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Im Licht der Frau<br />
Es wird schon<br />
alles wieder gut werden<br />
ie oft hat man mir in den vergangenen<br />
W Jahren auf die Schulter geklopft und<br />
gemeint, ich könne das schon schaffen. Ein<br />
kleiner bedeutungsloser Satz, jeder kennt ihn<br />
und auch ich habe ihn oft benutzt, eine kleine<br />
tröstende Geste, eine Aufmunterung. Und sonst<br />
nichts weiter. Vielleicht will man auch schnell zu<br />
einem anderen Thema wechseln, um sich nicht<br />
näher mit dem eigentlichen Problem des<br />
anderen auseinandersetzen zu müssen.<br />
Was soll man denn schaffen, berufliche oder<br />
private Herausforderungen, eine Trennung,<br />
Krankheiten oder vielleicht gar den Tod?<br />
Stellt sich da nicht oft die selbstkritische Frage,<br />
ob die eigenen Fähigkeiten ausreichen, um mit<br />
den Situationen, die das Leben beschert, fertig<br />
zu werden.<br />
Sie reichen aus, denn die Fähigkeiten wachsen<br />
und reifen mit den Herausforderungen.<br />
Eine kleine Geschichte soll dies verdeutlichen:<br />
Mein Sohn ist Legastheniker, das heißt er hat<br />
Teilleistungsschwächen in der deutschen<br />
Rechtschreibung. Hunderte Nachhilfestunden,<br />
verschiedene psychologische Tests und endlose<br />
Gespräche mit Lehrern, die an seiner Lernleistung<br />
zweifelten, und ein absoluter Verfall seines<br />
Selbstwertgefühls waren die Folge. Er entsprach<br />
nicht dem allgemein geforderten Leistungsziel<br />
der Schule. Was er aber war und immer noch<br />
ist, er hatte enorme kreative und soziale Kompetenzen,<br />
die er sowohl in der Familie als auch<br />
in der Schule demonstrierte. Aber was nutzte<br />
ihm seine Freundlichkeit und Empathie, wenn er<br />
nicht zwischen Groß- und Kleinschreibung<br />
Katharina Grabner-Hayden<br />
unterscheiden konnte. Meine Erklärung, dass<br />
ihm später diese Fähigkeiten viel nützlicher sein<br />
könnten als er momentan zu begreifen im<br />
Stande war, nutzte ihm in dieser misslichen<br />
Situation nichts, denn die Lehrer wollten eben<br />
die richtige Rechtschreibung.<br />
Er verzweifelte, weil er nicht verstand, diese<br />
Defizite richtig zu nutzen.<br />
Bis Weihnachten kam. Mein Mann erstand<br />
einen Christbaum, der dem Anspruch eines<br />
schönen Weihnachtsbaumes absolut nicht<br />
entsprach. Es drängte die Zeit, und weil Fichtenbäume<br />
einmal geschmückt immer schön wären,<br />
kauften sie dieses Urvieh von einem Baum. Als<br />
wir das grüne Tannenreisig endlich im Wohnzimmer<br />
hatten, schrien alle vor Entsetzen, denn<br />
der Baum hatte in den mittleren Astreihen ein<br />
riesiges Loch. Wir konnten ihn noch so oft<br />
drehen und wenden, er war hässlich. Wir<br />
wollten ihn schon wieder entfernen, als mein<br />
Sohn, der „Teilleistungsschwache“, auf die Idee<br />
kam, doch eine Konstruktion zu bauen, genau in<br />
das Loch, damit die Krippe mit dem Jesuskind<br />
genau im Zentrum des Christbaumes stand.<br />
Sofort kamen wir dieser Idee nach und wirklich,<br />
es wirkte traumhaft. Mitten im Grün, mitten in<br />
der Hoffnung stand das eigentliche Wesentliche,<br />
Jesus Christus als Kind. Seine Kreativität und<br />
seine Fähigkeit hatten es möglich gemacht. Viele<br />
Besucher während der festlichen Tage bewunderten<br />
diese „neue Art“ der Krippenplatzierung.<br />
Jetzt hatte er endlich verstanden, die Fähigkeiten,<br />
die momentan von ihm gefordert wurden,<br />
waren mangelhaft, aber nur im Sinne eines<br />
immer noch antiquierten Schulsystems, er<br />
12 Licht 2/2009