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Nr. 5 | 02.02.2012<br />

Mit dem <strong>Bus</strong> ins Glück<br />

Ein Apotheker und sein einzigartiges Sozialprojekt<br />

Reinhild Berger | Werner Henke stoppt seinen Reisebus vor dem Stuttgarter Daimler-Benz-Museum,<br />

dreht das Fenster herunter und lacht strahlend. Am Morgen ist der Apotheker an seinem Heimatort<br />

in Aschaffenburg gestartet – mit rund 35 Mitgliedern eines Seniorenvereins und einigen<br />

ehrenamtlichen Betreuern des Malteser Hilfsdienstes. Alle verlassen in bester Stimmung <strong>den</strong> <strong>Bus</strong>,<br />

voll des Lobes über ihren „<strong>Bus</strong>fahrer“ und <strong>den</strong> Organisator ihres Ausflugs.<br />

Die Senioren sind in Erwartung einer Museumsführung<br />

und fröhlicher Stun<strong>den</strong>, wie sie für körperlich<br />

Behinderte oder Bezieher schmaler Renten nicht<br />

alltäglich sind. Werner Henke und sein Sozialprojekt<br />

„Reisen ohne Grenzen“ macht’s möglich und<br />

schenkt Lebensfreude pur.<br />

Welche Idee steht hinter diesem Projekt?<br />

Wie kommt man als gestan<strong>den</strong>er Apotheker auf die<br />

Idee, <strong>den</strong> <strong>Bus</strong>führerschein zu erwerben, einen Reisebus<br />

zu kaufen und ehrenamtlich sozial benachteiligte<br />

Menschen durch Deutschland und Europa zu<br />

fahren? Werner Henke steht mir auf diese Fragen<br />

begeistert Rede und Antwort. Zunächst erklärt er<br />

mir jedoch voller Stolz seinen <strong>Bus</strong>, einen „Gag der<br />

Firma Mercedes“, wie Henke sagt. Der Gag besteht<br />

darin, dass Mercedes eine Kopie des Reisebusses<br />

der deutschen Fußballnationalmannschaft gebaut<br />

hat. „Der Unterschied besteht nur darin, dass der<br />

Original-DFB-<strong>Bus</strong> außen schwarz ist. Unser <strong>Bus</strong> ist<br />

rot-weiß und zeigt das Panorama der Stadt Aschaffenburg<br />

(siehe Foto oben, im Hintergrund das<br />

Daimler-Benz-Museum in Stuttgart). Genau gleich<br />

„Das <strong>Bus</strong>fahren macht mir einfach Spaß“, sagt<br />

Apotheker Werner Henke. Er genießt das Gefühl, vom<br />

Schicksal benachteiligten Menschen Lebensfreude zu<br />

schenken.<br />

ist jedoch die Innenausstattung in <strong>den</strong> Farben<br />

schwarz-rot-gold. Es gibt extra breite Sitzabstände,<br />

einen Bistrobereich mit vier Tischen und eine Bord-<br />

152. Jahrgang | Deutsche Apotheker Zeitung | 565 | 81<br />

Alle Fotos: DAZ/rb


SOZiALpROjEkt<br />

Hartwig Loh, Vorsitzender vom Seniorentreff „Pfaffengasse“<br />

in Aschaffenburg ist voll des Lobes: „Es ist ein<br />

sagenhaftes Glück für uns, dass wir Werner Henke haben,<br />

der diese Idee mit dem <strong>Bus</strong> hatte. Seitdem sind wir<br />

<strong>Aschaffenburger</strong> Senioren wieder mobiler gewor<strong>den</strong>. Vor<br />

