten die erlösende Nachricht: Das euro theater

Central erhielt grünes Licht zum Erwerb des städtischen Gebäudes Budapester Straße 19 und

zum Umbau des Hauses zu einer neuen Spielstätte. Die Verträge sind unterzeichnet; die

Wiedereröffnung muss jedoch nun aufgrund der aktuellen Lage auf unbestimmte Zeit verschoben

werden. Nach all den Mühen ist das bitter, aber Geduld haben wir ja schon so gut geübt,

dass ein paar Monate jetzt wohl auch noch durchzuhalten sind.

hier, in der budapester Straße, weiterhin ganz zentral

– hinter dem Stadthaus –

entsteht das neue domizil des euro theater Central.

© ubi

____ kulturseite 7 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 8

kulturKritisches

Beethoven bei Nacht

von Thomas Rau im theater die Pathologie

Albträume in der Polizeiwache

Da hockt er nun, ziemlich selbstbewusst und mit wenig Respekt vor der

Vertreterin der Staatsgewalt. Verhaftet haben sie ihn. Denn dieser ungekämmte

Typ mit dem roten Halstuch wollte einfach so ohne Ticket in

eine Gala-Aufführung des Fidelio im Bonner Opernhaus gehen. Eine

exklusive Vorstellung für

VIPs, höchste Sicherheitsstufe.

Jetzt sitzt der vermeintliche

Terrorist im

Polizeirevier, stellt sich als

Ludwig van beethoven

vor, gibt Bonn als seinen

Geburtsort an, weiß aber

nicht mal sein genaues

Geburtsdatum und nennt

als Adresse den Wiener

Zentralfriedhof. Die junge

Kommissarin, die eher auf

Michael Jackson steht und

von Fidelio noch nie etwas

gehört hat, hält ihn bald

für einen harmlosen Irren.

Irritierend bloß: Beethoven

war bekanntlich taub,

und der seltsame Häftling

ist stolzer Besitzer eines

modernen Hörgeräts.

Im intimen Kellertheater „Die Pathologie“ in der Bonner Südstadt hat

Theaterleiter Johannes Prill selbst die amüsante kleine Komödie Beethoven

bei Nacht inszeniert. Autor thomas rau, der mit Vorliebe historischen

Figuren nachspürt und damit fast eine Erfolgsgarantie verspricht,

hat sich das Beethovenjubiläum 2020 natürlich nicht entgehen lassen.

Beethovens Nacht auf der Polizeiwache birgt also einige Überraschungen,

die trickreich den Wiedererkennungswert mit fiktiven ‚Einsichten‘

verbinden. Als Bühnenmobiliar genügen ein paar Klapp kisten, die sich

schnell in eine Liegestatt für Albträume verwandeln lassen. Beispielsweise

der ultimative Regie-Kick: Florestan als Gefangener in der Umkleidekabine

einer lesbischen Frauenfußballmannschaft. Wäre echt mal einen

Versuch wert.

Der auch als Regisseur und Dozent erfahrene Schauspieler herms meer

verkörpert indes überzeugend das unsterbliche Genie, das tapfer allen

Gratulation

herms meer, Karin Punitzer © Jürgen Klack

weiblichen Übergriffen standhält. Karin Punitzer spielt energisch und bis

zur Groteske überdreht all die bizarren Plagegeister. Das rheinische

Idiom der strengen Mutter gelingt ihr zwar nur mäßig, als vampireske

Rattenflöhin Paula ist sie jedoch unschlagbar. Da lugt sie keck unter einem

weißen Hemd hervor, freut sich genüsslich schmatzend über das

kostbarste Blut ihres kurzen

Lebens und das welterschütternde

Virus-Geschenk

(aktuelle Corona-

Assoziationen sind unvermeidlich).

Wenn Paula

Beethoven in einer stürmischen

Liebesnacht in einem

schmuddeligen Gasthof

nicht rechtzeitig infiziert

hätte, wäre er ein längst

vergessener Starpianist geblieben

und nicht der weltweit

gefeierte Komponist

geworden. Und das freche

Flohlied aus Goethes Faust

hätte er auch nicht vertont.

Beethovens Wiener Hausmagd

Baberl fordert gleich

Tantiemen ein für die von

ihrem Rettich-Hacken inspirierte

5. Sinfonie. Wenn

dann noch die schwärmerische Bibliotheksinspektorin Gudrun Hilgenstock

auftaucht, die ihr Idol wie Leonore aus dem Kerker befreien will

und zudem das Manuskript des „Briefes an die unsterbliche Geliebte“

aus dem Berliner Tresor mit erpresserischen Absichten entwendet hat,

wird es dringend Zeit für einen robusten Weckruf der Theatermanagerin

Nicole. Die Regie garniert das alles geschickt mit musikalischen Beethoven-Zitaten.

Vergnügter Beifall bei der ausverkauften Premiere für eine

Vorstellung, die mit Witz und Respekt unserem großen Ludwig heiter

verspielt begegnet. e.e.-K.

SPieLdAUer CA. 60 miNUteN, KeiNe PAUSe

Weitere AUFFührUNgeN iN der NeUeN SPieLzeit SiNd VorgeSeheN.

KUrz

&

iNtereSSANt

Das Theater Marabu ist mit seiner Produktion

Hast du schon gehört? eingeladen zum 36.

NRW-Theatertreffen für junges Publikum

„Westwind“, das Anfang Mai am Westfälischen

Landestheater Castrop-Rauxel stattfinden

soll. Von einer Fachjury zu den zehn bemerkenswertesten

Inszenierungen gewählt

wurde auch 33 Bogen und ein Teehaus vom

Theater Bonn.

Als einzige Stadt in NRW kann Bonn also

gleich zwei hervorragende Arbeiten präsentieren

und wieder mal beweisen, wie großartig

die Theater für Kinder und Jugendliche

hier wirken. Das Festival wird vermutlich in

den nächsten Tagen abgesagt, ein verdienter

Glückwunsch an die beiden ausgezeichneten

Produktionen bleibt aber bestehen.

Szene aus „hast du schon gehört“ © Ursula Kaufmann

____ kulturseite 8 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 9

kulturEssay

„Anstiftung zur Mündigkeit: Über die Relevanz von Kultur und Bonn als Möglichkeitsraum“

Beim traditionellen Kulturpolitischen

Aschermittwoch des

Kulturkreises Bonn, einem Zusammenschluss

von 65 Bonner

Kulturfördervereinen, hielt die

Sport- und Kulturdezernentin

dr. birgit Schneider-bönninger

vor ca. 120 geladenen

Gästen aus Kultur, Medien, Politik,

Wirtschaft und Wissenschaft

einen viel beachteten

Vortrag unter dem oben genannten

Titel. Die Veranstaltung

fand am 26. Februar 2020

auf der Bühne der Oper statt.

Die Organisation übernahm

die Theatergemeinde BONN.

Wir dürfen hier Auszüge aus

der Rede veröffentlichen:

Es ist für mich eine Ehre, dass ich in diesem Jahr die Festrede am kulturpolitischen

Aschermittwoch halten darf – nach einem sehr intensiven

ersten Jahr in Bonn.

Ich möchte heute über die Relevanz von Kultur (für Bonn) sprechen und

habe dazu fünf Thesen mitgebracht:

1. Kultur macht mündig.

Gegenwärtig erleben wir ein Erstarken des Rechtsextremismus und eine

Zunahme rechten Terrors. Rassismus scheint wieder gesellschaftsfähig.

Das freie Denken und künstlerische Ausdrucksformen werden offen angegriffen.

Kulturorte sind in dieser „Demokratiegefährdungsgesellschaft“ Orte des

politischen Diskurses - oder anders ausgedrückt: Wir brauchen dringend

Widerstandshäuser und Widersprechkünstler. Bonn steht für Weltoffenheit

und eine lebendige Erinnerungskultur. Als Geburtsstadt des Grundgesetzes

ist Bonn eine Chiffre für Demokratie. Auf dieser Basis kann Bonn

ein Narrativ entwickeln und eine Leuchtturmfunktion für die Zukunft der

Demokratie einnehmen. Im besten Fall wird Bonn zur ersten Adresse für

Meinungsbildung und Aufklärung.

Beethoven war politisch ambitioniert und – aus seiner Zeit in Bonn heraus

– beflügelt von der Aufklärung. Seine Konzerte waren „Veränderungskonzerte“

und haben den Weg bereitet für „Veränderungskunst“.

Fazit: Kultur ist politisch relevant und macht mündig!

2. Kultur schafft Synergien.

Meine Vision für Bonn: Eine grenzüberschreitende Kulturlandschaft mit

vielen weiteren Schnittstellen. Dazu benötigen wir ein Synergie-Cluster,

das Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft produktiv

verbindet.

Zu der neuen „WIR-Kultur“ passt auch der Paradigmenwechsel, den ich

mit meinem Amtsantritt durchgesetzt habe. Damit meine ich nicht nur,

dass ich meine Zeit zu gleichen Teilen auf Sport und Kultur aufteile. Der

Paradigmenwechsel liegt insbesondere darin, beide Ressorts zusammen

zu denken und das Verbindende, das Gemeinsame hervorzuheben. Wir

müssen konsequent in Inhalten statt in Zuständigkeiten denken, ressortübergreifend

arbeiten, das Visionieren vor das Verwalten setzen. Wir

müssen vor allem zu einer kollektiven Zukunftsverantwortung gelangen.

Es geht um die Schlüsselfrage: Wie wollen wir als Gesellschaft in Bonn zusammen

leben?

Fazit: Kultur fördert das WIR und das UND.

3. Kultur kurbelt die

Imagination an.

Kunst und Kultur verändern

das Sehen der Welt. Die schönen

Künste sind zusammengenommen

große „Fragenproduktionsanstalten“,

die im

besten Fall zum Weiterdenken

animieren und uns zugleich

das Träumen lehren.

In unserem postdigitalen Zeitalter

kommt Kultur zudem eine

zunehmend sinnstiftende und

erdende Funktion zu. Ohne

sinnstiftende Geschichten

kann keine Kultur gedeihen. So

sorgen allabendlich die Bonner

Theater für die „friedliche Anarchie“

auf der Bühne - und

wir können uns zumindest

einbilden, dass aus der Kunst, aus der rettenden Fantasie die Kraft kommen

kann, eine menschenwürdige Welt zu gestalten.

