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kultur Nr. 165

Magazin der Theatergemeinde BONN - April 2020

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kultur Nr. 165_Kopie von Ausgabe 12.qxd 22.03.2020 22:22 Seite 8

kulturKritisches

Beethoven bei Nacht

von Thomas Rau im theater die Pathologie

Albträume in der Polizeiwache

Da hockt er nun, ziemlich selbstbewusst und mit wenig Respekt vor der

Vertreterin der Staatsgewalt. Verhaftet haben sie ihn. Denn dieser ungekämmte

Typ mit dem roten Halstuch wollte einfach so ohne Ticket in

eine Gala-Aufführung des Fidelio im Bonner Opernhaus gehen. Eine

exklusive Vorstellung für

VIPs, höchste Sicherheitsstufe.

Jetzt sitzt der vermeintliche

Terrorist im

Polizeirevier, stellt sich als

Ludwig van beethoven

vor, gibt Bonn als seinen

Geburtsort an, weiß aber

nicht mal sein genaues

Geburtsdatum und nennt

als Adresse den Wiener

Zentralfriedhof. Die junge

Kommissarin, die eher auf

Michael Jackson steht und

von Fidelio noch nie etwas

gehört hat, hält ihn bald

für einen harmlosen Irren.

Irritierend bloß: Beethoven

war bekanntlich taub,

und der seltsame Häftling

ist stolzer Besitzer eines

modernen Hörgeräts.

Im intimen Kellertheater „Die Pathologie“ in der Bonner Südstadt hat

Theaterleiter Johannes Prill selbst die amüsante kleine Komödie Beethoven

bei Nacht inszeniert. Autor thomas rau, der mit Vorliebe historischen

Figuren nachspürt und damit fast eine Erfolgsgarantie verspricht,

hat sich das Beethovenjubiläum 2020 natürlich nicht entgehen lassen.

Beethovens Nacht auf der Polizeiwache birgt also einige Überraschungen,

die trickreich den Wiedererkennungswert mit fiktiven ‚Einsichten‘

verbinden. Als Bühnenmobiliar genügen ein paar Klapp kisten, die sich

schnell in eine Liegestatt für Albträume verwandeln lassen. Beispielsweise

der ultimative Regie-Kick: Florestan als Gefangener in der Umkleidekabine

einer lesbischen Frauenfußballmannschaft. Wäre echt mal einen

Versuch wert.

Der auch als Regisseur und Dozent erfahrene Schauspieler herms meer

verkörpert indes überzeugend das unsterbliche Genie, das tapfer allen

Gratulation

herms meer, Karin Punitzer © Jürgen Klack

weiblichen Übergriffen standhält. Karin Punitzer spielt energisch und bis

zur Groteske überdreht all die bizarren Plagegeister. Das rheinische

Idiom der strengen Mutter gelingt ihr zwar nur mäßig, als vampireske

Rattenflöhin Paula ist sie jedoch unschlagbar. Da lugt sie keck unter einem

weißen Hemd hervor, freut sich genüsslich schmatzend über das

kostbarste Blut ihres kurzen

Lebens und das welterschütternde

Virus-Geschenk

(aktuelle Corona-

Assoziationen sind unvermeidlich).

Wenn Paula

Beethoven in einer stürmischen

Liebesnacht in einem

schmuddeligen Gasthof

nicht rechtzeitig infiziert

hätte, wäre er ein längst

vergessener Starpianist geblieben

und nicht der weltweit

gefeierte Komponist

geworden. Und das freche

Flohlied aus Goethes Faust

hätte er auch nicht vertont.

Beethovens Wiener Hausmagd

Baberl fordert gleich

Tantiemen ein für die von

ihrem Rettich-Hacken inspirierte

5. Sinfonie. Wenn

dann noch die schwärmerische Bibliotheksinspektorin Gudrun Hilgenstock

auftaucht, die ihr Idol wie Leonore aus dem Kerker befreien will

und zudem das Manuskript des „Briefes an die unsterbliche Geliebte“

aus dem Berliner Tresor mit erpresserischen Absichten entwendet hat,

wird es dringend Zeit für einen robusten Weckruf der Theatermanagerin

Nicole. Die Regie garniert das alles geschickt mit musikalischen Beethoven-Zitaten.

Vergnügter Beifall bei der ausverkauften Premiere für eine

Vorstellung, die mit Witz und Respekt unserem großen Ludwig heiter

verspielt begegnet. e.e.-K.

SPieLdAUer CA. 60 miNUteN, KeiNe PAUSe

Weitere AUFFührUNgeN iN der NeUeN SPieLzeit SiNd VorgeSeheN.

KUrz

&

iNtereSSANt

Das Theater Marabu ist mit seiner Produktion

Hast du schon gehört? eingeladen zum 36.

NRW-Theatertreffen für junges Publikum

„Westwind“, das Anfang Mai am Westfälischen

Landestheater Castrop-Rauxel stattfinden

soll. Von einer Fachjury zu den zehn bemerkenswertesten

Inszenierungen gewählt

wurde auch 33 Bogen und ein Teehaus vom

Theater Bonn.

Als einzige Stadt in NRW kann Bonn also

gleich zwei hervorragende Arbeiten präsentieren

und wieder mal beweisen, wie großartig

die Theater für Kinder und Jugendliche

hier wirken. Das Festival wird vermutlich in

den nächsten Tagen abgesagt, ein verdienter

Glückwunsch an die beiden ausgezeichneten

Produktionen bleibt aber bestehen.

Szene aus „hast du schon gehört“ © Ursula Kaufmann

____ kulturseite 8 ____

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