Wer schwärzt wen bei der Steuerfahndung an ... - Frank Wehrheim
Wer schwärzt wen bei der Steuerfahndung an ... - Frank Wehrheim
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Aus ga be: September 2011 · Preis: 3,85 € ZKZ 66685 www.net work-kar ri e re.com<br />
Europas größte Wirtschafts-Zeitung für Direktvertrieb<br />
<strong>Wer</strong> <strong>schwärzt</strong> <strong>wen</strong> <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong> <strong>an</strong>?<br />
Network-Karriere Interview mit Steuerfahn<strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong><br />
Bernd Seitz erreicht Einstellung des Abmahn-Wahnsinns<br />
Gentlemen’s Gentlemen s Agreement unter den streitenden Parteien<br />
Beat und Anita Ambord steigen <strong>bei</strong> CT Well ein<br />
Christophe Thom<strong>an</strong>n nimmt Gesellschafter auf<br />
<strong>Wer</strong>te als absolutes Muss<br />
Energetix Bingen und Jaffra als weitere <strong>Wer</strong>tekultur-Award-Gewinner<br />
<strong>Wer</strong>tekultur Award Gewinner<br />
Direktvertrieb stark für fairen Wettbewerb<br />
Österreichs Direktvertrieb tritt Schutzverb<strong>an</strong>d <strong>bei</strong><br />
Tun Sie sich was Gutes, lesen Sie was Gutes: Die Network-Karriere.
Titelgeschichte<br />
www.net work-kar ri e re.com l September 2011 Sei te 17<br />
„Steuerhinterzieher scheitern meist <strong>an</strong> Gier,<br />
Eitelkeit und <strong>der</strong> eigenen Dummheit“<br />
Steuerfahn<strong>der</strong> Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong> über die Ar<strong>bei</strong>tsweise <strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong><br />
Die Network-Karriere hat in<br />
den verg<strong>an</strong>genen sieben Jahren<br />
sehr viele, stark beachtete, viel<br />
zitierte und oftmals auch heiß<br />
diskutierte Titelseiten-Interviews<br />
veröffentlicht. Viele hoch -<br />
karätige Persönlichkeiten aus<br />
Politik, Wirtschaft, Org<strong>an</strong>isationen,<br />
Kirchen, Unterhaltung,<br />
sozialen Einrichtungen und Be -<br />
hörden st<strong>an</strong>den für unsere Leserinnen<br />
und Leser Rede und<br />
Antwort. Wohl keine <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />
Wirtschafts-Fachzeitung k<strong>an</strong>n<br />
auf ein solch breites Spektrum<br />
ausgesuchter Interviewpartner<br />
zurückblicken. Auch in <strong>der</strong> Zukunft<br />
werden wir dieses erfolgreiche<br />
Konzept <strong>der</strong> Titelseiten-Interviews<br />
fortsetzen und<br />
mit Persönlichkeiten aufwarten,<br />
die etwas zu sagen haben.<br />
Network-Karriere-Herausgeber<br />
Bernd Seitz hat<br />
sich für diese Aussage<br />
mit einem M<strong>an</strong>n unterhalten, dessen<br />
Name und Gesicht wohl die<br />
<strong>wen</strong>igsten in unserem L<strong>an</strong>d kennen,<br />
<strong>der</strong> aber schon viel für dieses<br />
L<strong>an</strong>d bewegt hat, <strong>wen</strong>ngleich<br />
es wohl niem<strong>an</strong>d gibt, <strong>der</strong> ihn <strong>bei</strong><br />
seiner bisherigen Ar<strong>bei</strong>t kennen<br />
lernen wollte: Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong> war<br />
bisher einer <strong>der</strong> erfolgreichs ten<br />
Steuerfahn<strong>der</strong> <strong>der</strong> Republik und<br />
hat ein Buch über das geschrieben,<br />
das er am besten kennt: die <strong>Steuerfahndung</strong>.<br />
Das Buch liest sich<br />
wie ein Thriller, besteht aber aus<br />
250 Seiten Tatsachenberichten –<br />
zum Teil mit den richtigen Namen<br />
<strong>der</strong> betroffenen Steuersün<strong>der</strong>.<br />
Network-Karriere: Geht es <strong>bei</strong><br />
den Einsätzen <strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong><br />
