Lesen - Golf Dornseif
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Rassismus und Verkafferung als Zeitzünder<br />
von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />
Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen publizistischen Exzessen seinerzeit die deutsche<br />
Kolonialpresse fähig war, wenn es um das Herrenmenschen-Prinzip ging gegenüber den angeblich<br />
minderwertigen nicht-weissen Eingeborenen der Schutzgebiete. Im September 1909 erregte sich die<br />
Deutsche Kolonialzeitung lang und breit über das Sammeln von Briefmarken im Tausch zwischen<br />
deutschen Jugendlichen und Afrikanern gleichen Alters:<br />
"Erwachsene deutsche Mädchen aus angeblich besseren Kreisen scheuen sich nicht unter dem<br />
Vorwand des Briefmarken-Sammelns mit Schwarzen aus Togo, die in der deutschen Schule<br />
unterrichtet worden sind, in brieflichen Verkehr zu treten. Es fragt sich, wer die Adressen dieser Neger<br />
den Mädchen in gewissen Pensionaten zugesteckt hat ...<br />
Aus den Stilproben abgefangener Briefe ergibt sich, dass diese Korrespondenz in eine krankhafte<br />
Schwärmerei ausartet, Eine siebzehnjährige Berlinerin schreibt ihrem "Freund", dass sie eine<br />
Freundin habe, die auch gern einen schwarzen Freund hätte. Deshalb bitte sie um Vermittlung einer<br />
Adresse in Togo. Sie fügte ihre eigene Fotografie bei! Die Würdelosigkeit durch mangelndes<br />
Rassenbewusstsein steht hier im Hinter- oder Vordergrund ...<br />
Ein Mädchen, das offenbar reif für die Irrenanstalt ist oder ein Sanatorium, macht in Sachsen einem<br />
schwarzen Jüngling sogar einen Heiratsantrag! Es scheint sich um einen weit verzweigten Unfug zu<br />
handeln, würdig der beschämenden Erinnerungen an die Kolonial-Schau von 1896 in Berlin, als<br />
weisse deutsche Frauen und Mädchen solchen Schwarzen aus Kamerun und andere deutschen<br />
Kolonien nachliefen ...<br />
Unter diesen Negern war auch Friedrich, Sohn des berüchtigten Oberhäuptlings der Herero, Samuel<br />
Maharero, der für sklavische Frauenseelen zur königlichen Hoheit wurde wie jener "Prinz Akwa", den<br />
die Gerichte in die Schranken seiner Position zurückweisen mussten. Ja, so sehr war dieser Schau-<br />
Neger verhätschelt worden ...<br />
Für Friedrich kamen noch lange nach seiner Rückkehr in. Okahandja Liebesbriefe und allerlei<br />
Postpakete mit Geschenken von Frauen an. Zum Glück hat er sie niemals erhalten, weil sie von den<br />
Behörden abgefangen wurden ...<br />
Eine Folge jener Berliner Kolonial-Ausstellung: Verbot, Eingeborene aus deutschen Kolonien zu<br />
Schaustellungen nach Europa aufzuführen. Die Neger-Jungen in Afrika sollten erfahren, dass es<br />
zwischen ihnen und unseren weissen Mädchen eine unüberbrückbare Distanz gibt, die zu<br />
überschreiten nicht gestattet werden darf. Ohne die Mitwirkung amtlicher Instanzen kann dieser<br />
würdelose Korrespondenz-Unfug nicht gesteuert und verhindert werden! Eltern sollten ausserdem ihre<br />
Kinder darauf hinweisen, dass ein Briefwechsel mit Negerjungen ungehörig ist. Dies gilt genau so für<br />
die Lehrer an den höheren Schulen in Deutschland.<br />
Wenn irgendein Provinzblatt den Brief eines Schwarzen als Belustigung veröffentlicht, was oft genug<br />
passiert, sollte man die Redaktion auf den ernsten Hintergrund solchen Tuns hinweisen. Das<br />
selbstvergessene Handeln der jungen Mädchen ist verachtenswert, sogar schmachvoll. Der Weisse ist<br />
in unseren Kolonien der Herr, der hoch über dem Farbigen steht oder doch rangieren sollte. Wir<br />
müssen alles verhindern, was dieser Stellung schaden könnte.<br />
Es ist jedoch auch zu bedenken, dass das starre Betonen des rassischen Standpunktes anderen<br />
Menschen Härten zufügen kann wie der folgende Fall beweist:<br />
Ein Paragraph der südwestafrikanischen Selbstverwaltungs-Verordnung spricht solchen Weissen, die<br />
mit einer Eingeborenen verheiratet sind oder mit ihr im Konkubinat ("wilde Ehe") leben, das Wahlrecht<br />
ab. Leider betrifft dies die Rehobother Bastard-Bevölkerung, die Nachkommen von Buren und Nama-<br />
Frauen (Hottentotten), die einen gewissen Wohlstand im Schutzgebiet erarbeitet haben , ohne dass<br />
man sie den Weissen jetzt gleichsetzen könnte. Einst billigte das Gouvernement den weissen Siedlern<br />
zu, einer halbblütigen Frau die Hand zum rechtlich fundierten Ehebund zu reichen, weil es nur wenige<br />
weisse Frauen als Heiratskandidatinnen in der Kolonie gab.
So versuchte kürzlich der Farmer C. Becker als Betroffener gegen den genannten Paragraphen zu<br />
klagen, weil er jährlich für seine Bastard-Frau und die gemeinsamen fünf Kinder immerhin 5000 Mark<br />
ausgebe, ohne eine Beihilfe für die Schulkosten (wie andere Weisse) vom Gouvernement zu<br />
empfangen. In seiner Familie, so argumentierte er zornig, sei keineswegs "eine Verkafferung"<br />
eingetreten als Folge der Eheschliessung und die kulturellen Werte bei seiner Familie könnten sich<br />
durchaus sehen lassen! Die Deutsch-Südwestafrikanische Zeitung argumentierte gegen den<br />
Paragraphen 17, denn "man sollte Frauen mit geringer eingeborener Blutbeimischung im Interesse<br />
ihrer weissen Ehemänner zu Weissen erklären, wenn sich diese Personen würdig erweisen ..."<br />
Inzwischen (1909) bietet die Deutsche Kolonial-Gesellschaft allen heiratswilligen weissen Frauen freie<br />
Überfahrt in die Schutzgebiete nach Swakopmund oder Lüderitzbucht. Die Statistik verrät, dass ab<br />
1898 auf Kosten der DKG 806 Personen nach Deutsch-Südwestafrika auswanderten (siehe Tabelle):<br />
Zu dem Beschluss des Reichstags, der von der Regierung die Zulassung von Rassen-Mischehen in<br />
den deutschen Schutzgebieten fordert, haben alle afrikanischen Kolonien Stellung bezogen und zwar<br />
- wie zu erwarten war - strikt ablehnend. Der Wortlaut aller Resolutionen gemäss den amtlichen<br />
Sitzungsprotokollen:<br />
DEUTSCH-OSTAFRIKA - "Der Abschluss von Ehen zwischen Weissen und Farbigen soll auf<br />
Beschluss des Gouvernementsrats verhindert werden, weil gegen eine Rassenmischung in illegitimer<br />
Form sowie auf legitime Weise starke Bedenken bestehen ..."<br />
KAMERUN "Der Gouvernementsrat erachtet es im Interesse der öffentlichen Ordnung und der<br />
Entwicklung des Schutzgebietes nicht für nützlich Mischehen zu erlauben. Da es hier nur wenige<br />
Mischlinge gibt, besteht zur Zeit kein Bedarf für eine Neuregelung. Das Entstehen einer Mischehe ist<br />
nicht erwünscht ..."<br />
TOGO - Der Gouvernementsrat wünscht, dass Mischehen in Togo unterbleiben und hält eine<br />
Regelung des Rechts derjenigen unehelichen Kinder für sinnvoll, auf die zur Zeit das Bürgerliche<br />
Gesetzbuch nicht näher eingeht ..."<br />
Das Idealbild der völkisch und rassisch einwandfreien<br />
Farmerfamilie beim Kaffeetrinken am Sonntagnachmittag in<br />
Deutsch-Südwestafrika: über schwarzweisse Konkubinate in der<br />
Nachbarschaft sah man diskret hinweg ...
DEUTSCH-SÜDWESTAFRIKA - " Nach Ansicht des Gouvernementsrats und des Landesrats sollten<br />
alle bis 1905 geschlossenen Mischehen anerkannt werden, falls nach Beurteilung des zuständigen<br />
Bezirksrats das Leben der Eltern und die Erziehung der Kinder den allgemeinen Anforderungen für<br />
Sitte und Moral entspricht. Die Betroffenen sollten eine Bescheinigung erhalten, mit der versichert<br />
wird, dass sie als Weisse gelten. In Zukunft ist aber jede Ehe zwischen Weissen und Eingeborenen<br />
strengstens zu verbieten, weil dies eine schwere Gefahr für die Entwicklung des Deutschtums<br />
bedeutet. Es muss befürchtet werden, dass eine Rückwanderung bester und schätzbarer Kolonisten-<br />
Elemente zu erwarten sein könnte ..."<br />
DEUTSCH-NEUGUINEA - Über die Zahl der Mischehen in Deutsch-Neuguinea berichtete Gouverneur<br />
Dr. Hahl wie folgt: Im ganzen Schutzgebiet gibt es gegenwärtig 13 eheliche Verbindungen zwischen<br />
Weissen und Mischlingen (Frauen), sieben zwischen Weissen und Vollblut-Farbigen, drei zwischen<br />
Mischlingen und Eingeborenen, eine Verbindung zwischen Mischlingen untereinander, zwei zwischen<br />
Weissen und Quadronen (Viertel-Farbigen). Hinzu kommen zahllose Verbindungen illegitimer Natur<br />
zwischen weissen Männern und farbigen Frauen aller Schattierungen, die nicht auf Dauer angelegt<br />
sind. In manchen Fällen bildet die illegitime Verbindung allerdings eine "Probezeit-Ehe" mit dem Ziel<br />
einer rechtsgültigen Heirat. Solche Zustände sind nach Meinung des Gouverneurs "nicht nur vom<br />
staatsrechtlichen und rassepolitischen Standpunkt, sondern auch aus moralischer Überlegung zu<br />
verurteilen ..."<br />
DEUTSCH-SAMOA - Aus Samoa war keine Stellungnahme zu registrieren, vermutlich deshalb, weil<br />
man sie dort für überflüssig hielt. Die Mischlinge sind dort gesellschaftlich und im Geschäftsleben<br />
hoch angesehen und ihre Zahl übertrifft die Weissen um das Doppelte mit steigender Tendenz. Die<br />
Attraktivität der Insulanerinnen, die dem europäischen Schönheitsideal weitgehend entspricht, ist für<br />
ehewillige Europäer selbstverständlich ohne irgendwelche rassischen Bedenken ...<br />
Samoanische Häuptlingstöchter<br />
waren bei deutschen Junggesellen<br />
heiß begehrt auf der Brautschau,<br />
denn sie brachten als Mitgift<br />
lukrative Plantagen mit in die<br />
fröhliche Mischehe zur Kolonialzeit!<br />
Ihr Liebreiz soll sagenhaft gewesen<br />
sein (in vielen Fällen) ...
