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Epps 21

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"Abschied nehmen,

loslassen"

Meine Oma, sie wurde 94 Jahre alt,

konnte bis zuletzt klar beschreiben:

„Schau, ich bin müde vom Leben,

mein Kopf und auch mein Körper sind

müde. Alle aus meiner Generation

sind tot, niemand in meinem Alter

ist da, der meine Geschichte teilt und

versteht und das Leben so sieht wie

ich.“ In dieser Situation da zu sein,

ohne die lebensmüden Gedanken von

Oma wegzureden oder zu beschwichtigen

und es gemeinsam auszuhalten,

war wichtig für sie und auch für uns

als Angehörige. Für mich ist und war

meine Oma immer selbstbestimmt

und kraftvoll, sie war auch in beruflicher

Hinsicht ein Vorbild, denn sie

hat zeitlebens Alte und Sterbende

daheim betreut. Es ist für uns alle

wichtig, am Ende unseres Lebens eigene

Beziehungen, soweit es möglich

ist, zu regeln. Und es braucht Menschen,

die da sind, aushalten und keine

Angst vor dem Abschiednehmen

haben. Denn sowohl bei der Geburt

als auch im Sterben ist es wichtig, behütet

zu sein. Wobei der Tod immer

noch ein gesellschaftliches Tabuthema

ist. Verhüllende Worte wie „er

ist entschlafen/heimgegangen/von

uns gegangen“ zeigen deutlich, wie

sehr wir uns scheuen, anzusprechen,

dass jemand gestorben ist. Mag. Martin

Prein, Psychologe und Bestatter,

meint dazu: „Das offene und unverstellte

Aussprechen der Wörter „tot“

oder „gestorben“ hilft den Trauernden

einerseits, den Tod des Angehörigen

zu realisieren, andererseits

wird dadurch gezeigt, dass wir bereit

sind, über den Schmerz, den Verlust

zu sprechen.“ So wie der Tod in der

Sprache gemieden wird, werden leider

auch Trauernde gemieden. Die

eigene Sprachlosigkeit bedeutet für

die Trauernden zusätzliche Isolation.

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Und so bleiben sie mit ihrem Schmerz

allein. „Wenn Du lernst zu sterben,

dann lernst du zu leben“ - diese Worte

begleiten mich schon lange. Vielleicht

sind sie der Motor für die Wahl

meiner beiden Berufe. Im Tageshospiz

in Salzburg begleite ich Menschen

und deren Angehörige an ihrem Lebensende.

Seit 2014 unterstütze ich

als Waldpädagogin Familien in der

Sonneninsel Seekirchen, einem kinderonkologischen

Nachsorgezentrum

der Kinderkrebshilfe. Bei der Beschäftigung

und Bewegung in der Natur

erlebe ich, wie belastende Familiensituationen

und die bedrohliche Erkrankung

eines Familienmitgliedes,

verarbeitet werden. Ich halte Workshops

zu Themen wie Resilienz oder

Teambildung und habe große Freude

FACE TO FAITH

Steckbrief!

daran, verschiedenen Menschen die

Kraftquelle Wald näher zu bringen, um

sich auf das Wesentliche in unserem

Leben zu besinnen. Der Aufenthalt im

Wald lenkt den Blick weg von den alltagsbeherrschenden

Themen hin zum

Naturkreislauf, welcher sinnbildlich

für Erneuerung steht. Menschen und

Familien, die mich in den Wald begleiten,

sollen dadurch einen Impuls erhalten,

um sich neu auszurichten. Um

belastende Themen, die manchmal in

beiden Berufen aufkommen, nicht mit

nach Hause in meine Familie zu nehmen,

habe ich für mich wichtige Rituale

entwickelt. So habe ich bei uns

im Garten einen alten Holzstock, in

dem ich bewusst eine Kerze stelle, um

einen Verstorbenen, oder eine belastende

Situation „draußen“ zu lassen.

Name Daniela Lichtmannegger

Beruf Palliativ-Krankenschwester im Tageshospiz

Salzburg und Waldpädagogin

Alter 51 Jahre

Wichtig meine Familie, Freunde, unsere

Tiere, Waldwildnis

Traumziel Walking Safari in Tansania

Hobbys Lesen, Sport, Heilendes aus der

Natur herstellen

Kontakt wildnislicht@gmail.com

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