wirklich so zu, wie wir es<br />
vom Fernsehen kennen: überfallartiger<br />
Einsatz im Morgengrauen,<br />
flüchtende Verdächtige<br />
und Hun<strong>der</strong>te Umzugskartons<br />
mit belastenden Akten?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Bei größeren<br />
Verfahren ist das tatsächlich so.<br />
Gerade Großverfahren sind in <strong>der</strong><br />
Regel gemeinsame Aktionen mehrerer<br />
Ermittlungsbehörden – <strong>bei</strong>spielsweise<br />
Kriminalpolizei, LKA,<br />
BKA, aber auch Zoll und Ar<strong>bei</strong>tsämter.<br />
Den eines muss m<strong>an</strong> wissen:<br />
Nicht selten geht es neben<br />
<strong>der</strong> Steuerhinterziehung um Untreue,<br />
Betrug, Zollvergehen, also<br />
um eine g<strong>an</strong>ze Palette aus dem<br />
Strafgesetzbuch. Bei kleineren Fällen<br />
haben wir – <strong>wen</strong>n dies möglich<br />
war – selbstverständlich darauf<br />
geachtet, diskret und umsichtig<br />
zu agieren. Die <strong>Steuerfahndung</strong><br />
hat die Aufgabe, den Bürgern auf<br />
die Schliche zu kommen, die im<br />
großen Stil Steuern hinterzogen<br />
haben – <strong>an</strong> den Pr<strong>an</strong>ger will m<strong>an</strong><br />
diese Menschen jedoch nicht stellen.<br />
NK: Otto Normalsteuerzahler,<br />
ob Unternehmer o<strong>der</strong> Angestellter,<br />
bleibt schon die Luft weg,<br />
<strong>wen</strong>n sich <strong>der</strong> Steuerprüfer vom<br />
Fin<strong>an</strong>zamt <strong>an</strong>kündigt, um die<br />
Bücher <strong>der</strong> letzten Jahre zu prüfen.<br />
Wohl auch wissend, dass<br />
er trotz sorgfältigster Buchhaltung<br />
irgendetwas zu be<strong>an</strong>st<strong>an</strong>den<br />
haben wird. Was muss passiert<br />
sein, dass die <strong>Steuerfahndung</strong><br />
ausrückt?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: In <strong>der</strong> Regel<br />
die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen<br />
Ermittlungsverfahrens<br />
und dafür muss <strong>der</strong> begründete<br />
Verdacht <strong>der</strong> Steuerhinterziehung<br />
gegeben sein. Hier<strong>bei</strong> sprechen<br />
wir nicht von den Bürgern, die in<br />
ihrer Steuererklärung ein paar Kilometer<br />
Ar<strong>bei</strong>tsweg zu viel <strong>an</strong>gegeben<br />
o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>bücher als Büromaterial<br />
deklariert haben. Solche<br />
Fälle regelt das Fin<strong>an</strong>zamt auf<br />
dem kleinen Dienstweg. Die <strong>Steuerfahndung</strong><br />
beschäftigt sich in <strong>der</strong><br />
Regel mit den „dicken Fischen“,<br />
wie m<strong>an</strong> so schön sagt. Da geht<br />
es normalerweise um sechs- o<strong>der</strong><br />
siebenstellige Beträge und um<br />
Die Villa am Meer, teure Autos und ein Luxusleben … versteuertes<br />
Einkommen und Ausgaben müssen sich decken.<br />
© Layout & Text: GkM Zentralredaktion GmbH<br />
ein gehöriges Maß <strong>an</strong> krimineller<br />
Energie. Nur d<strong>an</strong>n erhalten Steuerfahn<strong>der</strong><br />
einen richterlichen<br />
Durchsuchungsbeschluss, mit dem<br />
sie d<strong>an</strong>n eines Tages unerwartet<br />
vor <strong>der</strong> Tür stehen. Übrigens ohne<br />
Trenchcoat und hochgestelltem<br />
Kragen – diese Form <strong>der</strong> Inszenierung<br />
überlassen wir <strong>der</strong> Filmindustrie.<br />
NK: Nun steht es ja nicht auf<br />
<strong>der</strong> Stirn <strong>der</strong> Steuerpflichtigen,<br />
<strong>wen</strong>n sie kleinere o<strong>der</strong> größere<br />
Summen am Fin<strong>an</strong>zamt vor<strong>bei</strong><br />
schaffen, also den Staat betrügen.<br />
Wie kommt das Fin<strong>an</strong>zamt<br />