Fazit: Kultur kann neue Wahrnehmungshorizonte erschließen und den

ganzen Apparat der Vorstellungskraft in Gang setzen.

dr. birgit Schneider-bönninger © www.theaternacht.de

____ kulturseite 9 ____

4. Kultur baut Möglichkeitsräume

Bonn ist eine starke Kulturstadt. Das kulturelle Erbe, die Dichte und Qualität

der kulturellen Einrichtungen von Bund, Land und Stadt, Festivals,

Freie Szene und Initiativen sind einzigartig.

Ziel der kommunalen Kulturförderung muss es sein, dieses geballte Potenzial

zu verteidigen, idealerweise Bonn zum „Kulturschutzgebiet“ zu erklären.

Ziel muss es aber auch sein, das Kulturumfeld ständig weiterzuentwickeln.

Der Imperativ von der „Kultur für alle“ ist in einer heterogenen Stadtgesellschaft

mit fast 180 Nationen aktueller denn je. Mein Anliegen ist es,

die Kulturformel mit Blick auf die Herausforderungen des 21. Jahrhundert

„umzudrehen“. Aus „Kultur für alle“ wird „Alle für Kultur“! Mit einem

„Alle für Kultur“-Appell können wir in Bonn die Chance ergreifen, die

nächste Generation von Konzert, Theater und Museum zu kreieren, indem

wir die Akteure der Stadt zu Mit-Gestaltern machen bzw. den gesellschaftlichen

Auftrag der Kultureinrichtungen von den Menschen mitdefinieren

lassen, die sie bisher noch nicht nutzen.

Fazit: Möglichkeitsräume bilden den Nährboden für Stadtverwandlung.

5. Kultur macht „Zukünfte“.

Kultur hat die Mission, „Zukünfte“ in Bewegung zu bringen.

Bonn ist als UN-Klima-Standort den 17 Nachhaltigkeitszielen besonders

verpflichtet. Ich bin davon überzeugt, dass die Wende zu einer nachhaltigen

Entwicklung nur als kultureller Wandel gelingen kann und dafür ist

Kunst als Ausdrucksform und Intervention ganz elementar. Nachhaltigkeit

ist eine Zivilisationsangelegenheit und hat ganz viel mit einer humanistischen

Wertehaltung zu tun. In Bonn agieren bereits viele Pioniere des

Wandels, Kulturschaffende, Kreative und zivilgesellschaftliche Initiativen.

Sie alle können den Wandel in den Köpfen mobilisieren.

Fazit: Kultur ist als Zukunftsmacherin relevant und kann uns zeigen, wie

künftige Generationen leben wollen und sollen.

Ausblick:

Meine Aufgabe ist, für die Zukunft des Kulturstandortes zu streiten und

ihn immun zu machen gegen Spar-Szenarien und Angriffe auf die freie

Kulturszene der Stadt wie auch auf unsere „Kulturtanker“.


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 10

kulturEssay

Der kulturelle Bereich hat in den letzten Jahren erhebliche Kürzungen erfahren,

die Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler kultureller Akteure –

insbesondere in der Freien Szene – sind prekär. Substanzielle Kürzungen

im Kulturetat bleiben gesamtstädtisch gesehen symbolisch. Sie retten

nicht die Haushalte, können aber auf Jahre gewachsene Strukturen auf

einen Schlag zerstören.

Als Beethovenstadt haben wir eine besondere Verpflichtung, der wir zu

seinem 250. Geburtstag mit BTHVN nachkommen wollen. Ich sehe das

Beethovenjubiläum als Initialzündung für eine Beethovenpflege, die sich

dem emanzipatorischen Impetus Beethovens verpflichtet und auf den gesamten

Kulturstandort ausstrahlt.

Unsere Achillesferse ist die Infrastruktur. Sowohl im Sport als auch in der

Kultur besteht hier akuter Handlungsbedarf. Die Sanierung unserer maroden

Immobilien ist eine „Jahrhundertaufgabe“.

In Bonn werden die Kulturausgaben immer wieder in den Vordergrund

gerückt. Das blendet die positiven wirtschaftlichen Aspekte von Kultur

bewusst aus und ist ebenso ein falscher Ansatz wie das Ausspielen von

Ein Botschafter für das Bonner

Beethoven-Haus

dr. birgit Schneider-bönninger, geboren 1963

in Kamen, studierte Geschichte, Politik und Publizistik

an der Westfälischen Wilhelms-Universität

Münster und promovierte über die Wechselwirkungen

zwischen Schul- und Industriegeschichte.

Sie war bei der Stadt Wolfsburg in verschiedenen

Funktionen tätig. Zunächst war sie Leiterin

der kommunalen Geschichtswerkstatt und anschließend

übernahm sie die Leitung des Stadtarchivs,

das unter ihrer Regie zum Institut für

Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) ausgebaut

wurde. Darüber hinaus wurde Dr.

Schneider-Bönninger ab 2007 die stellvertretende

Leitung des Geschäftsbereichs Kultur

und Bildung übertragen, ab 2010 wurde sie Geschäftsbereichsleiterin

Kultur und Bildung.

2014 wechselte sie nach Stuttgart. Dort leitete

Kultur gegen Sport, Soziales oder den Nahverkehr.

Schlussplädoyer:

Kultur ist der Bauplan unserer Gesellschaft und kann Menschen in ihrer

Widerstandsfähigkeit gegen inhumane Zumutungen der Gesellschaft

stärken.

Kultur kann dazu beitragen, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der man,

wie Adorno schrieb, „ohne Angst verschieden sein kann.“

Kultur wirkt gemeinschaftsbildend und ist die Chance, urbane Wurzeln zu

schlagen.

Statt Kultur weg zu sparen, sollten wir in Bonn zu Baumeistern der Kultur

von morgen werden!

Die gesellschaftliche Relevanz von Kultur und die Anstiftung zur Mündigkeit

müssen unser Leitmotiv sein!

Beethoven hat´s super vorgemacht: er hat Revolution nicht gemacht, indem

er revoltierte, sondern indem er Musik machte!

In diesem Sinne: Ran an die Kultur! Ran an die Demokratie!

sie das Kulturamt der Landeshauptstadt Stuttgart

und trug die Personalverantwortung für

rund 800 Beschäftigte.

Seit dem 1. März 2019 ist birgit Schneider-bönninger

neue Sport- und Kulturdezernentin in

Bonn. Sie wurde für acht Jahre gewählt.

Birgit Schneider-Bönninger ist verheiratet und

hat eine Tochter.

KUrz

&

iNtereSSANt

Wie das Beethoven-Haus Bonn mitteilte, möchte

der neue Präsident des Hauses, der Geiger daniel

hope, in seiner Funktion musikalische Schwerpunkte

setzen, sich für die Vermittlung engagieren und

die internationale Ausstrahlung des Beethoven-

Hauses stärken. Zu Hopes Plänen gehört es, ein

neues Konzept für die Beethoven-Woche, das jährliche

Kammermusikfest des Beethoven-Hauses, zu

entwickeln. Außerdem sollen sogenannte Guest Artists

ausgewählt werden, die mehrmals pro Spielzeit

zu Konzertprojekten eingeladen werden. Durch

populärwissenschaftliche Publikationen wie die

kürzlich revidiert erschienene Beethoven-Biografie

von Jan Caeyers hoffe man, auch neue Zielgruppen

zu erschließen. Das Bundes ministerium für Finanzen

(BMF) überreichte Hope zum Beginn seiner Präsidentschaft

feierlich die kürzlich erschienene offizielle

20-Euro-Silbermünze der Bundesrepublik

Deutschland zum Beethovenjahr.

daniel hope, der neue Präsident des beethoven-hauses, und malte boecker, direktor des beethoven-hauses,

erhalten die offizielle 20-euro-Silbermünze der bundesrepublik deutschland zum

beethovenjahr aus den händen von Ulrike bohm, referatsleiterin des bereiches eurobargeld

und münzen im bundesministerium für Finanzen;

Foto: beethoven-haus bonn; Fotograf: barbara Frommann.

KUrz

&

iNtereSSANt

Rocky Horror Artistic-Show

Am 5. März zogen sie ein, ins Bonner GOP., die Freaks.

Wenige Tage später stoppte auch sie das Spielverbot.

Ob sie bis zum geplanten Ende der höchst originellen

Show am 3. Mai noch einmal auftreten können, weiß

heute keiner. Dass es extrem schade wäre, wenn dies

nicht möglich wäre, wissen wir allerdings.

Das von Freakmaster elyas Khan geleitete und mit einem

originellen Klangteppich überzogene skurrile Varieté-Programm

ist gespickt mit zum Teil sehr ungewöhnlichen

Auftritten großartiger Artist*innen. Und

zwischen allem und allen wuselt unheimlich und unglaublich

beweglich Spinnenfrau estrella Urban herum.

ubi

goP Freaks: elyas Khan (li) und estrella Urban – Foto: toofan hashemi

____ kulturseite 10 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 11

Komödiantische Daseinsberechtigung auf dem Prüfstand

timo Wopp sucht nach dem verlorenen Witz

Menschsein ist schwierig, Künstler sein noch

sehr viel schwieriger. Welche Existenzberechtigung

hat ein Kabarettist schon heutzutage

angesichts alternativer Fakten, die für wahr

gehalten werden, angesichts erodierender

Solidarität und wachsendem Egoismus in der

Filterblase? Was spricht noch ein Publikum an,

das sich potenziell von allem angegriffen fühlt?

Und welche Pointen können in dieser Situation

noch zünden? Diesen Fragen stellt sich timo

Wopp schon seit längerem. Drei Programme

hat er auf der Suche nach der eigenen Daseinsberechtigung

bereits auf die Bühnen der Republik

gebracht, jetzt soll mit „Ultimo“ pünktlich

zum zehnten Bühnen-Jubiläum ein Schlussstrich

unter das Thema gezogen werden.

