Ypsilon - 04-2020 - Starke Männer
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Burnout<br />
Wenn die Kraft<br />
verloren geht<br />
Laien<br />
Schafe, nicht Hirten<br />
starke<br />
männer<br />
Was uns Kraft gibt<br />
Magazin für <strong>Männer</strong> – Katholische <strong>Männer</strong>bewegung – Ausgabe <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
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Foto: BMF/Adobe Stock<br />
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grüss gott<br />
Geist der Stärke<br />
Liebe Y-Leser und -Leserinnen!<br />
Es ist jetzt etwas mehr als zwanzig Jahre her, dass ich „ganz unten“ war. Noch „funktionierte“<br />
ich damals zwar einwandfrei – sowohl was Beruf als auch die ehrenamtlichen<br />
Tätigkeiten betraf –, aber innerlich war ich so weit, dass ich fast ALLES hingeworfen<br />
hätte. Aber irgendwo konnte ich doch Kraft finden – sonst würde ich heute diesen Artikel<br />
nicht schreiben. Was war das?<br />
Ich lade euch ein, dem Geist<br />
Gottes auch selber nachzuspüren.<br />
Er ist leise, manchmal<br />
sehr eigenwillig und vor allem:<br />
Er lässt sich nicht zwingen.<br />
Aber ich habe „mit ihm die<br />
besten Erfahrungen“ gemacht.<br />
In früheren Jahren machte ich wiederholt die Erfahrung, dass mir der Geist Gottes als<br />
Geist der Stärke geholfen hat – nicht immer so, wie ich es erhofft hatte, aber immer wieder<br />
so, dass es gut ausging. Und durch Taufe und Firmung ist uns allen seine Hilfe zugesichert.<br />
Beim Mitfeiern von Gottesdiensten wurde ich mir dieser Kraft wieder bewusst, und so<br />
konnte ich – auch wenn es für alle Beteiligten schmerzhaft war – manch lähmende<br />
Struktur (auch die Familie war davon betroffen) verlassen. Dieses Vertrauen in den Hl.<br />
Geist möchte ich mir bewahren, denn daraus kann ich Kraft und Stärke schöpfen.<br />
Wolfgang Förg-Rob | Vorsitzender der KMB Innsbruck<br />
Inhalt<br />
Coverfoto: Bruce Mars; Foto: Privat<br />
Schwerpunkt<br />
STARKE MÄNNER<br />
<strong>04</strong> Was gibt <strong>Männer</strong>n Kraft?<br />
07 X an y Wie die Paarbeziehung zur Kraftquelle wird<br />
09 GOtt bewegt Kann mir Religion gestohlen bleiben?<br />
10 Meine Kraftquelle Acht <strong>Männer</strong> erzählen<br />
12 Burnout Wenn die Kraft verloren geht<br />
Das nächste <strong>Ypsilon</strong> erscheint am 17.11.<strong>2020</strong><br />
Schwerpunkt: Grundfragen des Glaubens<br />
16 Schafe, nicht Hirten!<br />
Keine kollegiale Leitung<br />
von Pfarren<br />
18 80 Jahre<br />
theologische Fernkurse<br />
Dem Glauben auf der Spur<br />
20 Kurz und gut<br />
Impressum<br />
22 Brennen, Durchhalten<br />
und der Wille,<br />
es zu schaffen<br />
Interview mit Extremtaucher<br />
Christian Redl<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 3
In die<br />
männliche<br />
Kraft<br />
kommen
SCHWERPUNKT<br />
Wie ein Mann seine leeren Krafttanks wieder auffüllt, ist höchst individuell. Ob beim Sport,<br />
in der Natur oder beim Bier mit dem besten Freund: Hauptsache, er nimmt sich Zeit, seine<br />
Kraftquellen anzuzapfen. Und trickst dafür, wenn nötig, den inneren Schweinehund aus.<br />
Denn – Achtung Spoiler! – abendliches Lümmeln vor dem Fernseher bietet keine echte Erholung.<br />
Sandra Lobnig<br />
Christoph Enzinger ist tiefenentspannt. Der Oberösterreicher<br />
liegt in der Hängematte im Garten seines Hauses, umgeben von<br />
Mühlviertler Wiesen und Feldern. Die Vögel zwitschern. Ein<br />
leichter Wind bringt die Blätter rundherum zum Rascheln.<br />
Sonst ist es still.<br />
Fotos: Kornel Mahl; Patrick Hendry<br />
„Die Stille“, sagt der Softwareentwickler, „ist definitiv eine meiner<br />
Kraftquellen.“ Mindestens einmal in der Woche nimmt sich<br />
Enzinger bewusst dafür Zeit. Nicht liegend in der Hängematte,<br />
sondern meist sitzend mitten im Wohnzimmer des Einfamilienhauses,<br />
das der 51-Jährige mit seiner Frau und den zwei jugendlichen<br />
Kindern bewohnt. Hin und wieder begleitet vom Gong<br />
einer Klangschale, manchmal eingeleitet mit einem kurzen Gebet.<br />
„Für mich ist das wirklich eine Quelle der Ruhe einerseits<br />
und der Kraft andererseits.“<br />
die stille ist definitv<br />
eine meiner kraftquellen.<br />
christoph enzinger<br />
Darüber hinaus besucht Enzinger regelmäßig Gruppenmeditationen<br />
für <strong>Männer</strong> in Wien. Dort schweigt und meditiert man<br />
nebeneinander – und tauscht sich danach darüber aus. Dass<br />
ausschließlich in der Ruhe die Kraft liegt, stimmt für Christoph<br />
Enzinger aber nicht. Da ist außerdem die Musik, selbst gemacht<br />
am Klavier, an der Orgel oder mit dem Saxophon. „Ich spiele fast<br />
täglich Klavier. Am besten kann ich mich entspannen, wenn ich<br />
vor mich hinspiele“, sagt Enzinger. „Aber ich liebe es auch, für<br />
andere zu musizieren, zum Beispiel bei Geburtstagsfeiern. Das<br />
mach‘ ich narrisch gern.“ Und dann sind da die <strong>Männer</strong>redekreise,<br />
derzeit zwei, die Enzinger besucht und mitorganisiert. Die<br />
sind für ihn Kraftquellen schlechthin. Etwas, was er sich für jeden<br />
Mann wünschen würde. Eine persönliche Entdeckung, über<br />
die der Oberösterreicher viel zu erzählen hat. Doch dazu später.<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 5
SCHWERPUNKT<br />
Das Wissen, leistungsfähig zu sein,<br />
eine Familie versorgen zu können,<br />
ist für viele <strong>Männer</strong> sehr wichtig.<br />
Frank-Gerald Pajonk<br />
Wichtig: Das Wissen, leistungsfähig zu sein<br />
Musik, Meditation, beim Klettern an körperliche Grenzen gehen,<br />
an einem Fahrzeug herumschrauben, das Feierabendbier<br />
mit dem besten Freund oder ganz etwas anderes: Wie <strong>Männer</strong><br />
ihre leeren Krafttanks wieder aufladen, sei ganz und gar individuell,<br />
sagt Frank-Gerald Pajonk, Arzt, Psychiater und Leiter der<br />
Praxis Isartal im Kloster Schäftlarn südlich von München. Auch<br />
wenn es durchaus Tätigkeiten und Erfahrungen gebe, aus denen<br />
viele <strong>Männer</strong> Kraft schöpfen würden. <strong>Männer</strong>, sagt Pajonk, würden<br />
tendenziell anders mit Stress und körperlichen und emotionalen<br />
Bedürfnissen umgehen als Frauen. „<strong>Männer</strong> neigen eher<br />
dazu, ihre Lebensbereiche zu ‚partitionieren‘, anstatt sie zu integrieren.<br />
Das heißt, die einzelnen Teile – der Teil Familie, der Teil<br />
Beruf, der Teil Freizeit beispielsweise – stehen nebeneinander.<br />
Wenn sie in einem dieser Bereiche Stress haben, können sie ihn<br />
durch einen anderen Bereich wieder ausgleichen.“ Ein Vorteil –<br />
einerseits. Andererseits bestehe die Herausforderung darin, die<br />
voneinander getrennten Bereiche innerhalb der einen eigenen<br />
Persönlichkeit zu integrieren.<br />
Noch ein Charakteristikum vieler <strong>Männer</strong>, das sowohl Energie<br />
geben als auch rauben kann: „Das Wissen, leistungsfähig zu<br />
sein, eine Familie versorgen zu können, ist für viele <strong>Männer</strong><br />
sehr wichtig. Auch wenn es nicht immer ausgesprochen wird,<br />
sind Dinge wie ein Haus, Urlaub oder das Auto klassische Motive,<br />
die <strong>Männer</strong> antreiben.“ Antreiber, die auch schnell zur Erschöpfung<br />
führen würden. Dann nämlich, wenn es <strong>Männer</strong> mit<br />
der Anstrengung dafür übertreiben. Oder wenn sie das Gefühl<br />
haben, zu versagen und nicht das zu schaffen, was sie möchten.<br />
Frank-Gerald Pajonk: „Dann können <strong>Männer</strong> sogar depressiv<br />
werden.“<br />
Keine Erholung durch Fernsehen und Handy<br />
Wer – aufgerieben zwischen den Anforderungen in Beruf und<br />
Familie und körperlich und emotional erschöpft – jeden Abend<br />
auf der Couch vor dem Fernseher liegt, dürfe sich davon keine<br />
wirkliche Erholung erwarten, sagt Pajonk. Denn Fernsehen, genauso<br />
wie das Surfen im Internet oder Computerspielen am<br />
Handy, seien bestenfalls Formen der Ablenkung und Zerstreuung,<br />
jedoch keine echten Kraftquellen. „Es gibt aktive und<br />
passive Formen der Erholung. Sport, Meditation oder auch ein<br />
Saunabesuch sind aktiv. Zu den passiven Formen zählt, ein Buch<br />
zu lesen oder gute Musik zu hören. Fernsehen gehört nicht<br />
einmal zu den passiven Erholungsformen“, erklärt Pajonk.<br />
Krafttanken habe viel mit Pause-Machen zu tun. Das sei ein<br />
physiologisches Prinzip, das generell im Menschen angelegt ist.<br />
„Unser Organismus ist geprägt von Aktivität und Pause. So ist<br />
das beim Herzschlag, bei der Atmung oder bei der Darmtätigkeit,<br />
und so funktioniert auch unser Lebensrhythmus.“ Bloß,<br />
6 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
X an Y<br />
Wie die Paarbeziehung<br />
zur Kraftquelle wird<br />
Fotos: Privat; Rhand McKoy; Beziehungsleben.at<br />
das Handy aus der Hosentasche zu ziehen, geht leichter, als sich<br />