allem für diejenigen, die sich finanziell nicht unbedingt<br />

alles leisten <strong>können</strong>, ist das soziale Engagement des<br />

Herrn Henke ein großes Geschenk.“<br />

küche mit viel Technik: Heißluftofen, drei Kühlschränke,<br />

Mikrowelle, drei Kaffeemaschinen, Tiefkühltruhe.<br />

Da <strong>können</strong> wir unseren Fahrgästen das<br />

Mittagessen servieren, das uns die Lufthansa für<br />

2,50 Euro pro Person zum Selbstkostenpreis zur<br />

Verfügung stellt. Den Service übernehmen ehrenamtliche<br />

Mitarbeiter des Malteser Hilfsdienstes, die<br />

unsere <strong>Bus</strong>touren begleiten.“<br />

Nicht nur das Reiseziel ist wichtig, es geht<br />

auch um soziale Kontakte und Abwechslung<br />

Werner Henke hat diesen <strong>Bus</strong> gekauft. Er hat sich<br />

diesen finanziellen Einsatz geleistet, weil er von<br />

seiner Idee überzeugt ist. Nach vielen Jahren Tätigkeit<br />

als Leiter einer Apotheke mit angeschlossenem<br />

Herstellungsbetrieb für parenterale Arzneimittel<br />

liegt es ihm heute am Herzen, sich sozial zu engagieren.<br />

Bereits in jüngeren Jahren war er ehrenamtlich<br />

als Sanitäter für <strong>den</strong> Malteser Hilfsdienst tätig.<br />

Im vergangenen Jahr hat er seine Apotheke verkauft<br />

und die gemeinnützige GmbH „Reisen ohne Grenzen<br />

– Aschaffenburg“ gegründet. Wie auf der Internetseite<br />

www.aschaffenburg-bus.de zu <strong>lesen</strong> ist,<br />

Der <strong>Bus</strong> von „Reisen ohne Grenzen“ zeigt, wo er herkommt:<br />

Das Panorama der Stadt Aschaffenburg weckt Aufmerksamkeit.<br />

82 | 566 | Deutsche Apotheker Zeitung | 152. Jahrgang<br />

wer<strong>den</strong> von „Reisen ohne Grenzen“ <strong>Bus</strong>fahrten<br />

ohne Gewinnerzielungsabsicht und zu günstigen<br />

Konditionen durchgeführt. Dies geschieht speziell<br />

für materiell oder persönlich hilfsbedürftige Personen<br />

oder für Organisationen, die solche Personen<br />

fördern. Nicht alleine das Reiseziel soll dabei im<br />

Vordergrund stehen, sondern vielmehr die gemeinsame<br />

Fahrt, der Kontakt zu und mit anderen und<br />

die Abwechslung vom normalen Alltag.<br />

In Planung: Eine Romreise mit Audienz beim<br />

Papst und der Jakobsweg in Nordspanien<br />

Was hat Werner Henke zu diesem Schritt motiviert?<br />

„Es waren die vielen Gespräche in der Apotheke“,<br />

sagt Henke. „Beim Arzt sind die Patienten nach<br />

fünf bis zehn Minuten wieder draußen. In der Apotheke<br />

dagegen ist man so ein bisschen der Beichtvater.<br />

Man hört Familiengeschichten und die Sorgen<br />

der Menschen. Man hört von der Rentnerin, die<br />

Werner Henkes <strong>Bus</strong> ist eine Kopie des Reisebusses der<br />

deutschen Fußballnationalmannschaft – mit komfortabler<br />

Innenausstattung in <strong>den</strong> Farben schwarz-rot-gold. Hier ein<br />

Blick auf <strong>den</strong> Bistrobereich mit vier Tischen.<br />

nur 700 Euro Rente hat, aus Scham nicht zum Sozialamt<br />

geht, seit Jahren keinen Urlaub gemacht<br />

hat. Viele meiner Apothekenkun<strong>den</strong> hatten Aschaffenburg<br />

jahrelang nicht verlassen. <strong>Sie</strong> konnten es<br />

sich einfach finanziell nicht leisten. Das stimmt<br />

doch nach<strong>den</strong>klich. Eine Tagesausflugsfahrt kostet<br />

normalerweise 30 bis 40 Euro. Wir <strong>können</strong> eine<br />

Tagesreise mit unserem <strong>Bus</strong> für 9 Euro zum Selbstkostenpreis<br />

anbieten. Auch hier auf unseren Fahrten<br />

bekommt man gna<strong>den</strong>los mit: Die Kluft in Deutschland<br />

zwischen <strong>den</strong>en, die viel haben und <strong>den</strong>en, die<br />