Wopp hat einen langen Weg hinter sich: Einst

hatte er als erster deutscher Jongleur mit

einem Solo-Vertrag beim Cirque du Soleil die

Leute beglückt, sich dann aber dem Kabarett

zugewandt – und spielte zunächst vor 20 Leuten.

„Manche meiner Bekannten haben mich

deswegen für verrückt erklärt“, erinnert er sich

im Interview. „Aber rückblickend war das meine

beruflich beste Entscheidung.“ Inzwischen

füllt er mit seiner bissigen Satire wieder die Hallen,

indem er seinem Publikum den Spiegel vorhält und die vermeintlichen

Aufreger-Themen hinterfragt. „Es ist schon ein bisschen paradox,

dass wir uns einerseits über alles echauffieren können und andererseits

die Aussagen von Leuten wie Donald Trump gar nicht mehr als Tabubruch

wahrnehmen“, sagt Wopp, der daraus auch Leitlinien für sein eigenes

Wirken ableitet. „Früher war letzteres Aufgabe der Kunst, inzwischen

muss ich mich fragen, ob ich darauf überhaupt noch Lust habe.

Denn wenn ich krampfhaft nach Pointen suchen muss, die keinen

Shitstorm auslösen, lande ich irgendwann bei Gemüse-Witzen.“ Und die

sind wirklich nicht amüsant.

timo Wopp © www.timowopp.de

ße zu gelangen“, weiß er. „Und mitunter

findet man gerade in den Niederungen des

Humors die intellektuellsten Perlen.“ Oder

in den Selbstoptimierungs-Kursen mit den

vermeintlich brillanten Experten, die asoziale

Kompetenz mit präventiver Arroganz

paaren und dem Rest der Bevölkerung raten,

es ihnen gleich zu tun. Entsprechende

Erfahrungen hat der studierte BWLer während

seiner Zeit als Kommunikationsberater

gemacht und schon in seinem ersten

Programm Passion verarbeitet. Jetzt, in

Ultimo, könnte der Coach ein Comeback

erleben, der mit seinen derben Sprüchen

mitunter die Grenzen des guten Geschmacks

unterschreitet. „Ach, wir müssen

heutzutage so viel aushalten, da sollten

ein paar schlechte Witze zu verkraften

sein“, so Wopp. Und wenn doch jemand

daran Anstoß nimmt, dass er sich etwa

über Jesus lustig macht? „Dann hat man

mich falsch verstanden“, sagt dieser. „Ich

will niemanden beleidigen. Ich möchte

aber schon die Frage stellen dürfen, ob Jesus

mit seiner Art heute noch im Prenzlauer

Berg eine Chance gehabt hätte oder ob

er wegen Verhaltensauffälligkeiten ausgelacht

worden wäre.“

kulturPersonen

von Thomas Kölsch

Bei seiner Sinnsuche geht Timo Wopp nicht zimperlich vor, reizt Grenzen

aus und dringt gar in den „Marianengraben des Niveaus“ vor. „Man muss

manchmal das Tal der Lächerlichkeit durchschreiten, um zu wahrer Grö-

Ohnehin ist ein Programm von Timo Wopp immer auch ein Gesamtkunstwerk,

satirisch gebrochen und überzeichnet, ständig an der Grenze

zwischen Fettnäpfchen und political correctness und im Zweifel lieber

zum ersteren als zum letzteren tendierend. „Homöopathisches Kabarett“

hat er das einmal genannt, Klischees bedienend, um sie so zu entlarven.

Dabei ist es ihm wichtig, dass zunächst einmal über ihn gelacht

wird. Und nicht über andere. „Ich mag es nicht, die Blödheit anderer zu

benennen und mich dann darüber lustig zu machen“, gesteht er. „Ich

muss mich immer fragen, ob ich auch Teil dessen bin, worüber gelacht

wird, denn ich muss das ja ebenfalls ertragen können. Ich richte die Waffe

der Satire daher in erster Linie auf mich selbst.“

timo Wopp gastiert mit seinem Programm „timo Wopp - Auf der Suche nach dem verlorenen Witz“ (nach heutigem Stand)

am 6. mai im Pantheon. restkarten für mitglieder gibt es auch bei der theatergemeinde.

KUrz

&

iNtereSSANt

Das Pantheon verlegt ausgefallene Vorstellungen

Folgende Vorstellungen, die aufgrund der erzwungenen Schließung ausfallen bzw. ausfielen, sind, Stand 22.03.20, auf neue

Termine verlegt worden:

Andreas rebers statt 14.03. jetzt 28.01.2021

ingo Appelt statt 15.03. 19 Uhr jetzt 1.02.2021, 20 Uhr

Sven Pistors Fußballschule statt 16.03. jetzt 1.09.2020

Philipp zymny statt 18.03. jetzt 16.9.2020

William Wahl statt 19.03. jetzt 6. 01. 2021

Local Ambassadors statt 20.03. jetzt 19.09.20 (allerdings im Brückenforum)

Alfons statt 21.03. jetzt 7.10.20

die Alten bekannten statt 22.03. jetzt 30.08.20

bonnVoice, statt 23.03. jetzt 27.09 (14:30 Uhr)

Für Carolin No, Jean Faure und weitere Auftritte bis zum 19.04. werden Nachholtermine noch gesucht.

Für verlegte Termine behalten die Karten Ihre Gültigkeit. Sollten Sie über die Theatergemeinde für eine dieser Veranstaltungen Karten

erhalten haben, können Sie diese an den neuen Terminen Nutzen oder gegen eine Gutschrift an die TG zurückgeben oder Sie

können die Karten spenden (der Theatergemeinde oder dem Pantheon). In diesem Fall müssen die Karten auch an die TG

zurückgesandt werden.

____ kulturseite 11 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 12

kulturPersonen

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Emma Sventelius

octavian, Cherubino und eine oberamtsleiterin

Bei der Weihnachtsfeier der Bonner Opernfreunde überraschte sie mit

dem Song „Sexy Lady“ des amerikanischen Komponisten Ben Moore.

Darin beklagt eine Mezzosopranistin selbstironisch ihr Schicksal: Immer

diese Hosenrollen! Cherubino, Octavian und diverse Barockopern-Helden.

„I‘m tired of kissing chicks”, heißt es da und „I can be a sexy lady!”

Klar kann sie das, an der Oper in Malmö war sie 2018 schon zu erleben

als Carmen, also dem Inbegriff von selbstbewusster Weiblichkeit. In

Bonn, wo emma Sventelius seit dieser Spielzeit fest engagiert ist, hat sie

sich 2019 dem Publikum allerdings genau mit den beiden in dem Lied genannten

Partien vorgestellt. Als Octavian im Rosenkavalier von richard

Strauss und als Cherubino bei der Wiederaufnahme von mozarts Hochzeit

des Figaro eroberte die junge Schwedin mit ihrer burschikosen Erscheinung

und der blonden Kurzhaarfrisur sofort alle Herzen.

Allen Grund zum Strahlen hat sie derzeit sowieso. Denn Ende Februar

kam die offizielle Botschaft: Emma Sventelius erhält 2020 das renommierte

Birgit-Nilsson-Stipendium, eine große Auszeichnung für vielversprechende

Nachwuchstalente und in diesem Jahr mit 200.000 SEK (rund

20.000 Dollar) dotiert. Etliche Preise und Stipendien hat sie in den letzten

Jahren schon gewonnen. „Die Teilnahme an Wettbewerben und die

Förderung durch Stipendien ist extrem wichtig“, erklärt sie. „Nicht nur,

um Fachleute auf sich aufmerksam zu machen. Man braucht tatsächlich

auch das Geld, weil man vieles – z. B. oft die Reisekosten zu Vorsingen

etc. – selbst bezahlen muss und die Gagen im normalen Opern- und Konzertbetrieb

bei weitem nicht so üppig sind, wie manche glauben.“

In den letzten Monaten war sie sehr viel unterwegs zwischen Bonn und

ihrem Heimatland. Im Januar erhielt sie die Nachricht, dass die Königliche

Oper Stockholm sie als neuen Cherubino engagiert hatte. Das bedeutete

ständiges Pendeln zwischen den Proben dort und den Vorstellungen

hier. Am 15. Februar nachmittags beispielweise sang sie die

Wiederaufnahme-Premiere von Le nozze di Figaro in Stockholm, am 16.

die Dernière des Rosenkavalier in Bonn, am 17. wieder den Cherubino

in der schwedischen Hauptstadt. „Eigentlich hatte ich in Bonn darum gebeten,

nicht beide Stücke an direkt aufeinander folgenden Tagen zu

disponieren. Aber nach mehreren ‚Rosenkavalier‘-Vorstellungen war ich

überhaupt nicht mehr nervös wegen der Stimme, voller Vertrauen und

ganz entspannt.“

Die Rolle des Octavian hat sie sich spielerisch von Grund auf selbst erarbeitet

und dabei intensiv männliche Bewegungsmuster antrainiert. Immer

noch schwärmt sie von der heiteren Probenatmosphäre mit dem

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Regisseur Josef Köpplinger und den wunderbaren Bühnen-Kollegen. Arbeitssprache

in dem internationalen Ensemble ist Englisch. Dass das perfekte

Deutsch der sprachbegabten Sängerin einen – für den Octavian natürlich

idealen – leichten Wiener Akzent hat, verdankt sie ihrem Studienjahr

in der österreichischen Hauptstadt. Ganz anders war die Arbeit

beim Figaro, wo sie in eine fertige Inszenierung einsprang. „Die habe ich

als DVD studiert und stand dann nach einer Woche Probenzeit auf der

Bühne. Das hat aber auch Vorteile. Man kann sich völlig auf die Gestaltung

und die eigenen Energien konzentrieren. Damit gewinnt man auch

die Freiheit, ganz man selbst zu sein.“

Geboren wurde Emma Sventelius 1990 in der südschwedischen

Universitätsstadt Lund. Gern gesungen hat sie schon als Kind. Beide Eltern

waren Lehrer und wirkten begeistert in Amateurchören mit. Auch

Emma war bereits mit sechs Jahren in Chören aktiv. Musik spielte eine

große Rolle in der Familie. Man besuchte regelmäßig Konzerte („Ein absolutes

Schlüsselerlebnis für mich war Bachs Matthäuspassion“),

befasste sich aber kaum mit der Oper. Emmas erste Begegnung mit dem

Musiktheater – mit dreizehn Jahren sang sie im Opernhaus Malmö im

Kinderchor bei Verdis Othello – hinterließ keine nachhaltigen Spuren. Sie

lernte Klarinette, bis ihr Chorleiter ihr zu einer professionellen Ausbildung

ihrer schönen Stimme riet und ihr einen Sommerkurs für Operngesang

empfahl. Da sprang ein Funke über. Mit 21 Jahren erhielt sie erstmals

richtigen Gesangsunterricht und gab ihr Studium der Mikrobiologie

auf, als sie einen der raren Studienplätze für Kammermusik und Lied -

interpretation an der Volkshochschule in Vadstena ergattert hatte. Die

anspruchsvolle Ausbildung dort, eine Art Vorbereitung für ein Akademiestudium,

schloss sie 2013 ab.