morgens um sechs zum Joggen aufzuraffen. Was also tun gegen<br />
den inneren Schweinehund, der es oft schwer macht,<br />
bekannte Kraftquellen anzuzapfen? Priorisieren und wenn notwendig<br />
Unterstützung von anderen holen, empfiehlt Pajonk.<br />
„Man muss sich zuerst deutlich machen, dass das, was man tun<br />
möchte, jetzt wirklich wichtig ist. Und dann kann man sich<br />
selbst Mut zusprechen, zum Beispiel mit Sätzen wie ‚Du<br />
schaffst das!‘,‚Es wird dir danach besser gehen‘.“ Hilft das alles<br />
nichts, verabredet man sich am besten mit einem Freund. Denn<br />
wenn der in aller Frühe an der Straßenecke wartet, fällt es auch<br />
leichter, aus dem Bett und in die Turnschuhe zu hüpfen.<br />
Ich bin nicht allein<br />
Mit dem inneren Schweinehund hat Christoph Enzinger weniger<br />
zu kämpfen. Er weiß, was ihm guttut und setzt sich, wenn er<br />
das Bedürfnis hat, ans Klavier oder zum Meditieren ins Wohnzimmer.<br />
Dafür ist er vor einigen Jahren in eine heftige Midlifecrisis<br />
geschlittert. Und hat nahezu zeitgleich <strong>Männer</strong>redekreise<br />
für sich entdeckt. Ein Segen für ihn. „Ich habe in meiner Krise<br />
gedacht, ich bin der einzige, der sich verlassen fühlt, der diese<br />
blöden Probleme hat, die sich nicht lösen lassen. Im Redekreis<br />
hatte ich ein Aha-Erlebnis: Ich bin nicht allein. Auch den anderen<br />
geht’s so oder sogar noch schlimmer.“ Seitdem gehören<br />
<strong>Männer</strong>redekreise zu Enzingers Leben und haben sich für ihn<br />
zu einer echten Kraftquelle entwickelt.<br />
Das Prinzip ist einfach: Ein so genannter Redestock liegt in der<br />
Mitte und wird an den Mann weitergereicht, der etwas sagen<br />
möchte. „Die Redestockmethode ist genial. Besonders für introvertierte<br />
<strong>Männer</strong>, die meinen, andere in der Runde hätten eh<br />
schon alles gesagt. Sie erleben, dass alle <strong>Männer</strong> gleichwertig<br />
und gleich wichtig sind. Denn wer den Redestock hat, bekommt<br />
ungeteilte Aufmerksamkeit.“ Diskussionen seien in einer derartigen<br />
<strong>Männer</strong>runde fehl am Platz. Ebenso wie Belehrungen einzelner,<br />
die sich im Gespräch besser als andere hervortun können.<br />
„<strong>Männer</strong> erleben sowas im normalen Alltag nicht. Da<br />
müssen sie sich behaupten, sind aufs Siegen aus. Im Redekreis<br />
können sie das Verborgene als Gabe für die anderen einbringen.“<br />
Dazu gehöre natürlich eine gewisse Vertrautheit und zuallererst<br />
die Bereitschaft, sich so eine Runde einmal anzuschauen.<br />
Als Paar ist es wichtig, sich bewusst Zeit zu zweit<br />
zu nehmen, gerade wenn Arbeit, Kinder oder<br />
andere wichtige Lebensaufgaben im Mittelpunkt<br />
stehen: Zeit zum Nichts-Tun, zum gemeinsamen<br />
Kaffee-Trinken, zum Spazierengehen, zum<br />
Kuscheln, für die Sexualität, Zeit für gemeinsame<br />
Freunde. Kleine Überraschungen für die<br />
Partnerin, den Partner zwischendurch können<br />
immer wieder das Prickeln der Anfangszeit<br />
zurückbringen. Nicht alltägliche Aktivitäten,<br />
wie z. B. eine Sonnenaufgangswanderung auf den<br />
Berg, bleiben ewig in Erinnerung.<br />
Gerade wenn das Leben besonders „dicht“ ist,<br />
tut es gut, bewusst und regelmäßig Zeit als Paar<br />
zu verbringen, alles andere stehen und liegen<br />
zu lassen und einen Babysitter für die Kinder<br />
zu organisieren. So kann das Gefühl wachsen:<br />
„Du nimmst mich wichtig!“, „Ich bin geliebt!“.<br />
Eine wichtige Kraftquelle in einer Paarbeziehung<br />
ist auch eine konstruktive Streitkultur.<br />
Das funktioniert,<br />
1 wenn jede/r seine/ihre Bedürfnisse kennt<br />
und sagen kann, was er/sie braucht;<br />
1 wenn jede/r auf seine/ihre Stimmung achtet<br />
und sich selbst so weit beruhigt, dass gut<br />
diskutiert werden kann;<br />
1 wenn es beiden wichtig ist, dass eine<br />
gemeinsame Lösung gefunden wird;<br />
1 wenn beide nachgeben können und darauf<br />
verzichten, sich um jeden Preis durchzusetzen.<br />
Jeder gelöste Konflikt bringt dem Paar frische<br />
Energie. Es entsteht das Gefühl: „Uns kann nichts<br />
umwerfen. Wir sind ein starkes Team“.<br />
Und schließlich ist es wichtig, dass jede/r ihr/sein<br />
eigenes Leben wichtig nimmt und für sich selbst<br />
sorgen kann: den eigenen beruflichen Weg sucht,<br />
die eigenen Freundschaften pflegt, die Möglichkeit<br />
hat, sich zu entspannen. Wenn jede/r Partner/<br />
in Zugang zu den eigenen Kraftquellen hat,<br />
können beide Kraft in die Beziehung einbringen.<br />
So entsteht das Gefühl: „Du tust mir gut!“.<br />
Mag. a Andrea Holzer-Breid<br />
Referentin für Bildung<br />
bei BEZIEHUNGLEBEN.AT,<br />
Dipl. Ehe-, Familien- und<br />
Lebensberaterin, Trainerin<br />
für Paarkommunikation
SCHWERPUNKT<br />
Ich habe in meiner Krise gedacht, ich<br />
bin der einzige, der sich verlassen fühlt,<br />
Im Redekreis hatte ich ein Aha-Erlebnis:<br />
Ich bin nicht allein.<br />
christoph enzinger<br />
Die meisten <strong>Männer</strong>, so Enzingers Erfahrung, könnten sich darunter<br />
kaum etwas vorstellen. Die beiden Runden, an denen er<br />
regelmäßig teilnimmt, seien deshalb auch eher klein. „Wir sind<br />
zwischen sechs und acht Leute, in der anderen Runde manchmal<br />
nur vier.“ Für das Gelingen des Redekreises sei das kein Hindernis.<br />
Mehr Teilnehmer fände er dennoch gut. Denn: „Ich denke,<br />
dass jeder davon profitieren würde, auch wenn es zuerst<br />
etwas Überwindung braucht.“<br />
Überwindung und mitunter auch Durchsetzungskraft der eigenen<br />
Partnerin gegenüber, findet Enzinger, der Mitautor des Buches<br />
„Kraftstoff. Was <strong>Männer</strong> stärkt“ ist. Viele <strong>Männer</strong> würden<br />
sich nicht trauen, einen weiteren freien Abend ihren Frauen<br />
gegenüber einzufordern. Für Enzinger hat das auch mit Männlichkeit<br />
und männlicher Kraft zu tun: „Es ist wichtig, Position zu<br />
beziehen, auch mal Widerstand zu leisten. Wenn man als Mann<br />
immer zurückweicht, ist das völlig falsch.“ Letztlich würde auch<br />
die Frau davon profitieren, wenn ihr Mann seine Freiräume<br />
dazu nutzt, neue Kraft zu tanken.<br />
Die eigenen Grenzen austesten<br />
Probleme mit seiner Frau hatte der Tiroler Toni Falch diesbezüglich<br />
nie. Berge, Natur, körperliche Bewegung erlebt der 80-Jährige<br />
seit über fünfzig Jahren meistens zusammen mit ihr. Fünfbis<br />
sechsmal im Monat ist das Ehepaar Falch in den Bergen nahe<br />
seinem Heimatort in Rum bei Innsbruck unterwegs. „Fünf Stunden<br />
Gehzeit sind für uns normal. Wir sind immer schon gewandert,<br />
auch mit den Kindern. Im Winter gehen wir Skitouren. Die<br />
mache ich jetzt oft mit meiner Tochter.“ Das Erleben der Natur<br />
gebe ihm viel und habe ihn stets mit Gott verbunden. „Für mich<br />
war es undenkbar, dass diese Fülle an Schönheit nicht von jemandem<br />
erschaffen worden ist. Das hat mich zu einer großen<br />
Dankbarkeit dem Schöpfer gegenüber geführt“, sagt der ehemalige<br />
Lehrer.<br />
Er spüre zwar, dass die körperliche Kraft im Alter nachgelassen<br />
habe, aber „das beunruhigt mich nicht. Ich habe so viele schöne<br />
Sachen erlebt, einmal kommt eben der Zeitpunkt, wo es nicht<br />
mehr so geht.“ In jüngeren Jahren war das anders, da habe ihn<br />
schon öfter der Ehrgeiz gepackt, erzählt Falch. So wie damals an<br />
der Hochfeiler Nordwand, deren Besteigung er mit Freunden<br />
wegen Schlechtwetters zunächst hatte abbrechen müssen. „Zwei<br />
Wochen drauf haben wir es wieder probiert und geschafft.“ Die<br />
eigenen Grenzen austesten und auch mal überschreiten, das<br />
habe ihn oft befriedigt. „Ich hab‘ mich gefordert. Es hat mich<br />
gefreut, wenn ich mein Ziel erreicht habe und wenn ich gemerkt<br />
habe, dass die Leistungsfähigkeit noch da ist.“<br />
Dass Naturerlebnisse wie jene von Toni Falch sich positiv auf<br />
Körper und Seele auswirken, scheint naheliegend und ist Gegenstand<br />
vieler Untersuchungen. Der US-amerikanische Sozialbiologe<br />
Edward O. Wilson beispielsweise formulierte eine Hypothese,<br />
in der er dem Menschen aus evolutionsbiologischer Sicht<br />
eine angeborene emotionale Verbindung mit der Natur zuschreibt.<br />
Diese nennt er Biophilie. Wer, so Wilson, die Natur aufmerksam<br />
beobachtet, hätte in der Menschheitsgeschichte stets<br />
einen Vorteil gehabt. Die positiven Auswirkungen von Naturerleben<br />
seien deswegen auch heute noch spürbar.<br />
8 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
GOTT BEWEGT<br />
Kann mir Religion<br />
gestohlen bleiben?<br />
Fotos: Privat (2); Josh Hild; Tyrolia Verlag<br />
Für viele <strong>Männer</strong> sind – so wie für Toni Falch – Bewegung und<br />
Sport eine relevante Kraftquelle, bestätigt Pajonk. Abgesehen<br />
von den positiven Effekten auf die physische Gesundheit sei<br />