Eine originelle Auswahl von Kleinanzeigen des kolonialen Heiratsmarktes mit<br />
vielfältigen Hinweisen auf erwünschtes bzw. vorhandenes Vermögen zur<br />
ehelichen Existenzgründung. "Schuldlos geschieden. mit Kind" war allerdings<br />
weniger aussichtsreich im Vergleich zu "neun Mille bar" und "Treudeutsch 782".
Was Christenmenschen und Rechtsgelehrte verkündeten<br />
252. Sitzung des Deutschen Reichstags am Freitag, dem 8. Mai 1914, eröffnet um 10.20 Uhr durch<br />
den Präsidenten Dr. Kaempf. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Meiningen:<br />
"Ist es richtig, dass zur Verhütung von Eheschliessungen zwischen christlichen Negermädchen und<br />
nichtchristlichen Männern in einigen Missionsstationen Deutsch-Ostafrikas die Prügelstrafe gegen<br />
grössere, also heiratsfähige Mädchen, angewendet wird, und was gedenkt der Herr Reichskanzler zu<br />
tun, um diesem Missbrauch ein Ende zu bereiten?"<br />
Präsident: Zur Beantwortung der Anfrage hat das Wort der Herr Direktor Dr. Gleim vom<br />
Reichskolonialamt.<br />
Dr. Gleim: "Über die in der Anfrage erwähnten Vorgänge ist bisher amtlich nichts bekannt geworden in<br />
unserem Haus. Nach Zeitungsmeldungen aus Deutsch-Ostafrika vom März dieses Jahres sollen auf<br />
einer Station von Missionaren im Bezirk Mahenge zu dem in der Anfrage angegebenen Zweck<br />
Prügelstrafen an eingeborenen und heiratsfähigen Mädchen vollzogen worden sein durch die<br />
Missionare. Nach den gleichen Quellen seien die. hierfür zuständigen Verwaltungsdienststellen des<br />
Schutzgebietes dagegen eingeschritten. Über die Angelegenheit ist vom Kaiserlichen Gouverneur in<br />
Dar-es-Salaam ein Bericht angefordert worden. Sollten sich die Behauptungen bewahrheiten, so wird<br />
dafür gesorgt werden, dass keine Wiederholung derartiger Handlungen bei Strafandrohung<br />
vorkommt."<br />
(Beifall im Plenum)<br />
August Bebel auf der<br />
Rednertribüne im<br />
Berliner Reichstag:<br />
Sozialdemokraten<br />
und Zentrum zeigten<br />
volle Sympathien für<br />
Mischehen in den<br />
Kolonien, konnten<br />
sich aber nicht<br />
durchsetzen bis zum<br />
Kriegsausbruch.<br />
Am 3. Januar 1913 war im OSTASIATISCHEN LLOYD (Kiautschou/Tsingtau) nachzulesen, welche<br />
Botschaft der "Ausschuss der deutschen Missionen" (in den Schutzgebieten) an den Staatssekretär<br />
des Reichskolonialamtes, Dr. Solf, gerichtet hatte, unterzeichnet von Missionsdirektor Theodor Oehler:<br />
Darin heisst es unter anderem: "Wir sind auf Grund unserer Erfahrungen davon überzeugt, dass<br />
Mischehen wegen der rassischen Unterschiede unterbleiben sollten. Wir sehen solche<br />
Eheschliessungen als einen Fehlgriff an, und wir wenden uns vornehmlich gegen Mischehen<br />
zwischen Deutschen und primitiven Eingeborenen. Mischehen zwischen kulturell annähernd gleich<br />
gestellten Rassen wie Japaner und Chinesen sind milder zu beurteilen, obwohl man sie auch nicht<br />
empfehlen kann ...
Tatsächlich findet aber in allen Kolonien ein Zusammenleben von weissen Männern mit eingeborenen<br />
Frauen statt, was man nicht völlig unterbinden kann. Es wird aber nötig sein, für die aus solchen<br />
Verbindungen stammenden Mischlinge eine Fürsorge einzurichten. Es ist deshalb zu begrüßen, dass<br />
die Alimentationspflicht der Erzeuger vom Reich rechtlich geregelt werden soll. Die Rheinische<br />
Missionsgesellschaft hat in Deutsch-Südwestafrika zwei Erziehungshäuser für solche Kinder<br />
gegründet. Andererseits werden die Jungen und Mädchen allmählich durch den langjährigen<br />
Aufenthalt unter Weissen ihrem Volkstum entfremdet. Wie können sie sich später unter Eingeborenen<br />
zurechtfinden? Überdies werden sie dem Irrtum erliegen, nunmehr zur weissen Rasse zu zählen, was<br />
nicht zutrifft. Dies schafft Verbitterung, sogar Entgleisung ...<br />
Die schwarzen Mütter geben ihre Kinder nur widerstrebend ab, sodass zu überlegen wäre, ob es nicht<br />
sinnvoller ist die Mischlinge in der Obhut ihrer Mütter zu lassen und für zuverlässige Zahlung der<br />
Alimente durch behördliche Kontrolle zu sorgen! Bastarde sind keineswegs die Erben der schlechten<br />
Eigenschaften beider Elternteile, wie immer wieder unterstellt wird aus Unkenntnis und Bosheit. Wenn<br />
viele ältere Mischlinge verwahrlosen und sogar kriminell werden, so hat dies gesellschaftliche Gründe,<br />
verursacht durch die Umwelt und Diskriminierung. Ein gesetzliches Verbot einer legitimen<br />
Eheschließung zwischen einem weissen Mann und einer farbigen Frau ist jedoch nach unserer<br />
Einschätzung mit der urchristlichen Wertschätzung der Ehe grundsätzlich unvereinbar.<br />
Warum könnte der Staat sich weigern solche Eheschließungen anzuerkennen? Es muss den<br />
Behörden doch daran gelegen sein, dass der weisse Mann, welcher mit einem farbigen Mädchen<br />
zusammenleben möchte, zugleich als rechtschaffener Deutscher handelt und die Farbige nicht als<br />
jederzeit kündbare Konkubine missbraucht wie es so oft der Fall ist im richtigen Kolonialleben Afrikas.<br />
Der anständige Deutsche als Ehemann sorgt für Frau und Kinder in jeder Beziehung ...<br />
Solange unsere Regierung die Eheschließung zwischen deutschen Männern und farbigen Frauen<br />
missbilligt, erschwert und verhindert, gerät die Missionspraxis ebenfalls ins Zwielicht. Konkubinen sind<br />
nicht zum Abendmahl zugelassen, farbige Ehefrauen zählen zur Gemeinde Christi..."<br />
Wer verfällt der Verkafferung?<br />
In der KAMERUN POST (Duala) vom 24. Mai 1913 beschäftigte sich die Redaktion mit dem<br />
Schreckgespenst der sogenannten Verkafferung: "Mancher arme Teufel und mancher<br />
Abenteuerlustige zog jüngst hinaus in unsere Kolonien und träumte von unbegrenzten neuen<br />
Chancen im fremden und jungfräulichen Land. In Wirklichkeit drohte bald die Verkafferung der<br />
ahnungslosen Auswanderer. Ansiedler, die einzeln und ohne Besitz zu den Wilden stiessen, konnten<br />
kaum noch ihre eigene bescheidene Kultur vorführen. Sie mussten Sprache und Sitten der Wilden<br />
annehmen, gerieten in wirtschaftliche Abhängigkeit von den Eingeborenen und nahmen sich<br />
schliesslich eine Stammesangehörige als Konkubine.<br />
Unerwünschte Schwangerschaften im Schutzgebiet ließen<br />
sich durch eine diskrete Niederkunft in Kapstadt<br />
verschleiern durch den Service der empfehlenswerten<br />
deutschen Hebamme im Anzeigenteil der Windhoeker<br />
Tagespresse ...
