Don Bosco in Russland - Jugendhilfe Weltweit
Don Bosco in Russland - Jugendhilfe Weltweit
Don Bosco in Russland - Jugendhilfe Weltweit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
32<br />
WELTWEIT 4/2007<br />
Die neue Herausforderung<br />
<strong>Don</strong> Giuseppe<br />
Tabarelli<br />
Katholische Kirche Gatch<strong>in</strong>a – e<strong>in</strong>e Ru<strong>in</strong>e. Doch neues Leben erblüht aus ihr.<br />
Katholiken haben es im<br />
orthodoxen <strong>Russland</strong> nicht<br />
leicht. Sie gelten als Sektierer.<br />
Die Arbeit der Salesianer<br />
<strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s zur Bildung<br />
junger Menschen <strong>in</strong> Gatch<strong>in</strong>a<br />
bei St. Petersburg gestaltet<br />
sich schwierig. E<strong>in</strong> Interview<br />
mit dem italienischen Missio-<br />
nar <strong>Don</strong> Giuseppe Tabarelli.<br />
INTERVIEW<br />
P. TONI ROGGER*<br />
Toni Rogger: <strong>Don</strong> Tabarelli, 1992<br />
s<strong>in</strong>d die Salesianer <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s nach<br />
Gatch<strong>in</strong>a gekommen und haben<br />
hier am 1. September 1993 mit 19<br />
Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern den ersten<br />
Kurs für grafische Ausbildung<br />
*Der Autor ist Salesianer <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s <strong>in</strong> Beromünster<br />
und leitet deren Missions und Entwicklungsarbeit;<br />
zugleich ist er Geschäftsführer der<br />
<strong>Jugendhilfe</strong> Late<strong>in</strong>amerika.<br />
begonnen. Warum seid Ihr ausgerechnet<br />
hierher gekommen, und<br />
warum habt Ihr ausgerechnet e<strong>in</strong>e<br />
Druckereifachschule aufgebaut?<br />
<strong>Don</strong> Giuseppe Tabarelli: Die Salesianer<br />
<strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s <strong>in</strong> Italien erhielten e<strong>in</strong>e<br />
Anfrage aus <strong>Russland</strong>, ob sie bereit<br />
wären, e<strong>in</strong>e Druckereischule e<strong>in</strong>zurichten.<br />
Es wurden uns mehrere mögliche<br />
Standorte <strong>in</strong> Moskau und St. Petersburg<br />
gezeigt, aber ke<strong>in</strong>er von ihnen erwies<br />
sich für unsere Zwecke als geeignet.<br />
Nach langem Suchen haben wir <strong>in</strong><br />
INTERVIEW <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong> <strong>in</strong> <strong>Russland</strong><br />
Gatch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong>e Berufsschule gefunden,<br />
deren Direktor sich bereit erklärte, mit<br />
den «Ausländern» zusammenzuarbeiten<br />
und uns e<strong>in</strong>en Teil der Schule im<br />
Mietverhältnis zu überlassen.<br />
Wie hat sich die Schule <strong>in</strong> den vergangenen<br />
Jahren entwickelt?<br />
Neben der Grafischen Schule wurde<br />
1994 e<strong>in</strong>e Handelsschule eröffnet.<br />
Die Ausbildung <strong>in</strong> Buchhaltung und<br />
Verwaltung dauert drei Jahre. Nach<br />
dem Abschluss erhalten die Schüler<br />
e<strong>in</strong> staatliches Diplom. Heute besuchen<br />
60 Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />
die Grafikschule und etwa 90 die<br />
Handelsschule.<br />
Für Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler, die<br />
weit weg wohnen, haben die Salesianer<br />
<strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s e<strong>in</strong> Internat e<strong>in</strong>gerichtet.<br />
Wie ist dieses organisiert,<br />
wie viele Jugendliche wohnen hier?<br />
Das Internat war <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissen<br />
Weise schon bei unserer Ankunft vorhanden.<br />
Wir haben dann die Leitung<br />
