Wirtschaftszeitung_29062020_Beilage-Flottenmanagement
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10 FLOTTENMANAGEMENT UND NUTZFAHRZEUGE<br />
Neue Rücksicht<br />
Kameras ersetzen die Spiegel am Auto<br />
Blick in die Zukunft vor fast 25 Jahren: Das Experimentalfahrzeug F 200 Imagination verzichtete bereits 1996 auf klassische Außenspiegel.<br />
Fotos: dpa<br />
Nein, es war keine Eitelkeit, die Dorothy<br />
Levitt dazu brachte, einen Spiegel<br />
mit ins Auto zu nehmen. Glaubt man<br />
den Experten des Mercedes-Museums<br />
in Stuttgart, ging es der britischen<br />
Rennfahrerin und Journalistin allein<br />
um die Sicherheit, als sie in ihrem 1909<br />
veröffentlichten Ratgeber für Frauen<br />
am Steuer empfahl, dass Autofahrerinnen<br />
stets einen Handspiegel griffbereit<br />
mit an Bord haben sollten.<br />
■ Diesen sollten sie ab und zu hochhalten,<br />
um zu sehen, washinter ihnen ist. So lasse<br />
sich der Verkehr hinter dem eigenen Wagen<br />
auch während der Fahrt gut im Blick<br />
behalten und gleichzeitig das Fahrzeug sicher<br />
steuern. Damit hat sie eine folgenschwere<br />
Kampagne für buchstäbliche<br />
Rücksicht beim Autofahren gestartet, sagt<br />
Mercedes-Classic-Sprecher Ralph Wagenknecht.<br />
„Denn so beginnt die Geschichte<br />
des Rückspiegels im Fahrzeugbau.“<br />
Allerdings dauert es noch einmal ein Jahrzehnt,<br />
bis sich der Spiegel erst im Rennsportund<br />
dann auf der Straße durchsetzt.<br />
Mal innen montiert, mal außen und später<br />
inmindestens doppelter Ausführung,<br />
wird ererst nach dem Ersten Weltkrieg<br />
zum Standard und schafft eslaut Mercedes<br />
erst 1956 in die Straßenverkehrsordnung.<br />
Nun stirbt er so langsam wieder aus. Immer<br />
mehr Hersteller setzen auf Kameras<br />
statt Spiegel und versprechen Fahrern damit<br />
mehr Sicherheit.<br />
Bei Designstudien und Showcars haben<br />
die Autohersteller schon langemit diesen<br />
Technologien experimentiert. So verweist<br />
Wagenknecht zum Beispiel auf das Forschungsfahrzeug<br />
F200 Imagination, das<br />
1996 mit Kameras und Bildschirmen statt<br />
Spiegeln überraschte. Doch in der Serie<br />
beginnt der Einsatz erst mit dem VWXL1<br />
von2011. Weil die Ingenieurebei diesem<br />
1-Liter-Auto umjeden Milliliter Spritverbrauch<br />
ringen, ersetzen sie die Spiegel<br />
durch Kameras und senken so den Cw-<br />
Wert, berichtet VW-Sprecher Christian<br />
Buhlmann.<br />
Ausdemselben Grund hat auch Audi diese<br />
Technik laut Pressesprecherin Tanja<br />
Lehner-Ilsanker für sein erstes designiertesElektroautoE-Tronübernommen.<br />
Wer<br />
dort 1540 Euro Aufpreis bezahlt, bekommt<br />
zwei Videokameras, die wie Insektenfühler<br />
aus der Karosserie ragen<br />
und ihr Bild auf zwei Monitoreinden Türenübertragen.<br />
Der Wagenkommt allein<br />
deshalb ein paar hundert Meter weiter<br />
mit einer Akkuladung. Außerdem sollen<br />
die virtuellen Spiegel das Rangieren erleichtern,<br />
weil sie jenach Fahrsituation<br />
die Perspektive verändern, wie die Audi-<br />
Sprecherin erläutert.<br />
Vorallem um Sicherheit geht es nach Angaben<br />
von Lexus-Sprecher Andreas Lübeck<br />
bei den digitalen Spiegeln des Mittelklassemodells<br />
ES, das für 2000 Euro<br />
Aufpreis ebenfalls mit Video-Augen<br />
außen und Bildschirmen innen bestückt<br />
werden kann. Anders als mechanische<br />
Spiegel seien die immer richtig eingestellt<br />
und zeigten bei Nacht und Nebel, Regen<br />
oder Sonne stets ein optimales Bild.<br />
Außerdem lassen sich Warnhinweise oder<br />
Positionslinien einblenden, fasst er die<br />
Vorteile zusammen.<br />
Aber nicht nur für die äußeren Spiegel<br />
etablieren sich die Kameras so langsam.<br />
Auch der innere Rückspiegel wird zunehmend<br />
virtuell. Bei Autos wie dem Opel<br />
Ampera-E, dem RangeRover Evoque oder<br />
zuletzt dem neuen Land Rover Defender<br />
kann man mit einem Knopf am Spiegel<br />
zwischen konventioneller Technik und<br />
Kamerabild umschalten.<br />
Dann wird der Spiegel zum Monitor und<br />
zeigt dem Fahrer,was eine Linse auf dem<br />
Dach vom rückwärtigen Raum sieht. So<br />
hat der Fahrer beim Rangieren freie Sicht,<br />
selbst wenn der Kofferraum voll ist oder<br />
die Köpfe der Mitfahrer die Blickachse<br />
blockieren, erläutert Defender-Chefingenieur<br />
Nick Collins.<br />
KlareSicht: Im Lexus ES lassen sich auch Zusatzinformationen in<br />
die elektronische Rückschau einblenden.