Ähnliche Erfahrungen machten die Siedler im Wilden Westen des nordamerikanischen Kontinents, die<br />
Fallensteller und umher ziehenden Händler. Sie nahmen sich eine indianische Squaw als Gefährtin<br />
und verschmolzen nach und nach mit der Gemeinschaft der Rothäute, bei dem Nomadenleben als<br />
Jäger und Sammler. Unterhändler und Dolmetscher wurde zum Nebenberuf, Aggressionen gegen<br />
weisse Siedler nach dem Wunsch der Indianer blieben nicht aus.<br />
In unseren afrikanischen Kolonien sind bereits hunderte von mittellosen Ansiedlern der Verkafferung<br />
verfallen, sei es in Südwest, Kamerun, Togo oder Ostafrika. Im Zusammenhang mit der Mischehen-<br />
Debatte interessierte sich auch der Reichstag für diesen beklagenswerten Zustand. Die deutschen<br />
Männer mit schwarzen Frauen gehen für unsere Kultur hoffnungslos verloren, ob tatsächlich<br />
verheiratet oder nur als Halter von Konkubinen. Ein Zustrom deutscher ehewilliger Frauen in die<br />
Schutzgebiete wäre bitter nötig, um das Problemen zu lösen!<br />
Besitz macht erst den Menschen zum Menschen. Besitz erzeugt kulturelle Bedürfnisse und den<br />
ernsthaften Wunsch nach höherer Bildung. Auf soliden materiellen Fundamenten wären jedoch<br />
Brücken zwischen den unterschiedlichen Rassen möglich, gebaut von strebsamen und<br />
verantwortungsbewussten Siedlern. In Nordamerika gibt es gebildete Chinesen, gebildete Indianer<br />
und vor allem gebildete Schwarze dank ihres starken Willens zum Aufstieg. Warum nicht auch in<br />
unseren Kolonien? ..."<br />
Die KAMERUN POST vom 22. März 1913 bemühte sich auf verschlungenen Umwegen, Kaiser<br />
Wilhelm II. als scharfen Gegner aller Mischehen hervorzuheben und berief sich dabei auf einen<br />
Kapstädter Informanten. Der Kaiser hielt sich im September 1912 im Kreis anderer Ausländer als<br />
Manövergast bei Truppenübungen in der Schweiz auf und lernte dort während einer Gefechtspause<br />
den südafrikanischen Buren-General Beyers kennen. Majestät verzehrte wohlgelaunt aus einer<br />
bescheidenen Blechbüchse belegte Brötchen, machte interessierte Konversation und. erkundigte sich<br />
bei dem Buren-General nach der Rassentrennung am Kap sowie noch nach der dortigen<br />
Mischlingsbevölkerung. In den deutschen Kolonien dulde er keineswegs Heiraten zwischen Weissen<br />
und Schwarzen.<br />
Die für den Fotografen gestellte "Liebelei" der Matrosen wirkt ziemlich zwanghaft statt<br />
entspannt: über militärischen Sex mit schwarzen Frauen schweigt die Kolonialliteratur<br />
(von seltenen Ausnahmen abgesehen).
Kommentar der Presse: "Das hier zitierte Urteil des Kaisers wird bei den meisten Deutschen in der<br />
Heimat und in den Kolonien freudigen Widerhall finden. Vor allem deshalb, weil sich vor einem Jahr im<br />
Reichstag eine Mehrheit fand, die nichts gegen Mischehen einzuwenden hatte ..."<br />
Während der Hauptversammlung der Deutschen Kolonialgesellschaft in Bremen zur<br />
Eingeborenenfrage im Jahr 1908 stellte Direktor Hupfeld laut DEUTSCHER KOLONIALZEITUNG<br />
unter anderem fest:<br />
"Die grossen Differenzen unter der Menschheit hat der Allmächtige Gott so verstanden, dass die<br />
Rassen getrennt bleiben sollen, weil jede einzelne eine besondere Aufgabe zu erfüllen hat, die für alle<br />
gleich gross ist . Die Ehe zwischen verschiedenen Rassen ist zu verbieten, weil sie ja zu weit<br />
voneinander entfernt sind ..."<br />
Die Vertreter der evangelischen und katholischen Missionen, Pater Acker und Missions-Inspektor<br />
Schreiber, traten diesem Verlangen aus allgemein sittlichen Gesichtspunkten entgegen, hatten aber<br />
gegen ein rechtmässiges Verbot der Mischehen an sich nichts einzuwenden. Schreiber teilte mit, dass<br />
den evangelischen Missionaren schon seit längerer Zeit die Verehelichung mit farbigen Weibern<br />
verboten sei. Die Anglikaner in Grossbritannien und USA schlossen sich solchen Auffassungen an.<br />
Missions-Senior Johannes Flierl (Deutsch-Neuguinea): "Das Göttliche Recht, wie ich es verstehe,<br />
verbietet keineswegs sogenannte Ehen gemischter Partner. Gott hat gemacht, dass von EINEM<br />
BLUT ALLER MENSCHEN GESCHLECHT AUF DER GANZEN ERDE WOHNEN. Dies ist die<br />
großartige göttliche Lizenz für jeden weissen Mann, der sich entscheidet eine Farbige zu heiraten!<br />
Wenn ein Deutscher von reinstem Blut arischen Ursprungs eine kohlrabenschwarze Negerin heiratet,<br />
sie ehrbar behandelt und die gemeinsamen Kinder gut versorgt und anständig erzieht, so verhält er<br />
sich wie ein Mann von Ehre und steht unendlich höher in Gottes Angesicht als jene ehrlosen Gesellen,<br />
die farbige Mädchen und Frauen gewissenlos als Werkzeuge ihrer Lüste missbrauchen, um sie später<br />
wieder wegzuwerfen und die zugleich ihre natürlichen Kinder, ihr eigenes Fleisch und Blut, verleugnen<br />
und im Elend verkommen lassen! Ja, es ist etwas faul im Staat Dänemark, wollte sagen in unseren<br />
und anderen Kolonien der Engländer, Franzosen oder Portugiesen usw.<br />
Lasst uns nicht Mücken anprangern und Kamele verschlucken! Durch Mischehen in den Kolonien<br />
degeneriert keine Rasse wie so oft dramatisch unterstellt wird. Die sozialen Verhältnisse in unseren<br />
grossen deutschen Städten des Reichs sowie Eheschliessungen zwischen Verwandten (aus<br />
materiellem Gewinnstreben usw.) verursachen eine weitaus schlimmere Degeneration als schwarzweisse<br />
Verbindungen in Afrika.<br />
Zum Teufel mit der verwerflichen Einrichtung der schwarzen Hausmädchen als Lustobjekte und der<br />
"Ehen auf Zeit" im Kolonialstil! Welch ein Schandfleck für unsere angeblich so hochstehende weisse<br />
Herrenmenschenrasse, dass durch ihre Vertreter von den Wüsten Australiens bis zu den entlegenen<br />
Südsee-Inseln die Eingeborenen durch Syphilis zugrunde gerichtet werden ..."<br />
Spitzfindigkeiten der Juristen<br />
Zahlreiche deutsche Juristen befassten sich vor 1914 mit der Problematik von Mischehen in den<br />
Schutzgebieten und gerieten dadurch meist in abenteuerliche Spekulationen (abgesehen von ihrer<br />
privaten Abwehrhaltung). Mit deutscher Gründlichkeit erörterten die Rechtsgelehrten zunächst die<br />
kitzlige Frage, ob die deutschen Schutzgebiete formal Reichsgebiet oder Ausland oder sonst etwas<br />
nach dem Völkerrecht darstellen. Waren seinerzeit die Eingeborenen (vielleicht) deutsche<br />
Staatsangehörige, ohne es zu wissen ? Fazit: Die Schutzgebiete hatten "Inlandseigenschaften, ohne<br />
deutsches Staatsgebiet zu sein ..." (meinten manche Juristen). Und darf man demzufolge Mischehen<br />
verbieten? Antwort: Ja und Nein. Jurist Fuchs zum Beispiel "spricht dem Eingeborenen in den<br />
deutschen Kolonien zwar die völkerrechtliche Inländerqualität zu und sowie staatsrechtliche<br />
Reichszugehörigkeit als Deutsche ab, hält ihn aber für einen NICHTDEUTSCHEN-AUSLÄNDER ...<br />
Tatsächlich ist der Eingeborene (nach Privat-Dozent Dr. Friedrich aus Giessen, 1910) staatsrechtlich<br />
und. völkerrechtlich DEUTSCHER INLÄNDER, aber kein DEUTSCHER REICHSANGEHÖRIGER
solange er nicht NATURALISIERT wird. Ebenso ist das Schutzgebiet deutsches Inland, aber kein<br />
deutsches Reichsgebiet.<br />
Ob das Eherecht (für Mischlinge) als reines Privatrecht oder als Grenzgebiet des öffentlichen und<br />
privaten Rechts anzusehen ist, muss dahingestellt bleiben, solange der Gesetzgeber (in Berlin) die<br />
ausdrückliche vorbehaltene Verordnung noch nicht darüber erlassen hat, ob materielles und formelles<br />
deutsches Eherecht auf Eingeborene Anwendung finden soll ...<br />
(Anmerkung: Bis Kriegsausbruch 1914 gab es keine eindeutige Gesetzgebung des Reichs zur<br />
Gestattung oder zum Verbot von Mischehen. Lediglich die Gouverneure untersagten durchweg aus<br />
eigener Machtvollkommenheit derartige Heiraten. In Deutsch-Samoa kümmerte sich allerdings<br />
niemand darum ...<br />
Mischehen konnten im Deutschen Reichsgebiet (Heimatland) jederzeit ohne irgendwelche Einwände<br />
vor einem Standesbeamten geschlossen werden, gestützt auf §7 des Gesetzes vom 4. Mai 1870 und<br />
dem Erlass vom 11. Dezember 1885, verkündet vom Reichskanzler. Es genügte, wenn einer der<br />
Verlobten der Zuständigkeit des jeweiligen Standesbeamten unterstand. Tatsächlich wurden solche<br />
Ehen meist in Berlin korrekt beurkundet. Dem Standesbeamten war es nicht erlaubt, Anstoss an der<br />
Hautfarbe oder dem sonstigen Aussehen eines Ehewilligen zu nehmen , denn Rassenzugehörigkeit<br />
bildete kein Ehehindernis im Reichsgebiet. )<br />
Wie attraktiv sind Mischehefrauen?<br />
Eine Spottpostkarte um<br />
1910 mit Hinweis auf<br />
"lüsterne Girls" in<br />
Deutschland, die von<br />
schwarzem Sex<br />
träumen ...<br />
In der 55. Sitzung des Deutschen Reichstags vom 7. Mai 1912 kamen zahlreiche neue<br />
Gesichtspunkte zum Streit über die Mischehe in den Schutzgebieten zur Sprache:<br />
Abgeordneter Gröber: In unserer Debatte über die Rassenmischehen sind drei Verbote zu<br />
berücksichtigen und zu unterscheiden. Das erste Verbot stammt aus dem Jahr 1905 und bezieht sich<br />
auf das Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika. Das zweite Verbot von 1906 gilt speziell für Deutsch-<br />
