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Ackerbau 2025 : Vortrags- und Diskussionstagung am 30. März ... - vTI

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Aus dem Institut für Betriebswirtschaft<br />

Folkhard Isermeyer (Hrsg.)<br />

<strong>Ackerbau</strong> <strong>2025</strong> : <strong>Vortrags</strong>- <strong>und</strong> <strong>Diskussionstagung</strong> <strong>am</strong><br />

<strong>30.</strong> <strong>März</strong> 2004 im Forum der FAL, gemeins<strong>am</strong><br />

veranstaltet von der B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für<br />

Landwirtschaft (FAL) <strong>und</strong> der Gesellschaft der Fre<strong>und</strong>e<br />

der FAL<br />

Veröffentlicht als: Landbauforschung Völkenrode Sonderheft 274<br />

Braunschweig<br />

B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL)<br />

2004


Sonderheft 274<br />

Special Issue<br />

<strong>Ackerbau</strong> <strong>2025</strong><br />

herausgegeben von<br />

Folkhard Isermeyer<br />

<strong>Vortrags</strong>- <strong>und</strong> <strong>Diskussionstagung</strong> <strong>am</strong> <strong>30.</strong><strong>März</strong> 2004 im<br />

Forum der FAL, gemeins<strong>am</strong> veranstaltet von der<br />

B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL)<br />

<strong>und</strong> der Gesellschaft der Fre<strong>und</strong>e der FAL<br />

Braunschweig, im Oktober 2004


Inhaltsverzeichnis<br />

1<br />

15<br />

37<br />

57<br />

75<br />

99<br />

Vorwort<br />

Weltmärkte<br />

Martina Brockmeier, Oliver von Ledebur<br />

Landwirte oder Energiewirte – welche Signale geben die internationalen Rohstoffmärkte bis <strong>2025</strong>?<br />

Klimawandel<br />

Hans-Joachim Weigel<br />

Fluch oder Segen – wie verändert der Klimawandel die Pflanzenproduktion global <strong>und</strong> hierzulande?<br />

Nährstoffe<br />

Jutta Rogasik, Ute F<strong>und</strong>er, Ewald Schnug<br />

Kommen wir im Jahr <strong>2025</strong> zu geschlossenen Nährstoffkreisläufen?<br />

Ökologischer Landbau<br />

Hans Marten Paulsen, Gerold Rahmann<br />

Wie sieht der energieautarke Hof mit optimierter Nährstoffbilanz im Jahr <strong>2025</strong> aus?<br />

Pflanzenzüchtung<br />

Peter Wehling<br />

Wohin entwickelt sich die Pflanzenzüchtung bis zum Jahr <strong>2025</strong>?<br />

Pflanzenschutz<br />

Bernd Freier<br />

Welche Risiken liegen vor uns, <strong>und</strong> wie bekommen wir sie in den Griff?<br />

Pflanzenbau<br />

Jörg Michael Greef, Frank Höppner, Andreas Br<strong>am</strong>m<br />

103 Wie werden Fruchtfolgen <strong>und</strong> Produktionsverfahren im Jahr <strong>2025</strong> aussehen?<br />

Mechanisierung<br />

Franz-Josef Bockisch, Rainer H. Biller, Joachim Brunotte, Heinz Sourell, Hans-Heinrich Voßhenrich<br />

109 Immer größere Maschinen oder kleine fahrerlose Schlepper – wohin führt der Weg?<br />

Precision Farming<br />

Holger Lilienthal, Silvia Haneklaus, Ewald Schnug<br />

133 Immer mehr Daten für jeden Quadratmeter – was machen wir daraus?<br />

Precision Farming<br />

Hans-Heinrich Voßhenrich, Heinz Sourell<br />

147 Immer mehr Daten für jeden Quadratmeter – Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Beregnung<br />

Wettbewerbsfähigkeit<br />

Folkhard Isermeyer<br />

159 Können deutsche Betriebe ohne Zollschutz <strong>und</strong> ohne gekoppelte Prämien international mithalten?


Vorwort<br />

Nach „Milch <strong>2025</strong>“ (2002) <strong>und</strong> „Fleisch <strong>2025</strong>“ (2003) wurde im Frühjahr 2004 die Trilogie<br />

der Perspektivtagungen mit „<strong>Ackerbau</strong> <strong>2025</strong>“ abgeschlossen. In 12 Vorträgen brachten<br />

Fachleute aus der FAL, der BBA <strong>und</strong> der BAZ ihre Visionen für den <strong>Ackerbau</strong> zum Ausdruck.<br />

Nachfolgend sollen aus den Referaten <strong>und</strong> Diskussionsbeiträgen einige Kernaussagen vorgestellt<br />

werden, die als „Appetithappen“ zur vertieften Lektüre der einzelnen Beiträge dieses<br />

Tagungsbandes anregen mögen.<br />

Die Welternährungssituation wird besser, das Angebot kann mit der steigenden Nachfrage<br />

Schritt halten, die Weltmarktpreise bleiben daher auf derzeitigem Niveau.<br />

Das Klima auf der Erde wird sich verändern. Die Landwirtschaft der meisten Industrienationen<br />

wird die Änderungen der durchschnittlichen Klimawerte verkraften. Problematischer<br />

könnte sich auswirken, dass die extremen Klimaereignisse zunehmen.<br />

Die Bedrohung durch Schaderreger verändert sich, nicht zuletzt durch den Klimawandel.<br />

Pflanzenschutz ist auch künftig zwingend erforderlich. Der Mitteleinsatz wird abnehmen,<br />

integrierter <strong>und</strong> ökologischer Pflanzenschutz werden sich einander annähern.<br />

Pflanzenzüchtung fußt auch künftig auf den konventionellen Methoden, doch wird die<br />

Biotechnologie neue Chancen eröffnen, auch für die Nachhaltigkeit. Es ist fraglich, ob<br />

eine Koexistenz von grüner Gentechnik <strong>und</strong> Ökolandbau langfristig möglich ist.<br />

Die N-Überschüsse werden in Deutschland um ca. 10 Prozent reduziert. Eine besonders<br />

große Herausforderung entsteht durch absehbare Erschöpfung der P-Vorräte. Eine Teillösung<br />

kann die Rückgewinnung aus Sek<strong>und</strong>ärrohstoffen sein.<br />

Der ökologische Landbau wird <strong>2025</strong> energieautark <strong>und</strong> nährstoffoptimiert sein. Eine<br />

bessere Brachenutzung verringert N-Überschüsse <strong>und</strong> erhöht den nutzbaren Energieertrag.<br />

Unter Einbeziehung der Biogasanlage werden mobile Düngerpools geschaffen.<br />

Die Fruchtfolgen im konventionellen Anbau werden auch künftig eng bleiben. Erweiterte<br />

Fruchtfolgen könnten jedoch insbesondere bei ungünstigen Standortbedingungen<br />

eine bessere Stabilisierung des Produktionssystems bewirken.<br />

Im Jahr <strong>2025</strong> werden an vielen Standorten fahrerlose Schlepper <strong>und</strong> Arbeitsmaschinen<br />

den größten Teil der Feldarbeit erledigen. Fortschritte in der Agrartechnik verbessern<br />

Umweltwirkungen <strong>und</strong> Effizienz der Agrarproduktion.<br />

Die Erfassung quadratmetergenauer Daten wird enorm zunehmen. Die Integration betrieblicher<br />

Daten mit Daten aus anderen Quellen führt zu Applikationskarten, mit denen<br />

die bedarfsgerechte Bewirtschaftung Routine wird.


Die <strong>Ackerbau</strong>ern in der EU werden <strong>2025</strong>, von wenigen Ausnahmen abgesehen (Zucker),<br />

ohne Außenschutz <strong>und</strong> mit stark reduzierten, entkoppelten Direktzahlungen zurechtkommen.<br />

Ein großflächiges Brachfallen der Ackerflächen ist nicht zu erwarten.<br />

Bei den Referenten <strong>und</strong> den Besuchern, die mit ihren Beiträgen die Tagung inhaltlich gestalteten,<br />

möchte ich mich herzlich bedanken, außerdem bei der Gesellschaft der Fre<strong>und</strong>e der<br />

FAL für die finanzielle Unterstützung der Tagung. Der Dank für die redaktionelle Bearbeitung<br />

des Tagungsbandes gebührt Annerose Gillner, Kerstin Martens <strong>und</strong> Helga Prüße.<br />

Braunschweig, im Oktober 2004<br />

Folkhard Isermeyer


Weltmärkte<br />

Landwirte oder Energiewirte – welche Signale geben die internationalen<br />

Rohstoffmärkte bis <strong>2025</strong>?<br />

1, 2<br />

Martina Brockmeier <strong>und</strong> Oliver von Ledebur<br />

1 Einleitung<br />

Die globale Ernährungssituation rückt angesichts wachsender Weltbevölkerung zunehmend<br />

in den Mittelpunkt des Interesses. Im vorliegenden Beitrag werden daher die bisherigen<br />

Entwicklungen auf den Nahrungsmittelmärkten analysiert <strong>und</strong> Aussagen hinsichtlich der<br />

Ernährungssituation aus globaler Sicht getroffen. Darauf bauend werden anhand von Modellprojektionen<br />

Entwicklungstendenzen für die wichtigsten Agrarmärkte aufgezeigt <strong>und</strong><br />

mögliche Rückkopplungen auf die Welternährungssituation identifiziert. Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

dieser Analyse wird auf die erkennbaren Nutzenpotenziale landwirtschaftlicher Erzeugnisse<br />

als Energieträger eingegangen.<br />

2 Fakten zur Welternährung<br />

Schätzungen der FAO (2003a) verdeutlichen, dass im Jahr 2002 ca. 815 Mio. Menschen<br />

bzw. 11 % der Weltbevölkerung ihren gr<strong>und</strong>legenden Energiebedarf nicht durch eine ausreichende<br />

Nahrungsaufnahme decken können. Betroffen hiervon sind insbesondere Entwicklungsländer,<br />

in denen 95 % (799 Mio.) der hungernden Weltbevölkerung leben (vgl.<br />

Abbildung 1).<br />

Ein großer Teil der unterernährten Menschen befindet sich in den bevölkerungsreichen Entwicklungsländern<br />

Asiens, insbesondere in China (ca. 15 %) <strong>und</strong> Indien (ca. 28 %). Ein<br />

hoher Anteil an den hungernden Menschen ist jedoch auch in Afrika südlich der Sahara mit<br />

25 % gegeben. Im Gegensatz dazu ist der Anteil der Industrie- <strong>und</strong> Transformationsländer<br />

an den weltweit hungernden Menschen mit 1 bzw. 4 % verschwindend gering.<br />

Ist eine unzureichende globale Nahrungsmittelproduktion für diese Situation verantwortlich?<br />

Abbildung 2 zeigt, dass sich die Nahrungsmittelproduktion in den letzten Jahrzehnten<br />

1<br />

2<br />

Prof. Dr. Martina Brockmeier <strong>und</strong> Dr. Ernst-Oliver von Ledebur, Institut für Marktanalyse <strong>und</strong> Agrarhandelspolitik,<br />

B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, 38116 Braunschweig.<br />

E-Mail: martina.brockmeier@fal.de, oliver.ledebur@fal.de<br />

Die Autoren bedanken sich bei Ulrich Sommer <strong>und</strong> Dirk Lehmann für die Hilfestellung bei der Erarbeitung<br />

dieses Beitrags.<br />

1


2<br />

positiv entwickelt hat. Die Zuwachsraten der Nahrungsproduktion haben sich allerdings<br />

verlangs<strong>am</strong>t. So steigerte sich die Nahrungsmittelproduktion in den 70er Jahren um durchschnittlich<br />

2,5 % pro Jahr, während sie in den 90er Jahren nur noch durchschnittlich um 1%<br />

pro Jahr anstieg.<br />

Wird das ges<strong>am</strong>te globale Nahrungsmittelangebot unter rein statistischen Gesichtspunkten<br />

auf die Weltbevölkerung bezogen, so ergeben sich die folgenden Fakten: Für jeden Menschen<br />

sind im Durchschnitt knapp 30 g tierisches Protein bzw. 2.800 kcal Energie pro Tag<br />

vorhanden. Bei alleiniger Verwendung der globalen Getreideproduktion von ca. 2 Mrd. t<br />

für Nahrungsmittelzwecke wäre ohne vorherige tierische Veredlung sogar eine Energiezufuhr<br />

von 3.600 kcal pro Person im Jahr möglich.<br />

Abbildung 1: Unterernährung nach Regionen <strong>und</strong> in Entwicklungsländern (2003)<br />

Transformationsländer<br />

4 %<br />

Industrieländer<br />

1 %<br />

Quelle: FAO (2003a).<br />

Naher Osten /<br />

Nordafrika<br />

5 %<br />

Subsahara<br />

25 %<br />

Latein<strong>am</strong>erika<br />

7 %<br />

Entwicklungs- Sonstiges<br />

länder 95 % Asien<br />

20 %<br />

China<br />

15 %<br />

Indien<br />

28 %<br />

Ist diese Protein- bzw. Energiezufuhr ausreichend? Als Hilfestellung bei der Beantwortung<br />

dieser Frage kann die aktuelle Ernährungssituation in Deutschland herangezogen werden.<br />

Laut dem aktuellen Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)<br />

ergibt sich für die weibliche bzw. männliche Bevölkerung in Deutschland eine durchschnittliche<br />

Kalorienaufnahme von 2.152 kcal bzw. 2.438 kcal <strong>und</strong> eine durchschnittliche<br />

Proteinaufnahme von 13,5 bzw. 13,6 g pro Tag, die als ausreichend angesehen wird (DGE,<br />

3<br />

2000, S. 42-49). Gr<strong>und</strong>sätzlich kann somit festgehalten werden, dass das globale Nahrungsmittelangebot<br />

mehr als ausreichen würde, um die Weltbevölkerung von derzeit 6 Mrd.<br />

Menschen zu ernähren. In der Diskussion um die globale Ernährungssituation ist dieser<br />

3<br />

Laut Berechnungen der DGE (2000, S. 48/49) liegt die mittlere tägliche Energie- <strong>und</strong> Proteinzufuhr in<br />

Deutschland für die weibliche (männliche) Bevölkerung um 18 bzw. 69 % (10 bzw. 64 %) über den entsprechenden<br />

Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr.


Weltmärkte<br />

Punkt unstrittig <strong>und</strong> wird auch von den internationalen Organisationen, wie z. B. FAO <strong>und</strong><br />

IFPRI, vertreten.<br />

Die aktuelle Ernährungssituation ist daher nicht auf eine zu geringe physische Verfügbarkeit<br />

von Nahrungsmitteln, sondern auf Armut bzw. fehlende Kaufkraft <strong>und</strong> einen d<strong>am</strong>it in<br />

Zus<strong>am</strong>menhang stehenden Mangel an Verfügungsmöglichkeiten der Bevölkerung über<br />

Ressourcen in den meisten Entwicklungsländern zurückzuführen. Maßnahmen zur Reduzierung<br />

des Hungers bzw. der Armut sollten daher nicht in erster Linie die physische Verfügbarkeit<br />

von Nahrungsmitteln erhöhen, sondern vor allem die Kaufkraft in Entwicklungsländern<br />

stärken.<br />

Abbildung 2: Entwicklung der globalen Fleisch- <strong>und</strong> Getreideproduktion (Mio. t)<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

Sonstiges Getreide<br />

Weizen<br />

Reis<br />

Ölsaaten<br />

0<br />

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002<br />

Quelle: FAOSTAT (08.12.2003).<br />

Getreide<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Schweine<br />

Rinder<br />

Geflügel<br />

Schafe <strong>und</strong> Ziegen<br />

Fleisch<br />

0<br />

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002<br />

Da der Agrarsektor in den meisten Entwicklungsländern einen hohen Anteil <strong>am</strong> BSP erwirtschaftet,<br />

stellen z. B. die Stärkung des Agrarsektors in Entwicklungsländern durch Liberalisierung<br />

des Weltagrarhandels, Förderung der Agrarforschung, oder direkte Nahrungsmittelhilfe<br />

in Form von Geld oder Kupons geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der<br />

Kaufkraft von Entwicklungsländern dar. Auch der in diesem Zus<strong>am</strong>menhang häufig diskutierte<br />

Einsatz von Gentechnologie ist in der aktuellen Situation nur dann zur Reduzierung<br />

von Armut <strong>und</strong> Hunger geeignet, wenn hierdurch die Kaufkraft in den Entwicklungsländern<br />

gestärkt werden kann. Von einer reinen Erhöhung der zurzeit bereits mehr als ausreichenden<br />

Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln durch den Einsatz von Gentechnologie in Industrieländern<br />

ist in der gegenwärtigen Situation dagegen keine Verminderung von Armut <strong>und</strong><br />

Hunger in Entwicklungsländern zu erwarten (vgl. hierzu FAO, 2000 <strong>und</strong> 2003a; TANGER­<br />

MANN, 2001).<br />

3


4<br />

Kann die globale Ernährungssituation in den nächsten Jahrzehnten verbessert werden?<br />

Können sich auch die Menschen in Entwicklungsländern langfristig betrachtet mehr Fleisch<br />

leisten <strong>und</strong> wird dann die hierfür erforderliche Futtermittelproduktion in ausreichendem<br />

Umfang möglich sein?<br />

3<br />

Entwicklungstendenzen der Agrarmärkte <strong>und</strong> ihre Auswirkungen auf<br />

die Welternährungssituation<br />

Die globale Ernährungssituation wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Von besonderer<br />

Bedeutung sind das Wachstum der Bevölkerung <strong>und</strong> des Einkommens. Die zukünftige<br />

Entwicklung dieser beiden Par<strong>am</strong>eter wird im Folgenden kurz vorgestellt.<br />

Die Weltbevölkerung hat sich in den letzten 40 Jahren nahezu verdoppelt. Nach Schätzungen<br />

der United Nations wird sie von zurzeit 6 Mrd. Menschen auf r<strong>und</strong> 7,7 Mrd. (8,9 Mrd.)<br />

im Jahr 2020 (2050) <strong>und</strong> in der zweiten Hälfte des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts sogar auf 12 Mrd. angewachsen<br />

sein. Dieses Bevölkerungswachstum findet zu 95 % in Entwicklungsländern<br />

statt, während die Bevölkerung in vielen Industrieländern, wie z. B. in Deutschland, abnehmen<br />

wird (vgl. Abbildung 3).<br />

Abbildung 3 repräsentiert darüber hinaus auch Schätzungen der Weltbank über die Entwicklung<br />

des Pro-Kopf-Einkommens für Entwicklungs-, Transformations- <strong>und</strong> Industrieländer<br />

sowie die Welt insges<strong>am</strong>t. Demzufolge wird das Einkommen in Entwicklungsländern<br />

im Zeitraum von 2000 bis 2015 um 3,7 % <strong>und</strong> in der Periode von 2015 bis 2030 sogar<br />

um 4,4 % ansteigen. Besonders hohe Einkommenszuwächse können innerhalb der Gruppe<br />

der Entwicklungsländer vor allem die Regionen Ost- <strong>und</strong> Südostasien (6,0 %), Latein<strong>am</strong>erika<br />

(4,5 %) sowie Indien (5,8 %) realisieren. Auch für Transformationsländer werden ähnliche<br />

Wachstumsraten vorausgesagt. Im Gegensatz dazu wird das durchschnittliche Pro-<br />

Kopf-Einkommen in den Industrieländern in diesen beiden Zeitperioden nur um 2,6 bzw.<br />

2,8 % ansteigen.


Weltmärkte<br />

Abbildung 3: Entwicklung der Bevölkerung (Mrd.) <strong>und</strong> des Pro-Kopf-Einkommens (%) 1)<br />

Jahr<br />

2050<br />

2040<br />

2030<br />

2020<br />

2010<br />

2000<br />

IL<br />

TL<br />

EL<br />

IL EL Welt<br />

2015-2030<br />

2000-2015<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 0 1 2 3 4 5<br />

Mrd. %<br />

1) Industrieländer (IL), Entwicklungsländer (EL) <strong>und</strong> Transformationsländer (TL).<br />

Quelle: United Nations (2003).<br />

Kann die Nahrungsmittelproduktion mit dieser Einkommens- <strong>und</strong> Bevölkerungsentwicklung<br />

mithalten? Aussagen hierüber können mit Hilfe von Projektionsmodellen getroffen<br />

werden. Vorgestellt werden hier die Ergebnisse, die mit Hilfe des Modells der FAO <strong>und</strong><br />

des Impact Model des International Food Policy Research Institute (IFPRI) erstellt worden<br />

sind. Andere Systeme (z. B. Modell des Food and Agriculture Policy Research Institute<br />

(FAPRI)) kommen zu sehr ähnlichen Aussagen.<br />

Abbildung 4: Projektion der Getreideproduktion (Mrd. t)<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Quelle: FAO (2003b).<br />

1974 1997 2030<br />

Welt Entwicklungsländer Industrieländer<br />

Abbildung 4 zeigt die Projektion der Getreideproduktion für Entwicklungs- <strong>und</strong> Industrieländer<br />

sowie für die Welt insges<strong>am</strong>t in einer so genannten Baseline. In der Baseline wird von<br />

der Annahme ausgegangen, dass sich die ökonomischen Rahmenbedingungen nicht sehr<br />

stark verändern <strong>und</strong> die Staaten keine sehr großen Veränderungen in ihren nationalen Wirtschafts-<br />

<strong>und</strong> Agrarpolitiken vornehmen. Die Berechnungen mit Hilfe des FAO-Modells<br />

5


6<br />

kommen zu dem Ergebnis, dass die Zunahme in der Getreideproduktion maßgeblich von<br />

Entwicklungsländern beeinflusst wird, während die Getreideproduktion der Industrieländer<br />

bei hohem Ausgangsniveau nur geringfügig anwächst.<br />

Ähnliche Entwicklungen ergeben sich auch bei der Nachfrage nach Getreide. Ein Vergleich<br />

von Getreideproduktion <strong>und</strong> -verbrauch in Entwicklungs- <strong>und</strong> Industrieländern in den Jahren<br />

1997 <strong>und</strong> 2020 zeigt daher auch deutlich die Verschiebung von Getreideproduktion <strong>und</strong><br />

-verbrauch von den Industrieländern in die Entwicklungsländer (vgl. Abbildung 5).<br />

Abbildung 5: Veränderung der Produktions- <strong>und</strong> Verbrauchsanteile von Getreide <strong>und</strong><br />

Fleisch in Entwicklungs- <strong>und</strong> Industrieländern im Zeitraum 1997 bis 2020<br />

46 %<br />

41 %<br />

Getreide Fleisch<br />

Produktion Verbrauch Produktion Verbrauch<br />

Kreis 1 Kreis 3<br />

Kreis 5 Kreis 7<br />

Quelle: FAO (2003b); Rosegrant et al. (2001).<br />

1997<br />

Kreis 1 Kreis 3<br />

39 % 48 % 47 %<br />

54 % 61 % 52 % 53 %<br />

2020<br />

Kreis 5 Kreis 7<br />

33 % 37 % 35 %<br />

59 % 67 %<br />

63 % 65 %<br />

Entwicklungsländer Industrieländer<br />

Während im Jahr 1997 noch 46 % des globalen Getreideangebots in Industrieländern produziert<br />

wurde, sind es im Jahr 2020 nur noch 41 %. Analog hierzu reduziert sich im selben<br />

Zeitraum die Getreidenachfrage der Industrieländer von 39 % (1997) auf 33 % (2020). In<br />

Entwicklungsländern steigen die entsprechenden Anteile für die Getreideproduktion <strong>und</strong><br />

den Getreideverbrauch dagegen an. Gr<strong>und</strong>sätzlich erscheint es daher interessant, zu hinterfragen,<br />

welche Regionen in Zukunft einen verstärkten Anstieg in der Getreidenachfrage<br />

entwickeln werden. Abbildung 6 präsentiert eine regionale Aufteilung des globalen Anstiegs<br />

der Getreidenachfrage von 1997 bis 2020. Bei der Betrachtung wird zunächst deutlich,<br />

dass die Industrieländer in diesem Zeitraum nur einen Anstieg von 16 % realisieren,<br />

während sich die verbleibenden 85 % auf Entwicklungsländer verteilen. Hier nehmen insbesondere<br />

China (24 %), Südostasien (14 %) <strong>und</strong> Indien (13 %) eine bedeutende Stellung ein.


Weltmärkte<br />

Abbildung 6: Regionale Aufteilung des Anstiegs der Getreidenachfrage von 1997 bis 2020<br />

Quelle: Rosegrant et. al. (2001).<br />

Indien<br />

13 %<br />

China<br />

24 %<br />

Naher Osten / Nordafrika<br />

10 %<br />

Subsahara-Afrika<br />

11 %<br />

Südostasien<br />

14 %<br />

Industrieländer<br />

16 %<br />

Latein<strong>am</strong>erika<br />

12 %<br />

Wie wird die steigende Getreideproduktion in Industrie- <strong>und</strong> Entwicklungsländern verwendet?<br />

Untersuchungen internationaler Organisationen (vgl. z. B. FAO, 2003b) belegen eine<br />

globale Getreideproduktion von zurzeit etwa 2 Mrd. t jährlich, die mit 330 kg bzw.<br />

3.600 kcal pro Kopf <strong>und</strong> Jahr den Energiebedarf bei entsprechender Verteilung mehr als<br />

ausreichend decken würde. In Industrieländern wird aufgr<strong>und</strong> der Getreideveredlung mit<br />

über 600 kg pro Kopf <strong>und</strong> Jahr eine sehr viel höhere Menge verbraucht als in Entwicklungsländern<br />

(200 kg pro Kopf <strong>und</strong> Jahr). Abbildung 7 verdeutlicht, dass sich auch in den<br />

Entwicklungsländern längerfristig eine ähnliche Verbrauchsstruktur abzeichnet. Im Zeitraum<br />

von 1997 bis 2020 wird hier der Anteil der Nahrungsmittel an der Getreidenachfrage<br />

von 67 auf 62 % zurückgehen, während die Verwendung für Futtermittel im gleichen Zeitraum<br />

von 21 auf 26 % ansteigt. Trotz steigender Getreideproduktion in den Entwicklungsländern<br />

wird sich deren Bedarf an Importen hierdurch erhöhen.<br />

Analog zu den Entwicklungen im Getreidebereich ergibt sich daher langfristig auch eine<br />

parallel verlaufende Verlagerung der Fleischproduktion von den Industrie- in die Entwicklungsländer.<br />

Angesichts der sehr hohen Wachstumsraten in der Fleischproduktion in Entwicklungsländern<br />

wird in Anlehnung an die „Green Revolution“ dabei im Bereich der tierischen<br />

Produktion in den Entwicklungsländern auch von der so genannten „Livestock Revolution“<br />

gesprochen. Diese beinhaltet u. a. eine Substitution der pflanzlichen Nahrungsmittel<br />

durch Milch <strong>und</strong> Fleisch in der Humanernährung, einen drastischen Anstieg der Getreideveredlung<br />

in Entwicklungsländern sowie eine zunehmende Verlagerung in der Fleischproduktion<br />

von Kleinerzeugerbetrieben zu global agierenden Großunternehmen (DELGADO et<br />

al., 1999).<br />

7


8<br />

Abbildung 7: Getreidenachfrage in Entwicklungsländern nach Verwendung<br />

Futtermittel<br />

21 %<br />

21,0%<br />

Quelle: Rosegrant et al. (2001).<br />

1997 2020<br />

Sonstige Sonstige<br />

12 12,0% % 12 12,0% %<br />

67,0%<br />

Futtermittel<br />

26 %<br />

26,0%<br />

Nahrungsmittel<br />

67 %<br />

Nahrungsmittel<br />

62 %<br />

Veränderungen dieser Art werden verursacht durch hohe Einkommenssteigerungen, sind<br />

somit nachfrageseitig orientiert <strong>und</strong> gehen mit Urbanisierungsprozessen <strong>und</strong> entsprechenden<br />

Veränderungen des Ernährungsverhaltens einher. Darüber hinaus werden sehr hohe<br />

Anforderungen an die politische <strong>und</strong> institutionelle Gestaltung des Entwicklungsprozesses<br />

in den betroffenen Ländern gestellt. Die tierische Produktion in den ländlichen Bereichen<br />

der Entwicklungsländer stellt eine wichtige Einnahmequelle dar <strong>und</strong> stärkt insbesondere die<br />

Kaufkraft der Bevölkerung in ländlichen Regionen. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Ernährungssituation<br />

ist diese Entwicklung als positiv zu bewerten. Die Tiere dienen dem Landwirt im<br />

Rahmen dieses Veränderungsprozesses als wichtige Nährstoffquelle, finanzielle Sicherheit<br />

(Kapital) <strong>und</strong> zur physischen Unterstützung im Produktionsprozess.<br />

Langfristig dokumentiert sich diese Entwicklung auch in einem Anstieg des Anteils der<br />

Entwicklungsländer an der Weltproduktion. So wird in der Periode 1997 bis 2020 der Anteil<br />

der Entwicklungsländer an der globalen Fleischproduktion von 52 auf 63 % ansteigen,<br />

während der Anteil der Industrieländer entsprechend von 48 auf 37 % zurückgeht (vgl. Abbildung<br />

5). Analog hierzu steigt (sinkt) der Anteil der Entwicklungsländer (Industrieländer)<br />

<strong>am</strong> weltweiten Fleischkonsum von 53 auf 65 % (47 auf 35 %).<br />

62,0%


Weltmärkte<br />

Abbildung 8: Projektion der Weltmarktpreise für Getreide (US-$/t)<br />

Mrd. US-$/t<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

1997 2020<br />

Quelle: Rosegrant et al. (2001).<br />

Weizen Mais Reis Sonstiges Getreide<br />

Diese Entwicklung führt jedoch nicht dazu, dass Getreide als Nahrungsmittel in nicht mehr<br />

ausreichendem Maß zur Verfügung steht (vgl. IFPRI, 2001). Weltweit bestehen insbesondere<br />

in der Getreideproduktion umfangreiche Reserven. So könnten vor allem die großen<br />

Exportländer (USA, Kanada, Australien) durch die Verwendung von brach liegenden Flächen<br />

ihre Getreideproduktion bei Bedarf steigern <strong>und</strong> hierdurch die seit 1982 signifikante<br />

Abnahme der globalen Steigerungsraten bei den Hektarerträgen auffangen. Wie Beispiele<br />

in vielen europäischen Ländern zeigen, besteht in einigen Ländern jedoch auch das Potenzial,<br />

eine Steigerung der Produktionsmenge über höhere Hektarerträge mit Hilfe technischen<br />

Fortschritts zu erzielen. In Entwicklungsländern könnten außerdem zusätzliche Flächen<br />

mobilisiert werden, wenn es langfristig gelingt, Produktionshemmnisse (z. B. Entwicklung<br />

von salzwasserresistenten Pflanzen mit Hilfe von Züchtung oder durch den Einsatz<br />

von Gentechnologie) zu überwinden. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte werden<br />

die realen Getreidepreise zwar in der Zukunft weiterhin sinken, jedoch wird sich dieser<br />

Prozess bei abnehmenden Verminderungsraten verlangs<strong>am</strong>en.<br />

Welche Auswirkungen ergeben sich durch diese Entwicklungen für die Verwendung von<br />

landwirtschaftlichen Erzeugnissen für Nichtnahrungsmittelzwecke, d. h. wird es in der Zukunft<br />

Energie- <strong>und</strong>/oder Landwirte geben?<br />

4<br />

Mögliche Auswirkungen auf die Energiemärkte<br />

Die im Folgenden dargestellten Aspekte fassen erkennbare Trends zus<strong>am</strong>men <strong>und</strong> leiten<br />

Trendaussagen ab. Genauere Aussagen erfordern jedoch eine detaillierte, quantitative<br />

Analyse, die den Rahmen des vorliegenden Beitrags jedoch bei weitem übersteigt.<br />

9


10<br />

Zurzeit bildet Rohöl die Hauptquelle der gegenwärtig genutzten Energie. Abbildung 9 verdeutlicht<br />

daher die Entwicklung des realen Preises für Rohöl, die langfristig keine steigende<br />

Tendenz verzeichnet. Gr<strong>und</strong>sätzlich besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Rohölpreise<br />

sich beispielsweise durch wirtschaftliche oder politische Ereignisse (Rohölkrise in<br />

den 70er Jahren) kurzfristig verändern. Wie Abbildung 9 zeigt, ergibt sich langfristig hierdurch<br />

jedoch kein Aufwärtstrend des realen Rohölpreises. Ereignisse dieser Art führen jedoch<br />

häufig zu Anpassungsreaktionen. So bemühten sich insbesondere nach der Rohölkrise<br />

der 70er Jahre viele Länder, ihre Abhängigkeit von Erdölimporten zu senken. In Europa<br />

wurde beispielsweise verstärkt Rohöl aus Nordseevorkommen genutzt, während die USA<br />

<strong>und</strong> Brasilien die Nutzung regenerativer Quellen zur Erzeugung von Alkohol (insbesondere<br />

Ethanol) aus Mais bzw. Zucker zur Beimischung in Benzin gefördert haben.<br />

Abbildung 9: Entwicklung des Rohölpreises<br />

$/Barrel<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Real<br />

Nominal<br />

0<br />

1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986<br />

Jahr<br />

1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002<br />

Quelle: OPEC (2002).<br />

Inwieweit eine Veränderung der energetischen Gr<strong>und</strong>lage der Industrieländer auf regenerative<br />

Ressourcen setzen kann, ist derzeit nicht exakt einschätzbar. Die meisten Studien zur<br />

Verwendung von Energieträgern aus regenerativen Energiequellen weisen darauf hin, dass<br />

mit den derzeitigen Verfahren noch keine gesicherte positive Energiebilanz erzielt werden<br />

kann (USDA, 1995, 1996). Effizientere Technologien verwenden Energieträger aus regenerativen<br />

Quellen, die Bei- oder Abfallprodukte anderer Prozesse sind. Wenn sich aus einem<br />

Rohstoff (Zuckerrohr) beispielsweise zwei verschiedene Endprodukte gewinnen lassen (Alkohol<br />

<strong>und</strong> Zucker), kann entsprechend der aktuellen Preisrelation entschieden werden,<br />

welchem Endprodukt der Vorzug gegeben wird. In diesem Fall können die Bereitstellungskosten<br />

zwischen den beteiligten Prozessen aufgeteilt werden, sodass die Verwendung der<br />

erneuerbaren Energiequelle bei der vorhandenen Technologie rentabel wird. Als Beispiel<br />

hierfür kann auch die Verwendung von Holz bzw. Holzabfällen zur Wärmeerzeugung genannt<br />

werden.


Weltmärkte<br />

Wie wird sich die Nachfragestruktur im Energiebereich in den nächsten 20 Jahren entwickeln?<br />

Abbildung 10 zeigt hierzu eine Schätzung der International Energy Agency (ECO­<br />

NOMIST, 2001), die einen gleich bleibenden Einsatz von Gas <strong>und</strong> Öl mit jeweils 18 bzw.<br />

49 % <strong>am</strong> Ges<strong>am</strong>teinsatz von Energie weltweit im Zeitraum 1997 bis 2020 prognostiziert.<br />

Im gleichen Zeitraum wird jedoch die Verwendung von Kohle <strong>und</strong> Erd- <strong>und</strong> Fernwärme um<br />

3 bzw. 1 % zurückgehen, während die Verwendung von erneuerbaren Ressourcen <strong>und</strong> die<br />

Elektrizität um 1 bzw. 3 % ansteigen.<br />

Abbildung 10: Globaler Endverbrauch von Brennstoffen<br />

* Öläquivalent<br />

Quelle: Economist (2001).<br />

1997 : 5.808 Mio t* 2020 : 9.117 Mio t*<br />

5 Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

11 Kohle<br />

8<br />

1 Erneuerbare Ressourcen 2<br />

4 Erd- <strong>und</strong> Fernwärme 3<br />

17 Elektrizität 20<br />

18 Gas 18<br />

49 Öl<br />

49<br />

Wie wirken sich diese Entwicklungen auf die Welternährungssituation aus? Die FAO<br />

(2003a) prognostiziert, dass sich unter Berücksichtigung der langfristigen Entwicklungen<br />

der Bevölkerung, der Einkommen <strong>und</strong> der Technologie die Anzahl der Hungernden bis zum<br />

Jahr 2015 (2030) auf 600 Mio. (401 Mio.) reduziert (vgl. hierzu Abbildung 11). Demnach<br />

werden sich in Zukunft mehr Menschen Fleisch, aber auch den Kauf anderer Nahrungsmittel<br />

leisten können. Ausschlaggebend hierfür ist jedoch eine Stärkung derjenigen Maßnahmen<br />

in der Entwicklungshilfe, die die Kaufkraft in den Entwicklungsländern erhöhen <strong>und</strong><br />

die Armut vermindern. Hierzu gehören vor allem eine Liberalisierung des Handels der Industrieländer<br />

<strong>und</strong> eine Öffnung der Märkte der Entwicklungsländer bei gleichzeitiger staatlicher<br />

Unterstützung der besonders gefährdeten Personengruppen in Entwicklungsländern.<br />

11


12<br />

Abbildung 11: Anzahl der unterernährten Personen (Mio.)<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Quelle: FAO (2003a).<br />

840<br />

600<br />

2002 2015 2030<br />

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte können daher langfristig die folgenden Trends zus<strong>am</strong>mengefasst<br />

werden:<br />

– Das Wachstum der Nahrungsmittelmärkte findet fast ausschließlich in Entwicklungsländern<br />

statt.<br />

– Die Produktion <strong>und</strong> der Verbrauch von Fleisch <strong>und</strong> Getreide steigen mit sinkenden<br />

Wachstumsraten.<br />

– Das Angebot von Nahrungsmitteln wird geringfügig stärker ansteigen als die Nachfrage.<br />

– Die Preise für Nahrungsmittel werden real langfristig leicht sinken oder konstant bleiben.<br />

Literaturverzeichnis<br />

DELGADO E, ROSEGRANT MW, STEINFELD H, EHUI S, CURBOIS S (1999) Livestock 2020:<br />

The next Food Revolution. IFPRI-Discussionpaper 28<br />

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR ERNÄHRUNG (DGE) (2002) Ernährungsbericht 2000. Frankfurt/M.<br />

FAO (2000) The State of Food Insecurity in the World 2000. Rom: Food and Agricultural<br />

Organization of the United Nations<br />

FAO (2003a) The State of Food Insecurity in the World 2003. Rom: Food and Agricultural<br />

Organization of the United Nations<br />

FAO (2003b) World Agriculture: Towards 2015/2030 – An FAO Perspective. Rom: Food<br />

and Agricultural Organization of the United Nations<br />

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August 2004)<br />

ECONOMIST (2001) A brighter future? 8. Februar 2001<br />

401


Weltmärkte<br />

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PINSTRUP-ANDERSON P (2002) Towards a Sustainable Global Food System: What will it<br />

take? Keynote Presentation for the Annual John Pesek Colloquium in Sustainable<br />

Agriculture, Iowa State University, March 26-27, 2002<br />

PINSTRUP-ANDERSON P, PANDYA-LORCH R, ROSEGRANT MW (1999) World Food Prospect:<br />

Critical Issues for the Early Twenty-First Century<br />

ROSEGRANT MW, PAISNER MS, MEIJER S, WITCOVER J (2001) 2020 Global Food Outlook.<br />

Trends, Alternatives and Choices, IFPRI, Washington<br />

TANGERMANN S (2001) Hunger <strong>und</strong> Überfluss: Wie sicher ist die Welternährung? Bursfelder<br />

Universitätsreden Nr. 19, Hannover<br />

UNITED NATIONS (2003) World Population Prospect - the 2002 Revision. New York:<br />

United Nations<br />

USDA (1995) Estimating the Net Energy Balance of Corn Ethanol. Washington, United<br />

States Department of Agriculture, Economic Research Service, Office of Energy.<br />

Agricultural Economic Report No. 721<br />

USDA (1996) Industrial Uses of Agricultural Materials Situation and Outlook. Washington,<br />

United States Department of Agriculture, Economic Research Service,<br />

Commercial Agriculture Division. IUS-6<br />

13


Klimawandel<br />

Fluch oder Segen – wie verändert der Klimawandel die Pflanzenproduktion<br />

global <strong>und</strong> hierzulande?<br />

Hans-Joachim Weigel 1<br />

1<br />

Einführung<br />

Die Landwirtschaft steht global vor großen Herausforderungen. Der Notwendigkeit nach<br />

mehr Nahrung für die nach wie vor schnell wachsende Zahl an Menschen steht die Notwendigkeit<br />

einer größtmöglichen Schonung der natürlichen Ressourcen gegenüber. Bereits<br />

heute ist jedoch in vielen Gebieten der Erde die Nahrungsmittelproduktion durch Bodenverluste,<br />

Bodenerosion, Anreicherung von Chemikalien, Wasserknappheit, Versalzungsprobleme<br />

etc. gefährdet. Diese Probleme werden mittelfristig weiter zunehmen. In der europäischen<br />

bzw. einheimischen Landwirtschaft werden politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Entwicklungen (Globalisierung, EU-Erweiterung, WTO-Verhandlungen, verändertes Verbraucherverhalten<br />

etc.) ebenfalls zu Veränderungen im Agrarsektor führen. Zudem wird<br />

der technologische Fortschritt, insbesondere in der Informations- <strong>und</strong> Biotechnologie, die<br />

Landwirtschaft erheblich beeinflussen.<br />

All diese Entwicklungen werden begleitet von <strong>und</strong> interagieren mit den Änderungen des<br />

Klimas. Wegen seiner unmittelbaren Abhängigkeit von Witterung <strong>und</strong> Klima gehört der<br />

Agrarsektor zu den sensibelsten Bereichen, die der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten<br />

betrifft. Es ist daher notwendig, Szenarien zu entwickeln, die die Bedeutung dieses<br />

Wandels für die Landwirtschaft beschreiben. Die möglichen Auswirkungen des Klimawandels<br />

auf die Landwirtschaft bzw. den Agrarsektor insges<strong>am</strong>t sind in den letzten Jahren in<br />

einer erheblichen Fülle von Studien beschrieben worden (z. B. PARRY, 1990; ROSENZWEIG<br />

and HILLEL, 1998; REILLY, 1999; REDDY and HODGES, 2000; IPCC, 2001; POLLEY, 2002).<br />

Der vorliegende Beitrag befasst sich in kurzer Form nur mit möglichen direkten Wirkungen<br />

von Klimaänderungen auf die Pflanzenproduktion vorwiegend im Bereich <strong>Ackerbau</strong>.<br />

1<br />

Prof. Dr. Hans-Joachim Weigel, Institut für Agrarökologie, B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft<br />

(FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, 38116 Braunschweig<br />

E-Mail: hans.weigel@fal.de<br />

15


16<br />

2 Elemente des Klimawandels<br />

Das Klima umfasst physikalische (z. B. Strahlung, Temperatur, Windgeschwindigkeit,<br />

Niederschläge) <strong>und</strong> chemische Klimaelemente (stoffliche Zus<strong>am</strong>mensetzung von Luft <strong>und</strong><br />

Niederschlägen). Änderungen dieser Klimaelemente lassen sich auf globaler, regionaler<br />

<strong>und</strong> lokaler Ebene feststellen. Die Sicherheit der Vorhersagen über zukünftige Änderungen,<br />

insbesondere zu deren Ausmaß, nimmt von der globalen zur lokalen Ebene hin ab. Das<br />

gleiche gilt für Vorhersagen von Wirkungen der Klimaänderung, insbesondere auch deshalb,<br />

weil deren Richtung <strong>und</strong> Ausmaß zusätzlich von weiteren Faktoren mitbestimmt wird.<br />

Aus den unmittelbaren, biophysikalischen bzw. physiologischen Wirkungen einzelner Klimaelemente<br />

auf die Pflanzenproduktion bzw. auf Agrarökosysteme ergeben sich Auswirkungen<br />

auf die regionale <strong>und</strong> nationale Agrarproduktion. Daraus wiederum resultieren weitergehende<br />

sozioökonomische Auswirkungen bis hin zu Effekten auf die globale Agrarproduktion<br />

<strong>und</strong> die globalen Handelsströme.<br />

Aussagen zu Änderungen des zukünftigen Klimas beziehen sich meist auf den Zeitraum der<br />

nächsten 100 Jahre. Zugr<strong>und</strong>e gelegt werden dabei verschiedene Emissionsszenarien von<br />

Treibhausgasen, die wiederum von der zukünftigen wirtschaftlichen Ges<strong>am</strong>tentwicklung<br />

der unterschiedlichen Gesellschaften der Erde abhängen (Einzelheiten vgl. IPCC, 2001).<br />

Von Bedeutung sind sowohl Änderungen mittlerer Klimawerte als auch Änderungen der<br />

Klimavariabilität <strong>und</strong> hier insbesondere von Klimaextremen.<br />

Die mittlere globale Temperatur soll sich je nach Emissionsszenario bis zum Jahr 2100 um<br />

1,4 bis 5,8 o C erhöhen (IPCC 2001). Bedingt durch diese Temperaturerhöhung wird eine<br />

„Beschleunigung“ des globalen hydrologischen Kreislaufs erwartet, mit der Folge, dass die<br />

Niederschläge aus globaler Sicht tendenziell zunehmen (ca. +3,5 %).<br />

Regional kann die Erwärmung durchaus unterschiedlich ausfallen. In Europa z. B. sollen<br />

sich die nördlichen Breitengrade etwas stärker erwärmen als der Süden. Insges<strong>am</strong>t soll<br />

zwar auch mehr Niederschlag fallen, allerdings soll sich dieser stärker auf die Wintermonate<br />

verteilen, während die Niederschlagsmenge im Sommer abnimmt. Dies dürfte in Ländern,<br />

die bereits heute unter Wasserknappheit leiden, die Situation weiter verschärfen. Weiterhin<br />

werden Änderungen der Saisonalität der Temperaturvariabilität erwartet, d. h. zum<br />

Beispiel, dass „heiße“ Sommer häufiger <strong>und</strong> „kalte“ Winter eher seltener auftreten werden<br />

(PARRY, 2000).<br />

In Deutschland wird die Entwicklung mittlerer Klimawerte dem globalen Trend weitgehend<br />

folgen. Die Durchschnittstemperaturen sollen in etwa im gleichen Ausmaß wie auf globaler<br />

bzw. europäischer Ebene ansteigen, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß in den verschiedenen<br />

Landesteilen. Je nach Szenarium soll der jährliche Temperaturanstieg zwischen<br />

0,1 bis 0,45 o C pro Dekade liegen, wobei die Erwärmung in Süddeutschland schneller von­


Klimawandel<br />

statten gehen könnte als im Norden. Die Niederschlagsmengen sollen im Winter, Frühjahr<br />

<strong>und</strong> Herbst zunehmen, während die Sommer eher trockener werden. Regionale Klimavorhersagen<br />

bis ca. 2050, wie die im Rahmen der bayerischen Klimastudie BayFORKLIM<br />

(ENDERS, 1999) <strong>und</strong> des für das Land Brandenburg berechneten Klimaszenariums (GERS­<br />

TENGRABE, 2003), bestätigen diesen Trend steigender mittlerer Temperaturen <strong>und</strong> abnehmender<br />

Sommerniederschläge.<br />

Im Gegensatz zu den vorausgesagten Änderungen der mittleren Klimawerte, ist die Vorhersage<br />

über das zukünftige Auftreten von Klimaextremen erheblich schwieriger. Zu den Klimaextremen<br />

zählen Frost-, Hitze- <strong>und</strong> Trockenperioden, Starkniederschläge, Hagel, Stürme,<br />

Hochwasser <strong>und</strong> Sturmfluten. Statistische Trendanalysen der letzten Jahre zeigen zwar<br />

eine Zunahme extremer Klimaereignisse an, die Vorhersage von Änderungen in der Frequenz<br />

oder in der Stärke derartiger Ereignisse für die Zukunft ist sehr unsicher (EASTER­<br />

LING, 2000). Es wird jedoch von einer Zunahme von extremen Klimaereignissen (z. B. Hitzeperioden,<br />

Sommertrockenheit) ausgegangen. Klimaextreme haben besondere Bedeutung<br />

im Hinblick auf ihre Auswirkungen. Im Gegensatz zu den eher allmählich <strong>und</strong> auf globalem<br />

Niveau ablaufenden Veränderungen der mittleren Klimawerte werden extreme Klimaereignisse<br />

regional <strong>und</strong> lokal konkret wirks<strong>am</strong> <strong>und</strong> als solche eher von den Betroffenen<br />

wahrgenommen.<br />

Zusätzlich zu den angesprochenen Änderungen physikalischer Klimapar<strong>am</strong>eter verändert<br />

sich die chemische Zus<strong>am</strong>mensetzung der Atmosphäre (DÄMMGEN and WEIGEL, 1998). So<br />

haben die Konzentrationen zahlreicher Spurengase (Kohlenstoffdioxid CO2; troposphärisches<br />

Ozon O3; Distickstoffmonoxid/Lachgas N2O; Stickstoffmonoxid <strong>und</strong> -dioxid,<br />

NO/NO2; Methan CH4; Fluorchlorkohlenwasserstoffe) in den letzten 100 Jahren stark zugenommen<br />

(Tabelle 1). Neben Wasserd<strong>am</strong>pf tragen diese Spurengase als sog. „Treibhausgase“<br />

zur Änderung des globalen Klimas bei (Treibhauseffekt). Spurengase wie CO2, O3<br />

<strong>und</strong> NO/NO2 wirken zusätzlich direkt auf terrestrische Ökosysteme <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it auch auf die<br />

Landwirtschaft ein, indem sie unmittelbar mit Pflanzen <strong>und</strong> Böden interagieren (DÄMMGEN<br />

and WEIGEL, 1998; LUO and MOONEY, 1999; AMTHOR, 2001; FUHRER, 2003).<br />

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zus<strong>am</strong>menhang das Spurengas CO2. Während die<br />

globale CO2-Konzentration der Atmosphäre über > 100.000 Jahre hinweg bis etwa zum<br />

Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bei ca. 280-290 ppm lag (PETIT et al., 1999), steigt sie seitdem<br />

rasch an <strong>und</strong> beträgt gegenwärtig bereits ca. 375 ppm. Dieser Trend wird sich mit noch<br />

größerer Intensität als bisher fortsetzen. Nach den Vorhersagen des Intergouvernmental<br />

Panel on Climate Change (IPCC, 2001) wird die CO2-Konzentration – je nach Emissionsszenarium<br />

– in 50 Jahren bereits bei ca. 450 bis 500 ppm liegen (Abbildung 1).<br />

17


18<br />

Tabelle 1: Veränderungen in der chemischen Zus<strong>am</strong>mensetzung der Atmosphäre <strong>und</strong><br />

Deposition von Stoffen aus der Atmosphäre (Angaben in Größenordnungen;<br />

nach verschiedenen Quellen; aus DÄMMGEN and WEIGEL 1998)<br />

Einheit „historisch“ „gegenwärtig“<br />

Konzentrationen<br />

CO2 ppm 280 365<br />

CH4 ppb 800 1800<br />

N2O ppb 285 330<br />

O3 µg m -3<br />

25 50<br />

NO2 µg m -3<br />

2 30<br />

NO µg m -3<br />

0.02 3<br />

NH3 µg m -3<br />

0.05 3<br />

SO2 µg m -3<br />

0.5 10<br />

Depositionen<br />

NH4-N -1<br />

kg ha -1 a 2 6<br />

NO3-N -1<br />

kg ha -1 a 2 5<br />

SO4-S -1<br />

kg ha -1 a 1 8<br />

Abbildung 1: Bisheriger <strong>und</strong> auf der Basis von Emissionsszenarien vorausgesagter Verlauf<br />

der CO2-Konzentration in der Atmosphäre (nach IPCC, 2001)


Klimawandel<br />

Der weitere Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre gehört zu den <strong>am</strong> sichersten<br />

vorhersagbaren <strong>und</strong> unausweichlichen Entwicklungen der vorausgesagten Klimaänderungen.<br />

Erhöhte CO2-Konzentrationen führen in der Regel zu einer Stimulation der pflanzlichen<br />

Photosynthese (sog. CO2-Düngeeffekt) <strong>und</strong> beeinflussen d<strong>am</strong>it das Pflanzenwachstum<br />

prinzipiell positiv (s. u.). Trendaussagen zu anderen Spurengasen sind schwieriger. Für O3<br />

sagen Modelle voraus, dass dessen Konzentrationen im Laufe der nächsten 50 Jahre insbesondere<br />

in den urban-agroindustriellen Ballungsräumen der Erde mit einer Rate von 0,3 bis<br />

1,0 %/Jahr zunehmen werden (CHAMEIDES et al., 1994). Dies dürfte z. B. in den Ländern zu<br />

erwarten sein, deren Volkswirtschaften sich entwickeln bzw. deren Schadstoffemissionen<br />

zunehmen (z. B. China, Indien, Mexiko, Ägypten).<br />

3 Auswirkungen der Änderung einzelner Klimaelemente auf das<br />

Pflanzenwachstum<br />

3.1 Erhöhte Temperaturen<br />

Die Temperatur ist ein f<strong>und</strong><strong>am</strong>entaler Faktor, der alle biologischen <strong>und</strong> chemischen Prozesse<br />

in Organismen <strong>und</strong> Ökosystemen beeinflusst. Stoffwechsel <strong>und</strong> Wachstum von Pflanzen<br />

sind durch Optimaltemperaturen gekennzeichnet, die je nach Pflanzenart (oder -sorte) bzw.<br />

je nach Standort <strong>und</strong> Herkunft sehr unterschiedlich ausgeprägt sind (Abbildung 2; EVANS,<br />

1993). Daraus lässt sich ableiten, dass eine Temperaturerhöhung unterhalb des Optimums<br />

prinzipiell zu einer Leistungssteigerung, oberhalb des Optimums dagegen zu einer negativen<br />

Wirkung führt.<br />

Demnach sollten positive Effekte auf die Photosynthese bzw. das Wachstum überall dort<br />

auftreten, wo die gegenwärtige Temperatur limitierend ist. Bei Pflanzen, die im Bereich<br />

ihres Temperaturoptimums wachsen, führt eine Temperaturerhöhung dagegen zu negativen<br />

Effekten. Zu beachten ist aber, dass höhere Temperaturen gleichzeitig die Dunkelatmung<br />

bzw. die Photorespiration beschleunigen, über die 40 bis 50 % des photosynthetisch assimilierten<br />

Kohlenstoffes wieder verloren gehen. Dies führt zur Verringerung des Bilanzüberschusses<br />

aus Photosynthese <strong>und</strong> Atmung <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it zu verminderten Wuchsleistungen.<br />

Wärme Temperaturen werden insbesondere die Entwicklungsphasen von Kulturpflanzen<br />

beeinflussen, wobei die Effekte von Entwicklungsstadien bzw. Wachstumsphasen (Keimung,<br />

Blütenbildung <strong>und</strong> -entwicklung, Reife, Dormanz, Vernalisation, Blattentfaltung)<br />

abhängen. Wärmere Winter- <strong>und</strong> Frühjahrsmonate z. B. werden in einem verstärkten<br />

Wachstum in diesen Zeiten resultieren. Arten, deren Entwicklung durch Vernalisationsprozesse<br />

bestimmt wird, können durch wärmere Temperaturen dagegen negativ beeinflusst<br />

werden.<br />

19


20<br />

Abbildung 2: Die Temperaturabhängigkeit der Photosyntheseleistung bei Pflanzenarten<br />

unterschiedlicher Standorte (oben) <strong>und</strong> wichtige Temperaturbereiche verschiedener<br />

Kulturpflanzenarten (unten)<br />

Kultur T opt T max Kältetoleranz (Wachstumsbeginn)<br />

Weizen 17 - 23 30 - 35 4 - 6<br />

Mais 25 - 30 32 - 37 12 - 15<br />

Sojabohne 15 - 20 35<br />

---<br />

Kartoffel 15 - 20 25 8 - 10<br />

Da eine Temperaturerhöhung auch mit einer Verlängerung der Vegetationsperiode verknüpft<br />

ist (eine Temperaturerhöhung von 2 o C bedeutet eine Verlängerung der Wachstumsperiode<br />

von ca. 2 bis 3 Wochen), werden die Erträge von Arten, die mit Wachstum reagieren,<br />

solange die Temperaturen dazu ausreichend sind (z. B. Zuckerrübe, Grünlandarten)<br />

positiv auf ansteigende Durchschnittstemperaturen reagieren. Getreidearten (Weizen, Gerste),<br />

die durch festgelegte Reife- bzw. Entwicklungsstadien gekennzeichnet sind, reagieren<br />

auf eine temperaturbedingte Entwicklungsbeschleunigung dagegen eher negativ, da hier die<br />

Entwicklung durch Wärmesummen bestimmt wird (BATTS et al., 1997; REDDY and HOD­<br />

GES, 2000; AMTHOR, 2001). Eine durchschnittliche Temperaturerhöhung von z. B. 1 o C<br />

kann in einer Verkürzung der Kornfüllungsphase von bis zu 10 % <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it einem entsprechenden<br />

Ertragsverlust resultieren.


