Das gelobte Land der Moderne
ISBN 978-3-86859-603-8
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Karin Berkemann<br />
<strong>Das</strong> <strong>gelobte</strong> <strong>Land</strong><br />
<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />
Deutsche Reisefotografien<br />
zwischen<br />
Aleppo und Alexandria
Danksagung7<br />
0—Hinführung9<br />
Ausgangspunkt10<br />
Fragestellung12<br />
Methode14<br />
Zusammenfassung17<br />
1—Der Blick zurück – Reisefotografien vor 1948 21<br />
Dalman als Zeichner 21<br />
Dalman als Fotomotiv 31<br />
Dalman als Fotograf 36<br />
Dalman als Fotomentor 49<br />
Dalman als Fotosammler 65<br />
Zusammenfassung87<br />
2—Der Blick nach vorn – Reisefotografien nach 1948 93<br />
Annäherung94<br />
Verortung100<br />
Grenzen105<br />
Abbilden112<br />
Gemeinschaft118<br />
Begegnungen126<br />
Momente138<br />
Kontraste145<br />
Zusammenfassung152<br />
3—Der Blick nach oben – Deutungslandschaft Palästina 157<br />
Bildlandschaft157<br />
Geschichte161<br />
Beziehung172<br />
Reise183<br />
Zusammenfassung197<br />
4—Anhang205<br />
Anmerkungen205<br />
Archive224<br />
Bildnachweis229<br />
Literatur233<br />
Register248<br />
Impressum255
0<br />
Hinführung<br />
1 Miroslav Šašek: Camels and Cadillacs, 1962<br />
„Camels and Cadillacs“ lautete lange <strong>der</strong> Arbeitstitel für diese Publikation. Die Wendung<br />
stammt aus dem Kin<strong>der</strong>buch „This is Israel“ 1 von Miroslav Šašek (1916–1980). Geblieben<br />
ist die damit verbundene tiefe Verbeugung vor einem kongenialen Illustrator. Zwischen<br />
1959 und 1974 porträtierte <strong>der</strong> Kosmopolit tschechischer Herkunft in einer 18-teiligen<br />
Reihe vor allem Städte von New York bis München. 1962 nahm er sich gleich ein ganzes,<br />
wenn auch <strong>der</strong> Fläche nach kleines <strong>Land</strong> vor: den damals 14-jährigen Staat Israel.<br />
Aus <strong>der</strong> Sicht des Besuchers 2 führte er in farbenfrohen Grafiken durch die Sehens- und<br />
Merkwürdigkeiten <strong>der</strong> Region. Natürlich durften dabei die Altertümer und biblischen<br />
Stätten nicht fehlen, doch Šašek zeigte überwiegend die mo<strong>der</strong>nen Seiten eines jungen<br />
<strong>Land</strong>es im Aufbau. So wie<strong>der</strong>holten sich bei ihm Szenen voller Gegensätze, die er als<br />
friedliches Miteinan<strong>der</strong> darstellte: Hochhaus und Beduinenzelt, Muslime und Juden,<br />
Orthodoxe und Liberale, Wüsten und blühende <strong>Land</strong>schaften, Bibeln und Boeings. (Beim<br />
oben zitierten Zusammentreffen von Kamel und Cadillac sah er die weitaus größere<br />
Gelassenheit übrigens aufseiten des traditionellen Transportmittels.)<br />
Schon <strong>der</strong> Palästinakundler Gustaf Dalman, dessen Fotografien den Ausgangspunkt dieser<br />
Publikation bilden, zeichnete seine frühesten Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> biblischen <strong>Land</strong>e um 1871 nach<br />
einem illustrierten Lehrbuch. 3 Der Erzähler versetzt darin die jungen Leser via Dampfschiff<br />
in die ferne antike Welt. Auch bei Šašek finden sich in zugespitzter Form die Motive einer<br />
8<br />
9
3 Etui für Kodak-Negative, frühes<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>t, und Karton für<br />
Agfa-Diapositivplatten, um 1955<br />
Archive und Privatbestände reicht von Glasplatte bis Rollfilm, von Negativ bis Positiv, von<br />
<strong>der</strong> Diakiste bis zum sorgfältig gepflegten Album. Bei aller Unterschiedlichkeit ist ihnen<br />
gemeinsam, dass sie einen Moment fotografisch auf einem zweidimensionalen Bildträger 29<br />
einfangen. Nicht einbezogen wurden bewegte Bil<strong>der</strong> (Video, Film) bzw. digitale Fotografie:<br />
Zum einen liegen diese Gattungen in <strong>der</strong> Dalman-Sammlung nicht vor (und können so<br />
nicht verglichen werden), zum an<strong>der</strong>en gehorchen sie an<strong>der</strong>en Gesetzmäßigkeiten etwa<br />
von Serialität und Räumlichkeit. Ebenso werden die verwandten Gattungen Malerei, plastische<br />
Arbeiten/Modelle und (Druck-)Grafik nur am Rande betrachtet, wenn sie z. B. die<br />
Motivgeschichte erhellen.<br />
Wo immer möglich, wurde die Untersuchung <strong>der</strong> Bildbestände ergänzt um das Interview<br />
mit noch lebenden Fotografierenden o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Nachfahren, um schriftliche Aufzeichnungen<br />
(Notizen am Bild, Reisetagebücher, Veröffentlichungen zur Reise) bzw. die Recherche<br />
biografischer Daten. Je nach Entstehungszusammenhang, Aufbewahrung und Präsentation<br />
<strong>der</strong> Fotografien war <strong>der</strong>en Grad an Privatheit bzw. Öffentlichkeit, an Amateur- bzw.<br />
Profitum zu bestimmen. 30 Jede dieser Recherchen diente <strong>der</strong> Klärung <strong>der</strong> historischen<br />
Hintergründe und Rahmenbedingungen. Der zentrale Gesprächspartner 31 für die Fragen<br />
dieser Publikation aber bleibt das fotografische Bild.<br />
Methode<br />
<strong>Das</strong> wissenschaftliche Arbeiten mit Bil<strong>der</strong>n schien lange ein Vorrecht <strong>der</strong> Kunstgeschichte<br />
– ein Privileg, das <strong>der</strong> junge Fachbereich seit dem späten 19. Jahrhun<strong>der</strong>t erkämpft und<br />
verteidigt hatte. 32 In vielen traditionsreicheren Nachbardisziplinen, von <strong>der</strong> Geschichte bis<br />
0––Methode
zur protestantischen Theologie, galt die Kunst häufig als zu anfällig für Propaganda und<br />
Pseudomagizismen, um sie dauerhaft in den eigenen Methodenkanon aufzunehmen. Derweil<br />
hatten sich die Kunsthistoriker ein Multitool <strong>der</strong> Bilddeutung gebastelt: den in den<br />
1920er/1930er Jahren entwickelten und 1975 nochmals ins deutsche Forschergedächtnis 33<br />
gerückten Dreisprung von Erwin Panofsky, wie er sich hier beispielhaft an <strong>der</strong> eingangs<br />
gezeigten Šašek-Illustration „Camels and Cadillacs“ verdeutlichen lässt. An erster Stelle<br />
steht für Panofsky die vorikonografische Beschreibung, die den Bildgegenstand aus <strong>der</strong><br />
Alltagserfahrung heraus erfasst (Kamele ziehen an Cadillacs vorbei). Darauf folgt die ikonografische<br />
Analyse, um die Bildhandlung herauszuarbeiten (Historie trifft Mo<strong>der</strong>ne, Orient<br />
trifft Okzident). Zuletzt stellt die ikonologische Interpretation alles in den Kontext <strong>der</strong> Entstehungszeit,<br />
fragt nach dem tieferen Bildsinn (im jungen Staat Israel sieht Šašek 1962 alle<br />
Gegensätze versöhnt).<br />
Diese Methode kam mal aus <strong>der</strong>, dann wie<strong>der</strong> in Mode, wurde von soziologisch bis<br />
semiotisch variiert, blieb aber als Minimalkonsens bis heute erhalten: erst beschreiben,<br />
dann deuten. 34 Einem Theologen kommt an Panofskys Hermeneutik so manches vertraut<br />
vor, nicht umsonst wird sie etwa mit <strong>der</strong> Gedankenwelt eines Friedrich Schleiermacher<br />
in Verbindung gebracht und mit Vorliebe an christlichen Motiven durchgespielt. 35 Jüngst<br />
unterschied wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Theologe und Kunsthistoriker Hanns Peter Neuheuser 36 ausdrücklich<br />
zwischen Bildgestalt und Bildgehalt. Bei Panofsky selbst ebenso wie bei den meisten<br />
Anwendungen seiner Methode sticht ins Auge, dass lange vorwiegend mit mittelalterlichen<br />
o<strong>der</strong> frühneuzeitlichen Artefakten gearbeitet wurde – die Mo<strong>der</strong>ne und neuere Bildtechniken<br />
blieben hier häufig außen vor. Gerade die Fotografie 37 galt als zu jung, zu profan,<br />
zu wenig künstlerisch, um sie einer gehobenen Bilddeutung zu würdigen.<br />
Mit dem „iconic“ o<strong>der</strong> „pictural turn“ 38 haben verschiedene Disziplinen das Bild (neu) für<br />
sich entdeckt, indem sie nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zum gesprochenen<br />
bzw. geschriebenen Wort fragen. In den Bibelwissenschaften wurde dafür Panofskys ikonografisch-ikonologische<br />
Methode mo<strong>der</strong>nisiert: Während die Freiburger Schule um Othmar<br />
Keel nach Motivbezügen von Bild- und Textquellen suchte, for<strong>der</strong>ten Exegeten wie Ryan<br />
P. Bonfiglio jüngst eine semiotische Zuspitzung. 39 Zur Breitenwirkung <strong>der</strong> visuellen Wende<br />
haben vor allem die Historiker beigetragen. Auch hier wurde <strong>der</strong> Panofsky’sche Dreischritt<br />
durchgespielt, in <strong>der</strong> ikonologischen Stufe angepasst, für Bildserien erschlossen und zur<br />
Visual History geweitet. 40 Letztere wirkt in <strong>der</strong> Kirchengeschichte beson<strong>der</strong>s attraktiv für<br />
textnahe Kunstwerke <strong>der</strong> Reformationszeit – stellvertretend sei Christiane Gruber 41 genannt,<br />
die Druckgrafiken dieser Epoche auf ihre Verteilerstrukturen hin abklopft.<br />
Bei prominenten Vertretern <strong>der</strong> historischen Bildkunde wie Jens Jäger 42 kommt die Fotografie<br />
zu ihrem Recht, scheint sie doch als „objektives” Zeugnis ideal zur Quelle zu taugen.<br />
Für diese Beson<strong>der</strong>heit etablierte die Kunsthistorikerin Renate Wöhrer 43 2015 den Begriff<br />
des „Dokumentarischen”. Zwar werde <strong>der</strong> Terminus erst ab den 1920er Jahren allgemein<br />
auf die Fotografie angewandt, doch treffe er inhaltlich bereits auf die 1839 einsetzende<br />
Diskussion zu. Demnach emanzipierte sich die neue Technik langsam vom Anspruch, die<br />
Ästhetik von Zeichnung o<strong>der</strong> Malerei nachzuahmen. Sie löste stattdessen vielfach den Text<br />
14<br />
15
4 Die Kulturlandschaft Palästina vor dem<br />
Ersten Weltkrieg, Reiseführer-Übersichtskarte, 1913