wenig haben, wird immer größer. Mein Wunsch<br />

war es, <strong>den</strong> Menschen einfach Lebensfreude zu<br />

geben! Und das habe ich voll erreicht. Unser Projekt<br />

hat bombig eingeschlagen!“ Man sieht Werner<br />

Henke seine eigene Freude und Begeisterung an.<br />

Seine Augen strahlen, er strotzt vor neuen Ideen.<br />

Zum Beispiel sei eine Fahrt mit Behinderten nach<br />

Rom geplant inklusive Papstaudienz und auch eine<br />

02.02.2012 | Nr. 5


Pilgerreise für Behinderte zum und auf dem Jakobsweg<br />

in Nordspanien. „Die Behinderten <strong>können</strong><br />

dann je nachdem, wie sie es sich zutrauen, ein<br />

Stück weit auf dem Pilgerpfad wandern, dann wer<strong>den</strong><br />

sie wieder von unserem <strong>Bus</strong> aufgenommen und<br />

betreut.“ Wenn man Werner Henke erzählen hört,<br />

möchte man bei ihm sofort als ehrenamtliche Helferin<br />

mitfahren und alles miterleben.<br />

Das <strong>Bus</strong>fahren macht <strong>den</strong> Kopf frei<br />

Ob er auch noch pharmazeutisch tätig ist, wollen<br />

wir wissen. „Ja klar“, sagt Henke. „Ich bin noch in<br />

der Apotheke meiner Frau tätig und außerdem<br />

habe ich noch die Firma Henke Pharma, einen<br />

Herstellbetrieb für sterile Arzneimittelzubereitungen.<br />

Dort bin ich nach wie vor vier Tage in der<br />

Woche tätig. Ich fahre ein- bis zweimal pro Woche<br />

<strong>den</strong> Omnibus. Da bekomme ich <strong>den</strong> Kopf frei.<br />

Wenn ich das Publikum hier erlebe, das erdet mich<br />

– und das ist mir ganz wichtig!“ Wie gut die Stimmung<br />

an Bord des <strong>Bus</strong>ses ist, beweist Henke mit<br />

einem kleinen Video auf seinem Smartphone, das<br />

einer seiner Helfer gerade auf der Fahrt von<br />

Aschaffenburg nach Stuttgart aufgenommen hat.<br />

Eine der Seniorinnen hat ihr Akkordeon dabei und<br />

musiziert, die ganze Gruppe singt, lacht und<br />

klatscht voller Inbrunst. Wirklich Lebensfreude<br />

pur!<br />

SOZiALpROjEkt<br />

Besonders dankbar sind die behinderten Kinder<br />

Warum ist es Werner Henke wichtig, <strong>den</strong> <strong>Bus</strong> selbst<br />

zu fahren? „Es macht mir einfach Spaß“, sagt der<br />

Apotheker. „Ich habe erst vor zwei Jahren <strong>den</strong> <strong>Bus</strong>führerschein<br />

gemacht. Man braucht 58 Fahrstun<strong>den</strong><br />

und eine spezielle Weiterbildung. Das ist ein großer<br />

und teurer Aufwand. Aber ich hatte Lust dazu. Und<br />

es ist ein wunderbares Gefühl, jetzt die Dankbarkeit<br />

der Menschen, die mit mir fahren, zu spüren.“ Eine<br />

besondere Form der Dankbarkeit erleben Werner<br />

Henke und seine ehrenamtlichen Begleiter, wenn<br />

sie mit Behinderten der „Lebenshilfe“ reisen. „Da<br />

wird man ganz plötzlich von behinderten Kindern<br />

geknuddelt und in <strong>den</strong> Arm genommen“, berichtet<br />

er. „Du bist mein Freund“, hätte eine behinderte<br />

ältere Dame ihm gesagt.<br />

Das Gespräch mit Werner Henke ist ein starkes<br />

Plädoyer für ehrenamtliches Engagement generell.<br />

Man spürt geradezu das Glück, das Henke im Umgang<br />

mit <strong>den</strong> Menschen, die nicht auf der Sonnenseite<br />

des Lebens stehen, empfindet. „Man kann so<br />

viel für andere tun“, sagt Henke. „Gehen <strong>Sie</strong> einfach<br />

mal zur Caritas, zur Diakonie, zum Roten<br />

Kreuz, zu <strong>den</strong> Maltesern oder zur Lebenshilfe. Fragen<br />

<strong>Sie</strong>, ob nicht für Ausflüge, zum Beispiel in <strong>den</strong><br />

Zoo, Leute gebraucht wer<strong>den</strong>, die mal einen Rollstuhl<br />

schieben. Machen <strong>Sie</strong> diese Erfahrung. <strong>Sie</strong><br />

erhalten so viel zurück!“

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