bzw. d<strong>an</strong>n die <strong>Steuerfahndung</strong><br />
darauf, dass nicht alles<br />
mit rechten Dingen zugeht?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: M<strong>an</strong> sollte die<br />
Fin<strong>an</strong>zverwaltung nicht unterschätzen.<br />
Ob das nun Betriebso<strong>der</strong><br />
Konzernprüfer sind o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
so gen<strong>an</strong>nte kleine Fin<strong>an</strong>zbeamte<br />
– ein nicht geringer Teil <strong>der</strong> Fälle<br />
kommt über aufmerksame Kollegen<br />
auf den Weg, die in ihrer täglichen<br />
Ar<strong>bei</strong>t auf geschickt verschleierte<br />
Buchhaltungstricks stoßen<br />
und diese Fälle – <strong>wen</strong>n die<br />
eigenen Mittel versagen – d<strong>an</strong>n<br />
<strong>an</strong> die Fahndung weitergeben.<br />
Denn nur die Steuerfahn<strong>der</strong> haben<br />
als Hilfsbeamte <strong>der</strong> Staats<strong>an</strong>waltschaft<br />
das Recht, Durchsu-<br />
chungen durchzuführen. Was ein<br />
Fin<strong>an</strong>zbeamter o<strong>der</strong> Betriebsprüfer<br />
am grünen Tisch nicht lösen<br />
k<strong>an</strong>n, geht ab einer bestimmten<br />
Größe <strong>an</strong> die <strong>Steuerfahndung</strong>. Ein<br />
weiterer Teil <strong>der</strong> Fälle gel<strong>an</strong>gt –<br />
wie in meinem Buch ausführlich<br />
beschrieben – über aufmerksame<br />
Zoll- o<strong>der</strong> Polizeibeamte auf unsere<br />
Tische – o<strong>der</strong>, und das ist<br />
nicht zu verachten – durch Hinweise<br />
betrogener Ehefrauen und<br />
enttäuschter Mitar<strong>bei</strong>ter.<br />
NK: Erzählen Sie doch etwas<br />
mehr über solch typischen Stol -<br />
perfallen <strong>der</strong> Steuersün<strong>der</strong> …<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: In dem Buch<br />
„Inside <strong>Steuerfahndung</strong>“ beschreibe<br />
ich <strong>bei</strong>spielsweise den Fall eines<br />
H<strong>an</strong>dwerkers. Er macht die<br />
Ar<strong>bei</strong>t auf den Baustellen, die Ehefrau<br />
kümmert sich um die Buchhaltung.<br />
Nach Jahrzehnten des<br />
gemeinsamen Schaffens – und<br />
erfolgreichen Hinterziehens – widmet<br />
sich <strong>der</strong> Ehem<strong>an</strong>n einer jüngeren<br />
Frau und die enttäuschte<br />
Gattin „nagelt den M<strong>an</strong>n <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
Fahndung <strong>an</strong> die W<strong>an</strong>d“. Und obwohl<br />
sie als Buchhalterin die Hinterziehungen<br />
gemauschelt hat,<br />
geht sie durch eine Selbst<strong>an</strong>zeige<br />
straffrei aus. Der M<strong>an</strong>n hingegen,<br />
auf dessen Namen die Firma läuft,<br />
wird bestraft und muss zahlen …
Sei te 18 www.net work-kar ri e re.com l September 2011<br />
Titelgeschichte<br />
NK: Welche Fälle gibt es noch?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Die meisten<br />
Steuerhinterzieher scheitern <strong>an</strong><br />
Gier, <strong>an</strong> ihrer Eitelkeit und <strong>der</strong> häufig<br />
damit einhergehenden Dumm -<br />
heit. Ein Unternehmer <strong>bei</strong>spielsweise<br />
hinterzieht über die Jahre<br />
Ein bisschen zu viel. Am Zoll strömt<br />
dem Grenzbeamten <strong>der</strong> wohlige<br />
Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen<br />
entgegen, er filzt das Auto,<br />
findet Kaffee, Zigaretten – und<br />
B<strong>an</strong>kbelege. Den Rest k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong><br />
sich denken, aber ich würde ver-<br />
Die Geldwäsche: Neuralgische Ansatzpunkte für die Steuerfahnung.<br />
hinweg höchst raffiniert und auch<br />
erfolgreich Steuern in siebenstelliger<br />
Höhe. Das Schwarzgeld liegt<br />