Bildmitte im Korbstuhl sitzend, wendet er sich dem Betrachter zu. Ort <strong>der</strong> Fotografie ist die<br />
Westseite, <strong>der</strong> Empfangsbereich in <strong>der</strong> großen Halle im Obergeschoss des Jerusalemer<br />
Palästina-Instituts. In und über <strong>der</strong> rechten Sitzgruppe verleihen die bereits beschriebenen<br />
deutsch-schwedischen Herrscherporträts und ein mit dem Reichsadler geschmücktes<br />
Rückenkissen <strong>der</strong> Szene zudem eine offizielle Note. Derselbe Raum kann auf einer weiteren<br />
Fotografie 120 eine an<strong>der</strong>e Botschaft transportieren – allein schon durch eine kleine<br />
schwedische Flagge auf dem Flügel, immerhin war Dalman zu dieser Zeit schwedischer,<br />
dänischer und norwegischer Konsul. 121<br />
Es sollten während seiner Aufenthalte in <strong>der</strong> Kulturlandschaft Palästina weitere Dalman-<br />
Porträts 122 folgen, die im fachlich-beruflichen Umfeld jeweils einen o<strong>der</strong> mehrere <strong>der</strong> bereits<br />
herausgearbeiteten Bildtypen bedienen: Gelehrter, Forscher, Amtsträger. Hatte er<br />
sich zuvor in wenigen Jahren vom Schnauz- zum Vollbart, vom Maultier zum Pferd hochfotografiert,<br />
wurde aus dem Direktor und Multi-Konsul nach 1914 langsam wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> forschende<br />
Fußgänger. Während seiner beiden letzten Reisen in die Region (1921/25) zeigen<br />
ihn (professionelle) Aufnahmen als Wissenschaftler im freien Feld. 123 Referenzpunkt und<br />
Identitätskern aller auf Öffentlichkeit hin gedachten Dalman-Porträtfotografien nach 1899<br />
ist und bleibt die Kulturlandschaft Palästina.<br />
Dalman als Fotograf<br />
Auf Exkursionsfotos seiner Jerusalemer Direktorenzeit ist Dalman meist in Aktion zu sehen:<br />
Er steht o<strong>der</strong> reitet vor o<strong>der</strong> über <strong>der</strong> Stipendiatengruppe, betrachtet, holt Auskünfte ein,<br />
nimmt Maß, macht Notizen und erklärt die Welt. Es ist keine Aufnahme bekannt, die ihn<br />
mit <strong>der</strong> Kamera in <strong>der</strong> Hand zeigt. Gleichwohl hat er jedes Mal fotografiert, wenn er das<br />
biblische <strong>Land</strong> betrat. Nicht immer lassen sich ihm die Abzüge zuordnen, da er bei <strong>der</strong><br />
Beschriftung nur sporadisch auf die Urheberangabe achtete. 124 Die ersten erhaltenen Aufnahmen,<br />
<strong>der</strong>en Verfasserschaft Dalman sicher nachzuweisen ist, stammen von seiner Reise<br />
zwischen März 1899 und Juni 1900. Damals verbrachte er sieben Monate beim schottischen<br />
Judenmissionar Rev. W. Melville Christie in Aleppo. Es folgte ein Monat in Balāt bei<br />
<strong>der</strong> Familie des christlichen Scheichs Fāris Subhīje, eine mehrwöchige Rundtour bis nach<br />
Hebron sowie ein Abstecher nach Ägypten. Formell gesehen galt Dalmans erste Reise <strong>der</strong><br />
Juden mission, so auch <strong>der</strong> Tenor seines ausführlichen Berichts, <strong>der</strong> 1900 in <strong>der</strong> Zeitschrift<br />
„Saat auf Hoffnung“ erschien. An<strong>der</strong>e Eigenschil<strong>der</strong>ungen, Tagebücher und Fotografien<br />
hingegen zeichnen das Bild eines tätigen Forschers. Noch vom Greifswal<strong>der</strong> Schreibtisch<br />
aus setzte er diese Selbstinszenierung fort – Reisen im Dienst <strong>der</strong> „ethnologische[n]<br />
Arbeit”: „Jede Wan<strong>der</strong>ung und je<strong>der</strong> Ritt galt nebenher diesem Zweck.” 125<br />
Im Dörfchen El-Hösn im Gebirge ‘Ağlūn fertigte Dalman verschiedene Porträts von Einzelpersonen<br />
und Gruppen. Wie<strong>der</strong>holt taucht eine Lehrerfamilie 126 auf, mal gemeinsam,<br />
mal mit ihren weiblichen, mal mit ihren männlichen Mitglie<strong>der</strong>n. Auf einem dieser Motive<br />
ordnet Dalman den Mann und den Jungen, vermutlich Vater und Sohn, zu einer Dreieckskomposition<br />
frontal vor <strong>der</strong> Kamera. Der Vater trägt einen dunklen Anzug mit heller Weste,<br />
dunklem Halstuch und Uhrenkette. Der Sohn ist – wenn auch in helleren Farben und etwas<br />
1––Dalman als Fotograf
24 Gustaf Dalman: El- Hösn, Lehrer, 1899/1900<br />
weniger formell – sehr ähnlich gekleidet. Damit folgen beide <strong>der</strong> westlichen Mode, ihr Fes<br />
entspricht den Konventionen <strong>der</strong> osmanischen Verwaltung. Den Hintergrund bildet eine<br />
rohbelassene Natursteinmauer. Trotz des fast symmetrischen Bildaufbaus hält die Komposition<br />
eine unmerkliche Spannung: Die Dreiecksform <strong>der</strong> Figurengruppe wie<strong>der</strong>holt sich<br />
links hinter dem Vater in hölzernen bzw. geflochtenen Gerätschaften, die von runden und<br />
viereckigen Durchbrechungen geglie<strong>der</strong>t werden. Ihr Schattenwurf setzt sich fort in den<br />
Schatten des Dachüberstands in <strong>der</strong> rechten oberen Bildecke.<br />
Die hellste Fläche <strong>der</strong> Schwarz-Weiß-Fotografie rechts neben dem Jungen findet ihre<br />
Entsprechung links oberhalb <strong>der</strong> Gerätschaften. Die Mauer öffnet sich in <strong>der</strong> linken Bildhälfte<br />
zu einer Nische, vielleicht für einen Hauseingang. So liegt <strong>der</strong> Vater vor allem mit<br />
seinem Gesicht genau vor <strong>der</strong> dunkelsten Zone <strong>der</strong> Fotografie. Während Dalman später<br />
für sein Lebenswerk „Arbeit und Sitte” 127 an<strong>der</strong>e Aufnahmen aus dieser Serie verwendet,<br />
bleiben Vater und Sohn in <strong>der</strong> Schublade – ihr Kleidungsstil war unter seiner späteren Fragestellung<br />
wohl zu westlich bzw. mo<strong>der</strong>n geprägt. Die Vertrautheit, die aus <strong>der</strong> Fotografie<br />
spricht, liegt in Dalmans Nähe zu El-Hösn begründet. Hier konnte er beim protestantischen<br />
36<br />
37
genauer hin, erkennt man auf dem Podest noch die Schleifspuren des zurechtgerückten<br />
Schauobjekts, zudem tragen die Gefäße Inventarnummern. Hier wird keine Dorfschönheit<br />
bei <strong>der</strong> Arbeit überrascht, son<strong>der</strong>n ein Sammlungsstück zu wissenschaftlichen Demonstrationszwecken<br />
abgelichtet.<br />
Wo Dalman den Raum unterwegs nicht kontrollieren kann, son<strong>der</strong>n unverhofft auf einen<br />
interessanten Gegenstand stößt, weiß er auch spontan zu reagieren. Am Bahnhof von<br />
‘Ammān etwa trifft er während einer Institutsreise am 20./21. April 1907 auf einen „Tscherkessen-Wagen”<br />
151 . So entsteht eine kleine Fotoserie, <strong>der</strong>en Highlights ebenfalls in „Arbeit<br />
und Sitte” Verwendung finden. In einem dieser Motive wartet das Objekt <strong>der</strong> Begierde,<br />
<strong>der</strong> zweirädrige hölzerne Wagen mit den beiden vorgespannten Ochsen, vor einem Eisenbahnzug.<br />
Im Hintergrund stehen links <strong>der</strong> Gespannführer, rechts weitere Bahnhofsgäste,<br />
darunter ein aufmerksam zuschauen<strong>der</strong> Stipendiat. Dalman konzentriert den Blick auf<br />
den altertümlichen Wagen, die Aufmerksamkeit des heutigen Betrachters gilt mindestens<br />
ebenso <strong>der</strong> damals mo<strong>der</strong>nen Umgebung. Dalman nimmt diesen Kontrast mit auf, jedoch<br />
inszeniert er die Kluft zwischen alter und neuer Beför<strong>der</strong>ungstechnik nicht noch zusätzlich.<br />
Er retuschiert sie aber auch nicht weg – und weiß bei <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Foto grafie<br />
im Palästinajahrbuch von 1917 in <strong>der</strong> Bildunterschrift damit zu spielen: „Tscherkessenwagen<br />
und Dampfroß auf <strong>der</strong> Station ‘ammān“ 152 .<br />
Gerade wurde das Osmanische Reich vom britischen Verwaltungsmandat abgelöst, Dalman<br />
hatte bereits den Ruf nach Greifswald angenommen und dort ein neues Institut begründet<br />
– in dieser Umbruchszeit konnte er noch zweimal in <strong>der</strong> alten Wahlheimat arbeiten.<br />
1921 und 1925, während seiner beiden letzten Reisen 153 in die Kulturlandschaft<br />
Palästina, logierte er wie<strong>der</strong> im Jerusalemer Aussätzigenasyl. 154 In dieser Umgebung griff<br />
er beson<strong>der</strong>s gerne zur Kamera, denn das fortgeschrittene Alter und das sichtbare Vordringen<br />
westeuropäischer Einflüsse hatten seinen Bewegungsradius stark eingeschränkt. Vor<br />
allem im Jahr 1925 habe er sich, wie er im Vorwort 155 zu „Arbeit und Sitte” betonte, intensiv<br />
den Forschungen für die bevorstehende Veröffentlichung widmen können. Entsprechend<br />
drehten sich die meisten seiner dortigen Fotoserien um Themenschwerpunkte, die ihm im<br />
Portfolio noch fehlten: vor allem Bekleidung und Botanik bzw. <strong>Land</strong>wirtschaft.<br />
Beim hier abgebildeten Motiv kehrt Dalman in <strong>der</strong> Komposition zu seinen fotografischen<br />
Anfängen zurück: Er präsentiert das „Gemüse vom Markt“ 156 so vor dem aufgerichteten<br />
Korb, als sei es herausgekullert und habe sich dabei wie zufällig nach Größe und Sorten pyramidal<br />
angeordnet. Als „Leinwand” dient ihm das fluchtlinienartig nach hinten zulaufende<br />
Fußboden-Fliesenraster des Aussätzigenasyls. Wo an<strong>der</strong>e Fotografen 157 junge Schönheiten<br />
auf dem Markt beim Gemüse(ver)kauf ablichten, schafft Dalman ein altmeisterlich aufgeräumtes<br />
Stillleben mit Lehrwert. Begleitend notiert er in seinen Reisetagebüchern zugehörige<br />
Namen und Maße, skizziert die Sorten im Detail. Im selben Monat findet Dalman<br />
dann zur maximalen fotografischen Freiheit, verwirklicht eine technisch ausgereifte Pflanzenfotografie<br />
158 unter freiem Himmel: leicht in den Goldenen Schnitt gerückt im rechten<br />