übernommen, um nahe bei den jungen<br />
Menschen zu se<strong>in</strong>. Wir s<strong>in</strong>d zurzeit<br />
vier Salesianer und wohnen mit<br />
den Jugendlichen unter dem gleichen<br />
Dach. Unser ganzes Bemühen folgt<br />
den Ratschlägen von <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>:<br />
Liebe, Vernunft und Religion. Heute<br />
zählt das Internat 40 Jugendliche.<br />
Sie selber s<strong>in</strong>d zuständig für den<br />
<strong>Don</strong>-<strong>Bosco</strong>-Verlag. Welche Ziele<br />
Den jungen<br />
Menschen e<strong>in</strong><br />
Zuhause bieten.<br />
Das Internat der<br />
Salesianer.<br />
E<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
fürs Leben.<br />
Grafische Schule<br />
<strong>in</strong> Gatch<strong>in</strong>a.<br />
(Bilder: Autor)
verfolgen Sie? Stösst e<strong>in</strong> katholischer<br />
Verlag <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ehemals völlig<br />
kommunistischen Land nicht auf<br />
Schwierigkeiten?<br />
Der Verlag hat sich von Anfang an<br />
Richtl<strong>in</strong>ien gegeben. Zunächst will er<br />
e<strong>in</strong>e salesianische Literatur auf Russisch<br />
schaffen, um <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong> und<br />
se<strong>in</strong>e Pädagogik bekannt zu machen.<br />
Zweitens wollen wir praktische Erziehungshilfen<br />
für Eltern und Lehrkräfte<br />
herausgeben. Dafür sehen wir<br />
e<strong>in</strong>e besondere Notwendigkeit. Denn<br />
<strong>in</strong> der Zeit des Kommunismus war<br />
die Erziehung Staatsmonopol. Daher<br />
wissen heute viele Eltern nicht mehr,<br />
wie man K<strong>in</strong>der erzieht und mit Jugendlichen<br />
umgeht. Schliesslich wollen<br />
wir besonders der katholischen<br />
Bevölkerung geistliche und religiöse<br />
Literatur anbieten, denn da zeigt sich<br />
e<strong>in</strong> grosses Bedürfnis.<br />
Wir wissen, dass wir e<strong>in</strong> w<strong>in</strong>ziger<br />
katholischer Verlag s<strong>in</strong>d, und es mangelt<br />
uns an Mitteln, uns <strong>in</strong> breiteren<br />
Schichten der Bevölkerung bekannt<br />
zu machen. Es gibt sehr wenige Katholiken,<br />
und die s<strong>in</strong>d weit verstreut.<br />
Immerh<strong>in</strong> erreichen wir mit den<br />
« Salesianischen Nachrichten» rund<br />
4000 Adressaten. Wenn es auf jedes<br />
Exemplar weitere vier Leser<strong>in</strong>nen<br />
und Leser trifft, dürfen wir von e<strong>in</strong>er<br />
respektablen Leserschaft ausgehen.<br />
Sie betreuen <strong>in</strong> Gatch<strong>in</strong>a auch<br />
e<strong>in</strong>e katholische Pfarrei. Schon vor<br />
der Oktoberrevolution (1917) gab<br />
es hier e<strong>in</strong>e katholische Geme<strong>in</strong>de<br />
mit Pfarrkirche. Wie konnten die<br />
Katholiken die lange Zeit des Kommunismus<br />
überstehen? Wie viele<br />
Katholiken gibt es überhaupt?<br />
Soweit wir wissen, besuchten manche<br />
Katholiken die e<strong>in</strong>zige Kirche, die<br />
<strong>in</strong> dieser Zeit <strong>in</strong> St. Petersburg geöffnet<br />
war; andere beteten zu Hause. Wirhaben<br />
e<strong>in</strong>ige sehr abgenutzte Gebetbücher<br />
auf Polnisch, die das bezeugen.<br />
Der Staat hat die Kirche 1994 zurückgegeben.<br />
Nach unserer Ankunft haben<br />
sich schon bald e<strong>in</strong>ige Katholiken<br />
gemeldet. Allmählich bildete sich e<strong>in</strong>e<br />
kle<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de; heute zählt sie zwischen<br />
70 und 80 Gläubige. Die nächste<br />
katholische Pfarrei liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Entfernung von rund 90 km.<br />
