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DER BÖCKER - Ausgabe 5 Herbst/Winter 2020

Ausgabe Herbst/Winter 2020

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10 HOMESTORY

In Düsseldorf Lohausen steht ein Stück Zeitgeschichte

in stählernem Gewand, von dem es

bundesweit nur noch ca. 40 Stück gibt. Nach

Ende des Zweiten Weltkriegs musste schnell und

günstig Wohnraum bereitgestellt werden. Die

Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG, besser

bekannt unter dem Namen M.A.N., entwickelte

deshalb zwischen 1948 und 1953 Stahl-Fertighäuser,

die auf kompaktem Raum funktionales,

aber dennoch komfortables Wohnen ermöglichten

und sich ganz nach den Bedürfnissen des

Bewohners konstruieren ließen.

Zu Hause bei

Silke Knippschild-Euchler

und Andreas Euchler

Harte

Schale,

weicher

Kern

Es hat die Besitzerin an „das

Haus vom Nikolaus“ erinnert.

Chance, Risiko und auch jede Menge Naivität

Auch wenn der Begriff „Stahlfertighaus“ nicht unmittelbar

auf Wohnlichkeit und Charme schließen

lässt, war es für Silke Knippschild-Euchler (52)

Liebe auf den ersten Blick, als sie 2013 zum ersten

Mal das Siedlerhäuschen aus dem Jahr 1952 im

beschaulichen Lohausen betrat. Das Haus habe sie

an „das Haus vom Nikolaus“ erinnert – vollkommen

symmetrisch und von der Form so, wie ein

Kind es malen würde. Ihr Mann Andreas Euchler

(55) ist heute noch beeindruckt von ihrem Vorstellungsvermögen,

als beide erstmals in dem sanierungsbedürftigen

Häuschen standen. Andreas gibt

zu, er habe zunächst nur die Arbeit gesehen, denn

das, zuvor gewerblich genutzte Haus, versprühte

wenig Wohnlichkeit. „So eine alte Bestandsimmobilie

hält immer eine Überraschung bereit“, sagt er,

doch die Unverbaubarkeit des ca. 800 Quadratmeter

großen Gartens und die idyllische Nachbarschaft

überzeugten ihn letztendlich. „Da war eine

Chance, ein bisschen Risiko und auch eine ordentliche

Portion Naivität im Spiel“, erinnert er sich.

Raffinierte Baukonstruktion trifft auf

architektonischen Anspruch

Seit ihrem Einzug 2014 renoviert das Paar behutsam

mit viel Liebe ihr stählernes Häuschen,

das aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit

Kompromisse bei der gestalterischen Umsetzung

verlangt. Die vorgefertigten Wandelemente wurden

damals vor Ort auf ein gemauertes Fundament

Fotos: Andreas Endermann

Aus einem Kinderzimmer

wurde ein großzügiges

Badezimmer

gesetzt und mit der Stahlrahmenkonstruktion

verschraubt. Die für damalige Zeit innovative und

erste Fertigbaukonstruktion mit einem 20 cm

starken Wand-Aufbau, bestehend aus der Stahlaussenhaut,

einer Hinterlüftung, einem Dämmpaket

und der Holzfaser-Innenverkleidung, hatte

einen K-Wert vergleichbar mit einem 80 cm

dicken Mauerwerk. Da einzig die Außenwände

tragende Funktion haben, hatten Silke und

Andreas freie Hand bei der räumlichen Aufteilung

ihrer vier Wände. Wo einst die Küche war, befindet

sich jetzt das Gästebad. Die nun lichtdurchflutete

Küche wurde erweitert und mit einer Schiebetür

vom gemütlichen Ess- und Wohnbereich getrennt.

Das ehemalige Kinderzimmer im Obergeschoss

ist jetzt einem Badezimmer mit großzügiger

Badewanne gewichen. Bei ihren Restaurationsarbeiten,

so berichten beide, kamen auch einige

kuriose Relikte aus ferner Vergangenheit zu Tage,

wie beispielsweise ein Schrank mit integriertem

Lüftungssystem, der in den 50er Jahren als Kühlschrank

diente.