Vor<strong>der</strong>grund die Kafferkorn-Pflanze, dahinter <strong>der</strong> steinige Hügel des Westgrundstücks des<br />
Aussätzigenasyls, im Hintergrund ein Zaun über die ganze Bildbreite. Auch wenn Dalmans<br />
1––Dalman als Fotograf
32 Gustaf Dalman: Jerusalem, Aussätzigenasyl, Gemüse<br />
vom Markt, 12. Juli 1925<br />
33 Gustaf Dalman: Jerusalem, Gemüse vom Markt,<br />
Tagebuchnotizen, 12. Juli 1925<br />
46<br />
47
Die oben beschriebene Zeltszene ist durch zwei Fotografien aus jeweils unterschiedlichen<br />
Blickwinkeln belegt. Schwöbels Aufnahme 187 zeigt links im Zelt Dalman mit den Stipendiaten<br />
Otto Eberhard und Paul Volz, rechts die Textilwiege, vor dem Zelt eine Beduininnen-<br />
Gruppe. Eine weitere Frau beobachtet vom Zelt aus den Fotografierenden, hinter ihr sind<br />
die Pferde und Teile <strong>der</strong> deutschen Reisegruppe zu sehen. <strong>Das</strong> Gegenstück, die Fotografie<br />
von Zickermann, unterscheidet sich nur in einigen wenigen, aber wesentlichen Details.<br />
Wie<strong>der</strong> sitzen Dalman und Eberhard links im Zelt (und wohl halb verdeckt auch Volz), die<br />
Gruppe <strong>der</strong> zuschauenden Beduininnen vor dem Zelt ist kleiner (o<strong>der</strong> teils verdeckt), die<br />
deutsche Reisegesellschaft im Hintergrund nicht erkennbar. Neu ist im rechten Vor<strong>der</strong>grund<br />
Schwöbel, <strong>der</strong> dem Betrachter den Rücken zudreht. Er wird zum stellvertretenden<br />
Betrachter <strong>der</strong> Zelt-Szene. Vielleicht ist sogar (<strong>der</strong> Körperhaltung nach) <strong>der</strong> Moment des<br />
Fotografierens selbst eingefangen.<br />
Dalman bricht in seinem Album gezielt die Illusion, <strong>der</strong> Betrachter des Fotos sei Zaungast<br />
<strong>der</strong> idyllischen Zelt-Szene. Er wird augenfällig darauf hingewiesen, dass diese Situation<br />
wie<strong>der</strong>um beobachtet wurde. Die fotografische Praxis wird von den mittags dazustoßenden<br />
Beduinen nochmals hinterfragt. „Der photographische Apparat eines Kollegen”, so<br />
schil<strong>der</strong>t Eberhard, „erregt ihr lebhaftes Interesse, aber die Scheu vor dem unbekannten<br />
Ding ist größer als die Neugierde, seine innere Einrichtung kennen zu lernen. Sie wagen<br />
nicht, hineinzuschauen.” 188 Sobald <strong>der</strong> Fotografierende die Zuschauer ablichten wolle,<br />
würden sie ausreißen und dann wie<strong>der</strong> mit Süßigkeiten gnädig gestimmt. Zickermann hält<br />
die Szene als vorsichtige, lachende Annäherung bei<strong>der</strong> Parteien rund um Schwöbel und<br />
seine Kamera fest. Es folgt <strong>der</strong> Besuch <strong>der</strong> örtlichen, im Freien abgehaltenen Schule, auch<br />
dies wie<strong>der</strong> dokumentiert in einigen Stipendiaten-Fotografien. Die Reise führt weiter nach<br />
Irbīd im ‘Ağlūn. Die Gruppe besichtigt noch das ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, genießt den Panoramablick<br />
auf die Berge Hermon und Libanon, teilt sich in Kleingruppen auf, birgt und erwirbt<br />
Dinge, die teils wie<strong>der</strong> abhandenkommen, scheitert beim Versuch eines Weinkaufs und<br />
begibt sich schließlich, während die Schakale anschlagen, nüchtern zur Nachtruhe. Wenn<br />
Dalman die Ereignisse des 26. März 1905 in seinem Notizbuch 189 Revue passieren lässt,<br />
geht es kompakter zu: „26 Snntg über elhösn nach irbid”.<br />
Mindestens bei den großen Institutsexkursionen war das Fotografieren ein ständiger Begleiter.<br />
Es beför<strong>der</strong>te und behin<strong>der</strong>te die Begegnung mit An<strong>der</strong>en, diente als Erinnerung<br />
und wissenschaftliche Gedächtnisstütze für die deutschen Reisenden, war aber auch Teil<br />
ihrer privaten Kommunikation. Am 5. November 1905 etwa schrieb <strong>der</strong> Dalman-Mitarbeiter<br />
Eberhard Baumann 190 (1871–1956) aus Jerusalem nach Deutschland an seine Eltern: „Meine<br />
erste Sendung Photographien wird nun gerade bei Euch eingetroffen sein.“ 191 Demnach<br />
ließ er seine Negative bereits auf Reisen entwickeln und sandte eine Auswahl daraus<br />
nach Hause. Wie<strong>der</strong> zurückgekehrt, verwahrten viele <strong>der</strong> Stipendiaten ihre Abzüge.<br />
Dalman erhielt (gefragt o<strong>der</strong> ungefragt) einzelne Aufnahmen o<strong>der</strong> ganze Bildsätze <strong>der</strong> von<br />
ihm geleiteten Touren. Teils übernahm er sie in seine privaten Bestände, teils überführte<br />
er sie in die Greifswal<strong>der</strong> Sammlung. Für die Jahrgänge 1903 bis 1910 stellte er daraus vier<br />
Fotoalben zusammen, während sich die Lehrkurse 1911 bis 1914 – beschriftet und datiert<br />
1––Dalman als Fotomentor
– als lose Fotosammlung erhalten haben. Nur die fachlicheren Aufnahmen (topografische,<br />
botanische o<strong>der</strong> ethnologische Motive) dieses Zeitraums fanden Eingang in die Greifswal<strong>der</strong><br />
Sammlung. Persönlichere Szenen <strong>der</strong> Jahrgänge 1911 bis 1914 hingegen (Einzel- und<br />
Gruppenporträts) gelangten mit einem Teil des privaten Dalman-Nachlasses schließlich ins<br />
DEI nach Jerusalem.<br />
Auch über die Greifswal<strong>der</strong> Sammlung hinaus blieben einige Fotos aus dem Dalman-Kreis<br />
erhalten und erlauben heute einen Blick in <strong>der</strong>en private, fachliche und kommerzielle Verteilungs-<br />
und Überlieferungsprozesse. Demnach wurden die Aufnahmen lose in Kästen<br />
und Umschlägen aufbewahrt, zu Alben zusammengestellt, im Familien- und Kollegenkreis<br />
herumgezeigt, verschenkt und vererbt, für Vorlesungen und an<strong>der</strong>e (halb-)öffentliche Diavorträge<br />
genutzt – und publiziert. 192 So bebil<strong>der</strong>te man die Reiseberichte im Palästinajahrbuch<br />
üblicherweise mit Fotografien <strong>der</strong> Exkursionen. Die Stipendiaten Friedrich August<br />
Fenner, Otto Eberhard und Emil Zickermann taten sich 1907 gar zu einer eigenen Publikation<br />
zusammen, welche die Lehrkursreisen und -ausflüge von 1905 zum Inhalt hat. Unter<br />
dem Titel „Palästinensische Kulturbil<strong>der</strong>” sollten die darin abgedruckten Fotografien „<strong>der</strong><br />
Veranschaulichung des Textes dienen. Absichtlich sind weniger bekannte Ansichten ausgewählt<br />
worden, damit den Lesern nicht die Bil<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Illustrationswerke wie<strong>der</strong> vorgeführt<br />
werden.” 193<br />
40 Valentin Schwöbel: Jaffa, Anlanden eines Dampfers, wohl 1905<br />
54<br />
55
Mehrfach findet sich dieses Motiv im Nachlass des damaligen Stipendiaten Albrecht Alt.<br />
Ein weiterer Abzug gehört im Jerusalemer DEI zum Nachlass eines Mit-Stipendiaten 206 von<br />
1908 (möglicherweise von Ernst Rothermund), <strong>der</strong> auch zwei Fotoalben <strong>der</strong> damaligen Reise<br />
umfasst. Hinzu kommt das handschriftliche Manuskript eines Vortrags für eine „Lichtbil<strong>der</strong>vorführung“<br />
mit dem Titel „Wie man nach Palaestina und in Palaestina reist“: Er wolle<br />
den Zuhörer nicht nur in ein aus biblischen Geschichten vertrautes <strong>Land</strong> führen, son<strong>der</strong>n<br />
vielmehr die Eindrücke heutiger Besucher schil<strong>der</strong>n. Damit „die einzelnen Bil<strong>der</strong>, die uns<br />
nachher <strong>der</strong> Apparat auf die Leinwand zaubert nicht bloße Einzelbil<strong>der</strong> bleiben, damit wir<br />
aus ihnen uns ein wirkliches Gesammtbild zusammenstellen können“ 207 . Ob er sich dabei<br />
auf Orts- und <strong>Land</strong>schaftsansichten beschränkte, o<strong>der</strong> auch persönlichere Motive seiner<br />
Reise – wie eben jene Gasthofszene – einbezog, bleibt offen.<br />
In seltenen Fällen entstehen während <strong>der</strong> Institutsexkursionen auch Fotografien aus <strong>der</strong><br />
Bewegung heraus. Ein solches Motiv findet sich im oben beschriebenen Stipendiatenalbum<br />
vom 1908: Über zwei aufmerksam aufgerichtete Pferdeohren hinweg blickt man auf<br />
die Stadt Tiberias. Im bereits zitierten Vortragsmanuskript widmet <strong>der</strong> Autor eine längere<br />
Passage dem beeindruckenden Erlebnis des Reitens, denn man sei „sehr häufig im Sattel“<br />
unterwegs gewesen. So zückt einer <strong>der</strong> Stipendiaten (möglicherweise Lorenz Bertheau 208 )<br />
mehrfach die Kamera auf dem Pferd, zeigte dessen Kopf o<strong>der</strong> den Sattelknauf im Bildvor<strong>der</strong>grund.<br />
Damit wird <strong>der</strong> Betrachter intensiv eingebunden – fast meint man, selbst im<br />
Sattel zu sitzen.<br />
Über den Kopf des Reittiers hinweg eröffnet sich die Hügellandschaft um den See<br />
Gennesaret. Hier gibt die dunklere Zone im Vor<strong>der</strong>grund mittig den Blick frei auf einen<br />
helleren Bereich, in den sich die weißen Häuserkuben von Tiberias schmiegen – nochmals<br />
hinterfangen vom fließenden Übergang des Sees in das gegenüberliegende Ufer und<br />
zuletzt in den Himmel. Da sich die Hügelkette im Mittelgrund leicht nach rechts absenkt,<br />
versucht <strong>der</strong> Betrachter unwillkürlich, im imaginären Sattel auszubalancieren und damit<br />
das Bild wie<strong>der</strong> zurechtzurücken. Ab 1908 blickt Dalman in seinem Jahresbericht im<br />
Palästinajahrbuch selbst auf die Stationen <strong>der</strong> Institutsreisen zurück. Hier schil<strong>der</strong>t er nicht<br />
ohne Stolz genau jenen Panorama-Moment, den er seinen Stipendiaten während <strong>der</strong><br />
Zeltreise Anfang April 1908 beschert: „Um so schöner war <strong>der</strong> erste Blick auf den See von<br />
Tiberias, als wir auf dem alten Wege von saffūrie nach Tiberias […] an den letzten Absturz<br />