Die Geme<strong>in</strong>dekirche stammt noch<br />
aus der vorkommunistischen Zeit<br />
und ist heute e<strong>in</strong>e Ru<strong>in</strong>e. Daneben<br />
gibt es <strong>in</strong> Gatch<strong>in</strong>a zwei herausgeputzte<br />
orthodoxe Kirchen. Wie ist<br />
das Verhältnis zwischen der orthodoxen<br />
und der katholischen Kirche?<br />
Obwohl wir von Anfang an den<br />
Kontakt mit den orthodoxen Priestern<br />
gesucht haben, ist ke<strong>in</strong>e Zusammenarbeit<br />
zustande gekommen. Sie<br />
haben grundsätzliche und offenbar<br />
unüberw<strong>in</strong>dliche Vorurteile uns gegenüber.Sie<br />
wollen e<strong>in</strong>fach nichts mit<br />
uns zu tun haben. Jeder soll se<strong>in</strong>en<br />
eigenen Weggehen, sagen sie. Ökumenische<br />
Kontakte werden als Sünde<br />
betrachtet. Das ist auch e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis<br />
für die Verbreitung unserer Bücher.<br />
Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch nicht ausdrücklich<br />
erwähnt wird, dass es von e<strong>in</strong>em<br />
orthodoxen Geistlichen gebilligt wird,<br />
dürfen es orthodoxe Christen weder<br />
kaufen noch lesen. Wir Katholiken<br />
werden als Häretiker betrachtet.<br />
Wo sehen die Salesianer <strong>Don</strong><br />
<strong>Bosco</strong>s ihre Herausforderung für<br />
die Zukunft, hier <strong>in</strong> Gatch<strong>in</strong>a und<br />
anderswo <strong>in</strong> <strong>Russland</strong>?<br />
Auch wenn ich sehr an die Pressearbeit<br />
und an die Berufsschule glaube,<br />
Gatch<strong>in</strong>a<br />
Moskau<br />
<strong>Russland</strong><br />
33<br />
WELTWEIT 4/2007<br />
YAKUTIEN<br />
Jakutsk<br />
Salesianer <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s von West bis Ost<br />
(T. R.) Nach der politischen Wende 1990/1991 s<strong>in</strong>d mutige<br />
Salesianer <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s <strong>in</strong> die Länder der ehemaligen<br />
Sowjetunion gezogen, um dort nach dem Vorbild <strong>Don</strong><br />
<strong>Bosco</strong>s Zentren für junge Menschen zu eröffnen und<br />
Zeugnis für die Botschaft des Evangeliums abzulegen.<br />
Heute arbeiten <strong>in</strong> 20 Niederlassungen <strong>in</strong> <strong>Russland</strong> und<br />
Weissrussland, <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e und <strong>in</strong> Georgien mehr<br />
als 80 Salesianer <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s, <strong>in</strong> teilweise schwierigsten<br />
Verhältnissen. Die entlegensten Niederlassungen<br />
liegen <strong>in</strong> Yakutsk und Aldan <strong>in</strong> Yakutien (Ostsibirien).<br />
Ironisch charakterisieren die Salesianer die Region so:<br />
«Wir wissen nicht, wann das Ende der Welt kommt,<br />
aber wir wissen, wo es ist!»<br />
so sehe ich für uns e<strong>in</strong>en besonderen<br />
Schwerpunkt <strong>in</strong> <strong>Russland</strong>: Wir müssen<br />
<strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong> nacheifern und uns<br />
für Strassenk<strong>in</strong>der und vernachlässigte<br />
Jugendliche e<strong>in</strong>setzen. Es gibt Millionen<br />
von ihnen, und es wird für sie zu<br />
wenig getan. Das wäre me<strong>in</strong>er Ansicht<br />
nach e<strong>in</strong>e typisch salesianische und<br />
e<strong>in</strong>e äusserst notwendige Mission!<br />
<strong>Don</strong> Tabarelli, ich bewundere Ihren<br />
selbstlosen E<strong>in</strong>satz und den Ihrer<br />
Mitbrüder.Ich wünsche Ihnen für die<br />
weitere Arbeit viel Kraft und Gottes<br />
Segen. Danke für das Gespräch!<br />
PROJEKTHILFE<br />
33 074<br />
Salesianer <strong>Don</strong> <strong>Bosco</strong>s