Klimawandel<br />

Führt eine Temperaturerhöhung zur Aufhebung der Temperaturlimitierung des Wachstums,<br />

sind Verschiebungen in den Anbaugebieten zu mehr nördlichen Breitengraden (pro Grad<br />

Temperaturerhöhung ca. 100 bis 150 km nordwärts) <strong>und</strong> zu größeren Höhenlagen (pro Grad<br />

Temperaturerhöhung ca. 100 m) zu erwarten. Dies bedeutet z. B. für Europa eine Nordwärtsverschiebung<br />

der Anbaumöglichkeiten für Sommergetreide <strong>und</strong> Körnermais bzw. eine<br />

Verschiebung des Raufutteranbaus in alpinen Gebieten in höhere Lagen.<br />

Oberhalb des art- bzw. sortenspezifischen Temperaturoptimums (Abbildung 2) werden<br />

Kulturpflanzen durch Temperaturextreme jedoch meist geschädigt (LONG and WOODWORD,<br />

1988; EVANS, 1993). Phasen der S<strong>am</strong>en- <strong>und</strong> Fruchtbildung z. B. sind relativ temperaturempfindlich.<br />

Es ist bekannt, dass Extremtemperaturen (z. B. Hitzeperioden in den heißen<br />

Sommermonaten), die nur wenig oberhalb der Durchschnittstemperaturen liegen, die Bestäubungsvorgänge<br />

bei Getreidearten (Weizen, Reis) beeinträchtigen. Treten solche Extremereignisse<br />

vermehrt auf, muss daher mit relativ größeren Schäden gerechnet werden.<br />

3.2 Erhöhte CO2-Konzentrationen<br />

CO2 in der Atmosphäre ist einzige Kohlenstoffquelle für Pflanzen. Da die heutige CO2­<br />

Konzentration der Atmosphäre für die meisten C3-Pflanzen noch immer suboptimal ist,<br />

führt eine Erhöhung der CO2-Konzentration in der Umgebungsluft daher bei den meisten<br />

Pflanzenarten in der Regel unmittelbar zu einer Stimulation der Photosynthese („CO2­<br />

Düngeeffekt“). Gleichzeitig wird die Blatttranspiration zumindest bei krautigen Pflanzenarten<br />

bzw. Kulturpflanzen reduziert (Abbildung 3). Diese primäre CO2-Wirkung führt zu Sek<strong>und</strong>är-<br />

bzw. Folgeeffekten auf der Ebene der Einzelpflanze bis hin zum Ökosystem. Die<br />

Vielzahl der bislang beobachteten Pflanzenreaktionen kann hier nicht dargestellt werden.<br />

Häufig beobachtete Effekte sind<br />

– eine Zunahme der Biomassebildung bzw. der Ernteerträge,<br />

– eine Zunahme der Kohlenstoff-Verlagerung in die Wurzel (d. h. das Wurzel-/Spross-<br />

Verhältnis wird größer),<br />

– eine Steigerung der Effizienz der Nutzung von Ressourcen (Wasser, Stickstoff <strong>und</strong><br />

Licht), (d. h. z. B., dass die Wasserausnutzungseffizienz von Pflanzen steigt),<br />

– eine Änderung der stofflichen Zus<strong>am</strong>mensetzung des Blattgewebes (insbesondere<br />

nimmt der Gehalt an wasserlöslichen Kohlenhydraten zu, während der Stickstoff- bzw.<br />

Proteingehalt in vegetativen Geweben <strong>und</strong> in S<strong>am</strong>en <strong>und</strong> Früchten abnimmt),<br />

– eine Abnahme der relativen Stressempfindlichkeit (z. B. gegenüber Trockenheit, Versalzung,<br />

Luftschadstoffen),<br />

– eine Änderung der Struktur von Pflanzenbeständen <strong>und</strong><br />

– eine Änderung des Konkurrenzverhaltens in Pflanzengemeinschaften mit Auswirkungen<br />

auf die Biodiversität.<br />

21


22<br />

Abbildung 3: Photosynthese (oben) <strong>und</strong> Transpiration (unten) eines Sommerweizenblattes<br />

in Abhängigkeit von der eingestrahlten Lichtintensität bei gegenwärtiger<br />

(360 ppm; offene Symbole) <strong>und</strong> erhöhter (700 ppm; geschlossene<br />

Symbole) CO2-Konzentration in der Atmosphäre (BURKART, unveröffentlicht)<br />

Allein zur Wachstumsbeeinflussung von Kulturpflanzen liegt eine Fülle von Informationen<br />

vor, die zum überwiegenden Teil aus Experimenten st<strong>am</strong>men, die allerdings unter eher naturfernen<br />

Bedingungen (z. B. optimale Wasser- <strong>und</strong> Nährstoffversorgung) für die jeweiligen<br />

Pflanzen durchgeführt wurden (z. B. WALKER and STEFFEN, 1996; DRAKE et al., 1997;<br />

ROSENZWEIG and HILLEL, 1998; BENDER et al., 1999; REDDY and HODGES, 2000; AMTHOR,<br />

2001). Die unter solchen Bedingungen erzielten Biomasse- <strong>und</strong> Ertragszuwächse bei Kulturpflanzenarten<br />

<strong>und</strong> -sorten sind relativ hoch, variieren allerdings auch stark (Abbildung 4;<br />

Tabelle 2).


Klimawandel 23<br />

Abbildung 4: Reaktionen von Pflanzen auf erhöhte CO2-Konzentrationen in der Umgebungsluft:<br />

Häufigkeitsverteilung des Verhältnisses der Ges<strong>am</strong>tbiomassebildung<br />

von verschiedenen Pflanzenarten ermittelt in Experimenten unter<br />

heutigen <strong>und</strong> zukünftigen (erhöhten) CO2-Konzentrationen in der Umgebungsluft<br />

(verändert nach POORTER, 1993)<br />

Tabelle 2: Ertragszuwächse verschiedener Sommerweizensorten ermittelt in unterschiedlichen<br />

CO2-Anreicherungsexperimenten (OTC = open top ch<strong>am</strong>bers;<br />

FT = Folientunnel) (verändert nach FANGMEIER et al., 2001)<br />

Weizen-Sorte Anzucht Ertragsveränderung<br />

%<br />

Star OTC + 26<br />

Turbo OTC + 35<br />

Nandu OTC + 47<br />

Minaret OTC + 32<br />

MV 16 OTC - 2<br />

Hartog FT + 36 / + 11<br />

Late FT + 34<br />

Hereward FT + 7 bis + 44<br />

Hereward FT + 7 bis + 168<br />

Minaret OTC + 43<br />

Minaret OTC + 35


24<br />

Versuchsanstellungen unter Feldbedingungen mit sog. Freiland-CO2-Anreicherungssystemen<br />

(Free Air Carbondioxide Enrichment = FACE) in den USA, Japan, der Schweiz <strong>und</strong><br />

Italien unter CO2-Konzentrationen, wie sie im Laufe der nächsten 50 Jahre relevant sein<br />

werden, ergaben niedrigere Wachstumszuwächse (Tabelle 3) (KIMBALL et al., 2002). Ähnliche<br />

Ergebnisse wurden bei den Ertragsleistungen erzielt. Eigene Untersuchungen in<br />

Fruchtfolgen mit der FACE-Technik (550 ppm CO2) in Braunschweig ergaben Ertragszunahmen<br />

bei Wintergerste („Theresa“), Zuckerrübe („Wiebke“) <strong>und</strong> Winterweizen („Batis“)<br />

zwischen ca. 8 bis 15 % (MANDERSCHEID et al., 2002, 2003). Es kann davon ausgegangen<br />

werden, dass sich die in den nächsten Jahrzehnten zunehmende CO2-Konzentration in der<br />

Atmosphäre gr<strong>und</strong>sätzlich positiv auf die Wachstumsleistungen unserer Kulturpflanzen<br />

auswirken wird. Das Ausmaß dieser positiven Wirkung ist allerdings noch unsicher.<br />

Tabelle 3: Oberirdische Ges<strong>am</strong>tbiomassebildung von Kulturpflanzenarten ermittelt aus<br />

verschiedenen FACE-Versuchen (n = 7-8) unter Feldbedingungen in verschiedenen<br />

Ländern (verändert nach KIMBALL et al., 2002)<br />

Pflanzenart Mittlere Veränderung durch CO 2 in %<br />

C3-Gräser: Weizen, Reis, Weidelgras + 11,5 ± 1,4<br />

Kartoffel - 21,0 ± 8,6<br />

Leguminosen: Klee, Luzerne + 24,0 ± 4,5<br />

Mehrjährige: Wein, Baumwolle + 31,5 ± 2,2<br />

Ein zukünftig wärmeres Klima soll die Evapotranspiration von Pflanzenbeständen erhöhen<br />

<strong>und</strong> d<strong>am</strong>it auch mehr Probleme mit Bodentrockenheit bzw. Trockenstress verursachen.<br />

Dies wird insbesondere in den Regionen auftreten, wo die Wasserversorgung bereits heute<br />

limitiert ist. Zahlreiche Versuche vorwiegend mit krautigen Pflanzen haben aber gezeigt,<br />

dass die Evapotranspiration bzw. der Wasserverbrauch von Kulturpflanzen unter erhöhten<br />

CO2-Konzentrationen abnehmen bzw. dass die Wasserausnutzungseffizienz sowie die relative<br />

Empfindlichkeit gegenüber Trockenstress ansteigen (KIMBALL et al., 2002; KANG et<br />

al., 2002; POLLEY, 2002, Tabelle 4). Unter erhöhten CO2-Bedingungen wurden zudem erhöhte<br />

Bodenfeuchten festgestellt. Diese CO2-Wirkung auf den pflanzlichen Bestandswasserhaushalt<br />

deutet auf einen weiteren positiven Effekt hin, der negative, durch hohe Temperaturen<br />

verursachte erhöhte Verdunstungsraten abmildern könnte.<br />

Eine in fast allen Studien zum „CO2-Düngeeffekt“ beobachtete Reaktion ist die Veränderung<br />

der chemischen Zus<strong>am</strong>mensetzung des pflanzlichen Gewebes (IDSO and IDSO, 2001).<br />

Betroffen sind sowohl der Gehalt an Makro- <strong>und</strong> Mikroelementen als auch die Konzentrationen<br />

sonstiger Inhaltsstoffe (z. B. Zucker, Vit<strong>am</strong>ine, sek<strong>und</strong>äre Pflanzenstoffe). Herausragendes<br />

Beispiel dafür ist die Reduktion des Stickstoffgehaltes sowohl in vegetativen Organen<br />

(Blatt, Stengel) als auch in Früchten, S<strong>am</strong>en bzw. Körnern (COTRUFO et al., 1998;


Klimawandel<br />

WEIGEL and MANDERSCHEID, 2004). Daraus ergeben sich einerseits negative Konsequenzen<br />

der CO2-Erhöhung im Hinblick auf die Produktqualität (z. B. Kornqualität bei Weizen;<br />

Futterqualität bei Grünlandarten). Andererseits führt die Änderung der Qualität der Wirtspflanze<br />

zur Veränderung der Nahrungsquelle für herbivore Insekten bzw. für sonstige<br />

Schaderreger (s. u.). Aus ökologischer Sicht kann das erweiterte C-/N-Verhältnis der anfallenden<br />

pflanzlichen Rückstände den Streuabbau im Boden verzögern. Eine Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

eigener Arbeiten zur Wirkung erhöhter CO2-Konzentrationen auf die Qualität von<br />

Grünland- <strong>und</strong> Getreidearten findet sich bei WEIGEL and MANDERSCHEID (2004).<br />

Tabelle 4: Wirkung einer CO2-Anreicherung auf die Wasserausnutzungseffizienz (WNE;<br />

g Trockenmasse pro kg Wasser) von Sommerweizen bei ausreichender <strong>und</strong> reduzierter<br />

Wasserversorgung. Die Untersuchung wurde in Open-top-K<strong>am</strong>mern<br />

im Feld durchgeführt (nach MANDERSCHEID et al., unveröffentlicht)<br />

Jahr Wasser- „Normal“ CO 2 670 ppm CO 2 CO 2-Effekt<br />

versorgung %<br />

1998 Ausreichend 4,88 6,22 + 27<br />

Reduziert 5,30 7,59 + 43<br />

1999 Ausreichend 4,08 4,64 + 14<br />

Reduziert 4,10 6,98 + 70<br />

3.3 Interaktionen zwischen Temperatur <strong>und</strong> erhöhten CO2-Konzentrationen<br />

Da die mittleren Temperaturen <strong>und</strong> die atmosphärische CO2-Konzentration gleichzeitig<br />

zunehmen, interessiert, wie diese beiden Klimavariablen in Wechselwirkung treten könnten.<br />

Aus der Biochemie der CO2-Fixierung lässt sich ableiten, dass die Stimulation der Photosyntheserate<br />

durch erhöhte CO2-Konzentrationen mit steigender Temperatur zunehmen<br />

sollte, was in bestimmten Temperaturbereichen auch experimentell belegt worden ist<br />

(LONG, 1991). Entsprechende Synergieeffekte wurden auf der Ebene der Ges<strong>am</strong>tbiomassereaktion<br />

bzw. des Ertrages von Pflanzen allerdings nicht immer beobachtet. Innerhalb eines<br />

bestimmten (relativ niedrigen) Temperaturbereichs nimmt der positive Wachstumseffekt<br />

der hohen CO2-Konzentrationen mit steigender Temperatur jedoch im Allgemeinen zu.<br />

Demgegenüber ergaben einige Untersuchungen, dass der o. g. negative Effekt erhöhter<br />

Temperaturen auf Getreideerträge durch den positiven CO2-Effekt kompensiert werden<br />

kann (WHEELER et al., 1996; AMTHOR, 2001). Hier gibt es jedoch starke artspezifische Unterschiede.<br />

25


26<br />

Die geschilderte Interaktion spielt eine wichtige Rolle bei der Bewertung der Folgen von<br />

Klimaänderungen (Temperatur; Niederschlag) für die Ernteerträge auf lokaler, regionaler<br />

<strong>und</strong> globaler Ebene. Je nachdem, ob der physiologische CO2-Effekt in entsprechenden<br />

Pflanzenwachstums- bzw. Ertragsmodellen berücksichtigt wird oder nicht, kann sowohl die<br />

Richtung als auch das Ausmaß der vorausgesagten Effekte variieren. Negative Ertragseffekte<br />

bei Getreide z. B., die allein aufgr<strong>und</strong> erhöhter Temperaturen (<strong>und</strong> schlechterer Wasserversorgung)<br />

berechnet werden, fallen wesentlich geringer aus bzw. kehren sich in positive<br />

Wirkungen um, wenn der CO2-Düngeeffekt in die Bewertung mit einbezogen wird<br />

(HULME et al., 1999).<br />

3.4 Sonstige Interaktionen<br />

Von den zahlreichen weiteren Klima- bzw. Wachstumsfaktoren (Strahlung, Wasser- <strong>und</strong><br />

Nährstoffversorgung, arten- <strong>und</strong> sortenspezifische Reaktionen etc.), die in ihrer Wechselwirkung<br />

für eine Vorhersage von Effekten einer Klimaänderung auf die Pflanzenproduktion zusätzlich<br />

berücksichtigt werden müssen, sollen hier nur zwei angesprochen werden.<br />

Phytotoxische O3-Konzentrationen in der bodennahen Atmosphäre beeinträchtigen nach<br />

wie vor in vielen Teilen der Erde das Wachstum von Kulturpflanzen (FUHRER and BOOKER,<br />

2003). Das Schadgas O3 wird ebenso wie CO2 über Spaltöffnungen der Blätter in die Pflanze<br />

aufgenommen. Daraus lässt sich folgern, dass beide Gase in Wechselwirkung treten sollten:<br />

experimentelle Studien konnten zeigen, dass hohe CO2-Konzentrationen Pflanzen vor<br />

O3 „schützen“ bzw. dass positive CO2-Wirkungen in Anwesenheit phytotoxischer O3­<br />

Konzentrationen abgeschwächt werden. Die dieser Interaktion zugr<strong>und</strong>e liegenden Wirkmechanismen<br />

beruhen z. T. auf einer Reduktion der Spaltöffnungsweiten (s. o.), z. T. auf<br />

einer Erhöhung der antioxidativ wirkenden Kapazitäten der Pflanzen durch hohe CO2­<br />

Konzentrationen (WEIGEL, 2003). In Regionen mit hoher sommerlicher O3-Belastung könnten<br />

d<strong>am</strong>it die positiven Wirkungen einer CO2-Erhöhung nicht voll wirks<strong>am</strong> werden könnten,<br />

woraus sich wiederum ableiten lässt, dass die Wirkung des CO2-Düngeeffektes nicht<br />

isoliert betrachtet werden kann.<br />

Pflanzenkrankheiten gehören zu den größten Risiken in der Agrarproduktion. Das Ausmaß<br />

ihres Auftretens wird stark von Witterungseinflüssen (Temperatur, Niederschlag, Luftfeuchte,<br />

Strahlung etc.) beeinflusst, da diese Faktoren sowohl die Anfälligkeit der Wirtspflanze<br />

als auch Wachstum sowie Überdauerungs- <strong>und</strong> Ausbreitungsvermögen der Schaderreger<br />

bestimmen. Änderungen der o. g. Klimafaktoren werden sich daher auch auf dieses<br />

Beziehungsgeflecht auswirken. Im Zus<strong>am</strong>menhang mit der Bewertung der Folgen von Klimaänderungen<br />

ist diesem Problem allerdings bisher vergleichsweise wenig Aufmerks<strong>am</strong>keit<br />

geschenkt worden. So fehlt z. B. in den vielen Studien zur Klimafolgenabschätzung<br />

dieser Aspekt völlig. Nahezu alle Agrarsektoren (<strong>Ackerbau</strong>, Grünland, Gartenbau, Forst­


Klimawandel<br />

wirtschaft) sind empfindlich gegenüber Veränderungen im Auftreten von Pflanzenkrankheiten,<br />

Pathogenen oder Parasiten (Unkräuter, bakterielle, pilzliche <strong>und</strong> virale Pflanzenkrankheiten,<br />

Insekten/Schädlinge, invasive gebietsfremde Arten etc.), die sich aus einem<br />

veränderten Klima ergeben (CHAKRABORTY and PANGGA, 2003). Dabei spielen die Reaktionen<br />

der Wirtspflanzen auf die Veränderung eine entscheidende Rolle.<br />

Trockenere, heißere Sommer werden z. B. die Infektionsgefahr für bestimmte Pilzkrankheiten<br />

eher reduzieren, da diese eher unter feuchtwarmen Bedingungen auftreten. Treten in<br />

Zukunft mildere Wintertemperaturen auf, würden dagegen andere Krankheiten (z. B. Cercospora-Blattfleckenkrankheit,<br />

echter Mehltau, Zwergrost, Rhizomania) begünstigt (PAT­<br />

TERSON et al., 1999). Auch die Überlebensrate tierischer Schädlinge könnte steigen, was<br />

größere Populationen im Frühjahr <strong>und</strong> höhere Schäden an den Wirtspflanzen während der<br />

Vegetationsperiode zur Folge hätte. Höhere Durchschnittstemperaturen könnten weiterhin<br />

dazu führen, dass Pflanzenkrankheiten in Regionen der höheren Breiten auftreten, in denen<br />

sie bislang eher nicht bekannt waren.<br />

Änderungen chemischer Klimafaktoren (erhöhte Konzentrationen von CO2, O3) wirken<br />

direkt auf die pflanzliche Qualität <strong>und</strong> beeinflussen d<strong>am</strong>it die Empfindlichkeit gegenüber<br />

Schaderregern bzw. Insekten. Die durch hohe CO2-Konzentrationen verursachte Reduktion<br />

der Blattstickstoffgehalte bei gleichzeitiger Zunahme löslicher Kohlenhydrate resultierte in<br />

experimentellen Studien in einem verstärkten Konsum von Blattmaterial durch herbivore<br />

Insekten. Saugende Insekten sollen dagegen durch die durch hohe CO2-Konzentrationen<br />

veränderte Blattmorphologie („dickere“ Blätter) eher behindert werden. Die unterschiedliche<br />

Reaktion von C3-<strong>und</strong> C4-Pflanzen auf erhöhte CO2-Konzentrationen könnte zu veränderten<br />

Verhältnissen zwischen Nutzpflanzen <strong>und</strong> Unkräutern führen: viele Unkräuter gehören<br />

dem C4-Typ an <strong>und</strong> in vielen Experimenten wurde das Wachstum von C3-Pflanzen auf<br />

Kosten von C4-Pflanzen durch hohe CO2-Konzentrationen begünstigt. Weitere mögliche<br />

Implikationen eines Klimawandels für Pflanzenkrankheiten sind z. B. bei PORTER et al.<br />

(1991), LINCOLN et al. (1993), MANNING and V. TIEDEMANN (1995), PATTERSON (1995)<br />

sowie COAKLEY et al. (1999) beschrieben.<br />

4 Anpassungen<br />

Die Landwirtschaft hat Möglichkeiten zur Anpassung an sich ändernde Klimabedingungen.<br />

Anpassung kann in diesem Zus<strong>am</strong>menhang beschrieben werden als autonome (d. h. private)<br />

Anpassung des Landwirtes bzw. des Betriebes an sich ändernde Temperaturen, Niederschläge<br />

oder atmosphärische Spurengaskonzentrationen. Diese werden meist eher kurzfristig<br />

entwickelt <strong>und</strong> angewandt <strong>und</strong> nicht durch externe Einflüsse (Politik, Forschung) vorgegeben<br />

bzw. gesteuert. Eine geplante Anpassung umfasst dagegen gezielte Maßnahmen<br />

oder Strategien, die z. B. seitens der Politik entwickelt werden, um Kapazitäten des Agrar­<br />

27


28<br />

sektors gezielt zu ändern, zu beeinflussen bzw. aufzubauen. Dazu zählen u. a. längerfristig<br />

wirks<strong>am</strong>e strukturelle Anpassungen (z. B. Züchtung neuer Sorten, Entwicklung neuer<br />

Landnutzungstechniken).<br />

Zu den für die Betriebsebene bzw. den pflanzenbaulichen Bereich relevanten, häufig genannten<br />

Kategorien von Anpassungsmaßnahmen zählen z. B. (SCHNEIDER et al., 2000)<br />

– Änderungen der Aussaattermine,<br />

– Wahl alternativer Arten <strong>und</strong> Sorten,<br />

– Einsatz neuer Arten <strong>und</strong> Sorten,<br />

– Änderungen des Wassermanagements bzw. der Bewässerungsmaßnahmen<br />

– Änderungen sonstiger Inputgrößen (Dünger, Bodenbearbeitung, Korntrocknung,<br />

Fruchtfolgegestaltung etc.).<br />

Berücksichtigt werden muss in diesem Zus<strong>am</strong>menhang auch, dass der technologische Fortschritt<br />

als solcher (z. B. im Bereich der Biotechnologie) Beiträge leisten wird, um mit möglichen<br />

Folgen der Klimaänderung umzugehen. Dazu gibt es durchaus optimistische Vorstellungen,<br />

wie in Tabelle 5 beispielhaft gezeigt wird.<br />

Tabelle 5: Auswahl expertengestützter Vorhersagen über Entwicklungen des Sektors<br />

Landwirtschaft <strong>und</strong> Ernährung im Rahmen der Studie zur globalen Entwicklung<br />

von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik, die Bezug zur Thematik Klimaänderung<br />

haben (DELPHI, 1998) (CUHLS et al., 2002)<br />

. Züchtungen von Pflanzen, die gegen Trockenheit <strong>und</strong> Salz beständig sind <strong>und</strong> einen Schutz gegen eine<br />

Ausbreitung der Wüste darstellen, finden praktische Anwendung.<br />

. Der Wasserverbrauch von Kulturpflanzen wird durch Züchtung von 300-500 l/kg erzeugter Biomasse<br />

auf 100-200 l/kg gesenkt.<br />

. Die Entwicklungsdauer von Nutzpflanzen kann gezielt verkürzt werden, so dass mehr als eine Ernte<br />

bzw. die Verschiebung der Anbauregionen in nördlichere Breiten möglich wird.<br />

. Durch den Einbau von Frostschutz-Genen in Nutzpflanzen kann im Frühjahr auf den Einsatz von Abdeckfolien<br />

bzw. die Anzucht in Treibhäusern verzichtet werden.<br />

. Das Auftreten der wichtigsten Schädlinge kann vorausgesagt <strong>und</strong> ein umfassendes Schutzsystem entwickelt<br />

werden.<br />

. Die Klimaveränderung <strong>und</strong> entsprechende agrartechnische Entwicklungen haben die Nahrungspflanzenproduktion<br />

in die nördlicheren Regionen der Erde <strong>und</strong> in Höhenlagen über 600 m verlagert.


Klimawandel<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich setzen erfolgreiche Anpassungsmaßnahmen voraus, dass eine Klimaänderung<br />

von den Akteuren auch als eine tatsächliche Änderung des Klimas <strong>und</strong> nicht als<br />

Klimavariabilität wahrgenommen wird, dass sie rechtzeitig eingeleitet werden <strong>und</strong> dass<br />

ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, um die Anpassung umzusetzen. Im Hinblick<br />

auf diese Ressourcenverfügbarkeit gehen modellgestützte Vorhersagen zur Auswirkung<br />

von Klimaänderungen auf den Agrarsektor, die explizit Anpassungsstrategien in ihren Szenarien<br />

berücksichtigen, davon aus, dass die Möglichkeiten zur effektiven Anpassung der<br />

Landwirtschaft in den entwickelten Ländern der mittleren Breitengrade <strong>am</strong> größten <strong>und</strong> in<br />

den Entwicklungsländern der südlichen Breitengrade <strong>am</strong> geringsten sind (PARRY et al.,<br />

1999).<br />

5<br />

Wirkungen auf die Agrarproduktion<br />

Die auf der biophysikalisch-physiologischen Ebene ablaufenden Wechselwirkungen von<br />

Klimaänderungen mit dem Pflanzenwachstum resultieren auf der nächst höheren Ebene in<br />

Veränderungen der pflanzlichen Agrarproduktion insges<strong>am</strong>t. Produktionsänderungen im<br />

Allgemeinen werden von Faktoren geleitet, zu denen das Betriebsmanagement (z. B. Sortenwahl,<br />

Düngung, Pflanzenschutz), die Verfügbarkeit von Ressourcen (z. B. Bodenqualität)<br />

sowie Angebots-/Nachfrage-Gleichgewichte (z. B. resultierend aus Verbraucherpräferenzen)<br />

gehören. Im Hinblick auf die Folgen von Klimaänderungen gilt es daher, den Einfluss<br />

einer Klimaänderung unabhängig von den Entwicklungen dieser anderen Faktoren<br />

abzuschätzen. Für derartige Abschätzungen werden unterschiedliche Modelle herangezogen.<br />

Modellansätze, die biophysikalisch-physiologisch basierte Pflanzenwachstumsmodelle<br />

mit ökonomischen Modellen koppeln, spielen eine wichtige Rolle. Unter Annahme unterschiedlicher<br />

Klimaszenarien, die wiederum auf globalen Zirkulationsmodellen (GCM) basieren,<br />

haben zahlreiche „Klima-Impakt-Studien“ die Folgen eines Klimawandels auf die<br />

globalen (ROSENZWEIG and PARRY, 1994; DARWIN et al., 1999) sowie auf regionale (USA,<br />

Europa, einzelne Länder) Erträge (ADAMS, 1999; HARRISON et al., 2000; BINDI and OLE­<br />

SEN, 2000) modelliert. In diesen Studien wurden teilweise Anpassungsszenarien bzw. direkte<br />

physiologische CO2-Wirkungen mitberücksichtigt.<br />

In Abbildung 5 sind Ergebnisse dieser Abschätzungen stark aggregiert beispielhaft für Getreide<br />

bzw. Weizen als relative Veränderungen dargestellt. Es wird deutlich, dass für einige<br />

Entwicklungsländer der tropischen bzw. subtropischen Regionen mit starken Ertragseinbußen<br />

gerechnet werden muss, sofern sich die Klimabedingungen in den in Kapitel 2 genannten<br />

Größenordnungen ändern. Dagegen kann für die Kontinente Australien, Europa <strong>und</strong><br />

Nord<strong>am</strong>erika im Mittel durchaus mit Ertragszunahmen bzw. mit keinen bedeutenden Veränderungen<br />

gerechnet werden. Allerdings werden für einzelne Regionen Europas <strong>und</strong><br />

Nord<strong>am</strong>erikas Produktionsverluste in der Größenordnung >10 % vorausgesagt.<br />

29


30<br />

Abbildung 5: Relative Änderung der Getreide- bzw. Weizenerträge in unterschiedlichen<br />

Kontinenten, Ländern <strong>und</strong> Regionen der Erde. Die Streubalken geben die<br />

Spannbreite möglicher Änderungen an, die sich aus der Stärke der Klimaänderung<br />

ergibt, die mittels gekoppelter Klim<strong>am</strong>odelle (GCM) berechnet<br />

wurden (n. verschiedenen Autoren)<br />

Mögliche Folgen eines Klimawandels für die einheimische Landwirtschaft mit ihren jeweiligen<br />

regionaltypischen Besonderheiten sind bisher noch nicht systematisch untersucht<br />

worden. Unter Annahme einer gr<strong>und</strong>sätzlich positiven Wirkung steigender atmosphärischer<br />

CO2-Konzentrationen <strong>und</strong> mäßig ansteigender Durchschnittstemperaturen, die eher wachstumsfördernd<br />

sein dürften, könnte auf ausreichend mit Wasser versorgten Standorten mit<br />

eher positiven Wirkungen gerechnet werden. Das deutlich trockenere Klima im Osten<br />

Deutschlands ist jedoch bereits heute ein stark ertragslimitierender Faktor. Zunehmende<br />

Durchschnittstemperaturen werden hier zu einer weiteren Anspannung des Wasserhaushaltes<br />

führen. Die im Rahmen der sog. Brandenburg-Studie berechneten Szenarien (GERSTEN­<br />

GRABE, et al. 2003) zeigen daher auch, dass bereits bei relativ geringen Zunahmen der<br />

Durchschnittstemperaturen (+ ca. 1,0 bis 1,5 0 C) <strong>und</strong> bei Abnahme der Sommerniederschläge<br />

die Winterweizenerträge bis 2030 – trotz angenommener positiver CO2-Wirkung<br />

auf die Wuchsleistung der Pflanzen – um ca. 17 % gegenüber dem heutigen Niveau abnehmen<br />

könnten.


Klimawandel<br />

6 Schlussfolgerung<br />

Ändern sich die mittleren Klimawerte in der vorausgesagten Weise, wird dies für die landwirtschaftliche<br />

Pflanzenproduktion der meisten entwickelten Industrienationen in den nächsten<br />

2 bis 3 Jahrzehnten verkraftbar sein. Die gleichzeitige weitere Zunahme der atmosphärischen<br />

CO2-Konzentration wird sich generell positiv auf das Pflanzenwachstum auswirken.<br />

Dieser Effekt könnte bei gezielter Suche nach Arten <strong>und</strong> Sorten mit größtmöglicher Reaktion<br />

bzw. bei angepasstem Management noch weiter optimiert werden. Heutige Kulturpflanzenarten,<br />

die über die letzten 5.000 bis 8.000 Jahre züchterisch entwickelt wurden, tragen in ihrem<br />

Genom keine Information zur optimalen Nutzung dieser zusätzlichen Kohlenstoffquelle. Der<br />

CO2-Effekt wirkt negativen Wachstumseffekten, die z. B. aus erhöhten Temperaturen <strong>und</strong><br />

reduzierter Wasserverfügbarkeit resultieren, teilweise entgegen. In Ländern der gemäßigten<br />

Klimazonen (z. B. in Mittel- <strong>und</strong> Nordeuropa) sind – bei nur wenig veränderten Niederschlagsbedingungen<br />

– aufgr<strong>und</strong> des positiven CO2-Effektes <strong>und</strong> positiver Temperaturwirkungen<br />

(verlängerte Vegetationsperioden, mildere Kälteperioden) Zunahmen des Pflanzenwachstums<br />

durchaus möglich.<br />

Die Vorhersage einer Veränderung in der Frequenz <strong>und</strong> Stärke des Auftretens extremer<br />

Klimaereignisse ist für einen konkreten Raum schwierig. Die negativen Folgen derartiger<br />

Extremereignisse für das pflanzliche Wachstum (z. B. Hitze- <strong>und</strong> Trockenheit, Überflutung,<br />

Staunässe) sind vom Wirkmechanismus her aus Untersuchungen zur Stressphysiologie<br />

bei Pflanzen im Prinzip bekannt (SCHULZE et al., 2002).<br />

Eine Bewältigung der anstehenden Klimaänderungen gelingt bei rechtzeitiger Anpassung.<br />

Dazu müssen seitens der Wissenschaft Szenarien möglicher Folgen <strong>und</strong> möglicher Anpassungsstrategien<br />

entwickelt werden. Andererseits muss bei den Betroffenen (d. h. den<br />

Landwirten) die Erkenntnis greifen, dass eine tatsächliche Änderung des Klimas im Gange<br />

ist bzw. bevorsteht. Weiterhin müssen die Ressourcen zur Verfügung stehen, die Anpassung<br />

auch umzusetzen. Kosten-Nutzen-Betrachtungen zu diesem Punkt sind notwendig.<br />

Für Entwicklungsländer, die Landwirtschaft bereits heute schon in klimatisch ungünstigen<br />

Regionen betreiben müssen, stehen viele Anpassungsoptionen nicht in ausreichendem Maße<br />

zur Verfügung. Hier sind negative Folgen des Klimawandels zu erwarten.<br />

Die meisten der bisherigen wissenschaftlichen Einschätzungen über mögliche Folgen des<br />

Klimawandels auf die Pflanzenproduktion beruhen auf monofaktoriellen Untersuchungen,<br />

d. h. in den jeweiligen Szenarien wurde jeweils nur eine Klimavariante als Einflussgröße<br />

berücksichtigt. Wechselwirkungen verschiedener Klimapar<strong>am</strong>eter untereinander (Temperatur,<br />

Wasserversorgung, CO2-Konzentration, Luftschadstoffe etc.) sind kaum untersucht<br />

worden. Zudem sind indirekte Effekte, die sich aus der Interaktion mit Pflanzenkrankheiten<br />

<strong>und</strong> dem landwirtschaftlichen Management (Düngung, Sortenspezifität, Bodenbearbeitung)<br />

31


32<br />

ergeben könnten, zu wenig berücksichtigt worden. Weiterhin ist es notwendig, die Folgen<br />

von Klimaänderungen für die Qualität pflanzlicher Produkte stärker als bisher zu beachten.<br />

Klimaänderungen (Temperaturen, Niederschläge, CO2- <strong>und</strong> O3-Konzentrationen) beeinflussen<br />

jedoch auch direkt oder indirekt die Systemeigenschaften von Agrarflächen, z. B. die<br />

Wasser- <strong>und</strong> Stoffkreisläufe sowie chemische <strong>und</strong> biologische Bodenkenngrößen. Hierzu<br />

besteht weiterer Informations- bzw. Forschungsbedarf. Stärker als bisher muss zudem der<br />

technologische Fortschritt in der landwirtschaftlichen Produktion berücksichtigt werden:<br />

nicht nur das Klima des Jahres 2050 wird anders sein als heute, auch die Produktionsverfahren<br />

werden sich bis dahin deutlich ändern. Bisherige Klimawirkungsstudien haben in<br />

der Regel zu einseitig heutige Produktionsverfahren mit einem zukünftigen Klima verknüpft.<br />

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Nährstoffe<br />

Kommen wir im Jahr <strong>2025</strong> zu geschlossenen Nährstoffkreisläufen?<br />

Jutta Rogasik, Ute F<strong>und</strong>er, Ewald Schnug 1<br />

1 Einleitung<br />

Natürliche Ökosysteme zeichnen sich durch weitgehend geschlossene Nährstoffkreisläufe<br />

aus. Durch die Entkopplung von Tierhaltung <strong>und</strong> Pflanzenproduktion sind die Nährstoffkreisläufe<br />

in der Landwirtschaft einerseits überfrachtet, andererseits völlig offen, so dass<br />

der mit dem Verkauf pflanzlicher Produkte verb<strong>und</strong>ene Nährstoffexport durch Düngerzukauf<br />

ausgeglichen werden muss. Der Nährstoffeinsatz in der Landwirtschaft hat somit als<br />

Beitrag zur Klärung der Interaktionen zwischen Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt einen hohen<br />

Stellenwert. Diskussionen über die Rolle der Landwirtschaft in Bezug auf Umweltschäden<br />

betreffen vor allem die Eutrophierung von Oberflächen- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasser sowie die gasförmigen<br />

Verluste in die Atmosphäre.<br />

Der Entwicklung von Kriterien zur Bewertung der Nährstoffsalden wird zukünftig ein hoher<br />

Stellenwert beizumessen sein (FAO, 2003; OENEMA, et al., 2003; ROY et al., 2003). Die<br />

Quantifizierung der Beziehungen zwischen Nährstoffmanagement, Nährstoffüberschüssen<br />

<strong>und</strong> -verlusten sowie Umwelteinflüssen muss dringend durch ein besseres Prozessverständnis<br />

der Nährstoffdyn<strong>am</strong>ik ergänzt werden (OBORN et al., 2003; SACCO et al., 2003).<br />

Die Diskussion um geschlossene Nährstoffkreisläufe betrifft schwerpunktmäßig Stickstoff<br />

<strong>und</strong> Phosphor, da beide eine hohe Umweltrelevanz besitzen. In den nachfolgenden Ausführungen<br />

soll die Frage nach „geschlossenen Stoffkreisläufen“ für N <strong>und</strong> P im Jahr <strong>2025</strong> beantwortet<br />

werden.<br />

2 Stickstoff<br />

In der Landwirtschaft wird der natürliche N-Kreislauf durch die Abfuhr von Nährstoffen<br />

(Erntemengen) unterbrochen (Abbildung 1). Dieser Nährstoff-Output muss durch einen<br />

entsprechenden Nährstoff-Input ausgeglichen werden.<br />

1<br />

Dr. Jutta Rogasik, Ute F<strong>und</strong>er, Prof. Dr. Dr. Ewald Schnug, Institut für Pflanzenernährung <strong>und</strong> Bodenk<strong>und</strong>e,<br />

B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, 38116 Braunschweig<br />

E-Mail: jutta.rogasik@fal.de, ute.f<strong>und</strong>er@fal.de, ewald.schnug@fal.de<br />

37


38<br />

N-Inputpar<strong>am</strong>eter sind:<br />

– N-Düngung (mineralisch <strong>und</strong> organisch)<br />

– Symbiotische N-Fixierung<br />

– N-Deposition aus der Atmosphäre<br />

– N aus Saat- <strong>und</strong> Pflanzgut<br />

– N aus dem Bodenvorrat<br />

N-Outputpar<strong>am</strong>eter sind:<br />

– N-Abfuhr durch Erntemengen<br />

– Denitrifikation<br />

– Emission von NH3 (vor allem die Lagerung <strong>und</strong> Ausbringung organischer Dünger)<br />

Abbildung 1: Schema des N-Kreislaufes (nach OECD, 2001, modifiziert) 2<br />

2<br />

Environmental Indicators for Agriculture - Volume 3: Methods and Results, Publications Service, Paris, France.


Nährstoffe<br />

Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nährstoffzufuhr <strong>und</strong> Nährstoffentzug ist unerlässlich<br />

für ein hohes Ertragsniveau, die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Minimierung der<br />

Umweltverschmutzung <strong>und</strong> eine nachhaltige Ressourcennutzung. Ständige N-Überschüsse<br />

erhöhen das potenzielle Risiko der Umweltverschmutzung, aber auch Unterversorgung mit<br />

Nährstoffen gefährdet die Ressource „Boden“ durch „nutrient mining“, Bodendegradation<br />

<strong>und</strong> abnehmende Bodenfruchtbarkeit (SHELDRICK et al., 2002).<br />

Dringend notwendig ist eine abgestimmte Methodik zur Bilanzierung der unterschiedlichen<br />

Bilanzgrößen, um Vergleichbarkeit auf der Fläche, im Stall <strong>und</strong> im nationalen Maßstab zu<br />

gewährleisten. Ein derartiger Standard ist für die Umsetzung von Richtlinien auf nationaler<br />

<strong>und</strong> internationaler Ebene unerlässlich.<br />

2.1 Methodik der N-Bilanzierung (Fläche)<br />

Die N-Flächenbilanz betrachtet den Boden als Bilanzeinheit, auf die alle In- <strong>und</strong> Outputs<br />

bezogen werden (Abbildung 2). Der N-Überschuss aus der Brutto-N-Bilanz ist ein geeigneter<br />

Indikator zur Einschätzung der potenziellen N-Verluste in die Umweltmedien (Luft,<br />

Boden, Wasser).<br />

Abbildung 2: Hauptelemente der N-Flächenbilanz (brutto)<br />

Mineraldünger<br />

N-Entzug<br />

Marktprodukte<br />

Dünger<br />

tierischer<br />

Herkunft<br />

Organische<br />

Düngestoffe<br />

Biologische<br />

N-Fixierung<br />

LN : landwirtschaftliche Nutzfläche<br />

Atmosphärische<br />

Deposition<br />

N-Entzug<br />

Futterpflanzen<br />

Saat- <strong>und</strong><br />

Pflanzgut N-Input<br />

N-Bilanz (butto)<br />

Saldo als<br />

N-Überschuss:<br />

↓ !Luft<br />

↓ !Boden<br />

↓ !Wasser<br />

N-Output<br />

39


40<br />

Gegenüber der Brutto-N-Bilanz werden in der Netto-N-Bilanz die NH3-Emissionen aus<br />

Lagerung <strong>und</strong> Ausbringung der Dünger tierischer Herkunft berücksichtigt:<br />

Netto-N-Bilanz = (N-Input) - (N-Output) - (N-Verluste)<br />

Die In- <strong>und</strong> Outputdaten der Nährstoffbilanzierung werden aus statistischen Jahrbüchern<br />

des B<strong>und</strong>es<strong>am</strong>tes für Statistik übernommen, die Koeffizienten für die Nährstoffkonversion<br />

aus der Muster-Verwaltungsvorschrift für den Vollzug der Düngeverordnung.<br />

Die N-Depositionen 3<br />

werden mit 23 kg ha -1 N für Acker- <strong>und</strong> Grünland sowie Dauerkulturen<br />

veranschlagt. Die N-Verluste durch Lagerung <strong>und</strong> Ausbringung von Dung tierischer<br />

Herkunft 4<br />

betragen bei Rindern 20 %, bei Schweinen 30 %, bei Geflügel 35 % <strong>und</strong> bei<br />

Pferden/Schafen 45 %.<br />

Die N-Flächenbilanz kennzeichnet den Produktionszweig „Pflanzenproduktion“ als Bestandteil<br />

der Hoftor- oder Ges<strong>am</strong>tbilanz (s. BACH <strong>und</strong> FREDE, 1998; BACH et al., 2003).<br />

2.2 Ergebnisse der N-Bilanzierung<br />

Im Berechnungszeitraum von 1991 bis 2002 ist eine tendenzielle Abnahme der N-<br />

Bilanzüberschüsse erkennbar. Entsprechend steigt die N-Effizienz für N-Flächenbilanz an<br />

(Abbildung 3). In Jahren mit geringerem Ertragsniveau <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it niedrigem N-Output vergrößert<br />

sich der N-Überschuss <strong>und</strong> reduziert somit die N-Effizienz.<br />

3<br />

4<br />

[http://www.nav.uni-stuttgart.de/German/Forschung/CriticalLoads/deutsch.html].<br />

Angaben gemäß Entwurf Novellierung Düngeverordnung.


Nährstoffe 41<br />

Abbildung 3: Entwicklung der N-Überschüsse sowie der N-Effizienz in der Flächenbilanz<br />

für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

Durch Mittelwertbildung kann die witterungsbedingte Variabilität der N-Bilanzsalden etwas<br />

nivelliert werden (Tabelle 1), der negative Trend der berechneten N-Überschüsse wird<br />

deutlicher. Aus den N-Salden kann abgeleitet werden, dass die N-Überschüsse auf landwirtschaftlichen<br />

Nutzflächen im Zeitraum von etwa 10 Jahren (2001 bis 2002 vgl. zu 1992<br />

bis 1994) um ca. 15 % reduziert wurden.<br />

Insges<strong>am</strong>t muss aber eingeschätzt werden, dass N-Überschüsse in der Flächenbilanz von<br />

ca. 80 bis 100 kg ha -1 N zukünftig deutlich reduziert werden müssen, um eine bessere N-<br />

Effizienz zu erreichen <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it das potenzielle Risiko von Umweltrisiken zu minimieren.<br />

Tabelle 1: Mittlere N-Bilanzsalden für die Flächenbilanz in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

N-Bilanzen N-Bilanzsaldo [kg ha -1 ]<br />

1992-1994 1995-1997 1998-2000 2001-2002<br />

Brutto-Flächenbilanz 114 108 107 98<br />

Netto Flächenbilanz 94 88 87 79


42<br />

Den größten Umfang <strong>am</strong> N-Input in der Flächenbilanz machen Mineraldünger <strong>und</strong> N-<br />

Zufuhr durch tierische Exkremente (Stalldung, Gülle) aus (Abbildung 4).<br />

Abbildung 4: Prozentualer Anteil der Bilanzpar<strong>am</strong>eter an der N-Flächenbilanz, Mittel<br />

aus 1999-2002, B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

Durch Reduzierung der N-Verluste beim Einsatz mineralischer <strong>und</strong> organischer Düngemittel<br />

kann der N-Aufwand für die Ertragsoptimierung reduziert werden. Wichtige Ansatzpunkte<br />

sind verlustarme Lagerungs- <strong>und</strong> Applikationstechniken für Dünger, verbesserte<br />

Fütterungsstrategien <strong>und</strong> vieles mehr. Beispielhaft wird in Tabelle 2 ein Szenario vorgestellt,<br />

wie zukünftig die N-Überschüsse verringert werden können. Mit sehr geringem Aufwand<br />

<strong>und</strong> vor allem ohne Auswirkungen auf das Ertragsniveau könnte kurzfristig eine<br />

Verminderung der umweltrelevanten N-Salden bis zu 13 % erreicht werden. Durch Abbau<br />

zu hoher Tierbestände <strong>und</strong> Anwendung phasenangepasster Fütterung ließe sich eine weitere<br />

Reduzierung erreichen.


Nährstoffe<br />

Tabelle 2: N-Flächenbilanz <strong>und</strong> Möglichkeiten der Reduzierung der N-Überschüsse<br />

Par<strong>am</strong>eter Bilanzierungszeitraum Reduzierungspotenzial<br />

2001-2002<br />

N-INPUT 1.000 t 3.871 3.667<br />

Dünger (mineralisch, organisch) 1.000 t 3.231 3.046<br />

Mineraldünger 1.000 t 1.820 1.729 -5%<br />

Anfall tierischer Exkremente 1.000 t 1.359 1.291 -5%<br />

Klärschl<strong>am</strong>m 1.000 t 26 0 -100%<br />

Kompost 1.000 t 26 26<br />

Sonstige N-Input 1.000 t 640 621<br />

Deposition 1.000 t 391 372 -5%<br />

Biologische N- Fixierung 1.000 t 228 228<br />

Saat- <strong>und</strong> Pflanzgut 1.000 t 21 21<br />

N-OUTPUT 1.000 t 2.206 2.206<br />

Feldfrüchte 1.000 t 1.136 1.136<br />

Futterpflanzen 1.000 t 1.046 1.046<br />

Koppelprodukte 1.000 t 24 24<br />

N-Saldo Brutto 1.000 t 1.665 1.461<br />

kg ha -1<br />

98 86<br />

Lager- <strong>und</strong> Ausbringverluste 1.000 t 329 296 -10%<br />

N-Saldo Netto 1.000 t 1.336 1.165 -13%<br />

kg ha -1<br />

79 69<br />

Quelle: F<strong>und</strong>er et al. (2003).<br />

2.3 Überhöhte N-Düngung bringt keinen Ertragsvorteil, sondern<br />

Umweltrisiken!<br />

Im <strong>Ackerbau</strong> muss die Düngung das Ziel verfolgen, durch effektiven Nährstoffeinsatz hohe<br />

<strong>und</strong> stabile Erträge bei gleichzeitig geringen C- <strong>und</strong> N-Verlusten zu erzeugen. Dieser Forderung<br />

wird im Hinblick auf Ertrag, Bodenfruchtbarkeit <strong>und</strong> Umwelt langfristig nur der kombinierte<br />

Einsatz organischer <strong>und</strong> mineralischer Düngemittel gerecht (ROGASIK et al., 2004).<br />

Die Zufuhr organischer Substanz kann in Form von Dung aus der Tierproduktion, Gründüngung,<br />

Stroh oder durch Ernte- <strong>und</strong> Wurzelrückstände bzw. deren Kombinationen erfolgen.<br />

Im Braunschweiger Nährstoffsteigerungsversuch wird im Mittel der Versuchsjahre 2000 <strong>und</strong><br />

2004 das Ertragsoptimum bei Winterweizen mit 140 bis 160 kg ha -1 N erreicht. Überhöhte N-<br />

Düngung dagegen bringt keinen signifikanten Ertragsvorteil (Abbildung 5).<br />

43


44<br />

Abbildung 5: Einfluss der mineralischen <strong>und</strong> organischen N-Düngung auf den Kornertrag<br />

von Winterweizen (Dauerdüngungsversuch auf Parabraunerde, Braunschweig)<br />

(ROGASIK et al., 2001)<br />

Ein hohes Ertragsniveau bei gleichbleibend guter Qualität der Ernteprodukte ist mit der<br />

Forderung nach ressourcenschonendem <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it umweltgerechtem <strong>Ackerbau</strong> durchaus in<br />

Einklang zu bringen, wenn die Langzeiteffekte der ackerbaulichen Maßnahmen in ihrer<br />

Wirkung auf Ertrag <strong>und</strong> Bodenfruchtbarkeit berücksichtigt <strong>und</strong> gezielt gesteuert werden.<br />

Aus Dauerfeldversuchen ist seit langem bekannt, dass hohe positive N-Bilanzsalden mit<br />

ansteigenden NO3-N-Konzentrationen im Bodenprofil korrelieren (Abbildung 6) (ROGASIK<br />

et al., 1997). Das potenzielle Risiko des N-Austrages steigt an, was zur Eutrophierung von<br />

Oberflächen- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>wasser führen kann (LORD et al., 2002; OENEMA <strong>und</strong> VELTHOF,<br />

2002; BEEK et al., 2003; BOOIJ et al., 2003; HANEGRAAF <strong>und</strong> DEN BOER, 2003).<br />

Nitrat, als Ausgangsprodukt für die Denitrifikation, kann als ein wesentlicher Faktor für die<br />

Risikoabschätzung von Lachgasemissionen gesehen werden. Hohe Nitratgehalte im Boden<br />

verstärken das potenzielle Risiko von N2O-Emissionen in die Atmosphäre. Ergebnisse aus<br />

Dauerversuchen belegen diesen Zus<strong>am</strong>menhang (ROGASIK et al., 2002) (Abbildung 7).