des Gebirges gelangten und dort aus gewaltiger Höhe auf ihn herabschauten.“ 209<br />
Nicht nur mit den biblischen Geschichten verbundene Stätten wie Tiberias, auch Beson<strong>der</strong>heiten<br />
<strong>der</strong> Natur schienen den Stipendiaten bildwürdig. Auf einem zweitägigen Institutsausflug<br />
in den Südwesten von Jerusalem dokumentierte <strong>der</strong> Stipendiat Heinrich Seeger 210<br />
(1888–1945), damals Pfarrvikar in Wildbad, am 21. März 1914 Kiefern bei Bēt Mahsīr:<br />
eine stilisierte, auf wenige Grauwerte reduzierte, als zarter Schattenriss komponierte Fotografie.<br />
Auch Dalman war dieser Ort in seinem Jahresbericht einige ungewohnt leidenschaftliche<br />
Zeilen wert: „Der Kiefernhain bei bēt mahsīr und <strong>der</strong> mit Girlanden glänzendgrüner<br />
Stechwinden (Smilax aspera) behangene Eichenhain von chirbet ekbāla zeigten<br />
auf dem Heimwege, welchen Baumwuchses Palästina fähig ist, wenn <strong>der</strong> Mensch ihn nur<br />
1––Dalman als Fotomentor
45 Heinrich Seeger: bei Bēt Mahsīr, 21. März 1914<br />
46 Heinrich Seeger: ‘Amwās, Kin<strong>der</strong>, 27./28. Februar 1914<br />
60<br />
61
53 | 54 Gustaf Dalman: Rāmallāh, Klatschreigen, wohl 1910,<br />
im ersten Drittel des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts vom Kunstverlag Bruno<br />
Hentschel als koloriertes Glasplattendiapositiv vertrieben<br />
Trockenmauer wendet sich die Runde <strong>der</strong> feiernden Frauen frontal dem Betrachter zu.<br />
Mit einer Kolorierung 244 integrierte Hentschel dieses Motiv u. a. in seine 24-teilige, ethnologische,<br />
durchgehend farbige Dia-Reihe Nr. 59 zum „Volksleben im Heil. <strong>Land</strong>e”. 245 Eher<br />
wissenschaftlich orientierte Aufnahmen wusste er immer wie<strong>der</strong> durch populäre Szenen<br />
aufzulockern (à la Pärchen an <strong>der</strong> Reling bei Sonnenuntergang). Farbige bzw. kolorierte<br />
Dia-Serien des Hentschel-Verlags wurden in Greifswald separat aufbewahrt, die meisten<br />
Motive stattdessen in einer Schwarz-Weiß-Version in den Diaschrank aufgenommen.<br />
55 Foto Kempe (wohl): Getreide-<br />
Mahlgrade, wohl um 1933<br />
1––Dalman als Fotosammler
Mit den Objektaufnahmen, die dem realienkundlichen Ordnungsprinzip folgen, gelangte<br />
Dalman zu einem erstaunlich abstrakten Ausdruck. Nach dem Ersten Weltkrieg griff er<br />
nicht mehr (o<strong>der</strong> nur noch selten) selbst zur Kamera, um Artefakte o<strong>der</strong> Modelle 246 seiner<br />
Sammlung abzulichten. Viele <strong>der</strong> erhaltenen Aufnahmen wurden offenkundig von Profis erstellt,<br />
belegt ist z. B. eine Zusammenarbeit mit dem Greifswal<strong>der</strong> Studio „Foto Kempe“. 247<br />
Diese Bil<strong>der</strong>, die vor allem für die Bände von „Arbeit und Sitte“ gefertigt wurden, zeichnen<br />
sich durch ein Höchstmaß an Reduktion aus. Der einheitlich weiße o<strong>der</strong> schwarze Hintergrund<br />
lässt die Dinge, oft noch verstärkt durch eine kräftige Retusche, fast schweben – in<br />
einem abstrahierten Farbraum, <strong>der</strong> heutige Betrachter an die surrealistischen Foto-Experimente<br />
von Man Ray erinnern mag. 248 Weitere Objektaufnahmen entstanden in Jerusalem<br />
während <strong>der</strong> beiden letzten Dalman-Reisen. 1921 wurde er unterstützt vom schwedischen<br />
Theologen Sven Lin<strong>der</strong>, Stipendiat des Jahrgangs 1912. 249 Von ihm stammen mehrere Bildserien<br />
vor allem von Pflanzen und Pflügen.<br />
56 Knut Olof Dalman: Jerusalem, Aussätzigenasyl,<br />
Frühfeige und Ansätze zu Spätfeigen, 1. Juni 1925<br />
70<br />
71
61 | 62 Knut Olof Dalman: Rās<br />
el-Mekabber, Blick nach Ostsüdost<br />
(links) und Nordostnord (rechts, in<br />
Richtung Jerusalem), 12. April 1925<br />
63 Bayerische Fliegerstaffel 304: Mār Sāba, 3. Januar 1918,<br />
mit Gustaf Dalmans händischer Kartierung (wohl aus den<br />
frühen 1920er Jahren) auf Transparentpapier<br />
einer „topografischen” Ordnung aus, z. B. in <strong>der</strong> Realienkunde. Hier überdeckte er eine<br />
Fotografie (wohl) seines Sohns Knut Olof mit Transparentpapier, um die Obstsorten zu<br />
kennzeichnen – in <strong>der</strong> Drucklegung entschied er sich dann aber doch für eine zweite, etwas<br />
dekorativere Variante des Fotos 268 ohne darüberliegende Zeichnung, dafür mit einer ausführlichen<br />
erklärenden Bildunterschrift.<br />
Mit Blick auf „Hun<strong>der</strong>t deutsche Fliegerbil<strong>der</strong> aus Palästina” ist noch hervorzuheben,<br />
dass Dalman sich hier im Vorwort – zum einzigen Mal <strong>der</strong>art ausführlich – mit Stärken und<br />
Schwächen, mit Geschichte und Zukunft <strong>der</strong> Fotografie auseinan<strong>der</strong>setzte. Im Gegensatz<br />
zur Malerei biete die neue Gattung einen „ungeschminkten“ 269 Blick auf die Orte, die sich<br />
unter dem Einfluss <strong>der</strong> westlichen Mächte rasch verän<strong>der</strong>ten. Durch diesen technischen<br />
1––Dalman als Fotosammler
64 Knut Olof Dalman: Jerusalem, Aussätzigenasyl,<br />
Obst vom Markt, 10. August 1925, mit Transparentpapier-Überdeckung<br />
von Gustaf Dalman mit<br />
Benennung <strong>der</strong> einzelnen Ostsorten<br />
Fortschritt werde das Bild abstrahiert und eine neue Perspektive eröffnet. Damit sollten<br />
sich die Sehgewohnheiten kommen<strong>der</strong> Generationen zum Positiven wandeln. Doch auf<br />
dem Weg dahin müsse das Auge geschult werden, denn auch gute Fotografen seien in<br />
Palästina abhängig von den einseitigen touristischen Vorlieben für die biblischen Stätten.<br />
Vor diesem Hintergrund kommentiert und ergänzt Dalman die vorgelegten Luftaufnahmen,<br />
um <strong>der</strong>en volle Bedeutung zu entfalten. „Daß viele Fliegerbil<strong>der</strong> keinen ästhetischen<br />
Genuß bedeuten, obwohl unter den Schrägaufnahmen auch solche sind, die man schön<br />
nennen darf, än<strong>der</strong>t nichts an ihrem Werte.“ 270<br />
76<br />
77
74 Fotoalbum Erika Lemcke: Bad im<br />
Toten Meer, 1936–1938<br />
Viele <strong>der</strong> Album-Motive drehen sich um Ausflüge in die Umgebung, wenn sie von Eltern<br />
und Bru<strong>der</strong> besucht wurde. In <strong>der</strong> hier ausgewählten, wohl um 1930 entstandenen Fotografie<br />
hantiert Magdalene Eisenberg im rechten Vor<strong>der</strong>grund mit einer Kamera auf einem<br />
Stativ. Sie zielt auf ihren Vater Christian Eisenberg, <strong>der</strong> im linken Mittelgrund mit Arabern<br />
verhandelt. Zwischen beiden Gruppen vermitteln zwei Personen: ein arabisch gekleideter<br />
Mann links von Magdalene Eisenberg, ein beobachtendes Kind rechts von ihr. Im Hintergrund<br />
bleibt die Hügellandschaft unbestimmt, nur ein Strommast verweist auf die bereits<br />
eingezogene Mo<strong>der</strong>ne. Vater und Tochter sind beide durch optische Geräte ausgezeichnet:<br />
Kamera und Feldstecher. Passend zu ihrer Nähe zur Sing- und Wan<strong>der</strong>bewegung,<br />
trägt Magdalene Eisenberg ein helles Kleid mit rustikaler Weste und robustem Schuhwerk.<br />
Ihre Kopfbedeckung hingegen bildet eine modische Variante des arabischen Kopftuchs,<br />
das sie mit den Umstehenden verbindet.<br />
An zweiter Stelle kann ein heute im Jerusalemer DEI verwahrtes Album herausgegriffen<br />
werden, das indirekt mit den Lehrkursen, dafür eng mit den damaligen deutschen Kreisen<br />
in Palästina verbunden ist. Darin sammelte Erika Lemcke, bis 1938 Sekretärin und<br />
1––Dalman als Fotosammler
Mitbewohnerin beim deutsche Propst Ernst Rhein, verschiedene Motive aus Jerusalem<br />
und von Ausflügen in die Umgebung. 313 Eine ganze Seite ist dem „Bad im toten Meer m.<br />
Alexandriner Schwestern u. Gen. Konsul [Ferdinand] Seilers” gewidmet. Die/<strong>der</strong> Fotografierende<br />
(möglicherweise teils Erika Lemcke selbst) muss dafür sehr nah am o<strong>der</strong> im<br />
Wasser gestanden haben. Eingefangen werden unbeschwerte Momente, wenn sich die<br />
kleine Reisegruppe auf dem Salzwasser treiben lässt. Einer <strong>der</strong> Badegäste macht in Richtung<br />
<strong>der</strong>/des Fotografierenden eine scherzhafte Geste, als hielte er ebenso eine Kamera<br />
in den Händen – klassische Schnappschüsse, ein wenig unscharf und vielleicht gerade<br />
deshalb so atmosphärisch dicht.<br />
In <strong>der</strong> rechten unteren Ecke <strong>der</strong> Albumseite fällt ein Motiv nicht nur wegen des schmaleren<br />
Weiß-Rahmens, son<strong>der</strong>n vor allem wegen <strong>der</strong> hohen handwerklichen Qualität ins Auge.<br />
Es handelt sich um eine Aufnahme <strong>der</strong> American Colony, eine Profi-Fotografie des Toten<br />
Meers, wie sie auch in <strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong> Dalman-Sammlung 314 zu finden ist. Wie in diesen<br />
beiden Album-Beispielen <strong>der</strong> 1920er und 1930er Jahre mischen sich in deutschen Reisefotografien<br />
<strong>der</strong> Kulturlandschaft Palästina auch nach 1948 noch private und öffentliche<br />
Momente, Amateur- und Profiaufnahmen. Und spätestens ab den 1960er Jahren sollten<br />
solche Schnappschüsse vom Toten Meer zum Mittelpunkt zahlloser bundesdeutscher Dia-<br />
Abende avancieren.<br />
Zusammenfassung<br />
In <strong>der</strong> Rückschau verstand Dalman sein Leben, Forschen und Sammeln als eine Reise, die<br />
mit dem Verlust <strong>der</strong> Mutter begonnen hatte. Denn „als sie 1870 aus <strong>der</strong> Zeit ging, war ich<br />
an ihrem Todestag damit beschäftigt, aufzuschreiben, was ich in Palästina sehen wollte.“ 315<br />
Entsprechend lässt sich auch sein Umgang mit Bil<strong>der</strong>n entlang <strong>der</strong> Biografie beschreiben:<br />