Sport eine „völlig unverdächtige Art und Weise seine persönlichen<br />
Grenzen auszutesten und zu erweitern“. Und das sei vielen<br />
<strong>Männer</strong>n schon von klein auf ein Bedürfnis. „Man sieht das<br />
schon bei kleinen Jungs, die diesen Wettbewerbsgedanken in<br />
sich tragen. Sie treten in einen Wettkampf mit anderen, aber<br />
auch mit sich selbst. Für den Selbstwert und das Selbstwirksamkeitsgefühl<br />
ist es zentral zu wissen: ‚Ich schaffe noch mehr‘.“<br />
Und die Familie?<br />
Bleibt zum Schluss noch die Frage, inwieweit die eigene Familie<br />
– sofern man eine gegründet hat – Kraftquelle oder eher Krafträuberin<br />
ist. Die wird durchaus unterschiedlich beantwortet.<br />
Für Toni Falch – verheiratet seit 52 Jahren – ist die Sache klar:<br />
„Meine Frau und meine drei Kinder haben mir immer Kraft gegeben.“<br />
Für Christoph Enzinger ist es nicht so eindeutig: „Es gehört<br />
zum guten Ton, zu sagen, dass die Familie Kraft gibt. Ich<br />
würde sagen, sie ist zugleich Belastung wie auch Bereicherung.“<br />
Aus Expertensicht fällt die Antwort ebenfalls differenziert aus.<br />
„Natürlich ist es ein wesentliches Gefühl, in ein Zuhause zurückkommen<br />
zu können. Es ist schön, wenn sich kleine Arme und<br />
Beine an einen schmiegen. Auch das Gefühl der Verbundenheit<br />
mit der eigenen Partnerin gibt definitiv Kraft“, sagt Pajonk. Der<br />
Lärm, den kleine Kinder machen, die Sorgen und der Stress, den<br />
familiäre Beziehungen auslösen können, seien aber auch belastend.<br />
„Davon braucht jeder mal eine Auszeit“, sagt Pajonk. Und<br />
die dürfe man sich ohne schlechtes Gewissen immer wieder<br />
nehmen.<br />
buchtipp<br />
Kraftstoff. Was <strong>Männer</strong> stärkt<br />
Franz Kogler und Wolfgang Schönleitner<br />
haben ein spirituelles Praxisbuch<br />
von <strong>Männer</strong>n für <strong>Männer</strong> zusammengestellt.<br />
Die Autoren der kurzen Texte reflektieren<br />
praxisnah über Beziehungen,<br />
Sexualität, Aggression, Arbeitswelt,<br />
Sinnsuche, Glaube u. v. a. Kraftstoff<br />
für den nicht immer ganz einfachen<br />
<strong>Männer</strong>alltag.<br />
Tyrolia-Verlag, ISBN 978-3-7022-3790-5, 14,95 €.<br />
Das Erleben von Höhen und Tiefen sind Bestandteile<br />
des Menschseins. Der Mensch hat<br />
zwar gelernt, sich vielen Situationen anzupassen<br />
und damit leben zu können. So fand der Mensch<br />
unter anderem auch Hilfe in der Religion.<br />
In der Frühzeit der Menschheitsgeschichte<br />
betrachtete man die Götter als Verursacher von<br />
Gut und Böse. Aus Angst vor Unheil und Ähnlichem<br />
versuchte man sie „günstig“ zu stimmen.<br />
So wollte man Unheil und Not abwenden bzw.<br />
einen günstigen Ausgang von Unternehmungen<br />
erwirken. Die Methoden dazu waren vielfältig,<br />
bis hin zu Menschenopfern.<br />
Im Laufe der Zeit lernte der Mensch, sich „geistig<br />
zu schützen“, um dem Gefühl des Ausgeliefertseins<br />
und der Hilflosigkeit und damit der Angst zu<br />
entgehen. Es entstanden Rituale, Traditionen,<br />
Wertsysteme und religiöse Institutionen bis hin zu<br />
bestimmten religiösen Funktionen wie z. B. die<br />
Tätigkeit eines Priesters. Der Mensch wandte sich<br />
immer zuerst spontan an jene „Quelle“, die zuerst<br />
Trost, Fürsorge und Schutz bot.<br />
Die christliche Botschaft wirkt genau in diese<br />
Richtung als Trost- und Kraftquelle. Es gibt einen<br />
liebenden Gott, den Jesus als „Vater“ darstellt und<br />
der das Gute für den Menschen will. Der Versager<br />
wird nicht verurteilt, sondern es wird ihm<br />
vergeben. „Geh hin und sündige nicht mehr!“,<br />
sagt Jesus z. B. zur sogenannten Sünderin.<br />
Hilfe für ein gelingendes Leben wird durch viele<br />
„Lebensregeln“ unterstützt, wie beispielsweise<br />
die „Zehn Gebote“ oder die „Goldene Regel“ Jesu<br />
(„Alles was ihr von den anderen erwartet, das<br />
tut auch für sie“). Auch bei größten Verfehlungen<br />
gibt es nach Einsicht Vergebung (vgl. Schächer<br />
am Kreuz). Es wird niemand wegen seiner Art<br />
ausgeschlossen oder abgelehnt, wie etwa Zachäus.<br />
Eigentlich doch eine großartige Sache. Oder?<br />
Gutes „Auftanken“!<br />
KR Mag. Erich Hitz<br />
Geistlicher Assistent der<br />
KMB St. Pölten<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 9
Meine Kraftquelle<br />
Eine wichtige Kraftquelle für mich ist neben der Familie der Sport und da vor allem<br />
der Triathlon. Zwei Langdistanzen (davon einen Ironman) habe ich schon absolviert.<br />
Die Balance und Abstimmung zwischen Schwimmen (3,8 km), Radfahren (180 km) und<br />
Laufen (42,2 km) finde ich beim Training und vor allem beim Wettkampf herausfordernd<br />
und unbeschreiblich schön. Durch diesen Sport finde ich einen guten und erdenden<br />
Ausgleich zu meinem Beruf. Die intensive Körpererfahrung ist eine wichtige Quelle<br />
meiner Spiritualität.<br />
Helmut Eder, Obdachlosenseelsorger und Pfarrassistent<br />
Meine Kraftquelle ist der gegebene<br />
Augenblick. Wenn ich im Jetzt ganz gegenwärtig<br />
und vertrauensvoll offen bin, dann fließt<br />
mir aus dem großen Geheimnis des Lebens –<br />
ich kann es auch Gott nennen – alle Kraft, die<br />
ich brauche, liebend entgegen.<br />
Bruder David Steindl-Rast OSB, Benediktiner-Mönch und Autor<br />
Die Quelle, die mir Kraft gibt, ist meine Arbeit, meine selbst<br />
gestellte, permanente Herausforderung: Ich möchte viele Menschen<br />
nach dem Ende ihrer Berufstätigkeit von ihren Chancen<br />
überzeugen. Nach dem Beruf und vor dem Ruhestand – „Freitätigkeit“<br />
– haben wir in der Regel noch 20 Jahre, die wir<br />
nützen könn(t)en. Mit dieser Aufgabe und meinem Unternehmen<br />
„Seniors4success.at“ bin ich voll gefordert, wobei ich<br />
bestimme, wie viel ich mache. Natürlich gibt es dazu für mich<br />
noch zwei Kraftquellen: meine Familie und mein Glaube.<br />
Leopold Stieger, Berater, Autor<br />
Für die Musik ist leicht, was<br />
Worte nicht zu sagen vermögen:<br />
Sie beglückt in Stunden der<br />
Freude, sie tröstet in Stunden des<br />
Schmerzes… und dabei enthüllt<br />
sie doch nie ihr letztes Geheimnis.<br />
Als Musiker im Allgemeinen,<br />
als Organist im Besonderen darf<br />
ich aus dieser geheimnisvollen,<br />
nie versiegenden Quelle schöpfen<br />
und beim Improvisieren und<br />
Komponieren meine innersten<br />
Empfindungen mit Händen, Herz<br />
und Füßen nach außen tragen.<br />
Wolfgang Kreuzhuber, Organist<br />
Fotos: event.fairplayfoto.net; Diego Ortiz Mugica; Reinhard Winkler; Privat(2); Sonnentor; Volker Weihbold; Manfred Weis<br />
10 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
Gesundheit, Genuss und ein gutes Gewissen<br />
sind genauso die Basis meiner Philosophie<br />
wie das Motto „Leben und leben lassen“ –<br />
all das erdet mich. Die wichtigste<br />
Kraftquelle ist für mich meine Familie.<br />
Johannes Gutmann, Bio-Unternehmer<br />
Meine Kraftquelle sind in erster Linie<br />
meine Familie und meine Freunde.<br />
Gespräche und Begegnungen brauche ich<br />
als Ausgleich zu meinem Beruf.<br />
Aber eigentlich ist die Bühne für mich<br />
auch eine Kraftquelle. Das ist zwar meine<br />
Arbeit, aber da bekomme ich so viel<br />
zurück an Anerkennung und Bestätigung.<br />
Weiters ist das Schreiben für mich wichtig.<br />
Eigentlich eine Art Meditation. Ich reflektiere<br />
die Gesellschaft, mein Leben und<br />
mein Umfeld. Badminton und Jonglieren<br />
würde ich auch noch dazunehmen.<br />
Günther Lainer, Kabarettist<br />
Wir sitzen den ganzen Tag.<br />
Am Schreibtisch, im Auto, vor dem<br />
Fernseher. Ohne Bewegung geht<br />
uns die Kraft aus, wir verlieren<br />
unser natürliches Körpergefühl,<br />
die biologische Basis unserer<br />
Identität und die Lebenslust.<br />
Ich habe mich bei den Tieren umgeschaut<br />
und eine faszinierende<br />
Bewegungswelt entdeckt. Daraus<br />
habe ich zwölf hochwirksame<br />
Übungen kreiert. In Kürze<br />
nachzulesen in meinem neuen Kraftquellenbüchlein<br />
„Die 12 Tiroler“.<br />
Toni Innauer, Skispringer, Coach, Autor<br />
(Vorbestellungen unter https://csv.at)<br />
Was mein Leben froh macht<br />
und stärkt: Lobpreis und<br />
Dankbarkeit. Jeder Tag beginnt<br />
mit einem Lobpreis.<br />
Ich freue mich über die Herrlichkeit<br />
der Schöpfung. Ich<br />
genieße den Blick auf meine<br />
Blumenwiese, unseren Ort<br />
und das Zwitschern der Vögel.<br />
Tiefe Dankbarkeit für dieses<br />
Leben erfüllt mich. Ich sehe,<br />
dass die meisten Menschen sich bemühen, ihre<br />
Aufgaben gut zu erledigen. Warmherzige Freundlichkeit<br />
im Umgang miteinander schafft ein<br />
gutes Klima. Am Abend gebe ich mein Leben in<br />
Gottes Hand, erfüllt von Dankbarkeit für all<br />
das Gute und Schöne des Tages.<br />
Walter Fenninger<br />
Träger des Goldenen Ehrenzeichens der KMB<br />
