Ypsilon - 04-2020 - Starke Männer
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Wenn die Kraft<br />
Irgendwann fehlt die Kraft: Burnout ist ein Zustand ausgeprägter<br />
körperlicher und emotionaler Erschöpfung, Betroffene verlieren<br />
den Halt im Leben und ihre innere Ruhe. Burnout ist keine Schwäche,<br />
sondern eine ernstzunehmende Krankheit.<br />
Manuel Simbürger<br />
Können Sie sich noch erinnern? Es war Ende September 2012,<br />
als Gesundheitsminister Rudi Anschober, damals noch Landesrat<br />
und Landessprecher der oberösterreichischen Grünen, der<br />
Öffentlichkeit überraschend mitteilte, er würde sich eine dreimonatige<br />
Auszeit von der Politik nehmen. Was war geschehen?<br />
Einige Monate zuvor begannen bei Anschober aus heiterem<br />
Himmel Schlafprobleme, bald darauf hatte er zusätzlich mit<br />
quälenden Schmerzen in der Halswirbelsäule zu kämpfen. Die<br />
unerwartete Diagnose: Burnout auf höchster Stufe! Eigentlich<br />
kein Wunder, damals arbeitete Anschober über Jahre hinweg<br />
zwischen 80 und 100 Stunden in der Woche – er habe seinen<br />
„Kräftehaushalt überstrapaziert“, wie es in der damaligen Presseaussendung<br />
hieß. Die Therapie, die ihm verordnet wurde: absoluter<br />
Rückzug. Kein Handy, kein Internet, keine Nachrichten,<br />
keine Zeitung, auch der Kontakt mit dem Büro war verboten.<br />
Stattdessen: lange Spaziergänge mit dem Hund, ausreichend<br />
Schlaf, Psychotherapie, Qigong, ausführliche Gespräche mit<br />
der Lebenspartnerin. Die Erschöpfung empfand Anschober als<br />
Ausnahmezustand, wie er in einem Interview mit den OÖNachrichten<br />
offen zugibt: „Es war die schwerste Zeit meines Lebens<br />
– geprägt von Ängsten, Zweifeln und Schmerzen.“<br />
Aus dem Gleichgewicht<br />
2012 war noch eine Zeit, in der Burnout zwar in aller Munde war,<br />
von vielen jedoch abschätzig als Modewort belächelt wurde.<br />
Heute sieht vieles anders aus. Der ICD (das wichtigste und<br />
weltweit anerkannte Klassifikationssystem für medizinische<br />
Diagnosen) listet seit rund einem Jahr Burnout als eigenständige<br />
Krankheit. In Fachkreisen wird das akute Erschöpfungssyndrom<br />
genauso ernst genommen wie andere psychische Erkrankungen,<br />
die gesellschaftliche Akzeptanz ist gestiegen. Die Dunkelziffer<br />
betroffener <strong>Männer</strong> mag immer noch recht hoch sein, gibt<br />
Günter Niederhuber, Burnout-Coach aus Wien, zu: „Wahrscheinlich,<br />
weil <strong>Männer</strong> sich schwerer tun als Frauen, sich<br />
einzugestehen, dass sie Hilfe brauchen. Zudem sind sie oftmals<br />
weniger reflektiert.“ Auch dass Burnout leider nach wie vor<br />
nicht selten mit Schwäche und Versagen gleichgesetzt wird,<br />
dürfte hier eine Rolle spielen. Trotzdem sprechen <strong>Männer</strong> „heute<br />
bereits viel offener über Burnout als noch vor einigen Jahren“,<br />
so Niederhuber. Nicht zuletzt die Coronakrise hat Burnout<br />
wieder aktuell(er) gemacht: „Seit dem Lockdown suchen sehr<br />
12 YPsilon <strong>04</strong>/<strong>2020</strong>