Nährstoffe 45<br />

Abbildung 6: Nmin-Konzentration im Bodenprofil als Funktion der N-Bilanzsalden (Dauerdüngungsversuch<br />

auf Braunerde, Müncheberg, Probenahme 1992, 0-25 cm<br />

Profiltiefe; Stm1/ 2: 1,2/ 3,2 t ha -1 a -1 Stalldung-TM) (ROGASIK et al., 1997)<br />

Abbildung 7: Einfluss der Bodenbearbeitungsintensität auf die NO3-N-Konzentration im<br />

Bodenprofil <strong>und</strong> die N2O-Emission (Dauerdüngungsversuch auf Braunerde,<br />

Müncheberg, Probenahme 1996)


46<br />

Entscheidend für umweltgerechte, nachhaltige Wirtschaftsweisen ist eine ausgewogene organisch-mineralische<br />

Düngung, deren Höhe sich <strong>am</strong> Nährstoffbedarf der Pflanzen <strong>und</strong> an den<br />

natürlichen Standortbedingungen orientiert. So können unwirtschaftliche Nährstoffüberschüsse<br />

vermieden <strong>und</strong> ökologisch bedenkliche Nährstoffausträge verhindert werden.<br />

2.4 Kommen wir im Jahr <strong>2025</strong> zu einem geschlossenen N-Kreislauf?<br />

Übereinstimmend wird ein umfassendes <strong>und</strong> konsistentes Verfahren bei der N-Bilanzierung<br />

gefordert, um d<strong>am</strong>it N-abhängige Umweltveränderungen besser bewerten zu können <strong>und</strong><br />

somit auch den N-Kreislauf räumlich <strong>und</strong> zeitlich exakter zu erklären (KRUG <strong>und</strong><br />

WINSTANLEY, 2002; SCHRODER et al., 2003).<br />

Die Bilanzierung der N-Flüsse in der Landwirtschaft ist von hoher politischer Relevanz.<br />

Sie ermöglicht die Abschätzung der Umweltbelastungspotenziale aus der Landwirtschaft,<br />

Aussagen zum Qualitätsmanagement <strong>und</strong> zum Ressourcenverbrauch (FIXEN <strong>und</strong> WEST,<br />

2002; JANZEN et al., 2003; MUNOZ et al., 2003).<br />

Einen geschlossenen N-Kreislauf wird es in der Landwirtschaft nicht geben, denn der<br />

menschliche Einfluss auf die vielfältigen Transferprozesse von Stickstoff in die Hydro- <strong>und</strong><br />

Atmosphäre ist begrenzt. Realistisch bleibt die Forderung nach einer verbesserten N-<br />

Effizienz (Abbildung 8).<br />

Abbildung 8: <strong>Ackerbau</strong> <strong>und</strong> Umwelt – Einschätzung der N-Effizienz


Nährstoffe<br />

3 Phosphor<br />

Phosphor besitzt wie auch Stickstoff, neben der Bedeutung als lebensnotwendiges Element,<br />

eine hohe Relevanz als umweltbelastender Stoff. Außerdem ist Phosphor bzw. Phosphat ein<br />

nur noch begrenzt verfügbarer Rohstoff. Aus diesen Gründen ist eine möglichst verlustfreie<br />

<strong>und</strong> effiziente Verwendung von P in der Landwirtschaft ein Schlüsselmerkmal nachhaltiger<br />

Wirtschaftsweisen (GUSTAFSON et al., 2003; SCHNUG et al., 2003).<br />

Der Boden besitzt eine hohe Affinität für PO4 3- , er reagiert als Speichermedium. Austräge<br />

sind dadurch vermeidbar. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass vor allem Dünger tierischer<br />

Herkunft dem Bedarf angepasst verabreicht werden. P-Anreicherungen im Boden stellen ein<br />

hohes Belastungspotenzial für Gewässer dar, da P über den partikelgeb<strong>und</strong>enen, erosiven<br />

Transport ausgetragen wird (FREDE <strong>und</strong> BACH, 2003; SAPORITO <strong>und</strong> LANYON, 2004).<br />

In der Landwirtschaft wird der natürliche P-Kreislauf durch die Abfuhr der Ernteprodukte<br />

unterbrochen (Abbildung 9). Dieser Output muss wie bei Stickstoff durch einen entsprechenden<br />

Input ausgeglichen werden.<br />

Abbildung 9: Schema des P-Kreislaufes (nach OECD, 2004, modifiziert) 5<br />

5<br />

www.oecd.org/agr/env/indicators.htm.<br />

47


48<br />

3.1 Ergebnisse der P-Bilanzierung<br />

Für P ist, im Gegensatz zu N, gr<strong>und</strong>sätzlich anzustreben, dass die Zufuhr dem Entzug der<br />

abgefahrenen P-Mengen entsprechen sollte. Der P-Überschuss in der Flächenbilanz der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland liegt mit ca. 37.000 t P im Mittel der Jahre 2000 bis 2002 in<br />

einem akzeptablen Bereich. Bezogen auf die landwirtschaftliche Nutzfläche sind das<br />

2,2 kg ha -1 P (Abbildung 10).<br />

Abbildung 10: Phosphor-Bilanzpar<strong>am</strong>eter für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

Im Hinblick auf Ressourcenschonung <strong>und</strong> Verbesserung der Nachhaltigkeit konnten im<br />

letzten Jahrzehnt erhebliche Fortschritte verzeichnet werden. Allerdings muss auch festgestellt<br />

werden, dass sich die P-Bilanzen der Betriebe in Abhängigkeit von der Produktionsstruktur<br />

deutlich unterscheiden. Marktfruchtbetriebe <strong>und</strong> Betriebe der organischen Landwirtschaft<br />

weisen oft negative P-Bilanzen auf, während Veredlungsbetriebe deutlich positive<br />

P-Salden aufzeigen (FREDE <strong>und</strong> BACH, 2003; TUNNEY et al., 2003).<br />

P-Überhänge werden im Boden akkumuliert, die P-Gehalte steigen an <strong>und</strong> erhöhen so das<br />

Risiko der Gewässereutrophierung (Abbildung 11).


Nährstoffe<br />

Abbildung 11: Beziehung zwischen kumulativem P-Bilanzüberschuss <strong>und</strong> Gehalt des<br />

Bodens an DL-löslichem P (0 bis 25 cm Bodentiefe, kumulativ 25 Versuchsjahre)<br />

3.2 P-Recycling organischer Reststoffe<br />

Geschlossene Nährstoffkreisläufe werden gefördert, indem Reststoffe ökologisch verträglich<br />

wiederverwertet werden, um natürliche Ressourcen zu schonen. Die Verknappung der<br />

Rohstoffe, <strong>und</strong> hierzu zählt im Bereich der Landwirtschaft vor allem die endliche Ressource<br />

Phosphor, wirft schon seit Jahren die Frage nach alternativen Lösungen der Wiederverwertung<br />

phosphorhaltiger Abfallprodukte auf. Unter den phosphorhaltigen organischen<br />

Reststoffen sind Klärschlämme <strong>und</strong> Tiermehle als besonders problematisch zu sehen <strong>und</strong><br />

zwar sowohl aus mengenmäßiger Sicht, als auch unter dem Aspekt des Gefährdungspotenzials<br />

für die menschliche Ges<strong>und</strong>heit. Die Verbrennung von Klärschlämmen <strong>und</strong> Tiermehlen,<br />

die die organischen Bestandteile thermisch zerstört, stellt eine Alternative zur direkten<br />

Ausbringung auf landwirtschaftlich genutzte Flächen dar. Beide thermisch aufgearbeiteten<br />

Produkte enthalten den Rohstoff „Phosphor“. Der Einsatz der Sek<strong>und</strong>ärrohstoffe Tiermehl<strong>und</strong><br />

Klärschl<strong>am</strong>masche als Phosphor-Quelle steht deshalb in Einklang mit einem nachhaltigen<br />

Einsatz dieser Ressource.<br />

Im Vergleich zu den Originalprodukten (Klärschl<strong>am</strong>m, Tiermehl) liegt mit den Aschen ein<br />

definierteres, d. h. in seiner Zus<strong>am</strong>mensetzung kontrollierbares Produkt vor. Untersuchungen<br />

von FAN et al. (2003), FLECKENSTEIN et al. (1998), HANEKLAUS et al. (2000), ROGASIK<br />

et al. (2003) <strong>und</strong> ROSYADI et al. (2001) zum Einsatz von Klärschl<strong>am</strong>m- <strong>und</strong> Tiermehlaschen<br />

als Phosphorquelle ergaben, dass beide als „Sek<strong>und</strong>ärrohstoffdünger“ geeignet wä­<br />

49


50<br />

ren (Tabelle 3), sofern bei deren Anwendung die Mengen an ausgebrachten, umweltrelevanten<br />

Elementen berücksichtigt werden.<br />

Tabelle 3: Ausgewählte Nährstoffgehalte für Tiermehl- <strong>und</strong> Klärschl<strong>am</strong>maschen<br />

Inhaltsstoffe [ %] Tiermehlasche Klärschl<strong>am</strong>masche<br />

Pges<strong>am</strong>t 18,6 3,6<br />

Pcitric acid 7,0 2,0<br />

Ca 34,3 45,0<br />

Na 2,3 0,3<br />

Quelle: Rosyadi (2004).<br />

Die Entwicklung neuer Düngemittel <strong>und</strong> Düngungsstrategien auf der Gr<strong>und</strong>lage von<br />

schwermetallarmen, aus tierischen Aschen gewonnenen Ca-Phosphaten ist ein wichtiger<br />

Schritt auf dem Weg zu einer sinnvollen Wiederverwertung des Rohstoffes Phosphor <strong>und</strong><br />

d<strong>am</strong>it zu einem geschlossenen P-Kreislauf.<br />

3.3 Kommen wir im Jahr <strong>2025</strong> zu einem geschlossenen P-Kreislauf?<br />

P-Bilanzen sind gegenwärtig Teil zahlreicher administrativer Maßnahmen zur Verringerung<br />

von P-Verlusten aus der Landwirtschaft. Dies ist notwendig, um<br />

– P-Quellen, Austragspfade <strong>und</strong> Flussraten zu identifizieren,<br />

– ein nachhaltiges landwirtschaftliches Management zur Kontrolle der P-Verluste zu<br />

etablieren sowie<br />

– die Methodenstandardisierung voranzutreiben.<br />

Aus der Sicht von Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt ist einzuschätzen, dass die bodenschutz- <strong>und</strong><br />

düngerrechtlichen Regelungen der kommenden Jahre zu geschlossenen P-Kreisläufen führen<br />

werden.


Nährstoffe<br />

Abbildung 12: <strong>Ackerbau</strong> <strong>und</strong> Umwelt - Einschätzung der P-Effizienz<br />

4 Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nährstoffzufuhr <strong>und</strong> Nährstoffentzug ist unerlässlich<br />

für ein hohes Ertragsniveau, die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Minimierung der<br />

Nährstoffausträge <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it für eine nachhaltige Ressourcennutzung. Permanent hohe<br />

Nährstoffüberschüsse vergrößern das potenzielle Risiko der Umweltverschmutzung, aber<br />

auch Unterversorgung mit Nährstoffen gefährdet die Ressource „Boden“ <strong>und</strong> zwar durch<br />

„nutrient mining“, Bodendegradation <strong>und</strong> abnehmende Bodenfruchtbarkeit.<br />

N- <strong>und</strong> P-Bilanzen sind gegenwärtig Bestandteil zahlreicher administrativer Maßnahmen<br />

zur Verringerung von Nährstoffverlusten aus der Landwirtschaft. Dies ist notwendig, um<br />

– Quellen, Austragspfade <strong>und</strong> Flussraten zu identifizieren,<br />

– ein nachhaltiges landwirtschaftliches Management zur Kontrolle der Nährstoffverluste<br />

zu etablieren sowie<br />

– die Methodenstandardisierung voranzutreiben.<br />

Einen geschlossenen N-Kreislauf wird es in der Landwirtschaft nicht geben, denn der<br />

menschliche Einfluss auf die vielfältigen Transferprozesse von Stickstoff in die Hydro- <strong>und</strong><br />

51


52<br />

Atmosphäre ist begrenzt. Realistisch bleibt die Forderung nach einer verbesserten N-<br />

Effizienz.<br />

Aus der Sicht von Landwirtschaft <strong>und</strong> Umwelt ist allerdings einzuschätzen, dass bodenschutz-<br />

<strong>und</strong> düngerrechtliche Regelungen zu geschlossenen P-Kreisläufen führen werden.<br />

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55


Ökologischer Landbau<br />

Wie sieht der energieautarke Hof mit optimierter Nährstoffbilanz<br />

im Jahr <strong>2025</strong> aus?<br />

Hans Marten Paulsen <strong>und</strong> Gerold Rahmann 1<br />

1 Einleitung<br />

Landwirtschaftliche Betriebe sind Produzenten von Biomasse. Erzeugt werden Pflanzen,<br />

Tiere, tierische Produkte <strong>und</strong> Wirtschaftsdünger, die als Verkaufsprodukt, Futter, Energiequelle<br />

oder als Dünger genutzt werden. Gr<strong>und</strong>lage für die tierische Erzeugung ist die<br />

Pflanzenproduktion. Motor des Pflanzenwachstums sind Sonnenlicht, Wasser, Kohlendioxid<br />

<strong>und</strong> Nährstoffe. Zusätzlich beansprucht Pflanzenbau Fläche. Dies ist für alle Betriebstypen<br />

gleich.<br />

Im ökologischen Landbau bestehen jedoch durch die zugr<strong>und</strong>e liegende Produktionsweise<br />

<strong>und</strong> die Philosophie des Anbausystems einige Besonderheiten, die hinsichtlich der weiteren<br />

Verbesserung der Umweltverträglichkeit <strong>und</strong> der Leistungsfähigkeit der Produktion deutliches<br />

Optimierungspotenzial aufweisen. Durch den Verzicht auf chemisch-synthetische<br />

Düngemittel besteht hier ein systemimmanenter Zwang zur Verbesserung der Nährstoffeffizienz.<br />

Weiterhin wäre eine weitere Verbesserung der Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit der Produktion,<br />

z. B. auch durch die Erzeugung eigener Energie, ein zusätzlicher Benefit für das Marketing<br />

der Betriebe. Auch für die politische Ausgestaltung der Landwirtschaft der Zukunft<br />

wird die Gestaltung umweltfre<strong>und</strong>licher Betriebe mit günstiger Kohlenstoff(C)- <strong>und</strong> Stickstoff(N)-Bilanz<br />

richtungweisend sein.<br />

Im Folgenden wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten ein ökologisch wirtschaftender Betrieb<br />

hat, um sich dem Ideal der energieautarken <strong>und</strong> nährstoffoptimierten Produktion anzunähern.<br />

Bis <strong>2025</strong> wäre es durch entsprechende Ausgestaltung der politischen Rahmenbedingungen<br />

durchaus möglich, auf breiter Basis umweltfre<strong>und</strong>liche Produktionseinheiten<br />

dieser Art eingeführt zu haben.<br />

1<br />

Dir. <strong>und</strong> Prof. PD Dr. Gerold Rahmann <strong>und</strong> Dr. Hans-Marten Paulsen, Institut für ökologischen Landbau<br />

(FAL), Trenthorst 32, 23847 Westerau<br />

E-Mail: gerold.rahmann@fal.de, hans.paulsen@fal.de<br />

57


58<br />

2 Besonderheiten des ökologischen Landbaus <strong>und</strong> Optimierungspotenzial<br />

2.1 Zwang zur Gründüngung<br />

Im ökologischen Landbau besteht durch den Zwang zum Leguminosenanbau die Notwendigkeit<br />

von Grünbrachen oder von Feldfutterbau. Auch Leguminosen als Untersaaten <strong>und</strong> Zwischenfrucht<br />

zur N-Anreicherung sowie Nichtleguminosen als Winterzwischenfrüchte, um<br />

Nährstoffe vor der Auswaschung zu schützen, sind unverzichtbare Bestandteile ökologischer<br />

Fruchtfolgen. Auch wenn ökologische Betriebe in der Ges<strong>am</strong>t N-Bilanz geringere Überschüsse<br />

aufweisen als konventionelle Betriebe (KORSAETH <strong>und</strong> ELTUN, 2000) ist der Leguminosenbau<br />

ein „hot spot“ für N-Austräge (BERRY et al., 2003; JENSEN et al. 2004) <strong>und</strong> das<br />

Einarbeiten organischer Grünmasse eine relativ ungezielte Arte der Düngung. Unter den Gesichtspunkten<br />

der Düngungseffizienz <strong>und</strong> des Umweltschutzes haben Grünbracheflächen<br />

daher ein Optimierungspotenzial. Jedoch ist der Düngewert von Gründüngungsflächen (LO­<br />

GES, 1998) in der Vollkostenrechnung zu berücksichtigen (LABER, 2003) <strong>und</strong> besonders in<br />

ökologischen Betrieben ein wesentlicher Faktor für das Betriebseinkommen.<br />

2.2 Mangel an beweglichen Nährstoffquellen im Betrieb<br />

Ökologisch wirtschaftende Betriebe können Ihren Nährstoffbedarf nur begrenzt durch den<br />

Import von Düngemitteln decken. Zulässig sind z. B. die Zufuhr von P, K <strong>und</strong> Mg aus natürlichen<br />

Quellen im Rahmen einer Entzugsdüngung oder dann, wenn eine unzureichende<br />

Bodenversorgung nachgewiesen wird. Als N-haltige Dünger dürfen Wirtschaftsdünger sowie<br />

organisches Material aus ökologischer Erzeugung importiert werden (EU, 1991). Jedoch<br />

wird dieses Material meist in den Betrieben benötigt in denen es anfällt. Es steht d<strong>am</strong>it<br />

für Betriebe ohne Viehhaltung in der Regel nicht zur Verfügung.<br />

In allen viehhaltenden Betrieben werden Körnerfrüchte <strong>und</strong> Stroh zu tierischen Produkten<br />

aber auch zu Wirtschaftsdünger veredelt; in wiederkäuerhaltenden Betrieben auch die<br />

Grünmasse des Feldfutterbaus. Dadurch existieren hier mobile Nährstoffmengen, mit denen<br />

Versorgungsengpässe bei der pflanzlichen Produktion geschlossen werden können. Die<br />

konsequente Nutzung jedes Grünaufwuchses als Viehfutter ist unter Gesichtspunkten der<br />

Futterqualität, der benötigten Futtermenge <strong>und</strong> auch aus Kostengründen jedoch meist nicht<br />

möglich. Während Gülle, Jauche <strong>und</strong> Biogasgülle N in pflanzenverfügbarer Form enthalten<br />

<strong>und</strong> daher pflanzenbedarfsgerecht ausgebracht werden können, erfordert die N-Freisetzung<br />

von Stallmist <strong>und</strong> unvergorenen organischen Materialien deutlich mehr Zeit <strong>und</strong> ist unkontrollierter.<br />

Zudem werden die festen Materialien meist vor dem Anbau der Kulturpflanzen<br />

ausgebracht, so dass Pflanzenwachstum <strong>und</strong> Umweltbelastungen beim Einsatz dieser Düngerformen<br />

weniger steuerbar sind.


Ökologischer Landbau<br />

Bei Grünbracheflächen im Rahmen der zurzeit noch gültigen konjunkturellen Flächenstilllegung<br />

verbleibt vor allem bei viehlosen Betrieben die oberirdische organische Masse meist<br />

vollständig auf den Flächen. Die darin enthaltenen Nährstoffmengen sind d<strong>am</strong>it immobil<br />

<strong>und</strong> können nur relativ ungezielt ausgenutzt werden.<br />

Die Verordnungen zum ökologischen Landbau favorisieren zwar eine Bodendüngung statt<br />

einer Pflanzendüngung, jedoch wäre es im Sinne der Einsparung ohnehin knapper Pflanzennährstoffe<br />

<strong>und</strong> der Vermeidung von Nährstoffausträgen für den ökologischen Landbau<br />

sehr interessant, anstelle von festen organischen Wirtschaftsdüngern oder in den Boden<br />

eingearbeiteten Pflanzenmaterialien mobile wirks<strong>am</strong>e Düngemittel zu erzeugen <strong>und</strong> deren<br />

pflanzenverfügbare Nährstoffe gezielt in den Versorgungslücken der Pflanzen zuzuführen.<br />

Die Schaffung solcher mobilen Düngepools ist daher für alle Betriebstypen anzustreben.<br />

2.3 Marketingansatz: Umwelt- <strong>und</strong> klimafre<strong>und</strong>lich<br />

Umweltfre<strong>und</strong>liche Produktion ist ein wichtiges Kriterium für die Kaufentscheidung ökologisch<br />

erzeugter Produkte. Zunehmend gelangen auch Gesichtspunkte <strong>und</strong> Möglichkeiten des<br />

Klimaschutzes durch den Anbau nachwachsender Energieträger ins öffentliche <strong>und</strong> politische<br />

Interesse. Die Nutzung betriebseigener regenerativer Treibstoffe oder der Anbau von Energiepflanzen<br />

für die Vergärung in Biogasanlagen sind auch im ökologischen Landbau heute<br />

bereits Gegenstand verschiedener Forschungsprojekte (BMU, 2004; MÖLLER, 2003).<br />

Der in ökologischen Betrieben notwendige oben beschriebene Leguminosenanbau bietet<br />

hier Chancen zur Biomassebereitstellung für die Energiegewinnung. Die Einführung von<br />

Biogasanlagen in landwirtschaftliche Betriebe führt zu einer Kombination der Aspekte der<br />

CO2-neutralen Energiebereitstellung <strong>und</strong> der Mobilisierung organisch geb<strong>und</strong>ener Pflanzennährstoffe<br />

(MÖLLER, 2003) <strong>und</strong> wird daher <strong>2025</strong> besonders im ökologischen Landbau<br />

ein wichtiger Bestandteil der Produktion sein.<br />

3 <strong>2025</strong>: Biogasanlagen zur Optimierung der Nährstoffverteilung <strong>und</strong><br />

-ausnutzung<br />

In Biogasanlagen können erhebliche Energiemengen erzeugt werden. Bei der Vergärung<br />

von Gülle werden Kofermentate für einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen für notwendig<br />

erachtet (KEYMER, 2002). Bei der Kofermentation von Gras <strong>und</strong> Grassilage wird<br />

mit Biogasmengen zwischen ca. 100 <strong>und</strong> 500 m 3 /t Frischmasse gerechnet (KEYMER <strong>und</strong><br />

ACHNER, 2003). In Marktfruchtbetrieben können Trockenfermentationsverfahren zur Vergärung<br />

von Pflanzenmaterial eingesetzt werden (ASCHMAN <strong>und</strong> MITTERLEITNER, 2002).<br />

Die Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen wird jedoch überwiegend von der Stromerzeu­<br />

59


60<br />

gung <strong>und</strong> der Einspeisevergütung beeinflusst (KÖTTNER, 2002), da z. B. die Nutzung der<br />

entstehenden Wärme nur in wenigen Fällen vollständig möglich ist (KEYMER, 2002). Die<br />

Rentabilität der Biogasproduktion wird aber auch in Zukunft stark von betriebsspezifischen<br />

Rahmenbedingungen abhängen <strong>und</strong> über Investitionsentscheidungen entscheiden. So ist<br />

zum Beispiel der betriebsinterne Düngewert der Biogasgülle für ökologischen Betriebe<br />

sicherlich höher anzusetzen, als in den gängigen Kalkulationen für Biogasanlagen, da Nhaltige<br />

Düngemittel nicht importiert werden können. Auch gibt es im ökologischen Landbau<br />

heute bereits erhebliche Probleme mit der P-Nachlieferung aus Böden (SCHULTE, 1996;<br />

EMMERLING <strong>und</strong> SCHRÖDER, 1999; PAGEL et al., 1999; OEHL et al., 2002). Die ausschließlich<br />

als Dünger zulässigen Rohphosphate haben erhebliche Wirkungsdefizite gegenüber<br />

aufgeschlossenen P-Düngern. Daher wird in Zukunft für ökologische Betriebe auch die<br />

Zufuhr von dem pflanzenverfügbarem P, das vorher von Pflanzen aufgenommen wurde <strong>und</strong><br />

in die Biogasgülle gelangt, unverzichtbares Element in der Düngung werden <strong>und</strong> die Rentabilität<br />

der Biogasanlagen zusätzlich zu steigern.. 2<br />

Zum Beispiel liefert bei einer Grünbrache ein Schnitt mit 15 t ha -1 bei vorsichtiger Abschätzung<br />

ca. 1.500 m 3 Biogas (kalkuliert mit Werten für Wiesengras nach KEYMER <strong>und</strong><br />

SCHILCHER, 2003). Das entspricht 8.400 kWh <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it ca. 840 l Heizöl. Zusätzlich werden<br />

pro Hektar ca. 100 kg N <strong>und</strong> 8 kg P abgefahren <strong>und</strong> in der Biogasanlage mobilisiert.<br />

Werden alle Aufwüchse der Flächen konsequent zu Biogas vergoren können pro Hektar<br />

zwischen 10 <strong>und</strong> 400 N für die Düngung verfügbar werden (Tabelle 1) <strong>und</strong> große Mengen<br />

Heizöl ersetzt werden.<br />

Tabelle 1: N-Entzüge durch vergärbare Aufwüchse<br />

2<br />

Vergärbare Aufwüchse N-Menge (kg ha -1 )<br />

Kleegras 250 - 400<br />

Zwischenfrüchte 50 - 120<br />

Erbsenstroh 40 ­ 80<br />

Getreidestroh 10 ­ 30<br />

Rapsstroh 40 ­ 80<br />

Quelle: Möller (2004); Rapsstroh ergänzt.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist die Frage der Verwendung von Klärschlämmen bzw. menschlicher Fäkalien neu zu diskutieren.<br />

Deren Rohstoffe wie Phosphor, Kalium <strong>und</strong> andere Elemente sowie Nährstoffe stellen eine wertvolle<br />

Ressource dar <strong>und</strong> werden langfristig für einen „wirklich“ nachhaltigen Stoffkreislauf benötigt werden.<br />

Dann sind aber die mit Klärschl<strong>am</strong>m verb<strong>und</strong>enen Risiken wie pathogene Keime, Reststoffe von Medizinalstoffen<br />

<strong>und</strong> Hormonen, organische <strong>und</strong> anorganische toxische Verbindungen, Schwermetalle etc. zu<br />

eliminieren, d<strong>am</strong>it eine Belastung von Böden, Luft <strong>und</strong> Wasser vermieden wird. Es gibt bereits heute konzeptionelle<br />

Ansätze der getrennten S<strong>am</strong>mlung von menschlichen Fäkalien <strong>und</strong> sonstigen Abwässern. Hier<br />

ist jedoch ein erheblicher infrastruktureller Aufwand notwendig, der in den nächsten 20 Jahren nicht bewältigt<br />

werden kann. Deswegen wird dieses Thema hier nicht weiter behandelt.


Ökologischer Landbau<br />

Bei der Betrachtung ganzer Fruchtfolgen wird deutlich, das in viehlosen Betrieben (Tabelle<br />

2) für die düngerbedürftigen Kulturen durch konsequente Vergärung von Grünschnitten<br />

<strong>und</strong> Stroh in Biogasanlagen erhebliche N-Mengen als mobil einsetzbarer Dünger zur Verfügung<br />

gestellt werden können. Für 6 ha Anbaufläche sind dies nach der Abschätzung<br />

500 kg N <strong>und</strong> zusätzlich 70 kg P, also durchschnittlich 80 kg ha -1 N <strong>und</strong> 11 kg ha -1 P. Zusätzlich<br />

bleibt der im Wurzelraum der Leguminosen verfügbare N als langs<strong>am</strong> mobilisierbarer<br />

immobiler Dünger vorhanden. Im viehhaltenden Betrieb können durch Nutzung von<br />

nicht als Einstreu benötigtem Stroh <strong>und</strong> Restschnitten von Futterflächen in einer Biogasanlage,<br />

zusätzlich zur ohnehin stattfindenden Nährstoffverteilung über die Wirtschaftsdünger,<br />

ca. 40 kg ha -1 N <strong>und</strong> 4-5 kg ha -1 P in der Fruchtfolge verteilt werden (Tabelle 2). Durch die<br />

Entnahme der oberirdischen Pflanzenmasse wird eine unkontrollierte Nährstofffreisetzung<br />

vermieden <strong>und</strong> ungewollte Austräge vermieden.<br />

Tabelle 2: Abschätzung zusätzlich verfügbarer mobiler N- <strong>und</strong> P-Mengen zur gezielten<br />

Düngung in der Fruchtfolge bei Vergärung von Grünschnitten <strong>und</strong> Stroh in<br />

einer Biogasanlage im viehlosen Betrieb<br />

Marktfruchtbetrieb,<br />

viehlos a<br />

für Biogas Mobiles N u. P<br />

kg ha -1<br />

Verfügbare<br />

Nährstoffmengen<br />

Kleegras 3 Schnitte 300 N, 30 P Immobil: 200 N ha -1<br />

Winterweizen üüü Stroh 20 N, 4 P<br />

Hafer Stroh 20 N, 4 P Mobiler Düngepool<br />

Erbsen<br />

Winterraps üüü<br />

Stroh<br />

Stroh<br />

50 N, 10 P<br />

40 N, 8 P<br />

500 N<br />

70 P<br />

für 6 ha<br />

Dinkel Stroh 20 N, 4 P<br />

mit Kleegrasuntersaat 1 Schnitt 50 N, 10 P<br />

üüü = Düngung, a Fruchtfolge ‚Marktfrucht’ im Versuchsbetrieb Trenthorst, FAL<br />

61


62<br />

Tabelle 3: Abschätzung zusätzlich verfügbarer mobiler N- <strong>und</strong> P-Mengen zur gezielten<br />

Düngung in der Fruchtfolge durch Vergärung von Grünschnitten <strong>und</strong> Stroh in<br />

einer Biogasanlage im Vieh haltenden Betrieb<br />

Milchviehbetrieb a<br />

für Biogas Mobiles N u. P Verfügbare<br />

kg ha -1<br />

Nährstoffmengen<br />

Kleegras üüü 1 Schnitt 100 N, 10 P Immobil: 200 N ha -1<br />

Kleegras 1 Schnitt 100 N, 10 P<br />

Winterweizen üüü Stallmist/Biogas Mobiler Düngepool<br />

Hafer/Ackerbohne<br />

Erbsen/Sommergerste<br />

Stroh<br />

Stallmist/Biogas<br />

35 N, 7 P<br />

280 N<br />

32 P<br />

für 6 ha<br />

Triticale Stallmist/Biogas <strong>und</strong> Grünland<br />

mit Kleegrasuntersaat -<br />

+ Grünlandflächen üüü 1 Schnitt 50 N, 5 P<br />

üüü = Düngung, a Fruchtfolge ‚Milchvieh’ im Versuchsbetrieb Trenthorst, FAL<br />

4 <strong>2025</strong>: Der energieautarke Hof<br />

4.1 Strom- <strong>und</strong> Wärmegewinnung<br />

Die Strom- <strong>und</strong> Wärmegewinnung in Biogasanlagen, kann in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

z. B. durch Windkraftanlagen, Solarzellen, Holzhackschnitzel <strong>und</strong> Holz- <strong>und</strong> Strohheizungen<br />

<strong>und</strong> Solarwärme ergänzt werden. Strom <strong>und</strong> Wärme können im landwirtschaftlichen<br />

Betrieb bereits heute schon im ausreichenden Maße für Eigen- <strong>und</strong> Betriebsbedarf zur<br />

Verfügung gestellt werden.<br />

Laufende Forschungs- <strong>und</strong> Demonstrationsprojekte beschäftigen sich heute mit der effizienten<br />

Bereitstellung von Biomasse. So werden spezielle Maissorten mit hohem Masseertrag<br />

für den ökologischen Anbau gezüchtet (KWS, 2004). Das Zweikultur-Nutzungssystem<br />

(SCHEFFER, 2000; SCHEFFER et al. 2003) erlaubt die zweimalige Beerntung von<br />

Biomasse <strong>und</strong>/oder Körnern aufeinander folgender Früchte. Zu nennen ist z. B. das Verfahren,<br />

das von GRASS <strong>und</strong> SCHEFFER (2003) vorgestellt wurde, bei dem im Herbst als Erstkultur<br />

früh erntbare Arten für die Biomassegewinnung angebaut werden (Wintererbsen oder<br />

Rübsen) <strong>und</strong> nach der Ernte Ende Mai als Zweitkultur Mais angebaut wird. Hierbei sind bei<br />

zwei Ernten Flächenerträge von insges<strong>am</strong>t über 25 t TM/ha möglich. Zusätzlich verbleiben<br />

durch Abfuhr der Grünmasse <strong>und</strong> starken Massenwuchs weniger auswaschungsgefährdete<br />

Rest-Nitratmengen im Boden.


Ökologischer Landbau<br />

Die Entwicklungen auf diesem Sektor werden bis <strong>2025</strong> sicherlich tragfähige Energiekonzepte<br />

hervorbringen. In Projekten wie dem Bioenergiehof Obernjesa (www.bioenergiehof.de) werden<br />

bereits heute unter anderem durch das Zweikulturnutzungskonzept lagerfähige Energiespeicher<br />

in Form feucht konservierter Biomasse erzeugt. Bei der dort in der Erprobung befindlichen<br />

Kombination von Biogasgewinnung (CH4) aus Presssaft silierter Biomasse <strong>und</strong><br />

der Gewinnung von Wasserstoff (H2) durch Vergasung (Pyrolyse) des getrockneten Pressrückstandes<br />

sollen weitere Effizienzgewinne in der Gasausbeute erzielt werden. Der Vergärungsprozess<br />

wird von überschüssigem Material befreit, welches einem eigenständigen Gasgewinnungsprozess<br />

unterzogen wird. Entwicklungen dieser Art zeigen, dass eine verbesserte<br />

<strong>und</strong> vollständigere Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung durch neue Technologien<br />

<strong>und</strong> Denkansätze weiterhin möglich ist. Eine ausschließliche Spezialisierung auf Biomassegewinnung<br />

zur Energieerzeugung ist jedoch ein Spezialfall landwirtschaftlicher Produktion.<br />

Aber auch durch weiteres Gedankengut ökologischer Produktion, wie z. B. die Förderung<br />

der Biodiversität (IFOAM, 2002) ergeben sich Potenziale zur Nutzung von Biomasse.<br />

Ökologischer Landbau zeichnet sich durch eine höhere Biodiversität im Fruchtanbau, sowie<br />

in der Landschaftsgestaltung aus. Hecken, Feldraine <strong>und</strong> Dauerkulturen gehören hier zu<br />

den wesentlichen Elementen. Auch die Biomasse dieser Bereiche könnte zur Energiegewinnung<br />

genutzt werden. Weiterhin sind im ökologischen Landbau durch die fehlende<br />

Möglichkeit chemisch-synthetische Düngemittel einzusetzen mehr Grenzstandorte der Produktivität<br />

für einjährige Ackerkulturen vorhanden als im konventionellen Landbau. Hier<br />

könnten bei Vorhandensein entsprechender Verwertungsschienen mehrjährige Kulturen<br />

oder Dauerkulturen etabliert werden, die Nährstoffe gut ausnutzen können <strong>und</strong> die auf solchen<br />

Flächen einen nachhaltigen Ertrag liefern. Im Sinne der ökologischen Richtlinien<br />

(IFOAM, 2002) würde d<strong>am</strong>it eine standortangepasste landwirtschaftliche Produktion wieder<br />

aufgenommen. Die Verwertung des Pflanzenaufwuchses der genannten Flächen in Biogasanlagen<br />

oder Heizanlagen würde einen weiteren wesentlichen Beitrag zur Verbesserung<br />

der Energie-, Nährstoff- <strong>und</strong> Klimabilanz ökologischer Betriebe darstellen.<br />

4.2 <strong>2025</strong>: Anbausysteme zur Herstellung einer Treibstoffautarkie<br />

Vervollständigt wird die Energieautarkie von landwirtschaftlichen Betrieben durch den<br />

Einsatz selbst erzeugter regenerativer Treibstoffe. Bioethanol, Biodiesel <strong>und</strong> extrahiertes<br />

Pflanzenöl sind nur mit erheblichem technischen Aufwand in Großanlagen zu gewinnen.<br />

Kaltgepresstes Pflanzenöl kann dagegen auch in kleineren Einheiten produziert werden, die<br />

eher dem Ziel einer größtmöglichen Regionalität der Produktion bei ökologischer Wirtschaftsweise<br />

(OPPERMANN, 2003) entsprechen. Heute wird Pflanzenöl bereits in darauf spezialisierten<br />

ökologischen landwirtschaftlichen Betrieben oder in kleineren Ölmühlen gepresst.<br />

Zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit wird hier heute zum Teil auch konventioneller<br />

Raps verarbeitet <strong>und</strong> Öl <strong>und</strong> Ölkuchen getrennt vermarktet.<br />

63


64<br />

Pflanzenölmotoren sind heute bereits ebenfalls verfügbar <strong>und</strong> werden bisher meist auf eigenes<br />

Risiko von Landwirten, Spediteuren <strong>und</strong> PKW-Fahrern aber in enger Absprache <strong>und</strong> mit<br />

Kulanz der Umrüstfirmen betrieben. Im sogenannten 100-Schlepper Progr<strong>am</strong>m der B<strong>und</strong>esregierung<br />

wird der Betrieb von verschiedenen Umrüstern auf Pflanzenölbetrieb modifizierten<br />

Schleppern wissenschaftlich untersucht. 70 % der Schlepper laufen dabei ohne größere Störungen.<br />

Die Störungsanfälligkeit ist dabei abhängig vom Motoren- <strong>und</strong> Einspritzpumpentyp<br />

<strong>und</strong> vom Umrüster (SCHÜMANN et al., 2004). Weiterhin sind viele Störungen durch eine<br />

schlechte Treibstoffqualität bedingt (SCHÜMANN, 2004). Die Umrüsttechnik ist für bestimmte<br />

Schleppermodelle ausgereift, so dass es heute bereits Firmen gibt, die auf Ihre Motorumrüstung<br />

Garantien geben. Blockiert wird die Entwicklung zurzeit durch mangelndes Interesse<br />

von Motoren- <strong>und</strong> Schlepperherstellern, die notwendige Entwicklungsarbeit für eine Serienfertigung<br />

verschiedener Pflanzenölmotoren zu leisten. Die Umrüstkosten sind daher hoch, da<br />

für neue Motorenentwicklungen auch jeweils neue Umrüstkonzepte gef<strong>und</strong>en werden müssen.<br />

Jedoch ist zu erwarten, dass es bis <strong>2025</strong> zu einer deutlichen Verteuerung der Ölpreise<br />

gekommen ist <strong>und</strong> auch die Dieselrückvergütung für Landwirte bis dorthin weggefallen oder<br />

durch Pauschalzahlungen ersetzt ist. Daher wird der Betrieb mit Pflanzenöl zunehmend rentabler<br />

werden <strong>und</strong> die Nachfrage aus der Praxis nach Motoren dieser Art steigen. Denn bereits<br />

heute wird aus dem Speditionsgewerbe über sehr hohe Laufleistungen pflanzenölgetriebener<br />

LKWs berichtet, die mit deutlichen Kostenvorteilen gegenüber Mineralölbetrieb fahren.<br />

Einsatzerfahrungen liegen jedoch bis heute überwiegend mit Rapsöl vor. Mit anderen<br />

Ölen sind Versuche zum Betrieb von Motoren erst in kleineren Studien durchgeführt worden<br />

(NIEMIE et al., 1999; BERNARDO et al., 2003). Für die Herstellung einer Treibstoffautarkie im<br />

ökologischen Anbau ist der Einsatz von Ölen verschiedener Kulturpflanzen jedoch zwingend,<br />

denn aus Gründen der Fruchtfolge <strong>und</strong> der Minimierung des Anbaurisikos kann hier nicht<br />

ausschließlich auf Raps gesetzt werden (PAULSEN, 2003).<br />

4.2.1 Optimierte Grünbrache (Teilbrache)<br />

Da Raps im ökologischen Landbau unter starkem Schädlingsdruck leidet, ist er normalerweise<br />

nicht Bestandteil der Fruchtfolgen (PETTERSON, 2002). Um aber sein hohes Ertragspotenzial<br />

auch im ökologischen Betrieb für die Treibstoffgewinnung verfügbar zu machen,<br />

wurde in Forschungsarbeiten der letzten Jahren Experimente zur Etablierung von Kleeuntersaaten<br />

im ökologischen Winterrapsanbau angestellt (PAULSEN et al., 2003a, Abbildung<br />

1). Der Raps profitiert im Anbaujahr nicht von der N-Lieferung des Klees (Tabelle 4). Für<br />

den Nachbau z. B. von Weizen ist durch diese Anbauform aber noch eine gute Vorfrucht<br />

vorhanden. Die Versuche zeigten, dass diese Variante eine wertvolle Aufwertung der Grünbrachefläche<br />

darstellt <strong>und</strong> gleichzeitig das hohe Anbaurisiko von Winterraps auf die<br />

ohnehin in der Fruchtfolge notwendige Grünbrachefläche verlagert werden kann. Auf diese<br />

Weise können selbst in Jahren schwachen Ertrages immerhin noch 300 l Öl pro Hektar erzeugt<br />

werden. Da der Treibstoffbedarf ökologischer Produktion zwischen 50 <strong>und</strong> 150 l ha -1


Ökologischer Landbau<br />

liegt (HOLZ, 2002; PAULSEN, 2003) kann mit dieser Ölmenge der Treibstoffbedarf für<br />

durchschnittlich 3 ha Landbewirtschaftung sichergestellt werden. Diese Ölmenge entspricht<br />

auch der zugr<strong>und</strong>eliegenden Ertragserwartung im Konzept des Mischfruchtanbaus mit Ölpflanzen,<br />

das im folgenden Abschnitt erläutert wird.<br />

Zusätzlich zur Öllieferung hinterlässt bei der Teilbrache eine Hauptkultur mit Ihrer Untersaat<br />

Klee(gras)-Kohlenstoff (C) für die Biogasanlage <strong>und</strong> N für die Nachfrucht <strong>und</strong> passt in<br />

das vorher vorgestellte Konzept zur Schaffung mobiler Düngemittel bei gleichzeitiger<br />

Energiegewinnung <strong>und</strong> Verminderung von Nährstoffverlusten.<br />

Abbildung 1: Winterraps mit Weißkleeuntersaat, Trenthorst, Herbst 2001<br />

Tabelle 4: Kornerträge, N-Entzüge <strong>und</strong> N-Aufnahme von Winterraps mit <strong>und</strong> ohne<br />

Weißkleeuntersaat sowie Kornerträge der Nachfrucht Hafer, Trenthorst 2002<br />

<strong>und</strong> 2003<br />

Anbauvariante Korn- N-Gehalte [%] bzw. (N-Aufnahme) [kg ha -1 ] Ertrag 03 Nmin Mrz./03<br />

ertrag Nachfrucht 0-90 cm<br />

dt ha -1<br />

Pflanze kg ha -1<br />

Hafer a<br />

Stroh Hafer a<br />

kg ha -1<br />

Blühbeginn dt ha -1<br />

dt ha -1<br />

Mit Kleeuntersaat 8,6 2,2 (69) 104 75 - (44) 75 104<br />

Ohne Kleeuntersaat 8,9 2,3 (87) 79 56 - (73) 56 79<br />

F-Test a<br />

ns ns ns *** ns *** ns<br />

a : *** = P = 0,001; ns = nicht signifikant; a = Böhm (2003), unveröffentlicht, Rohertrag.<br />

65


66<br />

4.2.2 Mischfruchtanbau mit Ölpflanzen<br />

Beim Mischfruchtanbau mit Ölpflanzen werden Ölpflanzen mit anderen Kulturen gemeins<strong>am</strong><br />

angebaut. Pflanzenbauliche Vorteile können z. B. durch eine verbesserte Unkrautunterdrückung<br />

durch dichtere Bestände, durch Stützwirkungen <strong>und</strong> durch eine höhere Ertragselastizität<br />

gegeben sein (BRANDT et al., 2002; PAULSEN <strong>und</strong> SCHOCHOW, 2004). Mischfruchtanbau passt<br />

besonders in ökologische Betriebe, da dort keine Pestizide eingesetzt werden <strong>und</strong> es zu keinen<br />

Mittelunverträglichkeiten bei den verschiedenen Pflanzen kommt. Zur Zeit werden Mischungen<br />

von Leindotter (Abbildung 2), Färberdistel (Abbildung 3), Senf, Raps, Öllein (Abbildung<br />

4) <strong>und</strong> Sonnenblume (Abbildung 5) mit Leguminosen, Getreide bzw. Mais oder miteinander<br />

(Abbildung 6) erprobt (BRANDT et al., 2003; IEU 2003; MAKOWSKI <strong>und</strong> PSCHEIDL, 2003;<br />

PAULSEN, 2003; PAULSEN et al., 2003b; PAULSEN, 2004; PAULSEN et al. 2004). Das Ertragspotenzial<br />

der Ölfrüchte im Mischanbau ist stark abhängig von den Standortbedingungen, Klima<br />

<strong>und</strong> Witterung. In normalen Anbaujahren kann neben der Ernte der Hauptkultur mit zusätzlichen<br />

Ölerträgen von der Ölsaat zwischen 100 <strong>und</strong> 300 kg ha -1 gerechnet werden. Gelingt es<br />

Ölfrüchte als Mischkultur in mehreren Fruchtfolgegliedern zu etablieren, kann der Treibstoffbedarf<br />

für die Flächenbewirtschaftung allein mit Ölen aus Mischfruchtanbau sichergestellt<br />

werden (Tabelle 5). Wird zusätzlich Raps als Fruchtfolgeglied, z. B. in Form der oben beschriebenen<br />

Teilbrache eingeführt, übertrifft die Pflanzenölerzeugung der Treibstoffbedarf<br />

deutlich.<br />

Anbausysteme dieser Art werden sich in Zukunft gerade im ökologischen Landbau noch weiter<br />

durchsetzen. Erforderlich sind aber technische Anpassungen bei der Drilltechnik <strong>und</strong> der<br />

Saatgutreinigung (PAULSEN et al., 2003c). Bei den Motoren ist weitere Entwicklungsarbeit<br />

zur Anpassung an verschiedene Ölqualitäten <strong>und</strong> auf Treibstoffseite Forschung zur Standardisierung<br />

von Mischölen oder Nicht-Rapsölen zur Treibstoffnutzung notwendig.


Ökologischer Landbau<br />

Abbildung 2: Erntegut aus Mischfruchtanbau Abbildung 3:Mischfruchtanbau von Lupine u.<br />

von Erbsen u. Leindotter, Färberdistel, Trenthorst 2004<br />

Trenthorst 2004<br />

Abbildung 4:Mischfruchtanbau von Sommer- Abbildung 5: Mischfruchtanbau von Mais u.<br />

weizen u. Öllein, Trenthorst 2004 Sonnenblumen, Trenthorst 2004<br />

67


68<br />

Abbildung 6: Mischfruchtanbau von Öllein u. Leindotter, Trenthorst 2004<br />

Tabelle 5: Abschätzung der Korn- <strong>und</strong> Ölerträge <strong>und</strong> des Treibstoffbedarfs für die Flächenbewirtschaftung<br />

einer Fruchtfolge mit Ölkulturen in Mischkultur mit<br />

<strong>und</strong> ohne Raps auf der Grünbrache im ökologischen Landbau<br />

Kulturen Kornertrag Ölertrag *<br />

dt ha -1<br />

kg ha -1<br />

Treibstoffbedarf **<br />

kg ha -1<br />

Klee mit Raps (Teilbrache) (8) (240) 140<br />

Klee ohne Raps - - 120<br />

Winterweizen-Leindotter 40/4 120 120<br />

Lupine-Saflor 25/8 240 120<br />

Mais-Sonnenblume a<br />

20/6 200 140<br />

Öllein-Leindotter 8/10 300 b<br />

120<br />

Fruchtfolge [kg ges<strong>am</strong>t] 860 (-1100) 620-640<br />

* 30 % Ölausbeute, Sonnenblume 40 % zusätzlich fällt Ölkuchen an; ** nach Holz (2002).<br />

a b<br />

Abschätzung noch im Versuchsstadium; nur Leindotteröl.