Ostafrika, und das letzte bezieht sich im laufenden Jahr auf Deutsch-Samoa.<br />
Diese Verbote von Rassenmischehen sind - kurz zusammengefasst - begründet mit der Rücksicht auf<br />
die Erhaltung der Rassenreinheit , und zweitens geht es hierbei um die Erhaltung der Herrschaft der<br />
Weissen in den Kolonien. Wir sollten uns vor dem Buren-Standpunkt hüten, der die Eingeborenen<br />
überhaupt nicht als Menschen anerkennt und nur als "Geschöpfe" gelten lässt, so wie man irgendein<br />
Arbeitstier auch als "Geschöpf" mit einer gewissen Rücksicht behandelt.<br />
Wer die Literatur über solche Fragen studiert, muss harte Arbeit leisten. Es ist nicht angenehm<br />
Gedanken anderer Weisser zu verfolgen, die sich auf eine endlose Alleinherrschaft der weissen<br />
Rasse stützen und eine Schulbildung der Eingeborenen für unwichtig erachten.<br />
(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten)
Bastard-Mädchen mit Rinder-Brautschatz<br />
Am 15. Juli 1912. berichtete W. Ross im ALLGEMEINEN BEOBACHTER (Hamburg) unter anderem:<br />
"Die Sitzung der Kommission für den Etat des Reichshaushalts vom 20. März 1912 hat in kolonialen<br />
Kreisen wegen ihrer Beschlüsse zur Mischehenfrage Aufsehen erregt, nachdem ein Antrag des<br />
ZENTRUMS vorlag "die Verbündeten Regierungen um Einbringung eines Gesetzentwurfs zu<br />
ersuchen, welcher die Gültigkeit der Ehen zwischen Weissen und Eingeborenen in den Kolonien des<br />
Reichs sicherstellt ..." Dieser Antrag wurde gegen drei Stimmen vom Parlament angenommen.<br />
Der Autor verweist auf Reiter der Schutztruppe, die sich im Schutzgebiet als Farmer ansiedelten,<br />
Bastardmädchen zur Ehefrau nahmen. Sie brachten oft als Mitgift ein bedeutendes Vermögen an<br />
Rindern ein. Neuerdings hat der Staatssekretär im Reichskolonialamt folgende Weisungen<br />
ausgegeben:<br />
1. Ehen zwischen Nicht-Eingeborenen und Eingeborenen werden nicht mehr in den Schutzgebieten<br />
genehmigt.<br />
2. Die Nachkommen aus den bisher als legitim angesehenen Mischehen sind als Weisse<br />
anzusehen.<br />
3. Die aus illegitimen Verbindungen stammenden Mischlinge, soweit sie in den gegenwärtig<br />
geführten Mischlingslisten eingetragen sind, sind den Weissen gleich zu stellen.<br />
4. Mischlinge, die nach dem Bekanntwerden dieser Regelung geboren werden, sind Eingeborene.<br />
5. Derartige Eingeborene, die fliessend deutsch sprechen und eine europäische Bildung<br />
nachweisen, können auf Antrag den Weissen gleichgestellt werden.<br />
Da heisst es zum Beispiel, die Eingeborenen dürften keine europäische Sprache erlernen und<br />
schriftliche Fertigkeiten in solchen Sprachen zustande bringen zum Gedankenausdruck in allen<br />
Lebenslagen. Personen von Rang und Namen behaupten kaltblütig, dass halbwegs gebildete<br />
Eingeborene für die Kolonialherren unzumutbar seien und eine wachsende Gefahr bedeuteten.<br />
Und die gleichen Würdenträger versteigen sich sogar zu der Behauptung, dass das Christentum für<br />
Neger nicht geeignet sei aus vielerlei Gründen. Dies sind Denkweisen, die eine Brutalität verraten, wie<br />
Oberleutnant Freiherr von Schönau-Wehr, Chef des<br />
Basterstamm-Distriks Rehoboth, umringt von mehr<br />
oder weniger attraktiven Bastermädchen mit den<br />
typischen Burenfrauen-Kopfhauben Jahrhunderte<br />
alter Tradition. Es waren beliebte Bräute<br />
entlassener deutscher Schutztruppen-Angehöriger,<br />
die Farmer werden wollten.
man sie in deutschen Druckerzeugnissen lieber nicht entdecken möchte. Die Ausbreitung der<br />
Mischlingsbevölkerung in unseren Kolonien ist nicht mehr zu bremsen, und da helfen weder Erlasse<br />
noch Gesetze!<br />
Nach den letzten Statistiken für 1907 und 1908 sind in Deutsch-Neuguinea 34 in Mischehe lebende<br />
Personen und 170 Mischlinge bekannt. In unserem Schutzgebiet Deutsch-Samoa zählte man 90<br />
Mischehen und 938 Mischlinge, in Deutsch-Südwestafrika 42 Mischehen und 3595 Mischlinge.<br />
(Hört! Hört! von links)<br />
Nicht zu vergessen etwa 2500 Angehörige des Baster-Volks, allgemein Bastarde genannt. In den<br />
rassewütenden Schriften, die durchweg nach Tropenkoller riechen, finden sich jedoch auch Hinweise<br />
auf günstige Verhältnisse im Bereich der verhassten Mischehen, eine indirekte Anerkennung der<br />
vorliegenden Situation ...<br />
Ich möchte hier aus einer Broschüre des Hauptmanns Bayer zitieren, einst. im Grossen Generalstab<br />
der Schutztruppe Südwestafrikas tätig, 1905 publiziert. Er kommentiert die Mischehen<br />
folgendermassen:<br />
Es gibt zahlreiche Deutsche, die im Basterland leben, vor allem ehemalige Angehörige der<br />
Schutztruppe mit neuen Existenzen auf Farm- und Weideland. Weil man - kaum deutsche<br />
ledige Frauen kennt, entwickelten sich hier nach und nach Ehen zwischen Weissen und<br />
Baster-Mädchen, die fast immer glücklich sind. Acht Schutztruppler haben bis jetzt Baster-<br />
Mädchen geheiratet im Jahr 1905 ...<br />
Sechs dieser Ehen sind nur kirchlich abgeschlossen bzw. eingesegnet worden, zwei dazu<br />
standesamtlich Zur Erziehung schickt man die Kinder meistens nach Deutschland auf gute<br />
Schulen. Die Baster-Mädchen geniessen zu Recht den Ruf "lieblich" zu sein ...<br />
(Hört! Hört! - Heiterkeit im Saal)<br />
Sie haben rassige Gesichtszüge im Kontrast zum blendenden Weiss ihrer Zähne, leuchtende<br />
Pupillen, ein ansprechendes und lebhaftes Wesen ...<br />
(Große Heiterkeit und Zurufe)<br />
Meine Herren, die Vermischung von Weissen mit eingeborenen Frauen ist kurzum unvermeidlich, wie<br />
ich schon betonte. Europäische Frauen eignen sich nicht für das harte und entbehrungsreiche Dasein<br />
in Südwestafrika. Eingeborene Frauen kennen sich mit der Rinderzucht aus, während Europäerinnen<br />
noch jahrelang Lehrgeld zahlen müssten nach der Einwanderung. Gut situierte Europäerinnen bleiben<br />
lieber der Zivilisation treu, nur arme Mädchen schiffen sich nach Südwest ein voller Hoffnungen. Viele<br />
eingeborene Heiratskandidatinnen bringen dem weissen Bräutigam wertvollen Rinderbestand als<br />
Mitgift in die Ehe, was Mischehen begünstigt!<br />
Wenn aber die Rassenmischehen in unseren Schutzgebieten unvermeidlich geworden sind, muss ihre<br />
Rechtsgültigkeit endlich vom Reich anerkannt werden, denn sonst treibt man die Menschen ins<br />
Konkubinat und damit ist dem deutschen Namen und der deutschen Ehre nicht gedient. Eingeborene<br />
Christinnen haben ein Naturrecht, andere Christen gleich welcher Hautfarbe zu heiraten und<br />
umgekehrt. Keine christliche Religionsgemeinschaft duldet solche Haarspaltereien, wenn sie es<br />
ehrlich meint in der Mission ...<br />
Meine Herren, ich habe hier noch ein Buch vorliegen, verfasst vom Schriftführer der Sächsischen<br />
Missionskonferenz, Karl Paul. Da werden uns aus Samoa einige hübsche Abbildungen gezeigt, etwa<br />
eingeborene Lehrerinnen, recht reizvoll anzuschauen. Hübscher sind bei uns die Lehrerinnen auch<br />
nicht ....<br />
(Heiterkeit im Saal)<br />
Und hier zum Beispiel eine samoanische Pfarrersfrau der evangelischen Mission, wirklich eine<br />
samoanische Schönheit!<br />
(Heiterkeit und Zurufe)
Ich lege die Abbildungen hier auf den Tisch des Hohen Hauses zur näheren Betrachtung. Meine<br />
Herren, wenn es möglich ist, dass ein evangelischer Pfarrer sich eine Ehefrau aus dem Kreis der<br />
Eingeborenen Samoas nimmt, wie will man überhaupt solche Mischehenverbote aufrecht erhalten ?<br />
Alle anderen Kolonialvölker gestatten die Rassenmischehe ohne Vorbehalt, vor allem Grossbritannien<br />
und Frankreich neben Portugal und Spanien ...<br />
(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten)<br />
Das Verbot der Rassenmischehe trifft durchweg nur die Armen, niemals die Wohlhabenden. In<br />
Südwestafrika reist man einfach in irgendeine benachbarte britische Kolonie, vielleicht nach Kapstadt,<br />
bleibt dort wenige Wochen und. heiratet rechtmässig eine nicht-weisse Partnerin. Die deutschen<br />
Kolonialbehörden müssen das zähneknirschend gelten lassen. Man kann schon in Walvis Bay<br />
ungeniert "englisch heiraten" nach Belieben!<br />
Und wer zahlt die Alimente?<br />
Abgeordneter Mumm: Meine Herren, bei dieser Frage von grösstem sittlichen Ernst handelt es sich<br />
auch darum, ob die beiden grossen Geistesmächte, die unser Volk beherrschen, in Einklang zu<br />
bringen sind: auf der einen Seite der ethische Gedanke, der die Gleichheit aller, für die unser Herr<br />
Jesus Christus gestorben und auferstanden ist, vertritt, und auf der anderen Seite der nationale<br />
Gedanke, der die Unterschiedlichkeit der menschlichen Rassen betont.<br />
Wenden wir uns zunächst der Stellung der unehelichen Kinder zu. Nun gibt es zur Zeit in Deutsch-<br />
Südwestafrika gerichtliche Entscheidungen, die Mischlingskindern die Alimentation vorenthält. Es<br />
muss eine einheitliche Regelung geschaffen werden in allen Schutzgebieten. Die Mutter hat Anspruch<br />
auf Erziehungsgeld, auf Unterhalt (ausserhalb einer Ehe ).<br />
Katharina Carew hiess<br />
dieses anmutige Mädchen<br />
aus dem Baster-Stamm in<br />
Rehoboth um 1908: eine<br />
imposante "gute Partie" ...