– gut <strong>an</strong>gelegt – in <strong>der</strong> Schweiz.<br />
Einmal im Jahr fährt er nach Zürich,<br />
um sich seine B<strong>an</strong>kauszüge <strong>an</strong>zusehen<br />
und da in <strong>der</strong> kleinen Alpenrepublik<br />
Kaffee und Zigaretten<br />
so billig sind, kauft er auf dem<br />
Heimweg noch ein bisschen ein.<br />
muten, dass dies die teuersten<br />
Zigaretten <strong>der</strong> Welt gewesen sein<br />
dürften …<br />
NK: Wie ist das mit Denunzi<strong>an</strong>ten?<br />
Finden diese <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong><br />
ohne weiteres Gehör?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Nennen wir<br />
diese Menschen doch besser<br />
Hinweisgeber! Die Anzeigen wer-<br />
den natürlich zunächst einmal auf<br />
ihre Plausibilität geprüft. Dazu werden<br />
die vorh<strong>an</strong>denen Akten hinzugezogen<br />
und mit <strong>der</strong> vorliegenden<br />
Anzeige abgeglichen, denn<br />
Steuerfahn<strong>der</strong> ermitteln nicht<br />
leichtfertig. In <strong>der</strong> Regel muss m<strong>an</strong><br />
aber davon ausgehen, dass die<br />
Hinweise durchaus „gehaltvoll“<br />
sind. Und es sind schließlich nicht<br />
immer nur neidische Nachbarn<br />
o<strong>der</strong> „gehörnte“ Ehepartner. Wir<br />
hatten <strong>bei</strong>spielsweise den Fall eines<br />
Zugfahrers, den ich auch in<br />
aller Ausführlichkeit in meinem<br />
Buch schil<strong>der</strong>e. Kurz erzählt h<strong>an</strong>delte<br />
es sich hier um einen M<strong>an</strong>n,<br />
dessen Gegenüber auf einer längeren<br />
Zugfahrt schil<strong>der</strong>te, wie er<br />
erfolgreich den Staat um die Steuern<br />
geprellt hat. Dieser M<strong>an</strong>n war<br />
– ähnlich wie <strong>der</strong> Zug – so richtig<br />
in Fahrt und naturgemäß stolz auf<br />
seine schlauen Steuertricks. Und<br />
zum Abschied überreichte er unserem<br />
Hinweisgeber auch noch<br />
seine Visitenkarte, weil m<strong>an</strong> sich<br />
doch so sympathisch war. Nur,<br />
unserem ehrlichen Zuggast war<br />
dieses Gebaren g<strong>an</strong>z und gar nicht<br />
sympathisch und <strong>der</strong> M<strong>an</strong>n erstattete<br />
eine Anzeige <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong>.<br />
Dumm gelaufen o<strong>der</strong><br />
sollte m<strong>an</strong> dumm gefahren sagen?<br />
NK: Von den Einsätzen <strong>der</strong> Steu -<br />
erfahn<strong>der</strong> erfahren wir in den<br />
Medien meist nur, <strong>wen</strong>n es sich<br />
um spektakuläre Fälle h<strong>an</strong>delt,<br />
in die prominente Persönlichkeiten<br />
o<strong>der</strong> bek<strong>an</strong>nte Unterneh-<br />
men verwickelt sind. Was waren<br />
Ihre bedeutendsten Fälle,<br />
<strong>bei</strong> denen es um wirklich große<br />
Summen ging, die d<strong>an</strong>n schlussendlich<br />
nachbezahlt werden<br />
mussten?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Das waren die<br />
Fälle, die aus den Feststellungen<br />
<strong>der</strong> B<strong>an</strong>kenverfahren in den 90er-<br />
Jahren resultierten. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Durchsuchung <strong>der</strong> Commerzb<strong>an</strong>k-Zentrale<br />
in Fr<strong>an</strong>kfurt erbrachte<br />
mehr als eine Milliarde Mark<br />
<strong>an</strong> Nachzahlungen – durch die<br />
ermittelten Kunden <strong>der</strong> B<strong>an</strong>k und<br />
durch das Kreditinstitut selbst.<br />
NK: Sie erwähnten es bereits:<br />
Die B<strong>an</strong>kensk<strong>an</strong>dale im Zusammenh<strong>an</strong>g<br />
mit Milliardenverschiebungen<br />
in die Schweiz<br />
und nach Luxemburg wurden<br />
von Ihnen und Ihren Fr<strong>an</strong>kfurter<br />