Ökologischer Landbau<br />

5 Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Anhand laufender Forschungsprojekte wird beschrieben, welche Möglichkeiten der ökologische<br />

Landbau hat, in Zukunft energieautark <strong>und</strong> nährstoffoptimiert arbeiten zu können.<br />

<strong>2025</strong> wird der ökologische Landbau durch eine konsequente Nutzung aller produktionsspezifischen<br />

Koppelprodukte des Pflanzenbaus <strong>und</strong> in geringerem Maße auch von eigens angebauten<br />

Energiepflanzen erhebliche Mengen organisches Material in Biogasanlagen verwerten.<br />

Die für eine weitere Intensivierung durch gezielte Nährstoffzufuhr in der Pflanzenproduktion<br />

notwendige N-<strong>und</strong> P-Mobilität wird durch diese Maßnahme geschaffen. Gleichzeitig<br />

verringert die konsequente Abfuhr der oberirdischen Pflanzenmasse von den Flächen<br />

eine unkontrollierte N-Mineralisierung <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it die Auswaschungsgefahr. In Kombination<br />

mit anderen bereits heute anwendbaren Methoden der regenerativen Energiegewinnung<br />

(u. a. Windkraft, Sonnenenergie, Holzheizung, Vergasung von Feststoffen) wird eine<br />

Elektrizitäts- <strong>und</strong> Wärmeautarkie in den Betrieben möglich sein. Bis <strong>2025</strong> wird diese Entwicklung<br />

durch steigende Energiepreise <strong>und</strong> politische Rahmenbedingungen deutlich vorangeschritten<br />

sein.<br />

Durch eine Intensivierung der Brachenutzung in Form eines Anbaus von Energiepflanzen<br />

mit Kleeuntersaaten werden punktuelle N-Überschüsse vermindert <strong>und</strong> der nutzbare Energieertrag<br />

der Flächen diversifiziert <strong>und</strong> erhöht. Die Erzeugung von Pflanzenöl im Mischfruchtanbau<br />

von Ölpflanzen mit anderen Kulturen in standortangepassten Fruchtfolgen<br />

wird den Betrieb der landwirtschaftlichen Zugmaschinen mit selbst erzeugten Treibstoffen<br />

zulassen. Eine CO2-neutrale Energieerzeugung mit verringertem N-Austrag durch neue<br />

Anbausysteme als weitere verbesserte Umweltleistung wird das Marketinginstrument für<br />

ökologische Produkte im Jahr <strong>2025</strong> sein.<br />

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– Potenziale, Bereitstellung, Konversion. In: FVS • DGS-Themen 2000,<br />

Themenheft 2000: Teil 1: Sonne - Die Energie des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts, Forschungsverb<strong>und</strong><br />

Sonnenenergie, 34-39<br />

SCHULTE G (1996) Bodenchemische <strong>und</strong> bodenbiologische Untersuchungen ökologisch<br />

bewirtschafteter Böden in Rheinland-Pfalz unter besonderer Berücksichtigung<br />

der Nitratproblematik. Dissertation, Universität Trier<br />

SCHÜMANN U (2004) Rapsöl als Kraftstoff für Dieselmotoren: Rapsölqualität, -lagerung<br />

<strong>und</strong> -versorgung, Das „100-Traktoren-Demonstrationsprojekt“ des BMVEL, 2.<br />

Statusseminar <strong>am</strong> 21. Juni 2004 an der FAL, Braunschweig, http://fnrserver.de/cms35/index.php?id=391<br />

vom August 2004<br />

SCHÜMANN U, WICHMANN V, GOLISCH J (2004) Umrüsterkonzepte, Motorpar<strong>am</strong>eter von<br />

Traktoren im Rapsölbetrieb, Schmierölproblematik, Abgasemissionen, Betriebserfahrungen,<br />

Das „100-Traktoren-Demonstrationsprojekt“ des BMVEL, 2.<br />

Statusseminar <strong>am</strong> 21. Juni 2004 an der FAL, Braunschweig http://fnrserver.de/cms35/index.php?id=391<br />

vom August 2004<br />

73


Pflanzenzüchtung<br />

Wohin entwickelt sich die Pflanzenzüchtung bis zum Jahr <strong>2025</strong>?<br />

Peter Wehling 1<br />

1<br />

Bedeutung <strong>und</strong> Aufgaben von Pflanzenzüchtung <strong>und</strong> Züchtungsforschung<br />

Die zentrale Bedeutung der Pflanzenzüchtung für den <strong>Ackerbau</strong> ergibt sich aus der einfachen<br />

Formel P = G x U, die besagt, dass der Phänotyp (P) eines Lebewesens aus der Wechselwirkung<br />

seines Genotyps (G) mit der Umwelt, der es unterworfen ist (U), resultiert (Abbildung<br />

1). Diese Beziehung gilt prinzipiell für alle Lebewesen, die über einen eigenen<br />

Stoffwechsel verfügen. Auf den Anbau von Kulturpflanzen übersetzt bedeutet dies, dass für<br />

den agronomisch relevanten Phänotyp, den der Landwirt in Form von Ertragsleistung <strong>und</strong> ­<br />

sicherheit, Qualität, Krankheits- <strong>und</strong> Schädlingsresistenz, Nährstoffeffizienz, etc. als Output<br />

von der Kulturpflanze erwartet, Inputs zum rechten Teil der Gleichung geleistet werden<br />

müssen. Während für die Bereitstellung einer günstigen Umwelt (Faktor U) zahlreiche<br />

Maßnahmen wie zum Beispiel Standortwahl, Bodenbearbeitung, Düngung, Pflanzenschutz<br />

vonnöten sind, ist für den Faktor G allein die Pflanzenzüchtung verantwortlich.<br />

Abbildung 1: Die zentrale Bedeutung der Pflanzenzüchtung für den <strong>Ackerbau</strong><br />

1<br />

P = G x U<br />

Phänotyp Genotyp Umwelt<br />

Biomasse additive Geneffekte Temperatur<br />

Habitus Dominanzeffekte Wasser, Nährstoffe<br />

Inhaltsstoffe epistatische Effekte Licht<br />

Nutzungseffizienz (N, H 2 O)<br />

Heterosis Boden<br />

... Schädlinge<br />

Krankheiten<br />

...<br />

Kulturpflanzen<br />

Agronom. Leistung, Sorte Pflanzenbau<br />

Qualität, Resistenz<br />

Dir. <strong>und</strong> Prof. PD Dr. Peter Wehling, Institut für landwirtschaftliche Kulturen, B<strong>und</strong>esanstalt für Züchtungsforschung<br />

an Kulturpflanzen, Rudolf-Schick-Platz 3a, 18190 Groß Lüsewitz<br />

E-Mail: bafz-lk@bafz.de<br />

75


76<br />

Allgemein wird geschätzt, dass an den zum Teil enormen Ertragssteigerungen bei den einzelnen<br />

Kulturpflanzen während der vergangenen 70 Jahre Pflanzenbau <strong>und</strong> Pflanzenzüchtung<br />

etwa je zur Hälfte beigesteuert haben. DUVICK (1984, 1992) schätzt den pflanzenzüchterischen<br />

Anteil an dem mit Einführung der Maishybriden 1930 einsetzenden <strong>und</strong> bis 1989<br />

verfolgten, linearen jährlichen Ertragsanstieg bei Mais im <strong>am</strong>erikanischen B<strong>und</strong>esstaat<br />

Iowa auf 56 %. Nach einer konservativen Schätzung wurden 30 bis 50 % der potenziellen<br />

Erlössteigerung im deutschen Agrarsektor in Höhe von 600 Mio. €/Jahr im Zeitraum 1980<br />

bis 2000 durch den pflanzenzüchterischen Fortschritt beigesteuert (V. WITZKE et al., 2004).<br />

Bei Schätzungen anteiliger Beiträge einzelner Produktionsfaktoren ist zu bedenken, dass<br />

auch verstärkter pflanzenbaulicher Input – z. B. in Form von höherer N-Düngung, deutlich<br />

höheren Bestandesdichten, Mechanisierung – nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> entsprechend angepasster,<br />

d. h. standfesterer, trockenheitstoleranterer <strong>und</strong> krankheitsresistenterer Sorten erst<br />

möglich wurde. Durch die Anpassung von Zuchtzielen des Züchters an die Erfordernisse<br />

des Landwirts einerseits <strong>und</strong> von pflanzenbaulichen Maßnahmen des Landwirts an die<br />

durch die Sorte vorgegebenen Möglichkeiten andererseits besteht somit nicht nur auf der<br />

biologischen, sondern auch auf der betrieblichen Ebene eine direkte Wechselwirkung zwischen<br />

den Faktoren Genotyp <strong>und</strong> Umwelt.<br />

Allgemeine Aufgabe der Pflanzenzüchtung ist es, „Pflanzen genetisch so zu verändern,<br />

dass sie besser an die Bedürfnisse des Menschen angepasst sind“ (BECKER, 1993). Diese<br />

Bedürfnisse lassen sich den Gebieten Ernährung, Tierfütterung, Umwelt, Industrieverwertung<br />

<strong>und</strong> Verbraucherschutz zuordnen <strong>und</strong> haben sich an dem Prinzip der Nachhaltigkeit zu<br />

orientieren. Nach SCHMID et al. (1999) können folgende mittelfristige Schwerpunkte einer<br />

auf Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ausgerichteten Pflanzenzüchtung gesehen werden:<br />

– Züchtung von Pflanzen mit Eignung für eine ressourcenschonende Erzeugung von qualitativ<br />

hochwertigen, ges<strong>und</strong>en Produkten unter Beibehaltung eines hohen, stabilen Ertragsniveaus<br />

– Züchterische Bearbeitung von Kultur- <strong>und</strong> Wildpflanzen zwecks Erschließung von<br />

Märkten mit neuen Produkten<br />

– Entwicklung von Methoden zur Erhöhung der Geschwindigkeit <strong>und</strong> Flexibilität in der<br />

Realisierung neuer Zuchtziele<br />

– Erhaltung, Charakterisierung <strong>und</strong> Nutzung genetischer Vielfalt<br />

Diese Schwerpunkte sind aufgr<strong>und</strong> des langen zeitlichen Vorlaufs in der Realisierung entsprechender<br />

Zuchtziele zunächst vorwiegend im vorwettbewerblichen Raum angeordnet. In<br />

besonderem Maße gilt dies für die Erhaltung, Charakterisierung <strong>und</strong> Nutzung von pflanzengenetischen<br />

Ressourcen für Ernährung <strong>und</strong> Landwirtschaft (PGREL), denen weltweit<br />

eine Schlüsselstellung in der Sicherung der menschlichen Lebensgr<strong>und</strong>lagen zukommt <strong>und</strong><br />

zu denen sich die Unterzeichnerstaaten des International Treaty on Plant Genetic Resources<br />

for Food and Agriculture verpflichtet haben. Soweit PGREL in züchterisch nicht adap­


Pflanzenzüchtung<br />

tiertem Zustand vorliegen, bedürfen sie der besonderen Betreuung durch öffentliche Züchtungsforschung.<br />

2 Künftige Zuchtziele<br />

Ausgehend vom Elitegenpool des Züchters dauert die Entwicklung einer neuen Sorte 8 bis<br />

12 Jahre. Sollte zukünftig vermehrt auf nichtadaptierte pflanzengenetische Ressourcen zurückgegriffen<br />

werden, verlängert sich der erforderliche zeitliche Vorlauf entsprechend. Die<br />

mittelfristig auf den Horizont <strong>2025</strong> orientierten Zuchtziele werden daher die absehbaren<br />

Entwicklungen im Hinblick auf steigende Qualitätsanforderungen, Verbraucherschutz,<br />

Notwendigkeit weiterer Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion, sich verknappende<br />

Ressourcen <strong>und</strong> Klimaentwicklung berücksichtigen. Die im Hinblick auf die<br />

nächsten 20 Jahre <strong>und</strong> unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten wichtigsten Zuchtziele,<br />

von denen die meisten nicht völlig neu sind, jedoch zum Teil eine andere Gewichtung<br />

als in der Vergangenheit erfahren werden, können wie folgt definiert werden:<br />

– Resistenz gegen Krankheiten <strong>und</strong> Schädlinge<br />

– Stresstoleranz (insbesondere gegen Trockenheit, Hitze; in manchen Regionen auch<br />

gegen Salz)<br />

– Nährstoff- <strong>und</strong> Wassernutzungseffizienz<br />

– Qualitätsmerkmale <strong>und</strong> spezielle Inhaltsstoffe<br />

– Nachwachsende Rohstoffe<br />

– Alternative oder neue Kulturarten<br />

– Ertragssicherheit (als summarisches, allgemeines Zuchtziel)<br />

Einige dieser Zuchtziele werden im Folgenden näher betrachtet.<br />

3 Krankheits- <strong>und</strong> Schädlingsresistenz<br />

Die Züchtung von Kulturpflanzen, die resistent gegen pilzliche, bakterielle <strong>und</strong> virale<br />

Krankheitserreger oder gegen Schadinsekten sind, wird weltweit <strong>und</strong> auch in Deutschland<br />

in ihrer Bedeutung zunehmen. Die Resistenzzüchtung wird, ernsthafter als dies bislang der<br />

Fall war, als ein unverzichtbarer Eckpfeiler für nachhaltige Pflanzenschutzmanagement-<br />

Konzepte begriffen werden. Ein wachsender Stellenwert wird widerstandsfähigen Kulturpflanzen<br />

<strong>und</strong> bevorrateten Ernteprodukten auf globaler Ebene durch die Zunahme der<br />

Weltbevölkerung verliehen, vor deren Hintergr<strong>und</strong> die sich auf weltweit 30 bis 40 % des<br />

Ertragspotenzials akkumulierenden Ernte- <strong>und</strong> Vorratsverluste durch Pflanzenkrankheiten<br />

77


78<br />

<strong>und</strong> Schädlinge ein zunehmend drängendes Problem darstellen. Die Resistenzzüchtung<br />

stellt hier einen unverzichtbaren Eckpfeiler in der Ernährungssicherung dar.<br />

Die Entwicklung der Resistenzzüchtung als zentrale Komponente nachhaltigen Pflanzenschutzmanagements<br />

in Deutschland <strong>und</strong> Europa wird abhängig sein von der Schaffung politischer<br />

<strong>und</strong> gesetzlicher Rahmenbedingungen zur weiteren Reduzierung des chemischen<br />

Pflanzenschutzes sowie von der klimatischen Entwicklung in verschiedenen Regionen. Der<br />

Einsatz von Pestiziden in Deutschland lag in den vergangenen Jahren relativ konstant bei<br />

26.000 bis <strong>30.</strong>000 t reinen Wirkstoffs (inkl. Herbizide). Dieser Pestizideinsatz verursacht<br />

hohe ges<strong>am</strong>twirtschaftliche Kosten, die von WAIBEL <strong>und</strong> FLEISCHER (1998) für die alten<br />

B<strong>und</strong>esländer auf umgerechnet 130 Mio. € je Jahr geschätzt werden <strong>und</strong> sich zum überwiegenden<br />

Teil aus verbraucher- <strong>und</strong> umweltbezogenen Vorbeuge- <strong>und</strong> Folgeschädenkosten<br />

zus<strong>am</strong>mensetzen (Tabelle 1). Der potenzielle Stellenwert, den die Resistenzzüchtung – entsprechende<br />

Rahmenbedingungen vorausgesetzt – als „inhärenter Pflanzenschutz“ in Ergänzung<br />

zum chemischen Pflanzenschutz im Hinblick auf den Verbraucher- <strong>und</strong> Umweltschutz<br />

hat, ist evident.<br />

Tabelle 1: Geschätzte Kosten des Pestizideinsatzes in Deutschland (nur alte B<strong>und</strong>esländer)<br />

in Mio. € je Jahr<br />

Trinkwasserschutz 66<br />

Auswirkungen auf Tiere <strong>und</strong> Pflanzen 6<br />

Ges<strong>und</strong>heitsschäden <strong>und</strong> Krebsfälle 12<br />

Lebensmittelüberwachung 12<br />

Staatliche Institutionen 34<br />

Summe 130<br />

Quelle: nach Waibel <strong>und</strong> Fleischer (1998).<br />

Neben der Reduzierung des Pestizideinsatzes liegt ein weiterer verbraucherschutzrelevanter<br />

Aspekt der Resistenzzüchtung in der Möglichkeit, durch die Züchtung von weniger fusarienanfälligen<br />

Getreidesorten die Mykotoxinbelastung des Ernteguts <strong>und</strong> daraus gewonnener<br />

Produkte zu reduzieren. In der Beschreibenden Sortenliste Getreide liegen die <strong>am</strong> wenigsten<br />

anfälligen Weizensorten bei Note 2; die genetische Variabilität für das Auffinden<br />

von Fusarienresistenzen ist also durchaus gegeben. Durch die Einbeziehung sehr wirks<strong>am</strong>er<br />

Resistenzquellen aus China, Japan <strong>und</strong> den USA. mit z. T. oligogener Resistenzvererbung<br />

ist in den nächsten Jahren, insbesondere dank der Möglichkeiten zur Selektion auf diese<br />

Gene mit Hilfe von molekularen Markern, mit weiterem Züchtungsfortschritt bei Weizen<br />

im Hinblick auf Fusariumresistenz zu rechnen. Inwiefern gentechnische Ansätze erfolgreich<br />

sein werden, ist zurzeit, nicht zuletzt wegen der Zerstörung entsprechender Freisetzungsversuche<br />

im laufenden Jahr, schwer einzuschätzen.


Pflanzenzüchtung<br />

Auch im Kartoffelbau wird in Deutschland innerhalb der nächsten 20 Jahre die Resistenzzüchtung<br />

zunehmende Bedeutung erlangen, <strong>und</strong> zwar im Hinblick auf horizontale Resistenz<br />

gegen Kraut- <strong>und</strong> Braunfäule. Mit 3 bis 14 Fungizidbehandlungen je Schlag wird in<br />

Deutschland allein für die chemische Bekämpfung der Kraut- <strong>und</strong> Braunfäule eine hohe<br />

Umweltbelastung verursacht (SCHEPERS, 2003). Die Kosten für Bekämpfung <strong>und</strong> infolge<br />

von krankheitsbedingten Ertragsausfällen sowie durch Qualitätseinbußen belaufen sich auf<br />

schätzungsweise 470 €/ha (DARSOW, 2002a). Zwar nutzt die Züchtung seit 10 bis 15 Jahren<br />

die polygen bedingte, weitgehend rassenunabhängige Resistenzform. Hohe Umweltvarianz<br />

<strong>und</strong> die enge genetische Korrelation von Resistenz <strong>und</strong> Spätreife der Kartoffel machen diese<br />

Züchtungsaufgabe jedoch sehr schwierig. Dennoch ist es gelungen, polygene Resistenz<br />

mit früher Reifezeit <strong>und</strong> Qualität zu kombinieren (DARSOW, 2002b; DARSOW <strong>und</strong> HANSEN,<br />

2004). D<strong>am</strong>it liegt Material vor, das zutreffender als bisheriges in der relativen Resistenz<br />

charakterisiert ist <strong>und</strong> künftig als Vererber zur Züchtung horizontal resistenter Sorten eingesetzt<br />

werden kann.<br />

Das Spektrum der durch Resistenzzüchtung vordringlich anzusprechenden Zielorganismen<br />

sowie deren Inzidenz <strong>und</strong> Ab<strong>und</strong>anz werden sich voraussichtlich in Folge der sich vollziehenden<br />

Klimaveränderung auch in Deutschland verschieben. Bei steigenden Jahresdurchschnittstemperaturen<br />

ist mit einer Ausdehnung der geografischen Verbreitung von Wärme<br />

liebenden Schädlingen <strong>und</strong> Krankheitserregern in neue Gebiete zu rechnen. Durch mildere<br />

Winter werden frostempfindliche Schadinsekten <strong>und</strong> Wurzelparasiten begünstigt. So beschleunigt<br />

ein Temperaturanstieg bei Insekten die Entwicklungsgeschwindigkeit <strong>und</strong> den<br />

Entwicklungszyklus; darüber hinaus werden Fraßaktivität, Mobilität bzw. Wanderung <strong>und</strong><br />

Populationsdyn<strong>am</strong>ik beeinflusst.<br />

Ein ernstzunehmendes Problem stellt schon heute der Maiszünsler (Ostrinia nubilalis) dar.<br />

Dieser Schädling war in Deutschland bis etwa 1960 auf einzelne wärmere, überwiegend<br />

südliche Regionen beschränkt. In den letzten Jahrzehnten ist der Falter jedoch auch in klimatisch<br />

weniger begünstigte Gebiete vorgedrungen. In Nordrhein-Westfalen <strong>und</strong> Mecklenburg-Vorpommern<br />

beginnt die Besiedlung; Niedersachsen <strong>und</strong> Schleswig-Holstein sind<br />

noch befallsfrei. Ein weiteres Vordringen des Maiszünslers in den nächsten Jahren ist sehr<br />

wahrscheinlich. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) werden durch<br />

die Zünslerraupen weltweit jährlich 4 % der Maisernte vernichtet. Das entspricht dem Nahrungsbedarf<br />

von 60 Millionen Menschen. In Deutschland sind bereits mehr als 300.000 ha<br />

Anbaufläche betroffen; in den Hauptbefallsgebieten verursacht der Schädling hier Ertragseinbußen<br />

bis zu 20 %. Neben tief wendender Bodenbearbeitung stellt der Einsatz resistenter<br />

Sorten die effektivste Bekämpfungsmöglichkeit dar. Die Maiszünsler-Problematik<br />

ist dank der Verfügbarkeit entsprechender Bt-Sorten das bisher überzeugendste Argument<br />

für den Einsatz der Grünen Gentechnik in Deutschland <strong>und</strong> Europa. Auf diesem Feld werden<br />

daher gentechnisch bearbeitete Maissorten in den kommenden Jahren die beste Akzeptanz<br />

<strong>und</strong> die meiste Verbreitung erfahren, sofern es gelingt, nachhaltig funktionierende<br />

79


80<br />

Konzepte für ein Bt-Management anzuwenden, um die Bildung von Bt-Resistenzen unter<br />

den Schadinsekten-Populationen langfristig zu verhindern. Eine weitere Voraussetzung für<br />

die effiziente Bekämpfung des Maiszünslers mit Hilfe der Grünen Gentechnik ist die Entwicklung<br />

tragfähiger Konzepte zur Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen.<br />

Ein erst vor gut 10 Jahren von Nord<strong>am</strong>erika nach Europa eingeschleppter <strong>und</strong> sich seitdem<br />

rasant ausbreitender Maisschädling, der ein mindestens ebenso hohes Schadenspotenzial<br />

wie der Maiszünsler aufweist, ist der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera<br />

virgifera). Auch hier erscheint der Anbau von Bt-Maissorten als die Bekämpfungsmethode<br />

der Wahl.<br />

Durch höhere, relative Luftfeuchtigkeit als Folge einer höheren Verdunstung ist eine Zunahme<br />

des Befalls mit Wärme liebenden Rostpilzarten sowie mit durch Pilze verursachten<br />

Ähren- <strong>und</strong> Wurzelinfektionen bei Nutzpflanzen zu rechnen. Bei einer Erhöhung der jährlichen<br />

Durchschnittstemperatur von 2 °C <strong>und</strong> etwa gleich bleibender Niederschlagsmenge<br />

wird mit 5- bis 20fach stärkerem Auftreten von Getreiderosten in Zentraleuropa gerechnet<br />

(JAHN et al., 1995). Mit drastischen Problemen in den kommenden Jahren ist auch im Hinblick<br />

auf bodenbürtige Virosen bei Weizen <strong>und</strong> Roggen zu rechnen (HUTH, 2002). Anstrengungen<br />

in der Züchtungsforschung sind daher bereits angelaufen, um Resistenzquellen<br />

zu finden <strong>und</strong> sie für die Züchtung resistenter Sorten zu erschließen.<br />

Mit den Möglichkeiten, die sich aus der markergestützten Selektion mit Hilfe molekularer<br />

Marker, aus genomanalytischen Verfahren wie der DNA-Chip-Technologie sowie aus der<br />

Gentechnik in den kommenden 20 Jahren ergeben, wird ein altes Thema der Resistenzzüchtung<br />

neue Impulse erhalten, nämlich „Nachhaltige Resistenzzüchtung durch dauerhafte<br />

Resistenz“. Zur Herstellung dauerhaft resistenter Kulturpflanzen können sich, je nach<br />

Wirt/Pathogensystem <strong>und</strong> verfügbaren genetischen <strong>und</strong> züchtungsmethodischen Ressourcen,<br />

verschiedene züchterische Ansätze anbieten:<br />

– Verwendung polygen vererbter Resistenzen („horizontale Resistenzen“)<br />

– Zus<strong>am</strong>menführung („Pyr<strong>am</strong>idisierung“) unterschiedlicher Resistenzgene gegen dasselbe<br />

Pathogen, u. U. in wechselnden, aufeinander abgestimmten Kombinationen („Resistenzmanagement“)<br />

– Verbreiterung der genetischen Basis von Resistenzen durch Erschließung neuer Resistenzgene<br />

aus genetischen Ressourcen<br />

– Suche nach rassenunabhängig wirkenden Resistenzgenen (z. B. Slow-rusting-Gene bei<br />

Getreiderosten)<br />

– Erzeugung neuartiger, rassen- oder gar artunabhängig wirkender Resistenzmechanismen<br />

durch Gentechnik


Pflanzenzüchtung<br />

Da Krankheits- <strong>und</strong> Schädlingsresistenz einen potenziellen Selektionsvorteil für den Resistenzträger<br />

auch unter natürlichen Bedingungen verleiht, wird sich die letztgenannte, gentechnische<br />

Möglichkeit auf solche Kulturarten beschränken, die kein nennenswertes Auswilderungspotenzial<br />

erwarten lassen <strong>und</strong> keinen Genfluss zu verwandten Wildarten in der<br />

Anbauregion zeigen.<br />

4 Stresstoleranz<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass Pflanzenzüchter im Zuge der zum Teil erheblichen<br />

Steigerungen in den Bestandsdichten in den vergangenen Jahrzehnten <strong>und</strong> im Rahmen<br />

der Auslese auf ausreichende Ertragsstabilität über verschiedene Umwelten bereits seit längerem<br />

indirekt auf Toleranz gegenüber abiotischen Stressfaktoren, insbesondere gegenüber<br />

Wasserknappheit, selektiert haben (DUVICK <strong>und</strong> CASSMAN, 1999; TOLLENAAR <strong>und</strong> LEE,<br />

2002). Die bis Mitte dieses Jahrh<strong>und</strong>erts prognostizierten Änderungen im Klima könnten<br />

allerdings weitaus größere Anforderungen an die Widerstandsfähigkeit unserer Kulturpflanzen<br />

stellen.<br />

Für das B<strong>und</strong>esland Brandenburg beispielsweise werden für den Zeitraum 2046 bis 2055<br />

gegenüber dem Vergleichszeitraum 1951 bis 2000 generell um mehr als 2 K höhere Jahresmitteltemperaturen<br />

prognostiziert sowie ein Rückgang der Niederschlagsjahressummen,<br />

welcher in weiten Teilen des Landes bei 100 bis 150 mm liegen <strong>und</strong> räumlich stark differenziert<br />

sein wird (GERSTENGARBE et al., 2003; Abbildung 2).<br />

Sollte dieses Szenarium eintreten, ist mit tief greifenden Auswirkungen auf das Agrarökosystem<br />

zu rechnen. Das erzielbare Ertragsniveau, aber auch die relative Vorzüglichkeit von<br />

Fruchtarten <strong>und</strong> die Fruchtfolgen, werden von einer solchen Entwicklung betroffen sein.<br />

Für Winterweizen etwa ist mit einem durch die geringere Evapotranspiration bedingten<br />

Rückgang des mittleren Ertrags um 17 %, für Mais dagegen mit einem leichten Anstieg um<br />

2 % zu rechnen. Wird die photosynthesestimulierende Wirkung der ebenfalls prognostizierten,<br />

erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre mit berücksichtigt, betragen die mittleren<br />

Ertragsverluste bei Weizen als relativ stark reagierender C3-Pflanze nur 10 %; bei Mais<br />

sind dagegen leichte Ertragsgewinne um 8 % zu erwarten (GERSTENGARBE et al., 2003). Es<br />

ist davon auszugehen, dass sich die skizzierte klimatische Entwicklung bereits lange vor<br />

dem Erreichen des Prognosezeitraums bemerkbar <strong>und</strong> nicht an den Landesgrenzen Halt<br />

machen wird. Wasseraneignungsvermögen, Wassernutzungseffizienz <strong>und</strong> Toleranz gegenüber<br />

temporärer Trockenheit <strong>und</strong> hohen Temperaturspitzen werden daher schon im Lauf<br />

der kommenden zwei Jahrzehnte stärker als bisher als Zuchtziele in das Bewusstsein von<br />

Pflanzenzüchtern <strong>und</strong> Landwirten rücken.<br />

81


82<br />

Abbildung 2: Prognostizierte Klimaveränderung im B<strong>und</strong>esland Brandenburg im Zeitraum<br />

2046 bis 2055 gegenüber dem Vergleichszeitraum 1951 bis 2000<br />

Räumliche Verteilung der Differenzen (A) des Jahresmittels der Lufttemperatur<br />

<strong>und</strong> (B) der Jahressumme des Niederschlags)<br />

Quelle: Nach GERSTENGARBE et al. (2003), veränd.; mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung der Autoren<br />

5 Alternative/„Neue“ Fruchtarten<br />

In der konventionellen Landwirtschaft dominieren enge, wintergetreidebetonte Fruchtfolgen.<br />

Im Hinblick auf die sich ändernden Rahmenbedingungen der Gemeins<strong>am</strong>en Agrarpolitik<br />

der EU – Einführung von Direktzahlungen, gekoppelt an die Einhaltung von Umwelt-,<br />

Tierschutz- <strong>und</strong> Qualitätsvorschriften (Cross Compliance) – <strong>und</strong> auf das Erfordernis zur<br />

Senkung der betrieblichen Produktionskosten könnten weitere Fruchtfolgen in der Zukunft<br />

für die Landwirte jedoch wieder interessanter werden. Eine Auflockerung der heutigen<br />

Fruchtfolgen kann unter verschiedenen Aspekten attraktiv erscheinen:<br />

– Pestizideinsatz (Herbizide, Fungizide)<br />

– Herbizid- <strong>und</strong> Fungizidresistenzen<br />

– Düngemitteleinsatz <strong>und</strong> Nährstoffbilanzen<br />

– Bodenfruchtbarkeit (vs. Bodenerosion, -verdichtungen)<br />

– Produktionskosten (Pflugeinsatz bei getreidebetonten Fruchtfolgen)


Pflanzenzüchtung<br />

– Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten durch Diversifizierung<br />

– Landwirtschaftliche Produktion nach ökologischen Prinzipien<br />

– Freizeit- <strong>und</strong> Erholungswert ländlicher Räume; Entwicklung von Kulturlandschaften<br />

– Biodiversität in der Landwirtschaft<br />

Die züchterische Bearbeitung landwirtschaftlicher Kulturarten im Rahmen der kommerziellen<br />

Pflanzenzüchtung hat sich aus ökonomischen Gründen während der vergangenen fünf<br />

Jahrzehnte auf die überschaubare Reihe der großen, anbaustarken Fruchtarten konzentriert.<br />

Sollen weitere, bislang züchterisch vernachlässigte Fruchtarten für den Anbau beispielsweise<br />

als Zwischenfrüchte oder zur Erschließung neuer Wertschöpfungsmöglichkeiten –<br />

z. B. durch Inkulturnahme von Fruchtarten mit neuen Ölqualitäten - gefördert werden, ist<br />

die züchterische Bearbeitung solcher Fruchtarten zur Verbesserung ihrer Anbauwürdigkeit<br />

<strong>und</strong> Rentabilität eine entscheidende Voraussetzung, um sie als „neue“ Fruchtarten in die<br />

landwirtschaftliche Produktion sinnvoll eingliedern zu können. Dies gilt für den ökologischen<br />

Landbau <strong>und</strong> die konventionelle Landwirtschaft gleichermaßen. Zu den züchterisch<br />

wenig oder nicht bearbeiteten Kulturpflanzen zählen beispielsweise Leindotter, Amaranth,<br />

Kr<strong>am</strong>be, Ölkürbis, Lein, Saflor, Buchweizen, Topin<strong>am</strong>bur, Weißer Senf, Brauner Senf,<br />

Hanf; eine ganz neue landwirtschaftliche Kulturart wäre Cuphea mit hohem Anteil mittelkettiger<br />

Fettsäuren im S<strong>am</strong>enöl. Als fruchtfolgetechnisch wichtige Gruppe, die von intensiverer<br />

züchterischer Bearbeitung ebenfalls deutlich profitieren könnte, sind weiterhin die<br />

Leguminosen (Ackerbohne, Erbse, Lupine) zu nennen.<br />

Zuchtfortschritte sind insbesondere hinsichtlich der agronomischen Anpassung dieser<br />

Fruchtarten (z. B. Ertrag <strong>und</strong> Ertragskomponenten, Habitus, Abreife, Temperaturansprüche,<br />

Boden-pH-Verträglichkeit) sowie der Qualität (Gehalte <strong>und</strong> Zus<strong>am</strong>mensetzung bei Protein,<br />

Stärke, Öl, bzw. Faser) erforderlich. Aber auch die Resistenzzüchtung würde mit einem<br />

größeren Anbauumfang in solchen Fruchtarten schnell Bedeutung erlangen. Ähnlich wie<br />

dies für die Produktion von „ökologischem Saatgut“ für den Ökolandbau gilt, wird eine<br />

züchterische Hinwendung zu bislang vernachlässigten Fruchtarten entscheidend von den<br />

Rahmenbedingungen <strong>und</strong> den d<strong>am</strong>it verknüpften, ökonomischen Perspektiven züchterischer<br />

Aktivität abhängen. Mit Blick auf den anhaltenden Konsolidierungsprozess <strong>und</strong> den<br />

steigenden, biotechnologischen Forschungsaufwand in Saatgutindustrie <strong>und</strong> Pflanzenzüchtung<br />

ist eine solche Hinwendung zu „kleinen“ Fruchtarten innerhalb der kommenden zwanzig<br />

Jahre eher als Ausnahmefall zu erwarten. Von der Gentechnik sind in dieser Hinsicht<br />

kaum Beiträge zu erwarten, weil sie – methodisch bedingt – auf den „added value“ in etablierten<br />

Kulturarten setzt <strong>und</strong> somit eher eine Entwicklung in Richtung weniger, „multifunktioneller“<br />

Fruchtarten fördern dürfte. Die züchterische Bearbeitung vernachlässigter Kulturarten<br />

wird sich somit hauptsächlich auf klassische Züchtungsmethoden stützen, wobei<br />

diese durch biotechnologische Verfahren flankiert werden können.<br />

83


84<br />

Als ein Beispiel sei die durch Züchtungsforscher <strong>und</strong> Pflanzenzüchter gemeins<strong>am</strong> bearbeitete<br />

Blaue Süßlupine angeführt. Die Verträglichkeit dieser Kulturart gegenüber neutralen<br />

bis alkalischen Boden-pH-Werten soll durch Hybridisierung mit pH-toleranteren Wildlupinenarten<br />

verbessert werden. Diese interspezifischen Hybridisierungen erfordern die Anwendung<br />

biotechnologischer Verfahren, nämlich die Kultivierung isolierter Embryonen auf<br />

künstlichem Nährmedium (Embryo Rescue) nach weiter Kreuzung bzw. die somatische<br />

Hybridisierung durch Protoplastenfusion. Weiterhin soll die Resistenz der Blauen Süßlupine<br />

gegenüber der Anthraknose verbessert werden; hierzu werden Resistenzgene aus ausländischen<br />

Herkünften mit Hilfe molekularer Marker in ein an hiesige Anbaubedingungen<br />

adaptiertes Zuchtmaterial eingekreuzt. Dieses Beispiel zeigt, dass dort, wo züchterisches<br />

Interesse, biotechnologisches Know-how <strong>und</strong> Kompetenz in der Erschließung pflanzengenetischer<br />

Ressourcen zus<strong>am</strong>menfinden, auch wirtschaftlich derzeit weniger bedeutende<br />

Fruchtarten eine Chance auf vorausschauende, züchterische Bearbeitung haben.<br />

Apomixis<br />

In den meisten Arten der Bedeckts<strong>am</strong>er (Angiospermen) erfordert die S<strong>am</strong>enentwicklung<br />

die Beteiligung männlicher <strong>und</strong> mütterlicher G<strong>am</strong>eten in der Weise, dass eine der beiden<br />

haploiden Spermazellen des Pollens mit der haploiden Eizelle des mütterlichen Kreuzungspartners<br />

zur einer diploiden Zygote verschmilzt, aus welcher sich der Embryo entwickelt,<br />

während die zweite Spermazelle des Pollens mit dem diploiden Embryosackkern zum<br />

triploiden Endospermkern fusioniert; hieraus entsteht das Endosperm, das den sich entwickelnden<br />

Embryo ernährt. Eine Ausnahme von diesem Befruchtungsmodus bildet die<br />

Apomixis, welche darin besteht, dass sich der Embryo ohne die Beteiligung paternaler Gene<br />

entwickelt. Dies setzt in den meisten Fällen den Ausfall oder vorzeitigen Abbruch der<br />

Meiose bei der zuvor verlaufenden Entwicklung des Embryosacks voraus mit dem Ergebnis,<br />

dass die Eizelle in ihrem Chromosomensatz unreduziert ist.<br />

Es gibt verschiedene Formen von Apomixis. Allen gemeins<strong>am</strong> ist jedoch, dass der sich<br />

entwickelnde Embryo genetisch identisch mit dem mütterlichen Kreuzungspartner ist; dessen<br />

Genotyp ist somit in allen apomiktisch entstandenen Nachkommen fixiert. Dies macht<br />

die bereits seit Mitte des vorletzten Jahrh<strong>und</strong>erts bekannte Apomixis für die Pflanzenzüchtung<br />

zu einem züchtungsmethodisch hochinteressanten biologischen Phänomen. Das Vorkommen<br />

der Apomixis kann mit „weit verbreitet, aber selten“ umschrieben werden. Sie ist<br />

in 35 der 400 Blütenpflanzenf<strong>am</strong>ilien, aber nur in 1 % der 40.000 Arten, beschrieben worden<br />

<strong>und</strong> <strong>am</strong> weitesten verbreitet innerhalb der Poaceae, Asteracea <strong>und</strong> Rosaceae. Nur wenige<br />

kultivierte Fruchtarten (Citrus, Mango) enthalten apomiktische Formen. In Getreidefruchtarten<br />

ist Apomixis nicht bekannt, wohl aber in verwandten Gräserarten (Tripsacum<br />

sp., Pennisetum sp., Poa sp.).


Pflanzenzüchtung<br />

Sollte es gelingen, Apomixis als Reproduktionsmechanismus in Kulturarten zu etablieren,<br />

hätte dies umwälzende Auswirkungen auf Pflanzenzüchtung <strong>und</strong> Saatgutproduktion, beispielsweise<br />

– Erschließung des Potenzials der Heterosiszüchtung für Fruchtarten, in denen bislang<br />

Hybridzüchtung nicht möglich ist,<br />

– erheblich effizientere Produktion von Hybridsaatgut, ohne aufwendigen Einsatz von<br />

Mechanismen der Befruchtungslenkung wie cytoplasmatische männliche Sterilität oder<br />

Selbstinkompatibilität <strong>und</strong> der d<strong>am</strong>it verb<strong>und</strong>enen Erstellung, Erhaltung <strong>und</strong> Vermehrung<br />

von Maintainer- <strong>und</strong> Restorerlinien,<br />

– Möglichkeit für jeden Bauern, Hybridsorten nachzubauen <strong>und</strong> zu vermehren ohne Verlust<br />

der agronomischen Leistung <strong>und</strong> Einheitlichkeit (Abbildung 3), mit allen ihren<br />

Implikationen für Welternährung sowie ländliche Räume einerseits <strong>und</strong> Züchter sowie<br />

Saatgutproduzenten andererseits,<br />

– Erhaltung jeglicher heterozygoter Genotypen, z. B. solchen aus weiten Kreuzungen,<br />

mit der Perspektive, neue Züchtungsstrategien sowohl in sexuell als auch in vegetativ<br />

vermehrten Kulturarten zu entwickeln; Pflanzenzüchtung könnte durch die Vermehrung<br />

einzelner, gut angepasster Genotypen zu Sorten so beschleunigt werden, dass spezielle<br />

Züchtungen für Mikroumwelten (Lokalsor „Pflanzenzüchtung nach Maß“) in sexuell<br />

als auch in vegetativ vermehrten Kulturarten zur Unterstützung von Agroökosystem-Managementstrategien,<br />

vermittelt durch die Möglichkeit, gut an Mikroumwelten<br />

<strong>und</strong> Märkte angepasste, durch gezielte Kreuzung geeigneter Eltern erzeugte Formen<br />

auf apomiktischem Wege schnell zu konstanten Sorten zu entwickeln,<br />

– Möglichkeit, vegetativ vermehrte Arten wie Kartoffel, Cassava oder Y<strong>am</strong> über den<br />

S<strong>am</strong>en zu vermehren, mit besserer Ges<strong>und</strong>erhaltung durch Vermeidung phytosanitärer<br />

Probleme (Virus u. a.); Ausdehnung des weltweiten Verkehrs <strong>und</strong> Austausches von genetischen<br />

Ressourcen in solchen Kulturarten,<br />

– höhere Sicherheit in Saatguterzeugung <strong>und</strong> Anbau von Körnerfrüchten (Unabhängigkeit<br />

von Pollenschüttung, Blühzeitpunkten, Inkompatibilitäten etc.),<br />

– Erhöhung der Produktivität einiger Fruchtarten durch züchterische Eliminierung der<br />

energiezehrenden männlichen Reproduktionsorgane,<br />

– Transgen-Containment gegen unerwünschten Genfluss bei Kombination von Apomixis<br />

<strong>und</strong> männlicher Sterilität.<br />

(JEFFERSON, 1994; SPIELMAN et al., 2003).<br />

Im Hinblick auf die revolutionären Implikationen, welche apomiktische Fruchtarten für<br />

Landwirtschaft <strong>und</strong> Saatgutindustrie bedeuten könnten, wird die Apomixis seit ca. 15 Jahren<br />

weltweit, unter besonderem Engagement großer Saatgutkonzerne, intensiv auf molekularer<br />

Ebene erforscht. Wenngleich es noch nicht gelungen ist, die Apomixis in nutzbarer<br />

85


86<br />

Form in Kulturarten wie den Mais zu etablieren, sind innerhalb der letzten Jahre doch erhebliche<br />

Erkenntnisfortschritte zu den genetischen <strong>und</strong> molekularen Gr<strong>und</strong>lagen der Apomixis<br />

erzielt worden. Erste Versuche, das Merkmal Apomixis auf klassische Weise durch<br />

interspezifische Kreuzung aus der Wildart (Tripsacum) in die Kulturart (Mais) einzuführen,<br />

stellten sich als zu einfacher Ansatz für dieses biologisch hochkomplexe Merkmal heraus.<br />

Der mittlerweile favorisierte Forschungsansatz besteht darin, die Apomixis zunächst in<br />

ihren Einzelheiten gr<strong>und</strong>legend zu verstehen, um dann auf gentechnischem Wege die<br />

Schlüsselkomponenten in Kulturarten zu transferieren.<br />

Abbildung 3: Potenzielle Bedeutung der Apomixis für die Vermehrung von Hybridsaatgut<br />

<strong>und</strong> den Nachbau von Hybridsorten: Während es bei sexueller Fortpflanzung<br />

zur Aufspaltung in der nächsten Generation kommt, sind die<br />

durch Apomixis entstandenen Nachkommen identisch mit der Mutterpflanze)<br />

Quelle: http://billie.btny.purdue.edu/apomixis/apotech.html; veränd.<br />

Hinsichtlich der intensiven Forschungsanstrengungen darf angenommen werden, dass bis<br />

zum Jahr <strong>2025</strong> die wesentlichen molekularen Mechanismen der Apomixis aufgeklärt sein<br />

werden. Die Einführung apomiktischer Sorten wird jedoch vermutlich länger auf sich warten<br />

lassen. Hierfür sind zum ersten züchtungsmethodische Gründe anzuführen. Ein mögliches<br />

Problem könnte z. B. daraus resultieren, dass, nach heutiger Kenntnis, alle natürlich<br />

vorkommenden Apomikten polyploid sind. Sollte sich herausstellen, dass Apomixis <strong>und</strong><br />

Polyploidie aus biologischen Gründen miteinander untrennbar assoziiert sind, müssten<br />

diploide Fruchtarten wie Mais zunächst auf höherer Ploidiestufe züchterisch remodelliert<br />

werden.<br />

Zum zweiten ergibt sich im Hinblick auf den Anbau apomiktischer Kulturarten eine Reihe<br />

von gr<strong>und</strong>legenden Fragen zur biologischen Sicherheit, die eingehender Betrachtung <strong>und</strong>


Pflanzenzüchtung<br />

Klärung bedürfen. So könnten infolge der Möglichkeit, existierende Sorten beliebig nachzubauen,<br />

langfristig nicht nur der Saatgutwechsel, sondern auch der Sortenwechsel <strong>und</strong> die<br />

Sortenvielfalt zurückgehen <strong>und</strong> die genetische Vielfalt einer Region innerhalb gegebener<br />

Fruchtarten abnehmen, mit möglichen Folgen für Pathogen- <strong>und</strong> Schädlingsanfälligkeit <strong>und</strong><br />

für die biologische Diversität in der Landwirtschaft. Ein ernstzunehmender Aspekt ist des<br />

Weiteren, dass Apomixis bedingende Transgene bei stattfindendem Genfluss in benachbarte<br />

Populationen einen permanenten, von äußeren Bedingungen unabhängigen Fitnessvorteil<br />

für ihre Träger bedingen <strong>und</strong> somit in den Empfängerpopulationen innerhalb kurzer Zeit<br />

die sexuelle Fortpflanzungsvariante verdrängen könnten. Bei dominanter Vererbung des<br />

Apomixiemerkmals würde ein solcher Verdrängungsprozess relativ schnell in der Fixierung<br />

der apomiktischen Fortpflanzungsvariante resultieren - ein Szenarium, welches im Hinblick<br />

auf die Bewahrung pflanzengenetischer Ressourcen, insbesondere in den Diversitätszentren,<br />

als kritisch erscheint (VAN DIJK <strong>und</strong> VAN DAMME, 2000). Eine offene Frage betrifft<br />

schließlich die Allokation von proprietären Rechten – bzw. von Nutzungsrechten - an künftigen,<br />

züchterisch relevanten Apomixis-Systemen. Die Tragweite dieser Frage würde angesichts<br />

der gr<strong>und</strong>legenden Bedeutung, die apomiktische Fruchtarten – insbesondere Getreidearten<br />

- für die Welternährung <strong>und</strong> für landwirtschaftliche Strukturen haben könnten, eine<br />

bis dato nicht bekannte Dimension erlangen <strong>und</strong> ist in der Deklaration von BELLAGIO<br />

(1998) „Entwurf einer Forschungsstrategie zur Produktion von asexuellen S<strong>am</strong>en in Getreidepflanzen“,<br />

welche einen breiten <strong>und</strong> fairen Zugang zu künftigen Apomixis-Technologien<br />

fordert, bereits gewürdigt.<br />

6<br />

Methodische Entwicklungen in der Pflanzenzüchtung<br />

Wie können die genannten Zuchtziele erreicht werden? Mit Sicht auf die kommenden<br />

zwanzig Jahre wird die auf Kreuzung, Rekombination <strong>und</strong> Auslese beruhende, klassische<br />

Pflanzenzüchtung das Rückgrat züchterischer Entwicklung bei Kulturpflanzen bleiben. Sie<br />

wird dabei zunehmend durch unterstützende Verfahren flankiert, wie insbesondere<br />

– markergestützte Selektion mit Hilfe genomanalytischer Verfahren,<br />

– In-vitro-Verfahren wie Doppelhaploid-Techniken, Protoplastenfusion, Embryo Rescue,<br />

– Gentechnik <strong>und</strong><br />

– DNA-Chiptechnologie.<br />

Markergestützte Selektion hat bereits Einzug in die züchterische Praxis gef<strong>und</strong>en. Sie wird<br />

sich innerhalb der nächsten 10 bis 5 Jahre für eine Reihe von Kulturarten zu einem unverzichtbaren<br />

Bestandteil des Züchtungsprozesses entwickeln, insbesondere in den sog. cash<br />

crops wie Mais, Weizen <strong>und</strong> Gerste, für die sich die mit markergestützter Selektion verb<strong>und</strong>enen<br />

Entwicklungs- <strong>und</strong> Anwendungskosten <strong>am</strong> schnellsten rentieren. Interessante<br />

Anwendungsmöglichkeiten für die markergestützte Selektion sind insbesondere bei Zucht­<br />

87


88<br />

merkmalen gegeben, die im Züchtungsprozess nur schwierig <strong>und</strong> aufwendig direkt zu erfassen<br />

sind, wie z. B. Resistenz gegen bodenbürtige Virosen bei Getreide, <strong>und</strong>/oder die in<br />

gezielter Weise aus nichtadaptierten pflanzengenetischen Ressourcen in die Kulturart übertragen<br />

werden sollen (RUGE et al., 2003).<br />

Folgende Voraussetzungen werden für die weitere Etablierung der markergestützten Selektion<br />

zu erfüllen sein:<br />

– Entwicklung hochdurchsatzfähiger Markertechniken, die zeit- <strong>und</strong> kosteneffizient die<br />

Genotypisierung tausender Pflanzen erlauben; der größte Einfluss wird hier von der<br />

DNA-Chiptechnologie ausgehen, welche die Analyse tausender von Markern in einem<br />

Schritt erlaubt. Voraussetzung dafür sind allerdings Chip-fähige Marker wie die SNP<br />

(single-nucleotide polymorphism), deren Entwicklung kosten- <strong>und</strong> zeitaufwendig <strong>und</strong><br />

an die Verfügbarkeit von entsprechenden genomischen Ressourcen (Genomsequenzierung,<br />

EST-S<strong>am</strong>mlungen) für die betreffende Fruchtart geb<strong>und</strong>en ist.<br />

– Verfügbarkeit bioinformatischer Tools, die die Interpretation <strong>und</strong> Umsetzung sehr großer<br />

Mengen an Markerinformation in züchterische Entscheidungen unterstützen; entsprechende<br />

Konzepte befinden sich in der Entwicklung (PELEMAN <strong>und</strong> VAN DER<br />

VOORT, 2003).<br />

– Verfügbarkeit von Markern <strong>und</strong> Konzepten, die die Selektion auf quantitative Eigenschaften<br />

wie z. B. Ertrag oder Stresstoleranz erlauben; hier haben sich die Hoffnungen,<br />

die im Hinblick auf die Selektion von QTL (Quantitative Trait Loci) seit Anfang der<br />

80er Jahre des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts in zufällige DNA-Marker gesetzt wurden, nicht erfüllt.<br />

Abhilfe könnten „funktionelle Marker“ schaffen, die direkt von merkmalsbestimmenden<br />

Genen bzw. ihren allelen Varianten abgeleitet <strong>und</strong> somit in ihrer Vorhersagekraft<br />

nicht mehr von Kopplungsphase <strong>und</strong> Rekombination abhängig sind (ANDER­<br />

SEN <strong>und</strong> LÜBBERSTEDT, 2003). Die derzeit auch für Pflanzen forcierten Untersuchungen<br />

zur kompletten oder partiellen Genomsequenzierung sowie zu der aus der Humangenetik<br />

adaptierten Assoziationskartierung werden in den kommenden Jahren zu dieser<br />

Entwicklung wichtige Impulse liefern.<br />

Ein erheblicher Entwicklungsschub im Hinblick auf die Identifizierung von Genen, die an<br />

der Ausprägung agronomisch wichtiger Merkmale beteiligt sind, wird in den kommenden<br />

Jahren von der DNA-Chiptechnologie ausgehen. Diese Technologie erlaubt es, im Idealfall<br />

den ges<strong>am</strong>ten Genbestand einer Pflanze auf einem einzigen Chip einer Expressionsanalyse<br />

(„Expression Profiling“) zu unterziehen, um auf diese Weise solche Gene zu identifizieren,<br />

die unter bestimmten Umweltbedingungen (z. B. Stressbedingungen) oder in bestimmten<br />

Genotypen (z. B. Hybriden mit hoher Heterosis) differentiell exprimiert werden. Solche<br />

Gene können als Kandidaten für merkmalsbestimmende Erbfaktoren analysiert <strong>und</strong> im Erfolgsfall<br />

für die Entwicklung genspezifischer, funktioneller Marker für die markergestützte<br />

Selektion verwendet werden. Darüber hinaus könnten solchermaßen identifizierte Merk­


Pflanzenzüchtung<br />

malsgene dort, wo es sinnvoll erscheint, für den direkten, gentechnisch vermittelten Gentransfer<br />

in Sorten oder andere Kulturpflanzen benutzt werden.<br />

7<br />

Gentechnik<br />

Weltweit stieg die mit gentechnisch modifizierten (GM) Fruchtarten bestellte Fläche im<br />

Jahr 2003 auf r<strong>und</strong> 68 Mio. ha (Abbildung 4). Auch in 2004 werden in den USA Zunahmen<br />

im Anbau von GM-Soja, -Mais <strong>und</strong> –Baumwolle von 3 bis 5 % im Vergleich zum Vorjahr<br />

erwartet. Nach Einschätzung des International Service for the Acquisition of Agri-biotech<br />

Applications (ISAAA) werden innerhalb der kommenden fünf Jahre 10 Millionen Landwirte<br />

in mindestens 25 Ländern GM-Sorten auf 100 Mio. ha anbauen. Derzeit beträgt das<br />

Marktvolumen ca. 4,5 Mrd. US-$ (ISAAA). Gemessen an der rasanten Ausdehnung des<br />

Anbaus von GM-Fruchtarten seit 1995 erscheint d<strong>am</strong>it die Grüne Gentechnik als die <strong>am</strong><br />

raschesten von den Landwirten angenommene Technologie seit Anbeginn der Landwirtschaft,<br />

<strong>und</strong> es ist zu erwarten, dass sie in den kommenden 10 Jahren auch in Europa in<br />

ökonomisch nennenswertem Umfang Fuß fassen wird.<br />

Abbildung 4: Entwicklung der weltweit mit transgenen Kulturpflanzen bestellten Anbaufläche<br />

Mio. ha<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0<br />

* Inkl. China.<br />

Quelle: J<strong>am</strong>es (2003).<br />

1,7<br />

11,0<br />

(+547 %)<br />

27,8<br />

(+153 %)<br />

39,9<br />

(+43 %)<br />

44,2<br />

(+11 %)<br />

58,7<br />

52,6 (+12 %)<br />

(+19 %)<br />

67,7<br />

(+15 %)<br />

1995 1996 1997 1998 1999* 2000* 2001* 2002* 2003*<br />

Die genannte Anbaufläche von 68 Mio. ha wird derzeit praktisch ausschließlich mit GM-<br />

Pflanzen bestellt, die gentechnisch modifizierte Merkmale der ersten Generation, d. h. Herbizidtoleranz<br />

oder/<strong>und</strong> Bt-vermittelte Insektenresistenz, tragen. Welche Entwicklungen<br />

sind für die kommenden zwei Jahrzehnte für Europa zu erwarten? Eine nicht vollständige<br />

Liste der in der Entwicklung befindlichen, gentechnischen Merkmalsmodifikationen ist in<br />

Tabelle 2 gegeben.<br />

89


90<br />

Tabelle 2: Einige bis <strong>2025</strong> zu erwartende, gentechnische Entwicklungen; weiter fortgeschrittene<br />

Entwicklungen, die auch für die deutsche Landwirtschaft besonders<br />

interessant erscheinen, sind durch Fettdruck hervorgehoben<br />

Agronomische Eigenschaften (Input Traits)<br />

- Bt-Insektenresistenz (gegen Maiszünsler in klimatisch determinierten Regionen)*<br />

- Herbizidtoleranz*<br />

- Pilzresistenz: Fusarien; Oomyceten (Phytophthora sp., Plasmopara sp.)<br />

- Bakterienresistenz: Feuerbrand bei Obstgehölzen<br />

Futterqualität<br />

- Energiedichte (Raps: Rohfasergehalt/Proteingehalt; Schalenanteil <strong>am</strong> S<strong>am</strong>en)<br />

- Proteinwertigkeit (Lys, Met, Trp)<br />

- Verfügbarkeit von P, Spurenelementen, Aminosäuren für Monogastriden<br />

(- Phytinsäure durch + GM-Phytase)<br />

Lebensmittelsicherheit <strong>und</strong> -qualität (Output Traits)<br />

- Glutenfreier Weizen (wg. Zöliakie)<br />

- Entfernung antinutritiver Komponenten (- Solanin bei Kartoffel; - Sinapin bei Raps)<br />

- Funktionelle Lebensmittel<br />

÷ Raps: langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (LCPUFA)<br />

÷ Raps: + Antioxidantien (Tocopherole/Vit. E; Resveratrol)<br />

÷ Kartoffel: - Fettaufnahme beim Frittieren durch + GM Sucrose-Phosphorylase<br />

÷ Kartoffel, Zuckerrübe: + Ballaststoffe durch GM Oligofructose/Inulin<br />

Nachwachsende Rohstoffe<br />

- Raps: Optimierte Fettsäurezus<strong>am</strong>mensetzung<br />

- Kartoffel: Optimierte Stärkezus<strong>am</strong>mensetzung (Amylopektin vs. Amylose)<br />

- Kartoffel, Raps: Bio-Kunststoffe (Polyhydroxybutyrat, Polyaspartat), Wachsester<br />

* Bereits im kommerziellen Anbau.<br />

+ Erhöhung im Gehalt.<br />

- Reduzierung im Gehalt.<br />

Neben der bereits weltweit genutzten, Bt-vermittelten Insektenresistenz, die für die deutsche<br />

Landwirtschaft insbesondere im Hinblick auf den vordringenden Maiszünsler (s. o.<br />

Abschnitt „Krankheits- <strong>und</strong> Schädlingsresistenz“) interessant ist <strong>und</strong> bei der hiesigen Einführung<br />

von GM-Sorten die Vorreiterrolle spielen dürfte, erscheinen auch Resistenzen gegenüber<br />

Pilzen <strong>und</strong> Bakterien interessant. Unter den Aspekten Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Lebensmittel-<br />

bzw. Futtermittelqualität sind insbesondere Resistenzen gegen Ährenfusarium <strong>und</strong><br />

Oomyceten vordringlich, weil sich die klassische Resistenzzüchtung gegen diese Pathogene<br />

zwar nicht erfolglos, aber schwierig gestaltet <strong>und</strong> der Fungizideinsatz immer noch erheblich<br />

ist. Versuche zu künstlich erzeugten, transgen vermittelten Resistenzen (z. B. Übertragung<br />

von Chitinase-, Glucanase-, Resveratrol-, Lysozymgenen), die auf allgemeine Wirkungsmechanismen<br />

abzielen, führten bislang zwar noch zu keinem Durchbruch. Die Entwicklung<br />

hinsichtlich transgener Fusarium-Resistenz ist aber immerhin bis zum Stadium


Pflanzenzüchtung<br />

von Freisetzungsversuchen in Deutschland (Weizen; Fa. Syngenta) gediehen. Schnelleren<br />

Erfolg versprechend verliefen Arbeiten bei Kartoffeln zur gentechnischen Übertragung eines<br />

natürlich vorkommenden, kürzlich aus der Wildart Solanum bulbocastanum isolierten<br />

Resistenzgens gegenüber Phytophthora infestans. Die gentechnische Übertragung dieses<br />

Resistenzgens in anfällige Sorten führte zu einer breiten Resistenz gegen das bedeutende<br />

Pathogen (SONG et al., 2003). Es ist daher zu erwarten, dass bereits in den kommenden 5<br />

bis 10 Jahren gentechnisch übertragene Kraut- <strong>und</strong> Braunfäuleresistenz, zunächst auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage bereits existierender anfälliger Sorten, in Kartoffelsortimenten einiger Länder<br />

vertreten sein wird.<br />

Im Futtermittelbereich könnte insbesondere die Verwendbarkeit des bei der Ölgewinnung<br />

anfallenden Rapsschrots für Fütterungszwecke von der Gentechnik profitieren. Rapsschrot<br />

enthält im Vergleich zu Sojaschrot höhere Anteile an essentiellen Aminosäuren (Methionin,<br />

Cystein), Vit<strong>am</strong>inen <strong>und</strong> Mineralstoffen, allerdings geringere Rohproteingehalte <strong>und</strong><br />

deutlich höhere Rohfasergehalte, was die Energiedichte ungünstig beeinflusst. Es laufen,<br />

zum Teil mit Hilfe der vergleichenden Genomanalyse unter Heranziehung der Modellgenom-Pflanze<br />

Arabidopsis thaliana, Untersuchungen zur Reduzierung des Schalenanteils,<br />

um gelbs<strong>am</strong>igen Raps zu züchten. Weitere Arbeiten werden zur Reduzierung störender Inhaltsstoffe<br />

wie Glucosinolate, Tannine, Phytate <strong>und</strong> Sinapine durchgeführt.<br />

Im Hinblick auf Merkmale, die insbesondere für die Verbraucher interessant erscheinen<br />