Es folgte ein Gesangsstudium an der Königlichen Musikakademie Kopenhagen,

das sie 2016 mit einem Bachelor-Degree abschloss. Als

Erasmus-Studentin zog sie 2015/16 für ein Jahr nach Wien an die Universität

für Musik und darstellende Kunst. „Da war ich dann mindestens

zweimal pro Woche in der Staatsoper, wo es im obersten Rang Stehplätze

für drei Euro gab. Das war zwar toll, aber spannender fand ich bald die

Aufführungen im Theater an der Wien und an der Volksoper.“ Ihren


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 13

Master-Degree absolvierte sie 2018 am University

College of Opera in Stockholm. Schauspielerische

Erfahrungen hatte sie zwar schon gesammelt,

seit sie 2011 in ihrer Heimatstadt

Lund die Zauberin in Purcells Dido und Aeneas

verkörpert hatte. Ihr internationales Debüt gab

sie 2017 an der Deutschen Oper am Rhein als

Suzuki in Puccinis Madama Butterfly. In Bonn

sang sie bei der Wiederaufnahme dieser Oper

2019 die kleinere Partie der Kate Pinkerton.

„Düsseldorf war meine erste praktische Erfahrung

mit einem großen Opernhaus. Gleichzeitig

bereitete ich meinen Master in Stockholm vor.

Das war wie ein Leben in zwei Welten.“

In Bonn hat sie auf Empfehlung ihrer Agentur

Anfang 2019 vorgesungen und freut sich sehr,

dass es mit dem festen Engagement geklappt

hat. „Bonn ist jetzt schon wie eine zweite Heimat.

Das Haus ist

überschaubar, man

kann fast alle Beschäftigten

kennen. Außerdem

gibt es hier ein

Superpublikum. Man

spürt einfach eine

starke emotionale

Bindung der Leute an

ihre Oper und ihr

Ensemble.“

Eine begehrte Konzert-

und Oratoriensängerin

ist Sventelius

weiterhin, auch wenn

ihr dafür momentan

nicht viel Zeit bleibt. Beim Beethovenmarathon

am 21. Dezember war sie als Solistin in der

9. Sinfonie zu erleben, was zum Beginn der Jubiläumsfeierlichkeiten

natürlich etwas Besonderes

war. Bachs Matthäuspassion und das

Weihnachtsoratorium gehören ebenso zu ihrem

Repertoire wie Mozarts Requiem. Das wird

sie übrigens wieder Anfang April in Göteborg

singen. Unter der Leitung von Barbara Hannigan,

die die Mezzosopranistin in ihr Programm

„Equilibrium“ zur Förderung junger professioneller

Künstler aufgenommen hat, die am Anfang

ihrer Karriere stehen.

Im kommenden Sommer wird sie beim Festival

auf Schloss Läckö am Vänernsee die Titelrolle in

der außerhalb Schwedens kaum bekannten,

1973 uraufgeführten Oper Tintomara von Lars

Johan Werle singen. Die Hauptfigur changiert

kulturPersonen

zwischen den Geschlechtern und wird gleichermaßen

von Männern und Frauen begehrt.

Sventelius freut sich darauf, bei der Gelegenheit

mal wieder mit ihrem Mann zusammenzuarbeiten.

Der Bariton hannes Öberg ist ebenfalls

viel unterwegs und teilt mit ihr das

Interesse am zeitgenössischen Musiktheater.

Bei der Uraufführung der Kammeroper The Importance

of being Ernest von Bengt Tommy

Andersson nach Oscar Wilde 2017 in Vadstena,

sang Svertelius die Miss Prism, Öberg den Algernon.

Sie liebt moderne Musik und hat schon

einige Werke mit aus der Taufe gehoben,

darunter 2019 Händels Orlando in einer Bearbeitung

des zeitgenössischen schwedischen

Komponisten Johan Ramström. Sventelius sang

die Titelrolle im wunderschönen historischen

Confidencen-Theater bei Stockholm.

Mitte März haben die Proben begonnen für

mauricio Kagels Staatstheater (Premiere in

der Bonner Oper sollte am 24. April sein). Sventelius

wird die Oberamtsleiterin verkörpern

und ist sehr gespannt auf dieses musikalische

und szenische Abenteuer. Die Künstlerin ist

weltoffen, neugierig und ungemein freundlich.

Zwischen ihren vielen Auftritten braucht sie indes

auch einen vertrauten Ruhepol. Mit ihrem

Mann hat sie eine Wohnung in Malmö, wo sie

gern mal ausgiebig kocht und backt.

Seite 12 Porträt: © privat

Seite 12 unten: Louise Kemeny und emma Sventelius

in Der Rosenkavalier

Seite 13 Franz hawlata, emma Sventelius, Statisterie

in Der Rosenkavalier © thilo beu

Anzeige Theater Bonn

____ kulturseite 13 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 14

Foto: J.S.

kulturLiteratur / kulturSudoku

E C i L

i

C

Hanns-Josef Ortheils neues Buch handelt

von dem Schriftsteller Ernest Hemingway

und davon, wie der weltberühmte Mann an

einer Schreibblockade leidet.

Es war kurz nach dem 2. Weltkrieg.

Hemingway war zum vierten Mal verheiratet,

kam mit seiner jungen Frau nach Venedig,

schloss dort Freundschaft mit einem

jungen Fischer, der sein Begleiter wurde. Er

verliebte sich in eine 18-Jährige, die er zur

Heldin seines Romans machte, der aber nur

k u l t u r - S u d o k u

Für alle, die bisher diesem Puzzle aus dem Weg gegangen sind, hier

noch einmal die einfachen Regeln: In jeder Zeile, in jeder Spalte und in

jedem der 9 Felder von 3 x 3 Kästchen darf jede Ziffer von 1 - 9 nur einmal

vorkommen. Durch logisches Denken und/oder Probieren muss

man die 81 Kästchen nun so füllen, dass die obigen Bedingungen erfüllt

sind. Und da sich kultur nun mal eher dem Wort verschrieben hat, ist

unser Sudoku mit Buchstaben statt mit Zahlen. Ansonsten ist alles genauso.

Wenn Sie das Sudoku gelöst haben, können Sie in einer Zeile oder Spalte

die Lösung finden. dieses mal ist es der Name einer dänischen regisseurin

und drehbuchautorin.

Viel Vergnügen!

_ . _ _ _ _ _ _ _ _

Möchten Sie an der Verlosung teilnehmen, dann senden Sie uns bitte bis

zum 1.05.2020 das Lösungswort per Postkarte, Fax oder E-Mail. Unter den

richtigen Einsendungen verlosen wir drei Bücher gestiftet von der

büchergilde buch & grafik bonn, breite Straße 47.

Die Gewinner werden in kultur, Ausgabe 168 veröffentlicht.

Mitarbeiter von kultur und der Theatergemeinde BONN dürfen zwar miträtseln,

leider aber nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

bitte beachten Sie, dass die gewinne zwei bis dreimal jährlich gesammelt

verschickt werden.

die gewinner aus Nr. 163: herr grützner aus bonn, Frau Albers

aus bonn, Frau Wendelstorf aus bonn - Herzlichen Glückwunsch!

e

Für Sie ausgelesen von Rita Hoffmann:

Der von den Löwen träumte von hanns-Josef ortheil

L r g h

h

langsam fertig wurde.

Hemingway steht an der

Schwelle des Alters und

blickt zurück auf ein Leben

voller Abenteuer, Krieg, Erfolg,

Sex und Alkohol ... Er

sucht Ruhe und Einsamkeit

und denkt nach über Leben

und Tod, über Freundschaft

und den Sinn des Daseins,

und so schreibt er sein berühmtestes

Werk Der alte

Mann und das Meer, das

ihm den Nobelpreis bringt.

Ortheil ist Schriftsteller,

ein sehr guter und ein sehr

vielseitiger, wenn auch

kein weltberühmter. Er

identifiziert sich mit dem

„Kollegen“ im Jahre 1948,

der vor sieben Jahrzehnten

vom Löwen träumte und

mit einem übergroßen

Fisch kämpfte. Es ist, wie

ich finde, ein bemerkenswertes

Buch entstanden.

hanns-Josef ortheil

Der von den Löwen träumte

Hemingway in Venedig

Hardcover mit Schutzumschlag,

352 Seiten

Luchterhand, 10/2019,

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kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:23 Seite 15

Unser Gastro-Tipp

Pizzeria Da Sasà 2 in bonn-Poppelsdorf

kulturinarisches-/kulturCard-Partner

da Sasà 2

Clemens-August-Str. 19

53115 Bonn

Tel. 01 57 / 31 29 01 61

ca. 80 Plätze + Terrasse

Öffnungszeiten:

Di-Sa 11.30-14.30 und

17.30-22.30 Uhr,

Mo Ruhetag, .

die gastro-tests erfolgen anonym! gastro-tipps aus

kultur 1-162 finden Sie in unserem online-Achiv:

www.tg-bonn.de (-> Unsere Angebote -> kultur)

Foto: J.S.

