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DIE STAUDRUCKMASCHINE – EINE KRITISCHE ANALYSE<br />

Von: Dr Gerald Müller<br />

Civil Engineering Department<br />

<strong>University</strong> <strong>of</strong> <strong>Southampton</strong><br />

<strong>Southampton</strong> SO17 1BJ<br />

Tel.: +44 (0)2380 592442<br />

Email: g.muller@soton.ac.uk<br />

Einführung<br />

Die wirtschaftliche und ökologisch unbedenkliche Wandlung kleiner Wasserkräfte von 50 –<br />

500 kW mit sehr niedrigen Fallhöhen kleiner als 1,5 m stellt auch heute noch ein ungelöstes<br />

Problem dar. In der Literatur, im Internet und in der Presse werden unterschiedlichste<br />

Energiewandler beschrieben, wobei die angegebenen hohen Wirkungsgrade <strong>of</strong>t weder durch<br />

theoretische Überlegungen noch durch Messungen bestätigt werden. Die erhältlichen<br />

Informationen bezüglich der genauen Geometrie usw. der häufig patentgeschützten Wandler<br />

sind meist unbefriedigend. Gleichzeitig besteht bei vielen Besitzern von<br />

Wasserkraftstandorten der Wunsch nach Nutzung der Wasserkraft, und im Wasserbau tätige<br />

Ingenieure werden nach der Anwendbarkeit dieser Wandler befragt. Eine rationelle<br />

Bewertung der verschiedenen Energiewandler ist jedoch häufig nur nach genauem Studium<br />

der Prinzipien und der verfügbaren Angaben möglich. Im Folgenden soll die<br />

Staudruckmaschine (SDM), eine patentierte Erfindung (Patent AT 404 973 B) des<br />

Österreichers A. Brinnich, beschrieben und analysiert werden.<br />

Hier sollte darauf hingewiesen werden dass der Erfinder 2006 eine verbesserte Maschine mit<br />

veränderter Geometrie patentiert hat (Patent AT 501 575), die ebenfalls als<br />

‚Staudruckmaschine’ bezeichnet wird. Die folgende Abhandlung beschäftigt sich jedoch<br />

ausschliesslich mit der in Bild 1 gezeigten und in Brinnich (2001) beschriebenen Maschine<br />

(Patent AT 404 973 B) und gibt keinerlei Hinweise auf die Leistungsmerkmale der ‚neuen’<br />

Maschine.<br />

1


Bild 1: Staudruckmaschine (www.wicon.at),<br />

Die SDM hat aufgrund der Angaben des Erfinders (über 90% Wirkungsgrad für alle<br />

Durchflüsse, bei 10 – 30% der Kosten für ein gewöhnliches Wasserkraftwerk) ein breites<br />

Echo in der Presse als auch Erwähnung in der Fachliteratur gefunden, Brinnich (2001). Zwei<br />

Pilotanlagen wurden gebaut und die SDM und wurde verschiedentlich für geplante<br />

Wasserkraftanlagen vorgesehen. Messergebnisse, eine plausible Theorie der<br />

Funktionsweise, eine wissenschaftliche Bearbeitung oder wirtschaftliche Analysen sind<br />

jedoch nach Wissen des Autors nicht vorhanden. Die Autoren möchten<br />

Funktionsprinzip<br />

Die SDM stellt ein quer zur Fliessrichtung liegendes Schaufelrad mit Nabe (Durchmesser =<br />

Stauhöhe) dar. Die Nabe des Antriebsrades wirkt als Stau, und ersetzt das sonst<br />

erforderliche Wehr, Bild 2. Die Kombination beider Prinzipien ist patentiert (Österreichisches<br />

Patent No. AT 404 973 B).<br />

Bild 2: Staudruckmaschine – Hydrostatischer Druck<br />

Die Angaben des Erfinders zum Funktionsprinzip sind unklar. Es wird angenommen dass<br />

Wasserdruck und Strömungsenergie des Wassers auf die in Bewegung befindlichen<br />

Schaufeln wirken, und das Rad antreiben. Der Wasserdruck wirkt auf die normal zur Nabe<br />