Wir Christlich-Sozialen müssen bei allem Festhalten an dem, was die geltende Sitte wünscht, auf den<br />
Boden der Tatsachen treten. Wenn also die übrigen kolonialen Staaten keine Verbote von<br />
Rassenmischehen kennen und wenn wir innerhalb des Reichsgebietes derartige Ehen nicht verbieten<br />
können, sondern jeder Standesbeamte kooperieren muss, so ist eine Ausnahmeregelung innerhalb<br />
unserer Kolonien unrealistisch. In Deutsch-Südwest liegt Walvis Bay als Rettungsanker vor der Tür, in<br />
Deutsch-Ostafrika lockt Sansibar mit dem Trauschein nach Belieben und was dann ?<br />
Es darf keine unhaltbaren Zustände geben: Verweigerung der Ehe vor dem Standesbeamten führt zur<br />
Verweigerung der kirchlichen Trauung. Dies wiederum bewirkt Ausschluss von der Gemeinschaft des<br />
Abendmahls und zum unerträglichen Gewissenszwang! Wir brauchen ein Mischlingsrecht und vieles<br />
mehr ...<br />
Abgeordneter Ledebour: Herr Dr. Braband sagte dem Sinn nach, wenn wir die unbegrenzte<br />
Ehefreiheit, wie sie in Deutschland existiert, jetzt auch den Eingeborenen in unseren Kolonien<br />
gewähren, so offerieren wir diesen Eingeborenen ein Privileg, weil sie als Folge ihrer mangelhaften<br />
kulturellen Entwicklung nicht imstande sind die Tragweite einer solchen Eheschliessung zu<br />
überblicken! Das ist keine juristische, sondern eher eine talmudistische Ableitung,<br />
(Heiterkeit)<br />
die bei mir den Verdachte erweckt, dass der Herr Abgeordnete Dr. Braband selber in seinem Blut, in<br />
seiner Denkweise nicht so ganz frei vom Talmud ist.<br />
(Heiterkeit)<br />
Nach meiner Ansicht gibt es hier in Europa viele Männer und Frauen, die ebenfalls ausserstande sind,<br />
die Tragweite einer Eheschliessung zu begreifen und zu durchschauen. Es ist aber noch niemand auf<br />
die Idee gekommen zu verlangen, dass erwachsene deutsche Männer und Frauen kein Recht haben<br />
sollten sich nach eigener Entscheidung zu vermählen. Oder sollte erst mal eine Kommission aus<br />
Juristen und Geistlichen die Ehetauglichkeit begutachten ?<br />
Ich muss jetzt aber noch auf den Erlass des Herrn Staatssekretärs zurückkommen. Darin heisst es, an<br />
das Kaiserliche Gouvernement in Apia auf Samoa gerichtet:<br />
"Die Erfahrungen und Beobachtungen meinerseits verstärken die Überzeugung, dass es für Samoa<br />
allerhöchste Zeit ist, gegen die Vermehrung der Mischlinge mit durchgreifenden Mitteln vorzugehen.<br />
Wir alle wissen nur zu gut, dass die Vermehrung der Mischlinge nicht durch das Verbot der<br />
Eheschliessung verhindert werden kann, denn man kann ja auch ohne Trauring Kinder in die Welt<br />
setzen.<br />
Wie drückt sich der Herr Staatssekretär nun weiter aus? Er setzt fünf Punkte auf und ermahnt das<br />
Gouvernement zur Nachahmung seiner Ideen. Er macht einen Unterschied zwischen den<br />
Mischlingen, die vor dem Erlass und jenen Mischlingen, die nach diesem Ukas geboren werden, und<br />
folgert messerscharf: "Die Nachkommen aus den bisher als legitim angesehenen Rassenmischehen<br />
sind Weisse". --- Nein, Herr Staatssekretär, so weit gehe selbst ich nicht mit meiner Auffassung zur<br />
Sache.<br />
(Heiterkeit)<br />
Sie haben da schon wieder etwas anderes ausdrücken wollen ...<br />
(Heiterkeit)<br />
nämlich: die vor dem Erlass geborenen Mischlinge erwerben die Rechte der Weissen. Das wollten Sie<br />
erklären, nicht wahr?<br />
(Heiterkeit)<br />
Aber in Ihrer unglückseligen Mischlingssprache haben Sie wieder mal den Sinn entstellt ...<br />
(Heiterkeit)
Das stolze Volk der Baster<br />
rund um Rehoboth verlor nach<br />
der Unabhängigkeit Namibias<br />
1990 sämtliche Privilegien aus<br />
der Mandatszeit bzw.<br />
Kolonialzeit. Das "Ovambo<br />
Gouvernement" duldet keine<br />
Aktivität völkischer<br />
Minderheiten. Ein verwaistes<br />
Museum der Baster in<br />
Rehoboth verkümmert<br />
allmählich, obwohl es von der<br />
BRD finanziert wurde in<br />
besseren Tagen ...<br />
Weiter sagen Sie: "Mischlinge, die nach der Bekanntgabe dieser Grundsätze geboren werden, sind<br />
also Eingeborene". - Nein, Herr Staatssekretär, das ist wiederum verkehrt formuliert!<br />
(Heiterkeit)<br />
Die Mischlinge sind nicht Eingeborene, sondern Sie wollen die nach Ihrem Ukas geborenen<br />
Mischlinge in Samoa in die Rechtsposition von Eingeborenen zurück drängen. Sie wollen ihnen nicht<br />
die Rechtsform von Europäern zubilligen. Auch in diesem Zusammenhang muss ich darum bitten, sich<br />
in Zukunft einer korrekten deutschen Sprache zu bedienen, falls wir überhaupt ernsthaft wichtige<br />
Fragen diskutieren wollen ...<br />
(Lebhafte Heiterkeit)<br />
Ich glaube Ihnen gern, Herr Staatssekretär, dass Sie die Konsequenzen Ihres Erlasses nicht so recht<br />
durchschaut haben. Es ist allerdings das Unglaublichste, was ich jemals an Produkten europäischer<br />
Staatsmännerkunst gedruckt zu sehen bekommen habe.<br />
(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten)<br />
Meine Herren, und das gilt für viele Parteien im Saal, Sie wollen die Eingeborenen, auch die<br />
Samoaner und die Rehoboth-Baster in Südwest, kurzum abwerten, mit einem Federstrich degradieren<br />
im Sinn des Herrn Staatssekretärs Solf. Es handelt sich hier nicht um irgendwelche "schwarze Neger",<br />
um Fantasiegebilde des Hochmuts, sondern um kulturell hoch stehende Stämme der Samoaner und<br />
um die Südwester Baster-Mischlinge mit Niveau. Alle stehen körperlich und geistig den Europäern<br />
nahe. Denken Sie mal darüber nach in aller Ruhe ...<br />
Die Rassenmischehe ab 1900<br />
Im kaiserlich-kolonialen Deutschen Reich tauchte der Begriff "Rassenmischehe" um 1900 zum ersten<br />
Mal unter Parlamentariern des Reichstags auf, abgegrenzt von der religiös motivierten "normalen<br />
Mischehe" zwischen römisch-katholischen und protestantischen Partnern, denen gleichfalls soziale
Ausgrenzung drohte (neben den Christen allgemein und Juden ganz speziell). Die Einführung des<br />
Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 erleichterte allerdings standesamtliches Heiraten ohne<br />
Rücksicht auf Rasse und Religion.<br />
Deutsch-Südwestafrika sowie Deutsch-Samoa bereiteten den Politikern und Kolonial-Bürokraten<br />
zunehmend Gewissensnot wegen der grossen Versuchung in Siedlerkreisen sich das Junggesellen-<br />
Dasein durch nicht-weisse Konkubinen zu versüssen oder gar Trauungen anzustreben. Vor 1914<br />
lebten in diesen beiden Kolonien insgesamt 166 "gemischte" Familien, wobei die Ehemänner vielfach<br />
die britische Staatsangehörigkeit besassen.<br />
Folgende Statistiken sind von Bedeutung: 1909 gab es in sämtlichen deutschen Schutzgebieten<br />
18169 Weisse. Davon entfielen auf DSWA 11791 und auf Samoa 468 gemäss der Denkschrift des<br />
Reichskolonialamts. Die Zahlen Stand 1913: 24389 Weisse, davon in DSWA 14830, in Samoa 557<br />
(Deutsches Kolonial-Lexikon 1920). Mischlinge 1909 in DSWA einschliesslich der 2567 Rehoboth<br />
Baster 4284 Personen, in Samoa 978 (erheblicher Zuwachs wegen der attraktiven Südsee-<br />
Insulanerinnen). 1912 zählte man in sämtlichen deutschen Schutzgebieten 6814 nach offiziellen<br />
Angaben.<br />
Sollte das Bürgerliche Gesetzbuch auch für die Kolonial-Deutschen uneingeschränkt gelten (ohne<br />
Ehehindernisse)? Diese Frage wurde nie juristisch einwandfrei geklärt, und die selbstherrlichen<br />
Gouverneure untersagten einfach alle Eheschliessungen "zweifelhafter Natur". Gouverneur von<br />
Lindequist erliess eigenmächtig "Verordnungen zum Schutz der weissen Rasse" in Südwestafrika.<br />
Angehörige des Kolonial-<br />
Frauenbunds spielten in<br />
Berlin gern Theater bei ihren<br />
Werbe-Aktionen und<br />
posierten dabei neckisch in<br />
taillierten Uniformen mit<br />
Säbeln und Klapphüten.<br />
Im Deutschen Reichstag setzten sich die Zentrums-Partei, christlich geprägt, und die<br />
Sozialdemokratische Partei mit August Bebel an der Spitze für eine tolerante Regelung der<br />
Eheschliessungen zwischen Schwarz und Weiss ein im scharfen Gegensatz zu den "völkisch"<br />
orientierten politischen Parteien, die Juden und Eingeborene gleichermassen verachteten.<br />
Seltsame Entscheidungen in den Kolonien kamen den Parlamentariern in Berlin zu Ohren: Ada Maria<br />
Leinhos, Tochter eines Briten und einer Herero-Frau, reichte bei den deutschen Behörden in<br />
Windhoek ihr Gesuch wegen Ehescheidung ein auf Grund von Untreue und Gewalttätigkeit des<br />
Gatten. Das zuständige Obergericht zu Windhoek lehnte die Behandlung des Falls rundweg ab mit<br />
der Begründung, dass "die Klägerin in einer Rassenmischehe lebe ohne jegliche Rechtsgültigkeit ..."<br />
Da die Frau nicht rechtmässig verheiratet sei, könne sie auch nicht geschieden werden!<br />
Zur gleichen Zeit förderte der Koloniale Frauenbund intensiv den "Export" mittelloser deutscher<br />
Frauen und Mädchen für den Heiratsmarkt in DSWA. Jene armen Dienstmädchen waren in der<br />
Kolonie fast durchweg der Ausbeutung durch "Herrschaften" preisgegeben bei minimalem Lohn.