(Output Traits), werden Forschungsanstrengungen zur Verbesserung der Lebensmittelqualität<br />

<strong>und</strong> -sicherheit unternommen. Ein Beispiel ist die gentechnische Anreicherung des<br />

Rapsöls mit spezifischen Fettsäuren <strong>und</strong> Antioxidantien. So laufen im Rahmen des durch<br />

das BMBF geförderten Leitprojekts „NAPUS 2000“ (LECKBAND et al., 2002), an dem universitäre<br />

Forschergruppen, Pflanzenzüchter <strong>und</strong> Verarbeiter beteiligt sind, Arbeiten zur<br />

Erhöhung von ernährungsphysiologisch wertvollen, im Allgemeinen unzureichend verfügbaren<br />

langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren (LCPUFA) im Rapsöl. Zu solchen<br />

LCPUFA gehören beispielsweise die omega-3-Fettsäuren Eikosapentaen- <strong>und</strong> Dokosahexaensäure,<br />

aus denen im Körper kardioprotektive Eikosanoide entstehen <strong>und</strong> denen weitere<br />

positive Wirkungen, wie etwa Stressdämpfung bei Hypertonikern, zugeschrieben werden<br />

(ANONYMUS, 2003). Des Weiteren bietet sich der Raps, als agronomisch gut adaptierte,<br />

wichtigste Ölpflanze in Deutschland, für die gentechnische Erhöhung bzw. Einführung von<br />

Antioxidantien wie Tocopherolen <strong>und</strong> Resveratrol an. Auch hierzu laufen Arbeiten in dem<br />

bereits genannten NAPUS-2000-Vorhaben.<br />

Die Anreicherung von Lebensmitteln mit als günstig erachteten Inhaltsstoffen – omega-3-<br />

Fettsäuren erscheinen in diesem Zus<strong>am</strong>menhang als besonders attraktives Beispiel – könnte<br />

der Grünen Gentechnik in den nächsten 10 bis 15 Jahren zu einem Durchbruch in der Akzeptanz<br />

durch die Verbraucher verhelfen. Künstlich angereicherte Lebensmittel, die durch<br />

nachträglichen Zusatz der wertgebenden Inhaltsstoffe oder, im Falle von omega-3-<br />

91


92<br />

Fettsäuren in Hühnereiern, auch durch Verfütterung erzeugt werden, erfreuen sich bereits<br />

heute großer Beliebtheit bei den Verbrauchern. Ob <strong>und</strong> inwieweit funktionelle Lebensmittel<br />

ein dauerhaftes Betätigungsfeld für die Pflanzenzüchtung bieten können, hängt indes<br />

von mehreren Faktoren ab, über denen bislang Fragezeichen schweben. So sind die rechtlichen<br />

Bedingungen im Hinblick auf die Darstellung ges<strong>und</strong>heitlicher Wirkungen <strong>und</strong> die<br />

Bewerbung von funktionellen Lebensmitteln, die als „Nutraceuticals“ gewissermaßen eine<br />

Zwischenstellung zwischen konventionellen Lebensmitteln <strong>und</strong> Pharmazeutika einnehmen,<br />

erst noch zu definieren. Auch fehlen in den meisten Fällen noch belastbare, wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse zu den positiven – oder auch möglichen kontraindikativen – ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Wirkungen bestimmter Inhaltsstoffe. Weiterhin bleiben – vor dem Hintergr<strong>und</strong> des für<br />

die europäischen Verbraucher bereits verfügbaren, reichhaltigen Angebots an Obst, Gemüse<br />

<strong>und</strong> anderen Lebensmitteln als Gr<strong>und</strong>lage für eine ausgewogene Ernährung – der zusätzliche<br />

Wert funktioneller Lebensmittel für die öffentliche Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> ihr langfristiger<br />

Einfluss auf die künftige Entwicklung des kulturellen Verhältnisses der Verbraucher zu<br />

ihren traditionellen Lebensmitteln zu beleuchten.<br />

Der für Deutschland <strong>und</strong> Europa auf den ersten Blick attraktivste potenzielle Beitrag der<br />

Grünen Gentechnik in den nächsten 20 Jahren liegt auf dem Feld der Nachwachsenden<br />

Rohstoffe. Die Förderung Nachwachsender Rohstoffe lässt sich <strong>am</strong> unmittelbarsten mit<br />

dem Nachhaltigkeitsprinzip in der Landwirtschaft – <strong>und</strong> zwar für die drei Teilaspekte ökologisch,<br />

ökonomisch <strong>und</strong> sozial gleichermaßen – verknüpfen. Die Züchtung von Kulturpflanzen<br />

als Nachwachsende Rohstoffe erlaubt die Entwicklung „multifunktionaler Nutzpflanzen“<br />

mit verschiedenen Qualitäten für unterschiedliche Anwendungen, z. B. maßgeschneiderte<br />

Pflanzenöle für verschiedene Richtungen in der oleochemischen Verabeitung<br />

oder optimierte Stärke- oder Faserqualitäten für die Verarbeitung. Da die Gentechnik es<br />

prinzipiell ermöglicht, züchterisch bereits gut adaptiertem Material relativ schnell weitere,<br />

wohldefinierte Eigenschaften als zusätzlichen Wert („added value“) hinzuzufügen, könnte<br />

sie der künftigen Landwirtschaft die Chance bieten, eine flexible, den jeweiligen Bedürfnissen<br />

angepasste Diversifizierung in der landwirtschaftlichen Produktion zu betreiben <strong>und</strong><br />

neue Wertschöpfungspotenziale zu schaffen. Sie kann daher auf dem Gebiet der Nachwachsenden<br />

Rohstoffe einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung ländlicher Räume beitragen.<br />

Als weniger attraktiv für die Landwirtschaft erscheint dagegen das sog. Molecular<br />

Farming (auch: Molecular Pharming) mit gentechnisch modifizierten, landwirtschaftlichen<br />

Kulturpflanzen, die Impfstoffe <strong>und</strong> andere pharmazeutisch wirks<strong>am</strong>e Inhaltsstoffe produzieren.<br />

Für solche Pflanzen wird der Flächenbedarf relativ gering bleiben; auch dürften die<br />

Anforderungen an ein Containment zur Verhinderung von unbeabsichtigten Beimengungen<br />

in anderen, für den menschlichen oder tierischen Verzehr produzierten, Erntepartien sehr<br />

hoch ausfallen.<br />

Es darf erwartet werden, dass mit Hilfe der gegenwärtig international mit Hochdruck betriebenen<br />

pflanzlichen Genomanalyse wichtige wissenschaftliche Voraussetzungen für ei­


Pflanzenzüchtung<br />

nen breiteren Einsatz der Grünen Gentechnik, nämlich die Verfügbarkeit einer größeren<br />

Zahl von isolierten, interessanten Merkmalsgenen mit definierter Wirkung, von feinjustierbaren<br />

Steuerelementen der Genexpression (Promotoren, etc.) <strong>und</strong> von effizienten Transfermethoden,<br />

bis zum Jahr <strong>2025</strong> geschaffen sein werden. Für die gentechnische Entwicklung<br />

Nachwachsender Rohstoffe (wie auch anderer Verwertungsrichtungen) wird dies allerdings<br />

nicht immer hinreichend sein. Als Beispiel sei die Modifizierung der Ölzus<strong>am</strong>mensetzung<br />

bei Raps angeführt. Die seit ca. 15 Jahren laufenden, intensiven Arbeiten zur<br />

gentechnischen Modifizierung der Fettsäurezus<strong>am</strong>mensetzung haben gezeigt, dass der anfangs<br />

als verstanden <strong>und</strong> überschaubar geltende Triacylglycerid-Biosyntheseweg offenbar<br />

komplexer ist als angenommen <strong>und</strong> sich daher mit einfachen gentechnischen Eingriffen<br />

nicht im gewünschten Umfang steuern lässt. Versuche, die Akkumulation neuartiger Fettsäuren<br />

im Rapsöl auf ein kommerziell relevantes Niveau zu heben, sind trotz Teilerfolgen<br />

bislang nicht gelungen. Eine schon 1995 in Nord<strong>am</strong>erika durch Calgene in den Verkehr<br />

gebrachte Rapssorte (Laurical) mit 40 %, später bis 60 % Anteil an der mittelkettigen Fettsäure<br />

Laurinsäure (C12:0), hat sich mittlerweile als nicht konkurrenzfähig zu den <strong>am</strong> internationalen<br />

Markt verfügbaren preiswerteren Kokos- <strong>und</strong> Palmölqualitäten erwiesen.<br />

Mindestens ebenso wichtig wie die Erarbeitung der methodisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen<br />

wird die Schaffung geeigneter politischer <strong>und</strong> ökonomischer Rahmenbedingungen<br />

sein, die über Preiswürdigkeit <strong>und</strong> verfügbare Mengen an Nachwachsenden Rohstoffen<br />

mit definierter Qualität letztlich entscheiden. Nur wenn es gelingen sollte, robuste<br />

Märkte mit vertretbarem Aufwand für die Segregation von Erntegut mit definierten Rohstoffqualitäten<br />

aufzubauen, wird die Einführung gentechnisch maßgeschneiderter Nachwachsender<br />

Rohstoffe Aussicht auf Erfolg haben. Aus heutiger Sicht könnte dies in absehbarer<br />

Zeit <strong>am</strong> ehesten für Stärkekartoffeln zutreffen.<br />

Völlig offen ist gegenwärtig, ob, unter welchen Bedingungen <strong>und</strong> für welche Kulturarten es<br />

künftig eine für alle Beteiligten praktikable Form der Koexistenz der landwirtschaftlichen<br />

Bewirtschaftungssysteme in Europa geben wird. Während eine solche Koexistenz für die<br />

Fruchtarten Mais, Kartoffel <strong>und</strong> Zuckerrübe noch vergleichsweise unproblematisch <strong>und</strong><br />

absehbar erscheint, werden die Widerstände gegen den Anbau von GM-Fruchtarten mit<br />

höherem Potenzial für den vertikalen Gentransfer auch in den nächsten Jahren hoch sein.<br />

Bei einer Fruchtart wie dem Raps ist nicht auszuschließen, dass sich in Deutschland die<br />

Koexistenzfrage in die existenzielle Frage „Gentechnik – ja oder nein?“ verwandeln wird.<br />

In der öffentlichen Diskussion entsteht zuweilen der Eindruck, als stelle die Gentechnik<br />

eine Art „Neue Pflanzenzüchtung“ dar, die – schneller <strong>und</strong> gezielter als die klassische<br />

Züchtung – die Sortenzüchtung im Reagenzglas erlaube. Ein solcher Paradigmenwechsel in<br />

der Pflanzenzüchtung ist bis <strong>2025</strong> <strong>und</strong> darüber hinaus indes nicht in Sicht. Neben externen<br />

Faktoren wie Akzeptanz der Grünen Gentechnik, Koexistenz, gesetzliche Rahmenbedin­<br />

93


94<br />

gungen oder Marktentwicklung gibt es auch immanente Aspekte, die einen solchen Wechsel<br />

unwahrscheinlich erscheinen lassen.<br />

Die methodischen Ansätze von klassischer Pflanzenzüchtung <strong>und</strong> Grüner Gentechnik sind<br />

f<strong>und</strong><strong>am</strong>ental verschieden.<br />

Die klassische Pflanzenzüchtung nutzt für ihre Zwecke denselben evolutionären Mechanismus,<br />

der zur Mannigfaltigkeit des ges<strong>am</strong>ten Lebens auf der Erde geführt hat. Dieser<br />

Mechanismus besteht aus dem Zus<strong>am</strong>menspiel von Mutation, Selektion <strong>und</strong> Rekombination<br />

<strong>und</strong> ist die treibende Kraft für die Entstehung der biologischen Diversität auf der Erde<br />

sowie für die Domestikation unserer Kulturpflanzen <strong>und</strong> Nutztiere als Ergebnis der züchterischen<br />

Aktivität des Menschen. Durch kontinuierliche züchterische Selektion im Zuchtgarten<br />

<strong>und</strong> anschließende sexuelle Vermehrung der verbliebenen Individuen kommt es zur<br />

Rekombination der akkumulierten Gene, <strong>und</strong> es entstehen völlig neue, bisweilen unerwartete<br />

Genkombinationen (Genotypen) unter den Nachkommen. Schon bei Rekombination<br />

unter 10 Genen, die sich zwischen mütterlichem <strong>und</strong> väterlichem Kreuzungspartner unterscheiden,<br />

ist in einem diploiden Organismus die Entstehung von mehr als 59.000 verschiedenen<br />

Genotypen unter den Nachkommen möglich; bei 100 Genen sind es bereits mehr als<br />

5 x 10 47 Kombinationsmöglichkeiten. Da nicht einzelne Gene, sondern in den meisten Fällen<br />

komplexe Genkombinationen über die Ausprägung eines gegebenen Merkmals bestimmen,<br />

sind es solche immer wieder neu entstehenden Genotypen <strong>und</strong> ihre Phänotypen, die<br />

die einzigartige „schöpferische Kraft der Selektion“ (TRACY, 2003) ausmachen, derer sich<br />

die klassische Pflanzenzüchtung bedient. Durch die Jahr für Jahr erfolgende, züchterische<br />

Selektion auf erwünschte Phänotypen passt der Züchter Genome kontinuierlich <strong>und</strong> unmittelbar<br />

an die sich verändernden Umwelten <strong>und</strong> agronomischen Erfordernisse an; er bedarf<br />

dazu prinzipiell keiner Vorinformation über künftige Entwicklungen <strong>und</strong> biologische Kausalitäten.<br />

Eine Anpassung des Zuchtmaterials an sich ändernde Bedingungen ist jederzeit<br />

durch entsprechende Modifikation der Selektionskriterien möglich. Pflanzenzüchtung im<br />

klassischen Sinn ist somit ein stetiger <strong>und</strong> dyn<strong>am</strong>ischer Prozess.<br />

Demgegenüber müssen bei Anwendung eines gentechnischen Ansatzes Identität <strong>und</strong><br />

Merkmalsausprägung der zu transferierenden Gene bzw. Genkombinationen im Vorhinein<br />

genau bekannt sein. Mit der Auswahl der zu transferierenden Gene ist somit die züchterische<br />

Entscheidung gr<strong>und</strong>sätzlich abgeschlossen. Dies ist im Hinblick auf die züchterische<br />

Bearbeitung typischer agronomischer, stark umweltabhängiger Merkmale wie z. B. erntefähiger<br />

Ertrag ein Nachteil, weil a priori nicht vorhersagbar ist, welche Ausprägungen <strong>und</strong><br />

Kombinationen von bekannten (sowie noch nicht bekannten) physiologischen, morphologischen,<br />

genetischen <strong>und</strong> epigenetischen Einzelfaktoren (z. B. Photosyntheserate, Wurzelmasse<br />

<strong>und</strong> -morphologie, Wassernutzungseffizienz, Blattzahl, -stellung <strong>und</strong> -fläche, Transpirationsrate,<br />

Kornzahl <strong>und</strong> TKG, Halmdicke, Bestockungsgrad, Ährengröße, Standfestigkeit,<br />

verwendete genetische Ressourcen, Heterosis, DNA-Methylierung) sich künftig in


Pflanzenzüchtung<br />

variierenden Umwelten <strong>und</strong> Anbausystemen als günstig <strong>und</strong> entscheidend im Sinne des zu<br />

verbessernden agronomischen Merkmals erweisen werden. Aufschluss zu der Frage, auf<br />

welchen Einzelfaktoren der verbesserte Ertrag neuer Sorten beruht, kann nur retrospektiv<br />

nach erfolgreicher, klassisch-züchterischer Selektion gewonnen werden, <strong>und</strong> vor Überraschungen<br />

ist der Züchter hierbei nicht sicher (TRACY, 2003).<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend ist zu erwarten, dass in den kommenden zwei Jahrzehnten die Gentechnik<br />

für ausgewählte Fruchtarten <strong>und</strong> physiologisch robuste, umweltstabile Zielmerkmale<br />

sowie „außer Konkurrenz“ mit konventionellen Züchtungsmethoden als unterstützendes<br />

Verfahren eingesetzt werden dürfte. Die größte Eigenständigkeit dürfte die Gentechnik bei<br />

der Hinzufügung von Merkmalen zu vegetativ vermehrten Fruchtarten, insbesondere Kartoffeln,<br />

einnehmen. Stärker als bei den Input-Traits der „ersten Generation“ (Herbizidtoleranz,<br />

Insektenresistenz) dürfte das künftige Anwendungspotenzial von gentechnisch vermittelten<br />

Output Traits der zweiten <strong>und</strong> dritten Generation (Lebensmittelqualität, Inhaltsstoffe)<br />

durch politische <strong>und</strong> vor allem marktbezogene Rahmenbedingungen definiert sein.<br />

Unabhängig von züchtungsmethodischen Fragen wird, wie in der Vergangenheit, auch in<br />

den kommenden Jahrzehnten die Pflanzenzüchtung einen ganz wesentlichen Beitrag für<br />

eine nachhaltige Landwirtschaft <strong>und</strong> für die Sicherung der menschlichen Ernährung leisten<br />

können. In welchem Umfang <strong>und</strong> unter welchen Rahmenbedingungen dieses Leistungspotenzial<br />

umgesetzt werden kann, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob <strong>und</strong> wie deutlich die<br />

sozioökonomische Bedeutung der Pflanzenzüchtung, die Außenstehenden nicht selten als<br />

speziell <strong>und</strong> separiert von der übrigen Landwirtschaft erscheint, von der Öffentlichkeit realisiert<br />

wird. Eine klarere öffentliche Perzeption der Pflanzenzüchtung zu erreichen, darin<br />

liegt eine wichtige Aufgabe von Politik, Wissenschaft <strong>und</strong> Wirtschaft für die kommenden<br />

Jahre.<br />

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97


Pflanzenschutz<br />

Welche Risiken liegen vor uns, <strong>und</strong> wie bekommen wir sie in den<br />

Griff?<br />

Bernd Freier 1<br />

1 Einleitung<br />

In den nächsten Jahrzehnten werden weltweit noch größere Anstrengungen unternommen,<br />

um mit Hilfe von Pflanzenschutzmaßnahmen die Verluste durch Schadorganismen zu minimieren.<br />

Das gilt auch für die <strong>Ackerbau</strong>regionen in Europa bzw. in Deutschland, wenngleich<br />

der Pflanzenschutz stärker denn je durch stärkere Restriktionen bei der Anwendung von<br />

chemischen Pflanzenschutzmitteln geprägt sein wird. Im Pflanzenschutz ist der Begriff des<br />

Risikos schon lange nicht mehr auf die Sicherung der Ernte, also das Auftreten der Schadorganismen<br />

<strong>und</strong> die Ernteverluste fokussiert, sondern wird zunehmend im Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />

der kritischen Bewertung der chemischen Pflanzenschutzmaßnahmen angewendet: im Mittelpunkt<br />

steht das Risiko für die Verbraucher sowie für die Umwelt. Mit dem Blick auf das<br />

Jahr <strong>2025</strong> müssen dementsprechend beide Seiten des Pflanzenschutzes – die Risiken bei der<br />

Sicherung der Pflanzenproduktion <strong>und</strong> die Risiken für Verbraucher <strong>und</strong> Umwelt – betrachtet<br />

werden. Sie lassen sich in fünf Schwerpunkte eingliedern:<br />

1. Verluste durch Schadorganismen<br />

2. Veränderte Schadorganismensituation infolge Klimawandel<br />

3. Veränderte Schadorganismensituation infolge Einschleppung<br />

4. Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel<br />

5. Grüne Gentechnik<br />

2 Verluste durch Schadorganismen<br />

Es existieren keine Anhaltspunkte dafür, die potenziellen Gefahren der klassischen Schadorganismen<br />

im Jahr <strong>2025</strong> anders einzuschätzen als in der Gegenwart. Das Ertrags- <strong>und</strong><br />

Qualitätsrisiko „Schadorganismen“ bleibt permanent bestehen. Ohne Pflanzenschutzmaßnahmen<br />

werden im Mittel der acht wichtigsten <strong>Ackerbau</strong>kulturen Verluste in Höhe von<br />

weit mehr als 20 % durch Unkräuter, fast 20 % durch pilzliche Schadorganismen <strong>und</strong> auch<br />

fast 20 % durch tierische Schadorganismen erwartet. Die Pflanzenschutzmaßnahmen, che­<br />

1<br />

Dr. Bernd Freier, Institut für integrierten Pflanzenschutz, Biologische B<strong>und</strong>esanstalt für Land- <strong>und</strong><br />

Forstwirtschaft, 14532 Kleinmachnow<br />

E-Mail: b.freier@bba.de<br />

99


100<br />

mische <strong>und</strong> nichtchemische, werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Verluste zum<br />

großen Teil abgewehrt werden können. Allerdings muss dennoch mit fast 20 % Verlust<br />

gerechnet werden, die mit dem Instrumentarium des Pflanzenschutzes nicht abgefangen<br />

werden können. Dafür sprechen einige Probleme, die trotz wissenschaftlich-technischen<br />

Fortschritts bei der Bereitstellung von Entscheidungshilfen <strong>und</strong> trotz gezielter Abwehrmaßnahmen<br />

auch in Zukunft kaum gelöst werden können:<br />

– witterungsbedingte Ungenauigkeiten der Prognosen,<br />

– Fehler bei Diagnosen von Schaderregern <strong>und</strong> nicht optimale Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen,<br />

vor allem aufgr<strong>und</strong> unzureichender Beratung <strong>und</strong><br />

– das Nichtvorhandensein von geeigneten Pflanzenschutzlösungen bei einzelnen Schadorganismen.<br />

3 Veränderte Schadorganismensituation infolge Klimawandel<br />

Nach JAHN <strong>und</strong> FREIER (2001) ist bei einer allgemeinen Temperaturerhöhung um 2 °C bereits<br />

mit deutlichen Auswirkungen auf das Auftreten von Schadorganismen zu rechnen:<br />

– Veränderungen der geografischen Verbreitung von Schadorganismen,<br />

– schnellere Entwicklungsraten <strong>und</strong> größere Anzahl von Generationen,<br />

– Verlängerung der biologisch aktiven Jahreszeit,<br />

– Veränderung der Synchronität zwischen Pflanze <strong>und</strong> Schadorganismus <strong>und</strong> zwischen<br />

Schadorganismus <strong>und</strong> natürlichen Gegenspielern,<br />

– zunehmende vitale Überwinterung von Schädlingen <strong>und</strong><br />

– zunehmendes Risiko invasiver, Wärme liebender Schadorganismen.<br />

Hinzu kommen noch andere Effekte des „global change“, die z. B. mit der Zunahme von<br />

Ozon <strong>und</strong> CO2 in der Atmosphäre einhergehen.<br />

Es wird angenommen, dass mit einer zunehmenden Erwärmung Getreideroste trotz großer<br />

Anstrengungen in der Resistenzzüchtung an Bedeutung gewinnen. Der Maiszünsler wird<br />

sich in Deutschland weiter nach Norden ausdehnen. Getreidewanzen, die in Südosteuropa<br />

<strong>und</strong> der Türkei zu den wichtigsten Schädlingen zählen, könnten auch in Deutschland schädlich<br />

auftreten. Der Getreidelaufkäfer <strong>und</strong> verschiedene Blattlausarten an Getreide, Zuckerrübe,<br />

Kartoffel <strong>und</strong> anderen Kulturen werden häufiger zu Gradationen neigen. Auch die<br />

Wintersaateule <strong>und</strong> G<strong>am</strong>maeule werden von der allgemeinen Erwärmung profitieren. Computersimulationen<br />

zeigen aber auch, dass einige natürliche Feinde der Blattläuse, insbesondere<br />

die Wärme liebenden Marienkäfer schon bei Temperaturen, die 2 °C höher liegen als<br />

normal, mit einer deutlich gesteigerten Fraßaktivität reagieren.


Pflanzenschutz<br />

4 Veränderte Schadorganismensituation infolge Einschleppung<br />

Die Einschleppung von Schadorganismen insbesondere aus Nord<strong>am</strong>erika ist eine permanente<br />

Bedrohung der Pflanzenproduktion in Mitteleuropa. Dabei zeigt sich, dass nicht die<br />

Einschleppung an sich, sondern das invasive Verhalten der „Aliens“ das eigentliche Problem<br />

darstellt. Allerdings gehen Experten davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten relativ<br />

wenige neue interkontinental verschleppte Schadorganismen Sorgen bereiten, weil in<br />

vielen Ländern zunehmend „Biosecurity services“ aufgebaut werden. Für Probleme sorgen<br />

vielmehr bereits eingeschleppte Schadorganismen, die nach Jahren ihre „Lag phase“ überw<strong>und</strong>en<br />

haben <strong>und</strong> sich dann massenhaft vermehren.<br />

Der aus Nord<strong>am</strong>erika st<strong>am</strong>mende Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera)<br />

breitet sich seit 1992 über Europa aus <strong>und</strong> wird auch bald in Deutschland auftreten.<br />

Mit Hilfe von Computersimulationen wurde nachgewiesen, dass die Ausbreitung über Süddeutschland<br />

ohne Gegenmaßnahmen mindestens 10 Jahre beansprucht <strong>und</strong> der Schädling<br />

im Jahr <strong>2025</strong> noch nicht in allen Maisanbaugebieten Deutschlands Fuß gefasst hat.<br />

5 Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel<br />

Im Pflanzenschutz lassen sich langfristig zwei Strategien identifizieren, die das Potenzial<br />

für eine nachhaltige Landbewirtschaftung haben:<br />

1. der integrierte Pflanzenschutz im Rahmen einer kontrollierten integrierten Produktion<br />

<strong>und</strong><br />

2. der Pflanzenschutz im Rahmen des ökologischen Landbaues.<br />

Während der ökologische Landbau auf die Anwendung synthetischer chemischer Pflanzenschutzmittel<br />

verzichtet, setzt der integrierte Pflanzenschutz auf die Begrenzung der Anwendung<br />

chemischer Mittel auf das notwendige Maß. Diese Zielstellung findet auch den<br />

Widerhall in der Gesellschaft, denn die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel im<br />

konventionellen Landbau wird aus der Sicht des Verbraucher- <strong>und</strong> Umweltschutzes permanent<br />

kritisch gesehen. Die langfristig stärkere Hinwendung zum integrierten Pflanzenschutz<br />

wird dazu führen, dass die Pflanzenschutzintensität im <strong>Ackerbau</strong> sinkt. Voraussetzung ist<br />

allerdings, dass veränderte GAP-Rahmenbedingungen greifen, strenge Anwendungsbestimmungen<br />

für Pflanzenschutzmittel existieren <strong>und</strong> Beratung sowie andere Elemente eines<br />

Reduktionsprogr<strong>am</strong>ms einen entsprechenden Beitrag leisten.<br />

Große Erwartungen werden zukünftig in die differenzierte Regionalität der Anwendung<br />

von Pflanzenschutzmitteln gesetzt, einerseits bei der ortsbezogenen Umsetzung von Anwendungsbestimmungen<br />

<strong>und</strong> andererseits bei der situationsbezogenen Applikation von<br />

Pflanzenschutzmitteln. Eine wichtige Technologie wird die GIS-basierte Ausbringung von<br />

101


102<br />

Pflanzenschutzmitteln sein. Sensoren erkennen Befallsunterschiede innerhalb von Feldern<br />

<strong>und</strong> passen die Dosierung an. Darüber hinaus liefern digitale Karten dem Bordcomputer<br />

zusätzliche Informationen zur Umgebung eines Schlages, z. B. zu Gewässern <strong>und</strong> Saumbiotopen.<br />

Der Code des verwendeten Pflanzenschutzmittels liefert die Auflageinformation.<br />

Auf Gr<strong>und</strong>lage dieser Daten steuert der Bordcomputer das Zu- <strong>und</strong> Abschalten der Düsen<br />

gemäß der Anwendungsbedingungen.<br />

Angesichts der erwarteten agrarpolitischen Rahmenbedingungen <strong>und</strong> der technischen Perspektiven<br />

kann d<strong>am</strong>it gerechnet werden, dass die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln<br />

von derzeit 1,7 kg Wirkstoff/ha auf unter 1 kg/ha im Jahr <strong>2025</strong> sinkt. Diese Tendenz wird<br />

sich auch beim Behandlungsindex, der die Anzahl der Applikationen auf einer Fläche beschreibt<br />

(BURTH et al., 2003), widerspiegeln.<br />

Schließlich wird auch erwartet, dass sich in der konventionellen Produktion zunehmend<br />

Qualitätssicherungssysteme mit konkreten Pflanzenschutzpar<strong>am</strong>etern durchsetzen werden<br />

<strong>und</strong> die lückenlose Dokumentation der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln <strong>und</strong> anderer<br />

Maßnahmen die volle Transparenz im Pflanzenschutz sichert.<br />

6 Grüne Gentechnik<br />

Die grüne Gentechnik kann zur Lösung von Pflanzenschutzproblemen beitragen, ist allerdings<br />

in der Gesellschaft umstritten. Besonderes Interesse verdienen gentechnisch modifizierte<br />

Sorten mit Resistenzen gegenüber Schadorganismen, wie z. B. Bt-Maissorten, in denen<br />

das Toxin des insektenpathogenen Bakteriums Bacillus thuringiensis synthetisiert<br />

wird, zur Abwehr des Maiszünslers (Ostrinia nubilalis). Jedoch ist die Risikobewertung der<br />

Anwendung derartiger Sorten noch nicht abgeschlossen <strong>und</strong> der Rechtsrahmen noch nicht<br />

endgültig gelegt, so dass die weitere Entwicklung völlig offen ist <strong>und</strong> eine Prognose der<br />

Anwendung gentechnisch modifizierter Kulturpflanzensorten mit Resistenzen gegenüber<br />

Schadorganismen bis zum Jahr <strong>2025</strong> nicht möglich ist.<br />

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Pflanzenbau 103<br />

Wie werden Fruchtfolgen <strong>und</strong> Produktionsverfahren im Jahr<br />

<strong>2025</strong> aussehen?<br />

Jörg Michael Greef, Frank Höppner, Andreas Br<strong>am</strong>m 1<br />

1 Einleitung<br />

Von der Vergangenheit bis in die Gegenwart ist eine Vereinfachung der Fruchtfolgen zu<br />

beobachten. Mit der Technisierung, Spezialisierung <strong>und</strong> Rationalisierung ist eine Simplifizierung<br />

der Produktion eingetreten.<br />

Dieser Trend wird sich auch in die Zukunft fortsetzen. Verantwortlich sind vor allem ökonomische<br />

Rahmenbedingungen, aber auch die Meinung, dass mit Pflanzenschutz, Düngemitteln<br />

<strong>und</strong> Technik ertragsbeeinflussende Fruchtfolgewirkungen überdeckt werden können.<br />

Dabei stehen die positiven Auswirkungen einer vielfältigen <strong>und</strong> an den Standort angepassten<br />

Fruchtfolge auf die Bodenfruchtbarkeit <strong>und</strong> Pflanzenges<strong>und</strong>heit außer Zweifel.<br />

Vielfältige Fruchtfolgen wirken sich durch ihre komplexen Wechselwirkungen positiv auf<br />

die Umwelt aus. Dieses ist besonders im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung unter dem<br />

Aspekt der Nachhaltigkeit von Bedeutung. Boden- <strong>und</strong> Gewässerschutz, Nährstoffkreisläufe<br />

sowie ein ausgewogenes Landschaftsbild durch wechselnde Fruchtarten sind nur einige<br />

Aspekte von vielfältigen Fruchtfolgen. Trotz dessen beruht das gegenwärtig (2001) angebaute<br />

Fruchtartenspektrum auf wenigen Arten: Auf der 10,8 Mio. ha großen b<strong>und</strong>esdeutschen<br />

Ackerfläche werden ca. 6,6 Mio. ha Getreide angebaut, wovon Weizen ca. 3 Mio. ha<br />

<strong>und</strong> Wintergerste 1,5 Mio. ha ausmacht. Mais (Silo- <strong>und</strong> Körnermais) ist mit 1,5 Mio. ha<br />

die nächst größere Anbaufrucht. Ölfrüchte (Raps) werden auf 1,1 Mio. ha produziert. Zuckerrüben<br />

belegen ca. 500.000 ha <strong>und</strong> Kartoffeln 280.000 ha Anbaufläche. Die Leguminosen<br />

(Erbsen, Ackerbohnen) beanspruchen nur einen kleinen Anteil der Flächen von ca.<br />

180.000 ha. Andere Fruchtarten spielen so gut wie keine Rolle. D<strong>am</strong>it ist festzuhalten, dass<br />

das gegenwärtige Anbauspektrum sehr getreidelastig ist <strong>und</strong> folglich die Fruchtfolgegestaltung<br />

sehr einseitig ist.<br />

Nach wie vor <strong>und</strong> auch in Zukunft wird eine hohe Flächenleistung Voraussetzung für einen<br />

guten Agrarwirtschaftsstandort bleiben, wobei die Effizienz der Produktion entscheidend<br />

für das Ergebnis sein wird. Dabei werden die in den Anbauregionen etablierten Betriebszweige<br />

<strong>und</strong> Absatzwege die Anbauverhältnisse prägen bzw. umgestalten.<br />

1<br />

Dir. <strong>und</strong> Prof. Dr. Jörg Michael Greef, Dr. Frank Höppner, Dr. Andreas Br<strong>am</strong>m, Institut für Pflanzenbau<br />

<strong>und</strong> Grünlandwirtschaft, B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, 38116 Braunschweig<br />

E-Mail: joerg.greef@fal.de, frank.hoeppner@fal.de, andreas.br<strong>am</strong>m@fal.de


104<br />

2 Vorfrucht <strong>und</strong> Fruchtfolgewirkung<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zwischen der Vorfruchtwirkung <strong>und</strong> der Fruchtfolgewirkung zu unterscheiden.<br />

Die Vorfruchtwirkung ist die Summe aus der Nachwirkung des vorjährigen Pflanzenbestandes<br />

(N- <strong>und</strong> C-Rückstände, Krankheiten, Schädlinge etc.) <strong>und</strong> den Nachwirkungen der<br />

Anbaumaßnahmen (organische <strong>und</strong> mineralische Düngung, Bodenbearbeitung, Herbizideinsatz,<br />

etc.).<br />

Die Fruchtfolgewirkung setzt sich aus der akkumulierten Wirkung mehrerer Vorfruchtrückstände<br />

<strong>und</strong> der akkumulierten Wirkung mehrerer Rotationen auf alle Fruchtarten einer Rotation<br />

zus<strong>am</strong>men.<br />

Bei der Frage, ob Vorfrucht oder Fruchtfolgewirkung die größere Bedeutung haben, gehen<br />

die Meinungen auseinander. Verlässliche Daten sind schwer zu erheben, da sich einerseits<br />

die Wirkungen überlagern <strong>und</strong> anderseits das experimentelle methodische Vorgehen an die<br />

Problematik von Dauerversuchen geknüpft ist. Eine Reihe von Versuchsanstellungen zeigen<br />

allerdings, dass die unmittelbare Vorfrucht einen größeren Einfluss auf die Ertragshöhe<br />

hat, als die Ges<strong>am</strong>trotation einer Fruchtfolge. Allerdings zeigen sowohl Versuche als auch<br />

die Praxis, dass die negativen Effekte von unvorteilhaften Fruchtfolgen nur bedingt durch<br />

Düngungsmaßnahmen ausgeglichen werden können.<br />

Einige Beispiele von Fruchtarten, die eine besondere Bedeutung in Fruchtfolgen haben:<br />

Die bedeutende Kulturart Weizen reagiert verhältnismäßig stark auf Vorfruchtwirkungen.<br />

Es können relativ hohe Ertragseinbußen nach ungünstigen Vorfrüchten festgestellt werden.<br />

Raps <strong>und</strong> auch Leguminosen (Erbsen, Ackerbohnen) übertreffen heute häufig als Vorfrüchte<br />

Mais <strong>und</strong> Zuckerrüben, die früher als die tragenden Glieder als Hackfrüchte einer<br />

Fruchtfolge Bedeutung hatten. Die Einschränkungen bei Zuckerrüben <strong>und</strong> Mais ergeben<br />

sich aus den arbeitswirtschaftlichen <strong>und</strong> produktionstechnischen Verfahren. Gründe sind<br />

u. a. die Bedingungen während der Ernte oder Herbizidrückstände.<br />

Hafer ist eine typische Ges<strong>und</strong>ungsfrucht <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it den Hackfrüchten oft gleichwertig.<br />

Allerdings muss ein relativ großer Anbauabstand eingehalten werden. Dagegen ist z. B. der<br />

Roggen selbstverträglicher <strong>und</strong> kann in einem engeren Abstand angebaut werden. Neben<br />

den Winterkulturen, die für einen Bodenbedeckungsgrad sorgen <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it u. a. Erosionsvorgängen<br />

entgegenwirken, ist die Einbeziehung von Zwischenfrüchten sehr positiv zu bewerten.<br />

Neben dem Ges<strong>und</strong>ungsaspekt beim Zuckerrübenanbau führen sie besonders auf<br />

leichten Böden zu Ertragssteigerungen.


Pflanzenbau 105<br />

3 Getreidebetonte Fruchtfolgen<br />

Die Produktionstechnik nimmt eine besondere Stellung ein. Der Einarbeitung von Ernterückständen<br />

(Stroh) kommt in Fruchtfolgen mit hohen Anteilen von Getreide einschließlich<br />

Körnermais eine entscheidende Rolle zu. Die nachteiligen Wirkungen einer ungenügenden<br />

Strohrotte werden abgemildert, sofern der Standort durch eine hohe Bodenfruchtbarkeit,<br />

ausreichender Wasserversorgung <strong>und</strong> geringem Krankheits- <strong>und</strong> Schädlingsdruck charakterisiert<br />

ist. Die Mindererträge resultieren aus einem Faktorenkomplex, der u. a. durch eine<br />

erschwerte Saatbettbereitung oder einer temporären N-Fixierung bzw. verspäteten N-<br />

Freisetzung gekennzeichnet ist. Befallene Ernterückstände verschärfen die Problematik,<br />

besonders tendenziell durch Frühsaaten ein höheres Ertragspotenzial ausschöpfen zu wollen.<br />

4 Diversifizierung oder Kostenübernahme<br />

Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen werden durch den Abbau von leistungsneutralen<br />

Zahlungen vermutlich zu einer stärkeren Differenzierung zwischen den landwirtschaftlichen<br />

Unternehmen führen. Inwieweit ein Betrieb weitergeführt wird, hängt von seiner Positionierung<br />

ab. Einerseits kann er den Weg der Diversifizierung gehen. Dies bedeutet, dass<br />

Konkurrenzvorteile durch spezifische wesentliche Merkmale ausgenutzt werden. Beispielsweise<br />

können sich spezielle Qualitäten im Produktionsverfahren oder in Produkten<br />

gekoppelt mit einer Direktvermarktung auch von Sonderkulturen positiv auf das Betriebsergebnis<br />

auswirken. Solche Produktionsweisen sind typisch für den ökologischen Landbau.<br />

Im Rahmen dieser Produktionsweise werden <strong>und</strong> müssen bewusst die positiven Effekte von<br />

weiten Fruchtfolgen besonders durch den Einbau von Leguminosen (N-S<strong>am</strong>mlung) ausgenutzt<br />

werden. Aufwendige mechanische Produktionstechniken müssen den Verzicht auf<br />

bestimmte Faktormittel ausgleichen. Weiterhin ist es notwendig, dass Ertragsminderungen<br />

durch eine höhere Flächenbeanspruchung kompensiert werden müssen. Die Optionen für<br />

die Variante der Diversifizierung werden allerdings nur einen begrenzten Umfang einnehmen,<br />

da standörtliche Gegebenheiten <strong>und</strong> auch vorhandene Betriebs- <strong>und</strong> Vermarktungsstrukturen<br />

vorgegeben sind.<br />

Die Mehrheit der Betriebe bzw. Unternehmen einschließlich der der ökologischen Landbaubetriebe<br />

wird den Weg gehen müssen, Produkte möglichst effizient zu produzieren, um<br />

durch kostengünstigere Verfahren Konkurrenzvorteile ausnutzen zu können. Die Präferenz<br />

wird auf den rentablen Feldfrüchten liegen. Diese werden nach wie vor Weizen, Raps <strong>und</strong><br />

Zuckerrüben bleiben. Neben der Zuckerrübe auf den Bördeböden wird der Weizen <strong>und</strong> zunehmend<br />

der Körnermais sowohl auf günstigen Standorten (gute Wasserführung) als auch<br />

weniger günstigen (trockenen) die rentabelste Anbaufrucht bleiben bzw. werden. Entsprechend<br />

hoch war <strong>und</strong> ist der Weizenanteil in der Fruchtfolge <strong>und</strong> wird es auch in Zukunft


106<br />

bleiben. Einschränkend ist allerdings der Qualitätsaspekt zu nennen, der zu Einschränkungen<br />

führen kann, da hohe Backqualitäten unter den klimatischen Bedingungen Mitteleuropas<br />

nicht immer erzielt werden können.<br />

5 Rotationen<br />

Auch zukünftig wird nicht die Einzelfruchtbetrachtung, sondern das so genannte „Rotationsergebnis“<br />

ausschlaggebend für das Betriebsergebnis sein. Unter diesem Gesichtspunkt<br />

reagiert Weizen <strong>am</strong> günstigsten auf die direkten Vorfrüchte wie z. B. Raps oder Leguminosen<br />

(Erbsen/Ackerbohnen). Der Anbaufrequenz von Winterweizen/Winterraps dominierten<br />

Fruchtfolgen sind jedoch Grenzen gesetzt. Versuche <strong>und</strong> auch die Praxis zeigen, dass mit<br />

jeder Erhöhung des Anteils von Weizen auf Kosten anderer Kulturen (z. B. Winterweizen<br />

statt Wintergerste) von einer dreigliedrigen Fruchtfolge (Winterraps/Winterweizen/Wintergerste)<br />

zu einer zweigliedrigen Fruchtfolge (Winterraps/Winterweizen) das Ertragsniveau<br />

sinkt bzw. das Produktionssystem instabiler <strong>und</strong> anfälliger wird. Verschiedene Gründe<br />

lassen solche engen Fruchtfolgen häufig nicht zu. Die Wintergerste wird in dreigliedrigen<br />

Fruchtfolgen aufgr<strong>und</strong> standortörtlicher <strong>und</strong> betriebsstrukturellen Gegebenheiten (knappen<br />

Maschinenkapazitäten/Arbeitskraftausstattung) <strong>und</strong> einer begrenzten Zeitspanne zwischen<br />

Ernte <strong>und</strong> Bestellung seine Berechtigung behalten, auch wenn es sich um eine wettbewerbsschwächere<br />

Kulturart handelt. Auf ertragsschwachen Standorten wird dieses auch<br />

nach wie vor für den Roggen- bzw. Triticaleanbau sprechen. Besonders für Raps wirkt sich<br />

ein weiter Anbauabstand (vierjährig) aus phytosanitären Gründen günstig aus (Verticillium).<br />

Fortschritte in der Produktionstechnik, im Pflanzenschutz <strong>und</strong> in den Sorteneigenschaften<br />

werden dieses nur begrenzt ausgleichen können. Eine Erweiterung der Fruchtfolge<br />

durch Integration von Leguminosen kann sich sehr positiv auf Stabilität des Systems auswirken.<br />

Monokultursysteme werden sich nur auf den Standorten mit günstigen Bedingungen<br />

etablieren lassen.<br />

6 Produktionstechnik <strong>und</strong> Bodenbearbeitung<br />

Um den Faktoreinsatz zu minimieren, können auch pfluglose Bodenbearbeitungsverfahren<br />

eingesetzt werden. Verschiedene Versuche zeigen, dass zwar die Erträge von Weizen <strong>und</strong><br />

Raps zwischen pflugloser Bodenbearbeitung <strong>und</strong> regelmäßigem Pflugeinsatz vergleichbar<br />

waren, aber hinsichtlich der Anfälligkeit bzw. Stabilität des Produktionssystems schnitten<br />

die pfluglosen Varianten ungünstiger ab. Entscheidender Punkt in diesen Verfahren ist die<br />

Einarbeitung der Ernterückstände. Besonders wird Stoppelweizen mit diesen Problemen<br />

behaftet bleiben. Technische Fortschritte, die speziell für die Stroheinarbeitung, d. h. der<br />

Grad, mit dem Stroh mit Boden vermischt werden kann, um eine schnelle Strohrotte zu<br />

ermöglichen, werden in der Kombination von Frühsaatverträglichkeit <strong>und</strong> pfluglosen Ver­


Pflanzenbau 107<br />

fahren zukünftig an Bedeutung zunehmen. Erfolgreiche pfluglose Bodenbearbeitungssysteme<br />

werden sich nur in angepassten Fruchtfolgen mit Wintergetreide <strong>und</strong> Blattfrüchten<br />

<strong>und</strong> Sommergetreide realisieren lassen. Hierbei sollten auch wieder weite Anbauabstände<br />

für Raps gelten. Werden in diesen Fruchtfolgen Zuckerüben <strong>und</strong> Mais statt Raps integriert,<br />

können geringere Anbauabstände gelten.<br />

7 Gentechnik <strong>und</strong> Sorten<br />

Sofern zukünftig ein Anbau von genetisch veränderten Sorten möglich sein wird, wird<br />

vermutlich der Anbau eher auf die Entwicklungen der 2. <strong>und</strong> 3. Generation von GVO’s<br />

abzielen. Diese umfassen Sorten u. a. mit spezifischen Veränderungen von Qualitätseigenschaften.<br />

Diese Kulturen werden hinsichtlich der Fruchtfolgegestaltung keine Unterschiede<br />

machen. Sorten mit Herbizidresistenzen werden standörtlich eine bestimmte Rolle spielen,<br />

wobei allerdings die Vorteile gegenüber den konventionellen Verfahren noch bestätigt<br />

werden müssen.<br />

8 Produktionsalternativen <strong>und</strong> nachwachsende Rohstoffe<br />

Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen ist hinsichtlich der Fruchtfolgegestaltung differenziert<br />

zu betrachten. Sofern Pflanzen als Industrierohstoffe mit spezifischen Qualitätseigenschaften<br />

produziert werden, lassen sich diese mit den weitgehend bekannten Effekten<br />

in ein Fruchtfolgesystem integrieren. Beim Anbau von Kulturen zur energetischen Nutzung<br />

kann es zu einer Erhöhung der Anbaufrequenz kommen. Da der Massen- bzw. Energieertrag<br />

im Vordergr<strong>und</strong> stehen soll, kann einerseits die Leistungseffizienz einzelner Kulturen<br />

gesteigert werden oder andererseits die Flächenproduktivität durch Kombination mit einem<br />

erweiterten Zwischenanbau erreicht werden. Allerdings sind hier Limitationen zu erwarten,<br />

die hauptsächlich mit nur begrenzt zur Verfügung stehenden Wasserreserven zus<strong>am</strong>menhängen.<br />

Es bleibt zu konstatieren, dass sich der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen auf<br />

die bereits etablierten Hauptfruchtarten (Getreide, Mais, Raps, Zuckerrüben <strong>und</strong> eventuell<br />

Kartoffeln) beschränken wird. Alternative Fruchtarten werden nur einen geringen Anteil<br />

ausmachen <strong>und</strong> somit nur einen geringen Beitrag für eine Fruchtfolgediversifizierung leisten.<br />

9 Beispiele aus Niedersachsen<br />

Einige Beispiele aus dem niedersächsischen Raum sollen die Verschiebungen in den Anbauschwerpunkten<br />

aus der Vergangenheit bis in die Gegenwart verdeutlichen. Sehr wahrscheinlich<br />

werden die eingesetzten Prozesse sich auch zukünftig fortsetzen.


108<br />

Niedersachsen weist eine Drittelung der Anbauflächen in Grünland, Getreide <strong>und</strong> Anbau<br />

von Blattfrüchten einschließlich Sonderkulturen (Zuckerrüben, Mais, Kartoffeln, Raps,<br />

Gemüse) auf. Diese Einteilung spiegelt die Hauptausrichtungen hinsichtlich Milch-, Veredlungs-<br />

<strong>und</strong> Marktfruchtregion wider. Für diese Strukturierung <strong>und</strong> Verteilung sind natürliche<br />

Voraussetzungen wesentlich. Dabei haben Eigenschaften <strong>und</strong> Lage der Böden entscheidenden<br />

Einfluss auf die Landnutzung. Dieses wird auch zukünftig so bleiben. Die Zonen<br />

lokalisieren sich mit der Grünlandnutzung in Weser-Ems, dem Zuckerrüben- <strong>und</strong> Weizenanbau<br />

in der Börde <strong>und</strong> dem Kartoffel- sowie Roggenanbau in der Heide. Der derzeitige<br />

wesentlichste Prozess ist der Rückgang des Grünlandes mit einem Rückzug in die Niederungen<br />

<strong>und</strong> Feuchtgebiete des nördlichen Niedersachsens sowie auf die nicht ackerfähigen<br />

Grünlandflächen. Der Grünlandanteil ging von ca. 44 % im Jahr 1960 auf ca. 30 % der<br />

landwirtschaftlichen Nutzfläche im Jahr 2002 zurück. Inwieweit agrarpolitische Vorgaben<br />

diese Entwicklung aufhalten können, wird sich zeigen, zumal dieser Prozess schon weit<br />

fortgeschritten ist. Die Konzentration der Veredlungsbetriebe im Südwesten Niedersachsens<br />

wird den Maisanbau weiterhin favorisieren, da auf den leicht erwärmbaren humosen<br />

Böden günstige Wachstumsbedingungen für Mais gegeben sind. Außerdem kann Mais die<br />

Gülle gut verwerten. Die <strong>Ackerbau</strong>gebiete im südlichen <strong>und</strong> östlichen Niedersachsen werden<br />

durch einen intensiven Zuckerrüben- <strong>und</strong> Weizenanbau geprägt bleiben. In begrenztem<br />

Umfang hat der Kartoffelanbau für die Veredlungsindustrie (Pommes frites) Bedeutung.<br />

Die Kartoffel kombiniert mit Roggen oder Triticale wird auf den Geeststandorten stattfinden,<br />

wobei für Speisekartoffeln eine Beregnung notwendig bleiben wird, sofern überhaupt<br />

noch Wasser zu einem rentablen Preis verfügbar sein wird. Auf den fruchtbaren Böden der<br />

Ackermarschen wird weiterhin der Weizen- <strong>und</strong> Rapsanbau durchgeführt.<br />

10 Fazit<br />

Unter dem zukünftig ansteigenden ökonomischen Druck wird die Praxis gezwungen bleiben,<br />

vereinfachte Fruchtfolgen anzuwenden. Fruchtfolge, Bodenfruchtbarkeit <strong>und</strong> Pflanzenges<strong>und</strong>heit<br />

werden ihre hohe Priorität behalten. Durch eine günstige Platzierung von<br />

Vorfrüchten <strong>und</strong> der Ausnutzung von Vorfruchteffekten können die negativen Auswirkungen<br />

zu enger Fruchtfolgen zumindest auf günstigen Standorten ausgeglichen werden. Weite<br />

Fruchtfolgen wirken sich günstig auf die Stabilität des Produktionssystems aus <strong>und</strong> dieses<br />

umso mehr, je ungünstiger die Standortbedingungen sind. Im geschickten Umgang mit<br />

standörtlichen Gegebenheiten können durchaus noch nachteilig bewertete Verfahren erfolgreich<br />

ausgestaltet werden. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten die positiven Auswirkungen<br />

von vielfältigen Fruchtfolgen auf die Bodenfruchtbarkeit <strong>und</strong> Umwelt von Bedeutung sein.


Mechanisierung<br />

Immer größere Maschinen oder kleine fahrerlose Schlepper –<br />

wohin führt der Weg?<br />

Franz-Josef Bockisch, Rainer H. Biller, Joachim Brunotte, Heinz Sourell <strong>und</strong> Hans-<br />

Heinrich Voßhenrich 1<br />

In diesem Beitrag werden Aspekte <strong>und</strong> Beispiele aufgezeigt, wie die Mechanisierung in der<br />

Verfahrenstechnik der Pflanzenproduktion in 25 Jahren aussehen kann. Dazu wird ausgehend<br />

von Lösungsansätzen - die bereits auf dem Markt erhältlich sind -, von aktuellen Entwicklungen,<br />

die in agrartechnischen Forschungsprojekten bearbeitet werden <strong>und</strong> von Techniken<br />

<strong>und</strong> Entwicklungen, die im außerlandwirtschaftlichen Bereich bereits vorhanden sind<br />

oder an denen in Projekten gearbeitet wird, versucht, die Zukunftsperspektive für die Mechanisierung<br />

in der Pflanzenproduktion auf eine nachvollziehbare Basis zu stellen.<br />

1 Einleitung <strong>und</strong> Problematik<br />

Ein derzeitiges Ziel bei der Beurteilung <strong>und</strong> Weiterentwicklung der Verfahrenstechniken in<br />

der Pflanzenproduktion ist - <strong>und</strong> dies wird noch viel stärker für die Mechanisierung in 25<br />

Jahren gelten - die Berücksichtigung vielfältiger Einflussfaktoren, die dann durch eine angepasste<br />

Verfahrenstechnik umzusetzen sind. Solche Kriterien sind neben den „üblichen“<br />

wie Senkung der Verfahrenskosten, Effizienzsteigerung, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit,<br />

arbeitswirtschaftliche <strong>und</strong> ergonomische Kriterien, rechtliche Rahmenbedingungen<br />

etc., insbesondere die Zielvorgaben zur Umwelt- <strong>und</strong> Bodenschonung sowie die einer<br />

schnellen automatischen Datengewinnung <strong>und</strong> -verarbeitung, speziell für Online-Steuerungs-<br />

<strong>und</strong> Regelungsaufgaben.<br />

Ein Hauptproblem <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it eine gewichtige Herausforderung ist, dass zunächst die vielfältigen<br />

Anforderungen quantitativ <strong>und</strong> qualitativ nachvollziehbar zu erfassen sind <strong>und</strong> innerhalb<br />

der Prozesstechnik auch umgesetzt werden können; daneben sollten gleichzeitig<br />

mehrere Par<strong>am</strong>eter erfasst <strong>und</strong> online realisiert werden.<br />

1<br />

Dir. <strong>und</strong> Prof. Dr. Franz-Josef Bockisch, Dr. Rainer H. Biller, Dr. Joachim Brunotte, Heinz Sourell <strong>und</strong><br />

Dr. Hans-Heinrich Voßhenrich, Institut für Betriebstechnik <strong>und</strong> Bauforschung, B<strong>und</strong>esforschungsanstalt<br />

für Landwirtschaft (FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, 38116 Braunschweig<br />

E-Mail: franz.bockisch@fal.de, rainer.biller@fal.de, joachim.brunotte@fal.de, heinz.sourell@fal.de,<br />

hans.vosshenrich@fal.de<br />

109


110<br />

2 Entwicklungsstand <strong>und</strong> zukünftige Zielvorgaben<br />

Hinsichtlich des Bodenschutzes gilt es beispielsweise den Kontaktflächendruck so gering<br />

wie möglich zu halten, d<strong>am</strong>it keine Probleme mit einer Bodenverdichtung auftreten. Dazu<br />

gibt es z. B. folgende technische Lösungsvarianten:<br />

– Applikationsmaßnahmen wie Dünger- <strong>und</strong> Herbizidausbringung können beispielsweise<br />

aus der Luft über Agrarhubschrauber (Abbildung 1) oder Agrarflugzeuge erfolgen. Mit<br />

dieser Verfahrenstechnik kann der Kontaktflächendruck bis auf Null reduziert werden.<br />

Allerdings hat diese Technik u. a. Nachteile wie die hoher Verfahrenskosten, einer ungenauen<br />

Verteilqualität, große Abdriftgefahr etc.<br />

Abbildung 1: Einsatz eines Agrarhubschraubers für die Düngerapplikation<br />

Foto: Sourell.<br />

– Für Erntemaßnahmen kommen in der Regel „erd- oder bodengeb<strong>und</strong>ene“ Fahrzeuge zum<br />

Einsatz. Speziell hierfür <strong>und</strong> natürlich auch bei allen anderen „bodengeb<strong>und</strong>enen Techniken“,<br />

die z. T. hohe Ges<strong>am</strong>tgewichte haben können, gilt es den Bodendruck so gering<br />

wie möglich zu halten (Abbildung 2). Dazu gibt es u. a. folgende Lösungsmöglichkeiten:<br />

Breitreifen, Niederquerschnittsreifen, niedriger Reifeninnendruck, automatische Reifendruckregelanlage,<br />

Bandlauffahrwerke, Erhöhung der Tragfähigkeit der Böden z. B.<br />

durch Direktsaatverfahren oder konservierende Bodenbearbeitungsverfahren.<br />

– Bei der konventionellen Bodenbearbeitung mit Pflug <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärbodenbearbeitung<br />

besteht ein Teillösungsansatz darin, dass beim Pflügen alle Räder oder die Bandlaufwerke<br />

auf dem nicht gepflügten Boden laufen, dem sog. Onlandpflügen; dadurch können<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich Bodenschadverdichtungen eher vermieden werden (Abbildung 3).<br />

Ein Problem besteht allerdings derzeit noch bei der exakten Spurführung.


