Postprison
Aus dem Jahr 2044 wird auf den Wandel zurückgeblickt, der die Abschaffung des Gefängnisses bedingte. Das Gefängnissystem beschrieb einen Knotenpunkt unserer relevantesten strukturellen Gesellschaftsprobleme, wie Rassismus, Diskriminierung, Klassenkampf, Gewalt, Hierarchie. In einer Gesellschaft, die nach Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit strebt, ist kein Platz mehr für einen Raum, der dies fördert. www.postprison.world
Aus dem Jahr 2044 wird auf den Wandel zurückgeblickt, der die Abschaffung des Gefängnisses bedingte. Das Gefängnissystem beschrieb einen Knotenpunkt unserer relevantesten strukturellen Gesellschaftsprobleme, wie Rassismus, Diskriminierung, Klassenkampf, Gewalt, Hierarchie. In einer Gesellschaft, die nach Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit strebt, ist kein Platz mehr für einen Raum, der dies fördert.
www.postprison.world
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Allem voran ging die Festlegung moralisch-ethischer Werte und
die Definition der Methoden zu deren Umsetzung. Es entwickelte sich
die Einsicht, dass nur durch das Absehen von Strafe langfristig ein menschenwürdiger
und auf lange Sicht effektiver Umgang mit Kriminalität
möglich sein wird.
Die Bestrafung als Reaktion auf Delinquenz ging auf das
„blutrünstige Grundverständnis“ 1 der letzten Jahrtausende zurück. Das
menschengemachte Bedürfnis nach Vergeltung führte zu der Annahme,
dass es keine Alternativen im Umgang mit Regelbruch geben könne.
Das Konstrukt setzte sich aus der Vergeltung, der Abschreckung und
den frühen Zügen der Resozialisierung 2 zusammen. Die Resozialisierung
diente als Legitimierung, dass das Gefängnis doch so lange Bestand
hatte und von der Gesellschaft akzeptiert wurde.
Obwohl Vergeltung und Rache bereits weit vorher als primitiv und
nicht zielführend galten, so fanden sie in der zivilisierten Gesellschaft
des 20. und 21. Jahrhunderts im Strafvollzug noch immer unter der
Rechtfertigung statt, dass sie notwendig war, um den/ die Täter:in zu
resozialisieren und von zukünftigen Taten abzuschrecken. Mittlerweile
wird vom Zufügen weiteren Leids auf ein ohnehin negatives Ereignis abgesehen.
Strafe dient nicht mehr als Reaktion auf Fehler, sie kann auch
das Zerstörte nicht wieder zurück bringen. Dabei ist nicht gemeint, dass
jemanden, der gegen die Regeln unserer Gesellschaft verstößt, keine
Konsequenzen zu erwarten hat. Weg von der Strafe, hin zur Prävention.
Weg vom Strafsystem, hin zum Reaktionssystem.
Es ist also von ganz entscheidender Bedeutung, zu erkennen, wie
Vergeltung, Schuld, Reue, Wiedergutmachung und Vergebung
zusammenhängen und wie diese Elemente dazu dienen, einerseits
und gegenseitige Verletzungen zu reduzieren und andererseits
die Bindung der Menschen zueinander zu stärken. Rache fördert
jedoch in aller Regel nur weitere Angst und Gewalt. 3
1 Ferrari, Pavarini, 2018, S. 171
2 Ehlers, 12.07.2020, Addendum
3 Galli 2020, S. 123
20