2


angeordneten Schaufeln und treibt das Rad an. Die seitliche Schrägstellung der Schaufeln<br />

minimiert den Wasserwiderstand beim Ein – und Austauchen. Auf die Schaufeln wirkt der<br />

Wasserdruck aus der Differenz von Oberwasser (OW) und Unterwasser (UW); für die<br />

Leistungsermittlung wurde die vorhandene hydraulische Leistung abzüglich der Brems- und<br />

Luftspaltverluste verwandt. Damit „arbeitet die SDM immer mit einem Wirkungsgrad von über<br />

90 %.“ Ausser den statischen auf die Schaufeln wirkenden Druckdiagrammen wird keine<br />

weitere theoretische Begründung oder Analyse angegeben.<br />

Ausgangslage:<br />

Der Erfinder hat das Problem – die effiziente Nutzung von Standorten mit sehr niedrigen<br />

Fallhöhen von < 1,50 m und (relativ) hohen Durchflüssen von mehr als 2 m³/s und Meter<br />

Breite – erkannt und eine Lösung vorgeschlagen. Die SDM stellt dabei einen durchaus<br />

eigenständigen Typ einer hydraulischen Maschine mit zwei unterschiedlichen Wirkaspekten<br />

dar :<br />

1. Die Nabe der Maschine wirkt gleichzeitig als Stau (dies hat ebenfalls Vorteile für<br />

Tragstruktur und Leistungsabnahme da die sonst an den Achsen entstehenden sehr<br />

hohen Torsionsspannungen vermieden werden). Dieses Prinzip wurde jedoch bereits<br />

von Zuppinger vorgeschlagen, und wird ebenfalls bei dem von Fonfrede<br />

vorgeschlagenen ‚Roue Barrage’ verwandt, Brockhaus (1904), Fonfrede (2003).<br />

2. Der Antrieb erfolgt durch den hydrostatischen Druck und nicht durch Gewichts-<br />

(Potentialmaschinen: Ober- und Mittelschlächtige Wasserräder) oder Reaktionskräfte<br />

(Kaplan-, Francisturbine). Es wird allgemein angenommen dass die SDM ein<br />

Wasserrad darstellt, z.B. Killer (2003). Die SDM wird jedoch vom Wasserdruck und<br />

nicht vom Gewicht des Wassers angetrieben, und stellt eigentlich eine<br />

Rotationswasserdruckmaschine (RWDM) ähnlich der Wassersäulenmaschine dar (eine<br />

Kolbenmaschine die mit Wasserdruck betrieben wird und die in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts gelegentlich zu Pumpzwecken eingesetzt wurde, siehe z.B. Henne<br />

1898. Diese Art von Maschinen wurden mit relativ hohem Druck aus einem Speicher<br />

und zum Teil sogar aus der Wasserleitung betrieben).<br />

a. Wasserad mit Stauachse nach<br />

Zuppinger (Brockhaus, 1904)<br />

b. Roue Barrage nach Fonfrede<br />

Bild 3: Stauräder<br />

3


Die von der SDM erbrachte Leistung ist eine Funktion von Druckkraft und Geschwindigkeit.<br />

Um die SDM bewerten und mit herkömmlichen Energiewandlern vergleichen zu können<br />

wurde an der Universität <strong>Southampton</strong> eine einfache Theorie der SDM entwickelt die jedoch,<br />

was die tatsächlich auftretenden Strömungsverlust angeht, auf Annahmen angewiesen ist.<br />

Theorie der SDM<br />

Die SDM stellt eine Wasserdruckmaschine dar die im Gegensatz zu den in der Literatur<br />

beschriebenen Maschinen mit einer freie Oberfläche arbeitet. Die SDM nutzt den aus der<br />

Höhendifferenz OW - UW entstehenden Differentialdruck der auf die Schaufeln wirkt, Bild 2.<br />