Wahllos kam es zu Eheschliessungen zwischen den verzweifelten Geschöpfen und grobschlächtigen<br />
Farmern und Ex-Soldaten der Truppe, weil es kein Zurück mehr gab.<br />
Auf Samoa gehörte es mittlerweile zum guten Ton, möglichst bei einer gut situierten Häuptlingstochter<br />
einzuheiraten (als kleiner Beamter oder Händler, Pflanzer oder Seemann). Die Braut hatte meist<br />
wertvollen Landbesitz zur Plantagenwirtschaft...<br />
Der Ton im Reichstag wurde schärfer. Zitat des SPD-Abgeordneten Henke: "Es ist unerhört, dass man<br />
jetzt die Mischlingsbevölkerung in den Kolonien wie Südwestafrika neuerdings so behandelt wie etwa<br />
hier im Reich die Sozialdemokratie!" Die zunehmende Angst vor den Mischlingen verrate die Angst<br />
vor einem Herrschaftsverlust in absehbarer Zeit.<br />
Staatssekretär Solf im Mai 1912 vor dem Reichstag: "Sie senden Ihre Söhne in die Kolonien. Wollen<br />
Sie, dass sie Innen schwarze Schwiegertöchter und wollhaarige Enkel ins Haus bringen ? - Seine<br />
Worte erregten nur Heiterkeit, denn kein Abgeordneter fühlte sich betroffen. Bekanntlich wollten immer<br />
nur Kleinsiedler ein Aufgebot zu Heirat mit schwarzen Mädchen bestellen, während Beamte und<br />
Offiziere sich unverbindlich Konkubinen auf Widerruf hielten, sei es vorehelich oder nebenehelich.<br />
Oberrichter RICHTER<br />
mit Hund und Diener: er<br />
hatte viel Verdruss in<br />
Sachen Familienrecht<br />
wegen der Mischehen-<br />
Konflikte in Deutsch-<br />
Südwest ...<br />
"Wollen Sie, dass unsere weisse Rasse verbastardiert wird?" beschwor Solf seine Zuhörer. Solf<br />
sprach sich aber auch gegen eine Ehe der Weissen mit weissen Mädchen in den Tropen aus: "Was<br />
entsteht denn daraus, wenn ein Handwerker oder kleiner Beamter, der kein Herrenleben unter Palmen<br />
führen kann, sich mit einer weissen Frau verheiratet? Dann wachsen seine Kinder, die natürlich keine<br />
Mischlinge sind, sondern Sprösslinge einer standesamtlichen, christlich eingesegneten Ehe, als<br />
degenerierte Vertreter unserer Rasse unter den stolzen und imponierend anzuschauenden<br />
Samoanern auf ..."<br />
Man war überzeugt, dass "Tropenklima und ungesundes Geschlechtsleben" die Vertreter der weissen<br />
Rasse degeneriere und fürchtete , unausgesprochen die explosive Sexualität der schwarzen Frau.<br />
Der Antisemit Freiherr von Richthofen konnte es sich nicht verkneifen im Parlament zu hetzen: "Ob es<br />
irgendwie nötig ist, die deutsche Rasse durch Samoanerinnen zu verbessern, halte ich für fraglich. Für<br />
welchen Teil des deutschen Volkes das vielleicht nötig wäre, überlasse ich Herrn Dr. David zu<br />
beurteilen ..."<br />
Schliesslich wurde die Resolution zugunsten eines Reichsgesetzes über die Gültigkeit von kolonialen<br />
Mischehen mit grosser Mehrheit von 203 zu 133 Stimmen der Parlamentarier angenommen. Da die<br />
Tage der deutschen Kolonialherrschaft inzwischen gezählt waren, fanden die Verordnungsentwürfe<br />
zur Verhinderung von Rassenmischehen kein weiteres Echo bis Kriegsausbruch.
Ein farbiger Urenkel des Kurt von Francois<br />
"Vom Aussehen her werde ich in Sparten gesteckt, mit denen ich nichts anfangen kann" erklärte vor<br />
einiger Zeit Ruprecht von Francois in Windhoek, Urenkel des Landeshauptmanns Kurt von Francois<br />
(1882 bis 1931), der als Kunstschreiner von hohem Niveau sein täglich Brot verdient.<br />
Die Schubladen seiner Werkstatt sind gefüllt mit Zeugnissen, die an den Urgrossvater seligen<br />
Angedenkens erinnern. "Fremde und Bekannte haben mir die vergilbten Exponate zugetragen, denen<br />
meine Herkunft vertraut war", erzählte Ruprecht der Journalistin Irmgard Schreiber, Allgemeine<br />
Zeitung Windhoek.<br />
Der Farbige kam am 13. März 1949 im Eingeborenen-Viertel (Old Location Warf) zu Windhoek zur<br />
Welt. Er trägt nur noch deshalb den Namen des ehemals hochrangigen Schutztruppen-Offiziers, weil<br />
dessen Tochter Josephine nie geheiratet hatte. Jene Josephine entstammte einer angeblich ehelichen<br />
Verbindung des Kurt von Francois mit der Damara-Eingeborenen Amalia Gawaxas, die fünf Kinder zur<br />
Welt brachte.<br />
Ein Junge hiess Gideon von Francois, der wiederum Eva Gaes heiratete, Mischling aus der Ehe<br />
zwischen einem Deutschen und einer Damara-Frau. Ruprecht von Francois gehört zu den neun<br />
Kindern aus der zuletzt genannten Ehe und spricht im Gegensatz zu den Geschwistern perfekt<br />
Deutsch ohne Akzent.<br />
Der erfolgreiche Kunsthandwerker verbrachte seine Kinderzeit im Ghetto (Old Location) des Buren-<br />
Regimes während der Mandatszeit und sprach zunächst nur Damara/Nama sowie Afrikaans im<br />
täglichen Umgang. Deutsch lernte er beim Evangelischen Missionar Fritz Sehneider, der ihn zum<br />
Posaunisten im kirchlichen Dienst ausbildete und einen Deutschlandbesuch mit dem Blechbläser-<br />
Ensemble ermöglichte im Jahr 1969. Damals war Ruprecht 20 Jahre alt und lernte erstmals ein Land<br />
ohne Rassentrennung kennen im Kreis von 14 anderen Kirchen-Musikern.<br />
Ruprecht hatte seinerzeit Gelegenheit, mit vielen Deutschen näher - vertraut zu werden und traf eines<br />
Tages auf seine zukünftige Ehefrau, Petra Engels, Nichte des Missionars Schneider. Sie<br />
korrespondierten fünf Jahre miteinander. Endlich kam Petra mit ihrer Mutter 1974 nach Südwestafrika,<br />
und das junge Paar konnte sich nur heimlich (wegen der offiziellen Apartheid bzw. Rassenschande<br />
aus burischer Sicht) nähern, um eine harte Bestrafung zu vermeiden. Nichtweisse durften sich<br />
beispielsweise nach Sonnenuntergang nicht länger in den für Weisse reservierten Ortsteilen<br />
aufhalten.<br />
Einige Tage nach dem 21. Geburtstag von Petra wanderten die Verlobten nach Deutschland aus, um<br />
irgendwie ihre Existenz wirtschaftlich und privat aufzubauen. Die rechtmässige Ehe vor einem<br />
bundesdeutschen Standesamt kam ein Jahr darauf zustande nach allerlei bürokratischen<br />
Hindernissen wegen fehlender Dokumente (Geburtsurkunde des Mannes, Nachweis des Standes als<br />
Der deutsche Kolonialoffizier und. Landeshauptmann Kurt von Francois (links) war<br />
angeblich mit einer Farbigen rechtmässig verheiratet, was zu bezweifeln ist. Sein<br />
Urenkel Ruprecht von Francois lebt als Tischler und Modelleur in Windhoek,<br />
verheiratet mit einer Deutschen (rechts).
