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argument- sonderbände as - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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329<br />

Walter Fabian<br />

Tendenzen m den Streiks 1978<br />

1.<br />

Im ersten Quartal 1978 haben Tarifauseinandersetzungen von einer Heftigkeit<br />

stattgefunden, wie man sie in der Bundesrepublik bisher kaum gekannt und wohl<br />

auch kaum erwartet hat. Angekündigt hatten sich diese Streiks und Ausperrungen allerdings<br />

schon auf beiden Seiten: einerseits auf mehreren Gewerkschaftstagen des<br />

Jahres 1977 (IG Metall, IG Druck und Papier), andererseits durch die überdurchschnittlich<br />

sture, die kämpferische Auseinandersetzung offensichtlich bewußt provozierende<br />

Haltung der Unternehmerverbände. Schließlich hatten diese Streiks und<br />

Aussperrungen nicht nur eine in der Bundesrepublik ungewöhnliche Dauer, sondern<br />

sie gewannen auch eine neue Qualität, da es nicht nur um die Erhaltung der Realeinkommen<br />

ging (die ja durch die 3 Prozent-Angebote, ,als letztes Wort" gefährdet waren)<br />

sondern auch um die Abwehr mindestens der schlimmsten und unmittelbarsten<br />

Folgen der technologischen Umstellung.<br />

Wir wollen d<strong>as</strong> zunächst am Beispiel des Arbeitskampfes in der Druckindustrie<br />

darlegen, wobei wir uns auf ebenso aktuelle wie authentische Texte stützen können.<br />

Detlef Hensche, Hauptvorstandsmitglied und Sprecher der IG Druck und Papier,<br />

hat in Heft 4/78 der "Blätter <strong>für</strong> deutsche und internationale Politik" in einem Aufsatz<br />

mit dem Titel "Technische Revolution und Arbeitnehmerinteresse" Bilanz gezogen:<br />

"Trotz Aussperrung, trotz langer Dauer, trotz m<strong>as</strong>siver Forderungen nach Streikaussetzung<br />

und trotz Diffamierung der Streikenden (, Vernichtungsstreik' , ,Geiselnahme')<br />

war die Streikbereitschaft vom ersten bis zum letzten Tag ungebrochen.<br />

Schon seit Anfang Dezember hatten mehr als 200 Warnstreiks, hatte die Verweigerung<br />

von überstunden und Sonderschichten ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft<br />

gezeigt. Und Opferbereitschaft: Lohnausfälle durch Warnstreiks und überstundenverweigerung<br />

mußten \on den Beteiligten selbst getragen werden; sie brachten Einbußen<br />

von bis zu DM 700,- monatlich. D<strong>as</strong>selbe Bild wiederholte sich in den Urabstimmungen.<br />

Unter den insgesamt 41 Urabstimmungen hrachten nur zwei infolge<br />

betrieblicher Besonderheiten nicht die notwendige 3/4-Mehrheit. Im übrigen sprachen<br />

sich jeweils 76 bis 99 % der Belegschaft, auch der Redakteure, <strong>für</strong> Streiks aus. Bei<br />

alledem ist zu berücksichtigen, daß die Tarifforderungen der IG Druck und Papier<br />

unmittelbar nur einen kleinen Teil der Mitgliedschaft betrafen: nämlich die Schriftsetzer<br />

sowie, w<strong>as</strong> die Arbeitsbedingungen angeht, die Journalisten. Daß es gelungen<br />

ist, die Arbeiter und Angestellten auch der übrigen Abteilungen zu geschlossenem<br />

und solidarischem Einsatz <strong>für</strong> die gegenwärtig bedrohten Schriftsetzer zu bewegen,<br />

gehört zu den innerorganisatorischen Erfolgen des Streiks ... Hinzu kam eine weitere<br />

Erkenntnis: In dem Streik ging es um prinzipielle Forderungen ... "<br />

Hier möchte ich einfügen: diese Einsicht war offenbar bei der mittleren Funktionärsschicht<br />

und bei der B<strong>as</strong>is früher und stärker vorhanden als bei den Spitzen unterhändlern;<br />

dag sich die Willensbildung von unten nach oben durchgesetzt hat und daß<br />

es dann zu einer geschlossenen Kampffront gekommen ist, kann als ein gewichtiges<br />

Plus gewertet werden.

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