Ein moderner Look mit dem Charme

vergangener Zeiten

Besonders wichtig ist dem Paar bei ihren Renovierungsarbeiten,

dass das Erscheinungsbild des

Hauses so erhalten bleibt, wie es einst war – „nur

zeitgemäß“ sagt Silke. Die charakteristische Lattung

der Stahlaußenhaut, die auf den ersten Blick an die

Holzverschalungen nordamerikanischer Stadthäuschen

erinnert, ist geblieben wie auch die originalen

Fensterläden, die mit Hilfe eines speziellen Tauchbades

und einem frischen Anstrich nun in modernem

Grau erstrahlen. Auch die charmant knarrenden

Dielenböden im Obergeschoss sind noch

EIN LANG GEHEGTER TRAUM

aus dem Jahr 1952. Lediglich die alte glänzende

Schiffslackveredelung des Holzbodens wurde abgeschliffen.

Die Einbauschränke im Schlafzimmer

des Paares sind ebenfalls aus der Zeit. Weiß gestrichen

fügen sie sich in das gemütliche Gesamtkonzept

des Obergeschosses ein – für einen modernen

Look mit dem Charme vergangener Zeiten. Von

der einstigen Büronutzung im Untergeschoss ist

nichts mehr zu erahnen. Die Büroleuchten an der

Decke sind verschwunden und der blaue Teppich

ist einem hypermodernen Betongussboden gewichen.

Silke sagt selbst, dass sie das Spiel mit

Kontrasten liebe und bei ihrer Interieur-Gestaltung

auf kühlen Industrial Chic und wohnlichen Scandi-

Style setzt. Bei der Raumgestaltung ist sich das

Paar einig: weniger ist mehr. So ließen sie sich von

klaren Formen, dem Spiel mit warmen und kühlen

Farben und von Kunstgalerien und Architekturzeit-

Silke Knippschild-Euchler (52) und Andreas Euchler (55) sind seit 13 Jahren verheiratet

und leben seit 2014 gemeinsam in ihrem Stahlhaus in Lohausen. Für die gebürtigen

Düsseldorfer war ein freistehendes Haus mit großem Garten ein lang gehegter

Traum. Mischlingshündin Frida, benannt nach der mexikanischen Malerin Frida Kahlo,

komplimentiert seit einem Formentera-Urlaub die Familie – ein schöner Zufall, denn

das Paar lernte sich ebenfalls auf der Baleareninsel kennen. Andreas, kaufmännischer

Angestellter im Automobilbereich, konnte mit handwerklichem Geschick, einen

Großteil der Renovierungsarbeiten am Haus übernehmen. Seine Frau Silke ist der

kreative Kopf hinter den Umbauarbeiten. Die selbständige Graphikdesignerin, mit

Büro im eigenen Haus, interessiert sich leidenschaftlich für Fotografie, Inneneinrichtung

und Architektur.

Die Küche mit offenen,

luftigen Raumgefühl.

Der Blick in den ca. 800

Quadratmeter großen Garten

DER BÖCKER 11

...

vollkommen

symmetrisch und

von der Form so,

wie ein Kind es

malen würde.

schriften inspirieren. „Wir sehen etwas Inspirierendes

und überlegen dann, wie man das bei uns noch

einbringen könnte“, – so hat die Küche bewusst

keine Oberschränke, um ein offenes, luftiges

Raumgefühl zu erzeugen. Silke sagt, es sei reizvoll,

viele verschiedene Materialien in einem Haus zu

vereinen, statt nur einheitlich-monoton zu leben.

So stehen ihre antiken Wohnzimmermöbel neben

einer Bauhaus-inspirierten Essgarnitur, altes Silberbesteck

reiht sich ein neben modernes Porzellan.

Auch die Kunst an den Wänden hat Geschichte. So

hängt ein Portrait der Malerin Frida Kahlo zu Ehren

des gleichnamigen Familienhundes im Flur. Das

Stahlhaus ist für Silke und ihren Mann Andreas viel

mehr als einfach nur ihr Eigenheim; es ist längst

zum Herzensprojekt geworden. Auf die Frage ob

sich alle Wohnträume des Paares in dem Stahlhaus

erfüllt haben sagt Andreas: „Auf jeden Fall! Es lohnt

sich, eine ältere Immobilie zu erwerben und nach

heutigen Wünschen umzubauen. Wir sind glücklich

mit dieser Entscheidung und können es jedem

empfehlen“.

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