Im Jahr 2017 wurde die „Kunst des neapolitanischen

Pizzabackens“ zum immateriellen

Weltkulturerbe erklärt. Dass Pizza nicht gleich

Pizza ist, wissen wir, und dass eine echte italienische

Pizza aus einem Steinofen kommen

sollte und einen dünnen Boden und einen

breiteren, „luftigen“ Rand hat, auch. Aber wie

muss eine Pizza sein, um „typisch neapolitanisch”

genannt werden zu dürfen?

Hierzu gibt es für die Zubereitung des Teigs sowie

die Verwendung von Käse- und Tomaten -

sorten genaue Vorgaben der Associazione

Verace Pizza Napoletana (AVPN), einer Vereinigung

von Pizzabäckern, die sich für die Aufrechterhaltung

der Tradition engagiert.

Ein solcher echter neapolitanischer Pizza bä -

cker, Salvatore (Sasà) Mazzamauro, hat vor einem

Jahr auf der Poppelsdorfer „Gastromeile”,

der Clemens-August-Straße, die Pizzeria

Da Sasà 2 eröffnet.

Gelernt hat Mazzamauro das Pizzahandwerk

in seiner Heimatstadt Neapel. Seit einigen Jahren

lebt er in Bonn, wo er zunächst in Godesberg

arbeitete und seit dem Jahr 2015 gemeinsam

mit seinem Schwager Gabriele Valentino

das Pizza-„Büdchen” Da Sasà vor dem

Johannes-Hospital am Wilhelmsplatz betrieb.

Zentrum für verfolgte Künste, Solingen

Neuer KulturCard-Partner

____ kulturseite 15 ____

Die Einrichtung des schlauchförmigen Restaurants

ist unprätentiös und vermittelt mit in den

Farben Rot, Gelb, Grün und Blau gestrichenen

Stühlen und einem Dielenboden aus verschiedenen

Holztönen eine fröhliche Atmosphäre.

Die Speisekarte liegt wie ein Set auf den

Tischen in heller Holzoptik. Das Personal ist

freundlich und herzlich.

55 Pizza-Varianten umfasst die Speisekarte, zu

sehr moderaten Preisen (7-13 €). Rund die

Hälfte davon sind klassische Pizzen mit Tomatensauce,

Basilikum und Mozzarella als Grundlage,

z. B. Pizza Quattro Stagioni, Capricciosa,

Frutti di Mare oder Napoletana, aber auch

hauseigene Kreationen wie die Pizza Sasà 2 mit

Gorgonzola, Rucola und Salsiccia Piccante

oder Pizza Bubu mit Krabben, Thunfisch und

Kapern. Außerdem gibt es drei „gefaltete“

bzw. gefüllte Pizza Calzone und eine Auswahl

„weißer” Pizzen, bei denen auf Tomatensoße

verzichtet wird – z. B. Pizza Palermo mit Mozzarella,

scharfer Salami und Gorgonzola. In der

Kategorie Pizze Speciali locken spannende

Krea tionen wie die Pizza Deliziosa mit geräuchertem

Mozzarella-Käse, gegrillten Auberginen

und Salsiccia, oder Pizza Alessia mit hausgemachter

Artischockencreme, Basilikum,

Mozzarella, gekochtem Schinken und Rucola.

Das Da Sasà 2 ist eine reine Pizzeria, es gibt

weder Pasta, andere Hauptgerichte noch Desserts

– aber eine vielseitige Auswahl an Antipasti,

um die Zeit des Wartens auf die Pizza zu

verschönern, von Oliven (3,50 €) über Insalata

mista (4,50 €) bis zu Fresella (neapolitischen

Bruschetta) in verschiedenen Varianten oder

einem vielseitigen gemischten Vorspeisenteller

nach Art des Hauses.

Für alle, die (lieber) zu Hause essen möchten

oder müssen: Die Pizzen gibt es auch zum Abholen

(kein Lieferservice). J.S.

Wir freuen uns, Ihnen mit dem Zentrum

umfassende Literatursammlung

für verfolgte Künste in Solingen

einen neuen KulturCard-Partner vorstellen

zu dürfen. Mitglieder der

Thea tergemeinde BONN erhalten bei

Vorzeigen der KulturCard Eintritt zum

ermäßigten Preis.

Die Entstehung des Zentrums geht

Jürgen Serke zur Verfügung. Sie wird

in Auszügen unter dem Titel Himmel

und Hölle 1914 – 1989 präsentiert. Es

handelt sich um ehemals verbotene,

verbrannte und im Exil entstandene

Literatur sowie um Werke von Dissidenten

in der DDR.

zurück auf die im Jahr 2003 gegründete

Außerdem gibt es wechselnde

Fördergesellschaft des Kunst-

Sammlers Dr. Gerhard Schneider, die

wiederum zur Gründung einer Stiftung

führte, in die der Solinger Unternehmer

Thomas Busch (Firma Walbusch)

eine Million Euro investierte, blick in die dauerausstellung, Foto: zentrum für verfolgte Künste.

Sonderausstellungen. Die nächste beginnt

am 7. Mai 2020. Unter dem Titel

Écraser l’infâme! Zermalmt das Infame!

präsentiert das Zentrum für

verfolgte Künste anlässlich des 75.

Jahrestag des Endes des Zweiten

und in die sich das Kunstmuseum Solingen

einbrachte, in dem es sein Obergeschoss für

die Nutzung als Ausstellungsraum zur Verfügung

sentation von Werken aus der Sammlung Dr.

Schneiders.

Als Dauerleihgabe der Else Lasker-Schüler-

Weltkriegs die Kunstsammlung der Gedenkstätte

Sachsenhausen zum Thema Künstler

und das Konzentrationslager. J.S.

stellte.

Stiftung, mit dem die Stiftung für verfemte Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen,

Tel. 02 12 / 2 58 14-0 , Öffnungszeiten: Di-

Die Stiftung richtet ihren Fokus auf die deutsche

Geschichte des zwanzigsten Jahrhun-

verfolgte Künste verschmolz, steht dem Zen-

Das Zentrum für verfolgte Künste ist für Besu-

Künste im Jahr 2014 zur Bürgerstiftung für

So/Feiertag 10-17 Uhr, Mo geschlossen.

derts und in diesem Zusammenhang die Prätrum

seit dem Jahr 2008 die ca. 2.500 Werke cher mit eingeschränkter Mobilität über den

Seiteneingang barrierefrei zugänglich.

Foto: ubi.


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:23 Seite 16

kulturMuseumsbesuch/kulturCard-Partner

Arp Museum Bahnhof Rolandseck

Salvador dalí und hans Arp – Die Geburt der Erinnerung / Jonas burgert: Sinn frisst (bis 16.08.20)

besucht von heidrun Wirth

Ausstellungsansicht: Vorne Skulptur von hans Arp, dahinter

dalí mit dem bild Einweihungs-Gänsehaut,

Foto: heidrun Wirth.

„Lassen wir Picasso beiseite. Wir werden lernen

müssen, uns besser mit Arp zu verstehen“,

sagte der Großmeister des Surrealismus,

Salvador Dalí. Man kannte sich in der

Surrealistenszene der 20erund

30er-Jahre im vorigen

Jahrhundert in Paris. Dies beflügelte

Oliver Kornhoff und

sein Team nun im Arp Museum,

sich auf weitere Spurensuche

zu begeben und unter

dem Titel Die Geburt der Erinnerung

passende Werke voller

Anspielungen, nicht ohne Humor

und mit der Betonung einer

gegenseitigen Wertschätzung

zu Tage zu fördern. Die

beiden Surrealisten in ihrer

Verschiedenheit und doch

auch Ähnlichkeit sind nun in

der obersten Etage im Arp Museum rundum

zu genießen: Salvador Dalí (1904 – 1989) der

detailreich agierende Maler verrück ter

Traumwelten und Hans Arp (1886 – 1969), der

träumende Poet einer neuen Welt, die aus

schlichten Details erwachsen ist. Zum Beispiel

aus einem Schnurrbart, was Dalí bereits 1929

noch vor der Begegnung der beiden Künstler

Salvador dalí, Hummertelefon,

1938, West dean College of Arts and

Conservation, © Funcació gala-Salvador

dalí, Figueres/ Vg bild-Kunst,

bonn 2020.

in Paris beschrieb, indem er Hans Arp als den

„Erfinder der Schnurrbärte ohne Ende“ bezeichnete.

Einige Zeit danach ließ Dalí sich seinen

berühmten zugespitzten Oberlippenbart

wachsen. Im Œu vre von Arp steht dafür der

grüne wollene Wandbehang mit dem schwarzen

Schnurrbart-Signet (Schnurrbart-Mann

und Nabel, 1961). Doch unverkennbar sind

auch die Unterschiede, betrachtet man das

Panorama, das Dalí mit dem berühmten Bild

Der Traum der Venus von 1939 ausbreitet, auf

dem die zerfließenden Uhren nicht fehlen

dürfen. Das einst für die Weltausstellung von

New York geschaffene Gemälde kam extra für

die Schau in Rolandseck aus dem Museum in

Hiroshima. Wer die langen brennenden Hälse

zweier einsamer Giraffen vor dem unendlichen

Horizont sieht, denkt auch an Guernica.

Ähnlich aufgeladen mit einer Welt, die in Kriegen

untergeht, erscheint uns das Bild heute.

Nicht weit davon findet sich,

als ebenso berühmtes Schaustück

des Surrealismus, das

Hummertelefon von 1938,

eine Leihgabe aus dem Dalí-

Museum in Figueras. Von dort

kommt auch noch als ganz besonderer

Beitrag zu einer

Hommage zum Beethovenjahr

ein von Dalí ges tisch dynamisch

gemalter Beethoven-

Kopf, der nach einer früheren

Zeichnung 1973 mit Tintenfischtinte

gemalt wurde.

Salvador dalí, Der Traum der Venus, 1939, hiro shima

Prefectural Art museum, © Funcació gala-Salvador

dalí, Figueres/Vg bild-Kunst, bonn 2020.