mit Enkerl Christoph<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 11
Wenn die Kraft<br />
Irgendwann fehlt die Kraft: Burnout ist ein Zustand ausgeprägter<br />
körperlicher und emotionaler Erschöpfung, Betroffene verlieren<br />
den Halt im Leben und ihre innere Ruhe. Burnout ist keine Schwäche,<br />
sondern eine ernstzunehmende Krankheit.<br />
Manuel Simbürger<br />
Können Sie sich noch erinnern? Es war Ende September 2012,<br />
als Gesundheitsminister Rudi Anschober, damals noch Landesrat<br />
und Landessprecher der oberösterreichischen Grünen, der<br />
Öffentlichkeit überraschend mitteilte, er würde sich eine dreimonatige<br />
Auszeit von der Politik nehmen. Was war geschehen?<br />
Einige Monate zuvor begannen bei Anschober aus heiterem<br />
Himmel Schlafprobleme, bald darauf hatte er zusätzlich mit<br />
quälenden Schmerzen in der Halswirbelsäule zu kämpfen. Die<br />
unerwartete Diagnose: Burnout auf höchster Stufe! Eigentlich<br />
kein Wunder, damals arbeitete Anschober über Jahre hinweg<br />
zwischen 80 und 100 Stunden in der Woche – er habe seinen<br />
„Kräftehaushalt überstrapaziert“, wie es in der damaligen Presseaussendung<br />
hieß. Die Therapie, die ihm verordnet wurde: absoluter<br />
Rückzug. Kein Handy, kein Internet, keine Nachrichten,<br />
keine Zeitung, auch der Kontakt mit dem Büro war verboten.<br />
Stattdessen: lange Spaziergänge mit dem Hund, ausreichend<br />
Schlaf, Psychotherapie, Qigong, ausführliche Gespräche mit<br />
der Lebenspartnerin. Die Erschöpfung empfand Anschober als<br />
Ausnahmezustand, wie er in einem Interview mit den OÖNachrichten<br />
offen zugibt: „Es war die schwerste Zeit meines Lebens<br />
– geprägt von Ängsten, Zweifeln und Schmerzen.“<br />
Aus dem Gleichgewicht<br />
2012 war noch eine Zeit, in der Burnout zwar in aller Munde war,<br />
von vielen jedoch abschätzig als Modewort belächelt wurde.<br />
Heute sieht vieles anders aus. Der ICD (das wichtigste und<br />
weltweit anerkannte Klassifikationssystem für medizinische<br />
Diagnosen) listet seit rund einem Jahr Burnout als eigenständige<br />
Krankheit. In Fachkreisen wird das akute Erschöpfungssyndrom<br />
genauso ernst genommen wie andere psychische Erkrankungen,<br />
die gesellschaftliche Akzeptanz ist gestiegen. Die Dunkelziffer<br />
betroffener <strong>Männer</strong> mag immer noch recht hoch sein, gibt<br />
Günter Niederhuber, Burnout-Coach aus Wien, zu: „Wahrscheinlich,<br />
weil <strong>Männer</strong> sich schwerer tun als Frauen, sich<br />
einzugestehen, dass sie Hilfe brauchen. Zudem sind sie oftmals<br />
weniger reflektiert.“ Auch dass Burnout leider nach wie vor<br />
nicht selten mit Schwäche und Versagen gleichgesetzt wird,<br />
dürfte hier eine Rolle spielen. Trotzdem sprechen <strong>Männer</strong> „heute<br />
bereits viel offener über Burnout als noch vor einigen Jahren“,<br />
so Niederhuber. Nicht zuletzt die Coronakrise hat Burnout<br />
wieder aktuell(er) gemacht: „Seit dem Lockdown suchen sehr<br />
12 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
verloren geht<br />
viele Menschen bei mir Hilfe und Unterstützung. Während<br />
dieser Monate hatte man Zeit zum Reflektieren und man erkannte,<br />
dass man in seinem Leben etwas ändern will oder sogar<br />
muss.“ Klar, auch eine plötzlich unsichere berufliche Zukunft<br />
„löst massiven Stress und Angst aus, bis zur Lähmung“, betont<br />
Niederhuber, ebenso werde die Maskenpflicht für viele als<br />
belastend empfunden.<br />
Burnout hat bei weitem<br />
nicht ausschließlich Ursachen,<br />
die im beruflichen Umfeld<br />
zu finden sind.<br />
Burnout kann jeden treffen<br />
Die Krankheit selbst hat sich freilich über die Jahre hinweg nur<br />
geringfügig verändert. Niederhuber bezeichnet Burnout als<br />
„körperlichen, geistigen und emotionalen Erschöpfungszustand“,<br />
der weit über das normale Gefühl des Müde- und Abgeschlagen-Seins<br />
hinausgeht. Prinzipiell gilt: Burnout kann jeden<br />
treffen! <strong>Männer</strong> und Frauen, Jung und Alt, Ärzte, Manager, Arbeiter,<br />
Pensionisten oder arbeitslose Menschen. „Burnout hat<br />
bei weitem nicht ausschließlich Ursachen, die im beruflichen<br />
Umfeld zu finden sind“, betont Niederhuber. Zu viele (belastende)<br />
Verpflichtungen im Familien- und Freundeskreis, finanzielle<br />
Sorgen, Probleme in der Partnerschaft, die Angst, etwas zu verpassen<br />
und überall dabei sein zu müssen, oder die Pflege eines<br />
kranken Angehörigen können schnell zu den eigenen persönlichen<br />
Grenzen führen. „Burnout bekommt man nicht geschenkt,<br />
man muss schon etwas machen dafür“, so Niederhuber mit<br />
einem Augenzwinkern.<br />
Foto: Kyle Glenn<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 13
Was allen Betroffenen gemein ist,<br />
ist der schleichende Beginn<br />
mit Vorzeichen, die oftmals übersehen<br />
oder ignoriert werden.<br />
Langer Prozess<br />
Natürlich: Nicht jeder, der belastenden Stresssituationen ausgesetzt<br />
ist, rutscht in ein Burnout. „Im Grunde geht es immer um<br />
die Balance von An- und Entspannung. Wenn diese nicht mehr<br />
gegeben ist, wird es gefährlich.“ Besonders gefährdet sind laut<br />
Niederhuber Personen mit mangelndem Selbstwert, leistungsorientierte<br />
Menschen sowie Menschen mit einem „überzogenen<br />
Harmoniebedürfnis, was sich meist durch ein Nicht-Nein-Sagen-Können<br />
äußert“. Auch Perfektionisten, Kontrollfreaks oder<br />
Menschen mit einer sehr ausgeprägten Fähigkeit zur Empathie<br />
weisen eine erhöhte Gefahr auszubrennen auf. Wie sich Burnout<br />
zeigt, ist höchst individuell. „Insgesamt werden der Krankheit<br />
142 Symptome zugeordnet“, gibt Niederhuber zu bedenken.<br />
Was jedoch allen Betroffenen gemein ist, ist „der schleichende<br />
Beginn mit Vorzeichen, die oftmals übersehen oder ignoriert<br />
werden. Burnout beginnt niemals plötzlich, sondern geht stets<br />
mit einem monate- oder jahrelangen Prozess des Ausbrennens<br />
einher.“ Experten sprechen von unterschiedlichen Burnout-Stufenmodellen.<br />
Zusammengefasst stellt sich der Verlauf wie folgt<br />
dar:<br />
Stufe 1<br />
Ausschlaggebend ist ein idealistisches Überengagement und besonderer<br />
Leistungswille. Niederhuber: „Man ist begeistert von<br />
einer Sache und stürzt sich in eben diese mit aller Kraft und Leidenschaft.“<br />
Auch Angst, beispielsweise vor der Kündigung oder<br />
sonstigen negativen Konsequenzen, kann dahinterstecken.<br />
„Man will es allen, aber auch sich selbst recht machen. Das kann<br />
zu Kontrollzwang führen.“ Allmählich beginnt man, seine eigenen<br />
Bedürfnisse mehr und mehr zu vernachlässigen, sie gar<br />
nicht mehr wahrzunehmen. „Das erste Warnsignal ist, wenn es<br />
einem nicht mehr gelingt, abzuschalten“, beschreibt der Burnout-Coach.<br />
Unruhe und Rastlosigkeit stehen im Vordergrund.<br />
Anschober formulierte es 2012 so: „Ausbrennen kann nur, wer<br />
davor für etwas gebrannt hat.<br />
Stufe 2<br />
Die hohen Erwartungen an sich und andere werden immer höher.<br />
„Werden diese nicht erfüllt, strengt man sich noch mehr an<br />
– und ein Teufelskreis entsteht.“ Bleibt die erhoffte Belohnung<br />
oder Anerkennung aus, setzen Frustration und die ersten Ermüdungserscheinungen<br />
ein: „Die Betroffenen sind die meiste Zeit<br />
in einer aggressiven und gereizten Stimmung, das Umfeld wird<br />
als anstrengend empfunden.“ Erste psychosomatische Beschwerden<br />
wie Magen- und Darmprobleme, Schlafstörungen,<br />
Potenzprobleme oder Kopfschmerzen können auftreten.<br />
Stufe 3<br />
Verminderte Leistungsfähigkeit und Kreativität sind festzustellen,<br />
man beginnt, sich emotional abzugrenzen, die Betroffenen<br />
stumpfen innerlich ab. In der ausgeübten Tätigkeit wird kein<br />
Sinn mehr gesehen. Niederhuber: „Dies geht mit einem starken<br />
Gefühl von permanenter diffuser Angst einher, zum Beispiel auf<br />
dem Weg zur Arbeit oder wenn ein Familienbesuch bevorsteht.<br />
Die Betroffenen reagieren nach und nach mit sozialem Rückzug,<br />
auch die Flucht in Medikamente, Alkohol, Nikotin oder Drogen<br />
ist nicht selten.“ Man fühlt sich immer mehr ausgelaugt.<br />
14 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
uchtipp<br />
Die brennenden Hamster<br />
Axel Berger und Thorsten Thews begeben<br />
sich auf eine (Geschäfts-)Reise in<br />
den Burnout und wieder hinaus. Das<br />
Buch ist ein Erlebnisbericht und Ratgeber<br />
mit Beispielen aus der Praxis und<br />
nützlichen Tipps, wie Sie aus dem „verbrennenden<br />
Hamsterrad“ entkommen<br />
können, und zeigt, dass das Streben<br />
nach persönlichem Erfolg keineswegs<br />
im Fiasko enden muss.<br />
Schardt Verlag, ISBN 978-3-89841-985-7.<br />
Wege aus dem Burnout<br />
Stufe 4<br />
Das Burnout ist in vollem Umfang ausgebrochen, es kommt zu<br />
einem „kompletten Stillstand“, beschreibt Niederhuber, der<br />
