15.09.2020 Aufrufe

Ypsilon - 04-2020 - Starke Männer

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wie aus einem anderen Dokument<br />

Foto: iStock/pastorscott; Privat (2)<br />

Im zweiten Teil des Schreibens werden die Vorschläge der<br />

pastoralen Umkehr der Pfarrgemeinde dann konkret. „Ich war<br />

fassungslos und dachte zuerst, ich lese in einem anderen<br />

Dokument weiter“, erzählt Jakober. Kern der Botschaft ist,<br />

dass die Leitung in allen Belangen beim Pfarrer bleiben muss.<br />

„Wegen ihres Hirtendienstes sind der Pfarrer und andere<br />

Priester zusammen mit dem Bischof an erster Stelle der<br />

grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde. […] Ein<br />

Gläubiger muss die Priesterweihe empfangen haben, damit<br />

er gültig zum Pfarrer ernannt werden kann. Wer sie nicht hat,<br />

kann, auch nicht im Falle des Priestermangels, weder den<br />

Titel noch die entsprechenden Funktionen erhalten. […] Der<br />

Pfarrer […] vertritt von Rechts wegen die Pfarrei bei allen<br />

Rechtsgeschäften. Er ist der verantwortliche Verwalter des<br />

pfarrlichen Vermögens.“<br />

Darüber hinaus soll darauf geachtet werden, den „wesentlichen<br />

Unterschied zwischen dem allgemeinen und dem besonderen<br />

Priestertum nicht zu verdunkeln“, indem „die Dienste der<br />

Diakone, Gottgeweihten und der Laien, die in der Pfarrei Verantwortung<br />

tragen, nicht mit Titeln wie ‚Pfarrer‘, ‚Ko-Pfarrer‘,<br />

‚Pastor‘, ‚Kaplan‘, ‚Moderator‘, ‚Pfarrverantwortlicher‘ oder<br />

mit anderen ähnlichen Begriffen bezeichnet werden, die das<br />

Recht den Priestern vorbehält, weil sie einen direkten Bezug<br />

zu deren Dienstprofil haben“.<br />

Jakober wusste beim Lesen des Dokuments plötzlich nicht<br />

mehr, was da vor sich geht: „Bin ich verwirrt oder sind es die<br />

Autoren des Schreibens? Habe ich eine verkehrte Definition von<br />

Beweglichkeit oder stimmt etwas nicht bei den Autoren des<br />

Schreibens?“ Erst mit der Zeit konnte er seine Gemütsregungen<br />

klarer erkennen: „Das erfreute Staunen zu Beginn wurde völlig<br />

zerschlagen und das hat mich wütend zurückgelassen. Ich soll<br />

in eine Schublade gesteckt werden, wie im Käfig eingesperrt.<br />

Ich muss unter Kontrolle gebracht werden, ein Korsett nimmt<br />

die Luft, eine Spirale aus Angst und Ablehnung setzt ein, der<br />

Sog vom Strudel der Abwertung, Entwürdigung zieht mich nach<br />

unten.“<br />

Sakraler Serviceverein<br />

oder Glaubensgemeinschaft?<br />

Für Ernest Theussl, Obmann der KMBÖ, steht die Kirche vor<br />

der Entscheidung, ob sie den Betrieb für sakramentale Serviceleistungen<br />

aufrechterhält oder eine Glaubensgemeinschaft<br />

ausbauen will, die ihren Glauben mit den Ausdrucksmitteln der<br />

Zeit zu formulieren imstande ist. „Wenn wir eine gesunde Basis<br />

der Glaubensvermittlung für die Zukunft herstellen wollen,<br />

dann müssen wir die Leitungsfragen der Pfarrgemeinden neu<br />

überdenken. Geld- und Priestermangel allein dürfen nicht die<br />

Leitlinien stellen. Davon auszugehen, dass durch Gebetsstürme<br />

die Zahl der Priester erhöht werden kann, ist Ausdruck naiver<br />

Gutgläubigkeit. Zuerst geht es darum, dass wir den Glauben an<br />

Jesus Christus und seine Botschaft in der Gesellschaft weiterhin<br />

im öffentlichen Diskurs halten. Die Pfarrgemeinde, sofern man<br />

überhaupt noch eine will, auf eine klerikale Kuppe zuzuspitzen,<br />

entvölkert die Basis, die der Nährboden des Glaubens ist.“<br />

Theussl fragt sich vor allem, welche Konsequenz diese Zuspitzung<br />

in der Praxis hat: „Priester, die wie Staubsaugerverkäufer<br />

durch Seelsorgeräume und Regionen hetzen, ohne menschliche<br />

Nähe zur Pfarrgemeinde und ohne persönliche Ansprache von<br />

den dort lebenden Menschen? Wollen wir das wirklich? Nein,<br />

denn nur die Pfarrgemeinde vor Ort garantiert kontinuierliche<br />

Begegnung und verhindert kurzlebigen Event-Katholizismus.<br />

Wir müssen nicht nur über das Priesterbild nachdenken, nein,<br />

wir müssen auch die Rolle der Laien in den Blick nehmen. Auch<br />

dort wissen wir längst, wohin es gehen sollte, nur dürfen wir<br />

nicht gehen.“<br />

Theussls trauriges Fazit zum Schreiben der Kleruskongregation:<br />

„Mit diesem Dokument ist vielen immer noch in ihrem Glauben<br />

unbeirrbaren Laien ein gutes Stück Mut und Begeisterung genommen<br />

worden.“<br />

Brief an Papst Franziskus<br />

Kommentar von Andreas Maria Jakober,<br />

Geistlicher Assistent der KMBÖ (li) und<br />

Ernest Theussl, Obmann der KMBÖ (re)<br />

zum Schreiben „Die pastorale Umkehr“.<br />

Die Katholische <strong>Männer</strong>bewegung der Diözese Bozen-Brixen/<br />

Südtirol hat bereits am 23. Juli einen offenen Brief an Papst<br />

Franziskus geschrieben (nachzulesen unter www.kmb.it). Im<br />

Schlusswort ist ein Bekenntnis formuliert „Wir als KMB werden<br />

uns auch von so unchristlichen Dokumenten und Forderungen<br />

wie diesen Instruktionen nicht beirren lassen und unseren Weg<br />

der Erneuerung und des Paradigmenwechsels weitergehen.“<br />

„Das festigt mir wieder den Boden unter den Füssen“, sagt<br />

Jakober. „Wir alle sind Getaufte und Schwestern und Brüder;<br />

das Vetorecht des Pfarrers wird für mich auch künftig keine<br />

Bedeutung haben. Nicht das kirchliche Gesetzbuch schenkt<br />

eine lebendige, missionarische Zukunft, sondern das Wort Jesu<br />

Christi.“<br />

<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!