Schon <strong>der</strong> junge Gymnasiast, Student und Dozent vertiefte sich (nach zumeist druckgrafischen<br />
316 Vorlagen) zeichnend ins Heilige <strong>Land</strong>, um mit seinem ersten Besuch in <strong>der</strong> Region<br />
selbst zur Kamera zu greifen. Vom Jerusalemer Institut aus leitete er das Fotografieren <strong>der</strong><br />
Stipendiaten an, filterte die Ergebnisse, arbeitete eng mit Profifotografen zusammen und<br />
begründete auf dieser Grundlage in Greifswald eine umfangreiche Bildsammlung.<br />
Auch über Porträtaufnahmen wusste sich Dalman in Szene zu setzen – ob als aufstreben<strong>der</strong><br />
Judenmissionar, sprachkundiger Reisen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Forscher im freien Feld. Zeitlebens verstand<br />
er es, aus scheinbar abseitigen und alltäglichen Bil<strong>der</strong>n einen hohen wissenschaftlichen<br />
Wert zu ziehen. Mit „Camera“ und „Bleife<strong>der</strong>“ reduzierte er jedes Motiv auf das für<br />
ihn Wesentliche. Er fügte und sortierte seine Sammlung dreifach: ethnologisch, realienkundlich<br />
und topografisch, wobei er das dritte Ordnungsprinzip teils auch auf die beiden<br />
an<strong>der</strong>en Bereiche ausweitete. Damit hob er individuelle Einzelaufnahmen als Teil einer<br />
größeren Gruppe und Struktur auf eine allgemeingültige Ebene. Letztlich reiste er durch<br />
die von ihm konstruierte Bildwelt wie durch die Kulturlandschaft Palästina, in <strong>der</strong> er sich<br />
1925 (möglicherweise von Lewis H. Larsson) auf dem Rās el-Mekabber noch ein letztes Mal<br />
ablichten 317 ließ: leichtfüßig, für alle Wetter gerüstet, kein Detail übersehend, doch mit<br />
Feldstecher und Notizbuch stets bereit für den Ausblick auf das große Ganze.<br />
86<br />
87
75 | 76 Rās el-Mekabber, Gustaf Dalman,<br />
Abzug und Glasplatten-Negativ, 12. April 1925<br />
1––Zusammenfassung
88<br />
89
2––Annäherung
82 „Serdan“: Alexandria, Reisebus am Kran, 6. Juni 1959<br />
ähnliche Motive nimmt Jepsen in die Greifswal<strong>der</strong> Diasammlung auf und verwendet sie<br />
wohl in <strong>der</strong> Lehre. 331 Auch in den übrigen gesichteten Bildbeständen häufen sich in den<br />
1950er Jahren solche Bil<strong>der</strong> von Schiffsüberfahrten, auf denen oft und gerne fotografiert<br />
wird. Es sind in <strong>der</strong> Regel sehr persönliche Erlebnisse, denn das Leben an Bord lässt Zeit<br />
und Raum für internationale Begegnungen, tiefergehende Betrachtungen und <strong>der</strong>en Dokumentation.<br />
Bei vielen dieser Aufnahmen fehlt die Bezeichnung <strong>der</strong> Menschen, aber fast<br />
immer wird <strong>der</strong> traditionell weibliche Name des Schiffs überliefert. Im Fall von Jepsen ist<br />
es ab Venedig (auch von dieser Zwischenstation liegen in seinem privaten Nachlass Motive<br />
vor) <strong>der</strong> Passagierdampfer „Enotria“.<br />
Wie schon 1905 für den Dalman-Stipendiaten Valentin Schwöbel, ist auch in den 1950er und<br />
1960er Jahren das geschäftige Treiben am Hafen ein beliebtes Fotomotiv. Vor allem das<br />
Entladen des eigenen Kraftfahrzeugs wird mit großer Detailverliebtheit festgehalten. In<br />
<strong>der</strong> Diasammlung 332 einer ledigen, ebenso reise- wie fotobegeisterten Sekretärin aus dem<br />
Saarland (hier aus Datenschutzgründen unter dem WDR-Digit-Alias „Serdan“ geführt) ist<br />
eben jener Moment eingefangen, als <strong>der</strong> „Mercedes-Benz O 321 H“ am 6. Juni 1959 in<br />
Alexandria am Kran hängt. 333 An seiner Seite trägt <strong>der</strong> Reisebus den Schriftzug <strong>der</strong> Agentur<br />
„Dr. Tigges-Fahrten“. <strong>Das</strong> komplizierte Manöver wird an Bord wie an <strong>Land</strong> neugierig beobachtet,<br />
ein Passagier hat ebenfalls die Kamera gezückt.<br />
Ende <strong>der</strong> 1960er Jahre wechseln die gesichteten Bestände mehrheitlich vom Schiff zum<br />
Flugzeug – das Reisen wird schneller und schicker. Käthe (Maria Katharina) Naumann 334<br />
beispielsweise, im September 1969 für zwei Wochen mit <strong>der</strong> „Ökumenischen Studienreise-<br />
GmbH“ unterwegs, verwahrt in ihrem Israel-Fotoalbum gleich mehrere Erinnerungen an<br />
den Hinflug: Tickets, diverse Kofferanhänger, ein Gruppenporträt vom Check-in in Frankfurt,<br />
Prospektbil<strong>der</strong> eines Flugzeugs und Schnappschüsse aus dem Kabinenfenster. Im<br />
83 El Al: „Flying<br />
Kosher“, um 1969<br />
84 Willi Zörhoch:<br />
Abflug aus Israel, 1981<br />
96<br />
97
Verortung<br />
Ob Sonnenbad o<strong>der</strong> exotische Reisebegegnung, fast jedes Erlebnis während <strong>der</strong> Schifffahrt<br />
wird in den 1950er und 1960er Jahren dokumentiert, nur eine Aufnahme <strong>der</strong> Kabinen<br />
ist in keinem <strong>der</strong> gesichteten Bestände enthalten. Erst an <strong>Land</strong> sucht und findet man Punkte,<br />
die Heimat auf Zeit bedeuten könnten. Zehn Jahre nach Jepsens Reise sollte wie<strong>der</strong> ein<br />
Greifswal<strong>der</strong> auf den Spuren Dalmans durch diese Kulturlandschaft ziehen. Dazu ist ein insgesamt<br />
rund 1.400 Dias umfassen<strong>der</strong> Bestand im Institut erhalten, <strong>der</strong> sich nach Abgleich<br />
<strong>der</strong> Personenaufnahmen und Rücksprache mit Nachfahren nun sehr wahrscheinlich Pfarrer<br />
Konrad Kob 342 (1897–1985) zuordnen lässt. Als einziger Stipendiat dieses Lehrkurses war er<br />
87 Konrad Kob: Jerusalem<br />
(wohl), „Mein Schrank“, 1965<br />
schon früher mit dem Institut unterwegs: 1931 hatte er seine Reise ebenfalls mit <strong>der</strong> Kamera<br />
dokumentiert, im Palästinajahrbuch einen Beitrag dazu veröffentlicht und eine Auswahl<br />
von Aufnahmen dem damaligen Institutsleiter Albrecht Alt übereignet. 343<br />
30 Jahre später ergriff er die Chance, von Greifswald aus für zwei Monate als Kurprediger<br />
nach Capri 344 zu gehen und hierzu wie<strong>der</strong> einen Bericht mit (wohl) eigenen Fotografien zu<br />
publizieren. 1965 ist es dann – neben zahlreichen Aufnahmen von Ruinen, Ausgrabungen<br />
und historischen Stätten <strong>der</strong> Kulturlandschaft Palästina – ausgerechnet ein ganz profanes<br />
2––Verortung
Detail, das ihm vom Lehrkurs bildwürdig erscheint: <strong>Das</strong> Dia „Mein Schrank“ gibt den Blick<br />
frei in einen wohlgeordneten hölzernen Klei<strong>der</strong>schrank, <strong>der</strong> vermutlich in seiner Jerusalemer<br />
Unterkunft steht. 345 Es muss offen bleiben, ob Kob damit zeigen will, wie spartanisch<br />
er untergebracht ist o<strong>der</strong> wie akkurat er Hemden falten kann. In jedem Fall trifft er hier ein<br />
typisches Motiv, das durch die Jahrzehnte hinweg konstant bleibt. <strong>Das</strong> Dia vom Studierzimmer,<br />
<strong>der</strong> Abzug von <strong>der</strong> Sammelunterkunft im Kibbuz, <strong>der</strong> Pfeil auf <strong>der</strong> Hotel-Postkarte<br />
meinen letztlich dasselbe: Hier lebe, lerne, schlafe ich (auf Zeit).<br />
88 Martina Strehlen: West-Theben,<br />
Ramesseum, Februar 1986<br />
89 Gil Hüttenmeister: Gise, Cheops-Pyramide, Juli 1987<br />
100<br />
101
Während sprachkundige Individualreisende rückblickend häufig betonen, dass Vieles<br />
möglich war, fühlten sich organisierte Gruppen in ihrer Bewegungsfreiheit immer wie<strong>der</strong><br />
eingeschränkt. 353 Für den Lehrkurs von 1965 etwa beklagte Martin Noth in seinem<br />
publizierten Reisebericht das „auslän<strong>der</strong>feindliche, wüste Verhalten des Straßenpöbels“<br />
in zwei syrischen Orten, das zum Än<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Reisepläne nötigte. 354 Eine direkte bildliche<br />
Darstellung solcher Situationen fehlt allerdings. In ihrem Tagebuch notierte Regina Wolf<br />
(auch sie wird hier später noch näher vorgestellt) während ihrer Jordanien-Fahrt am 10. April<br />
1984: „Viel Militär. Fotoverbot!“ 355 Ob aus gefühlter o<strong>der</strong> realer Bedrohung, aus Vorsicht<br />
o<strong>der</strong> Unsicherheit – in brenzlig wirkenden Situationen wurde auf den Griff zur Kamera verzichtet.<br />
Schließlich war man nicht als Kriegsreporter unterwegs.<br />
Stattdessen schlägt sich das Thema in den gesichteten Fotografien als zwiespältige<br />
Grenzerfahrung nie<strong>der</strong>. Dabei reichen die Motive vom Stacheldrahtzaun bis zum ausgebrannten<br />
Panzer am Straßenrand. Der gebürtige Dresdener Hellmut Münzner (1906–1991)<br />
arbeitete nach Kriegsende (nach Umwegen) schließlich als Studienrat in Duisburg. In<br />
den 1950er und 1960er Jahren bereiste er mehrfach den Nahen Osten, beson<strong>der</strong>s häufig<br />
Israel. Gemeinsam mit seiner Ehefrau war er in Gruppen unterwegs, setzte sich aber<br />
immer wie<strong>der</strong> zum Fotografieren ab. Thomas Gade, <strong>der</strong> Münzners umfangreichen Bild-<br />
Nachlass für sein Medienarchiv erworben und digital aufbereitet hat, schil<strong>der</strong>t dessen<br />
94 Jerusalem, Klagemauer, 1969<br />
2––Grenzen
Dokumentationsfreude: „Er hatte die Angewohnheit, aus fahrenden Fahrzeugen wie Reisebussen<br />
und Eisenbahnen ganze Filme nur mit vorbeiziehenden <strong>Land</strong>schaften zu belichten.“<br />
356 Mitte/Ende <strong>der</strong> 1950er Jahre porträtierte er in vier Schwarz-Weiß-Aufnahmen zwei<br />
Soldatinnen – anscheinend im Freizeitmodus – vor einem eher profanen Kontrollposten<br />
wohl im Bezirk Tel Āvīv. <strong>Das</strong> Motiv Militär präsentiert sich hier mit einem Schmunzeln –<br />
und für bundesdeutsche Augen mit einer guten Portion Erstaunen.<br />