Mechanisierung<br />

Abbildung 2: Zuckerrübenvollernter – Messung der Radlast<br />

Foto: Brunotte.<br />

Abbildung 3: Onlandpflügen<br />

Foto: Brunotte.<br />

111


112<br />

– Ein weiteres Beispiel ist die Arbeitsplatzgestaltung für die Bedienung selbst fahrender<br />

Arbeitsmaschinen. Hier gilt es z. B. neben einer optimalen Bedienhebelanordnung <strong>und</strong><br />

-betätigungsmöglichkeit, einer guten Klimatisierung, einer guten Informationsbereitstellung,<br />

insbesondere eine optimale Übersichtlichkeit der Fahrzeuge bzw. für die Arbeitsgeräte<br />

zu schaffen, dass heißt ein optimales Sichtfeld für den Fahrer; dies war oder<br />

ist nicht immer gewährleistet (Abbildung 4).<br />

Abbildung 4: Sichtfelder bei verschiedenen Schlepperbauarten<br />

Das Ziel ist daher, zukünftig die vielfältigen <strong>und</strong> z. T. divergierenden Anforderungen möglichst<br />

komplex umzusetzen <strong>und</strong> für die Praxis nutzbar zu machen. Für die landwirtschaftliche<br />

Verfahrenstechnik bedeutet dies, dass ein Monitoring von Techniken <strong>und</strong> Sensoren<br />

notwendig ist <strong>und</strong> anschließend geeignete Lösungsvarianten ggf. für spezielle <strong>und</strong>/oder<br />

komplexe Einsatzbereiche anzupassen <strong>und</strong> weiter zu entwickeln sind.<br />

3 Aspekte zur derzeitigen Ausgangssituation<br />

Neben dem aktuellen Entwicklungsstand in der Verfahrenstechnik der Pflanzenproduktion<br />

<strong>und</strong> dem was innerhalb von Projekten derzeit beforscht wird, gibt es vielfältige Entwicklungen<br />

im industriellen Bereich <strong>und</strong> in außerlandwirtschaftlichen Forschungsdisziplinen. Dazu


Mechanisierung<br />

zählen u. a. Entwicklungen für autonome Fahrzeuge. D<strong>am</strong>it diese funktionieren, sind einzelne<br />

Sensortechniken zu entwickeln <strong>und</strong> weiter zu entwickeln; diese sind anschließend zu<br />

kombinieren <strong>und</strong> zu vernetzen. Die so gewonnenen Informationen sind zu verarbeiten <strong>und</strong><br />

aufzubereiten <strong>und</strong> dann über Steuer- <strong>und</strong> Regelungstechniken umzusetzen, d<strong>am</strong>it die entsprechenden<br />

Aktoren die notwendigen Informationen bekommen. Hierzu gibt es schon zahlreiche<br />

Lösungen aus dem Bereich der Fahrzeugtechnik <strong>und</strong> -forschung, der Raumfahrttechnik, der<br />

Militärtechnik etc. Sensortechniken zur autonomen Fahrzeugsteuerung können beispielsweise<br />

bildverarbeitende Techniken, Laser-, Ultraschall- oder Radartechniken, Thermografietechniken<br />

oder GPS-/DGPS-Techniken <strong>und</strong> Kombinationen daraus sein. Derartige Sensortechniken<br />

mit den entsprechenden weiter verarbeitenden Technologien <strong>und</strong> Aktoren sind<br />

notwendig, wenn autonome Fahrzeuge in der Raumfahrt eingesetzt werden (Abbildung 5).<br />

Weitere Beispiele sind in der Militärtechnik mit autonomen Roboterfahrzeugen, in der Automobilindustrie<br />

mit fahrlosen PKW <strong>und</strong> in der Kommunaltechnik zu finden (z. B. PASSIG,<br />

1999; Forschungsbericht der FACHHOCHSCHULE HANNOVER, 2003).<br />

Abbildung 5: Autonomes Fahrzeug für die Raumfahrt – Lunar Rover Initiative, Carnegie<br />

Mellon University<br />

113


114<br />

4 Beispielhafte Darstellung derzeitiger Lösungs- <strong>und</strong> Forschungsansätze<br />

<strong>und</strong> daraus abgeleitete zukünftige Entwicklungen<br />

Aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion<br />

werden nachfolgend exemplarisch sechs Beispiele für den derzeitigen Entwicklungs- <strong>und</strong><br />

Forschungsstand aufgezeigt <strong>und</strong> daraus eine Zukunftsvision abgeleitet. Die Beispielsbereiche<br />

sind Bodenbearbeitung, Beregnung, Unkrautkontrolle <strong>und</strong> -regulierung, Erntetechnik,<br />

Datenkommunikation <strong>und</strong> Fahrzeugsteuerung.<br />

4.1 Bodenbearbeitung<br />

Um Bodenschadverdichtungen zu vermeiden bzw. deutlich zu reduzieren, besteht bei der<br />

konventionellen Bodenbearbeitung mit Pflug heute schon die Möglichkeit des so genannten<br />

Onlandpflügens (s. Abbildung 3). Mit dieser Verfahrenstechnik wird die Pflugsohlenbildung<br />

vermieden <strong>und</strong> es können auch sehr breite Reifen mit niedrigem Innendruck eingesetzt werden.<br />

Verbesserungsbedürftig an dieser Technik ist allerdings die Steuerungstechnik zur exakten<br />

Maschinenführung. Dies wird zukünftig mit weiter entwickelter Sensor- (Taster, Radar,<br />

Ultraschall, Laser, GPS etc.) <strong>und</strong> Steuerungstechnik jedoch möglich sein (siehe z. B. Mitteilungen<br />

des HDLGN-Hessen, Furchenscout der Fa. Lemken). Ein anderer Ansatzpunkt wäre<br />

die Realisierung eines kleinen, selbst fahrenden Pflugroboters, so wie es in einer Studie (Abbildung<br />

6) von STEINKAMPF <strong>und</strong> SOMMER (1993) skizziert wurde.<br />

Abbildung 6: Skizze zur Konstruktion <strong>und</strong> Auslegung eines Pflugroboters


Mechanisierung<br />

Weitere verfahrenstechnische Möglichkeiten, um den Boden zu schonen <strong>und</strong> Bodenschadverdichtungen<br />

zu vermeiden, sind konservierende <strong>und</strong> nicht wendende Bodenbearbeitungsverfahren<br />

sowie Direktsaatverfahren. Werden solche Verfahrenstechniken über mehrere<br />

Vegetationsperioden kontinuierlich angewendet, so bildet sich eine andere Bodenstruktur –<br />

je nach Bodenart etc. unterschiedlich – heraus, z. B. wird die Bodenfauna intensiver, vor<br />

allem die Regenwurmpopulation (wodurch das Infiltrationsvermögen des Bodens steigt),<br />

das Porenvolumen nimmt zu <strong>und</strong> der Boden wird gr<strong>und</strong>sätzlich stabiler <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it tragfähiger.<br />

Beispielsweise steigt nach BROUER (1990) der Ertrag je ha tendenziell an, wenn das<br />

Porenvolumen zunimmt (Abbildung 7).<br />

Abbildung 7: Ertrag je Hektar in Abhängigkeit des Bodenporenvolumens in 15 cm Tiefe<br />

Im Vergleich zur üblichen Bodenbearbeitung ist die nicht wendende, konservierende Bodenbearbeitung<br />

(Abbildung 8) verfahrenstechnisch weniger aufwendig <strong>und</strong> verursacht geringere<br />

Verfahrenskosten bei meistens gleichen oder z. T. besseren Erträgen (z. B.<br />

TEBRÜGGE, 2003). Diese Tendenz kann zukünftig dadurch verbessert werden, wenn beispielsweise<br />

die Bearbeitungstiefe teilflächenspezifisch offline nach den jeweiligen aktuellen<br />

Bedingungen geregelt wird (s. auch Beitrag VOSSHENRICH et al. in diesem Sonderheft).<br />

Durch eine ortsspezifische Bodenbearbeitung ist es vor allem bei flacher konservierender<br />

Bearbeitungstechnik möglich, den Dieselverbrauch je ha gegenüber dem Einsatz nach tiefer<br />

Bearbeitung mit Pflug weiter zu senken (Abbildung 9). In dieselbe Richtung (Pflug → konservierend-tief<br />

→ konservierend-flach) wird auch der Zugkraftbedarf <strong>und</strong> der Schlupfanteil<br />

reduziert. Dies trägt zur Bodenschonung <strong>und</strong> zum Umweltschutz bei. Durch eine entsprechende<br />

Weiterentwicklung der Verfahrenstechnik können solche Vorteile zukünftig verstärkt<br />

genutzt werden. Zukünftig könnte für die Bodenbearbeitung ein anderer technischer<br />

115


116<br />

Lösungsansatz das „Pflügen mit Ultraschalltechnik“ sein; durch Ultraschallwellen könnte<br />

der Boden gelockert werden, ohne dass ein mechanischer Eingriff in den Boden stattfinden<br />

muss (ABU-HAMDEH, 2004).<br />

Abbildung 8: Beispiel für nicht wendende Bodenbearbeitung ()<br />

Foto: Vosshenrich.<br />

Abbildung 9: Auswirkung unterschiedlicher Bodenbearbeitung auf den Par<strong>am</strong>eter Dieselverbrauch<br />

bei Bearbeitung mit Pflug, konservierend-tief <strong>und</strong> konservierend-flach<br />

(WEISSBACH <strong>und</strong> VOSSHENRICH, 2003)


Mechanisierung<br />

Verbesserungsbedürftig bei der konservierenden Bodenbearbeitung kann die gleichmäßige<br />

Einarbeitung von Stroh nach der Getreideernte mit großen Arbeitsbreiten sein; Ziel ist es<br />

jedoch, sowohl in Längs- als auch in Querrichtung das auf dem Acker verbleibende Stroh<br />

gleichmäßig flach einzuarbeiten, um einen schnellen <strong>und</strong> gleichmäßigen Rotteprozess zu<br />

erreichen. Derzeit gibt es hier Unterschiede zwischen verschiedenen konservierenden Bearbeitungsverfahren<br />

(Abbildung 10). Ziel muss es jedoch sein, bei allen in Frage kommenden<br />

Verfahren, eine optimale Einarbeitungsqualität zu erreichen. Ansatzpunkte, um dies zu<br />

erreichen, sind eine bessere Verteilqualität durch den Häcksler, insbesondere bei großen<br />

Arbeitsbreiten, eine ortsspezifische Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Sensortechniken, die die tatsächliche<br />

Strohbeaufschlagung online erkennen <strong>und</strong> die Einarbeitungstechnik dann entsprechend<br />

regeln.<br />

Abbildung 10: Einarbeitungsqualitäten bei der Einarbeitung von Stroh bei unterschiedlichen<br />

konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren (BRUNOTTE <strong>und</strong> VOSS­<br />

HENRICH, 2003)<br />

Unabhängig davon, welche verfahrenstechnischen Maßnahmen durchzuführen sind, welcher<br />

Bodenzustand im Einzelnen anzutreffen ist, welche sonstigen technischen Rahmenbedingungen<br />

vorhanden sind etc., kann auf die aktuelle Tragfähigkeit des Bodens reagiert<br />

werden, indem online der Reifeninnendruck reguliert wird (Abbildung 11). Dazu gibt es<br />

heute schon eine Reihe von technischen Lösungen, die für die Zukunft jedoch noch zu<br />

verbessern sind, indem z. B. die aktuelle Bodenzustandserfassung komplexer erfolgt <strong>und</strong><br />

117


118<br />

die daraus gewonnenen Informationen online umgesetzt werden, z. B. mit Hilfe von Spurtiefensensoren.<br />

Informationen über die aktuelle Bodenfeuchte sind ein weiterer wichtiger<br />

Par<strong>am</strong>eter, der in die Entscheidungsfindung zukünftig online eingehen sollte (s. Kapitel<br />

4.2, Abbildung 13). Um derartige Daten zu gewinnen, können z. B. Abstandsmessungen,<br />

Laser-, Ultraschall <strong>und</strong> Radarsensoren eingesetzt werden; diese Problematik wird u. a. im<br />

Institut für Betriebstechnik <strong>und</strong> Bauforschung im Rahmen eines BMBF-Projektes bearbeitet<br />

(BRUNOTTE <strong>und</strong> SOMMER, 2004).<br />

Abbildung 11: Schlepper mit Reifendruckregelanlagen <strong>und</strong> die Auswirkungen auf die<br />

Spurtiefe (VOLK, 2004; MERCEDES-BENZ, 2004)<br />

4.2 Beregnung<br />

Ein Beispiel für fahrerlose bzw. autonome Applikationstechniken sind schon heute Beregnungsmaschinen,<br />

z. B. Kreisberegner oder Linearberegnungsmaschinen (Abbildung 12).<br />

Diese Maschinen können vollautomatisch teilflächenspezifisch <strong>und</strong> über Telekommunikationstechniken<br />

gesteuert <strong>und</strong> kontrolliert werden (s. auch VOSSHENRICH et al. in diesem<br />

Sonderheft). Mit verbesserten Applikationstechniken (z. B. Tropfbewässerung) tragen sie<br />

zu einer effektiven Nutzung der Ressource Wasser, zur Bodenschonung, zur Ertragssteigerung<br />

etc. bei (z. B. SOURELL, 2004). Zukünftig ist es ein Ziel, den aktuellen Bodenfeuchtezustand<br />

online in die Bemessung der speziellen Wasserapplikationsmenge mit einzubeziehen.<br />

Dazu ist es notwendig, entsprechende Bodenfeuchtesensoren für diesen Einsatzbereich weiter<br />

zu entwickeln, z. B. mit Hilfe kapazitiver Bodenfeuchtesensoren (Abbildung 13). Der Daten­


Mechanisierung<br />

austausch zwischen Sensoren, Telekommunikation, Applikationstechnik <strong>und</strong> Aktoren ist<br />

nach genormten Vorgaben zu vollziehen (z. B. DIN, VDI, En-Normen, ISO-Normen).<br />

Abbildung 12: Autonome Kreisberegnungsmaschine<br />

Foto: Sourell.<br />

Abbildung 13: Varianten von Bodenfeuchtesensoren (SOURELL <strong>und</strong> THÖRMANN, 2004)<br />

119


120<br />

4.3 Unkrautkontrolle <strong>und</strong> -regulierung<br />

Bei der Applikation von Pflanzenschutzmitteln (PSM) sollte versucht werden, so wenig wie<br />

möglich auszubringen, aber soviel, dass die gewünschten Wirkungen erzielt werden. Mit<br />

einer solchen Vorgehensweise kann der PSM-Aufwand gegenüber üblicher Applikationstechnik<br />

deutlich reduziert werden, was die Kosten senkt <strong>und</strong> die Umweltbelastung deutlich<br />

reduziert. D<strong>am</strong>it aus verfahrenstechnischer Sicht solche Aspekte genutzt werden können,<br />

ist es notwendig, automatisch <strong>und</strong> online Pflanzen zu erkennen <strong>und</strong> zu unterscheiden <strong>und</strong><br />

gezielt nur die Unkräuter zu bekämpfen, die die ökonomische Schadensschwelle überschnitten<br />

haben. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es derzeit verschiedene verfahrens- <strong>und</strong><br />

sensortechnische Lösungsansätze, z. B. über bildverarbeitende Verfahren, thermografischbildverarbeitende<br />

Verfahren oder optoelektronische Verfahren (z. B. BILLER, 2003). Mit<br />

dem letztgenannten Lösungsansatz beschäftigt sich seit einiger Zeit eine Arbeitsgruppe im<br />

Institut für Betriebstechnik <strong>und</strong> Bauforschung u. a. im Rahmen eines BMBF-Projektes<br />

(BILLER, 2004). Mit Hilfe eines weiterentwickelten optoelektronischen Sensors bzw. Sensorsystems<br />

ist es möglich, Pflanzen anhand unterschiedlicher Relexionsgrade von dem Untergr<strong>und</strong><br />

(Boden) zu unterscheiden (Abbildung 14). Werden zusätzlich mit Hilfe weiterer<br />

Sensoren, z. B. für die aktuelle Windgeschwindigkeit, die tatsächlichen Rahmenbedingungen<br />

für die PSM-Applikation erfasst, so besteht die Möglichkeit, beim Ausstoß der Mittel<br />

die Stellung der Ausbringdüsen zu korrigieren, um die Wirkstoffe gezielt auf die entsprechenden<br />

Pflanzen zu applizieren (BILLER, 2004). Ziel ist es in diesem Projektbereich, ein<br />

online-agierendes Multisensorsystem zu entwickeln. Beispielsweise ist es mit Hilfe sehr<br />

schnell reagierender AOS-(Advanced Optoelektronik System) Technik vorstellbar, dass<br />

über individuelle Spritzdüsensteuerung <strong>und</strong> ggf. Direkteinspeisungsverfahren sehr gezielt<br />

besonders ausgewählte Selektivherbizide ausgebracht werden können; der Einsatz einer<br />

flächendeckenden Behandlung mit Totalherbiziden wäre dann nicht mehr notwendig.<br />

Zukünftig kann es notwendig sein, verschiedene Verfahren zu kombinieren, um eine optimale<br />

Pflanzenerkennung zu realisieren. Diese Pflanzenerkennungstechnik ist weiter mit<br />

Online-Sensoren <strong>und</strong> -Steuerungstechniken zur exakten <strong>und</strong> differenzierten Wirkstoffapplikation<br />

zu kombinieren, um eine optimale Mittelanwendung zu gewährleisten; dazu sind<br />

u. a. schnell reagierende Aktoren notwendig. Beim Vorhandensein entsprechender Sensor<strong>und</strong><br />

Steuerungstechniken sowie der dazu notwendigen schnell reagierenden Aktoren wird<br />

es zukünftig auch möglich sein, auf chemischen Pflanzenschutz bei weitreihig gesäten<br />

Feldfrüchten zu verzichten, wenn vollautomatisch eine mechanische Unkrautbekämpfung<br />

realisiert werden kann.


Mechanisierung<br />

Abbildung 14: Relexionsgrade von Ampfer, Ackerdistel, Wintergerste, Winterweizen <strong>und</strong><br />

Boden im Wellenlängenbereich von 400 nm bis 1.800 nm (nach BILLER,<br />

2003)<br />

4.4 Erntetechnik<br />

In der Körnerernte werden heute schon sehr große Arbeits- bzw. Mähwerksbreiten beim<br />

Mähdrescher eingesetzt (Abbildung 15); zudem bleibt häufig das Getreidestroh auf dem<br />

Acker. Mähdrescherarbeitsbreiten von 6 bis 9 m sind auch in Deutschland gängige Praxis.<br />

Dies bedeutet, dass das Getreidestroh nach dem Dreschen zerkleinert <strong>und</strong> über die abgeerntete<br />

Fläche optimal verteilt werden sollte, d<strong>am</strong>it eine gute gleichmäßige <strong>und</strong> flache sowie<br />

eine gleichmäßige <strong>und</strong> schnelle mikrobielle Umsetzung des Strohs im Boden stattfinden<br />

kann. Andererseits zeigen aber aktuelle Untersuchungen, dass gerade bei großen Arbeitsbreiten<br />

(6 bis 9 m), unabhängig vom Hersteller, Variationskoeffizienten bei der Strohquerverteilung<br />

von bis zu 90 % auftreten können (VOSSHENRICH, 1999). Hier müssen Fortschritte<br />

erreicht werden. Ansatzpunkte zur Verbesserung der Verteilqualität sind weiterentwickelte<br />

Zerkleinerungstechniken im Mähdrescherhäcksler sowie eine bessere Querverteilung;<br />

hinsichtlich der Längsverteilung ist eine Online-Abstimmung auf den aktuellen<br />

Strohdurchsatz <strong>und</strong> die Vorfahrtgeschwindigkeit notwendig. Ein weiterer Ansatzpunkt, um<br />

die Verteil- <strong>und</strong> Einarbeitungsqualität von Stroh zu verbessern, ist die Online-Anpassung<br />

der Einarbeitungstechnik (siehe auch Kapitel 4.1). Ein weiteres Beispiel, um den Einsatz<br />

großer Arbeitsbreiten unter optimalen Prozessqualitätsbedingungen zu realisieren, ist die<br />

Verwendung von Lenkhilfen, z. B. über Tast- oder Lasersensoren <strong>und</strong> die Unterstützung<br />

121


122<br />

über GPS-Informationen (siehe auch Kapitel 4.6). Insbesondere bei zunehmenden Arbeitsbreiten<br />

<strong>und</strong> Fahrzeuggrößen gilt auch hier, dass durch technische <strong>und</strong> verfahrenstechnische<br />

Weiterentwicklungen Bodenschadverdichtungen bzw. Bodenschutz zu realisieren ist (z. B.<br />

BRUNOTTE, 2003; SOMMER <strong>und</strong> BRUNOTTE, 2003; siehe auch Kapitel 4.1). Zukünftig wird<br />

der Einsatz derartiger Technik Standard sein, der gr<strong>und</strong>sätzlich auch für jeden landwirtschaftlichen<br />

Betrieb nutzbar ist, z. B. über Lohnunternehmer oder Maschinenringe.<br />

Abbildung 15: Einsatz eines Mähdreschers mit großer Arbeitsbreite bei der Getreideernte<br />

mit Strohverteilung auf dem Acker<br />

Foto: Vosshenrich, 2003.<br />

4.5 Datenkommunikation<br />

D<strong>am</strong>it vorhandene (z. B. offline) <strong>und</strong> online ermittelte Informationen auf dem Schlepper,<br />

den Anbaugeräten <strong>und</strong> bei selbst fahrenden Maschinen genutzt werden können, ist ein standardisierter<br />

oder genormter Datenaustausch notwendig. Derartige Daten sind z. B. digitale<br />

Schlagkarteien, die mit Online-Informationen über GPS-/DGPS-Informationen verknüpft<br />

werden (siehe z. B. auch Beitrag VOSSHENRICH et al. oder HANEKLAUS et al. in diesem<br />

Sonderheft) oder Online-Sensordaten, die vor dem Schlepper erfasst werden <strong>und</strong> dann an<br />

Bearbeitungsgeräte weitergegeben werden müssen, die im Heck des Schleppers angebaut<br />

sind. Zudem muss gewährleistet werden, dass die z. T. immensen Datenmengen auch aktu­


Mechanisierung<br />

ell verarbeitet werden können (z. B. DLG-WORKSHOP, 2004). Dies ist heute schon in einigen<br />

Bereichen problemlos möglich <strong>und</strong> ist in Zukunft unabdingbare Voraussetzung. Vor<br />

allem zukünftig muss sichergestellt werden, dass jedes Anbaugerät mit jedem Schlepper<br />

<strong>und</strong> jedem anderen Anbaugerät störungsfrei kommunizieren kann sowie vorhandene Daten<br />

(z. B. digitale Schlagdateien) oder GPS-Daten ebenfalls störungsfrei in den Informationsfluss<br />

einfließen können. Zukünftig wäre die aktuelle Erfassung der Aggregatgrößen bei der<br />

Sek<strong>und</strong>ärbodenbearbeitung ein weiteres Beispiel für die Online-Verarbeitung großer Datenmengen,<br />

um die Bodenbearbeitungsmaschinen (z. B. Kreiselegge) nach den gewünschten<br />

Vorgaben für das Saatbett spezifisch in Abhängigkeit des aktuellen, teilflächenspezifischen<br />

Zustandes zu steuern <strong>und</strong> zu regeln. Die Erfassung des Aggregatgrößenzustandes<br />

könnte – nach erfolgten F+E-Arbeiten – über bildverarbeitende Techniken, Ultraschall,<br />

Radar, Laser oder Kombinationen daraus erfolgen. Von deutscher Seite wurden für die<br />

Normung eine Reihe gr<strong>und</strong>legender Arbeiten durchgeführt, z. B. im Rahmen der Entwicklung<br />

des LBS (Landwirtschaftliches Bus System) <strong>und</strong>/oder bei der Erarbeitung der DIN<br />

9684 (z. B. DLG-MERKBLATT, 1999). Viele dieser nationalen Anforderungen an die Normung<br />

für die Datenkommunikation sind in die ISO 11898 eingegangen. Unabhängig davon,<br />

welche spezielle Datengewinnungs- oder -bereitstellungstechnik eingesetzt wird, ist die<br />

reibungslose Datenkommunikation eine gr<strong>und</strong>legende Voraussetzung, um z. B. „große Maschinen“<br />

auch auf kleinen Flächen einzusetzen. So können zukünftig durch einen überbetrieblichen<br />

Maschineneinsatz mehrere kleine Flächen „grenzüberschreitend“ mit einer Maschine<br />

individuell bearbeitet werden; eine solche Verfahrenstechnik kann auch als „Gewannenbewirtschaftung“<br />

bezeichnet werden (AUERNHAMMER et al., 2001). Mit einer solchen<br />

Vorgehensweise ist somit eine virtuelle Flurbereinigung zu realisieren.<br />

Abbildung 16: Definitionen für die Datenkommunikation nach LBS, DIN 9684 <strong>und</strong> ISO<br />

11898 (Quelle: DLG-MERKBLATT 317, 1999)<br />

123


124<br />

4.6 Fahrzeugsteuerung<br />

Zur Verbesserung der Qualität von Verfahrensketten, zur Verbesserung der Arbeitsqualität<br />

<strong>und</strong> des -erfolges, zur Effizienzsteigerung von Produktionsverfahren etc. ist es für viele Bereiche<br />

wünschenswert <strong>und</strong> notwendig, von manuellen Lenkungs- bzw. Steuerungsvorgängen<br />

auf halbautomatische oder vollautomatische umzustellen; das zukünftige Ziel können dann<br />

autonome landwirtschaftliche Fahrzeuge sein. Autonome Fahrzeuge können u. a. den Vorteil<br />

haben, dass die Arbeitszeit <strong>und</strong>/oder Einsatzzeiten nicht mehr die Hauptentscheidungskriterien<br />

für oder gegen eine Technik sind. D<strong>am</strong>it könnten auch sehr kleine Fahrzeuge wieder<br />

eine größere Bedeutung erlangen; auch dürfte die Übersichtlichkeit von Fahrzeugen <strong>und</strong> die<br />

visuelle Kontrollmöglichkeit von Anbaugeräten kein entscheidendes Kriterium mehr sein<br />

(siehe z. B. Kapitel 2). Um halb- oder vollautomatisches Fahren zu realisieren sind Lenkhilfen<br />

bzw. Sensortechniken notwendig, um Informationen zur Steuerung der Fahrzeuge zu bekommen.<br />

Beispielsweise können bei Reihenkulturen mechanische Tastersysteme oder zur<br />

Bestandsgrenzenerkennung Laserscansysteme eingesetzt werden, die zudem durch GPS-<br />

/DGPS-Informationen unterstützt werden (Abbildung 17). Daneben bieten sich Ultraschalltechniken,<br />

bildverarbeitende Sensoren oder Radartechniken an. Zur Fahrzeugsteuerung<br />

kommt man bei Reihenkulturen auch schon mit alleinigen bildverarbeitenden Sensoren recht<br />

weit, wie z. B. Untersuchungen von KEICHER (2002) eindeutig zeigen; ein anderes Beispiel<br />

dazu sind Versuche von PASSIG (1999). Insbesondere bei großen Arbeitsbreiten kann durch<br />

satellitengestützte Lenk-/Steuerungshilfen eine deutliche Entlastung des Fahrers <strong>und</strong> eine<br />

Qualitätsverbesserung erreicht werden (z. B. Fa. AGCO, Fa. Claas). Insges<strong>am</strong>t kann das Anbringen<br />

<strong>und</strong> Nutzen von Sensor- <strong>und</strong> Informationstechnologien im Frontanbau eines Schleppers<br />

als Lenkhilfe <strong>und</strong> für Pflanzenbestandserkennungen genutzt werden, um gezielt Dünger<br />

<strong>und</strong> Pflanzenschutzmittel auszubringen (Abbildung 18).<br />

Abbildung 17: Beispielhafte Übersicht zu automatischen Lenkungsmöglichkeiten von<br />

selbst fahrenden Landmaschinen [Quelle: FRERICHS (Fa. Claas), 2004]


Mechanisierung<br />

Abbildung 18: Schlepper mit Sensoren zur Lenkhilfe <strong>und</strong> für Applikationstechniken<br />

(Fa. Reichhardt-Steuerungstechnik, 2004)<br />

Für autonome landwirtschaftliche Fahrzeuge ist es aufgr<strong>und</strong> der bisher dargelegten Anforderungen<br />

d<strong>am</strong>it logisch <strong>und</strong> nachvollziehbar, dass dann alle notwendigen Funktionen <strong>und</strong><br />

Aktionen, die solche Fahrzeuge vornehmen sollen, vollautomatisch zu erfolgen haben. Dazu<br />

sind – wie bereits erwähnt – Sensor-, Datenverarbeitungs-, Steuer-, Regel- <strong>und</strong> Aktortechniken<br />

notwendig, die natürlich selbständig miteinander kommunizieren müssen. Für<br />

derartige autonome Agrarfahrzeuge gibt es auch heute schon Lösungsansätze oder realisierte<br />

Beispiele. So gibt es eine Designstudie für ein autonomes Saat- <strong>und</strong> Pflegesystem (Abbildung<br />

19) oder in Japan werden bereits fahrerlose bzw. automatisch geführte selbst fahrende<br />

Erntetechniken für Reis eingesetzt (Abbildung 20) oder in Finnland werden bereits<br />

Prototypen fahrerloser Fahrzeuge für die vollautomatische Ernte von Dünn- oder Schwachholz<br />

eingesetzt (LEHTINEN et al., 2003). Ein anderes Beispiel ist, übliche Traktoren ohne<br />

Kabine <strong>und</strong> Fahrerplatz auszustatten (Abbildung 21), dafür aber mit einer multifunktionalen<br />

<strong>und</strong> komplexen Sensor- <strong>und</strong> Steuerungstechnik, um den Schlepper autonom fahren zu<br />

lassen (z. B. Fa. John Deere). Erste Einsatzbereiche für solche Traktoren könnten Spezialkulturen<br />

wie Obst, Hopfen <strong>und</strong> Wein sein, z. B. bei der Ausbringung von PSM, um den<br />

„Fahrer zu schützen“. Neben vielen anderen Vorteilen, wäre einer, dass bei der Entwicklung,<br />

Design, Gestaltung <strong>und</strong> Bau derartiger Traktoren keine Rücksicht mehr auf die „Fahrersichtverhältnisse“<br />

genommen werden muss. Neben den Einsatzbereichen Bearbeitung,<br />

Applikationen <strong>und</strong> Ernte werden zukünftig weitere Aufgaben von autonomen Fahrzeugen<br />

Kontrollen <strong>und</strong> Datenerfassung sein. Solchen Entwicklungen wird beispielsweise an der<br />

Universität in Wageningen (Abbildung 22) oder der in Kopenhagen nachgegangen.<br />

125


126<br />

Abbildung 19: Designstudie für ein autonomes Saat- <strong>und</strong> Pflegesystem [nach Pilgr<strong>am</strong>,<br />

1995; Quelle: Archiv Landtechnik-Weihenstephan (AUERNHAMMER <strong>und</strong><br />

DEMMEL, 2004)]<br />

Abbildung 20: Halbautonome <strong>und</strong> fahrerlose Erntefahrzeuge für Reis [Quelle: Archiv<br />

Landtechnik-Weihenstephan (AUERNHAMMER <strong>und</strong> DEMMEL; 2004)]


Mechanisierung<br />

Abbildung 21: Autonomer bzw. fahrerloser Traktor, z. B. für den Einsatz in Obstplantagen<br />

(nach REID <strong>und</strong> NIEBUHR, 2001)<br />

Foto: Weiss, Fa. John Deere, 2004.<br />

Abbildung 22: Miniagrarroboter für Kontroll- <strong>und</strong> Datenerfassungsaufgaben (Quelle:<br />

UNIVERSITÄT WAGENINGEN, 2003)<br />

127


128<br />

5 Wohin führt der Weg?<br />

Bezogen auf die Titelfrage können aufgr<strong>und</strong> der dargelegten Ausführungen <strong>und</strong> Beispiele<br />

folgende Aussagen für die Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion in 25 Jahren stichpunktartig<br />

vorgenommen werden:<br />

– es wird in 25 Jahren sowohl große als auch kleine Maschinen geben,<br />

– durch die Gewannenbewirtschaftung können mit großen Maschinen kleine Parzellen<br />

individuell bearbeitet werden,<br />

– alle Traktoren <strong>und</strong> Maschinen werden bodenschonend, verfahrenstechnisch effizienter<br />

<strong>und</strong> umweltschonender arbeiten,<br />

– Sensor-, Informations-, Steuerungs- <strong>und</strong> Aktortechniken werden komplex agieren,<br />

– es wird für viele Bereiche fahrerlose Schlepper <strong>und</strong> selbst fahrende, autonome Arbeitsmaschinen<br />

geben,<br />

– bei „autonomen landwirtschaftlichen Fahrzeugen <strong>und</strong> Maschinen“ wird die Bauart hinsichtlich<br />

der Übersichtlichkeit keine besondere Rolle mehr spielen <strong>und</strong><br />

– obwohl derzeit schon viele Entwicklungen aus Forschung <strong>und</strong> Industrie in Techniken<br />

umgesetzt sind, wird es noch viele Jahre dauern, bis derzeit bekannte Entwicklungen<br />

einen breiten Einzug in die Praxis gef<strong>und</strong>en haben.<br />

Verwendete <strong>und</strong> ergänzende Literatur<br />

ABU-HAMDEH N (2004) Sonic Tiller Vibrates Soil Loose. Report in Soil and Tillage Research<br />

<strong>und</strong> Bericht in „Der Spiegel“ 8/04<br />

AGCO (2004) Firmeninformationen über das Auto-Guide-System<br />

ANONYM (2004) Die etwas andere Automatiklenkung. profi, Nr. 1/04<br />

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zum Traktor der Zukunft. dlz 39, H. 10, S. 1470-1477<br />

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an Ackerschleppern. Landtechnik 32, H. 12, S. 497-500<br />

AUERNHAMMER H, DEMMEL M, ROTHMUND M (2001) Gewannebewirtschaftung im Projekt<br />

„Zeilitzheim“. Landtechnik 56, H. 3, S. 136-137<br />

Autorenkollektiv (2004) Unterlagen zum DLG/FAL/LK-Hannover/NLfB-Workshop „Erfolgreiches<br />

Datenmanagement auf landwirtschaftlichen Betrieben“ in Braunschweig<br />

<strong>am</strong> 17.06.2004


Mechanisierung<br />

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record for the number of hectares planted in a 24-hour time period, Firmeninformationen<br />

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Pflanzenunterscheidung <strong>und</strong> zielgerichteten Herbizidapplikation. Bornimer Agrartechnische<br />

Berichte 36: 8 p<br />

BILLER RH (2003) Das Projekt Advanced Optoelectronic System (AOS) : Teil 1, Zur Weiterentwicklung<br />

der sensorgestützten Unkrauterkennung <strong>und</strong> -bekämpfung.<br />

Landtechnik 58(6): 380-381<br />

BILLER RH (2004): Das Projekt Advanced Optoelectronic System (AOS) : Teil 2, Das Konzept<br />

des AOS <strong>und</strong> Stand der Entwicklung. Landtechnik 59(1): 20-21<br />

BROUER B (1990) Bodenbearbeitungsverfahren zu Winterweizen auf einer Kalkmarsch,<br />

Dissertation Universität Kiel<br />

BRUNOTTE J (2003) Trends der Bodenbearbeitung. Landtechnik 58(6): 356-357<br />

BRUNOTTE J, VOSSHENRICH HH (2003) Strohverteilung <strong>und</strong> Präzisionsstoppelbearbeitung.<br />

Getreidemagazin 2, 114-118<br />

BUSCHMEIER R (2004) Normierung von Datenströmen (ISO-Bus) – Stand der Normung.<br />

Unterlagen zum DLG/FAL/LK-Hannover/NLfB-Workshop „Erfolgreiches Datenmanagement<br />

auf landwirtschaftlichen Betrieben“ in Braunschweig <strong>am</strong><br />

17.06.2004<br />

DIN 9684 (1998) Landmaschinen <strong>und</strong> Traktoren – Schnittstellen zur Signalübertragung,<br />

Beuth Verlag GmbH, Berlin<br />

DLG-Merkblatt 317 (1999) Landwirtschaftliches BUS-System (LBS)<br />

FACHHOCHSCHULE HANNOVER (2003) Forschungsbericht<br />

FRERICHS L (2004) Firmeninformation der Fa. Claas zu automatischen Lenkhilfen<br />

HARRIES GO, AMBLER B (1981) Automatic Ploughing: A tractor guidance system using<br />

opto-elektronic remote sensing techniques and a microprocessor based controller.<br />

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HDLGN-Hessen (2003) Mitteilungen über ein Feldseminar zum Furchenscout der Fa. Lemken<br />

IMAG, Wageningen (2003) Highlights of the 2003 Field Robot Event. Informationen des<br />

IMAG in Wageningen/NL<br />

INSTITUT FÜR AUTOMATISIERUNGSTECHNIK, TU-Darmstadt (2003) Institutsbericht, Fahrzeug<br />

für die Raumfahrt (Lunar Rovor Initiative, Carnegie Mellon University)<br />

JAHNS G (1996) Autonome Fahrzeugführung in der pflanzlichen Produktion. Bericht Institut<br />

für Biosystemtechnik der FAL<br />

129


130<br />

KEICHER R (2002) Bestandesorientierte automatische Nachführung landwirtschaftlicher<br />

Arbeitsmaschinen in Reihenkulturen mit Hilfe der digitalen Bildverarbeitung.<br />

Dissertation Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

KNECHTGES H (2003) Trends bei Traktoren <strong>und</strong> Transportfahrzeugen. Landtechnik 6<br />

LANDTECHNIK-WEIHENSTEPHAN (2004) Bildarchiv, Bildmaterial bereitgestellt von AUERN­<br />

HAMMER H, DEMMEL M<br />

Lehrstuhl für Allgemeinen Pflanzenbau der Universität Bonn (2003) K<strong>am</strong>eragesteuerte<br />

Unkrautkontrolle in Echtzeit, Flyer der DBU<br />

LEHTINEN H, AARMILA P, BLOM M, KAUPPI I, KERVA J (2003) Mobile robots evolving in<br />

industrial applications. VTT, Automation, Machine Automation, Mobile Robotics/Mechatronics<br />

(www.vtt.fi/aut/kau)<br />

MERCEDES-BENZ (2004) Firmeninformation über Reifendruckregelanlage; www.mercedesbenz.com/unimog<br />

PASSIG G (1999) Bildverarbeitung in autonomen Fahrzeugen, Hauptseminar LPR, TU-<br />

München<br />

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SCHMITZ M (2000) Bodenfeuchtemessung zur Beregnungssteuerung. Aachen : Mainz, 161<br />

p, Berichte aus dem Institut für Elektrische Messtechnik <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagen der<br />

Elektrotechnik 8 [Dissertation]<br />

SCHMITZ M (2000) Bodenfeuchtemessung. Landtechnik 55(3): 228-229<br />

SOMMER C, VOSSHENRICH HH (2002) Bodenbearbeitung. In: Precision Agriculture, Herausforderung<br />

an integrative Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung in der Praxis.<br />

KTBL-Sonderveröffentlichung 038, 237-250<br />

SOMMER C, BRUNOTTE J (2003) Lösungsansätze zum Problembereich Bodenschadverdichtung<br />

in der Pflanzenproduktion. Landnutzung Landentwickl 44(5): 220-228<br />

SOMMER C, JAKLINSKI L, JASINSKI B, BRUNOTTE J, WEISSKOPF P (2003) Technische Lösungen<br />

für bodenschonendes Befahren. VDI-Berichte 1798: 123-129<br />

SOMMER C, VOSSHENRICH HH (2003) Verb<strong>und</strong>projekt pre-agro, Abschlußbericht<br />

SOURELL H (2004) Beregnungsmaschinen im Vergleich. Monatsschrift : Magazin für den<br />

Gartenbau-Profi 92(1): 28-30<br />

SOURELL H, SCHMITZ M (1998) Bewässerungssteuerung. Landtechnik 53(2): 74-75


Mechanisierung<br />

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Pflanzenproduktion 2: 22-33<br />

STEINKAMPF <strong>und</strong> SOMMER C (1993) Projektskizze für einen Pflugroboter, Unterlagen des<br />

Instituts für Betriebstechnik der FAL<br />

TEBRÜGGE F (2003) Konservierende Bodenbearbeitung gestern, heute, morgen – von wendender<br />

über nicht wendende Bodenbearbeitung zur Direktsaat. Sonderheft 256<br />

„Nachhaltige Bodennutzung – aus technischer, pflanzenbaulicher, ökologischer<br />

<strong>und</strong> ökonomischer Sicht“, (Hrsg. ARTMANN R, Bockisch FJ) der Landbauforschung<br />

Völkenrode<br />

TOMPKINS FD, FREELAND RS, DROZ TE, REN J (1990) Laser-based trigger for remote actuation<br />

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VOLK L (2004) Persönliche Mitteilungen <strong>und</strong> Unterlagen zu Reifendruckregelanlagen<br />

VOSSHENRICH HH (1999) Strohverteilung <strong>und</strong> Häckselqualität auf Praxisflächen. Landtechnik<br />

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WEISS H (2004) Autonome US-Roboter im Praxistest gescheitert. VDI nachrichten 19.<br />

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WEISS M (2004) Firmeninformation Fa. John Deere<br />

WEISSBACH M, VOSSHENRICH HH (2003) Unveröffentlichte Mitteilungen<br />

131


132


Precision Farming<br />

Immer mehr Daten für jeden Quadratmeter – was machen wir<br />

daraus?<br />

Holger Lilienthal, Silvia Haneklaus, Ewald Schnug 1<br />

1 Einleitung<br />

Die Freigabe des militärischen Globalen Positionierungssystems (GPS) für zivile Anwendungen<br />

Ende der 80er Jahre (GPS World 2004) eröffnete die Möglichkeit, diese Technologie<br />

auch für die Landwirtschaft nutzbar machen zu können <strong>und</strong> eine völlig neuartige, ressourcenschonende<br />

Art der Landbewirtschaftung zu etablieren.<br />

Mit Hilfe der Satellitennavigation sollen Felder kartiert werden, um kleinräumige Unterschiede<br />

in Bestands- <strong>und</strong> Bodenmerkmalen innerhalb des Schlages zu lokalisieren. Die<br />

Aufwandmengen, z. B. an Dünge- <strong>und</strong> Pflanzenschutzmitteln können dieser Variabilität<br />

entsprechend gesteuert werden. Die Begriffe Computer Aided Farming (CAF) (LAMP <strong>und</strong><br />

SCHNUG, 1990), Lokales Ressourcen Management (MURPHY et al., 1994; SCHNUG, 1996),<br />

teilflächenspezifische Landwirtschaft (GRIEPENTROP, 1997), site specific farming (ROBERT<br />

et al., 1995) oder Precision Agriculture (PA) (BLACKMORE, 1994) wurden geprägt. Alle<br />

diese Begriffe stehen für eine Umorientierung der Landwirtschaft hin zu einem effizienten<br />

Einsatz von Ressourcen, in dem Aufwandmengen <strong>und</strong> Bearbeitungsmaßnahmen der kleinräumlichen<br />

Variabilität von Boden- <strong>und</strong> Bestandsmerkmalen angepasst werden. Auf diese<br />

Weise wird, im Gegensatz zu einer einheitlichen Bewirtschaftung von Schlägen, agronomischen<br />

<strong>und</strong> ökologischen Ansprüchen an die Landbewirtschaftung Rechnung getragen.<br />

2 Datenerfassung<br />

Gr<strong>und</strong>lage für den Einsatz von PA ist die Erfassung der räumlichen Variabilität von Boden<strong>und</strong><br />

Bestandsmerkmalen innerhalb des Schlages. Die Datenerfassung nimmt deshalb eine<br />

zentrale Bedeutung innerhalb des PA-Konzeptes ein. Karteninformationen, wie zum Beispiel<br />

die Reichsbodenschätzung in Deutschland, bieten bereits einen ersten Anhaltspunkt<br />

zur Lokalisierung von Texturunterschieden des Bodens innerhalb eines Schlages. Mit der<br />

Entwicklung der Erdbeobachtung durch Satelliten (Fernerk<strong>und</strong>ung) wurde eine schnelle<br />

Datenerfassung von Merkmalen wie z. B. die Variabilität von Böden, Pflanzenvitalität <strong>und</strong><br />

Wachstumsunterschiede innerhalb von Beständen auch für größere Regionen möglich.<br />

1<br />

Holger Lilienthal, Dr. Silvia Haneklaus, Prof. Dr. Dr. Ewald Schnug, Institut für Pflanzenernährung <strong>und</strong><br />

Bodenk<strong>und</strong>e, B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, 38116 Braunschweig<br />

E-Mail: holger.lilienthal@fal.de; silvia.haneklaus@fal.de; ewald.schnug@fal.de<br />

133


134<br />

Die Nutzung des GPS's ermöglichte zudem ein schnelles Auffinden von Kartenpositionen<br />

im Gelände. Parallel zur Entwicklung von GPS-gestützten Sensoren zur Erfassung von Informationen<br />

über die räumliche Variabilität (Ertragsmessung, Online-Sensoren für Humusgehalt<br />

<strong>und</strong> Leitfähigkeit etc.) wurde das GPS zum Werkzeug für Kartierungen aller Art. In<br />

Tabelle 1 sind die wichtigsten Meilensteine in der Entwicklung der Datenakquirierung für<br />

PA dargestellt.<br />

Tabelle 1: Meilensteine in der Akquirierung von Daten für Precision Agriculture<br />

seit<br />

1934 Bereitstellung flächendeckender Bodeninformation durch die Reichsbodenschätzung in<br />

Deutschland<br />

1977 Nutzung von Fernerk<strong>und</strong>ungsdaten zur Ertragsvorhersage (Colwell et al., 1977)<br />

1989 Beginn der GPS-gestützten On-the-go-Sensorik (Ertragskartierung, Ableitung von Equifertilen)<br />

(Hansen, 1990; Schnug et al., 1994)<br />

1990 Nutzung von Fernerk<strong>und</strong>ungsdaten zur Klassifikation von Bodentypen <strong>und</strong> Bestimmung der<br />

räumlichen Variabilität von Merkmalen der Bodenfruchtbarkeit (Humusgehalt, Textur, Geomorphologie)<br />

(Henderson et al., 1989; Th<strong>am</strong>m, 1990; Cary, 1990)<br />

1991 On-the-go Sensor für Humus (Sudduth <strong>und</strong> Borgelt, 1993)<br />

1998 On-the-go-Sensor für Leitfähigkeit, Self-surveying, Directed s<strong>am</strong>pling (Davis et al., 1997;<br />

Haneklaus et al., 1998)<br />

2000 Monitorpedozellen (Haneklaus et al., 2000; Panten, 2002; Panten et al., 2002)<br />

Neben den Verfahren zur Erfassung der Variabilität spielt die räumliche Auflösung <strong>und</strong><br />

Positionsgenauigkeit der Daten eine wichtige Rolle. Die räumliche Auflösung bei der Datenerhebung<br />

konnte durch leistungsfähigere Sensoren kontinuierlich verbessert werden (zu<br />

beachten ist hier allerdings, dass sich bei einer Verdopplung der Auflösung die Datenmenge<br />

um den Faktor vier erhöht), so dass auch flächenmäßig kleinste Einheiten angesprochen<br />

werden können. Die Steuerung variabler Verfahren bei der Landbewirtschaftung erfolgt in<br />

sog. Management-Zonen (FLEMING et al., 1999) oder kontinuierlich, auf der Basis der Arbeitsbreite<br />

der Maschinen (LAMP et al., 1999). In Tabelle 2 sind die Positionsgenauigkeiten<br />

verschiedener Daten <strong>und</strong> Technik aufgelistet.