<strong>Steuerfahndung</strong>skollegen bear<strong>bei</strong>tet.<br />
Zum Teil ist es Ihnen gelungen,<br />
für den Staat Millionen<br />
zurück zu holen, in <strong>an</strong><strong>der</strong>en Fällen<br />
mussten Sie mehr o<strong>der</strong> <strong>wen</strong>iger<br />
tatenlos zusehen, wie von<br />
„g<strong>an</strong>z oben“ so m<strong>an</strong>chem Steu -<br />
erflüchtling die „Maschen des<br />
Zauns“ geöffnet wurden. Wenn<br />
m<strong>an</strong> Ihr Buch gelesen hat,<br />
kommt m<strong>an</strong> zu <strong>der</strong> Überzeugung,<br />
dass es <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Verfolgung<br />
von Steuer-Strafsachen<br />
zweierlei Leute gibt: die Schuldigen<br />
und die, die gute Kontakte<br />
haben. Ist das so?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Nun, diese Spe -<br />
kulationen überlasse ich Ihnen,<br />
dar<strong>an</strong> will ich mich nicht beteiligen.<br />
Aber in dem Buch wird tatsächlich<br />
eine Amtsverfügung beschrieben,<br />
die Auslöser für Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzungen<br />
innerhalb <strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong>sstelle<br />
Fr<strong>an</strong>kfurt war, und die<br />
auch zu einem weitgehend ergebnislosen<br />
Untersuchungsausschuss<br />
geführt hat. Kern dieser Verfügung<br />
war, dass wir gezwungen werden<br />
sollten, den Anf<strong>an</strong>gsverdacht für<br />
Steuerhinterziehung so weit nach<br />
oben zu korrigieren, dass im Grun -<br />
de nur noch <strong>wen</strong>ige Fälle <strong>bei</strong> uns<br />
auf dem Tisch gel<strong>an</strong>det wären,<br />
weil <strong>bei</strong> guter Beratung kaum ein<br />
prominenter o<strong>der</strong> einflussreicher<br />
„Steuerhinterzieher“ in die Maschen<br />
<strong>der</strong> Behörde geraten wäre.<br />
An<strong>der</strong>s formuliert: Durch den<br />
hochgesetzten Anf<strong>an</strong>gsverdacht<br />
war es denjenigen Bürgern, die<br />
sich gute Anwälte o<strong>der</strong> Steuerberater<br />
leisten konnten, weiterhin<br />
möglich, im größeren Stil Geld ins<br />
Ausl<strong>an</strong>d zu schaffen. M<strong>an</strong>che bundesdeutschen<br />
Steuerfahn<strong>der</strong>, zu<br />
denen wir ja gute Kontakte hatten,<br />
sprachen von einer hessischen<br />
Steuersün<strong>der</strong>amnestie und diese<br />
Verfügung hatte nach Auffassung<br />
verschiedener Medien ihren Ausg<strong>an</strong>gspunkt<br />
in <strong>der</strong> Politik. Ein Beweis<br />
dafür konnte jedoch auch in<br />
einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss<br />
nicht erbracht<br />
werden.<br />
NK: Sie schreiben in Ihrem Buch<br />
recht frei und offen über Politiker,<br />
die sich schon mal über<br />
(Steuer-)Recht und Ordnung<br />
hinwegsetzen, <strong>wen</strong>n es um die<br />
eigenen Interessen geht. <strong>Wer</strong><br />
kontrolliert in unserem Staate<br />
<strong>wen</strong>, o<strong>der</strong> lassen sich ab gewissen<br />
beruflichen o<strong>der</strong> gesell-<br />
© Layout & Text: GkM Zentralredaktion GmbH<br />
<strong>Wer</strong> die Ehefrau und gleichzeitig das Fin<strong>an</strong>zamt betrügt, muss damit<br />
rechnen, dass dies nicht l<strong>an</strong>ge gut geht. Viele Steuersün<strong>der</strong> werden<br />
von <strong>der</strong> eigenen Ehefrau <strong>an</strong>ge<strong>schwärzt</strong>.<br />
schaftlichen Positionen die Dinge<br />
á la B<strong>an</strong><strong>an</strong>enrepublik „passend<br />
machen“?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: So frei und offen<br />
ich eben konnte. In meinem<br />
Buch werden die Versuche beschrieben,<br />
in <strong>der</strong> die Legislative<br />