Im Berliner Archiv des Deutschen Palästina-Vereins hat sich ein Diabestand <strong>der</strong> Jahre 1964<br />
bis 1969 erhalten, <strong>der</strong> für 1969 mehrere Aufnahmen von Jerusalem birgt. Der Fotografierende<br />
357 ist nicht namentlich bekannt, soll seine Bil<strong>der</strong> aber als weitgereister evangelischer<br />
Pfarrer und Lehrer auch zu Unterrichtszwecken eingesetzt haben. Bis 1967 wurde die Klagemauer,<br />
die traditionell als Überrest des Salomonischen Tempels gilt, von jordanischer<br />
Seite verwaltet. Nach dem Sechstage-Krieg zählte man dann das gesamte Stadtgebiet,<br />
und damit auch die Klagemauer, zum israelischen Einzugsbereich.<br />
Eine <strong>der</strong> Berliner Aufnahmen von 1969 zeigt eine Ecke <strong>der</strong> Klagemauer, in <strong>der</strong> eine Handvoll<br />
orthodoxer Juden stehend und sitzend ihr Gebet verrichtet – hinter bildbeherrschenden<br />
Polizeiabsperrungen. Es bleibt unklar, wer hier von wem abgeschirmt o<strong>der</strong> vor wem<br />
geschützt wird. In einem <strong>der</strong> darauffolgenden Motive wird ein Liebespaar mit Blick auf die<br />
95 Käthe Naumann: Stoppschild bei En-Gedi, September 1969<br />
106<br />
107
103 „Heiliges <strong>Land</strong> Quartett“,<br />
um 1980<br />
Bei Regina Wolf(-Schweizer) 376 (*1929) aus Bern liegt <strong>der</strong> glückliche Fall vor, dass ihre Reisen<br />
über gut gepflegte Fotoalben und zugehörige Tagebücher über Jahrzehnte hinweg<br />
nachvollzogen werden können. Wolf verfolgte keine klassische Universitätskarriere, stattdessen<br />
machte sie sich im Privatstudium intensiv mit ihren Reisezielen vertraut. Solche<br />
paraakademischen, häufig weiblichen Zugänge zur Kulturlandschaft Palästina aus den ersten<br />
Nachkriegsjahrzehnten sind heute nur noch selten <strong>der</strong>art vollständig zu fassen. Daher<br />
lohnt ein intensiverer Blick auf den Bildbestand, obwohl sie als Schweizerin geografisch<br />
leicht über das Untersuchungsgebiet dieser Publikation hinausragt.<br />
2––Abbilden
104 Album Regina Wolf: bei Ma’ān,<br />
Fotografieren in <strong>der</strong> Wüste, Frühjahr 1984<br />
Ihr Sohn berichtet, dass sie in ihrer Kindheit über den örtlichen reformierten Pfarrer für die<br />
Geschichten rund um die biblischen <strong>Land</strong>e begeistert wurde – mehr aus kultureller, denn<br />
aus religiöser Sicht. Bei Regina Wolf 377 stand die Farbfotografie im Vor<strong>der</strong>grund. In <strong>der</strong><br />
Familie wurden die Aufnahmen zunächst lose in Kaffeerunden im Freundeskreis herumgereicht,<br />
vor Verschmutzung geschützt durch Klarsichthüllen. Später klebte sie die Abzüge<br />
378 vieler Fernreisen 379 in großformatige, beim Buchbin<strong>der</strong> individuell zusammengefasste<br />
Kladden – mit viel Weißraum und wenig Schrift, mehr Bildband als Fotoalbum. Auch<br />
Letzteres gab es im Haushalt Wolf, allerdings eher für die alltäglichen Ereignisse, Feiern<br />
und Ausflüge. Für spätere Lichtbildvorträge, die Regina Wolf teils im öffentlichen Rahmen<br />
hielt, wurden Dias zusammengestellt. Ihre Reiseunterlagen (Teilnehmerlisten, Prospekte<br />
o<strong>der</strong> Karten) sammelte sie ebenso wie Zeitschriftenartikel zu den einzelnen Län<strong>der</strong>n und<br />
116<br />
117
123 Benno Butter: Kairo, 1984<br />
124 Benno Butter: El-Fajūm, Straßenszene, 1984<br />
2––Begegnungen
Im Mittelgrund bildet eine schwarz gewandete, verschleierte Frauenfigur den Blickfang<br />
– und zugleich das Gegenüber zur dahinter laufenden, eine Last auf dem Kopf balancierenden<br />
jungen Frau. Rechts neben ihr streben einige orientalisch gekleidete Figuren nach<br />
hinten zu einem Hausdurchgang, aus dem wie<strong>der</strong>um gerade jemand herausgetreten ist.<br />
Im linken Vor<strong>der</strong>grund läuft die markanteste Figur des Motivs, ein dunkelhäutiger Mann<br />
mit weißem Gewand und weißer Kopfbedeckung, nach links aus dem Bild heraus. In dieser<br />
Zeichnung deutet nur die Gewandung <strong>der</strong> Personen, vielleicht noch die kümmerliche<br />
Palme im rechten Vor<strong>der</strong>grund auf den afrikanisch-morgenländischen Ort hin. Von <strong>der</strong> üblichen<br />
Orientromantik bleibt ein Häufchen Unrat mit Fischgräte und Konservendose.<br />
Fotografiert hat Butter während <strong>der</strong> ersten Ägypten-Fahrt gelegentlich, einige Dias und<br />
Abzüge sind überliefert. Sie scheinen, so die Einschätzung seines Sohns Andreas Butter,<br />
als Gedächtnis- und Motivspeicher für spätere Arbeiten gedient zu haben. Auch von seiner<br />
zweiten Ägypten-Reise liegen einige Aufnahmen vor. Darunter findet sich eine Straßenszene<br />
aus El-Fajūm, die in vielen Details an die oben beschriebene, zeitgleiche Kairo-Zeichnung<br />
erinnert: die zentrale dunkle Silhouette einer (einen Korb auf dem Kopf balancierenden)<br />
Ägypterin, das Kommen und Gehen in <strong>der</strong> Kulisse einer bröckelnden Mo<strong>der</strong>ne.<br />
Es muss offenbleiben, ob diese Fotografie als eine <strong>der</strong> Vorlagen für die Kairo-Zeichnung<br />
diente o<strong>der</strong> ob sie lediglich ein allgegenwärtiges Motiv zu verdichten half. In jedem Fall<br />
war die Kamera für Butter ein wesentlicher Bestandteil seiner Reisebeobachtungen, die er<br />
dann mit dem Gestus des Künstlers aufs Papier brachte.<br />
125 Günter Haufe: wohl bei Gerasa,<br />
Esel, Sommer/Herbst 1979<br />
134<br />
135
133 | 134 Familie Zeifert (wohl): Totes Meer,<br />
Dorothea Zeifert treibt auf dem Wasser, wohl 1980<br />
Aufnahmen von treibenden Männern mit wilhelminischen Bärten überliefert. Aber die typische<br />
Geste mit einem Buch o<strong>der</strong> einer Zeitung in den Händen scheint sich erst im Verlauf<br />
des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts zum obligatorischen Bildtypus entwickelt zu haben.<br />
Dabei sind die fotografischen Anfor<strong>der</strong>ungen dafür schon erheblich: Ein Mitglied <strong>der</strong><br />
Gruppe sollte mit <strong>der</strong> Kamera am besten ein Stück ins Wasser hineinwaten. Die Badenden<br />
müssen ihre Lektüre ein Stück mit heraus transportieren, um die optimale Pose einzunehmen.<br />
Ein „Making-of“ liefert Familie Zeifert 1980 während einer Reise ans Toten Meer.<br />
Dorothea Zeifert ru<strong>der</strong>t, die Zeitung vor dem Wasser schützend zwischen den Zähnen, ein<br />
Stück hinaus, um sich dann ikonisch korrekt ablichten zu lassen. Ein Motiv, das – wie bereits<br />
bei <strong>der</strong> Sekretärin des Probstes in den 1930er Jahren – in <strong>der</strong> Regel als kleine Bildserie<br />
daherkommt. 429 Schon die Produktion des Fotos, ohne das man nicht nach Hause kommen<br />
135 Gisela Grundmann-Wienert (wohl): Jaffa,<br />
Friedhelm Grundmann macht Pause, 4. März 1985<br />
2––Momente
mag, scheint ihr Freude zu bereiten. So haben sich über die Jahrzehnte, erleichtert durch<br />
die immer günstigere und handlichere Kameratechnik, verschiedene ikonische Motive herausgebildet,<br />
die zur Israel-/Palästina-Reise unauflöslich dazugehören.<br />
Ein weiterer Moment ist die Freude über das südliche Klima, die beson<strong>der</strong>s für Flugreisende<br />
bildwürdig war (bei <strong>der</strong> Anreise mit dem Schiff hätte man sich in Venedig, Genua,<br />
Athen o<strong>der</strong> Zypern langsam auf freundlichere Temperaturen eingestellt). Aus dem wenig<br />
mediterran gestimmten Hamburg war das Ehepaar Grundmann am 3. März 1985 nach Israel<br />
aufgebrochen. Am folgenden Reisetag startete man mit <strong>der</strong> Gruppe „bei herrlichem<br />
Sonnenschein und frischer Luft“ 430 nach Jaffa. Dort dokumentierte (vermutlich) Gisela<br />
Grundmann-Wienert eine kurze Sonnenpause ihres Gatten. Gerade hat er einen auf den<br />
Platz herausgerückten Stuhl entdeckt (o<strong>der</strong> diesen selbst hervorgeholt) und reckt sich nun<br />
in lockerer Sitzhaltung, mit angewinkeltem Bein und geschlossenen Augen nach links <strong>der</strong><br />
Wärme entgegen.<br />
Die scharfen Schlagschatten von Laterne (rechts), Grundmann (Mitte) und Passanten (links)<br />
lassen ahnen, dass die Sonne ihre volle Kraft entfaltet. Im Hintergrund weisen Palmen,<br />
luftig gekleidete Zaungäste und eine ockerfarbene Hauswand endgültig gen Süden. Insgesamt<br />
scheint die Perspektive leicht verrutscht, als würde sich für einen Augenblick alles<br />
um einen Fixpunkt drehen: die Person im Bildmittelpunkt. Dieser Moment des genießenden<br />
Ankommens spiegelt sich in den Zeilen, die Friedhelm Grundmann zum Rückreisetag<br />
notierte. „Als wir von israelischer Erde abheben schwöre ich mir: so bald ich kann möchte<br />
ich dieses <strong>Land</strong> und seine Menschen wie<strong>der</strong>sehen und -erleben.“ 431 Darin wird ihn bestärkt<br />
haben, dass es bei <strong>der</strong> Ankunft in Frankfurt schneite.<br />
Kontraste<br />
Wo <strong>der</strong> fotografische Moment ganz mit dem Hier und Jetzt verschmelzen will, leben an<strong>der</strong>e<br />
Aufnahmen von <strong>der</strong> Kontrasterfahrung. Von den 1910er Jahren ausgehend, hatte sich<br />
ein Thema in den 1930er und 1940er Jahren etabliert und in den 1950er und 1960er Jahren<br />
zum beliebten Bildmotiv entwickelt: alte neben neuer Welt. Die bereits vorgestellte saarländische<br />
Sekretärin 432 („Serdan“) zeigt in ihrer Diasammlung einen wachen Blick für spannungsvolle<br />
Szenen. Eine kleine Reihe von Aufnahmen entstand in ‘Ammān im Mai 1959 aus<br />
einem erhöhten Blickwinkel, vielleicht aus einem Hotelzimmer. <strong>Das</strong> wohl eindrücklichste<br />
von ihnen zeigt einen belebten Platz, auf dem sich vorwiegend orientalisch gekleidete<br />