Precision Farming<br />

Tabelle 2: Positionsgenauigkeit verschiedener Daten <strong>und</strong> Technik im Precision Farming<br />

(nach HANEKLAUS <strong>und</strong> SCHNUG, 2004)<br />

Quelle Positionsgenauigkeit (m)<br />

Satelliten Positionierung<br />

Standard 2-3<br />

Differentiell < 1<br />

mit S/A 25<br />

Topographische Information<br />

Karten (Maßstab 1:5000) 3<br />

Digitale Höhendaten 12,5 horizontal; 0,5 vertikal<br />

Bodeninventur<br />

Digitalisierung von Kartenmerkmalen 3<br />

Feldgrenzen aus Choroplethen-Karten 15-20<br />

Fernerk<strong>und</strong>ungsdaten 10-20<br />

Ertragsdaten 10-15<br />

3 Variable Ausbringungstechnik<br />

Basierend auf den erhobenen Daten können Managementstrategien abgeleitet werden <strong>und</strong><br />

mit Hilfe geographischer Informationssysteme (GIS) Applikationskarten erstellt werden.<br />

Mit diesen Karten wird der Bordcomputer bestückt <strong>und</strong> die variable Ausbringungstechnik<br />

angesteuert. Die historische Entwicklung in der Ausbringungstechnik ist in Tabelle 3 dargestellt.<br />

Der Begriff Lokales Ressourcen-Management (LRM) steht für ein interdisziplinäres<br />

Konzept, in dem Informationen über Merkmale der Bodenfruchtbarkeit <strong>und</strong> Bestände<br />

geokodiert erfasst, in Geographischen Informations-Systemen (GIS) gespeichert <strong>und</strong> mit<br />

Hilfe von Entscheidungsmodellen verarbeitet <strong>und</strong> letztlich in variable produktionstechnische<br />

Applikationen umgesetzt werden. LRM ist der pflanzenernährerische <strong>und</strong><br />

bodenk<strong>und</strong>liche Teil in „Precision Agriculture“ (PA). Die verschiedenen Module sind in<br />

Abbildung 1 graphisch dargestellt. Mit Hilfe von GPS werden die Landmaschinen gesteuert<br />

<strong>und</strong> die Aufwandmengen zielgenau auf den Schlägen ausgebracht. Mit der Ernte-<br />

Ertragskartierung kann der Erfolg der variablen Bewirtschaftungsmaßnahmen abgeschätzt<br />

werden. Darüber hinaus dienen Ertragskarten als Gr<strong>und</strong>lage zur Ableitung von Equifertilen,<br />

d. h. Zonen gleicher Bodenfruchtbarkeit (SCHNUG et al., 1992a, 1994).<br />

135


136<br />

Tabelle 3: Meilensteine der technischen Entwicklung von PA<br />

bis 1988 Erste Anwendungen teilflächenspezifischer Bearbeitung in Dänemark, Deutschland <strong>und</strong> den<br />

USA mit variablen Düngerstreuern (AgriMatic (DK); CAF (D); SoilTeq (USA)).<br />

<strong>30.</strong>06.1988 Erste praktische Demonstration GPS-gestützter, räumlich variabler Düngung auf den DLG-<br />

Feldtagen in Schwarzenraben, (CAF Verb<strong>und</strong>).<br />

1989 Anwendung des ersten GPS gestützten Ertragskartierungssystems ("Yieldometer" von Jeff<br />

Claydon, UK) in Osterhof, Schleswig-Holstein auf einem Deutz Mähdrescher (Hansen, 1990).<br />

28.06.1989 Erste praktische Demonstration GPS-estützter, räumlich variabler Herbizidausbringung<br />

(Phenmediph<strong>am</strong>) in Abhängigkeit vom Gehalt an organischer Substanz in Birkenmoor,<br />

Schleswig-Holstein durch den CAF Verb<strong>und</strong> (Agra-Europe, 1989; Bauernblatt/Landpost, 1989;<br />

Paulsen, 1989; Preusse, 1989).<br />

07.1991 Erste praktische Anwendung eines GPS-gestützten Ertragskartierungssystems basierend auf dem<br />

"G<strong>am</strong>ma ray flow meter" von Dronningborg A/S and T&O A/S, Randers (Denmark) auf einem<br />

Case Mähdrescher (Modern Farming, 1991).<br />

1995 Kommerzielle Freigabe von LORIS TM (Local Resource Information System), einer für variable<br />

Düngung spezifische Software (Gemeinschaftsentwicklung von Kemira Europe, Wavre, Belgien<br />

<strong>und</strong> PB-FAL (Schroeder et al., 1997)).<br />

1997 Entwicklung von "Surf-eye", später "Lassie" (Low Altitude Stationary Surveillance Instrumenta<br />

Equipment) als neue Datenquelle für PA-Anwendungen (Schnug et al., 1998; Lilienthal, 2003).<br />

Abbildung 1: Das Konzept des lokalen Ressourcenmanagements landwirtschaftlicher<br />

Böden im Precision Agriculture


Precision Farming<br />

Die Landmaschinen- <strong>und</strong> Düngemittelindustrie bietet heute ein umfangreiches Angebot an<br />

Zubehör für teilflächenspezifische Bodenbearbeitung, Saatbettbereitung, Aussaat, Düngung<br />

<strong>und</strong> Pflanzenschutz an. Obwohl die technischen Voraussetzungen für die Anwendung von<br />

PA-Technologien prinzipiell gegeben sind, beschränkt sich die betriebliche Umsetzung <strong>und</strong><br />

Akzeptanz immer noch auf eine begrenzte Anzahl an Pionier- <strong>und</strong> Pilotbetrieben. Die Identifizierung<br />

der Ursachen für die unbefriedigende Nutzung von PA-Technologien ist jedoch<br />

von herausragender Bedeutung, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern.<br />

4 Probleme bei der Umsetzung<br />

Bei der Umstellung des Betriebes zur teilflächenspezifischen Bearbeitung erwarten den<br />

Landwirt nicht nur Umrüstung <strong>und</strong> Neuanschaffung von Landmaschinen <strong>und</strong> EDV-<br />

Systemen, sondern auch Kontakt mit einer Vielzahl neuartiger <strong>und</strong> komplexer Daten. Die<br />

Verwaltung <strong>und</strong> Verarbeitung dieser Daten erfordert spezielle Softwarekenntnisse, die vielfach<br />

nicht vorhanden sind bzw. erbracht werden können, so dass in diesen Fällen private<br />

Dienstleistungsfirmen diese Aufgabe übernehmen müssen, was mit entsprechenden Kosten<br />

für den Landwirt verb<strong>und</strong>en ist. Hier öffnen sich jedoch neue Möglichkeiten durch Aus<strong>und</strong><br />

Fortbildung. Je besser die Ausbildung des Landwirtes hinsichtlich PA ist, desto besser<br />

wird die Anpassung variabler Düngergaben an die tatsächlichen Bedürfnisse von Boden<br />

<strong>und</strong> Pflanzen sein (HANEKLAUS <strong>und</strong> SCHNUG, 2004). Eine f<strong>und</strong>ierte Ausbildung in teilflächen-spezifischer<br />

Bewirtschaftung ist auch ein Teil des PA-Konzeptes, das sicherstellt,<br />

dass das Wissen <strong>am</strong> effizientesten aus den Büchern in das Feld übertragen wird (HOLT <strong>und</strong><br />

SONKA, 1995; KRILL, 1997; MANGOLD, 1995). Derzeit gängige Praxis ist, dass der Betriebsleiter<br />

entweder selber die teilflächenspezifische Bewirtschaftung durchführt, oder die<br />

Aufgaben an einen in der Regel schlechter ausgebildeten Maschinenführer weiter delegiert.<br />

Im ersten Fall ist die Auffassungsgabe des menschlichen Gehirns der limitierende Faktor,<br />

um die Vielzahl der variablen Arbeitsschritte richtig durchzuführen, im letzten Fall die<br />

schlechtere Ausbildung des Maschinenführers. Gut ausgebildetes Personal, das die PA-<br />

Technologie richtig einsetzt, führt oft zu einem Wissenstransfer bis auf die Ebene der Feldarbeiter.<br />

Die Komplexität der Entwicklung von Handlungsstrategien für PA im Vergleich<br />

zur konventionellen Bewirtschaftung wird neue Märkte für Dienstleister <strong>und</strong> Berater schaffen.<br />

Im Idealfall werden PA-Technologien im Bereich des Pflanzenbaus auf sämtliche Maßnahmen<br />

wie Aussaat, Düngung, Bearbeitung <strong>und</strong> Ernte (s. Abbildung 1) angewandt. Für<br />

eine großflächige, d. h. statistisch erfassbare Implementierung dieser Technologie ist es<br />

hingegen zunächst notwendig, die für den einzelnen Betrieb profitablen Maßnahmen zu<br />

erfassen <strong>und</strong> umzusetzen. Ging man zu Beginn der Entwicklung von PA davon aus, dass<br />

über Mehrerträge <strong>und</strong> Einsparung von Düngemitteln die Rentabilität der notwendigen maschinellen<br />

Investitionen <strong>und</strong> Kosten für die Datenbereitstellung <strong>und</strong> -auswertung finanziert<br />

137


138<br />

werden könnten, so ist festzustellen, dass dies in Einzelfällen zutreffen mag, jedoch nicht<br />

pauschal gilt. Ursache hierfür sind niedrige Produkt- <strong>und</strong> Düngemittelpreise. Die derzeit<br />

profitabelste Anwendung dürfte im Pflanzenschutz zu finden sein.<br />

Ein weiteres Problem besteht im Bereich des Datenmanagements. Hier ist nicht nur geschultes<br />

Personal auf dem Gebiet der Datenaufarbeitung <strong>und</strong> -verwaltung erforderlich<br />

(s. o.), sondern auch das notwendige Know-how für die Interpretation <strong>und</strong> letztendliche<br />

Umsetzung in variable, standortspezifische Handlungsoptionen. Obwohl im Bereich der<br />

Düngung allgemeingültige Algorithmen erarbeitet wurden (SCHNUG et al., 1985; SCHNUG et<br />

al., 1992b; SCHNUG et al., 1993; SCHNUG et al., 1996; HANEKLAUS et al., 1997a; HANEKLAUS<br />

et al., 1997b; HANEKLAUS <strong>und</strong> SCHNUG, 1998; SCHNUG <strong>und</strong> HANEKLAUS, 1998; SCHNUG et<br />

al., 1998; HANEKLAUS <strong>und</strong> SCHNUG, 1999a; HANEKLAUS <strong>und</strong> SCHNUG, 1999b; HANEKLAUS<br />

et al., 1999), bestehen Defizite in anderen Bereichen wie Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Pflanzenschutz.<br />

5 Lösungsansätze<br />

Lösung für Algorithmen: DIY – Do it yourself<br />

Die meisten Regeln für die Ausbringung von Düngern basieren auf Ergebnissen von Feldversuchen.<br />

Die Versuchsstandorte sind aber meist nicht aus Gründen der Variabilität, sondern<br />

oftmals rein aus administrativen Gründen gewählt worden (HANEKLAUS <strong>und</strong> SCHNUG,<br />

2004). Für Testglieder, die unabhängig von den Bodeneigenschaften sind, wie zum Beispiel<br />

unterschiedliche Sorten oder der Einsatz von Pestiziden, sind suboptimale Standorte weniger<br />

ein Problem, hinsichtlich pflanzenverfügbarer Nährstoffe jedoch hat der gewählte<br />

Standort einen sehr großen Einfluss. Je größer die räumliche Distanz zwischen der Versuchseinrichtung,<br />

an der Düngevorschläge erarbeitet wurden, <strong>und</strong> einem landwirtschaftlichen<br />

Betrieb ist, der diese Vorschläge in die Praxis umsetzt, desto größer ist die Möglichkeit,<br />

dass die Düngeempfehlungen nicht für den Standort geeignet sind.<br />

Früher, als noch keine PA-Technologie verfügbar war, wurden von einer Vielzahl von Versuchsstationen<br />

traditionelle Gefäßversuche durchgeführt, um ein möglichst großes ökologisches<br />

Spektrum der unterschiedlichen Standortverhältnisse abzubilden.<br />

Die heutige Technologie mit GPS, variabler Ausbringungstechnik <strong>und</strong> Ertragskartierung<br />

erlaubt es, multivariate Experimente mit der ganzen Bandbreite der lokalen ökologischen<br />

Variabilität in jedem beliebigen landwirtschaftlichen Betrieb durchzuführen (REETZ, 1997;<br />

SCHROEDER <strong>und</strong> SCHNUG, 1995).<br />

Mit Hilfe des teilflächenspezifischen Managements entwickelt sich der landwirtschaftliche<br />

Betrieb in Richtung eines Data warehouses. Mit Hilfe der ges<strong>am</strong>melten Daten lassen sich


Precision Farming<br />

mit derzeit verfügbaren Strategien wie Data Mining, Expertenwissen <strong>und</strong> Wissensmanagement<br />

(NRC 1997; BAUER <strong>und</strong> GUENZEL, 2001) Regelwerke für die teilflächenspezifische<br />

Düngung entwickeln, die exakt auf den lokalen Standort angepasst sind.<br />

Neue Navigationsformen wie selbststeuernde <strong>und</strong> unbemannte Fahrzeuge werden Einzug in<br />

die Landwirtschaft halten <strong>und</strong> auch hier für einen weiteren Personalabbau sorgen. Gerade<br />

für eine automatisierte Landwirtschaft ist die Konzeption von PA unabdingbar, weil die<br />

Bordcomputer wissen müssen, was wann wo auszubringen ist.<br />

Generell werden zwei verschiedene autonome Komponenten für die Landwirtschaft benötigt.<br />

Erstens autonome Fahrzeuge, die die Landmaschinen schleppen <strong>und</strong> zweitens intelligente<br />

Technik für jeden landwirtschaftlichen Bearbeitungsschritt (Bodenbearbeitung, Aussaat,<br />

Düngung, Pflanzenschutz) <strong>und</strong> zwar zur Kontrolle der korrekten Bearbeitung <strong>und</strong> zur<br />

Anpassung der Fahrgeschwindigkeit. Die vielen unterschiedlichen Bearbeitungsgerätschaften<br />

erfordern eine Standardisierung der Kommunikation mit dem Schlepper.<br />

Der Einsatz autonomer Fahrzeuge in der Landwirtschaft ist darauf angewiesen, dass die<br />

Arbeitsabläufe störungsfrei ablaufen können. Hierbei ergeben sich Probleme, die auch in<br />

der herkömmlichen Bewirtschaftung immer noch auftreten, wie zum Beispiel das Verstopfen<br />

des Mährdreschers während der Ernte.<br />

Zudem müssen autonome Fahrzeuge auch in der Lage sein, schnell auf unvorhergesehene<br />

Ereignisse <strong>und</strong> schnelle Witterungsänderungen angemessen zu reagieren, um die Funktionsfähigkeit<br />

des Systems zu gewährleisten. Aktuelle Informationen über den Zustand des<br />

Schlages können durch bodengestützte Fernerk<strong>und</strong>ungssysteme wie z. B. LASSIE gewonnen<br />

werden (LILIENTHAL and SCHNUG, 2002). Zusätzlich kann LASSIE als Sicherheitssystem<br />

zur Überwachung der Funktionsfähigkeit der autonomen Fahrzeuge eingesetzt werden,<br />

beispielsweise zur Aktivierung eines Notschalters, falls die Fahrzeuge ihre geplante Position<br />

verlassen haben.<br />

Der Betrieb von unterschiedlichen Maschinen erfordert auch eine aktive Abstimmung untereinander,<br />

wie zum Beispiel das automatische Betanken <strong>und</strong> Entladen von autonomen<br />

Mährdreschern.<br />

Der Einsatz komplett autonomer Systeme in der Landwirtschaft hängt von der Entwicklung<br />

hoch entwickelter Technologien ab, wobei der größere Serviceaufwand die Rentabilität in<br />

Frage stellen kann. Autonome Systeme können mit geringerem Gewicht als herkömmliche<br />

Fahrzeuge konzipiert werden <strong>und</strong> somit einen Beitrag zum Schutz des Bodens vor Bodenverdichtung<br />

leisten (BLACKMORE and GRIEPENTROP, 2002).<br />

139


140<br />

Neben einer Standardisierung <strong>und</strong> Vereinheitlichung der PA-Technologien ist es erforderlich,<br />

dass es zu einer besseren Vernetzung zwischen Dienstleistern <strong>und</strong> Landwirten kommt.<br />

Die Praktiker verfügen über ein großes Maß an Erfahrungen <strong>und</strong> Kenntnissen<br />

über die Standorte. Dieses Wissen muss mit den Ergebnissen der Sensoren kombiniert <strong>und</strong><br />

optimale Strategien zur Bewirtschaftung gemeins<strong>am</strong> mit Beratern <strong>und</strong> Landwirten entwickelt<br />

werden.<br />

5 Ausblick<br />

Das Konzept des PA ist intrinsisch. Dies bedeutet, dass davon ausgegangen werden kann,<br />

dass eine variable Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen nachhaltig ist im Vergleich<br />

zu einer einheitlichen Bewirtschaftung, wo einzelne Teilflächen zum Beispiel mit Düngemitteln<br />

über- bzw. unterversorgt sind, was weder ökonomisch sinnvoll, noch ökologisch<br />

verträglich ist. Die Akzeptanz in der Praxis wird jedoch nur erhöht werden, wenn das Datenhandling<br />

<strong>und</strong> die Auswertung erheblich vereinfacht werden, beziehungsweise die Interpretation<br />

in Zus<strong>am</strong>menarbeit von Service Providern <strong>und</strong> Praktikern erfolgt. Die technische<br />

Umsetzung ist bereits verfügbar <strong>und</strong> wird sich, ähnlich wie Technologien in der Automobilbranche<br />

(z. B. ABS, Airbag), zukünftig bereits als Serienausstattung in Neufahrzeugen<br />

befinden.<br />

Sollte sich der Bereich der autonomen Fahrzeuge etablieren, derzeit gibt es vor allem versicherungstechnische<br />

Bedenken, so liefert PA die Handlungsanweisung für die selbstfahrenden<br />

Landmaschinen.<br />

Der zunehmende Kostendruck in der Landwirtschaft wird Alternativen zur Kosteneinsparung<br />

erfordern. Die Einsparung von Betriebsmitteln (Dünger <strong>und</strong> Pflanzenschutz) konnte<br />

bisher die PA-Technologie nicht finanzieren, möglicherweise liefert jedoch die Einsparung<br />

von Arbeitskräften durch den Einsatz von autonomen Systemen (SCHNUG et al., 2003) zukünftig<br />

finanziellen Spielraum für den Einsatz von PA. Allerdings sind dabei erhebliche<br />

soziale Auswirkungen auf den ländlichen Raum zu erwarten.<br />

6 Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Die Freigabe des militärischen Globalen Positionierungssystems (GPS) für die Öffentlichkeit<br />

Ende der 80er Jahre des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts weckte die Hoffnung, diese Technologie<br />

auch für die Landwirtschaft nutzbar machen zu können <strong>und</strong> eine völlig neuartige Art der<br />

Landbewirtschaftung zu etablieren. Diese wurde zunächst als „Computer Aided Farming<br />

(CAF)“ eingeführt <strong>und</strong> ist international nunmehr als „Precision Agriculture (PA)“ bekannt.<br />

Ziel dieser Technologie war bzw. ist es, mit Hilfe von GPS Landmaschinen exakt zu steu­


Precision Farming<br />

ern <strong>und</strong> die Aufwandmengen zielgenau auf den Schlägen auszubringen, um ökonomisch<br />

<strong>und</strong> ökologisch effizienter zu wirtschaften.<br />

15 Jahre nach Einführung von PA-Technologien in der Landwirtschaft ist die Euphorie der<br />

Anfangstage einer realistischeren Betrachtungsweise gewichen. Obwohl immer neue Sensoren<br />

eine Vielzahl unterschiedlichster kleinräumiger, geo-kodierter Informationen über<br />

den Schlag liefern, findet die Technologie keinen großflächigen Eingang in die landwirtschaftliche<br />

Praxis.<br />

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Precision Farming<br />

Immer mehr Daten für jeden Quadratmeter – Bodenbearbeitung<br />

<strong>und</strong> Beregnung<br />

Hans-Heinrich Voßhenrich, Heinz Sourell 1<br />

1 Einleitung <strong>und</strong> Problemstellung<br />

Viele Felder weisen mehr oder weniger starke kleinräumige Bodenunterschiede auf. Diese<br />

kleinräumigen Standortunterschiede sowie zusätzlich auch bewirtschaftungsbedingte Einflüsse<br />

<strong>und</strong> Effekte führen zu inhomogen aufgebauten Pflanzenbeständen auf den Schlägen<br />

<strong>und</strong> oft auch zu differenzierten Erträgen. Der Landwirt stimmt seine Maßnahmen (Beregnung,<br />

Bodenbearbeitung, Düngung, Pflanzenschutz etc.) auf eine durchschnittliche<br />

Standortqualität des Schlages ab. Teilflächenspezifisches Management ermöglicht in<br />

Zukunft, die Standort- <strong>und</strong> Bestandsunterschiede innerhalb eines Feldes gezielt zu<br />

berücksichtigen.<br />

2 Bausteine für Precision Farming<br />

Precision Farming ist auf digital aufbereitete Informationen angewiesen, die den Boden<br />

exakt beschreiben. Die Informationen werden in einen Entscheidungsbaum (Algorithmus)<br />

integriert. Die Entscheidung für gezielt wechselnde Intensitäten wird schließlich in Applikationskarten<br />

geografisch dargestellt. Die Durchführung der Arbeiten erfolgt mit DGPSgesteuerten<br />

Geräten.<br />

2.1 Informationsquellen<br />

Ortsspezifische Maßnahmen setzen ein detailliertes Wissen voraus. Ertragswirks<strong>am</strong>e<br />

Einflüsse, die sich aus den Bodenverhältnissen ableiten lassen, sollten möglichst lückenlos<br />

bekannt sein.<br />

Die erforderlichen Informationen zur Variabilität eines Standortes werden zukünftig aus<br />

Bohrstockproben, Informationen der Reichsbodenschätzung, Leitfähigkeitsmessungen<br />

(EM38) (Abbildung 1) <strong>und</strong> der Lokalisation von Kuppen <strong>und</strong> Senken (Relief) abgeleitet.<br />

1<br />

Dr. Hans-Heinrich Voßhenrich <strong>und</strong> Heinz Sourell, Institut für Betriebstechnik <strong>und</strong> Bauforschung, B<strong>und</strong>esforschungsanstalt<br />

für Landwirtschaft (FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, 38116 Braunschweig<br />

E-Mail: hans.vosshenrich@fal.de, heinz.sourell@fal.de<br />

147


148<br />

Abbildung 1: Karte der elektrischen Leitfähigkeit als Abgrenzung der Managementzonen<br />

Die elektromagnetische Leitfähigkeit eines Bodens erlaubt beispielsweise Rückschlüsse auf<br />

die Textur eines Bodens, ebenfalls das Georadar. Luftbilder geben Hinweise zu Pflanzenentwicklung<br />

<strong>und</strong> Ertrag. Die Reichsbodenschätzung gibt Hinweise zu Bodentyp <strong>und</strong> -art.<br />

Aus den Höhenlinien lassen sich u. a. erosionsgefährdete Zonen eines Standortes eingrenzen.<br />

Bohrstockproben geben differenzierte Rückschlüsse zu jeder der gewünschten Information.<br />

Um die Aussagen anderer Messmethoden zu relativieren (zu eichen), beispielsweise<br />

die der elektromagnetischen Leitfähigkeit, sind Bohrstockproben unverzichtbar. Der<br />

große Aufwand schränkt aber ihre Anwendung ein.<br />

2.2 Algorithmus für ortsspezifische Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Beregnung<br />

2.2.1 Algorithmus für ortsspezifische Bodenbearbeitung<br />

Eine tiefe Lockerung (20-25 cm) innerhalb eines Standortes wird dort durchgeführt, wo<br />

eine Vernässung des Bodens durch Vergleyung oder Pseudovergleyung angegeben wird,<br />

oder wo ein sandiger Boden bonitiert wird. Tief gelockert wird ebenfalls in stark ausgeprägten<br />

Senken <strong>und</strong> an Kuppen. Der Lockerungsbedarf in den Senken besteht aufgr<strong>und</strong><br />

häufig auftretender hydromorpher Erscheinungen <strong>und</strong> der Lockerungsbedarf an den Kuppen<br />

aufgr<strong>und</strong> schlechter Bodenstruktur durch geringen Humusgehalt, der durch Abtrag<br />

nach jahrzehntelangem Einsatz des Pfluges bedingt ist. Trifft keine der geschilderten Situationen<br />

zu, so wird nur auf 8 bis 10 cm Tiefe gearbeitet. Die tiefe Lockerung des Bodens


Precision Farming<br />

wird gr<strong>und</strong>sätzlich nur zu einem Zeitpunkt durchgeführt, während sich der Boden in trockenem<br />

Zustand befindet. Durch tiefe Lockerung erfolgt eine Durchlüftung schlecht mit<br />

Sauerstoff versorgter Böden. Die genannten Kriterien für flache oder tiefe Bearbeitung<br />

werden im Entscheidungsbaum nacheinander abgerufen (Abbildung 2).<br />

Abbildung 2: Entscheidungsbaum<br />

Start<br />

Tongehalt<br />

< 12 %<br />

nein<br />

hydromorphe<br />

Merkmale<br />

( rezent)<br />

nein<br />

Humuszustand<br />

mangelhaft<br />

nein<br />

erosionsgefährdeterHangbereich<br />

nein<br />

flache Bodenbearbeitung<br />

Quelle: Sommer <strong>und</strong> Voßhenrich (2002).<br />

2.2.2 Algorithmus für ortsspezifische Beregnung<br />

ja<br />

ja<br />

ja<br />

ja<br />

tiefe Bodenbearbeitung<br />

tiefe Bodenbearbeitung<br />

tiefe Bodenbearbeitung<br />

tiefe Bodenbearbeitung<br />

Die Differenzierung der Beregnungshöhe ist in ähnlicher Weise wie die Bodenbearbeitung<br />

im Wesentlichen abhängig von der Bodentextur. Zunehmender Gehalt eines Bodens an<br />

wasserbindenden Mittelporen durch zunehmenden Schluffgehalt vermindert den Beregnungsbedarf.<br />

Zunehmender Sandgehalt erhöht den Beregnungsbedarf. Die Bindung des<br />

pflanzenverfügbaren Wassers (nFK) lässt sich aus Kartieranleitungen abschätzen. Doch es<br />

fehlen handhabbare Sensoren für die Bestimmung bodenphysikalischer Par<strong>am</strong>eter, die den<br />

Bodenwasserhaushalt genauer <strong>und</strong> zeitnäher bestimmen.<br />

149


150<br />

2.3 Applikationskarten für ortsspezifische Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Beregnung<br />

Applikationskarten werden unter Einbeziehung aller verfügbaren Bodeninformationen angefertigt.<br />

Jeweils ein Beispiel für ortsspezifische Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Beregnung wird<br />

dargestellt (Abbildungen 3 <strong>und</strong> 4). Die dunklen Zonen in der Applikationskarte für Bodenbearbeitung<br />

bedeuten tiefe Bearbeitung. Hier ist der Boden, bedingt durch Textur, Hydromorphie<br />

oder Humusgehalt schlecht durchlüftet. Die hellen Zonen stehen für flaches Arbeiten.<br />

Hier ist der Boden gut durchlüftet. Die Notwendigkeit einer tiefen Bearbeitung entfällt<br />

aus diesem Gr<strong>und</strong>.<br />

Während die Bodenbearbeitung zweistufig erfolgt, wird die Beregnungshöhe vierstufig<br />

dargestellt. Böden, die durch hohen Sandgehalt (blauer Sektor) stärker zur Austrocknung<br />

neigen, werden intensiver beregnet, Böden mit hohem Schluffanteil oder höherem Humusgehalt,<br />

die das Wasser stärker binden <strong>und</strong> daher weniger austrocknungsgefährdet sind,<br />

werden weniger intensiv beregnet.<br />

Abbildung 3: Applikationskarte zur ortsspezifischen Bodenbearbeitung<br />

Quelle: Voßhenrich et al. (2001).


Precision Farming<br />

Abbildung 4: Applikationskarte für den Einsatz einer Kreisberegnungsmaschine<br />

Quelle: Al-Karadsheh (2003).<br />

3 Technik für ortsspezifische Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Beregnung<br />

3.1 Technik für ortsspezifische Bodenbearbeitung<br />

Die im Verb<strong>und</strong>projekt für Precision Agriculture „pre agro“ (SOMMER <strong>und</strong> VOSSHENRICH,<br />

2002) erstmals eingesetzte Technik für ortsspezifische Bodenbearbeitung besteht aus einem<br />

Vorlockerer (VL), einem Kreiselgrubber (KG), einer Keilringwalze (KW) <strong>und</strong> einem Exaktstriegel<br />

(ES) (Abbildung 5). Sie wurde für ortsspezifische Bodenbearbeitung durch Integration<br />

eines Hydraulikzylinders umgebaut <strong>und</strong> aufgerüstet. Der Hydraulikzylinder wird<br />

über DGPS für tiefe <strong>und</strong> flache Bodenbearbeitung ortsspezifisch angesteuert. Der Prototyp´99<br />

ist das Ergebnis einer Zus<strong>am</strong>menarbeit mit Herrn Gattermann <strong>und</strong> Herrn Marquering<br />

der Fa. Amazone (SOMMER <strong>und</strong> VOSSHENRICH, 2002).<br />

Abbildung 5: Technik für ortsspezifische Bodenbearbeitung, Prototyp`99<br />

Quelle: Sommer <strong>und</strong> Voßhenrich (2002).<br />

151


152<br />

3.2 Technik für ortsspezifische Beregnung<br />

Die technische Umsetzung erfolgt mit mobilen Beregnungs- <strong>und</strong> Kreisberegnungsmaschinen.<br />

Entsprechend sind zwei unterschiedliche Lösungswege im Versuchsstadium. Für mobile<br />

Beregnungsmaschinen wird eine Variation der Einzugsgeschwindigkeit über die beregnende<br />

Feldlänge vorgeschlagen. Bei konstantem Durchfluss ergibt sich daraus eine unterschiedliche<br />

Beregnungshöhe. Die differenzierte Einstellung der Geschwindigkeit pro<br />

Schlag kann an der Maschine gespeichert oder vom Betriebsleiter eingestellt werden.<br />

3.2.1 Einzugsgeschwindigkeit<br />

Um die Einzugsgeschwindigkeit einzustellen <strong>und</strong> zu kontrollieren sind Steuerungssysteme<br />

auf dem Markt verfügbar. Diese Geräte wurden bisher überwiegend nur für die Steuerung<br />

einer konstanten Einzugsgeschwindigkeit über das Feld benutzt. Zwei Beispiele für die<br />

variablen Geschwindigkeitseinstellungen sind in Abbildung 3 dargestellt. Für die Versuche<br />

wurden vier verschiedene Geschwindigkeiten 32, 16, 24, 40 m/h in den Geräten progr<strong>am</strong>miert.<br />

Die Versuche zur Kongruenz der Einzugsgeschwindigkeit zwischen progr<strong>am</strong>miert<br />

<strong>und</strong> gemessen, wurden über eine Messstrecke von 100 m durchgeführt. Mit dem Ziel, wie<br />

ändert sich die Beregnungshöhe mit der gewählten Geschwindigkeit. In Regenmessbechern<br />

mit einem Gitterabstand von 1x1 m wurde die Beregnungshöhe gemessen.<br />

3.2.2 Durchfluss<br />

Bei Kreisberegnungsmaschinen wurde eine Ansteuerung jeder Düse im Abstand von 3 m<br />

durchgeführt. Vor jeder Düse wurde ein Magnetventil installiert. Gr<strong>und</strong>lage für das Öffnen<br />

bzw. Schließen der einzelnen Düse ist die Applikationskarte. Ein Progr<strong>am</strong>mable Logic<br />

Control (PLC) System wurde im Institut entwickelt, um die Applikationskarte als Datei zu<br />

speichern. Die Positionsbestimmung der Maschine wurde <strong>am</strong> Zentralturm mit einem Drehsensor<br />

bestimmt. Pro Grad wird die Position festgestellt <strong>und</strong> in Abhängigkeit von der Entfernung<br />

vom Mittelpunkt der Maschine werden die Magnetventile geschaltet. Die Fahrgeschwindigkeit<br />

der Maschine war konstant. Variiert wird der Durchfluss <strong>und</strong> somit die Beregnungshöhe.<br />

Die Beregnungshöhe wird in handelsüblichen Messbechern gemessen. Dazu<br />

sind die Messbecher im Abstand von 1 Grad, mit dreifacher Wiederholung strahlenförmig<br />

aufgebaut.


Precision Farming<br />

4 Ergebnisse<br />

4.1 Ortsspezifische Bodenbearbeitung<br />

Nach ortsspezifischer Bodenbearbeitung (bodenangepasste Arbeitstiefen) wird das Ertragsniveau<br />

im Vergleich zu betriebsüblicher Bodenbearbeitung (i. d. R. konsequent tiefe Bearbeitung) gehalten<br />

(Abbildung 6). Dies belegt beispielhaft die Ertragskartierung auf dem pre agro-<br />

Versuchsstandort von Landwirt Täger-Farny aus Querenhorst (SOMMER <strong>und</strong> VOSSHENRICH,<br />

2002). An den in der Kartierung eingetragenen Monitoringpunkten wurde das Ergebnis durch<br />

Handernte zusätzlich bestätigt.<br />

Abbildung 6: Ertragskartierung <strong>und</strong> Monitoringpunkte<br />

Quelle: Voßhenrich et al. (2001); Sommer <strong>und</strong> Voßhenrich (2002).<br />

Die Vorteile ortsspezifischer Bodenbearbeitung liegen d<strong>am</strong>it auf der Hand. Das Ertragsniveau<br />

wird gehalten <strong>und</strong> dies mit weniger Aufwand. Es bleibt die Frage, unter welchen<br />

Rahmenbedingungen lohnt sich ortsspezifische Bodenbearbeitung <strong>und</strong> welche Einsparungen<br />

sind möglich? Um hierauf eine Antwort zu finden, muss die Variabilität eines Standorts<br />

betrachtet werden. Leicht <strong>und</strong> schnell zu bearbeiten ist ein sandiger Boden, schwerer<br />

ein lehmiger <strong>und</strong> besonders aufwendig ein toniger Boden.<br />

Ein Standort mit 80 % Flächenanteilen Sand, der gelockert wird, 10 % Lehm, der flach bearbeitet<br />

wird <strong>und</strong> 10 % Ton, der ebenfalls flach bearbeitet wird, bietet durch eine ortsspezifische<br />

Bodenbearbeitung mit 82 % Dieselverbrauch gegenüber betriebsüblich mit 100 %<br />

weniger Einsparpotenzial als ein Standort mit nur 20 % Sand, 40 % Lehm <strong>und</strong> 40 % Ton<br />

153


154<br />

(Abbildung 7). Der Erfolg ortsspezifischer Bodenbearbeitung hängt d<strong>am</strong>it entscheidend<br />

von der Variabilität einer Fläche ab.<br />

Ähnlich ist die Situation hinsichtlich der Flächenleistung. Ein Standort mit hohen Lehm-<br />

<strong>und</strong> Tonanteilen bietet mittels ortsspezifischer Bodenbearbeitung größere Vorteile als ein<br />

Sandstandort mit wenig Ton- <strong>und</strong> Lehmanteilen (Abbildung 8).<br />

Abbildung 7: Dieselverbrauch für Gr<strong>und</strong>bodenbearbeitung<br />

Dieselverbrauch (%)<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

82<br />

Flächenanteil<br />

(%)<br />

Sand 80<br />

Lehm 10<br />

Ton 10<br />

Quelle: Sommer <strong>und</strong> Voßhenrich (2002).<br />

betriebsüblich krumentief<br />

45<br />

Flächenanteil<br />

(%)<br />

Sand 20<br />

Lehm 40<br />

Ton 40<br />

ortsspezifisch<br />

Abbildung 8: Flächenleistung bei 3 m Arbeitsbreite<br />

Flächenausstattung (ha/h)<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Lockerung<br />

krumentief = 25 cm<br />

flach = 5-10 cm<br />

Zugkraftbedarf für<br />

Sand = 1<br />

Lehm = 1,5<br />

Ton = 2<br />

v<br />

v<br />

v<br />

v<br />

v<br />

Arbeitsgeschwindigkeit<br />

Sand<br />

Lehm<br />

Ton<br />

Lehm<br />

Ton<br />

4,28<br />

3,75<br />

Flächenanteil<br />

3,17<br />

Flächenanteil<br />

(%)<br />

Sand 80<br />

(%)<br />

Sand 20<br />

2,34<br />

Lehm<br />

Ton<br />

10<br />

10<br />

Flächenanteil<br />

(%)<br />

Lehm<br />

Ton<br />

40<br />

40<br />

Flächenanteil<br />

(%)<br />

Sand 80<br />

Sand 20<br />

Lehm 10<br />

Lehm 40<br />

Ton 10<br />

Ton 40<br />

ortsspezifisch betriebsüblich ortsspezifisch betriebsüblich<br />

Quelle: Sommer <strong>und</strong> Voßhenrich (2002).<br />

- tief<br />

- tief<br />

- tief<br />

- flach<br />

- flach<br />

=<br />

=<br />

=<br />

=<br />

=<br />

12 km/h<br />

9 km/h<br />

6 km/h<br />

15 km/h<br />

15 km/h


Precision Farming<br />

4.2 Ortsspezifische Beregnung<br />

4.2.1 Beregnungshöhenanpassung durch Geschwindigkeitswahl<br />

Nachdem die Applikationskarte festgelegt wurde, sollen unterschiedliche Beregnungshöhen<br />

über die zu beregnende Fläche verteilt werden, um die ungleiche Wasserspeicherfähigkeit<br />

des Bodens auszugleichen.<br />

In Abbildung 9 ist beispielhaft ein Geschwindigkeitswechsel von 32 auf 16 m/h eingestellt.<br />

Die Beregnungshöhe steigt dann von 22 auf 45 mm. Es wurden auch Versuche mit anderen<br />

Einstellungen durchgeführt, die zu ähnlich guten Ergebnissen führten. Die Geschwindigkeit<br />

ändert sich innerhalb von 2 m, dagegen wurde für die Änderung der Beregnungshöhe ein<br />

Übergangsbereich von ca. 16 m benötigt. Dieser Bereich wurde unter einem Düsenwagen<br />

gemessen. Bei einem Einsatz eines Großflächenregners würde dieser Übergangsbereich<br />

größer werden. Somit ist es möglich, mit mobilen Beregnungsmaschinen unterschiedliche<br />

Beregnungshöhen in Abhängigkeit von Boden oder Pflanzen zu verteilen.<br />

Abbildung 9: Beregnungshöhe in Abhängigkeit von der Einzugsgeschwindigkeit<br />

Beregnungshöhe (mm)<br />

60 60<br />

WH 1 2 3 4 5 6<br />

50<br />

Mittelwert V<br />

50<br />

40 40<br />

30 30<br />

20 20<br />

10 10<br />

0 0<br />

0 10 20 30 40 50 60<br />

Quelle: Al-Karadsheh (2003).<br />

Länge der Messstrecke (m)<br />

4.2.2 Beregnungshöhenanpassung durch Durchflussveränderung<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die differenzierte Beregnung mit einer Kreisberegnungsmaschine ist wieder<br />

die Applikationskarte. Auf der Fläche eines ausgewählten Kreissektors wurde die theoretisch<br />

berechnete <strong>und</strong> im PLC progr<strong>am</strong>mierte Beregnungshöhe überprüft. In Abbildung 10<br />

ist die berechnete <strong>und</strong> gemessene Beregnungshöhe entlang der Rohrleitung einer Kreisberegnungsmaschine<br />

gemessen. Diese ersten Versuche zeigen eine gute Übereinstimmung der<br />

Soll-Ist-Werte. Der flache Anstieg oder Abfall der Wasserverteilung ist auf die Wurfweite<br />

155<br />

Einzugsgeschwindigkeit V (m/h)


156<br />

der Düsen mit ca. 8 m zurückzuführen. Dieser Verlauf ist positiv zu bewerten <strong>und</strong> passt<br />

sich dem Verlauf der Bodenunterschiede gut an.<br />

Abbildung 10: Differenzierte Wasserverteilung einer Kreisberegnungsmaschine entlang<br />

einer Messstrecke<br />

Beregnungshöhe (mm)<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0<br />

WH 1<br />

2 3 4 5<br />

Ziel Ist<br />

5 Schlussfolgerung<br />

eingespart<br />

10 20 30 40 50<br />

Länge der Messstrecke (m)<br />

Die vorgestellten Techniken beschreiben den Anfang einer neuen landtechnischen Generation.<br />

Wurde in vergangenen Jahrzehnten immer wieder versucht, die Feldarbeiten möglichst<br />

gleichmäßig durchzuführen, so soll zukünftig differenzierter auf dem Feld gearbeitet<br />

werden.<br />

Die differenzierte Bearbeitung entspricht der „Guten Fachlichen Praxis“. Die Böden werden<br />

geschont <strong>und</strong> mit an ihrem Potenzial angepasster Intensität bewirtschaftet. Je nach<br />

Ausrichtung kann Energie <strong>und</strong> Zeit eingespart werden, wie <strong>am</strong> Beispiel der Bodenbearbeitung<br />

gezeigt, oder es wird durch gezielte Beregnung Wasser eingespart.<br />

Für die Bodenbearbeitung <strong>und</strong> Beregnung wurden Techniken vorgestellt, die eine differenzierte<br />

Bearbeitung gestatten. Es handelt sich weitgehend um Prototypen, die aber realistisch<br />

Zukunftschancen aufweisen. Die für ortsspezifische Maßnahmen erforderliche Datenbasis<br />

wird in Offline-Verfahren gewonnen.<br />

Der Forschungsbedarf muss sich zukünftig, dies gilt insbesondere für die Beregnung, aber<br />

auch auf die Erhebung/Ermittlung von Online-Daten aus dem Feld konzentrieren. Diese<br />

Daten, z. B. aktuelle Bodenfeuchte, werden benötigt, um gute Applikationskarten mit genau<br />

definierten Managementzonen zu entwickeln. Denn die Technik kann nur so gut arbeiten,<br />

wie sie Informationen bereitgestellt bekommt.


Precision Farming<br />

Die hier beschriebenen Arbeiten im Feld sind nur ein Ausschnitt aus dem komplexen Gebilde<br />

Precision Farming. Neben den Basisdaten aus dem Feld wird sich ein weiterer Arbeitsschwerpunkt<br />

um die Schnittenstellen-Problematik bemühen müssen. Hier besteht nach<br />

wie vor Handlungsbedarf. Wichtig ist auch die Bereitstellung digitaler Informationen, z. B.<br />

der Reichsbodenschätzung, für alle landwirtschaftlichen Flächen in allen B<strong>und</strong>esländern.<br />

Dies sollte innerhalb von einem Jahrzehnt der Fall sein, d<strong>am</strong>it anschließend die breite<br />

Landwirtschaft entsprechende Arbeiten ausführen kann. Erst dann kann der Einsatz von<br />

Applikationskarten Routine werden. Online erstellte Applikationskarten, mit GPS gesteuerten<br />

Maschinen <strong>und</strong> Geräten unter Verwendung Landwirtschaftlicher Bus-Systeme für die<br />

Steuerung verschiedener Feldarbeiten wird die zukünftige Entscheidungshilfe für den<br />

Landwirt sein.<br />

Literaturverzeichnis<br />

SOMMER C, VOSSHENRICH, HH (2002) Bodenbearbeitung. In: Precision Agriculture, Herausforderung<br />

an integrative Forschung, Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung in der<br />

Praxis. KTBL-Sonderveröffentlichung 038: 237-250.<br />

VOSSHENRICH HH, MARQUERING J, GATTERMANN B; TÄGER-FARNY W, ORTMEIER B,<br />

SOMMER C (2001) Managementsystem for DGPS-supported primary soil tillage.<br />

In: proceedings, ECPA Montpellier 2001, third european conference on precision<br />

agriculture, vol. 2, agro Montpellier, 731-736<br />

AL-KARADSHEH EW (2003) Potentials and development of precision irrigation technology.<br />

Braunschweig; FAL, Landbauforschung Völkenrode SH 248, 126 S.<br />

AL-KARADSHEH EW, SOURELL H, SOMMER C (2003) Neue Beregnungsstrategien: Precision<br />

irrigation; Teilflächenspezifische Beregnung. Kartoffelbau 54 (3): 1055-107<br />

157


158


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Können deutsche Betriebe ohne Zollschutz <strong>und</strong> ohne gekoppelte<br />

Prämien international mithalten?<br />

Folkhard Isermeyer 1<br />

1 Einleitung<br />

Der globale Wettbewerb wird für die deutsche Agrarwirtschaft in Zukunft deutlich an Bedeutung<br />

gewinnen. Die Reform der europäischen Agrarpolitik (Entkopplung der Direktzahlungen,<br />

Abschaffung der Roggenintervention), die Auswirkungen der laufenden WTO-<br />

R<strong>und</strong>e, der verbesserte Marktzugang für zahlreiche Entwicklungsländer <strong>und</strong> die Verhandlungen<br />

über ein Freihandelsabkommen mit Süd<strong>am</strong>erika werfen ihre Schatten voraus.<br />

Ziel dieses Beitrags ist es, eine Einschätzung über die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen <strong>Ackerbau</strong>betriebe zu geben. Zu diesem Zweck wird in vier Schritten<br />

vorgegangen.<br />

Zunächst wird kurz skizziert, wie sich der agrarpolitische Schutz der <strong>Ackerbau</strong>betriebe in<br />

der Vergangenheit entwickelt hat <strong>und</strong> wie er sich in Zukunft voraussichtlich entwickeln<br />

wird. Anschließend wird untersucht, welche Auswirkungen die im Jahr 2005 vorgesehene<br />

Entkopplung der Direktzahlungen auf den <strong>Ackerbau</strong> haben wird. Die Entkopplung stellt,<br />

wenn man einmal von einer möglichen Reform der Zuckermarktordnung absieht, den wichtigsten<br />

Einschnitt dar, der den <strong>Ackerbau</strong>betrieben in absehbarer Zukunft bevorsteht. Im<br />

dritten Schritt werden Produktionskosten von <strong>Ackerbau</strong>betrieben im internationalen Vergleich<br />

vorgestellt <strong>und</strong> Schlussfolgerungen für die Zukunft der Produktionsbereiche Getreide,<br />

Ölsaaten <strong>und</strong> Zucker gezogen.<br />

2 Entwicklung der agrarpolitischen Rahmenbedingungen<br />

Die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft wird maßgeblich durch die Entwicklung der<br />

EU-Agrarpolitik bestimmt. Daher muss man sich, wenn man die Zukunftsperspektiven für<br />

die deutsche Landwirtschaft vorhersagen will, unweigerlich mit der Zukunft der EU-<br />

Agrarpolitik auseinandersetzen.<br />

1<br />

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Institut für Betriebswirtschaft, B<strong>und</strong>esforschungsanstalt für Landwirtschaft<br />

(FAL), B<strong>und</strong>esallee 50, Braunschweig<br />

E-Mail: folkhard.isermeyer@fal.de<br />

159


160<br />

Die EU-Agrarpolitik durchläuft einen großen Politikzyklus, dessen Ges<strong>am</strong>tdauer auf mehr<br />

als 50 Jahre zu veranschlagen ist.<br />

– Zu Beginn ihrer Gemeins<strong>am</strong>en Agrarpolitik war die Europäische Union (EU) auf wichtigen<br />

Agrarmärkten unterversorgt. Dadurch war es relativ einfach möglich, durch staatliche<br />

Marktintervention die Inlandspreise oberhalb des Weltmarktpreisniveaus festzusetzen.<br />

Diese Politik konnte auch deshalb funktionieren, weil die EU im GATT bzw. in<br />

der WTO einen relativ hohen Zollschutz für ihre Agrarprodukte verankert hatte. Die<br />

Landwirte freuten sich über die höheren Einkommen, <strong>und</strong> die Finanzminister über die<br />

Zolleinnahmen.<br />

– Die hohen Binnenmarktpreise stimulierten die Agrarproduktion. Das führte schon bald<br />

zu Marktüberschüssen in der EU, die mit Hilfe von staatlichen Exportsubventionen auf<br />

das niedrige Weltmarktpreisniveau heruntergeschleust werden mussten. Dieses Ventil<br />

wurde durch die GATT/WTO-Verträge gebilligt, führt aber bei den Welthandelspartnern<br />

zu immer größerem Unmut. Auch die Finanzminister verloren nun die Freude an<br />

der Agrarpolitik, da die Zolleinnahmen ausblieben <strong>und</strong> immer mehr Steuermittel für<br />

die Subventionierung der Exporte eingesetzt werden mussten.<br />

– Daraufhin versuchte die EU in den 80er Jahren, die Überschussproblematik durch<br />

Mengenbegrenzungen in den Griff zu bekommen (z. B. Flächenstillegungen, Milchquoten).<br />

Es zeigte sich aber, dass die Strategie „Mengen runter, Preise rauf“ auf Dauer<br />

<strong>und</strong> in der vollen Breite der EU-Agrarwirtschaft nicht funktioniert.<br />

– Anfang der 90er Jahre wurde dann ein gr<strong>und</strong>legender Politikwechsel vollzogen. Das<br />

interne Stützpreisniveau wurde für eine Reihe wichtiger Agrarprodukte abgesenkt, <strong>und</strong><br />

im Gegenzug erhielten die Landwirte Direktzahlungen je Hektar oder je Tier. Außerdem<br />

wurde eine „zweite Säule“ der Agrarpolitik eingeführt. Hier wurden unter anderem<br />

Maßnahmen angesiedelt, an denen die Landwirte freiwillig teilnehmen können <strong>und</strong><br />

bei denen sie für konkrete Dienstleistungen, welche z. B. der Entwicklung des ländlichen<br />

Raumes oder dem Umweltschutz zugute kommen, Geld erhalten.<br />

– Mit der im Jahr 2003 beschlossenen Agrarreform werden die Direktzahlungen in der<br />

„ersten Säule“ nun vollständig von der Produktion entkoppelt. Bisher waren sie nur<br />

teilentkoppelt, d. h. die Landwirte erhielten die Prämien zwar nicht je Tonne Weizen<br />

oder Rindfleisch, aber sie mussten zumindest Weizenfelder oder Mastrinder vorweisen,<br />

um die Zahlungen zu erhalten. Künftig erhalten sie die Zahlungen ungeschmälert selbst<br />

dann, wenn sie ihre Flächen nur noch mulchen <strong>und</strong> ansonsten gar keine Landwirtschaft<br />

mehr betreiben.<br />

An dieser Stelle des Politikzyklus stehen wir heute, doch ist der Zyklus d<strong>am</strong>it noch nicht<br />

abgeschlossen. Es ist zu erwarten, dass in den kommenden 20 Jahren sowohl die entkoppelten<br />

Direktzahlungen als auch der Außenschutz teilweise abgebaut werden.


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Direktzahlungen<br />

Ein partieller Abbau der entkoppelten Direktzahlungen ist allein schon deshalb wahrscheinlich,<br />

weil (a) die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Finanzierung des EU-Budgets angesichts<br />

der Mittelknappheit in den öffentlichen Haushalten zurückgeht <strong>und</strong> weil (b) die Legitimierung<br />

von Zahlungen, die ursprünglich einmal als Ausgleich für einen Preisbruch eingeführt<br />

wurden, im Zeitablauf immer schwieriger wird.<br />

Aber auch die künftig aktiven Landwirte werden das Interesse an diesen Zahlungen immer<br />

mehr verlieren. In jenen Mitgliedstaaten, die einheitliche Zahlungen je Hektar LF vorsehen,<br />

wird der größte Teil der Zahlungen über die Pachtpreise an die Gr<strong>und</strong>eigentümer überwälzt<br />

werden. Der Pachtflächenanteil in Deutschland liegt heute bereits bei 65 %, mit deutlich<br />

steigender Tendenz. Aber auch in jenen Mitgliedstaaten der EU, die sich für eine stärkere<br />

Bindung der Zahlungen an die historische Prämiensumme der Betriebe entschieden haben,<br />

wird das System im Laufe der Zeit unter Druck geraten. Dort profitieren weniger die<br />

Gr<strong>und</strong>eigentümer, sondern in erster Linie die Landwirte der Periode 2000/02. Je weiter der<br />

Strukturwandel voranschreitet, desto größer wird der Teil der Prämiensumme, welcher von<br />

den künftig aktiven Landwirten an die ehemals aktiven Landwirte („Sofabauern“) transferiert<br />

wird. Mittel- <strong>und</strong> langfristig profitieren aber auch hier in zunehmendem Maße die<br />

Gr<strong>und</strong>eigentümer, da die Fläche, die zur Aktivierung der Prämienrechte nötig ist, immer<br />

knapper wird. Kurzum: Die künftig aktiven Landwirte werden in allen Regionen der EU<br />

erkennen, dass sie in der gesellschaftlichen Diskussion als Subventionsempfänger <strong>am</strong> Pranger<br />

stehen, während sie aufgr<strong>und</strong> der Überwälzungseffekte von diesen Zahlungen immer<br />

weniger profitieren.<br />

Ein weiterer Aspekt, der Landwirten in allen Mitgliedstaaten zu denken geben wird: Je länger<br />

die Zahlungen auf hohem Niveau bleiben, desto schwieriger wird es für die Agrarpolitik,<br />

den Forderungen nach (a) betrieblichen Obergrenzen <strong>und</strong> (b) Bindung zusätzlicher<br />

Umweltauflagen an die Zahlungen (cross compliance) zu widerstehen. Es bleibt abzuwarten,<br />

ob die Landwirte das Risiko fortwährend steigender Auflagen in Kauf nehmen wollen,<br />

wenn absehbar ist, dass die Zahlungen aus den oben genannten Gründen letztlich doch abgebaut<br />

werden.<br />

Außenschutz<br />

Deutschland <strong>und</strong> die übrigen Mitgliedstaaten der EU haben ein großes volkswirtschaftliches<br />

Interesse daran, dass die WTO-R<strong>und</strong>e erfolgreich zum Abschluss gebracht wird. Um<br />

diesen Abschluss zu erreichen, muss die EU den Forderungen der Handelspartner nach einer<br />

Liberalisierung der Agrarhandelspolitik zumindest teilweise entgegenkommen. Partikularinteressen<br />

des Agrarsektors spielen letztlich nur eine untergeordnete Rolle, wenn es um<br />

den Ges<strong>am</strong>tabschluss geht.<br />

Für den Agrarbereich ist zu erwarten, dass die Exportsubventionen schneller abgebaut werden<br />

als der Importschutz. Wenn die Exportsubventionen fallen, wird bei allen Produkten,<br />

auf denen die EU Überschüsse produziert, der Binnenmarktpreis auf Weltmarktniveau sin­<br />

161


162<br />

ken. Sinkt der Selbstversorgungsgrad der EU jedoch bei einem Produkt unter 100 % (bzw.<br />

90 %, wenn in der WTO 10 % Importquoten vereinbart sind), dann bildet sich nach den<br />

Gesetzen von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage ein interner Gleichgewichtspreis heraus, der oberhalb<br />

des Weltmarktpreises liegt <strong>und</strong> eine weitgehende Selbstversorgung der EU gewährleistet.<br />

Auf sehr lange Sicht ist d<strong>am</strong>it zu rechnen, dass auch der Importschutz immer weiter abgebaut<br />

wird, so dass sich EU-Preise <strong>und</strong> Weltmarktpreise immer weiter annähern werden.<br />

Dieser Prozess wird für die Landwirtschaft der EU umso schmerzfreier verlaufen, je günstiger<br />

sich die Aussichten für die Weltlandwirtschaft insges<strong>am</strong>t entwickeln. Hier gibt es berechtigte<br />

Hoffnungen, denn der wirtschaftliche Aufschwung von Teilen Asiens <strong>und</strong> Süd<strong>am</strong>erikas<br />

führt nicht nur zu einer stark steigenden Nachfrage nach Futter- <strong>und</strong> Nahrungsmitteln,<br />

sondern auch zu einer weiteren Verknappung der fossilen Energieträger <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it<br />

zu günstigeren Perspektiven für nachwachsende Rohstoffe.<br />

Die einzelnen Produktionszweige der deutschen Landwirtschaft werden von den skizzierten<br />

außenhandelspolitischen Entwicklungen in unterschiedlichem Maße betroffen sein. In der<br />

Tierhaltung ergeben sich besondere Risiken bei Rindfleisch <strong>und</strong> Milchprodukten, weil hier<br />

der Zollsatz derzeit noch in einer Größenordnung von 90 % liegt (zum Vergleich: Schwein<br />

<strong>und</strong> Geflügel 25 %). Bei den Ackerfrüchten weist Weizen mit ca. 60 % zwar einen hohen<br />

Zollsatz auf, doch kommt dieser Zollsatz nicht zur Anwendung, weil die EU bei Weizen ein<br />

Nettoexporteur ist <strong>und</strong> im Inland inzwischen Weltmarktpreise herrschen. Die Zollsätze für<br />

sonstiges Getreide betragen ca. 10 %, für Ölsaaten 0 %, so dass hier von einer weiteren<br />

Liberalisierung der Agrarhandelspolitik keine zusätzlichen Risiken ausgehen können. Ganz<br />

anders ist die Situation bei Zucker mit einem Zollsatz von über 200 %.<br />

Zwischenfazit<br />

Für Getreide <strong>und</strong> Ölsaaten ist festzustellen, dass der Zollschutz nur für Weizen ein wirks<strong>am</strong>es<br />

Sicherheitsnetz bieten könnte. Die anderen Getreidearten <strong>und</strong> die Ölsaaten stehen in<br />

der Handelspolitik schon jetzt schutzlos da <strong>und</strong> können deshalb von einer weiteren Liberalisierung<br />

nicht negativ betroffen sein.<br />

Die Politik hat die Wettbewerbsfähigkeit von Getreide <strong>und</strong> Ölsaaten bisher in erster Linie<br />

durch die gekoppelten Direktzahlungen gestützt, nicht durch den Außenschutz. Das bedeutet:<br />

Die Entkopplung der Direktzahlungen im Jahr 2005 ist der wesentliche politische Einschnitt<br />

auf dem Weg des deutschen <strong>Ackerbau</strong>es in den freien Weltmarkt.<br />

Zucker ist unter den Ackerfrüchten ein Sonderfall. Wegen des sehr hohen Zollsatzes <strong>und</strong><br />

der besonderen Konkurrenzsituation zwischen Zuckerrüben <strong>und</strong> Zuckerrohr bedarf dieser<br />

Sektor einer speziellen Analyse (Kapitel 4.4).