Als modernen Surrealisten

holte man den 1969 geborenen Berliner Jonas

Burgert herbei, wie eine Etage tiefer an bis zu

2,40 x 3 Meter dimensionierten Bildern unter

dem Titel Sinn frisst zu sehen ist, ergänzt

durch hypernaturalistische bemalte Bronze-

Skulpturen. Hier brechen keine Träume, sondern

Traumata hervor. Übervoll sind die Bilder

mit schematisch typisierten Gestalten beladen,

die seltsam leer und unverbindlich bleiben.

„Ich habe das Gefühl, man kann die Welt

nicht richtig greifen, da alles auf tönernen Füßen

steht und es bleibt der Dreck“, erklärt der

Künstler seine skurrile negativ geladene Welt

mit Scherben und Zerfall, die er als „Abrieb

des Lebens“ bezeichnet.

Wie schön dagegen die Etage darüber. Bei Dalí

und Arp gibt’s immer auch eine Prise Humor

Jonas burgert vor seinem Werk, bild: heidrun Wirth.

und Schmunzeln, Selbstironie und die gute

französische Einsicht, dass es das Herz ist, was

den Verstand so oft zum Narren macht

(L´esprit est la dupe du coeur). H.W.

Außerdem:

* bis 1.06.: Kunstkammer Rau – Die vier Elemente

(s. kultur 162).

Hans-Arp-Allee 1, 53424 Remagen, Tel. 0 22 28

/ 94 25-16 , Öffnungszeiten: Di-So/Feiertage 11-

18 Uhr, Mo geschlossen. Stand 20.03.20: Das

Museum bleibt aufgrund der Corona-Epidemie

bis auf Weiteres geschlossen.

kultur-ticker

Veranstaltungen unserer KulturCard-Partner

bis zum 19.04. dürfen museen, bildungs- und Freizeiteinrichtungen aufgrund der Corona-epidemie keine Veranstaltungen anbieten.

Unsere Veranstaltungshinweise (Stand 20.03.20) gelten daher für den zeitraum 20.04.-30.04.20.

Alanus Weiterbildungs- und tagungszentrum,

Alfter:

* 22.04.-7.10.: Kunst to go am Vormittag (Mi

9-12 Uhr/ Kunst to go am Abend (Mi 18-21

Uhr): Offenes Mal-Atelier für Interessierte,

die spontan oder wöchentlich künstlerisch

arbeiten möchten.

***

Arithmeum:

* bis 31.10.: Mathematik und Ästhetik des

Chipdesigns (s. kultur 162).

***

August macke haus:

* bis 7.06.: Mit Stich und Faden – Expressionistische

und zeitgenössische Kunst im

Gegenüber (s. kultur 164).

***

beethoven-haus bonn:

* bis 26.04.: In bester Gesellschaft – Joseph

Stielers Beethoven-Porträt und seine Geschichte

(s. kultur 162).

***

____ kulturseite 16 ____

bergisches drehorgelmuseum,

marienheide:

* 26.04., 11 Uhr: Die heitere Welt der Mechanischen

Musik – Ein Rundgang im Bergischen

Drehorgelmuseum mit Geschichten,

Gedichten und viel Musik.

***

bonner Kunstverein:

* bis 26.04.: Jeremy Deller: Wir haben die

Schnauze voll (s. kultur 163).

***


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:23 Seite 17

burg Wissem bilderbuchmuseum der Stadt

troisdorf:

* bis 14.06.: Michael Ende: Die unendliche

Geschichte und andere Klassiker.

* 26.04.-14.06.: Hans Delfosse – Malerei, Papierarbeiten

und Leporellos.

***

deutsches museum bonn:

* bis 7.06.: Gameskultur in Deutschland –

Meilensteine (s. kultur 164).

***

Fischereimuseum bergheim an der Sieg:

* bis 10.05.: Bäume, Begleiter in guten und

schlechten Tagen – Ausstellung von Gabi

Jahn (s. kultur 162).

***

Frauenmuseum bonn::

* bis 8.11.: Eleonore, Emilie, Elise – Beethoven

und die Frage nach den Frauen im Bonn

des 18. Jahrhunderts / im Land der Sehnsucht

/ in der Musik (s. kultur 163).

***

goethe-gesellschaft bonn e. V.:

* 30.04., 19.30 Uhr, Stiftung Pfennigsdorf,

Poppelsdorfer Allee 108, 53115 Bonn: Unter

Goethes Augen – Die Erziehung des Weimarer

Erbprinzen Carl Alexander durch den Genfer

Frédéric Soret, Vortrag Ingrid Rufflar, Bonn.

***

haus der Frauengeschichte:

* 26.04., 11.30 Uhr: Der Kampf der Frauen

gegen § 218 StGB bis hin zu § 219a StGB, Vortrag

Dr. jur. Barbara Degen.

* 30.04., 18.30 Uhr: „Hexen“Geschichte

durch die Jahrhunderte, Vortrag mit Isabel

Busch M.A.

***

haus Schlesien:

* bis 25.10.: Stilles Leben? Stillleben von Wolf

Röhricht.

* bis 27.07: Kann Spuren von Heimat enthalten

– Essen und Trinken, Identität und Integration

der Deutschen des östlichen Europa

(s. kultur 163).

***

Kunstmuseum bonn:

* bis 3.05.: Candice Breitz: Labour (s. kultur

163).

* bis 14.06.: Martin Noël: paintprintpaint.

Martin Noël (*1956 in Berlin; †2010 in Bonn)

gehörte zu den prägenden Erneuerern der

lange vernachlässigten Kunst des Linol- und

Holzschnitts, die er mit unverwechselbaren

Formfindungen bereicherte.

* 22.04.-5.07.: Bonner Kunstpreis 2019: Nico

Joana Weber. In verschiedenen künstlerischen

Medien verhandelt Weber die ästhetischen

und politischen Prägungen von Architektur

und Landschaft in transkulturellen

Kontexten.

***

Kunst- und Ausstellungshalle der bundesrepublik

deutschland:

* bis 26.04.: Beethoven – Welt.Bürger.Musik

(s. kultur 161 und 163).

* voraussichtlich Ende April bis 28.06.: State

Of The Arts – Die Verschmelzung der Künste.

Die Ausstellung präsentiert eines der spannendsten

Phänomene unserer Zeit: die Verschmelzung

von darstellender und bildender

Kunst.

* bis 12.07.: Wir Kapitalisten – Von Anfang

bis Turbo (s. kultur 164).

***

LVr-Freilichtmuseum Kommern:

* bis 3.05.: Kasper, Seppel und der Räuber –

Handpuppen von Christa und Irmgard

Pastors (s. kultur 155).

* bis 25.10.: Bartning.Bartning.Bartning. –

Architekt der Moderne (s. kultur 162).

* bis 10.01.: Trüb und klar. Unser täglich Wasser.

***

LVr-Freilichtmuseum Lindlar:

* bis 31.12.: Land - Frauen - Arbeit in der

Wei marer Republik – Ausstellung in der Umweltwerkstatt

im Müllershammer.

***

LVr-industriemuseum Kraftwerk ermen &

engels, engelskirchen:

* voraussichtlich 21.04. (Ausstellungseröffnung

3.04. verschoben) bis 25.10.: Ist das

möglich? Experimentier-Ausstellung für Kinder,

Jugendliche und Familien.

***

LVr-industriemuseum Papiermühle Alte

dombach, bergisch gladbach:

* bis 7.02.: Von der Rolle – KloPapierGeschichten

(s. kultur 164).

***

LVr-Landesmuseum bonn:

* 30.04.-9.08.: Andreas Bausch (Preisträger

des Rheinischen Kunstpreises des Rhein-Sieg-

Kreises). Der Maler Andreas Bausch setzt sich

mit traditionsreichen Themen, wie beispielsweise

der Landschaft, auseinander und setzt

dabei neue Akzente.

* bis 13.09.: Music! – Hören – Machen – Fühlen.

Eine Mitmachausstellung (s. kultur 161).

***

____ kulturseite 17 ____

kulturCard-Partner

kultur-ticker (Fortsetzung)

Veranstaltungen unserer KulturCard-Partner

bis zum 19.04. dürfen museen, bildungs- und Freizeiteinrichtungen aufgrund der Corona-epidemie keine Veranstaltungen anbieten.

Unsere Veranstaltungshinweise (Stand 20.03.20) gelten daher für den zeitraum 20.04.-30.04.20.

haus Schlesien: Kann Spuren von Heimat enthalten,

blick in die Ausstellung. bild: haus Schlesien.

Photographische Sammlung, SK Kultur,

Köln:

* voraussichtlich 20.04. (Ausstellungseröffnung

vom 20.03. verschoben) bis 12.07.:

Berenice Abbott. Portraits of Modernity

(s. kultur 164).

***

richard-Wagner-Verband bonn e. V.:

* 22.04., 19 Uhr, Woelfl-Haus, Meßdorfer

Straße 177, 53123 Bonn: Unser Team für

Bayreuth 2020 – Stipendiatenkonzert und

Vorstellung.

***

Schloss burg:

* 30.04., 21 Uhr: Gruselführung Spezial zur

Walpurgisnacht.

***

Siebengebirgsmuseum der Stadt Königswinter:

* bis 26.04.: Vom Rhein nach Italien – Auf den

Spuren der Grand Tour im 19. Jahrhundert

(s. kultur 161).

***

Stadtmuseum bonn:

* 25.04.-19.07. im Ernst-Moritz-Arndt-Haus:

Bonns Goldenes Zeitalter – Die kurkölnische

Residenzstadt Bonn zur Zeit Beethovens.

***

Stattreisen bonn erleben e. V.:

* 21.04., 17 Uhr, Treffpunkt: Kaiserplatz, am

Mahnmal für die NS-Opfer: Bonn in der NS-

Zeit – Verfolgung und Widerstand.

* 25.04., 14 Uhr, Treffpunkt: vor dem Hauptbahnhof,

Poststr./Ecke Maximilianstr.:

Innenstadt Auf und unter'm Pflas ter.

* 26.04., 11 Uhr, Treffpunkt: Poppelsdorfer Allee/Ecke

Baumschulallee: West-Side-Seeing –

Die Bonner Weststadt.