selbst ein Burnout hinter sich hat. „Dieser wird als plötzlich eintretend<br />
empfunden und zeigt sich auf verschiedenste Arten und<br />
in unterschiedlicher Intensität, beispielsweise durch Panikattacken,<br />
emotionale Lähmungen oder starke körperliche Schmerzen.“<br />
Betroffene berichten zum Beispiel davon, plötzlich nicht<br />
mehr an der roten Ampel aufs Gas steigen zu können und regungslos<br />
im Auto zu verharren. „Bei einem Burnout wird die<br />
kleinste Aufgabe, beispielsweise zum Supermarkt zu gehen oder<br />
zu telefonieren, zu einem immensen Kraft- und Gewaltakt.“ Ein<br />
bekannter Schlüsselsatz: „Ich kann nicht mehr!“ Betroffene<br />
empfinden oft Schuld- und Hilflosigkeitsgefühle sowie depressive<br />
Verstimmungen.<br />
Burnout-Experte Günter Niederhuber gibt Tipps<br />
zur Bewältigung und Prävention von Burnout:<br />
1 Reflektieren Sie, welche Ursachen Ihrem Burnout<br />
zugrunde liegen.<br />
1 Beginnen Sie einen innerlichen Veränderungsprozess<br />
und eignen Sie sich ein neues Verhaltensmuster an: Es ist okay,<br />
nein zu sagen! Delegieren bedeutet nicht Schwäche! Perfektionismus<br />
sind Erwartungshaltungen, die nicht erfüllt werden<br />
können! Und: Ein gesunder Egoismus ist nicht verwerflich!<br />
1 Gestalten Sie Ihren Alltag ausschließlich mit den Dingen,<br />
die Ihnen guttun!<br />
1 Entspannungsübungen wie Yoga oder Progressive<br />
Muskelentspannung helfen, loszulassen und den eigenen<br />
Körper (neu) wahrzunehmen.<br />
Foto: Privat<br />
Wachsendes Gras<br />
Besonders in der letzten Stufe ist eine Abgrenzung zur Depression<br />
oft schwierig. Prinzipiell kann ein Burnout in eine Depression<br />
übergehen oder auch infolge einer Depression entstehen.<br />
„Der entscheidende Unterschied ist, dass sich bei Burnout die<br />
negativen Gefühle auf Leistung und Tätigkeiten, nicht auf alle<br />
Lebensbereiche beziehen“, erklärt der Experte. „Lebensfreude<br />
und Überlebenswille sind nach wie vor vorhanden.“ Während<br />
eine Depression kontextfrei diagnostiziert werden kann, ist<br />
beim Burnout immer die Ursache, nämlich chronische Überforderung,<br />
ausschlaggebend. Der Hausarzt als erster Ansprechpartner<br />
wird gegebenenfalls zu einem Psychologen oder Burnout-Coach<br />
überweisen. „Zuerst müssen aber stets organische<br />
Ursachen für die Beschwerden ausgeschlossen werden!“ Ein<br />
Burnout kann bis zu zwölf Monate dauern, der Weg in die (Arbeits-)Normalität<br />
sollte bestenfalls schrittweise erfolgen. So hat<br />
es auch Rudi Anschober gemacht, der Jahre nach seinem Burnout<br />
das Land durch die stressige Coronakrise geleitet hat. Vieles<br />
macht er heute anders als früher. In einem Interview mit der<br />
Kronen Zeitung formulierte er es so: „Ich habe gelernt, dass das<br />
Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht.“<br />
1 Kommunizieren Sie klar Ihre aktuelle Lage und betonen<br />
Sie, dass Burnout eine ernstzunehmende Krankheit ist!<br />
Präventiv gilt:<br />
1 Legen Sie regelmäßige Pausen während Ihrer Arbeit ein.<br />
1 Nehmen Sie sich bewusst Auszeiten, zum Beispiel<br />
mit Familie und Freunden. Gehen Sie Ihrem Hobby<br />
regelmäßig nach!<br />
1 Achten Sie auf geregelte (gesunde!) Mahlzeiten und<br />
ausreichend Schlaf.<br />
1 Betreiben Sie regelmäßig Sport und bewegen Sie sich<br />
im Alltag ausreichend.<br />
1 Ändern Sie gegebenenfalls Ihre Lebensumstände.<br />
Gestehen Sie Stress ein, nehmen Sie Hilfe an und fragen Sie<br />
sich: Welche Bedürfnisse sind mir wichtig im Leben?<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 15
Schafe, nicht Hirten!<br />
Keine kollegiale Leitung von Pfarren<br />
christian brandstätter<br />
Der Vatikan hat am 20. Juli <strong>2020</strong> unter dem Titel „Die pastorale<br />
Umkehr“ neue Instruktionen zur Zukunft der Pfarrgemeinden<br />
veröffentlicht. Die Kleruskongregation erteilt darin einer<br />
kollegialen Leitung oder der Leitung durch Laien eine Absage.<br />
„Als ich das Dokument zu lesen begann, war ich zunächst<br />
begeistert“, erzählt Andreas Maria Jakober, Geistlicher Assistent<br />
der KMB Österreich. „Begriffe aus den Dekreten des 2. Vatikanischen<br />
Konzils, Aussagen der Päpste Paul VI, Johannes Paul II<br />
und Franziskus ergeben mit einem analytischen Blick auf die<br />
heutige Situation in Kirche und Gesellschaft ein ermutigendes<br />
Skriptum.“<br />
Unter anderem ist zu lesen, dass „die Pfarrgemeinde dazu<br />
aufgerufen ist, eine echte und eigene Kunst der Nähe zu entwickeln“<br />
und „Vorgehensweisen und Modelle sind zu fördern,<br />
durch die alle Getauften kraft der Gabe des Heiligen Geistes<br />
und der empfangenen Charismen sich aktiv einbringen“.<br />
Weiters sei es „notwendig, sowohl eine Konzeption der Pfarrei,<br />
die auf sich selbst bezogen ist, als auch eine Klerikalisierung<br />
der Pastoral zu überwinden“.<br />
Zu lesen ist von einer „Einladung an die Pfarrgemeinden, sich<br />
zu öffnen, uns Instrumente für eine auch strukturelle Reform<br />
anzubieten, die sich […] an einem neuen Stil der Zusammenarbeit,<br />
der Begegnung, der Nähe, der Barmherzigkeit und der<br />
Sorge für die Verkündigung des Evangeliums orientiert“.<br />
Weiters steht geschrieben: „Die Erneuerung der Evangelisierung<br />
bedarf neuer Achtsamkeit und passender Initiativen<br />
verschiedener Art, damit das Wort Gottes und die Sakramente<br />
alle in einer Weise erreichen, die der jeweiligen Lebenssituation<br />
der Menschen entspricht. […] Es wird die Aufgabe<br />
der Hirten sein, diese Dynamik zu erhalten, damit alle<br />
Getauften entdecken, dass sie aktive Protagonisten der<br />
Evangelisierung sind.“<br />
16 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
Wie aus einem anderen Dokument<br />
Foto: iStock/pastorscott; Privat (2)<br />
Im zweiten Teil des Schreibens werden die Vorschläge der<br />
pastoralen Umkehr der Pfarrgemeinde dann konkret. „Ich war<br />
fassungslos und dachte zuerst, ich lese in einem anderen<br />
Dokument weiter“, erzählt Jakober. Kern der Botschaft ist,<br />
dass die Leitung in allen Belangen beim Pfarrer bleiben muss.<br />
„Wegen ihres Hirtendienstes sind der Pfarrer und andere<br />
Priester zusammen mit dem Bischof an erster Stelle der<br />
grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde. […] Ein<br />
Gläubiger muss die Priesterweihe empfangen haben, damit<br />
er gültig zum Pfarrer ernannt werden kann. Wer sie nicht hat,<br />
kann, auch nicht im Falle des Priestermangels, weder den<br />
Titel noch die entsprechenden Funktionen erhalten. […] Der<br />
Pfarrer […] vertritt von Rechts wegen die Pfarrei bei allen<br />
Rechtsgeschäften. Er ist der verantwortliche Verwalter des<br />
pfarrlichen Vermögens.“<br />
Darüber hinaus soll darauf geachtet werden, den „wesentlichen<br />
Unterschied zwischen dem allgemeinen und dem besonderen<br />
Priestertum nicht zu verdunkeln“, indem „die Dienste der<br />
Diakone, Gottgeweihten und der Laien, die in der Pfarrei Verantwortung<br />
tragen, nicht mit Titeln wie ‚Pfarrer‘, ‚Ko-Pfarrer‘,<br />
‚Pastor‘, ‚Kaplan‘, ‚Moderator‘, ‚Pfarrverantwortlicher‘ oder<br />
mit anderen ähnlichen Begriffen bezeichnet werden, die das<br />
Recht den Priestern vorbehält, weil sie einen direkten Bezug<br />
zu deren Dienstprofil haben“.<br />
Jakober wusste beim Lesen des Dokuments plötzlich nicht<br />
mehr, was da vor sich geht: „Bin ich verwirrt oder sind es die<br />
Autoren des Schreibens? Habe ich eine verkehrte Definition von<br />
Beweglichkeit oder stimmt etwas nicht bei den Autoren des<br />
Schreibens?“ Erst mit der Zeit konnte er seine Gemütsregungen<br />
klarer erkennen: „Das erfreute Staunen zu Beginn wurde völlig<br />
zerschlagen und das hat mich wütend zurückgelassen. Ich soll<br />
in eine Schublade gesteckt werden, wie im Käfig eingesperrt.<br />
Ich muss unter Kontrolle gebracht werden, ein Korsett nimmt<br />
die Luft, eine Spirale aus Angst und Ablehnung setzt ein, der<br />
Sog vom Strudel der Abwertung, Entwürdigung zieht mich nach<br />
unten.“<br />
Sakraler Serviceverein<br />
oder Glaubensgemeinschaft?<br />
Für Ernest Theussl, Obmann der KMBÖ, steht die Kirche vor<br />
der Entscheidung, ob sie den Betrieb für sakramentale Serviceleistungen<br />
aufrechterhält oder eine Glaubensgemeinschaft<br />
ausbauen will, die ihren Glauben mit den Ausdrucksmitteln der<br />
Zeit zu formulieren imstande ist. „Wenn wir eine gesunde Basis<br />
der Glaubensvermittlung für die Zukunft herstellen wollen,<br />
dann müssen wir die Leitungsfragen der Pfarrgemeinden neu<br />
überdenken. Geld- und Priestermangel allein dürfen nicht die<br />
Leitlinien stellen. Davon auszugehen, dass durch Gebetsstürme<br />
die Zahl der Priester erhöht werden kann, ist Ausdruck naiver<br />
Gutgläubigkeit. Zuerst geht es darum, dass wir den Glauben an<br />