durch Gesetzesän<strong>der</strong>ungen versucht,<br />
Judikative und Exekutive<br />
auszuhebeln. Wie sich Fin<strong>an</strong>zbeamte<br />
o<strong>der</strong> Steuerfahn<strong>der</strong> da<strong>bei</strong><br />
fühlen, k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sich denken. Sie<br />
halten <strong>an</strong> <strong>der</strong> „Steuerfront“ ihre<br />
Köpfe hin, for<strong>der</strong>n von den Bürgern<br />
Steuermoral und „schnüffeln“<br />
im Staatsauftrag hinter all jenen<br />
her, die es mit dieser Moral nicht<br />
g<strong>an</strong>z so ernst nehmen. Und d<strong>an</strong>n<br />
muss m<strong>an</strong> sich sagen lassen: „Was<br />
wollt ihr denn von uns? Die da<br />
oben tun es doch auch! Holt euch<br />
doch die wirklich großen Fische,<br />
die Minister, K<strong>an</strong>zler, Ministerpräsidenten<br />
und Parteivorsitzenden<br />
und hackt nicht nur auf dem kleinen<br />
M<strong>an</strong>n herum.“ Da kam <strong>bei</strong><br />
mir o<strong>der</strong> auch meinen Kollegen<br />
gelinde gesprochen eine gewisse<br />
Parteienverdrossenheit auf. Wir<br />
hatten zwei große Parteispenden-<br />
Sk<strong>an</strong>dale in unserer Republik, wir<br />
haben einen wegen Steuerhinterziehung<br />
verurteilten Bundesinnenminister,<br />
einen ehemaligen Bundesk<strong>an</strong>zler,<br />
<strong>der</strong> sich bis heute auf<br />
ein Ehrenwort beruft und seine<br />
Hintermänner bewusst einer allfälligen<br />
Strafverfolgung entzieht<br />
… Was soll m<strong>an</strong> da als Bürger,<br />
Beamter und Steuerfahn<strong>der</strong> denn<br />
noch denken? Wie konnte die Vorbildfunktion<br />
dieser Menschen <strong>der</strong>art<br />
auf <strong>der</strong> Strecke bleiben? Zum<br />
Wohl <strong>der</strong> Partei und somit auch<br />
zum Wohl des Machterhalts –<br />
denn mit den hinterzogenen Steuern<br />
wurden schließlich g<strong>an</strong>ze Wahlkämpfe<br />
fin<strong>an</strong>ziert – kam jegliche<br />
staatsbürgerliche Moral unter die<br />
Rä<strong>der</strong>. Und <strong>der</strong> so gen<strong>an</strong>nte kleine<br />
M<strong>an</strong>n musste d<strong>an</strong>n auch noch<br />
zusehen, wie versucht wurde, Ge -<br />
setze nachträglich so zu än<strong>der</strong>n,<br />
damit die mächtigen Drahtzieher<br />
£ Zur Person<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong> wurde 1949 in<br />
Bad Homburg geboren. Nach<br />
seiner Ausbildung im gehobenen<br />
Dienst war er von 1971 bis<br />
2009 Beamter <strong>bei</strong> <strong>der</strong> hessischen<br />
L<strong>an</strong>desfin<strong>an</strong>zverwaltung.<br />
Davon war er 28 Jahre, von 1975<br />
bis 2003, im <strong>Steuerfahndung</strong>sdienst.<br />
Zuletzt war er als Oberamtsrat<br />
(OAR) Sachgebietsleiter<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong> in<br />
Erfurt und Fr<strong>an</strong>kfurt am Main.<br />
Seit Mai 2009 ist Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong><br />
als Steuerberater in Bad<br />
Homburg v.d.H. nie<strong>der</strong>gelassen.<br />
Er ist spezialisiert auf:<br />
l Einkommenssteuer<br />
l Betriebliche Steuern<br />
l Unternehmenssteuern<br />
Zudem ist er kompetenter Berater<br />
für:<br />
l Steuerstrafrecht<br />
l Erbschaft- und Schenkungsteuer<br />
l Betriebsprüfungen, Vollstre -<br />
ckung<br />
l Insolvenzrecht<br />
l Revisionen<br />
l Ungeklärte Geldflüsse und<br />
Vermögensverschiebungen<br />
l Ermittlungen <strong>bei</strong> Korruption,<br />
Untreue, Betrug etc.<br />
Durch seine l<strong>an</strong>gjährige Berufserfahrung<br />
und sein fundiertes<br />
Fachwissen ist Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong><br />
Experte auf diesen Gebieten.