***

tanzmuseum des deutschen tanzarchivs

Köln, SK Kultur:

* voraussichtlich 20.04. (Ausstellungseröffnung

vom 21.03. verschoben) bis 28.02.21:

Reizend! Tanz in der Werbung (s. kultur 164).

***

theatergemeinde boNN :

* Hausausstellung Paolo Leone: Terra Sicula

(s. kultur 164).

***

zoologisches Forschungsmuseum Alexander

Koenig:

* voraussichtlich 21.04. (Ausstellungseröffnung

vom 26.03. verschoben) bis 21.06.: Die

Küste – Trennlinie und Lebensraum, Fotoausstellung.

* voraussichtlich 21.04. (Ausstellungseröffnung

vom 24.03. verschoben) bis 26.04.:

Afrikas wilder Süden, Fotoausstellung.

* bis 21.06.: Groß, größer, Dinosaurier – Aus

dem Labor der Gigantismus-Forscher

(s. kultur 160).


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:23 Seite 18

kulturFernsehen

Da eine Vorschau auf Theater-Termine für April zur Zeit wenig sinnvoll scheint, haben wir uns entschlossen, in

diesem Monat dem guten alten Fernsehen mehr Raum zu geben und Ihnen ein paar extra TV-Kultur-Perlen vorzuschlagen.

Darunter zwei Werke, die jetzt auf dem Spielplan der Oper Bonn stehen würden, wenn ...

So. 5.04.

rAFFAeL – eiN SterbLiCher gott

Der Maler raffaello Santi stirbt mit 37 Jahren am

15:45 Uhr K arfreitag des Jahres 1520. Rom steht unter Schock. Es ist

52 min. der Beginn des Raffael-Mythos, der bis heute weitererzählt

Arte wird und den Maler überhöht und glorifiziert. Doch was steckt

hinter dem Mythos Raffael? Anhand seines wohl berühmtesten Gemäldes,

der „Sixtinischen Madonna“, folgt ARTE der Spur des Künstlergenies.

Kaum jemand bringt die Madonna und vor allem die beiden Engel, die zu

ihren Füßen liegen, noch mit dem Malergenie Raffael in Verbindung. Die

Engel zieren Kaffeetassen oder Keksdosen, sind zu Kitschobjekten geworden.

Steckte dahinter möglicherweise eine Absicht? Denn wer dem Leben

des großen Renaissancemalers folgt, erkennt hinter dem verklärten Mythos

das Prinzip Raffael. Der Meister wollte für die Ewigkeit malen, er wollte

in seinem Werk lebendig bleiben. Das ist dem „göttlichen Maler“ grandios

gelungen.

So. 5.04.

ChriStUS Am ÖLberge

Sir Simon rattle dirigiert beethoven

17:25 Uhr London Symphony orchestra, Dirigent: Sir Simon rattle

59 min. Mit: elsa dreisig (Sopran), Pavol breslik (Tenor), david Soar

Arte (Bass)

Es galt fast schon als vergessenes Meisterwerk: das einzige Oratorium

Beethovens. Vor genau 217 Jahren, am 5. April 1803, wurde „Chris-

tus am Ölberge“ uraufgeführt. Obwohl die Uraufführung beim Publikum

durchaus ein Erfolg war, wurde dieses Werk später nur noch selten dargeboten.

Im Rahmen des Beethoven-Jahres 2020 wird es vom London Symphony

Orchestra und dem London Symphony Choir unter der Leitung von

Sir Simon Rattle im Londoner Barbican Centre neu aufgeführt. Die

Solistenrollen werden von Pavol Breslik (Tenor), Elsa Dreisig (Sopran) und

David Soar (Bass) übernommen.

So. 5.04.

toSCA

Oper von giacomo Puccini

23:35 Uhr Inszenierung: Christof Loy

123 min. orchester d. Finnischen Nationaloper, D. Patrick Fournillier

Arte Mit: Andrea Carè (Mario Cavaradossi), tuomas Pursio (Baron

Scarpia), heikki Aalto (Küster), tapani Plathan (Cesare Angelotti),

matias haakana (Spoletta), Ausrinė Stundytė (Floria Tosca), Nicholas

Söderlund (Sciarrone), henri Uusitalo (Gefängniswärter), Kris-Andrea

haav (Mädchen), Alvari Stenbäck (Gennarino)

ARTE zeigt Puccinis Opernklassiker „Tosca“ aus der finnischen Nationaloper

in Helsinki in einer Neuinszenierung von Christof Loy. Die Geschichte:

Der skrupellose Polizeichef Scarpia missbraucht seine Amtsmacht, um die

Sängerin Floria Tosca zu seiner Geliebten zu machen. Tosca wiederum hat

ein Liebesverhältnis mit dem Maler und Freigeist Mario Cavaradossi. Eine

Dreiecksgeschichte mit tragischem Ende.

Fr. 10.04.

JeSUS ChriSt SUPerStAr – LiVe iN CoNCert

Musical, USA, 2019

22:40 Uhr Mit: Alice Cooper (Herodes Antipas), John Legend (J esus

100 min. Christus), Sara bareilles (Maria Magdalena), brandon Victor

Arte dixon (Judas Iskariot), ben daniels (Pontius Pilatus), Norm Lewis

(Kajaphas), Jason tam (Simon Petrus), erik grönwall (Simon Zelotes)

„Jesus Christ Superstar Live in Concert“ ist ein opulent gefilmter Konzertabend

der Rockoper von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice. Die Story

veranschaulicht und dramatisiert die letzten sieben Tage im Leben von

Jesus Christus mit den Mitteln der Popmusik. Erzählt wird die Geschichte

aus der Perspektive von Judas, der mit dem wachsenden Erfolg von Jesus

bei seinen Anhängern misstrauisch wird. Als Jesus im Tempel die Geldwechsler

zur Rede stellt, wendet sich Judas gegen seinen Lehrer und setzt

tragische Ereignisse in Gang.

Sa. 11.04.

der meSSiAS

Als großes Bühnenprojekt von rolando Villazóns

20:15 Uhr Salzburger Mozartwoche (23. Januar bis 2. Februar 2020)

150 min. inszeniert der gefeierte Theaterkünstler robert Wilson Der

3SAt Messias KV 572, eine Bearbeitung mozarts von händels Oratorium,

interpretiert mit Les musiciens du Louvre unter der Leitung

von marc minkowski.

SAKrALe bAUWerKe

Vom Streben nach höhe und Licht: Kirchen

Mit der Ausbreitung des Christentums ging die Entstehung

von religiösen Stätten einher, in denen der Glaube

praktiziert werden konnte: Klöster und Kirchen wurden errichtet

und schließlich immer höhere und größere Kathedralen. Die

zweite Folge der Dokumentationsreihe „Sakrale Bauwerke“ zeichnet

den steten Wandel

christlicher Sakralbauten

nach, von Jerusalem

bis zum Mont-

Saint-Michel, von Florenz

bis Moskau. Immer

weiter verschoben

die Baumeister die

Grenzen des technisch

Machbaren, um mit

Gebäuden, die sich

zum Himmel strecken,

und dem Spiel des

Lichts die Macht der

Kirche auszudrücken.

anschließend

21:45 KAthedrALeN – WUNderWerKe der gotiK (81 Min.)

Sa. 11.04.

20:15 Uhr

89 min.

Arte

Die Kathedrale Santa Maria del Fiore in Florenz, ein

Meisterwerk der Renaissance-Architektur, verkörpert

das religiöse Herz der Stadt. © ZED/ARTE

Die sich dem Himmel entgegenstreckenden Bauwerke der Gotik, allen voran

die Kathedralen im Norden Frankreichs, bergen immer noch Rätsel der

Architektur. Archäologen machen sich neueste Techniken zu eigen, um

den Geheimnissen der Baudenkmäler des Mittelalters auf die Spur zu kommen.

So. 12.04.

dANieL hArdiNg dirigiert

mAhLerS AUFerStehUNgSSymPhoNie

Mit okka von der damerau (Mezzosopran) und 9:05 Uhr

Katharina Konradi (Sopran)

85 min.

Symphonieorchester des bayerischen rundfunks

3SAt

Musikalische Leitung: daniel harding

Zum Auftakt der Saison 2019/20 spielte das Symphonieorchester des

Bayerischen Rundfunks (BRSO) ein monumentales Werk: die Symphonie

Nr. 2 von gustav mahler, die „Auferstehungssymphonie“.

Zusammen mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks boten die Musiker

des BRSO alle vokalsymphonischen Kräfte auf, um Mahlers Werk zu einem

überwältigenden Klangerlebnis zu machen. Der Brite Daniel Harding dirigierte

die vereinten Kollektive durch Mahlers Klangkosmos.

So. 12.04.

egoN SChieLe

Seit 100 Jahren versucht die kunstinteressierte Gesellschaft,

sich mit dem verstörenden Werk des österreichischen

Malers Egon Schiele auseinanderzusetzen. Heu-

55 min.

16:00 Uhr

te zählt Schieles Werk zum Teuersten, was am internationalen Arte

Kunstmarkt gehandelt wird. Aber das von ihm Dargestellte vermag

noch immer zu verunsichern und zu polarisieren. Die Dokumentation

„Egon Schiele“ beleuchtet aus seinem kurzen Leben verborgene Hintergründe

und oft wenig bekannte Ereignisse, die Anlass und Quelle für seine

Kunst gewesen sein mögen. Ereignisse, die zwischen berührender Innigkeit

und nur schwer erträglicher Wahrhaftigkeit ihren unverrückbaren Platz

eingenommen haben.

WieN Feiert beethoVeN

PhiLiPPe JordAN UNd die WieNer SymPhoNiKer

So. 12.04.

17:00 Uhr

86 min.

Arte

Im Rahmen des Beethoven-Jahres 2020 zeigt ARTE die

„Große Akademie“, ein ganz besonderes Konzert aus dem

Wiener Konzerthaus.

Der 22. Dezember 1808 ist in die Musikgeschichte eingegangen, denn

an diesem Abend wurde in Wien ein vierstündiges Konzert mit gleich vier

Beethoven-Uraufführungen aufgeführt: die Symphonie Nr. 5, die Symphonie

Nr. 6 („Pastorale“), das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 und die

Fantasie für Klavier, Chor und Orchester. Klassikstars wie Nicholas Angelich,

Jacquelyn Wagner und Anke Vondung rekonstruieren zusammen mit

den Wiener Symphonikern und der Wiener Singakademie jenes öffentliche

Konzert aus dem Jahr 1808.