Jesus Christus und seine Botschaft in der Gesellschaft weiterhin<br />
im öffentlichen Diskurs halten. Die Pfarrgemeinde, sofern man<br />
überhaupt noch eine will, auf eine klerikale Kuppe zuzuspitzen,<br />
entvölkert die Basis, die der Nährboden des Glaubens ist.“<br />
Theussl fragt sich vor allem, welche Konsequenz diese Zuspitzung<br />
in der Praxis hat: „Priester, die wie Staubsaugerverkäufer<br />
durch Seelsorgeräume und Regionen hetzen, ohne menschliche<br />
Nähe zur Pfarrgemeinde und ohne persönliche Ansprache von<br />
den dort lebenden Menschen? Wollen wir das wirklich? Nein,<br />
denn nur die Pfarrgemeinde vor Ort garantiert kontinuierliche<br />
Begegnung und verhindert kurzlebigen Event-Katholizismus.<br />
Wir müssen nicht nur über das Priesterbild nachdenken, nein,<br />
wir müssen auch die Rolle der Laien in den Blick nehmen. Auch<br />
dort wissen wir längst, wohin es gehen sollte, nur dürfen wir<br />
nicht gehen.“<br />
Theussls trauriges Fazit zum Schreiben der Kleruskongregation:<br />
„Mit diesem Dokument ist vielen immer noch in ihrem Glauben<br />
unbeirrbaren Laien ein gutes Stück Mut und Begeisterung genommen<br />
worden.“<br />
Brief an Papst Franziskus<br />
Kommentar von Andreas Maria Jakober,<br />
Geistlicher Assistent der KMBÖ (li) und<br />
Ernest Theussl, Obmann der KMBÖ (re)<br />
zum Schreiben „Die pastorale Umkehr“.<br />
Die Katholische <strong>Männer</strong>bewegung der Diözese Bozen-Brixen/<br />
Südtirol hat bereits am 23. Juli einen offenen Brief an Papst<br />
Franziskus geschrieben (nachzulesen unter www.kmb.it). Im<br />
Schlusswort ist ein Bekenntnis formuliert „Wir als KMB werden<br />
uns auch von so unchristlichen Dokumenten und Forderungen<br />
wie diesen Instruktionen nicht beirren lassen und unseren Weg<br />
der Erneuerung und des Paradigmenwechsels weitergehen.“<br />
„Das festigt mir wieder den Boden unter den Füssen“, sagt<br />
Jakober. „Wir alle sind Getaufte und Schwestern und Brüder;<br />
das Vetorecht des Pfarrers wird für mich auch künftig keine<br />
Bedeutung haben. Nicht das kirchliche Gesetzbuch schenkt<br />
eine lebendige, missionarische Zukunft, sondern das Wort Jesu<br />
Christi.“<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 17
Dem Glauben auf der Spur<br />
„Mich berührt, dass die Theologischen Kurse im Krieg gegründet wurden. In einer Zeit, in der es den<br />
Menschen wirklich schlecht gegangen ist, haben viele gespürt, dass sie auch geistige Nahrung brauchen“,<br />
sagt Kardinal Dr. Christoph Schönborn über die älteste Erwachsenenbildungseinrichtung der römischkatholischen<br />
Kirche in Österreich, die heuer ihr 80-jähriges Bestehen feiert.<br />
CHRISTIAN BRANDSTÄTTER<br />
Seit das erste „Theologische Laienjahr“<br />
1940 in Wien startete, haben zehntausende<br />
Menschen das Bildungsangebot genutzt.<br />
Zu Beginn waren ausschließlich<br />
die pfarrlichen Kernschichten angesprochen,<br />
noch bis in die 1970er Jahre brauchte<br />
man für die Teilnahme ein priesterliches<br />
Empfehlungsschreiben. Mit der Zeit<br />
wurde das Angebot erweitert und man<br />
wollte auch neue Zielgruppen erreichen.<br />
Es sind mittlerweile keinerlei Vorkenntnisse<br />
erforderlich, die Bildungsangebote<br />
richten sich an alle Erwachsenen in und<br />
außerhalb der Kirche – sei es, um sich<br />
ganz persönlich in Glaubensfragen zu<br />
vertiefen, sei es als Vorbereitung für<br />
einen pastoralen Beruf.<br />
Der Gründungsauftrag ist im ersten Petrusbrief<br />
nachzulesen: „Seid stets bereit,<br />
jedem Rede und Antwort zu stehen, der<br />
nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“,<br />
steht im Kapitel 3,15. „Was antworten<br />
wir, wenn wir mit kritischen Fragen<br />
konfrontiert werden? Was sagen wir,<br />
wenn uns Christen die Hexenverbrennungen<br />
vorgeworden werden? Wie führen<br />
wir einen Diskurs zum Thema Dreifaltigkeit,<br />
wenn wir doch nur an einen Gott<br />
glauben? Es geht darum, sprachfähig im<br />
eigenen Glauben zu sein. Unser Angebot<br />
ist ein Beitrag, diesen urkirchlichen Auftrag<br />
erfüllen zu können“, betont Mag.<br />
Erhard Lesacher, Leiter der Theologischen<br />
Kurse.<br />
Dialog auf dem Weg des Glaubens<br />
Wer sich unter dem Kursangebot verstaubte<br />
Informationsveranstaltungen<br />
vorstellt, in denen ein Lehrmeister seinen<br />
Schützlingen Wissen eintrichtert,<br />
der irrt gewaltig. Die theologischen Inhalte<br />
werden in einer dialogischen Form<br />
geboten. „Es geht um die konstruktive<br />
Auseinandersetzung mit der kirchlichen<br />
Lehre – diese kann auch Skepsis und<br />
Zweifel einschließen – und um den<br />
fruchtbaren Austausch. Die Kurse sollen<br />
zum Gespräch mit Angehörigen anderer<br />
christlicher Konfessionen, nichtchristlicher<br />
Religionen und mit Vertretern<br />
zeitgeistiger Strömungen ermutigen“, so<br />
Lesacher weiter.<br />
Die Teilnehmer selbst bringen ihre Erfahrungen<br />
in Glaubensfragen aktiv mit<br />
ein, was mitunter für die Vortragenden<br />
auch eine Herausforderung darstellt.<br />
„Manches muss auch offenbleiben“, sagt<br />
der wissenschaftliche Assistent Mag.<br />
Oliver Achilles. „Manchmal kommen Fragen,<br />
die ich nicht spontan beantworten<br />
kann. Das regt mich an, mir diese Fragen<br />
genauer anzusehen. Lehren ist immer<br />
auch ein Lernen von den Menschen, mit<br />
denen man es zu tun hat.“ Die Kurse als<br />
gemeinsame Suche auf dem Weg des<br />
Glaubens.<br />
Studium light<br />
Generell orientiert sich das theologische<br />
Kursangebot am Fächerkanon der katholischen<br />
Fakultäten in Österreich und<br />
Fotos: Patrick Fore; Gerd Neuhold<br />
18 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
Es geht darum, sprachfähig im eigenen<br />
Glauben zu sein. Unser Angebot<br />
ist ein Beitrag, diesen urkirchlichen<br />
Auftrag erfüllen zu können.<br />
mag. erhard lesacher<br />
besteht aus mündlichen Vorträgen und<br />
schriftlichen Kursunterlagen. Ziel ist es,<br />
universitäre Theologie verständlich zu<br />
vermitteln.<br />
„Der Kurs in Wien dauert vier Semester,<br />
einmal wöchentlich gibt es zwei Kurseinheiten<br />
zu je 90 Minuten. Im zweijährigen<br />
Fernkurs können sich die Teilnehmer die<br />
Studienzeiten selbst einteilen. Dazu erhalten<br />
sie jeden Monat Skripten zugesandt,<br />
vertiefend finden Studienwochen<br />
oder -wochenenden in Bildungshäusern<br />
in Österreich statt“, erklärt Lesacher.<br />
Schriftliche und mündliche Prüfungen<br />
dienen der persönlichen Vertiefung und<br />
deren positiver Abschluss ist die Basis<br />
für so manche berufliche Laufbahn im<br />
Rahmen der Kirche, etwa als Diakon,<br />
Pastoralassistent*in, Jugendleiter*in oder<br />
in der Krankenhausseelsorge.<br />
freilich noch nicht sagen. „Vielleicht ist<br />
es ja so, dass die Menschen aufgrund der<br />
Krise – so wie im Gründungsjahr – offener<br />
für Lebens- und Glaubensfragen, für<br />
die Auseinandersetzung mit dem Wesentlichen<br />
sind. Vielleicht bleiben manche<br />
aber auch aus Angst vor einer Ansteckung<br />
lieber zu Hause.“<br />
Digitale Zukunft?<br />
Auf dem konsequenten Weg der Öffnung<br />
bringt das Virus noch eine neue Komponente<br />
ins Spiel. Lesacher: „Beim<br />
Fernkurs haben wir erstmals Prüfungen<br />
online abgehalten. Wir sondieren aktuell,<br />
wie ergänzende Online-Angebote aussehen<br />
könnten. Vielleicht ist es ja eine<br />
Chance, neue Leute anzusprechen, wenn<br />
wir in die digitale Welt hinausgehen. Die<br />
persönliche Begegnung in der Diskussion<br />
wird das aber nicht ersetzen können.“<br />
So Corona es zulässt, startet der Kurs in<br />
Wien am 1. Oktober <strong>2020</strong>, der Fernkurs<br />
im November. Alle Informationen und<br />
das gesamte Kursprogramm finden Sie<br />
unter www.theologischekurse.at.<br />
Anfragen per Mail an office@theologischekurse.at<br />
oder telefonisch unter 01 51552 3703<br />
(Sabine Scherbl).<br />
80 Jahre und kein bisschen alt<br />
Der Festakt zum Geburtstag<br />
der Theologischen Kurse findet<br />
am 1. Oktober <strong>2020</strong> in der<br />
Wiener Donaucity Kirche im<br />
22. Bezirk statt.<br />
Neben Geschichte und Zukunft des<br />
theologischen Bildungsangebotes<br />
erzählen Personen verschiedener<br />
Weltanschauungen über ihre<br />
Hoffnung. Beginn: 18:30 Uhr.<br />
Spezialkurse und Akademie<br />
Neben den Theologischen Kursen laden<br />
Spezialkurse zur Vertiefung in spezielle<br />
Thematiken. Diese werden in ganz Österreich<br />
angeboten und dauern z. B. vier<br />
Tage oder ein Wochenende. Diese Kurse<br />
sind inhaltlich viel breiter aufgestellt, sei<br />
es zu anderen Weltreligionen oder zu<br />
Kunst und Theologie. Die Akademie am<br />
Dom in Wien bietet Einzelveranstaltungen<br />
zur Reflexion von Lebens- und Glaubensfragen<br />
