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Hamburg – Positionen, Pläne, Projekte 1: Stadträume bauen

ISBN 978-3-86859-625-0

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HAMBURG<br />

PERSPEKTIVEN<br />

PLÄNE<br />

PROJEKTE


HAMBURG<br />

PERSPEKTIVEN<br />

PLÄNE<br />

PROJEKTE


STADTRÄUME<br />

BAUEN<br />

OLAF BARTELS | BEHÖRDE FÜR<br />

STADTENTWICKLUNG UND WOHNEN (Hrsg.)


OLAF BARTELS<br />

Einleitung 6<br />

Perspektiven<br />

OLAF BARTELS im Gespräch mit Oberbaudirektor Franz-Josef Höing<br />

Wie wächst <strong>Hamburg</strong> in Zukunft? 15<br />

REINER NAGEL<br />

An den Rändern großer Städte <strong>bauen</strong> 25<br />

PERSPEKTIVEN <strong>–</strong> PROJEKTE<br />

Oberbillwerder 32<br />

Neue Gartenstadt am Öjendorfer See 38<br />

Stadtraum Horner Geest 42<br />

Stadtrandsiedlungen der 50er bis 70er Jahre 50<br />

Ergänzungen der City Nord 66<br />

Holstenareal 72<br />

Science City <strong>Hamburg</strong> Bahrenfeld 76<br />

Neuländer Quarree 82<br />

Östliche HafenCity 88<br />

Stadteingang Elbbrücken 100<br />

Grasbrook 106<br />

<strong>Stadträume</strong><br />

OLAF BARTELS im Gespräch mit Roger Diener, Christoph Felger,<br />

Karin Loosen und Peter St John<br />

Für die Seele der Stadt <strong>bauen</strong> 115<br />

ALEXANDER STUMM<br />

Wiederaufbau <strong>–</strong> Abriss und Neubau <strong>–</strong> Weiter<strong>bauen</strong> 131<br />

STADTRÄUME <strong>–</strong> PROJEKTE<br />

Überdachung von Dock 10 138<br />

Hammerbrooklyn 140<br />

Theater-Pavillon am Großmarkt 144<br />

Stadthöfe 146<br />

<strong>Hamburg</strong>er Hof 152<br />

Nikolai-Insel 156<br />

Hopfenmarkt 160<br />

Rödingsmarkt 39 166<br />

Innenstadträume 168


Fotoessay<br />

AXEL BEYER 173<br />

Netzwerke<br />

FRANZ-JOSEF HÖING<br />

Netzwerke und <strong>Stadträume</strong> 197<br />

NETZWERKE <strong>–</strong> PROJEKTE<br />

Magistralen 208<br />

U- und S-Bahn-Netz 214<br />

Velorouten 220<br />

Fernbahnhof <strong>Hamburg</strong>-Altona 222<br />

Verfahren<br />

KLAUS OVERMEYER<br />

Prozesse entwerfen <strong>–</strong> Stadt <strong>bauen</strong> 231<br />

BENEDIKT CRONE<br />

Neue Größenordnung 241<br />

Index 250<br />

Bildnachweis 253<br />

Autorenbiografien 254<br />

Impressum 256


OLAF BARTELS<br />

Einleitung<br />

Das Wesen einer Großstadt wie <strong>Hamburg</strong> ist die Dichte ihrer Bebauung, das<br />

Neben- und Miteinander von Wohnbauten, Arbeitsstätten in Büro, Gewerbe<br />

und Handel, von kulturellen Einrichtungen, Gärten, Parks und anderen Orten<br />

der Erholung sowie die besondere Dichte von Verkehrswegen. Es ist die Konzentration<br />

vieler Menschen auf engem Raum, die mit Diversität Vielfalt schafft<br />

und gleichzeitig Toleranz einfordert, aber auch Begegnung und Austausch<br />

fördert und damit wiederum Wünsche nach Privatheit und Abgrenzung stärkt.<br />

Die Kunst, glücklich in einer solchen Stadt zu leben, ist, eine Balance zwischen<br />

diesen Polen zu finden.<br />

<strong>Hamburg</strong> ist mit einer Bevölkerung von rund 1,9 Millionen Menschen nach<br />