____ kulturseite 18 ____


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:23 Seite 19

mo. 13.04.

CAVALLeriA rUStiCANA

Melodram in einem Akt von Pietro mascagni

9:15 Uhr Großes Festspielhaus, Osterfestspiele Salzburg 2015

75 min. Mit: Liudmyla monastyrska, Jonas Kaufmann, Stefania

3SAt toczyska, Ambrogio maestri, Annalisa Stroppa

Sächsische Staatskapelle dresden, musikalische Leitung: Christian

thielemann

Inszenierung: Philipp Stölzl

Zum ersten Mal stand bei den Osterfestspielen Salzburg 2015 die veristische

Oper „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni mit Startenor Jonas

Kaufmann auf dem Spielplan.

Verdichtet auf 75 hoch emotionale und dramatische Minuten, entwickelt

Pietro Mascagnis Musik einen mitreißenden Sog.

Unverstellte, rustikale Leidenschaft wollte Pietro Mascagni auf der Bühne

sehen, weshalb er die Ränke seiner „Cavalleria“ nicht bei einer adligen Elite,

sondern in einem einfachen Milieu spielen lässt. Damit prägte er die italienische

Stilrichtung „Verismo“, die die Gefühle des einfachen Volkes ins

Theater brachte.

Fr. 17.04.

21:55 Uhr

84 min.

Arte

JoAN bAez – hoW SWeet the SoUNd

Das Gewissen einer Generation: Die politisch engagierte

Folksängerin Joan baez sang im Luftschutzbunker,

während draußen die Bomben fielen. Aber sie ist auch eine

der wichtigsten und bekanntesten Vertreterinnen der Folkmusik.

In einem umfassenden Dokumentarfilm über Joan Baez werden

sowohl die Privatperson Baez als

auch ihre Karriere, ihre Geschichte

als Live- und Studiomusikerin

und ihr bemerkenswerter Weg

als Menschenrechtsaktivistin beleuchtet.

Historische Aufnahmen

zeigen Joan Baez bei ihrem umstrittenen

Besuch in Nordvietnam,

wo sie mit den Einwohnern

von Hanoi während der heftigs -

ten Luftangriffe des Kriegs betet,

Mit Joan Baez wurde Folk-Musik populär

(Backstage at Lincoln Center, New York, New

York 1963 © SWR/Eikon Film/Jim Marshall)

aber auch martin Luther King Jr.,

der der inhaftierten Joan Baez einen

Solidaritätsbesuch abstattet.

Musikalische Aufnahmen vom legendären

Auftritt auf dem Newport Folk Festival 1959 oder eines frühen

Auftritts im historischen Club 47 in Cambridge werden mit Interviews mit

bekannten Persönlichkeiten wie david Crosby, bob dylan oder reverend

Jesse Jackson zu einer dichten Erzählung verwoben.

anschließend:

23:20 JoAN bAez – the FAre thee WeLL ... toUr 2018/2019 (91 Min.)

Nach 60 (!) Jahren Bühnenpräsenz und 30 herausgebrachten Alben beendet

Joan baez ihre Karriere mit

einer weltweiten „Fare Thee

Well“-Abschiedstournee mit

Halt in Paris ältester Music-

Hall, dem Olympia. ARTE zeigt

die Konzertaufnahme vom 13.

Juni 2018. Gemeinsam mit ihren

Fans lässt die Künstlerin

und Aktivistin sechs Jahrzehnte

Musik Revue passieren. Neben

eigenen berühmten Hymnen

wie „Here’s to You“ steht

Joan Baez auf ihrer „Fare Thee Well"-Abschiedstournee

im Pariser Olympia © Véronique Fel

auch eine Coverversion des dylan-Songs „Don't Think Twice, It's Alright“

auf dem Programm. Ein einzigartiger, emotionsgeladener Abend.

Sa.

KLASSiK Am See - A tribUte to JohN WiLLiAmS

18.04.

Open Air Konzert der Deutschen Radio Philharmonie

20:15 Uhr Die Deutsche Radio Philharmonie (DRP) widmet diesmal

90 min. dem begnadeten Komponisten John Williams das Klassik-

3SAt Open-Air-Konzert vor der beeindruckenden Kulisse des Losheimer

Stausees im Saarland.

Unter der Leitung von Chefdirigent Pietari Inkinen spielt die DRP unter

anderem Filmmusiken aus „Schindlers Liste“, „Der Duft der Frauen“,

„Superman“ und „Jurassic Park“ und nimmt das Publikum mit auf eine Reise

durch die Welt der großen Kinofilme und großen Emotionen.

Vom „Weißen Hai“ bis zu „Harry Potter“, von „Star Wars“ bis zu „Indiana Jones“

– die populärsten Filmmusiken der Welt stammen aus der Feder von

John Williams.

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kulturFernsehen

Sa. 18.04.

die geträUmteN

Liebe und Hass, richtige und falsche Worte: Im Zentrum

des Dokumentarfilmes steht der Briefwechsel ingeborg

bachmanns und Paul Celans, die sich im Nachkriegs-Wien 89 min.

21:45 Uhr

kennengelernt haben.

3SAt

Zwei junge Schauspieler treffen einander in einem Tonstudio, um da -

raus zu lesen. Die dramatisch schwankenden Gefühle der Briefe – zwischen

Rausch und Verlustangst, Entzücken und Erschrecken, Nähe und Fremdheit –

gehen auf sie über.

Aber sie amüsieren sich auch, streiten, rauchen, reden über Tattoos und Musik.

Ob die Liebe damals oder die Liebe heute, ob Inszenierung oder historische

Realität: Wo diese Ebenen verschwimmen, da schlägt das Herz dieses Films.

So. 19.04.

LUdWig VAN beethoVeN: die KLAViertrioS

opus 1

Mit: michael barenboim (Violine), Kian Soltani (Violoncello),

daniel barenboim (Klavier)

101 min.

23:59 Uhr

In der intimen Atmosphäre des Berliner Pierre Boulez Saals Arte

spielen Daniel Barenboim, Kian Soltani und Michael Barenboim

Ludwig van Beethovens Opus 1: drei Klaviertrios, die der junge Ludwig

van Beethoven im Jahr 1795 in Wien veröffentlichte und die er seinem damaligen

Förderer, dem Fürsten Lichnowsky, widmete.

Sa. 25.04.

mAriA by CALLAS

Zwei Menschen, sagte sie, gebe es in ihr: Maria und

die Callas. Die Frau, deren Schicksal es war, sich der 20:15 Uhr

Kunst zu opfern. Und die Sopranistin auf der Suche nach absoluter

Vollkommenheit.

3SAt

114 min.

maria Callas spricht in dem Dokumentarfilm von tom Volf offen

über sich selbst. Kern ist ein bislang unveröffentlichtes Fernsehinterview

der griechisch-amerikanischen Sängerin, begleitet von zahlreichen

privaten Aufnahmen und viel Musik aus ihren Opern. In dem Interview aus

dem Jahr 1970 ruft die Operndiva sehr persönlich auch ihre Anfänge als

Wunderkind in Erinnerung. Anhand von privaten Foto- und Super-8-Aufnahmen,

Aufzeichnungen ihrer großen Auftritte von „Madame Butterfly“

über „Tosca“ bis „Norma“, wie auch ihrer Briefe, die von Eva Mattes gelesen

werden, setzt sich das Mosaik eines Lebens im Dienste der hohen

Kunst des Belcanto zusammen.

Doch auch die private Liebestragödie mit dem griechischen Reeder Aristoteles

onassis, der sie für die Kennedy-Witwe Jackie verlassen hatte, wird

nicht ausgespart. Dabei geht es dem Dokumentarfilmer Tom Volf weniger

um die Huldigung des Weltstars Callas und deren Spiegelung in der Presse,

als vielmehr um ein authentisches Porträt der so unerreichbaren „Primadonna

assoluta“ des 20. Jahrhunderts.

Opernfans kommen auf ihre Kosten: Mit insgesamt zehn komplett ausgesungenen

Arien nimmt sich die französische Fernsehproduktion die nötige

Zeit, die musikalische Strahlkraft der Ausnahmesängerin Callas wirken

zu lassen.

So. 26.04.

LUdWig VAN beethoVeN: KLAViertrioS

dAS „geiStertrio“ UNd dAS „erzherzog-trio“

Das „Geistertrio“ op. 70,1 und das „Erzherzog-Trio“ op. 0:15 Uhr*

97 zählen zu den bekanntesten von Ludwig van Beethoven 69 min.

komponierten Klaviertrios. Sie fallen in die sogenannte zweite Arte

Phase seines Schaffens. Zum 250. Geburtstag des Komponisten

spielen daniel barenboim (Klavier), michael barenboim (Violine) und

Kian Soltani (Violoncello) die beiden

Werke im Berliner Pierre Boulez Saal.

* Nacht von So auf Mo!

In der intimen Atmosphäre des Berliner Pierre

Boulez Saals spielen Daniel Barenboim, Kian

Soltani und Michael Barenboim Ludwig van

Beethovens Geistertrio und das Erzherzog-Trio.

© Monika Rittershaus

So. 3.05.

die 3 teNÖre

ihre VerSChoLLeNeN KoNzerte

Mit: José Carreras, Luciano Pavarotti, Plácido domingo 17:25 Uhr

Seit ihrem Auftritt anlässlich der Fußball-WM 1990 in Rom, 58 min.

der von über einer Milliarde Menschen weltweit am Fernseher Arte

verfolgt wurde, waren die „Drei Tenöre“ die absoluten Superstars

der Klassik. Um so erstaunlicher ist es, dass TV-Mitschnitte ihrer späteren

Konzerte jahrelang verschollen waren. Jetzt ist es gelungen, diese

Schätze zu heben: bislang unbekannte musikalische und emotionale Höhepunkte

mit dem legendären Trio.


kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:23 Seite 20

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