im Kontext von Theologie,<br />
Kirche, Religion, Wissenschaft, Politik<br />
und Kultur. Darüber hinaus können auf<br />
Anfrage auch Kurspakete für Firmen,<br />
Pfarren und Diözesen zur Verfügung gestellt<br />
werden.<br />
Generell freut sich Lesacher über eine<br />
sehr gute Entwicklung. Vor allem die<br />
Spezialkurse und Studienreisen werden<br />
stark nachgefragt. Wie sich die Corona-<br />
Krise auswirken wird, kann er aktuell<br />
Erkennen,<br />
was dahinter steckt<br />
THEOLOGISCHE KURSE<br />
Der Theologische Kurs – seit 80 Jahren<br />
– in Wien oder als Fernkurs<br />
– ab Oktober <strong>2020</strong><br />
Spezialkurse – eröffnen Welten<br />
Basisinfo Christentum – Weltreligionen –<br />
Apokalyptik – Ketzer & Häretiker –<br />
Der Alte Orient – Das Opfer<br />
mehr wissen – tiefer fragen – klarer urteilen<br />
www.theologischekurse.at<br />
office@theologischekurse.at<br />
01 51552-3708<br />
Entgeltliche Einschaltung<br />
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<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 19
KURZ & GUT<br />
TerminE<br />
17. OKTOBER <strong>2020</strong><br />
Kraftquellen für ein gelingendes Zusammenleben<br />
Diözesantag der KMB Oberösterreich<br />
Bildungshaus Schloss Puchberg<br />
Gelingende Beziehungen sind wichtig und erstrebenswert.<br />
Wie wir die Beziehungsgestaltung angehen, was<br />
wir ersehnen und was auch nicht so gut gelingt, was wir<br />
brauchen und was wir bereit sind zu geben, darüber spricht<br />
Mag. Josef Lugmayr, Abteilungsleiter BEZIEHUNGLEBEN.AT.<br />
Infos und Anmeldung<br />
(aufgrund der Corona-Maßnahmen erforderlich):<br />
kmb.dioezese-linz.at.<br />
8. NOVEMBER <strong>2020</strong><br />
„Gottes Wege“<br />
Diözesanmännerwallfahrt der KMB Wien<br />
Klosterneuburg<br />
Die Wallfahrt mit Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prokschi<br />
führt traditionell zum Grab des Heiligen Leopold ins<br />
Stift Klosterneuburg.<br />
Treffpunkt: 13.30 Uhr, Weidlinger Straße in Klosterneuburg.<br />
Eine Live-Übertragung ist auf Radio Maria zu hören.<br />
Nähere Informationen, auch bzgl. coronabedingter<br />
Änderungen der Durchführung und evt. erforderlicher<br />
Anmeldung auf www.kmbwien.at.<br />
3. BIS 5. DEZEMBER <strong>2020</strong><br />
„Krippe für Jesus – Krippe für Menschen werden“<br />
Besinnungs- und Begegnungstage für <strong>Männer</strong><br />
Bildungshaus St. Georg, Bad Traunstein<br />
Austausch mit anderen <strong>Männer</strong>n über Glaubens- und<br />
Sinnfragen, begleitet von Msgr. Johann Zarl, Geistlicher<br />
Assistenten der Katholischen Aktion der Diözese St. Pölten.<br />
Infos und Anmeldung:<br />
KMB-St. Pölten, 02742 324-3376;<br />
kmb.stpoelten@kirche.at<br />
<strong>Männer</strong> für<br />
das Familienboot<br />
gesucht<br />
+++ Nach einer Trennung oder einem<br />
Unfall ist das Leben des alleinerziehenden<br />
Elternteils – meist sind es die Mütter –<br />
besonders herausfordernd.<br />
Kinderbetreuung und Beruf müssen<br />
unter einen Hut gebracht werden, in<br />
Coronazeiten kam auch noch die Schule<br />
in die eigenen vier Wände. Das ist ohne<br />
Unterstützung fast nicht zu schaffen.<br />
Mit dem Projekt „Familienboot“ hilft die Kontaktstelle für<br />
Alleinerziehende der Erzdiözese Wien diesen Familien. Freiwillige<br />
erklären sich bereit, einmal in der Woche drei bis fünf<br />
Stunden die Kinderbetreuung zu übernehmen. „Wir sind ständig<br />
auf der Suche nach Mitarbeitern. Gerade die Buben freuen<br />
sich sehr über männliche Bezugspersonen“, lädt Projektleiterin<br />
Eva-Maria Nadler vor allem <strong>Männer</strong> ein, sich zu bewerben.<br />
Interessierte und freiwillige Mitarbeiter*innen des Projektes erhalten<br />
regelmäßig eine Supervision und, wenn sie das möchten,<br />
eine Ausbildung. Nächster Ausbildungsstart ist im Oktober.<br />
Das „Familienboot“ ist auch eine anerkannte Praktikumsstelle<br />
für die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberatung. Bernhard G.<br />
ist über das Praktikum ins Boot gestiegen und als ehrenamtlicher<br />
Mitarbeiter beim Projekt geblieben. „Die drei Burschen sind mir<br />
echt ans Herz gewachsen. Von Kindern kann man viel lernen:<br />
Leichtigkeit, Veränderung der Betrachtungsweise, Entschleunigung.“<br />
Interessiert? Melden Sie sich per Mail an alleinerziehende@<br />
edw.or.at oder telefonisch unter 01 51553-3343. Nähere Infos:<br />
www.alleinerziehende.at<br />
Impressum: Medieninhaber: Röm.-kath. Diözese St. Pölten, Domplatz 1, 3100 St. Pölten. Herausgeber: Kath. <strong>Männer</strong>bewegung der Diözese St. Pölten, Klostergasse 15, 3100 St. Pölten,<br />
Tel.: 02742 324-3376, (ypsilon@kmb.or.at). Obmann: DI Dr. Leopold Wimmer. Chefredakteur: Michael Scholz. Redaktion: Lebensart Verlags GmbH (ypsilon@lebensart-verlag.at).<br />
Gestaltung: LIGA: graphic design. Lektorat: Barbara Weyss, Anzeigen: Christian Brandstätter, Abos: KMBÖ, sekretariat@kmb.or.at, Gertraude Huemayer, Tel. 01-51611-1600<br />
Produktion: Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten. Alle Rechte vorbehalten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung<br />
des Herausgebers und der Redaktion dar. Bei Einsendungen von Texten und Bildern wird das Einverständnis zur Veröffentlichung vorausgesetzt, diese aber nicht garantiert. Das<br />
<strong>Männer</strong>magazin y erscheint fünf Mal jährlich Einzelpreis Euro 3,-; Abo Euro 15,–/Jahr. Information zur Offenlegung lt. § 25 Mediengesetz auf http://kmb.or.at/offenlegung<br />
20 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
BUCHTIPPS<br />
Hoch hinauf<br />
Im Zuge der Sanierung des Turmhelms im Linzer Mariendom wurde im<br />
Inneren des Turms eine Stahlstiege errichtet, über die man in geführten<br />
Aufgängen zur höchstgelegenen Aussichtsmöglichkeit einer Kirche in<br />
Österreich gelangt. Über 633 Stufen sind zu bewältigen, um den<br />
Steinbalkon in 112 Metern Höhe zu erreichen. Für die Besteigung ist<br />
gutes Schuhwerk erforderlich, eine gute Kondition ist sicher von<br />
Vorteil. Für die Mühe wird man mit einem einzigartigen Blick über Linz<br />
und – wenn das Wetter passt – vom Ötscher bis zum Traunstein belohnt.<br />
Die spektakuläre 360°-Rundumsicht erleben heuer exklusiv die Turmpatinnen<br />
und -paten des Mariendoms ab einer Patenschaft von 200,- Euro.<br />
Ab 2021 wird die neue Höhenführung allgemein im DomCenter Linz<br />
buchbar sein.<br />
Tel. 0732/946-100, Mail: domcenter@dioezese-linz.at.<br />
Turmpate werden: www.turmpate.at<br />
Andreas Oshowski<br />
… dass meine Söhne morgen noch<br />
beten können.<br />
Wie können wir den Glauben enkel- und<br />
kindertauglich weitergeben? In seinem Buch<br />
bietet Andreas Oshowski eine Zusammenstellung<br />
von Texten, die in den letzten zehn<br />
Jahren im Zusammenhang mit der Arbeit<br />
für die Katholische <strong>Männer</strong>bewegung<br />
in Salzburg entstanden sind.<br />
Verlag Plenk, ISBN 978-3-944501-93-2.<br />
Buchpräsentation und Workshop mit Andreas<br />
Oshowski am 15. Oktober <strong>2020</strong>, 19:00 bis<br />
21:00 Uhr im Pastoralamt der Diözese Linz,<br />
Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz.<br />
Infos und Anmeldung<br />
(aufgrund der Corona-Maßnahmen<br />
erforderlich): kmb.dioezese-linz.at.<br />
Fotos: Fotolia; Mariendom Linz; Oshowski/Plenk-Verlag; Herder Verlag<br />
Anselm Grün<br />
Was gutes Leben ist.<br />
Viel hat sich durch Covid-19 verändert, aber<br />
wird das bleiben? Sicher ist, dass sich<br />
existenzielle Fragen in den Vordergrund gedrängt<br />
haben, einschneidende Anfragen an unser<br />
Selbstverständnis und unseren Lebensstil.<br />
Ein Zurück zu vorher wird es nicht geben.<br />
Anselm Grün zeigt, weshalb das gut so ist.<br />
Mit seinem neuen spirituellen Mutmacher<br />
bietet der Benediktinermönch konkrete und<br />
tiefschürfende Gedanken zu dem, was kommt<br />
und kommen kann. Seine Perspektive ist<br />
heilsam: Endlich leben, was wirklich guttut.<br />
Uns und der Mitwelt.<br />
240 Seiten, Herder Verlag,<br />
ISBN 978-3-451-03274-5, 22,40 €.<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 21
Brennen,<br />
Durchhalten und<br />
der Wille, es<br />
zu schaffen.<br />
INTERVIEW: KLAUS MASTALIER<br />
Christian Redl, 44, ist Freitaucher, Autor und Tauchlehrer.<br />
Im Laufe seiner sportlichen Karriere hat Redl bislang neun<br />
Weltrekorde in verschiedenen Disziplinen aufgestellt.<br />
YPSILON: Herr Redl, als Extremtaucher<br />
sind Sie großen Risiken ausgesetzt. Wie<br />
kann man ein Risiko kalkulieren?<br />
Christian Redl: Die meisten Menschen<br />
glauben, dass wir risikosuchende Personen<br />
oder Adrenalinjunkies sind. Ich<br />
glaube, dass jeder Extremsportler, der<br />
wirklich gut ist, sehr genau weiß, wo<br />
die Risiken sind, die Risiken vorher<br />