Da das OW konstant bleiben muss, gehört zu jeder Drehgeschwindigkeit der Maschine<br />

genau eine Durchflussmenge Q. Sobald die Maschine sich bewegt, entsteht an der Schaufel<br />

eine Geschwindigkeit v2 die grösser ist als die Fliessgeschwindigkeit v1 des Oberwassers mit<br />

einer Tiefe t1 :<br />

t<br />

1<br />

v 2 = v1<br />

(1)<br />

t 2<br />

Der OW-Spiegel bzw. die Druckhöhe im Bereich unterhalb der Nabe muss sich also bei<br />

konstanter Energielinie um den Betrag ∆h absenken:<br />

2 2<br />

v 2 − v1<br />

Δ h =<br />

(2)<br />

2 g<br />

Bild 4: Geschwindigkeiten und Wasserspiegel an der sich drehenden Maschine<br />

Damit sinkt der auf die Schaufel wirkende effektive Druck Peff vom Maximaldruck Pmax :<br />

Pmax<br />

= ρ g ( t 1 − t 2 ) = ρ g d<br />

P<br />

eff<br />

= ρ g<br />

( d − Δ h )<br />

Dies bedeutet dass mit zunehmender Drehzahl die hydrostatische Antriebskraft absinkt. Mit<br />

diesen Beziehungen wurde ein typisches Beispiel mit den folgenden Werten durchgerechnet<br />

um die Wirkungsgrade und Leistungen zu bestimmen.<br />

t1 = 1,90 m<br />

t2 = 0,89 m<br />

Q = 1,80 m³/s · m Breite<br />

(3)<br />

4


Für eine Schaufelfläche A wird die Leistung L:<br />

L S<br />

= A P v<br />

(4)<br />

2<br />

Bild 5: Charakteristische Kurven der SDM<br />

Die Beschleunigung a von v1 auf v2 wird als gegen wirkende Kraft berücksichtigt (Annahme:<br />

die Beschleunigung findet über eine Strecke t1 - t2 statt) die eine Verlustleistung Lv erzeugt:<br />

( v − v )<br />

2<br />

1<br />

1<br />

2<br />

2<br />

a = (5)<br />

t − t<br />

L v<br />

v 2 − v 1<br />

= Q a<br />

(6)<br />

2<br />

Leistung und Wirkungsgrad sind stark von der Beaufschlagung (und der Drehzahl) abhängig<br />

(Bild 5a). Für die Entwurfswassermenge Qmax liegt somit der maximale theoretische<br />

Wirkungsgrad der SDM mit 71 % deutlich niedriger als „über 90 %“ (Bild 5b). Der maximale<br />

theoretische Gesamtwirkungsgrad zur Erzeugung von elektrischer Energie wird schließlich<br />

bei rund 67 % liegen, da noch die Wirkungsgradverluste infolge des notwendigen Getriebes<br />

(ca. 98 %) und des Generators (ca. 96 %) berücksichtigt werden müssen. Da die Schaufeln<br />

sich mit der Geschwindigkeit v2 durch das Wasser bewegen, kann angenommen werden<br />

dass weitere Strömungsverluste in Abhängigkeit von v2 2 /2g entstehen; in Bild 5 sind deren<br />

Auswirkungen auf den Wirkungsgrad ohne Verluste und für zwei Verlustfaktoren<br />

(angenommen) dargestellt.<br />

Modellversuche<br />

Gegenwärtig werden an der Universität <strong>Southampton</strong> Modelllversuche zur<br />

Staudruckmaschine durchgeführt. Die Modellmaschine hat einen Durchmessser von 0,50m,<br />

bei einer Schaufeltiefe von 0,15 m. Die Versuche mit der von Brinnich angegebenen<br />

Geometrie zeigten eine sehr starke Wellenbildung unter- und oberstrom, sowie von den<br />

einspringenden Winkeln der Schaufeln nach oberstrom geworfenes Wasser, so dass für die<br />

SDM hohe Strömungsverluste erwartet werden können. Das Fehlen eines gekrümmten<br />

Gerinnebodens erzeugt zusammen mit der schrägen Anordnung der Schaufeln eine direkte<br />

Verbindung von ober- nach unterstrom und bewirkt einen starken Durchstrom /<br />