Weisheiten aus dem Deutschen Kolonial-Lexikon 1914<br />
Das DEUTSCHE KOLONIAL-LEXIKON, herausgegeben von Gouverneur Dr. Heinrich<br />
Schnee (Redaktionsschluss 1914, Druck verzögert bis 1920) erläutert mehrere<br />
einzigartige Begriffe, die inzwischen nahezu unverständlich geworden sind für<br />
nachrückende Generationen. Hier einige Beispiele:<br />
VERNEGERUNG (siehe Verkafferung und/oder Verkanakern, auch Verburung). KANAKA<br />
bedeutet in Polynesien so viel wie Mensch oder Mann in der Sprache der Insulaner.<br />
VERKANAKERN - Unter V. versteht man in den deutschen Südsee-Kolonien das<br />
Herabsinken von Weissen auf die Stufe der Eingeborenen, ähnlich wie in Afrika das Wort<br />
VERKAFFERUNG gebraucht wird.<br />
VERKAFFERUNG - Unter V. versteht man in Deutsch-Südwestafrika das Herabsinken<br />
eines Europäers auf die Zivilisationsstufe der Eingeborenen, eine Erscheinung, für die<br />
man in den übrigen Schutzgebieten VERNEGERN oder VERKANAKERN gebraucht.<br />
Einsames Leben im "Veld" (Wildnis), im steten Umgang mit Farbigen, vor allem aber die<br />
Rassenmischehe begünstigt solche bedauerliche Entartung weisser Ansiedler. Der<br />
verkafferte Europäer ist trotz möglicherweise vorhandener persönlicher Intelligenz stets<br />
ein verlorenes Glied der weissen Bevölkerung, da ihm entscheidende Förderungen<br />
unserer heimischen Kultur, das energische Wollen und das Festhalten an einem<br />
bestimmten Plan, vollkommen fehlen.<br />
Solche unglücklichen Europäer sind auch als Angestellte meist weniger brauchbar als<br />
etwa intelligente - Eingeborene. Allein durch gesetzgeberische (Verbot der<br />
Rassenmischehe) und gesellschaftliche Massnahmen lässt sich dieses Übel langfristig<br />
beeinflussen.<br />
Das sicherste Mittel gegen diese keineswegs zu unterschätzende Gefahr besteht in der<br />
Erleichterung der Eheschliessung mit weissen Frauen sowie in der Förderung von<br />
Erwerbsmöglichkeiten in der Kolonie hierzulande. Das Ausbleiben wirtschaftlicher Erfolge<br />
führt im Zusammenhang mit gewissen klimatischen und. geographischen Einflüssen<br />
(Mangel an geistigen Anregungen und Kontakten mit anderen Europäern) leicht zu einem<br />
Nachlassen der inneren Energie und zur Resignation, wie uns die soziale Entwicklung des<br />
wandernden Buren (Treckburentum) an zahlreichen Beispielen beweist. Der geistige<br />
Kontakt mit der Heimat (Schule, Mission, Bücherei, Presse) ist unerlässlich, um die Kultur<br />
junger Kolonisten zu sichern.<br />
Lediger usw.) Erst die eidesstattliche Erklärung eines südwestafrikanischen Geistlichen ebnete den<br />
dornigen Weg in die Ehe.<br />
Ruprecht vollendete seine Tischler-Ausbildung in Wuppertal, erhielt den Meisterbrief für Möbel-<br />
Tischlerei, konnte aber keine selbständige Existenz gründen. 1991 drängte seine Frau, nach dem<br />
unabhängigen Namibia kurzerhand auszuwandern, wo ihn die Verwandten mit offenen Armen<br />
empfingen und das Paar willkommen hiessen. Die Grossmutter väterlicherseits war drei Monate<br />
vorher verstorben, mindestens 102 Jahre alt. Sie war vom Hamburger ZEIT MAGAZIN noch 1989<br />
interviewt worden und gab Auskünfte über ihren Vater Kurt von Francois. Der renommierte Kolonial-<br />
Offizier verliess 1895 Deutsch-Südwestafrika Kurs Heimatland. Zurück blieb seine braune Tochter im<br />
Alter von sieben Jahren bei der Mutter.<br />
"In Deutschland habe ich mich besser aufgehoben gefühlt", resümiert der nachdenkliche<br />
Tischlermeister rückblickend. "Man sieht mich hier wie einen verfälschten Damara an oder wie einen<br />
Deutschen mit irreführender Hautfarbe" urteilt er bitter. "Ich sitze zwischen zwei Stühlen, denn ich bin<br />
hier in Namibia jetzt Ausländer mit deutschem Pass ..."
"Verbannung" aus Kindergarten, Turnverein, Kegelklub, Farmer-Club, Sängerbund usw. waren die<br />
unmittelbare Folge rassischer Diskriminierung für deutsche Männer und ihre Mischlingskinder in<br />
Südwest ab etwa 1906. Auch die Krieger-Reservisten wollten plötzlich nichts mehr mit den<br />
benachbarten "Rassenschändern" zu tun haben und ächteten die unglücklichen schwarz-weissen<br />
Familien.<br />
Carl Becker, verheiratet mit einer Baster-Frau, notierte in seinen Erinnerungen als Farmer: "Wir<br />
Mischehemänner wurden überall vor die Tür gesetzt im Interesse höchster sittlicher Errungenschaft.<br />
Gleichzeitig gaben uns die anderen Deutschen augenzwinkernd zu verstehen, dass sie unsere<br />
farbigen Ehefrauen an sich durchaus schätzten im Inneren ihres Gemüts. Aber was soll man machen,<br />
wenn das Gesetz es befiehlt gründlich im Verein auszusortieren?"<br />
Der Windhoeker evangelisch-lutherische Kindergarten duldete keine farbigen Kinder deutscher Väter<br />
in der Sandkiste. Mischlingskinder hatten ebenso wenig Anspruch auf schulische Erziehung,<br />
gleichgültig ob ehelich oder unehelich gezeugt. Da von 1908 bis 1914 ungefähr 2000 Angehörige der<br />
Schutztruppe in Windhoek stationiert waren im Wechsel mit anderen Einheiten, erhöhte sich der<br />
Prozentsatz an Geschlechtskrankheiten als Folge schwarz-weisser Infektionsquellen, wobei weisse<br />
Frauen nicht die geringste Rolle spielten.<br />
Prostituierte europäischer Herkunft in Windhoek, teilweise Deutsche und andere Nationalitäten,<br />
liessen sich nur mit weissen Klienten ein, sodass es keine Fälle von farbigen Geburten weisser Mütter<br />
in der Kolonialgeschichte gab. Allerdings drohte solchen Prostituierten sofortige Deportation, falls sie<br />
nachweisbar farbige Freier bedienten. Prostitution "an sich" wurde diskret geduldet, obwohl verboten.<br />
Vergewaltigungen schwarzer Frauen durch Weisse im Schutzgebiet sind in relativ wenigen Fällen<br />
überliefert, teilweise mit Todesfolge. 1912 verübten zwei flüchtige deutsche Mörder, Sommer und<br />
Falk, Notzuchtverbrechen an einer fünfundfünfzigjährigen Herero-Frau und ihrer neunjährigen Enkelin<br />
mit tödlichen Misshandlungen im Busch. Ihre Rechtfertigung: "Wir waren auf Konkubinenfang und<br />
guter Dinge". Wenige Monate später suchte der volltrunkene Polizeibeamte Feldwebel Odenwald die<br />
Eingeborenen-Siedlung (Werft) zu Keetmanshoop auf, entführte ein neunjähriges krankes Khoi-<br />
Mädchen und schändete es mit Todesfolge. Ein zweiter Polizei-Sergeant beteiligte sich an dem<br />
Verbrechen. Es gilt als sicher, dass viele vergewaltigte eingeborene Frauen notfalls erfolgreiche<br />
Abtreibungen mit Hilfe bestimmter Pflanzen herbei führten.<br />
Diese Aufnahme entstand in Swakopmund vor der Heimreise<br />
deutscher Matrosen und Seesoldaten (Marine-Infanteristen) in<br />
Gesellschaft verlegener "Statistinnen", mühselig arrangiert als<br />
Souvenir. Es fällt schwer, hier "Intimitäten" zu vermuten ...