analysiert und soweit minimiert, wie es<br />
nur geht. Und dann gibt es immer noch<br />
ein Restrisiko, das man absichern muss.<br />
Ich würde nie einen Extremtauchgang<br />
machen ohne meine Sicherungstaucher<br />
oder ohne meinen Arzt an der Oberfläche.<br />
Wie kann man Körper und Geist in Einklang<br />
bringen, um eine solche Aufgabe zu bewältigen?<br />
Einen Körper kann man relativ einfach<br />
trainieren. Jeder Weltrekordhalter muss<br />
das machen, der eine weniger, der andere<br />
mehr. Ich habe dann gemerkt, dass<br />
mich die mentale Stärke total fasziniert.<br />
Da habe ich begonnen, Dinge zu visualisieren,<br />
zum Beispiel im Hallenbad eine<br />
Eisdecke, so dass ich nicht auftauchen<br />
kann. Beim Eistauchen spielt sich alles<br />
im Kopf ab. Du kannst nicht sagen:<br />
„Oh, jetzt bin ich 40 Meter weit geschwommen,<br />
jetzt tauch‘ ich auf, weil<br />
bis ans andere Ende komme ich nicht.“<br />
Wenn ich meinen Tauchgang starte, weiß<br />
ich, dass ich zu hundert Prozent drüben<br />
am anderen Loch rauskomme. Und in<br />
der wirklichen Gefahrenzone, auf den<br />
letzten zehn Metern, da habe ich meine<br />
Sicherungstaucher sitzen.<br />
Spielt bei solchen Extremsituationen der<br />
Glaube für Sie eine Rolle?<br />
Ich habe vor einigen Jahren gemeinsam<br />
mit einem Freund das Mittelmeer in<br />
einem aufblasbaren Segelboot überquert.<br />
Wir haben da alles erlebt. Von einer<br />
Flaute bis hin zu einem Mistral-Sturm.<br />
Unser Boot war drei Meter lang, zwei<br />
Kufen, ein Trampolinnetz und ein Segel.<br />
Da war keine Kajüte, kein gar nichts. Und<br />
dann haben wir so vier bis fünf Meter<br />
hohe Wellen gehabt. In dieser Nacht habe<br />
ich wieder zu meinem Glauben gefunden.<br />
Viele Ehrenamtliche in der KMB engagieren<br />
sich für neue Projekte, die viel Kraft<br />
und Durchhaltevermögen abverlangen.<br />
Wie könnte man hier ungeahnte Kräfte<br />
freisetzen?<br />
Man muss sich im Leben zwei Fragen<br />
stellen. Wenn man diese zwei Fragen<br />
ehrlich beantwortet, kann man sehr viele<br />
Probleme lösen. Die erste Frage, die ich<br />
mir stelle: Warum möchte ich etwas? Und<br />
es ist völlig egal, was das ist. Ob das jetzt<br />
ein neuer Rekord ist oder ob das eine<br />
neue Uhr ist oder was auch immer, es ist<br />
völlig egal. Wenn ich dann weiß, dass ich<br />
das wirklich möchte, stelle ich mir eine<br />
zweite Frage: Wie sehr möchte ich das?<br />
Ist das jetzt „nice to have“ oder ist das für<br />
mich, für mein Leben, essentiell? Bei<br />
DA WAR KEINE KAJüTE, KEIN GAR NICHTS.<br />
UND DANN HABEN WIR SO VIER BIS FüNF METER<br />
HOHE WELLEN GEHABT. IN DIESER NACHT HABE ICH<br />
WIEDER ZU MEINEM GLAUBEN GEFUNDEN.<br />
einem ‚Ja!‘ haben Sie die Motivation, die<br />
Ausdauer, die Leidenschaft, alles, was Sie<br />
brauchen, um dieses Ziel zu erreichen.<br />
Wenn ich mir die Frage nach einem Ziel<br />
stelle und ich weiß eigentlich gar nicht,<br />
warum ich das erreichen will, dann<br />
werde ich auch nicht die Motivation haben,<br />
diese Extrameile zu gehen, um dann<br />
wirklich den großen Erfolg zu haben.<br />
Die meisten geben einfach viel zu schnell<br />
auf. Der Grund dafür ist, dass sie nicht<br />
leidenschaftlich genug für die Sache<br />
brennen.<br />
Foto: Jörg Carstensen<br />
22 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>
leserbriefe<br />
KEIN HALBE-HALBE BEI CORONA<br />
Die Lebensrealität der <strong>Männer</strong> mit<br />
Kindern wird wenig erforscht, schon gar<br />
nicht die Aufteilung der Belastungen im<br />
Haushalt. Wenig aussagekräftig ist es,<br />
wenn man Frauen zur Gestaltung ihres<br />
Alltags eine Selbsteinschätzung geben<br />
lässt. Da kommen sehr viele Stunden<br />
Arbeit im Haushalt heraus und die<br />
anderen Haushaltsangehörigen würden<br />
demnach praktisch nichts tun.<br />
Natürlich würde da auch keine Zeit<br />
bleiben, um mit der Mutter und der<br />
Freundin zu telefonieren, keine Zeit zum<br />
Einkaufen, keine Zeit für die Lieblingsserien,<br />
die Nachrichten oder ein Nachmittagsrasterl.<br />
Es gibt sehr unterschiedliche<br />
Lebensrealitäten. Da ist es mir zu<br />
verkürzend zu lesen, das Verhältnis von<br />
Mann und Frau sei höchst ungleich<br />
verteilt.<br />
Hans Sturm, Hohenberg<br />
PAPA IST JETZT VIEL ZU HAUSE<br />
Ich lese <strong>Ypsilon</strong> mit Interesse und finde<br />
immer wieder Anregungen für meine<br />
<strong>Männer</strong>runde. Irritiert hat mich der aus<br />
meiner Sicht sehr verkürzte Blick auf die<br />
Corona-Pandemie. Kein Wort darüber,<br />
dass es zusätzlich hunderttausende<br />
arbeitslose Menschen gibt. Dass die<br />
Arbeitsbelastung durch die Krise –<br />
v. a. für Frauen – gewaltig gestiegen ist<br />
usw. Ich würde mir von einer christlichen<br />
Bewegung einen verstärkten Fokus auf<br />
die Menschen am Rande unserer Gesellschaft<br />
erwarten.<br />
Heinz Mittermayr, KAB OÖ, Linz<br />
OSCAR ROMERO. MUTIG IM EINSATZ<br />
FÜR GERECHTIGKEIT<br />
Mich hat der Vergleich von Romeros<br />
Tod mit Jesu Tod zum Nachdenken<br />
angeregt. Das „Umgebrachtwerden“ ist<br />
aus meiner Sicht allein kein Auslöser für<br />
die Erlösungstat. Mein Verständnis ist,<br />
dass Christus als Gott sich bewusst für die<br />
Menschheit geopfert hat, um sie wieder<br />
aufwärts zu führen und von der Erbsünde<br />
zu befreien.<br />
Kurt Hofer, Münzkirchen<br />
Schreiben auch Sie uns<br />
Ihre Meinung!<br />
Zu einem Artikel aus der aktuellen<br />
Ausgabe oder zu einem Thema, das<br />
Ihnen besonders am Herzen liegt.<br />
Kürzungen sind der Redaktion<br />
vorbehalten.<br />
Per Post: KMB, Redaktion <strong>Ypsilon</strong>,<br />
Klostergasse 15, 3100 St. Pölten<br />
Per Mail: ypsilon@kmb.or.at<br />
spknoe.at<br />
Im heurigen Herbst sind in der Diözese St. Pölten<br />
10 Tage der Bibel gewidmet. Ein vielfältiges<br />
Programm wartet auf Sie!<br />
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Bibelgarten in der Garten Tulln:<br />
Gespräche zur Bibel mit Persönlichkeiten aus der<br />
Kirche. Täglich von 14.00-16.00 Uhr<br />
Die Bibel als Sprach- und Kulturgut.<br />
Ausstellung in der NÖ Landesbibliothek<br />
Ausstellungen, Vorträge, Gebete<br />
und Musik in den<br />
Pfarren Amstettens und im Pfarrverband St. Josef<br />
im Waldviertel<br />
Kreatives und Lesungen<br />
in mehreren Bibliotheken<br />
Jona-Ausstellung, Vorträge und Kabarett in<br />
Seitenstetten<br />
Frauentag und Bachnacht in St. Pölten u.v.m.<br />
Das gesamte Programm fi nden Sie auf<br />
https://bibel.dsp.at<br />
Regional und Digital<br />
Immer da, wo Sie uns brauchen.
Magazin für <strong>Männer</strong> – Katholische <strong>Männer</strong>bewegung – Ausgabe 02/<strong>2020</strong><br />
+++ Die KMB-Linz hat 12 Videobeiträge<br />
über <strong>Männer</strong> mit Bezug zur<br />
KMB produziert,<br />
die sich mit Nachhaltigkeit und Enkeltauglichkeit im ganz konkreten<br />
Umfeld beschäftigen. Es geht um die Themen Gesundheit und<br />
Wohlergehen, hochwertige Bildung, Geschlechtergleichstellung,<br />
saubere Wasser und Sanitätsversorgung, bezahlbare und saubere<br />
Energie, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum,<br />
Industrie und Innovation, nachhaltige Städte und Gemeinden, verantwortungsvolle<br />
Konsum- und Produktionsmuster, Maßnahmen<br />
zum Klimaschutz, Leben am Land sowie Friede und Gerechtigkeit.<br />
Diese Videos sollen anregen, sich in den <strong>Männer</strong>runden mit<br />
den Zielen der Vereinten Nationen zu beschäftigen.<br />
Erhältlich ab Oktober auf kmb.dioezese-linz.at.<br />
Kupon ausschneiden, in ein Kuvert stecken und an KMBÖ, Spiegelgasse 3/2/6, 1010 Wien senden.<br />
✃<br />
Y GREIFT AUF, WAS<br />
MÄNNER BEWEGT:<br />
bewahrung<br />
der schöpfung<br />
Gicht<br />
Die 10 wichtigsten<br />
Fragen<br />
osterbräuche<br />
Von Hasen, Eiern und<br />
lauten Holzinstrumenten<br />
– Identität und Mann-sein<br />
– Partnerschaftliche Beziehungen in allen Lebensbereichen<br />
– Glaube und Spiritualität<br />
– Mitgestaltung von Gesellschaft und Kirche<br />
– Soziale Gerechtigkeit und Entwicklungschancen<br />
Y ABONNIEREN<br />
P Ich möchte das <strong>Männer</strong>magazin Y abonnieren.<br />
5 Ausgaben im Jahr € 15.<br />
Name<br />
Adresse<br />
Telefon<br />
E-Mail<br />
Datum<br />
Unterschrift<br />
Bestellungen per Mail bitte an sekretariat@kmb.or.at sowie telefonisch oder per Mail bei der KMB in deiner Diözese.<br />
PS.: Wenn du Mitglied der KMB werden möchtest, melde dich bitte ebenfalls bei deiner Diözesanstelle. Das Magazin <strong>Ypsilon</strong> ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
Verlags- und Aufgabepostamt: Österreichische Post AG, MZ 022032352 M,<br />
Pastorale Dienste, Klostergasse 15, 3100 St. Pölten<br />
Retouren bitte an: KMBÖ, Spiegelgasse 3/2/6, 1010 Wien