Leistungsverlust (etwa 10 – 15% des Gesamtdurchflusses). Der maximale Wirkungsgrad<br />

wurde mit 40% bestimmt. Aufgrund der asymmetrischen Ein- und Ausströmverhältnisse<br />

ergab sich ausserdem eine zeitabhängige Bremswirkung, so dass die Kreisbewegung der<br />

5


Maschine periodisch ruckartig (insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten) erfolgt. Dies<br />

dürfte grosse Nachteile für den Betrieb mit sich bringen (Getriebebelastung).<br />

Neueste Entwicklungen:<br />

2006 wurde ein 20 kW Prototyp einer neuen Staudruckmaschine (Patent AT 501 575) in<br />

Pfaffstätten in Betrieb genommen. Dieser Prototyp zeichnet sich durch eine verbesserte<br />

Schaufelgeometrie sowie durch eine Vorrichtung zur Hochwasserableitung aus. Erste<br />

Versuche zur ökologischen Verträglichkeit ergaben ausgezeichnete Eigenschaften im<br />

Bereich der Fischverträglichkeit. Von dieser Maschine werden durch den Vergleich mit einer<br />

unterstrom installierten Kaplanturbine Messwerte in der nächsten Zukunft erwartet (siehe<br />

www.wicon.at).<br />

Abschliessende Bemerkungen<br />

Die vorhergehenden theoretischen Überlegungen zeigten dass die SDM eine eigenständige<br />

Art der hydraulischen Maschinen, eine Rotationswasserdruckmaschine (RWDM) darstellt,<br />

die andere Wirkungsprinzipien nutzt als Wasserräder oder Turbinen. Die SDM in ihrer<br />

gegenwärtigen Form kann die vom Erfinder angegebenen Leistungswerte nicht erreichen<br />

und weist eine Reihe von betrieblichen Nachteilen auf.<br />

Eine Rotationswasserdruckmaschine in der die oben beschrieben Nachteile durch eine<br />

gezielte Entwicklung minimiert werden weist jedoch eine Reihe von <strong>of</strong>fensichtlichen Vorteilen<br />

auf die sie für Anwender interessant macht:<br />

1. Die RWDM erlaubt die Nutzung von Standorten mit niedrigen Fallhöhen < 1,50 m und<br />

Durchflüssen von bis zu etwa 4 m³/s·m.<br />

2. Der Bauaufwand sowohl für Tief- als auch für Maschinenbau ist wahrscheinlich deutlich<br />

geringer als der für Turbinenanlagen vergleichbarer Grösse.<br />

3. Die grossen Kammern erlauben die Passage auch grösserer Fische.<br />

4. Die RWDM ist wahrscheinlich auch für Sediment durchgängig.<br />

5. Die Funktion als Stau bedeutet dass eine RWDM in bestehende Wehre eingebaut<br />

werden könnte.<br />

Die sich aus der Theorie ergebenden Wirkungsgrade machen– auch wenn<br />

Strömungsverluste berücksichtigt werden, und unter Einbeziehung der oben genannten<br />

Vorteile - die Rotationswasserdruckmaschine zu einer nach Meinung des Verfassers<br />

interessanten Maschine mit Entwicklungspotential.<br />

Literatur:<br />

Brinnich, Adolf: Wasserkraft-Staudruckmaschine - Neues, konkurrenzlos wirtschaftliches<br />

Kraftwerkskonzept. In: Wasserwirtschaft, 91,2. (2001), S. 70-74.<br />

Brockhaus, 1904, Artikel ‘Wasserräder’.<br />

Fonfrede M., 2004, A new concept <strong>of</strong> ecological micro-hydropower, Mondial Innovation 2004,<br />

Paris (Poster session).<br />

Henne H., 1898, Die Wasserräder und Turbinen, ihre Berechnung und Konstruktion, Leipzig,<br />

Verlag B.F. Voigt.<br />

Killer F., 2003, Einbau einer Kleinwasserkraftanlage an der Stadtbachstufe des WKW<br />

Isarwerkes 3, Diplomarbeit, FH München (Fb Maschinenbau).<br />

6


Müller W., 1939, Die Wasserräder, Schäfer-Verlag Detmold (unv. Nachdruck)<br />

Internet Referenzen:<br />

www.wicon.at<br />

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