Personen tummeln. Doch auf diesem Wimmelbild sind – mal offen, mal versteckt – immer<br />
wie<strong>der</strong> westliche Akzente eingestreut.<br />
Die Menschen eilen von links nach rechts, sie tragen Lasten rechts nach links, wo ein Bus<br />
parkt. Während sich die Stadt im Hintergrund als ein beige-graues Flickwerk von Ruinen<br />
und Provisorien präsentiert, wird im Bildmittelgrund vor einem Verschlag mit europäisch<br />
anmutenden Neu-Möbeln gehandelt. Darüber werben an einer Hauswand grellbunte<br />
Transparente u. a. für den Hollywood-Western „Vera Cruz“ (1954) mit seinen Protagonisten<br />
Gary Cooper, Burt Lancaster und Denise Darcel. Dieser Blick auf einen Ort zwischen Verfall<br />
144<br />
145
136 „Serdan“: ‘Ammān,<br />
Straßenszene, Mai 1959<br />
und Aufbau, zwischen beige und bunt, zwischen orientalischen und westeuropäischen<br />
Anklängen passt auf die damalige historische Entwicklung, als die jordanische Hauptstadt<br />
nach 1948 von den palästinensischen Zuwan<strong>der</strong>ern zur Metropole bekräftigt wurde.<br />
Gil Hüttenmeister dokumentiert mit einem Farb-Kleinbilddia von Tel Āvīv ebenso einen<br />
Kontrast, jedoch mit einem kleineren Zeitschritt: zwischen <strong>der</strong> Klassischen Mo<strong>der</strong>ne und<br />
<strong>der</strong> Nachkriegszeit. In Tel Āvīv hatte die Weiße Stadt, geprägt auch von deutsch-jüdischen<br />
Architekten und dem Stil des Neuen Bauens, ihren ersten Zenit überschritten. Links <strong>der</strong><br />
fotografierten Straße, die sich mit einem leichten Schwung durch das Bild zieht, zeigen<br />
die stromlinienförmigen Architekturen dieser Jahre – wie das vorne links geparkte Auto<br />
US-amerikanischer Herkunft – deutliche Altersspuren. Die hellen Fassaden haben sich eingetrübt,<br />
die Dächer und Balkone sind von allerlei technischen Installationen überwuchert.<br />
Im Gegensatz dazu wird das Hochhaus, das weite Teile des Hintergrunds abriegelt, gerade<br />
erst errichtet: Unter den bald fallenden Gerüstkonstruktionen erkennt man die klare<br />
unverfälschte Qua<strong>der</strong>form.<br />
2––Kontraste
137 Gil Hüttenmeister: Tel Āvīv, Bau des Migdal Shalom, wohl 1964<br />
146<br />
147
144 Daniel Wolf: Hubschrauberlandeplatz wohl bei Qasr al-Kharana, April 1984
exemplarisch herausgearbeitet, dass Architekturmodelle in <strong>der</strong> Nachkriegsmo<strong>der</strong>ne – als<br />
produzierte und produktive Artefakte – aktiv in den Entwurfsvorgang einbezogen wurden.<br />
Unter Verweis auf den Architekturhistoriker Klaus Jan Philipp benennt Liptau das Modell<br />
als „materialisierte Theorie“ 455 . Auch einem Modellfoto kommt demnach ein „aktive[r] Status“<br />
456 zu, da es den Gegenstand steigert und verdichtet: Solche zweidimensionalen Bil<strong>der</strong><br />
sind nicht allein von historischer Bedeutung, son<strong>der</strong>n übernehmen ebenso eine nicht zu<br />
unterschätzende Rolle in räumlichen Denk- und Entscheidungsprozessen.<br />
Für Dalman steht raumbezogene Forschung – genauer gesagt Palästinaforschung als Teil<br />
<strong>der</strong> Theologie – fest auf dem „Boden <strong>der</strong> biblischen Geschichte“ 457 und ist damit mehrdimensional.<br />
„Wer nicht plastisch sehen, Wirkliches, nicht nur Gedachtes beschreiben, die<br />
Wirklichkeit, wenn nötig, kriechend und kletternd, untersuchen, technisch messen, aufzeichnen,<br />
photographieren, modellieren kann, wird dieser Wissenschaft nie Erhebliches<br />
leisten.” 458 Dalmans frühe Begeisterung für den Modellbau hat sich mit <strong>der</strong> ersten Reise<br />
in die Kulturlandschaft Palästina intensiviert. Rasch zieht er Dritte hinzu, plant die Vervielfältigung<br />
und Verbreitung im akademischen Umfeld. Noch in Leipzig veranlasst er z. B. ein<br />
Petra-Modell (den Opferplatz des zibb ‘atuf), „das 1902 in Leipzig von Cand. Zottmaier“ 459<br />
unter seiner Anleitung nach Fachliteratur gefertigt wird. Nach eigenen Petra-Besuchen<br />
veröffentlicht er zum selben Ort 1908 eine Beschreibung in Wort, Foto und Grafik.<br />
In seinem ausführlichen Bericht über das neue Greifswal<strong>der</strong> Institut vermeldet Dalman<br />
1926 im Palästinajahrbuch 460 auch ein Modell eben jenes Opferplatzes – gefertigt nach<br />
seinen Angaben. Ausdrücklich betont er, als würde durch die materielle auch eine räumliche<br />
Brücke geschlagen, dass dafür ein Kalkstein aus Palästina zum Einsatz komme. Dieses<br />
Artefakt liefert einen Mehrwert gegenüber <strong>der</strong> bisherigen Flachware, denn es veranschaulicht<br />
die für Dalmans Theoriebildung elementaren Dimensionen (wer steht wo und opfert<br />
was und wohin fließt das Blut). In einer weiteren Stufe wird vermutlich durch „Foto Kempe“<br />
eine Aufnahme angefertigt, als Dia in die Greifswal<strong>der</strong> Sammlung eingebunden und über<br />
Jahrzehnte für den Einsatz in <strong>der</strong> Lehre bereitgehalten. 461 Die historische Opferstätte ist so<br />
in ihrer fachlichen Essenz endgültig zeit- und ortsunabhängig erfahrbar.<br />
Bei seinem Greifswal<strong>der</strong> Petra-Modell springt Dalman mehrfach in Ebene und Maßstab: In<br />
Leipzig lässt er zweidimensionale Fachliteratur in ein dreidimensionales Modell überführen<br />
und nimmt das Wissen darum mit nach Petra, wo er es am 1:1-Original überprüft und zu<br />
Plan und Foto verdichtet. <strong>Das</strong> Ergebnis wird in seinem Auftrag für ein (1926 in Greifswald<br />
aufgestelltes) Modell nach außen gestülpt und davon eine zweidimensionale Aufnahme als<br />
Dia aufbereitet, die in <strong>der</strong> Projektion erneut an Größe gewinnt. Am Ende steht mehrfach<br />
korrigiertes, konzentriertes und nicht zuletzt ästhetisch dargebotenes Wissen in Bildform.<br />
Auch nach 1948 waren deutsche Reisende an Objektaufnahmen interessiert. Man klebte<br />
nicht nur Servietten, Trinkstrohhalme und Kofferanhänger ins Album, son<strong>der</strong>n fotografierte<br />
ebenso israelische Münzen und an<strong>der</strong>e Alltagsgegenstände des Gastlandes. Interessant<br />
waren vor allem Objekte, die das Unbekannte, Fremde, vielleicht Skurrile auf den Punkt<br />
brachten. Für die damals angehende Judaistin Martina Strehlen, die 1985/86 ein Jahr in<br />
3––Geschichte
148 Foto Kempe (wohl): Petra,<br />
Modell eines Opferplatzes, wohl<br />
1920er/1930er Jahre<br />
149 Martina Strehlen: Zahnpastatube, April 1986<br />
162<br />
163
155 Valentin Schwöbel: Wādi<br />
Rahabe, Nachtlager, wohl 1905<br />
auf eine fotografische Ausbildung, publizierte in diesem Bereich keine feste Systematik,<br />
inszenierte sich nicht mit <strong>der</strong> Kamera in <strong>der</strong> Hand und zeigte sich an technisch-chemischen<br />
Details hartnäckig desinteressiert. Früh schuf er sich ein Netzwerk aus Bildgebern und delegierte<br />
die Arbeit gerne an Dritte. Vor diesem Hintergrund mag er ein Fotoamateur gewesen<br />
sein, doch er verstand sich als Profiforscher. Selbstgefertigte Aufnahmen <strong>der</strong> Reise von<br />
1899/1900 begründeten (mit) seinen wissenschaftlichen Aufstieg. Die wachsende Bil<strong>der</strong>sammlung<br />
sicherte ihm noch in Greifswald die akademische Glaubwürdigkeit – und damit<br />
letztlich den Lebensunterhalt.<br />
Im Vergleich zum Skizzenblock sah Dalman die Kamera als lohnende Ergänzung, als optimierte<br />
Fortsetzung mit eigenen Stärken und Schwächen. Aus <strong>der</strong> langjährigen Erfahrung<br />
als Zeichner verfügte er über ein feines Gespür für Ausschnitt und Komposition, das er<br />
in <strong>der</strong> Fotografie auf Gattungen wie Personenporträt o<strong>der</strong> Objektaufnahme ausweitete.<br />
Piktoralistisches Verunklaren, ungezügeltes Draufhalten o<strong>der</strong> stilistische Kuriositätensuche<br />
wi<strong>der</strong>sprachen Dalmans Arbeitsethos. Am Ende zählte für ihn nicht die individuelle Autorenschaft,<br />
son<strong>der</strong>n die gemeinsame fachliche Aussage: „Die Wahrheit Palästinas sollte an<br />
die Stelle des Fantasiebildes treten.” 484 Dafür dachte er Text und Bild stets zusammen. Wo<br />
er <strong>der</strong> Sprache eine fast malerische Qualität zu verleihen wusste, achtete er beim Bild auf<br />
einen möglichst präzisen Ausdruck.<br />
3––Beziehung
156 Bernhard Schuler: Scharm el-<br />
Scheich, Lagerfeuer, Silvester 1976<br />
Seit ihrer Erfindung galt die Fotografie als schnell, detailgetreu und unbestechlich. 485 Doch<br />
mindestens ebenso lange wurde davor gewarnt, die dokumentarischen Fähigkeiten <strong>der</strong> Kamera<br />
zu überschätzen. Als das Neue Sehen in <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit als das Neue Lesen 486<br />
gefeiert wurde, brachte <strong>der</strong> Schriftsteller Bert Brecht um 1930 seine Bedenken treffend auf<br />
den Punkt: „Durch Fotografie keine Einsicht“. 487 Ihm sei die Präzision <strong>der</strong> Soziologen lieber<br />
als die schwärmerische Ästhetik <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts for<strong>der</strong>te<br />
Dalman eine nüchterne Fotografie, die sich we<strong>der</strong> künstlerisch noch kommerziell vereinnahmen<br />
ließe. Kurz zuvor hatten sich erste Persönlichkeiten wie <strong>der</strong> Volkskundler Michael<br />
Haberlandt 488 um Qualitätsstandards für die Arbeit mit Amateurfotografen bemüht. Damit<br />
wurzelt Dalmans inventarisatorisches Anliegen in <strong>der</strong> professionellen Forschung, während<br />
die technische Ausführung im Amateurbereich liegt.<br />
Als fachlich begleiteter, positiv verstandener Dilettantismus ist Dalmans breitgefächerte<br />
und flächendeckende Mentoren- und Sammlertätigkeit etwa <strong>der</strong> englischen Survey-Bewegung<br />