In Okahandja und Keetmanshoop richteten Missionare Waisenhäuser für die unerwünschten<br />
Mischlingskinder ein mit Unterricht in deutscher Sprache und Grundschulerziehung neben<br />
handwerklicher Ausbildung. Holzarbeiten in der Schreiner-Werkstätte mit Möbelverkauf an Siedler<br />
halfen den Unterhalt zu finanzieren (in bescheidenen Grenzen).<br />
Gouverneur Seitz ging einen Schritt weiter und empfahl die Einziehung von Alimenten bei den<br />
Erzeugern der Kinder, stieß aber auf erbitterten Widerstand der deutschen Kolonial-Bevölkerung.<br />
Tausend Mark Pauschale je Kind waren im Gespräch als "Ablösesumme". Ab 1912 sollten die<br />
Register für Geburten sorgsamer aufgeschlüsselt werden nach Abstammung usw. Weisse,<br />
Eingeborene und Mischlinge teilte man in neue Kategorien ein, in eine Drei-Klassen-Gesellschaft auf<br />
lange Sicht. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte die Vollendung des Programms.<br />
Der Grossherzog und seine Gespielinnen<br />
Als sich vor etwa 25 Jahren deutsche Unterhaltungsmagazine mit Themen zur deutschen<br />
Kolonialgeschichte beschäftigten und am Beispiel Togo zahlreiche Mischlinge mit deutschen Familien-<br />
Stammbäumen entdeckten, machten Namen wie Joseph Köhler, Louise von Döring, Hans Gruner,<br />
Otto Hundt und andere von sich reden. Ihre Erzeuger "verkrümelten" sich anno dazumal, und ein<br />
Kontakt mit dem deutschen Reich in Europa kam nie zustande. Mit einer Ausnahme: Der damalige<br />
DDR-Bürger Wilhelm Gruner begrüsste 1976 seinen "Bruder" freundschaftlich in Jena.<br />
Gouverneur Adolf Friedrich zu Mecklenburg, Herzog und Regent zu Mecklenburg-Schwerin (1873 bis<br />
1969) verkündete allerdings im AMTSBLATT FÜR DAS SCHUTZGEBIET TOGO vom 25. Oktober<br />
1913 eine "Verordnung betreffend der Namen-Gebung und Führung seitens Eingeborener" mit Datum<br />
vom 18. Oktober 1913 wie folgt:<br />
Paragraph 1: Eingeborene dürfen ohne Genehmigung des Gouverneurs einen deutschen Namen als<br />
Familien-Namen sich oder ihren Angehörigen nicht beilegen oder führen.<br />
Paragraph 2: Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 150 Mark belegt oder mit<br />
Gefängnisstrafe und Zwangsarbeit bis zu sechs Wochen, falls die Geldstrafe nicht beigetrieben<br />
werden kann.<br />
Die Häuptlinge von Anecho wandten sich nach etwa anderthalb Jahren Regierungszeit des neuen<br />
Gouverneurs erbittert mit einer Petition an den Deutschen Reichstag mit Post vom 1. Mai 1914, die<br />
(natürlich) nie beantwortet wurde:<br />
"Ist der Herr Adolf Friedrich wirklich ein deutscher Herzog? Wenn man wie er zehn bis zwölf Jahre alte<br />
eingeborene Mädchen zu sich nimmt, muss man dann nicht nach deutschem Recht ins Gefängnis<br />
gehen ? Warum hat der Gouverneur so gehandelt ? Ich, Häuptling Lawson und Ayite Ajavon hatten<br />
dem Herrn zwei Mädchen zugeführt und trotzdem ist er damit immer noch nicht zufrieden ..."<br />
Im Namen der Bürger zeichne ich als Oberhäuptling JACKSON LATEKPAVUVU LAWSON.<br />
Die britische Kolonialpresse der benachbarten Regionen nahm den Herzog und dessen Vorliebe für<br />
zarte Eingeborenen-Mädchen (als Konkubinen) mehr als einmal aufs Korn. Beispiel THE GOLD<br />
COAST LEADER vom 3. Mai 1913 auszugsweise: "Die erste Aktivität von Gouverneur Adolf Friedrich<br />
zur Verbesserung der Zustände in der Kolonie bestand darin, sich das Mädchen Hoelushi Ajite,<br />
ungefähr zwölf Jahre alt, vorzunehmen ..."<br />
Schon vor Beginn der Kolonialzeit war es an der Küste Togos unter deutschen Kaufleuten üblich, eine<br />
oder mehrere Eingeborenenfrauen während des begrenzten Afrika-Aufenthalts "anzuwerben". Sie<br />
heirateten nicht nach europäischen Normen, sondern kauften die Konkubinen aus dem Bestand von<br />
Sklavenhändlern. Zeugten die europäischen Geschäftsleute in solchen Verbindungen Nachwuchs, so<br />
hatte der jeweilige Vater nach afrikanischer Sitte eine rechtlich-moralische Fürsorgepflicht<br />
übernommen. Weigerte sich der Erzeuger zu zahlen, boykottierten die Eingeborenen sein<br />
Unternehmen und schädigten es empfindlich. Aus Furcht vor derartigen Repressalien gab es in der
Regel kaum Probleme wegen Unterhaltsfragen. Die Kindesmutter oder ihre Familie verwandte die<br />
Beträge zur Ausbildung und Pflege des Sprösslings und alle waren zufrieden. Sogar die (wenigen)<br />
deutschen Kolonialbeamten folgten gutwillig dem Brauch durch regelmässige Beiträge, einmalige<br />
pauschalierte Zahlungen oder sonstige Abfindungen.<br />
Protestantische Missionare waren durchweg mit weissen Frauen verheiratet, katholische Missionare<br />
dem Zölibat verpflichtet und "Ausbrecher" hatten Strafversetzung zu erwarten. Das lockere Treiben in<br />
Togo konnte man zum Beispiel auch an zwei afrikanischen Tänzen ablesen, die in Mode kamen: "Der<br />
Kaiser" sowie "Der Gouverneur". Es handelte sich, lässig interpretiert, um "Knutsch-Rhythmen" (mit<br />
kräftigem Zupacken)!<br />
Ab etwa 1895 kamen immer mehr Mischlingskinder zur Welt, und das sexuelle Verhalten vieler<br />
Kolonialdeutscher nahm härtere Formen an. In der Juristensprache nannte man dies "durch Gewalt<br />
oder die Androhung von Gewalt erpressten Beischlaf". Gleichzeig nahm die Bereitschaft zur Zahlung<br />
freiwilliger Alimente rapid ab, wie Missionsdirektor Schreiber in einer Denkschrift formulierte. In der<br />
Kolonialverwaltung drückte man sich um klare Regelungen der Verhältnisse und schaute weg.<br />
Diese seltsame Verkaufsanzeige erschien am 31. Dezember 1908<br />
in der deutschen USAMBARA POST in Deutsch-Ostafrika. Indische<br />
bzw. goanesische Kaufleute unterboten häufig die Preise<br />
kolonialdeutscher Händler und verdienten prächtig. Der Appell an<br />
das deutsche Blut, das dicker sein soll als Wasser, hört sich wie<br />
eine Verzweiflungstat an, um reichlich Seife (offenbar Ladenhüter)<br />
endlich los zu werden zum Jahreswechsel ...<br />
Ärgernis bereitete den Bürokraten jedoch die alte Gewohnheit der Eingeborenen, ihre<br />
Mischlingskinder mit deutschen, englischen oder portugiesischen Familiennamen auszustatten.<br />
Einerseits wurden die Afrikanerinnen (stets verächtlich "Weiber" genannt) sexuell missbraucht mit<br />
entsprechenden Konsequenzen, andererseits sollte die reine Rasse abgesichert werden.<br />
Pikanterweise kam kurz vor dem Ersten Weltkrieg ein "kleiner farbiger Herzog" zur Welt, was in der<br />
Kolonie als amüsanter Knalleffekt betrachtet wurde.<br />
Ungerührt postulierte der Gouverneur seine staatsmännische Moral bei jeder passenden (und<br />
unpassenden) Gelegenheit: "Wir sind gut damit gefahren, dass die Rassenunterschiede in Togo stets<br />
scharf respektiert wurden. Die Gestattung der Rassenmischehe würde das scharfe Rassengefühl, das<br />
wir unbedingt brauchen, erheblich schwächen! Die Mischehenfrage kann nicht von ethischen und<br />
religiösen Gesichtspunkten beantwortet werden, sondern allein durch rassenpolitische Überlegungen."<br />
Katholische und protestantische Missionare pflichteten mit gewundenen Erklärungen bei: "Däuble und<br />
Schönig (Missionare) erklärten als offizielle Sprecher ihrer Glaubensgemeinschaften, dass "vom<br />
christlichen Standpunkt gegen Rassenmischehen nichts einzuwenden sei ... aber vom<br />
naturgegebenen und gesellschaftlichen Standpunkt aus müsse man dies bekämpfen ..."
Die Kolonialisten aller Berufszweige kümmerte das wenig, denn sie hatten ihre polygamen Privilegien<br />
diskret unangreifbar gemacht. Mit anderen Worten: Das Zusammenleben von Europäern und<br />
eingeborenen Frauen ("einfach so") kümmerte keine Obrigkeit. Im übrigen verbot das Gouvernement<br />
ausdrücklich nur die Verwendung deutscher Familiennamen für Mischlingskinder. Englische oder<br />
spanische oder portugiesische oder sonstige fremdländische Familiennamen waren geduldet, weil sie<br />
die "deutsche Rassenehre" nicht "beschmutzten".<br />
Kurioserweise betraf die Verordnung des Herzogs zur Namen-Gebung auch ein Kind, das viel später<br />
prominent werden sollte. Ein deutscher Kaufmann zeugte den Knaben Nikolaus Grunitzky ... und<br />
musste seinen Namen "löschen" unter deutscher Kolonialherrschaft. Jener Nikolaus Grunitzky machte<br />
Karriere und brachte es bis zum Präsidenten der Republik Togo in neuerer Zeit (Schreibweise Nicolas<br />
als Vorname).<br />
Quellen<br />
Deutsche Kolonialzeitung<br />
W. Ross: Zur Mischehenfrage in unseren Kolonien<br />
(Hamburg 1912)<br />
S. Kotze: Wieder einmal die Rassenfrage<br />
(Berlin 1906)<br />
E. Radlauer: Die kolonialrechtliche Lösung der Mischehenfrage<br />
(Hamburg 1909)<br />
J. Flierl: Zur Mischehenfrage<br />
(Berlin 1910)<br />
L. Keh: Uber die Rassenfrage in den Kolonien<br />
(Berlin 1906)<br />
G. Braun: Zur Frage der Rechtsgültigkeit von Mischehen in den Kolonien<br />
(Greifswald 1912)<br />
Protokolle des Deutschen Reichstags<br />
Dr. Th. Seitz: Vom Aufstieg und Niederbruch deutscher Kolonialmacht<br />
(Karlsruhe 1929)<br />
C. Essner: Reichstagsdebatten 1912 um koloniale Rassenmischehen und Sex<br />
(Berlin 1997)<br />
Stenographische Reichstags-Protokolle<br />
I. Schreiber: Zwischen zwei Welten<br />
(Windhoek 2002)<br />
K.M. 0 Donnell: The First Besatzungskinder 1890 - 1914<br />
(Woodbridge 2005)<br />
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