Ypsilon - 04-2020 - Starke Männer
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Wie aus einem anderen Dokument<br />
Foto: iStock/pastorscott; Privat (2)<br />
Im zweiten Teil des Schreibens werden die Vorschläge der<br />
pastoralen Umkehr der Pfarrgemeinde dann konkret. „Ich war<br />
fassungslos und dachte zuerst, ich lese in einem anderen<br />
Dokument weiter“, erzählt Jakober. Kern der Botschaft ist,<br />
dass die Leitung in allen Belangen beim Pfarrer bleiben muss.<br />
„Wegen ihres Hirtendienstes sind der Pfarrer und andere<br />
Priester zusammen mit dem Bischof an erster Stelle der<br />
grundlegende Bezugspunkt für die Pfarrgemeinde. […] Ein<br />
Gläubiger muss die Priesterweihe empfangen haben, damit<br />
er gültig zum Pfarrer ernannt werden kann. Wer sie nicht hat,<br />
kann, auch nicht im Falle des Priestermangels, weder den<br />
Titel noch die entsprechenden Funktionen erhalten. […] Der<br />
Pfarrer […] vertritt von Rechts wegen die Pfarrei bei allen<br />
Rechtsgeschäften. Er ist der verantwortliche Verwalter des<br />
pfarrlichen Vermögens.“<br />
Darüber hinaus soll darauf geachtet werden, den „wesentlichen<br />
Unterschied zwischen dem allgemeinen und dem besonderen<br />
Priestertum nicht zu verdunkeln“, indem „die Dienste der<br />
Diakone, Gottgeweihten und der Laien, die in der Pfarrei Verantwortung<br />
tragen, nicht mit Titeln wie ‚Pfarrer‘, ‚Ko-Pfarrer‘,<br />
‚Pastor‘, ‚Kaplan‘, ‚Moderator‘, ‚Pfarrverantwortlicher‘ oder<br />
mit anderen ähnlichen Begriffen bezeichnet werden, die das<br />
Recht den Priestern vorbehält, weil sie einen direkten Bezug<br />
zu deren Dienstprofil haben“.<br />
Jakober wusste beim Lesen des Dokuments plötzlich nicht<br />
mehr, was da vor sich geht: „Bin ich verwirrt oder sind es die<br />
Autoren des Schreibens? Habe ich eine verkehrte Definition von<br />
Beweglichkeit oder stimmt etwas nicht bei den Autoren des<br />
Schreibens?“ Erst mit der Zeit konnte er seine Gemütsregungen<br />
klarer erkennen: „Das erfreute Staunen zu Beginn wurde völlig<br />
zerschlagen und das hat mich wütend zurückgelassen. Ich soll<br />
in eine Schublade gesteckt werden, wie im Käfig eingesperrt.<br />
Ich muss unter Kontrolle gebracht werden, ein Korsett nimmt<br />
die Luft, eine Spirale aus Angst und Ablehnung setzt ein, der<br />
Sog vom Strudel der Abwertung, Entwürdigung zieht mich nach<br />
unten.“<br />
Sakraler Serviceverein<br />
oder Glaubensgemeinschaft?<br />
Für Ernest Theussl, Obmann der KMBÖ, steht die Kirche vor<br />
der Entscheidung, ob sie den Betrieb für sakramentale Serviceleistungen<br />
aufrechterhält oder eine Glaubensgemeinschaft<br />
ausbauen will, die ihren Glauben mit den Ausdrucksmitteln der<br />
Zeit zu formulieren imstande ist. „Wenn wir eine gesunde Basis<br />
der Glaubensvermittlung für die Zukunft herstellen wollen,<br />
dann müssen wir die Leitungsfragen der Pfarrgemeinden neu<br />
überdenken. Geld- und Priestermangel allein dürfen nicht die<br />
Leitlinien stellen. Davon auszugehen, dass durch Gebetsstürme<br />
die Zahl der Priester erhöht werden kann, ist Ausdruck naiver<br />
Gutgläubigkeit. Zuerst geht es darum, dass wir den Glauben an<br />
Jesus Christus und seine Botschaft in der Gesellschaft weiterhin<br />
im öffentlichen Diskurs halten. Die Pfarrgemeinde, sofern man<br />
überhaupt noch eine will, auf eine klerikale Kuppe zuzuspitzen,<br />
entvölkert die Basis, die der Nährboden des Glaubens ist.“<br />
Theussl fragt sich vor allem, welche Konsequenz diese Zuspitzung<br />
in der Praxis hat: „Priester, die wie Staubsaugerverkäufer<br />
durch Seelsorgeräume und Regionen hetzen, ohne menschliche<br />
Nähe zur Pfarrgemeinde und ohne persönliche Ansprache von<br />
den dort lebenden Menschen? Wollen wir das wirklich? Nein,<br />
denn nur die Pfarrgemeinde vor Ort garantiert kontinuierliche<br />
Begegnung und verhindert kurzlebigen Event-Katholizismus.<br />
Wir müssen nicht nur über das Priesterbild nachdenken, nein,<br />
wir müssen auch die Rolle der Laien in den Blick nehmen. Auch<br />
dort wissen wir längst, wohin es gehen sollte, nur dürfen wir<br />
nicht gehen.“<br />
Theussls trauriges Fazit zum Schreiben der Kleruskongregation:<br />
„Mit diesem Dokument ist vielen immer noch in ihrem Glauben<br />
unbeirrbaren Laien ein gutes Stück Mut und Begeisterung genommen<br />
worden.“<br />
Brief an Papst Franziskus<br />
Kommentar von Andreas Maria Jakober,<br />
Geistlicher Assistent der KMBÖ (li) und<br />
Ernest Theussl, Obmann der KMBÖ (re)<br />
zum Schreiben „Die pastorale Umkehr“.<br />
Die Katholische <strong>Männer</strong>bewegung der Diözese Bozen-Brixen/<br />
Südtirol hat bereits am 23. Juli einen offenen Brief an Papst<br />
Franziskus geschrieben (nachzulesen unter www.kmb.it). Im<br />
Schlusswort ist ein Bekenntnis formuliert „Wir als KMB werden<br />
uns auch von so unchristlichen Dokumenten und Forderungen<br />
wie diesen Instruktionen nicht beirren lassen und unseren Weg<br />
der Erneuerung und des Paradigmenwechsels weitergehen.“<br />
„Das festigt mir wieder den Boden unter den Füssen“, sagt<br />
Jakober. „Wir alle sind Getaufte und Schwestern und Brüder;<br />
das Vetorecht des Pfarrers wird für mich auch künftig keine<br />
Bedeutung haben. Nicht das kirchliche Gesetzbuch schenkt<br />
eine lebendige, missionarische Zukunft, sondern das Wort Jesu<br />
Christi.“<br />
<strong>Ypsilon</strong> <strong>04</strong>/<strong>2020</strong> 17