Titelgeschichte<br />
nicht zur Rechenschaft gezogen<br />
werden können. Für unseren Staat,<br />
für die Bürger und für uns Fin<strong>an</strong>zbeamte<br />
waren die Parteispendenaffären<br />
verheerend.<br />
NK: Sie und eine g<strong>an</strong>ze Reihe<br />
erfahren<strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong>skollegen,<br />
die m<strong>an</strong> sicher als<br />
hoch spezialisierte und wohl<br />
auch teuer ausgebildete Fachkräfte<br />
bezeichnen k<strong>an</strong>n, wurden<br />
systematisch beruflich demontiert,<br />
weil Sie gewisse, für<br />
den Staat schädliche Anordnungen<br />
„von oben“ nicht befolgen<br />
wollten und dagegen<br />
Rechts mittel eingelegt hatten.<br />
Wie geht das ab in den Amtsstuben<br />
<strong>der</strong> oberen Fin<strong>an</strong>zbehörden?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Wie es in einer<br />
<strong>Steuerfahndung</strong>sstelle abgeht, ist<br />
im letzten Kapitel meines Buches<br />
mit <strong>der</strong> Überschrift „Tatort <strong>Steuerfahndung</strong>“<br />
ausführlich beschrieben.<br />
Es wird scharf geschossen,<br />
um es einmal in <strong>der</strong> Kriegssprache<br />
auszudrücken. „Friendly fire“<br />
nennt m<strong>an</strong> das d<strong>an</strong>n heutzutage<br />
o<strong>der</strong> Kollateralschäden, <strong>wen</strong>n engagierte,<br />
kritische Beamte kaltgestellt<br />
werden. Hier sind schmutzige<br />
und unfaire Dinge geschehen,<br />
die einem den letzten Rest Glauben<br />
<strong>an</strong> unsere Demokratie zu<br />
rauben drohten. All dies versucht<br />
ein zweiter, <strong>der</strong>zeit laufen<strong>der</strong> ParlamentarischerUntersuchungsausschuss<br />
in Hessen zu klären. Vier<br />
meiner ehemaligen Kollegen, die<br />
sich gegen die oben beschriebene<br />
strittige Amtsverfügung ausgespro-<br />
chen haben, wurden am Ende<br />
über ein psychiatrisches Gutachten<br />
für lebenslänglich dienstunfähig<br />
geschrieben. Gutachten, für die<br />
<strong>der</strong> ver<strong>an</strong>twortliche Mediziner vor<br />
einem ordentlichen deutschen<br />
Gericht zwischenzeitlich verurteilt<br />
worden ist.<br />
NK: Sie und einige ihrer Kollegen<br />
wurden wegen ihrer kritischen<br />
Haltung zu Dienst<strong>an</strong>weisungen<br />
<strong>der</strong> Obrigkeit zunächst<br />
sozusagen strafversetzt in den<br />
normalen Fin<strong>an</strong>zamtdienst. Ob -<br />
wohl o<strong>der</strong> gerade weil Ihnen<br />
deutsche Gerichte das Recht zusprachen,<br />
gewisse Anordnungen<br />
nicht umzusetzen, da sie<br />
gegen die Gesetze des L<strong>an</strong>des<br />
www.net work-kar ri e re.com l September 2011 Sei te 19<br />
sprachen, ist es den Vorgesetzten<br />
auf Anweisung „von g<strong>an</strong>z<br />
oben“ gelungen, eine g<strong>an</strong>ze Abteilung<br />
aus dem Dienst zu mobben.<br />
Wie geht denn das?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Das funktioniert<br />
mit Weisungen, Umsetzungen<br />
und Versetzungen. Ich selbst<br />
durfte <strong>bei</strong>spielsweise, nachdem<br />
ich in den hoch komplizierten B<strong>an</strong> -<br />
kenverfahren maßgeblich <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
Milliardennachzahlung beteiligt<br />
war, plötzlich Kirchensteuerfälle in<br />
zweistelliger Höhe bear<strong>bei</strong>ten. So<br />
etwas ist natürlich nicht verboten,<br />
aber m<strong>an</strong> fragt sich schon, ob das<br />
nicht mit unserer kritischen Haltung<br />
gegenüber dieser besagten Amtsverfügung<br />
zu tun haben könnte.<br />
Für diese Vermutung muss m<strong>an</strong><br />
meiner Meinung nach kein Anhänger<br />
abstruser Verschwörungstheorien<br />
sein. Es kam – nur <strong>bei</strong><br />
jenen Kollegen, die aufbegehrt<br />
hatten – zu erstaunlichen Formen<br />