489 vergleichbar: Ab Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts fertigten Laien in Großbritannien<br />
unter wissenschaftlicher Anleitung so viele Fotografien wie möglich, um die Zeugen einer<br />
untergehenden ländlichen Alltagskultur zu dokumentieren. Hier mischten sich romantisierende<br />
Motive mit den Ideen von Heimat-, Natur- und Denkmalschutz. Für die Kulturlandschaft<br />
Palästina fehlten solch systematische Ansätze vor Dalman jedoch fast völlig. So kann<br />
174<br />
175
163 Diasammlung Otto Fabritius:<br />
Israel, Warten auf den Bus,<br />
September/Oktober 1966<br />
164 Diasammlung Otto Fabritius:<br />
Kiste, Dia Nr. 89 und beiliegende<br />
Karten, Ende <strong>der</strong> 1960er Jahre<br />
Die „Süddeutsche Zeitung“ notierte am 22. März 1967, orthodoxe Juden würden gegen<br />
ein Kulturabkommen zwischen Athen und Jerusalem stimmen, da die „Griechen vor 2000<br />
Jahren im Tempel von Jerusalem ein Schwein geschlachtet hätten“.<br />
Im Inneren des Kastens finden sich ein aufgeklebtes Zeitungsfoto von Masada, <strong>der</strong> Weihnachtsgruß<br />
einer in Israel kennengelernten Familie sowie vier Ansichtskarten, die Fabritius<br />
nach Hause gesendet hatte, teils mit dem Vermerk: „Bitte aufheben!“ Später erstellte er<br />
aus diesem Fundus auch Reproduktionen. Damit übertrug er Funktionen von Album, Bil<strong>der</strong>mappe<br />
und Materialsammlung auf einen Diakasten und verknüpfte seine Dokumentation<br />
zugleich mit <strong>der</strong> individuellen, familiären, deutsch-deutschen und internationalen<br />
Geschichte. Alles wird zusammengehalten vom Rückgrat <strong>der</strong> Bildnummern, die in einer<br />
Legende im Innendeckel aufgeschlüsselt sind. Die hier ausgewählte Nr. 89 birgt alle Erzählstränge<br />
in sich, denn sie zeigt Israel, wie es Otto Fabritius und viele <strong>der</strong> untersuchten<br />
Bildbestände wie<strong>der</strong>geben – als Nebeneinan<strong>der</strong> unterschiedlichster Religionen und Lebenseinstellungen.<br />
Fabritius bedenkt Nr. 89 im Kastendeckel in Schreibmaschinenschrift<br />
mit dem Gegensatzpaar „mo<strong>der</strong>n – orthodox“.<br />
3––Reise
Entlang einer Absperrung, neben einer diagonal nach rechts oben auslaufenden Fahrspur,<br />
warten 13 Personen auf den Bus. Je<strong>der</strong> schaut in eine an<strong>der</strong>e Richtung, je<strong>der</strong> bleibt für<br />
sich. Ein Mann mit Sonnenbrille lehnt sich ans Gelän<strong>der</strong>, wo er Jacke und Koffer abgelegt<br />
hat. Zu seiner Seite liest ein orthodoxer Jude in einem Buch (vermutlich gelehrt-frommen<br />
Inhalts), wohl um nicht in Verdacht o<strong>der</strong> Versuchung zu geraten, auf die luftig-modisch<br />
gekleidete Frau neben ihm zu blicken. Den Reigen beschließt ein Soldat, vielleicht bewachend,<br />
vielleicht ebenfalls wartend. Nach 1948 avancierte <strong>der</strong> Bus, als mehrere Anläufe zu<br />
grenzübergreifenden Bahnlinien gescheitert waren, zum Fortbewegungsmittel <strong>der</strong> Wahl<br />
und damit auch zum Begegnungs- und Beobachtungsraum von Touristen und Ortsansässigen.<br />
Diese Zusammenhänge könnten anhand des Einzelbilds neutral erklärt, in <strong>der</strong> Zusammenschau<br />
mit weiteren Dias als persönliche Erfahrung geschil<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> mit weiteren<br />
Stücken aus dem Kasten als Erinnerung mit Reisefährten geteilt werden. Erst im Zusammenwirken<br />
von Bildauswahl, möglichen weiteren Materialien und begleiten<strong>der</strong> Erzählung<br />
fügt sich die jeweilige Geschichte.<br />
Elisabeth Bäcker führte ihr bebil<strong>der</strong>tes Reisetagebuch 1981 auch deshalb so ausführlich,<br />
wie die Tocher rückblickend erzählt, um dem aus gesundheitlichen Gründen daheimgebliebenen<br />
Ehemann Josef Bäcker detailliert berichten zu können. 518 Den untersuchten Beständen<br />
wurde meist eine schriftliche Erzählung beigegeben: als Vortragsmanuskript im<br />
Diakasten, als Tagebuch mit Fotografien – o<strong>der</strong> als Bildunterschrift. <strong>Das</strong> Album, eine kommentierte<br />
Sammlung von Zeichnungen, Drucken, Erinnerungsstücken und später Fotografien,<br />
hatte sich Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts einen festen Platz in <strong>der</strong> bürgerlichen Kultur<br />
erobert. Auf sehr ähnliche Weise collagierte Dalman um 1871 in seinem Schüler-Büchlein<br />
eine zeichnerische Blütenlese missionarisch-palästinakundlicher Literatur.<br />
Als aus <strong>der</strong> imaginären eine reale Reise wurde, organisierte Dalman seine Fotografien<br />
breitgefächert zwischen loser Bil<strong>der</strong>sammlung und geordnetem Institutsalbum. Nach <strong>der</strong><br />
Literaturwissenschaftlerin Annegret Pelz lag <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e Reiz eines Albums gerade in<br />
seiner narrativen Verknüpfung scheinbar unzusammenhängen<strong>der</strong> Elemente. Diese collagenhafte<br />
Erzählweise inspirierte, so das Ergebnis ihrer Untersuchung, wie<strong>der</strong>um zahlreiche<br />
Romanautoren mit einem Sinn „für dislozierte Objekte“ 519 . Auch Dalman komponierte<br />
seine Fachbücher vom Schreibtisch aus – wie es die in <strong>der</strong> Greifswal<strong>der</strong> Sammlung überlieferte<br />
Materialsammlung zu „Arbeit und Sitte“ belegt – aus losen Notizen, Skizzen und<br />
Fotografien. <strong>Das</strong> Bild war für ihn nicht bloße Illustration, son<strong>der</strong>n unauflöslich mit dem<br />
Forschen und Schreiben verwoben.<br />
Nach Pagenstecher 520 wurde das Familien-Fotoalbum in <strong>der</strong> Wirtschaftswun<strong>der</strong>zeit zum<br />
Reisealbum, um in den 1970er und 1980er Jahren vom Dia abgelöst zu werden. Bei den<br />
hier untersuchten Beständen finden sich Alben durchaus noch in den 1980er Jahren (in<br />
einer betagteren Zielgruppe), jedoch zumeist als Materialsammlung in Ringbuchordner<br />
o<strong>der</strong> Kladde. Die Zahl <strong>der</strong> beigelegten Reisedokumente (von Hotelrechnung bis Visum)<br />
überwog dabei oft den Bildteil. Aus <strong>der</strong> Fotoschau wurde ein privates Archiv. Bei diesem<br />
Befund muss berücksichtigt werden, dass völlig ungeordnete Bildsammlungen von den Erben<br />
wahrscheinlich nur selten an Archive (o<strong>der</strong> an die Verfasserin) weitergegeben wurden.<br />
186<br />
187
165 Gustaf Dalman: Jaffa, Sommer 1906<br />
3––Reise
166 El-Al-Werbung: Tel Āvīv, um 1969<br />
190<br />
191
172 Leo Kahn: Jaffa, Orangen pflücken, um 1912<br />
173 Album Familie Rück: Jerusalem, Syrisches Waisenhaus<br />
(wohl), Heinrich Rück mit Orangen aus Bir Salem, „Ein 15 cm<br />
langer Zweig hat 9, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e 11 Orangen“, 1925<br />
Der Kontext macht das Bild | Schon Dalman inszeniert sich virtuos durch Fotografien. Da<br />
dient sein Reiterbild im beduinischen Gewand einmal <strong>der</strong> Legitimation als Forscher, einmal<br />
<strong>der</strong> Brautwerbung. Denn gerade für die Kulturlandschaft Palästina gilt: Eine Fotografie<br />
sichert und schafft Raum für das Erinnerte und Ersehnte. Vor diesem Hintergrund betreibt<br />
Dalman mit seiner Sammlung theologischen Heimatschutz. Mit <strong>der</strong> Kamera bewahrt er<br />
3––Zusammenfassung
174 „Neuwa“, Bror Chail (wohl),<br />
Orangenpflücken, 1966/67<br />
eine entgleitende Bildlandschaft – eine imaginierte, auch geglaubte Ikonotopografie, die<br />
er immer wie<strong>der</strong> auf reale Orte rückbindet. Der sich dabei formende Deutungsraum ist<br />
nicht statisch, son<strong>der</strong>n muss unablässig reisend erschlossen werden. O<strong>der</strong>, um es mit dem<br />
Belting’schen Perpetuum mobile zu sagen: Ein inneres Bild wird veräußerlicht, um vom<br />
Betrachter verinnerlicht zu werden, um wie<strong>der</strong> zum Bildkörper zu geraten usw. An diesen<br />
Bedeutungsschüben haben die Bil<strong>der</strong> aktiv Anteil.<br />
Amateurfotografien sind unverfügbar | Wegen ihrer hohen Wirkmacht muss <strong>der</strong> wissenschaftliche<br />
Umgang mit diesen Bil<strong>der</strong>n – gerade in einer religiös wie kulturell über-bedeuteten<br />
Kulturlandschaft – äußerst behutsam und nüchtern beschreibend geschehen. Nimmt<br />
man Amateurfotografien ernst, dann taugen sie zum Dokument, nicht zur Mission. Reisebil<strong>der</strong><br />
lassen sich vermitteln, aber nicht vereinnahmen. Denn sie bleiben Flachware mit <strong>der</strong><br />
Chance auf Raum, mit <strong>der</strong> Option zum Kunstwerk. Diese letzte Unverfügbarkeit macht die<br />
subversive Sprengkraft von analogen Amateuraufnahmen aus. Es lohnt also, den privaten<br />
Diakoffer hervorzuholen, den Projektor anzuwerfen und auf eigene Bildreise(n) zu gehen.<br />
<strong>Das</strong> ist dann nicht immer Wissenschaft, aber vielleicht gerade deshalb so schön.<br />
200<br />
201
202<br />
175 American Colony: Kundeninformation, erstes Drittel des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts
Impressum<br />
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<strong>Das</strong> Copyright für die Texte liegt bei <strong>der</strong> Autorin.<br />
<strong>Das</strong> Copyright für die Abbildungen liegt bei den<br />
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Umschlagmotiv: Gil Hüttenmeister: Jerusalem,<br />
Israelische National- und Universitätsbibliothek,<br />
1960 (Bild: privat); Eberhard Nestle: Gerasa, sog.<br />
Artemistempel, 14. April 1909 (Bild: Dalman<br />
Institut Greifswald).<br />
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Lithografie: Bild1Druck, Berlin<br />
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