Wettbewerbsfähigkeit<br />

3 Auswirkungen der Entkopplung der Direktzahlungen<br />

Einige Auswirkungen der Entkopplung lassen sich durch theoretische Überlegungen vorhersagen,<br />

ohne dass es empirischer Analysen oder betriebswirtschaftlicher Berechnungen<br />

bedarf:<br />

– Durch die Entkopplung werden günstigere Voraussetzungen für eine Diversifizierung<br />

des Fruchtartenspektrums geschaffen, weil die Landwirte künftig Direktzahlungen für<br />

alle Früchte bekommen <strong>und</strong> nicht nur, wie das bisher der Fall war, für eine begrenzte<br />

Anzahl von „Marktordnungsfrüchten“.<br />

– Dieser Effekt wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass die insges<strong>am</strong>t prämienfähige<br />

Fläche für Feldobst, Feldgemüse <strong>und</strong> Speisekartoffeln durch den Luxemburger Kompromiss<br />

begrenzt worden ist (sogenannte „OGS-Regelung“). Da die politisch bedingte<br />

Sonderstellung der OGS dem Gr<strong>und</strong>prinzip der Entkopplung widerspricht, gibt es eine<br />

gewisse Chance dafür, dass die OGS-Regelung nach der nächsten Halbzeitbewertung<br />

der EU-Agrarpolitik abgeschafft wird.<br />

– Naturschutzmaßnahmen auf der landwirtschaftlichen Fläche können für die öffentliche<br />

Hand kostengünstiger werden. Das betrifft solche Maßnahmen, die eine Abkehr von<br />

der Produktion der bisherigen Marktordnungsfrüchte (z. B. Getreide, Ölsaaten) erfordern<br />

<strong>und</strong> deshalb für den Landwirt bisher zu Prämienverlust geführt haben. Wichtig ist<br />

allerdings, dass eine Beibehaltung des landwirtschaftlichen Charakters der Flächennutzung<br />

möglich bleibt, weil die Fläche ansonsten nicht zur Aktivierung der Prämienrechte<br />

genutzt werden kann.<br />

– Die quasi-obligatorische Flächenstilllegung wird zu einer räumlichen Konzentration<br />

der Stilllegungsverpflichtungen führen. Aus dem Luxemburger Beschluss ergibt sich,<br />

dass je nach B<strong>und</strong>esland für 7 bis 9 % der Ackerfläche sogenannte „Stilllegungs-<br />

Prämienrechte“ ausgegeben werden müssen. Die Landwirte können diese Rechte nur<br />

aktivieren, wenn sie die Stilllegung eines entsprechenden Flächenäquivalents nachweisen.<br />

Da diese Rechte aber handelbar sind, wird die quasi-obligatorische Flächenstilllegung<br />

aus den guten <strong>Ackerbau</strong>standorten weitgehend verschwinden <strong>und</strong> sich an den ungünstigen<br />

Standorten konzentrieren.<br />

– Angesichts dieser Wirkungen ist es wahrscheinlich, dass die quasi-obligatorische Flächenstilllegung<br />

in der Halbzeitbewertung 2009 unter Druck geraten wird, zumal sie<br />

weder mit dem Gr<strong>und</strong>prinzip der Entkopplung in Einklang zu bringen ist noch nennenswerte<br />

Marktentlastungen auslöst. Man kann also darauf spekulieren, dass diese<br />

Form der Stilllegung nach 2010 nicht mehr existieren wird.<br />

Die wichtigste Frage lässt sich jedoch mit einem ausschließlich theoretischen Ansatz nicht<br />

beantworten. Sie lautet: Können die <strong>Ackerbau</strong>betriebe in den verschiedenen Regionen<br />

Deutschlands überhaupt ohne Direktzahlungen rentabel produzieren? Oder ist es für sie<br />

rentabler, den Betrieb komplett stillzulegen, die Flächen per Bewirtschaftungsvertrag ein­<br />

163


164<br />

mal jährlich mulchen zu lassen <strong>und</strong> die Direktzahlungen weitgehend ungeschmälert für ihre<br />

Lebenshaltung zu verwenden? Betriebszweiganalysen zeigen, dass derzeit die Vollkosten<br />

des <strong>Ackerbau</strong>s in vielen Betrieben deutlich höher liegen als die Markterlöse. Für diese Betriebe<br />

lohnt es sich über Stilllegung nachzudenken. Die Kalkulation ist einfach: Wer weiter<br />

wirtschaftet wie bisher, muss einen Teil der Direktzahlungen für die Abdeckung der laufenden<br />

Verluste verwenden, <strong>und</strong> wer stilllegt, muss einen Teil der Direktzahlungen für die<br />

Flächenpflege verwenden. Wenn also die Verluste aus laufender Produktion höher sind als<br />

die Kosten des Mulchens, dann ist die Stilllegung die rentablere Variante.<br />

Dieses war der Ausgangspunkt für eine empirische Analyse, die EBMEYER (2004) <strong>am</strong> Beispiel<br />

eines <strong>Ackerbau</strong>betriebes in Ostwestfalen-Lippe vorgenommen hat. Die Analyse erfolgte<br />

in enger Zus<strong>am</strong>menarbeit mit einem „Panel“ von Landwirten des dortigen Arbeitskreises<br />

für Betriebsführung. Der modellierte Betrieb ist als typischer Betrieb für die Gruppe<br />

der großen <strong>Ackerbau</strong>betriebe der Region anzusehen. Die Flächenausstattung beträgt 260 ha<br />

LF, davon 120 ha Pacht (Pachtpreis 320 Euro/ha), das Ertragsniveau im Weizenanbau liegt<br />

bei 80 dt/ha, <strong>und</strong> 14 % der Ackerfläche werden mit Zuckerrüben bebaut. Vier Strategien<br />

wurden analysiert:<br />

– Der Betrieb wirtschaftet weiter wie bisher.<br />

– Der Betrieb bleibt erhalten, legt aber die ges<strong>am</strong>te Fläche still <strong>und</strong> erhält weiterhin die<br />

Direktzahlungen.<br />

– Der Betrieb bleibt erhalten, überlässt die Flächen unentgeltlich dem Nachbarbetrieb,<br />

erhält aber weiterhin die Direktzahlungen.<br />

– Der Betrieb pachtet unentgeltlich 140 ha von Nachbarbetrieben hinzu. Die Direktzahlungen<br />

für diese Flächen bleiben bei den Nachbarbetrieben. Um die Zupacht ohne zusätzliche<br />

Maschineninvestitionen <strong>und</strong> ohne Aufstockung des Besatzes an ständigen Arbeitskräften<br />

zu bewältigen, passt der Betrieb die Fruchtfolge an (mehr Sommergetreide)<br />

<strong>und</strong> beschäftigt mehr Aushilfskräfte <strong>und</strong> Lohnunternehmer.<br />

Die Ergebnisse zeigen: Sofern außerlandwirtschaftliche Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden<br />

sind, liegen die Varianten „Mulchen“ <strong>und</strong> „weiter wie bisher“ ökonomisch gleichauf,<br />

allerdings auf unbefriedigendem Niveau. Weitaus rentabler als diese beiden Varianten<br />

sind die beiden „Strukturwandel“-Varianten, d. h. entweder die kostenlose Überlassung der<br />

eigenen Fläche an einen wachsenden Betrieb oder das eigene betriebliche Wachstum durch<br />

kostenlose Übernahme von Nachbarflächen. Schlussfolgerung: Der Strukturwandel in Richtung<br />

auf größere Einheiten wird durch die Entkopplung weiter beschleunigt, <strong>und</strong> ein großflächiges<br />

Brachfallen ist auf guten <strong>Ackerbau</strong>standorten nicht zu erwarten, solange die<br />

Weltmarktpreise nicht deutlich absinken.<br />

Aus diesen Ergebnissen können keine Schlussfolgerungen darüber abgeleitet werden, wie<br />

der <strong>Ackerbau</strong> an ertragsschwachen Standorten auf die Möglichkeit zur Stilllegung ganzer


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Betriebe reagieren wird. Ein zunehmender Strukturwandel in Richtung auf größere Betriebe<br />

<strong>und</strong> Extensivierung (im weiteren Sinne) ist auch hier zu erwarten, doch bleibt die offene Frage,<br />

bei welchen Standortbedingungen in Deutschland trotz Strukturwandel keine rentable<br />

Bewirtschaftung mehr möglich ist. Hierzu sind weitere empirische Analysen erforderlich.<br />

4 Internationale Produktionskostenvergleiche<br />

4.1 Das Konzept des IFCN<br />

Bis vor wenigen Jahren gab es weder eine einzelbetriebliche Datenbank, die international<br />

vergleichbare Kennziffern enthält, noch ein Expertennetzwerk, das entsprechende Resultate<br />

kurzfristig hervorbringen könnte. Die wenigen Ad-hoc-Studien, in denen überhaupt internationale<br />

Vergleiche durchgeführt wurden, zeigten immer wieder, dass eine einfache Zus<strong>am</strong>menführung<br />

von nationalen betriebswirtschaftlichen Datenbanken im globalen Maßstab (a)<br />

organisatorisch außerordentlich aufwändig ist <strong>und</strong> (b) wegen der vielfältigen methodischen<br />

Unterschiede bei der Datenerhebung <strong>und</strong> -aufbereitung oft keine belastbaren Ergebnisse<br />

hervorbringt (ISERMEYER, 1988).<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat die FAL in der Mitte der 90er Jahre die Initiative zum Aufbau eines<br />

geeigneten organisatorischen <strong>und</strong> methodischen Instrumentariums für international vergleichende<br />

Analysen ergriffen. Mit dem International Farm Comparison Network (IFCN) wurde<br />

ein internationales Netzwerk ins Leben gerufen, in dem Wissenschaftler, Berater <strong>und</strong><br />

Landwirte aus vielen verschiedenen Ländern zus<strong>am</strong>menwirken. Auf diese Weise soll im<br />

Laufe der Zeit ein universell einsetzbares Informationssystem entstehen, das in der Lage<br />

ist, bei Bedarf kurzfristig weltweite Einblicke in Produktionsmethoden, Produktionskosten<br />

sowie Rahmenbedingungen <strong>und</strong> Zukunftsperspektiven der Agrarproduktion zu geben. Im<br />

Netzwerk werden sogenannte „typische Betriebe“ erfasst <strong>und</strong> unter Verwendung international<br />

harmonisierter Methoden quantitativ analysiert (DEBLITZ et al., 1998; HEMME, 2000).<br />

Inzwischen verläuft der Aufbau des IFCN nach Branchen getrennt <strong>und</strong> in zunehmendem<br />

Maße mit Unterstützung ausgegründeter Firmen. Im Bereich „Milch“ ist der Aufbau der<br />

Partnerstruktur <strong>am</strong> weitesten vorangeschritten. Das internationale Netzwerk von Fachleuten<br />

(Konsortium) umfasst inzwischen fast 30 Länder, die zus<strong>am</strong>men mehr als drei Viertel der<br />

Weltmilchproduktion stellen. Das Konsortium bringt jährlich den „Dairy Report“ heraus, in<br />

dem (a) die aktuelle Situation des Milchsektors <strong>und</strong> der typischen Betriebe sowie (b) die<br />

Ergebnisse spezieller Studien vorgestellt werden (HEMME et al., 2003). Im Bereich „Rindfleisch“<br />

befindet sich das Konsortium derzeit in der Gründungsphase. Bisher sind zwei<br />

„Beef Reports“ erschienen (DEBLITZ et al., 2003), allerdings ist die nachhaltige Finanzierung<br />

der Zus<strong>am</strong>menarbeit hier noch nicht gesichert. Im Bereich „<strong>Ackerbau</strong>“ wurden Weizen,<br />

Ölsaaten <strong>und</strong> Zucker zunächst im Rahmen in Dissertationsvorhaben für einen Zeit­<br />

165


166<br />

punkt analysiert (MÖLLER, 2004; PARKHOMENKO, 2004; RIEDEL, 2004). Der Aufbau einer<br />

nachhaltigen Konsortialstruktur konnte hier allerdings erst ab 2004 in Angriff genommen<br />

werden. Der erste „Arable Crop Report“ für Ölsaaten <strong>und</strong> Getreide wird voraussichtlich im<br />

Herbst 2005 erscheinen.<br />

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können die IFCN-Ergebnisse im Bereich <strong>Ackerbau</strong> bestenfalls<br />

erste Anhaltspunkte für die Beurteilung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit liefern,<br />

ein belastbares Ges<strong>am</strong>tbild wird erst in einigen Jahren vorliegen. Bei der Interpretation<br />

der nachfolgend präsentierten Produktionskostenvergleiche ist vor allem zu berücksichtigen,<br />

dass (a) die ausgewählten Betriebe nur einen kleinen Ausschnitt aus den vielfältigen<br />

<strong>Ackerbau</strong>systemen der teilnehmenden Staaten abbilden, dass (b) beim gegenwärtigen Entwicklungsstand<br />

des Netzwerks nur Ergebnisse für die Ist-Situation vorliegen, nicht jedoch<br />

zukunftsgerichtete Simulationen, <strong>und</strong> dass (c) die Vollkostenrechnung für die Beurteilung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Ackerfrüchte nur eingeschränkt brauchbar ist. Die<br />

Durchführung von Simulationsrechnungen, in denen die Anpassung typischer Betriebe an<br />

künftige Preis- <strong>und</strong> Politikszenarien projektiert wird, soll in einem künftig stabilisierten<br />

Netzwerk stärkere Verbreitung finden.<br />

4.2 Ergebnisse für Getreide<br />

MÖLLER (2004) untersucht in einem primär methodisch ausgerichteten Dissertationsvorhaben<br />

die Kostenstrukturen der Weizenerzeugung an ausgewählten Produktionsstandorten in<br />

Nord<strong>am</strong>erika <strong>und</strong> Deutschland. Zwischenergebnisse aus dieser Analyse sind in den Abbildungen<br />

1 <strong>und</strong> 2 dargestellt.<br />

Abbildung 1 veranschaulicht <strong>am</strong> Beispiel von zwei Betrieben einige f<strong>und</strong><strong>am</strong>entale Unterschiede,<br />

die beim Weizenanbau zwischen Deutschland <strong>und</strong> den meisten Exportstandorten in<br />

Übersee bestehen. Die beiden ausgewählten Betriebe aus North Dakota (USA) <strong>und</strong> der<br />

Magdeburger Börde (Deutschland) unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des Ertragsniveaus<br />

(2,6 t/ha gegenüber 7,2 t/ha). Dem niedrigen Ertragsniveau entsprechend, produziert<br />

der US-Betrieb auf einem wesentlich niedrigeren Intensitätsniveau. Der Ges<strong>am</strong>taufwand<br />

(Vollkosten, ohne Pachtansatz) liegt bei ca. 300 $/ha, verglichen mit ca. 880 $/ha im ostdeutschen<br />

Betrieb. Die Produktionskosten (ohne Pachtansatz) liegen jedoch in beiden Betrieben<br />

ungefähr gleichauf, weil in Deutschland nicht nur die Kosten je Hektar, sondern<br />

auch die Erträge je Hektar ungefähr dreimal so hoch liegen wie in den USA.


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Abbildung 1: Produktionskosten für Weizen, 2000<br />

Es muss allerdings zu denken geben, dass der ausgewählte ostdeutsche Betrieb trotz günstiger<br />

Betriebsstruktur <strong>und</strong> wesentlich höherer Erträge nicht in der Lage ist, kostengünstiger<br />

zu produzieren als der US-Betrieb.<br />

Um die Ursachen hierfür zu erkennen, sind weiterführende betriebswirtschaftliche Analysen<br />

erforderlich. Einen Anhaltspunkt gibt bereits die Analyse der beiden Kostenkomponenten<br />

Diesel <strong>und</strong> Stickstoffdünger, die ebenfalls Abbildung 1 dargestellt ist. Die für die<br />

Landwirte relevanten Dieselpreise lagen im Jahr 2000 im US-Betrieb mit 0,16 $/l nur etwa<br />

halb so hoch wie im deutschen Betrieb. Es ist bemerkenswert, dass die „Effizienz“ des Dieseleinsatzes<br />

- ausgedrückt in Liter Diesel pro Tonne Weizen – im Magdeburger Betrieb<br />

wesentlich höher ist als im US-Betrieb. Dies könnte auf das wesentlich höhere Ertragsniveau<br />

in Deutschland zurückzuführen sein, vielleicht aber auch auf die höheren Dieselpreise<br />

<strong>und</strong> die dadurch ausgelöste Spars<strong>am</strong>keit. Aufgr<strong>und</strong> des effizienteren Einsatzes sind die<br />

Dieselkosten je t Weizen im ausgewählten ostdeutschen Betrieb trotz des Preisnachteils<br />

sogar etwas niedriger als im ausgewählten US-Betrieb.<br />

Der US-Betrieb kann Stickstoff-Düngemittel einsetzen, die deutlich preisgünstiger sind als<br />

die Düngemittel, die der deutsche Betrieb einsetzt (0,24 gegenüber 0,30 $/kg N). Die Verwendung<br />

von Ammoniakgas hat weite Verbreitung in den USA, ist in Deutschland in dieser<br />

Form aber nicht zulässig. Der Magdeburger Betrieb verwendet AHL. Bezüglich der Effizienz<br />

des Faktoreinsatzes zeichnet sich für den Magdeburger Betrieb auch beim Stickstoff<br />

167


168<br />

ein Vorteil gegenüber dem North-Dakota-Betrieb ab, der aber angesichts des höheren<br />

Stickstoffpreises nicht ausreicht, um auch einen Vorteil in den Stückkosten zu erlangen.<br />

Die relativ geringe Stickstoffeffizienz im North-Dakota-Betrieb ist zum einen auf die relativ<br />

hohen Verluste bei der Verwendung von Ammoniakgas zurückzuführen, zum anderen<br />

auf die Tatsache, dass im ausgewählten US-Betrieb die Ausbringung der ges<strong>am</strong>ten Stickstoffmenge<br />

zu Weizen aus arbeitstechnischen Gründen einmalig im Herbst erfolgt. Zu diesem<br />

Zeitpunkt kann kaum eine realistische Einschätzung des möglichen Ertrages erfolgen, was in<br />

jener Region bedeuts<strong>am</strong> ist, da die Weizenerträge dort sehr großen Schwankungen unterliegen.<br />

Diese Ergebnisse deuten an, dass die Ausprägung der wettbewerbsrelevanten rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen (Umweltgesetze, Baugesetze, Nachbarschaftsrecht, etc.) von erheblicher<br />

Bedeutung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Produktionssysteme<br />

sein kann. Dieser Aspekt soll bei der Weiterentwicklung des IFCN verstärkt<br />

beachtet werden, um auch der Politik Hinweise geben zu können, wie sie zu einer Verbesserung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit beitragen kann.<br />

Abbildung 2 zeigt die Produktionskosten für Weizen in sechs ausgewählten <strong>Ackerbau</strong>betrieben<br />

Nord<strong>am</strong>erikas <strong>und</strong> Deutschlands. Auch hier handelt es sich durchweg um Großbetriebe,<br />

bei denen die Kostendegression weitgehend ausgeschöpft ist. Die drei kanadischen<br />

Betriebe weisen mit ca. 75 US-$ je Tonne Weizen (ohne Pachtansatz) einen deutlichen<br />

Kostenvorsprung gegenüber den ausgewählten Standorten in Ostdeutschland <strong>und</strong> in den<br />

USA auf, die bei ca. 100 US-$ je Tonne liegen. Innerhalb Kanadas schneiden ertragreiche<br />

Betriebe bzw. Standorte besser ab als ertragschwache, doch wird auch in dieser Abbildung<br />

deutlich, dass Deutschland seinen Ertragsvorteil nicht in einen Kostenvorteil verwandeln<br />

kann.<br />

Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit reichen Analysen von Loco-Hof-Produktionskosten<br />

nicht aus, weil die Waren aus verschiedenen Herkunftsländern erst <strong>am</strong> Ort des<br />

Verbrauchs in einen Wettbewerb zueinander treten. Bezieht man die Transport- <strong>und</strong> Vermarktungskosten<br />

(Zielhafen Algerien) in die Analyse mit ein, liegen die Ges<strong>am</strong>tkosten für<br />

die deutschen Herkünfte auf ungefähr gleicher Höhe wie die nord<strong>am</strong>erikanischen Herkünfte.<br />

In einem weiteren Ergänzungsschritt berücksichtigt MÖLLER auch die Wertdifferenzen<br />

der an den verschiedenen Standorten erzeugten Weizenqualitäten. Dadurch erlangen die<br />

kanadischen Anbieter wieder einen Kostenvorteil in der Größenordnung von 10 bis 20 %<br />

gegenüber den ostdeutschen <strong>und</strong> den US-<strong>am</strong>erikanischen Anbietern, die ungefähr gleichauf<br />

liegen.


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Abbildung 2: Produktionskosten für Weizen, 2000<br />

US-$/t<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

Deutscher<br />

Qualitätsweizen/<br />

Brotweizen<br />

Canada Western<br />

Red Spring<br />

Canada Western<br />

Red Spring<br />

Bodenkosten<br />

Direktkosten<br />

Arbeitserledigungskosten<br />

Allgemeinkosten<br />

Zinskosten<br />

Canada Prairie<br />

Spring Red<br />

0<br />

Ertrag (t/ha) 8,4 1,9 2,7 3,2 2,8 2,7<br />

Standort Binnenland Brown Soil Black Soil Süd-Zentral- Zentral-Nord-<br />

Mecklenburg Kansas Dakota<br />

Land Deutschland Kanada/Saskatchewan USA<br />

Quelle: Möller (2003).<br />

169<br />

Hard Red Dark Northern<br />

Winter<br />

Spring<br />

Das relativ günstige Ges<strong>am</strong>tbild, das sich aus den bisher vorgestellten Ergebnissen für die<br />

Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Weizenanbaues ergibt, darf nicht ohne weiteres auf<br />

andere Getreidearten übertragen werden. Die Abbildungen 3 <strong>und</strong> 4 zeigen, dass Deutschland<br />

beim Weizenertrag weit aus der Gruppe der Übersee-Exportstandorte herausragt, während<br />

die internationalen Ertragsunterschiede bei Mais wesentlich schwächer ausfallen. Vor<br />

diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint es sinnvoll, die bisher nur für Weizen vorliegenden Analysen<br />

des IFCN baldmöglichst auf den Futtergetreidesektor auszudehnen.<br />

Abbildung 3: Weizenerträge, 1970 bis 2003<br />

dt/ha<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Deutschland<br />

USA<br />

Kanada<br />

Brasilien<br />

Argentinien<br />

Australien<br />

1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003<br />

Jahre


170<br />

Abbildung 4: Maiserträge, 1970 bis 2003<br />

dt/ha<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Deutschland<br />

USA<br />

Kanada<br />

Brasilien<br />

Argentinien<br />

Australien<br />

1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003<br />

Jahre<br />

4.3 Ergebnisse für Ölsaaten<br />

Die erste IFCN-Analyse für pflanzliche Produkte, die alle wichtigen Erzeugerländer umfasst,<br />

wurde von PARKHOMENKO (2004) für den Bereich der Ölfrüchte vorgelegt. Die Ergebnisse<br />

der Vollkostenrechnungen werden in Abbildung 5 zus<strong>am</strong>mengefasst. Dabei wurden<br />

die Kosten der verschiedenartigen Ölfrüchte auf die Bezugseinheit „Rapsäquivalent“<br />

umgerechnet.<br />

Abbildung 5: Produktionskosten von Ölfrüchten<br />

€/t Rapsäquivalent<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

CA-1214<br />

CA-2430<br />

CA-1214<br />

CA-2024<br />

Raps Sojabohnen<br />

Palmöl<br />

(FFB)<br />

DE-700<br />

DE-1500<br />

DE-560<br />

DE-1300<br />

CN-0.34<br />

AR-250<br />

AR-350<br />

AR-1500<br />

BR-500<br />

BR-1000<br />

USA-713<br />

USA-1903<br />

USA-1012<br />

USA-1943<br />

USA-405<br />

USA-810<br />

CN-4.3<br />

CN-1.2<br />

Kanada Deutsch- China Süd<strong>am</strong>erika USA China Südostland<br />

asien<br />

Quelle: Parkhomenko (2003).<br />

ID-2<br />

ID-2500<br />

MY-2300<br />

MY-4300<br />

Verarbeitungskosten<br />

Einrichtungskosten<br />

Landkosten<br />

Zinskosten<br />

Gemeinkosten<br />

Betriebskosten<br />

Direktkosten


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Als besonders kostengünstige Produktionsstandorte erweisen sich Malaysia <strong>und</strong> Indonesien<br />

(Palmöl) sowie Brasilien <strong>und</strong> – mit Abstrichen – Argentinien (Sojabohnen). Im Vergleich<br />

dazu liegen die Kosten (ohne Bodenkosten) für den Sojabohnenanbau in den USA <strong>und</strong> den<br />

Rapsanbau in Kanada um ca. 50 % höher, für den Rapsanbau in Deutschland um ca. 100 %<br />

höher. Hierbei handelt es sich um ostdeutsche Großbetriebe. Es ist davon auszugehen, dass<br />

die Kosten in typischen westdeutschen <strong>Ackerbau</strong>betrieben noch höher liegen.<br />

Wie bereits beim Weizen ist auch bei Raps <strong>und</strong> Sojabohnen festzustellen, dass die deutschen<br />

Betriebe Kostennachteile aufweisen, obwohl sie deutlich höhere Erträge erzielen als<br />

ihre Mitbewerber in Amerika. Die Rapserträge liegen in Deutschland bei ca. 4 t/ha, in Kanada<br />

hingegen unter 2 t/ha. Die Sojabohnenerträge in den typischen Betrieben Argentiniens,<br />

Brasiliens <strong>und</strong> den USA liegen zwischen 2,0 <strong>und</strong> 3,3 t/ha. Höhere Hektarerträge,<br />

gemessen als Summe der Komponenten Öl <strong>und</strong> Schrot, weisen lediglich die Palmölbetriebe<br />

in Indonesien <strong>und</strong> Malaysia auf.<br />

Die Frage, weshalb der Rapsanbau in Deutschland trotz des deutlichen Ertragsvorteils gegenüber<br />

Kanada einen so deutlichen Kostennachteil aufweist, bedarf der weiteren Analyse.<br />

Diese wird auch zeigen, welche Kostensenkungspotenziale bestehen <strong>und</strong> was getan werden<br />

kann, um diese erforderlichenfalls zu mobilisieren.<br />

Bezieht man die Pachtkosten bzw. Pachtansätze mit ein, so verändert sich das internationale<br />

Kostengefüge vor allem zum Nachteil der USA. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen,<br />

dass diese Kostenkomponente teilweise nur die günstige Erlössituation für Ölsaaten<br />

(z. B. bedingt durch besondere politische Unterstützung in den zurückliegenden Jahren)<br />

zum Ausdruck bringt. Im Falle einer vollständigen Liberalisierung der Agrarpolitik würde<br />

diese spezielle Unterstützung verschwinden, <strong>und</strong> das würde auch zu einer Reduktion des<br />

vermeintlichen Kostennachteils „Pachtkosten“ führen. (vgl. ISERMEYER, 1988).<br />

Die in Abbildung 5 ausgewiesenen Ergebnisse für China sind mit vielen Fragezeichen zu<br />

versehen, weil die Untersuchung hier durch die eingeschränkte Datenverfügbarkeit stark<br />

begrenzt wurde <strong>und</strong> weil die Kostenberechnung in Kleinstbetrieben in besonders starkem<br />

Maße von den Annahmen über die Höhe der Opportunitätskosten für Arbeit abhängt.<br />

Generell ist bezüglich der Aussagefähigkeit der Ergebnisse anzumerken, dass bei der Anfertigung<br />

dieser von der UFOP geförderten Studie die erstmalige Gewinnung eines weltweiten<br />

Überblicks im Vordergr<strong>und</strong> stand. Dieses Ziel wurde erreicht. Belastbarere Ergebnisse<br />

lassen sich jedoch erfahrungsgemäß erst gewinnen, wenn eine nachhaltige Zus<strong>am</strong>menarbeit<br />

von Experten aufgebaut werden kann. Dies ist das Ziel eines inzwischen angelaufenen<br />

Folgeprojektes.<br />

171


172<br />

4.4 Ergebnisse für Zucker<br />

In einer ersten IFCN-Analyse für den Zuckersektor hat RIEDEL (2004) die Produktionskosten<br />

von Zuckerrüben <strong>und</strong> Zuckerrohr untersucht. Bisher konnten allerdings nur typische<br />

Betriebe aus den USA, Australien <strong>und</strong> Deutschland einbezogen werden, so dass wichtige<br />

Produktionsstandorte der Welt noch fehlen.<br />

Die in Abbildung 6 zus<strong>am</strong>mengestellten Ergebnisse weisen die Zuckerrohrproduktion in<br />

Australien als besonders kostengünstig aus. Der Kostenvorteil gegenüber den deutschen<br />

Betrieben liegt (ohne Pachtansatz) in der Größenordnung von 30 bis 70 Euro je Tonne Zucker.<br />

Innerhalb Deutschland weisen die beiden Betriebe der Magdeburger Börde besonders<br />

günstige Kostenwerte aus, da sie relativ hohe Zuckererträge mit einer sehr günstigen Agrarstruktur<br />

verbinden können. Bei fortschreitendem Strukturwandel könnten die bayrischen<br />

Betriebe aufgr<strong>und</strong> der höheren Erträge die Führung übernehmen. Die großen Zuckerrübenbetriebe<br />

in den USA liegen ungefähr auf gleicher Höhe mit den Betrieben der Magdeburger<br />

Börde. Die Zuckerrohrproduktion weist in den typischen Betrieben der USA einen deutlichen<br />

Kostennachteil gegenüber den Rübenbetrieben auf. Dieser Kostennachteil ist jedoch<br />

auf die speziellen Standortvoraussetzungen zurückzuführen <strong>und</strong> lässt keine Rückschlüsse<br />

auf das Konkurrenzverhältnis zwischen Rohr <strong>und</strong> Rübe im weltweiten Vergleich zu.<br />

Abbildung 6: Produktionskosten Zuckerrüben/-rohr, 2000<br />

€ / t Zucker Ww<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

Zuckerrüben Zuckerrohr<br />

Kosten für Boden <strong>und</strong> Rechte<br />

Zinskosten<br />

Gemeinkosten<br />

Arbeitserledigungskosten<br />

Direktkosten<br />

0<br />

Erträge (t Ww/ha) 7,1 7,1 8,2 8,2 9,3 9,3 9,6 9,6 10,7 10,7 6,3 6,3 7,8 7,8 13,2 13,4 9,2 17,0 16,2 11,1<br />

Betriebsgröße (ha) 700 1500 560 1300 100 500 120 420 70 200 1012 1944 445 1173 240 120 100 210 210 200<br />

Region Zentrales<br />

Mecklenb.-<br />

Vorpommern<br />

Magdeburger<br />

Börde<br />

Südhannover<br />

Köln-<br />

Aachen<br />

Niederbayern<br />

Red River<br />

Valley<br />

Louisiana<br />

MDIA Ather- Her- Delta BRIA Mackey<br />

ton bert<br />

Atherton Burdekin<br />

Tablelands<br />

Land Deutschland USA Australien<br />

Wechselkurs: 1 US-$ = 1,09 EUR, 1 $A = 0,63 EUR.<br />

Quelle: Riedel (2003).


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Einen breiter angelegten Kostenvergleich für die Zuckerwirtschaft haben ZIMMERMANN<br />

<strong>und</strong> ZEDDIES (2003) angestellt. Ein besonderer Pluspunkt der Hohenheimer Analyse besteht<br />

darin, dass der Kostenvergleich über die landwirtschaftliche Produktionsstufe hinausgeht<br />

<strong>und</strong> auch den Transport, die Verarbeitung <strong>und</strong> die Nebenprodukte umfasst. Dies ist beim<br />

Zucker noch wichtiger als bei anderen Produkten. Da die Datenverfügbarkeit für alle Bereiche<br />

jenseits des Hoftores allerdings besonders unbefriedigend ist, gibt es hinsichtlich der<br />

Belastbarkeit der Ergebnisse sicher noch einige offene Fragen. Hinzu kommt, dass auch die<br />

Ergebnisse der Hohenheimer Studie nicht auf mehrjährigen Analysen beruhen <strong>und</strong> nicht<br />

durch ein nachhaltig kooperierendes Netzwerk abgestützt sind.<br />

Die Ergebnisse sind in Abbildung 7 zus<strong>am</strong>mengefasst. Bei der Interpretation der Abbildung<br />

ist zu berücksichtigen, dass in dieser Abbildung für die Erzeugung der Rohstoffe Zuckerrüben<br />

bzw. Zuckerrohr keine Produktionskosten, sondern Erzeugerpreise angesetzt wurden.<br />

Im Falle einer schrittweisen Liberalisierung würden sich deshalb insbesondere in Deutschland<br />

<strong>und</strong> den USA deutlich niedrigere Werte einstellen, denn die Erzeugerpreise würden an<br />

diesen Standorten schrittweise sinken, ohne dass es zu einer deutlichen Reduktion des Anbauumfangs<br />

käme.<br />

Abbildung 7: Produktionskosten von Zucker, 1999<br />

€/t Zucker Ww<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Nebenprodukte<br />

Verarbeitung<br />

Transport<br />

Rohstoff<br />

Deutsch- Polen Ukraine USA USA Brasi- Süd- Indien Thai- Australand<br />

(Rohr) (Rübe) lien afrika land lien<br />

Quelle: Zimmermann <strong>und</strong> Zeddies (2003).<br />

Aus Sicht der europäischen Zuckerwirtschaft ist besonders der große Nachteil besorgniserregend,<br />

den die Rübenstandorte bei den Verarbeitungskosten haben. Der Vorteil der Rohrstandorte<br />

wird von den Autoren unter anderem auf die wesentlich längere Verarbeitungsk<strong>am</strong>pagne<br />

zurückgeführt. Sollte sich in weiterführenden Untersuchungen herausstellen,<br />

dass der Verarbeitungskostennachteil der Rübenstandorte tatsächlich bei über 100 Euro je<br />

Tonne Zucker liegt, dann ließe sich daraus nur eine Schlussfolgerung ableiten: Der Standort<br />

Europa ist gegenüber den Zuckerrohrstandorten, <strong>und</strong> hier insbesondere gegenüber Bra­<br />

173


174<br />

silien, langfristig chancenlos, wenn es tatsächlich zu einer vollständigen Liberalisierung<br />

des Zuckermarktes kommt.<br />

Diese Schlussfolgerung ist deshalb zwingend, weil speziell für Brasilien von einem großen<br />

zusätzlichen Angebotspotenzial <strong>und</strong> allenfalls geringfügig steigenden Grenzkosten auszugehen<br />

ist. Brasilien verwendet nach wie vor einen erheblichen Teil seines Zuckerrohraufkommens<br />

für die Produktion von Alkohol, der dem Kraftstoff beigemischt wird. Bei steigenden<br />

Weltmarktpreisen für Zucker könnte Brasilien diese Zuckermengen leicht in den<br />

Zuckerexport leiten <strong>und</strong> zu weitgehend konstanten Grenzkosten zusätzlichen Kraftstoff auf<br />

Rohölbasis zukaufen. Außerdem dürfte es Brasilien nicht schwerfallen, die Zuckerrohrfläche<br />

weiter auszudehnen. Die Mengenbilanz für Zucker in den wichtigsten Produktionsregionen<br />

verdeutlicht, dass dadurch – zumindest theoretisch – die Zuckerrübenerzeugung<br />

weltweit ausgelöscht werden könnte (Abbildung 8).<br />

Abbildung 8: Erzeugung <strong>und</strong> Verbrauch von Zucker<br />

Mio. t Zucker<br />

24<br />

21<br />

18<br />

15<br />

12<br />

9<br />

6<br />

3<br />

0<br />

Produktion Rohrzucker<br />

Produktion Rübenzucker<br />

Verbrauch Zucker ges<strong>am</strong>t<br />

Brasilien EU USA Australien Pakistan Südafrika Russland<br />

Indien China Thailand Mexiko Kuba Ukraine<br />

Quelle: Nöhle (2004).<br />

Ein Worst-case-Szenario auf der Basis von NÖHLE (2004) zeigt, dass die Zuckererzeugung<br />

in der EU schon in naher Zukunft unter erheblichen Druck geraten kann (Tabelle 1). In dem<br />

Szenario wird unterstellt, dass verschiedene parallel laufende Entwicklungen eintreten:<br />

Verlust der zwei laufenden WTO-Panels zum Re-Export von AKP-Zucker <strong>und</strong> zum Export<br />

von C-Zucker; exzessive Ausnutzung des bereits beschlossenen EBA-Abkommens; Vereinbarung<br />

zusätzlicher Importquoten in den laufenden Verhandlungen mit den Mercosur-<br />

Ländern; erhebliche Erhöhung der Einfuhren von Isoglukose. Zwar ist nicht zu erwarten,<br />

dass alle Entwicklungen gleichzeitig eintreten <strong>und</strong> voll wirks<strong>am</strong> werden, doch veranschaulichen<br />

die Zahlen, dass schon die Hälfte dieser Ereignisse zu massiven Einschnitten in der<br />

europäischen Zuckerwirtschaft führen wird.


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Tabelle 1: Ein Worst-case-Szenario für die Zuckermarktordnung<br />

5<br />

Mengenbilanz Zucker EU-25, in Mio. t 1)<br />

2003 2009<br />

(worst case)<br />

Verbrauch (inkl. Isoglukose) -16,1 -16,7<br />

Quote Import AKP 1,6 1,6<br />

Quote Import LDC 0,2 2,8<br />

Quote Import Balkan 0,0 0,9<br />

Quote Mercosur 0,0 3,0<br />

Quote Isoglukose 0,3 6,0<br />

Re-Export AKP (Panel) -1,6 0,0<br />

Export C-Zucker (Panel) -5,0 0,0<br />

Mögliche Erzeugung EU-25 20,6 2,4<br />

1) - Abfluss, + Zufluss.<br />

Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis von Nöhle (2004).<br />

Sollte es zu einer starken Reduktion der EU-Zuckerquote kommen, wird die Verteilung der<br />

Zuckerproduktion innerhalb der EU zu überdenken sein. Eine proportionale Einschränkung<br />

der Produktion an allen Standorten ist gewiss keine optimale Lösung, weil die schlechtere<br />

Auslastung der Anlagen dann überall zu Kostenerhöhungen führt. Eine ökonomisch günstigere<br />

Lösung besteht darin, einen EU-weiten Handel mit Zuckerquoten einzuführen. Dieser<br />

führt zur Arrondierung der Zuckererzeugung auf den günstigsten Standorten, wobei die<br />

aufgebenden Regionen durch die Erlöse aus dem Quotenverkauf bestmöglich profitieren.<br />

Nach Expertenschätzungen ist zu erwarten, dass in solch einem Szenario die deutschen Rübenanbaugebiete<br />

eher zu jenen Regionen zählen, die Quote aus anderen EU-Regionen<br />

übernehmen <strong>und</strong> mittelfristig weiter produzieren.<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung <strong>und</strong> Schlussfolgerungen<br />

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft wurde in der Vergangenheit<br />

durch die EU-Agrarpolitik gewährleistet. Dieser agrarpolitische Schutz wird<br />

zurzeit deutlich reduziert.<br />

Für die <strong>Ackerbau</strong>ern stellt die Entkopplung der Direktzahlungen im Jahr 2005 den wesentlichen<br />

politischen Einschnitt dar. Im Vergleich dazu wird der Einfluss der kommenden<br />

WTO-R<strong>und</strong>e im Ölsaaten- <strong>und</strong> Getreidebereich relativ gering sein, weil der Außenschutz<br />

bei diesen Produkten nur noch eine geringe Rolle spielt. Nur beim Zucker ist der Außenschutz<br />

von überragender Bedeutung, hier hängt die Zukunft des Anbaues in der EU entscheidend<br />

von den Verhandlungsergebnissen in der WTO ab.<br />

175


176<br />

Die Entkopplung der Direktzahlungen bedeutet für die Landwirte, dass sie ihre Betriebe komplett<br />

stilllegen können, ohne dadurch die Direktzahlungen zu verlieren. Das ist für jene Betriebe<br />

interessant, deren Produktion (ohne Berücksichtigung der Direktzahlungen) bisher Verluste<br />

gebracht hat. Am Beispiel eines größeren <strong>Ackerbau</strong>betriebes auf relativ gutem Standort kann<br />

jedoch gezeigt werden, dass die Variante „Stilllegen <strong>und</strong> mulchen“ betriebswirtschaftlich nicht<br />

optimal ist. Stattdessen ist zu erwarten, dass sich durch Strukturwandel Großbetriebe herausbilden,<br />

welche die Flächen der ausscheidenden Betriebe ohne große Mehrkosten übernehmen<br />

<strong>und</strong> ggf. in geänderter Fruchtfolge <strong>und</strong> Intensität weiter produktiv nutzen.<br />

Ob diese Prognose auch für ertragsschwächere Standorte in Deutschland gilt, kann beim derzeitigen<br />

Stand der Forschung nicht verlässlich beantwortet werden. Mit dem Aufbau des International<br />

Farm Comparison Network (IFCN) versucht die FAL eine Forschungsinfrastruktur<br />

zu schaffen, die künftig für eine verbesserte Analyse <strong>und</strong> Prognose der Wettbewerbsfähigkeit<br />

eingesetzt werden kann. Im IFCN werden Betriebe <strong>und</strong> Produktionssysteme mit international<br />

harmonisierten Methoden vergleichend analysiert. Das IFCN wurde zunächst für<br />

den Betriebszweig Milch entwickelt. Der Aufbau für den Betriebszweig <strong>Ackerbau</strong> begann<br />

später, so dass hier bisher nur Ergebnisse für wenige Standorte zur Verfügung stehen.<br />

Hieraus, aus weiteren Informationsquellen sowie aus theoretischen Überlegungen lassen<br />

sich die folgenden vorläufigen Einschätzungen zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />

der deutschen <strong>Ackerbau</strong>betriebe ableiten.<br />

Mitteleuropäische Standorte verfügen über vorteilhafte natürliche Bedingungen für die<br />

Pflanzenproduktion, insbesondere über ein hohes Ertragspotenzial. Dennoch liegen die<br />

Stückkosten in den meisten Betrieben derzeit noch weit oberhalb der Weltmarktpreise <strong>und</strong><br />

oberhalb der Stückkosten, zu denen Konkurrenten an Überseestandorten produzieren.<br />

– Bei Weizen sind gut strukturierte Betriebe in Deutschland ihren nord<strong>am</strong>erikanischen<br />

Konkurrenten fast ebenbürtig.<br />

– Zu Futtergetreide liegen bisher keine Forschungsergebnisse vor, doch lassen Ertragsvergleiche<br />

die Vermutung zu, dass EU-Standorte hier deutliche Kostennachteile gegenüber<br />

den Maisstandorten in Nord- <strong>und</strong> Süd<strong>am</strong>erika haben.<br />

– Für Ölsaaten zeigen erste Kostenvergleiche, dass Deutschland bei Raps (trotz deutlich<br />

höherer Erträge) Stückkostennachteile gegenüber Kanada aufweist. Noch kostengünstiger<br />

ist allerdings die Sojaproduktion in Süd<strong>am</strong>erika <strong>und</strong> die Palmölproduktion in Indonesien<br />

<strong>und</strong> Malaysia.<br />

– Bei Zucker schneiden die Zuckerrohrstandorte in Brasilien besonders günstig ab, was<br />

vor allem vor dem Hintergr<strong>und</strong> der dortigen Expansionspotenziale bedeuts<strong>am</strong> ist. Weil<br />

nur ein relativ kleiner Teil der weltweit verfügbaren Ackerfläche benötigt wird, um den<br />

Weltbedarf an Zucker zu decken, könnte eine weltweite Liberalisierung der Zuckermarktpolitiken<br />

zu einer Konzentration an wenigen Standorten in der Welt führen.


Wettbewerbsfähigkeit<br />

Für eine umfassende Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit ist es erforderlich, über die<br />

Loco-Hof-Produktionskosten hinaus auch die Verarbeitungs- <strong>und</strong> Transportkosten sowie<br />

Aspekte der Produktqualität in den Vergleich einzubeziehen. Hierdurch verbessert sich bei<br />

Getreide <strong>und</strong> Ölsaaten die Wettbewerbsposition Deutschlands tendenziell, weil die Produktion<br />

in Nord- <strong>und</strong> Süd<strong>am</strong>erika zum Teil weit im Landesinneren erfolgt <strong>und</strong> der Transport zu<br />

den Häfen relativ hohe Kosten verursacht. Bei Zucker verschlechtert sich die Wettbewerbsposition<br />

Deutschlands dagegen – zumindest nach den bisher vorliegenden Zahlen –<br />

noch einmal ganz erheblich, weil die Verarbeitungskosten von Zuckerrüben deutlich höher<br />

liegen als die Verarbeitungskosten von Zuckerrohr.<br />

Die Kostennachteile der deutschen Betriebe sind vor allem deshalb überraschend, weil<br />

hierzulande bei den meisten Früchten – infolge der günstigeren Klimabedingungen – deutlich<br />

höhere Erträge erzielt werden können. Normalerweise nehmen die Stückkosten mit<br />

zunehmenden Erträgen ab. Die Ursachen dafür, dass in Deutschland trotz der relativ hohen<br />

Erträge tendenziell erhöhte Stückkosten ermittelt werden, sind wahrscheinlich in folgenden<br />

Bereichen zu suchen:<br />

– Die relativ hohen Arbeitserledigungskosten in den deutschen <strong>Ackerbau</strong>betrieben sind<br />

zu einem großen Teil auf die agrarstrukturellen Rahmenbedingungen zurückzuführen<br />

(relativ kleine Betriebe, relativ kleine Flächen, schlechte Arrondierung der Flächen).<br />

– Nach Jahrzehnten der Hochpreispolitik hat sich in den meisten Betrieben eine relativ<br />

arbeits-, maschinen- <strong>und</strong> vorleistungsintensive Produktionsweise herausgebildet. Ein<br />

Übergang zu extensiveren Produktionssystemen, wie sie an nicht-europäischen Standorten<br />

seit Jahrzehnten etabliert sind, benötigt viele Jahre (Pfadabhängigkeit der Entwicklung).<br />

– Unter dem bisherigen Schutz der Agrarpolitik konnte es sich die Politik in Deutschland<br />

<strong>und</strong> der EU bisher leisten, die hiesigen Betriebe mit einem besonders engmaschigen<br />

Netz von kostenträchtigen Auflagen zu überziehen. Im Zuge der Liberalisierung der<br />

Agrarhandelspolitik <strong>und</strong> der Entkopplung der Direktzahlungen wäre nun eigentlich eine<br />

Deregulierung fällig, doch lässt sich dies in dem sensiblen gesellschaftlichen Umfeld,<br />

das die Politik selbst mit geschaffen hat, kaum umsetzen.<br />

Für die deutsche Agrarpolitik sollte es eigentlich interessant sein zu erfahren, inwieweit sie<br />

selbst durch die Festlegung der wettbewerbsrelevanten rechtlichen Rahmenbedingungen für<br />

die angebliche Wettbewerbsschwäche der deutschen Landwirtschaft Verantwortung trägt.<br />

Umso bemerkenswerter ist es, dass B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder den Aufbau des IFCN bisher kaum<br />

unterstützt haben. Dass sich das IFCN überhaupt so weit entwickeln konnte, ist in erster<br />

Linie dem Weitblick einiger Wirtschaftsunternehmen zu verdanken, von denen die meisten<br />

außerhalb Deutschlands angesiedelt sind.<br />

177


178<br />

Wenn sich die bisherigen Strukturen der deutschen Landwirtschaft bei künftig veränderten<br />

Rahmenbedingungen (Entkopplung, Liberalisierung) als nicht mehr rentabel erweisen, wird<br />

sich der Strukturwandel beschleunigen <strong>und</strong> letztlich zu einer Senkung der Durchschnittskosten<br />

der regionalen Erzeugung führen. Bei dieser „passiven Sanierung“, die durch das<br />

Ausscheiden von Betrieben ausgelöst wird, werden die frei werdenden Flächen durch leistungsstärkere<br />

Nachbarbetriebe übernommen, mit anderen Flächen zus<strong>am</strong>mengelegt <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls mit reduzierter Bewirtschaftungsintensität weiter landwirtschaftlich genutzt.<br />

Ein dauerhaftes Brachfallen von Ackerflächen ist vor allem bei solchen Feldstücken zu<br />

erwarten, bei denen (a) der Zuschnitt der Flächen keine rationelle Mechanisierung für<br />

Großbetriebe erlaubt, (b) Nebenerwerbsbetriebe oder Gartenbaubetriebe ebenfalls keine<br />

hinreichende Nachfrage nach solchen ungünstig geschnittenen Flurstücken entfachen <strong>und</strong><br />

(c) aufgr<strong>und</strong> der Lage der Flächen im Raum auch keine rentable Einbindung in ein großflächiges<br />

Low-input-Grünlandkonzept möglich ist. Dieses Schicksal wird mittelfristig wahrscheinlich<br />

nur einen relativ kleinen Anteil der Ackerfläche Deutschlands treffen, <strong>und</strong> auf<br />

einem Teil dieser brach fallenden Flächen wird sich die Gesellschaft mit Mitteln der ländlichen<br />

Entwicklungspolitik (2. Säule) eine Fortführung gesellschaftlich erwünschter Formen<br />

der Landwirtschaft „einkaufen“.<br />

In der längerfristigen Perspektive gewinnt der Einfluss der Technologiepolitik an Bedeutung.<br />

Je stärker die nationale Politik neue Technologien abwehrt, die die Agrarentwicklung<br />

im globalen Maßstab bestimmen, desto mehr Fläche wird in Deutschland trotz des zu erwartenden<br />

Betriebsgrößen-Strukturwandels letztlich brach fallen. Der Staat hat zwar prinzipiell<br />

die Möglichkeit, diese Flächen durch den Einsatz von Steuermitteln pflegen zu lassen.<br />

In der politischen Praxis werden diese Möglichkeiten aber eingeschränkt, wenn wirtschaftliche<br />

Aktivität <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it auch Steuerkraft ins Ausland verlagert wird.<br />

Literaturverzeichnis<br />

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HEMME T (2000) Ein Konzept zur international vergleichenden Analyse von Politik- <strong>und</strong><br />

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ISERMEYER F (2002) Gr<strong>und</strong>legende Reform des Prämiensystems? Stellungnahme zur Halbzeitbewertung<br />

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Arbeitsbericht 03/2002 des Instituts für Betriebswirtschaft, Agrarstruktur<br />

<strong>und</strong> ländliche Räume der FAL


Wettbewerbsfähigkeit<br />

ISERMEYER F (2003) Umsetzung des Luxemburger Beschlusses zur EU-Agrarreform in<br />

Deutschland – eine erste Einschätzung. Arbeitsbericht 03/2003 des Instituts für<br />

Betriebswirtschaft, Agrarstruktur <strong>und</strong> ländliche Räume der FAL<br />

MÖLLER C (2004) Eine Analyse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Weizenerzeugung<br />

für ausgewählte Standorte. Dissertation, Braunschweig/Göttingen (in<br />

Vorbereitung)<br />

NÖHLE U (2004) Materialien zur Diskussion über die Zuckermarktordnung. Manuskript,<br />

<strong>März</strong> 2004, Braunschweig<br />

OFFERMANN F, KLEINHANSS W, BERTELSMEIER M (2003) Folgen der Beschlüsse zur Halbzeitbewertung<br />

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Völkenrode 4/2003 (53):279-288<br />

PARKHOMENKO S (2004) International Competitiveness of Soybean, Rapeseed and Palm Oil<br />

Production in Major Producing Countries. Braunschweig, FAL, Landbauforschung<br />

Völkenrode : Sonderheft 267<br />

RIEDEL J (2004) Eine Analyse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Zuckererzeugung<br />

für ausgewählte Standorte. Dissertation, Braunschweig/Göttingen (in Vorbereitung)<br />

ZIMMERMANN B, ZEDDIES J (2003) Zuckerrübe contra Zuckerrohr – wer sind unsere Konkurrenten<br />

auf dem Weltmarkt? Zuckerrübe 5/2003, S. 246-250<br />

179


180


Lieferbare Sonderhefte<br />

Special issues available<br />

239 Axel Munack <strong>und</strong> Jürgen Krahl (Hrsg.) (2002) 7,00€<br />

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245 Martin Kücke (Hrsg.) (2003) 7,00€<br />

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246 Jeannette van de Steeg (2003) 7,00€<br />

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248 Esmat W. A. Al-Karadsheh (2003) 8,00€<br />

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249 Andreas Siegfried Pacholsky (2003) 9,00€<br />

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Henan, China, and Modelling Results<br />

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251 Susanne Freifrau von Münchhausen (2003) 8,00€<br />

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Beiträge zur globalen Ernährungssicherung<br />

259 Gerold Rahmann <strong>und</strong> Hiltrud Nieberg (Hrsg.) (2003) 8,00€<br />

Ressortforschung für den ökologischen Landbau 2002


260 Ulrich Dämmgen (Hrsg.) (2003) 7,00€<br />

Nationaler Inventarbericht 2004 — Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten<br />

Nationen — Teilbericht der Quellgruppe Landwirtschaft<br />

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Deutschland<br />

262 Folkhard Isermeyer (Hrsg.) (2003) 9,00€<br />

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Perspektiven in der Tierproduktion<br />

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Standorten in Ostdeutschland, der Tschechischen Republik <strong>und</strong> Estland<br />

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International competitiveness of soybean, rapeseed and palm oil production in major producing regions<br />

268 Martina Brockmeier <strong>und</strong> Petra Sal<strong>am</strong>on (2004) 9,00€<br />

WTO-Agrarverhandlungen — Schlüsselbereich für den Erfolg der Doha R<strong>und</strong>e<br />

Optionen für Exportsubventionen, Interne Stützung, Marktzugang<br />

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Bei Interesse setzen Sie sich bitte mit Frau Röhm unter 0531-596·1403 oder landbauforschung@fal.de in Verbindung.

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