von Mobbing , und ich hoffe, dass<br />
sich einiges davon in dem Aus-<br />
B<strong>an</strong><strong>an</strong>enrepublik: Hochspezialisierte Steuerfahn<strong>der</strong> wurden zur Lohnsteuerprüfung abgeschoben weil<br />
sie Politikern un<strong>an</strong>genehme Fragen stellten.<br />
schuss klären lässt und für die Zukunft<br />
eine Wie<strong>der</strong>holung solcher<br />
Vorgehensweisen ausgeschlossen<br />
werden k<strong>an</strong>n. Nur darum geht es<br />
letztlich: So etwas darf in <strong>der</strong> deutschen<br />
Verwaltung nicht passieren!<br />
Wir leben in Mitteleuropa und<br />
nicht in Mittelamerika.<br />
NK: Sie haben mit 60 Jahren<br />
nicht aufgehört zu ar<strong>bei</strong>ten,<br />
© Layout & Text: GkM Zentralredaktion GmbH<br />
aber Sie haben das Lager gewechselt<br />
und sind nun ein Steuerberater,<br />
<strong>der</strong> alle Methoden<br />
und Geheimnisse <strong>der</strong> <strong>Steuerfahndung</strong><br />
kennt. Und auch in<br />
Ihrem Buch k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> ja schon<br />
allerh<strong>an</strong>d über die Ar<strong>bei</strong>t <strong>der</strong><br />
<strong>Steuerfahndung</strong> erfahren. Ist<br />
das nun Ihre g<strong>an</strong>z persönliche<br />
Abrechnung mit gewissen Leuten?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Es gibt keine<br />
persönliche Abrechnung. Dieses<br />
Buch ist <strong>der</strong> Versuch, meiner ehemaligen<br />
Verwaltung da zu helfen,<br />
wo sie offensichtlich versagt: im<br />
Krisenm<strong>an</strong>agement, in <strong>der</strong> Aufar<strong>bei</strong>tung<br />
von fehlerhaftem Verhalten<br />
und im Umg<strong>an</strong>g mit seinen<br />
Beamten, die außerordentlich gute<br />
Ar<strong>bei</strong>t geleistet haben. Es ist auch<br />
<strong>der</strong> Versuch, meinen vier für verrückt<br />
erklärten Kollegen eine Möglichkeit<br />
zu geben, mit ihrer ungeheuerlichen<br />
Geschichte zu Wort<br />
zu kommen.<br />
NK: Aus Sicht Ihrer l<strong>an</strong>gjährigen<br />
Ar<strong>bei</strong>t als Steuerfahn<strong>der</strong>:<br />
Gibt es die perfekte Steuerhinterziehung,<br />
<strong>wen</strong>n m<strong>an</strong> es nur<br />
richtig pl<strong>an</strong>t und umsetzt?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: In dem Buch<br />
sind einige sehr interess<strong>an</strong>te Hinterziehungsfälle<br />
beschrieben, die<br />
nur durch Zufall entdeckt werden<br />
konnten und <strong>der</strong> perfekten Steuerhinterziehung<br />
– aus meiner<br />
Sicht – doch sehr nahe gekommen<br />
sind.<br />
NK: Sie gehen in Ihrem Buch<br />
recht offen mit Namen von be-<br />
troffenen Personen und Unternehmen<br />
um. Befürchten Sie eigentlich<br />
keine Rache?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Nein, alle namentlich<br />
bezeichneten Fälle st<strong>an</strong>den<br />
ohnehin schon in den Medien.<br />
An all den <strong>an</strong><strong>der</strong>en Stellen<br />
haben wir g<strong>an</strong>z bewusst Personen<br />
und Orte unkenntlich gemacht.<br />
NK: Das heißt, ich muss nach<br />
diesem Interview nicht damit<br />
rechnen, dass in Kürze die <strong>Steuerfahndung</strong><br />
<strong>bei</strong> mir vor <strong>der</strong> Türe<br />
steht?<br />
Fr<strong>an</strong>k <strong>Wehrheim</strong>: Wenn Sie brav<br />
und ehrlich Ihre Einkünfte <strong>an</strong>geben,<br />
würde ich nicht davon ausgehen.<br />
Vielleicht k<strong>an</strong>n ich Sie ja in<br />
einem zweiten Interview zu Ihrer<br />
Steuererklärung befragen. Mal sehen,<br />
was wir davon d<strong>an</strong>n veröffentlichen<br />
können (lacht).<br />
£<br />
Buchtipp<br />
Gebundenes Buch April 2011<br />
Verlag: Riva Verlag<br />
Seiten<strong>an</strong>zahl: 250<br />
ISBN: 9783868831054