Berlin die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Die Hansestadt wächst seit Jahren<br />

stetig und könnte schon 2030 mehr als zwei Millionen Einwohnerinnen und<br />

Einwohner haben. <strong>Hamburg</strong> ist ohne Zweifel eine große Stadt, aber ihr Wachstum<br />

ist überschaubar, nicht vergleichbar mit dem des späten 19. und frühen<br />

20. Jahrhunderts oder mit den Megacitys heutiger Tage. Vor allem aber wächst<br />

<strong>Hamburg</strong> nach innen. Alte Hafenflächen, verlassene Industrieareale, aufgegebene<br />

Bahnflächen und ehemalige Krankenhausgelände wurden und werden<br />

mit neuen Stadtquartieren bebaut. Mit der HafenCity und der Elbphil harmonie<br />

hat <strong>Hamburg</strong>s Innenentwicklung auch über die Stadtgrenzen hi naus große<br />

Aufmerksamkeit gefunden.<br />

Das Gefüge der Stadt wird an diesen Orten nicht allein verdichtet, hier<br />

wird die Stadtstruktur ergänzt. Neue Elemente werden darin eingewoben und<br />

es entstehen neue <strong>Stadträume</strong>. Stellenweise geschieht dies mit dem Ziel,<br />

eine gefestigte Monostruktur von Nutzung, Städtebau oder Architektur aufzu<br />

brechen, um die strukturelle oder die soziale Vielfalt in der Stadt zu heben<br />

oder ganz neu zu schaffen.<br />

Die Intention des Buches<br />

Es geht in diesem Buch um <strong>Positionen</strong>, <strong>Pläne</strong> und <strong>Projekte</strong> der Stadtentwicklung<br />

in <strong>Hamburg</strong> sowie um die <strong>Stadträume</strong>, die daraus entstehen und entstehen<br />

können. Es geht um die Perspektiven, den Blickwinkel, den die Stadtentwicklungsplanung<br />

dabei einnimmt, und den Fokus, mit dem sie die Stadt<br />

wahrnimmt. Denn es gilt zum einen, den Blick zu weiten, um die Stadt als<br />

Ganzes zu erfassen und die Leitlinien ihrer Entwicklung aufzuzeigen. Zum<br />

anderen gilt es, ihn zu konzentrieren, um Maßstäbe im Detail bis auf die Ebene<br />

6


jedes einzelnen Gebäudes zu erfahren. Maßstäbe der Stadtentwicklung setzen<br />

aber nicht nur Leitbilder <strong>–</strong> etwa die Orientierung an Entwicklungsachsen wie<br />

aktuell an den Verkehrs-Magistralen <strong>–</strong>, sondern auch kleine Bauten wie der<br />

Pavillon für ein Theater in den Großmarkthallen oder die Überdachung eines<br />

Schwimmdocks im Hafen, die auf die physischen Räume der Stadt einwirken.<br />

Das Buch legt beide <strong>Positionen</strong> dar.<br />

Der Blick auf das Ganze der Stadt<br />

Das erste Kapitel Perspektiven stellt die großflächigen Entwicklungsprojekte<br />

vor. <strong>Hamburg</strong>s Oberbaudirektor Franz-Josef Höing erläutert zu Beginn im<br />

Gespräch seinen Blick auf das Detail und das Ganze der Stadt. Anschließend<br />

erörtert der Stadtplaner und Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur,<br />

Reiner Nagel, in einem Essay das Bauen am Rande großer Städte. Dazu<br />

werden in einzelnen Porträts die größeren Entwicklungsprojekte der Stadt<br />

vorgestellt.<br />

Der HafenCity fehlen in ihrem östlichen Bereich noch einige Bauten,<br />

nicht zuletzt der Elbtower, der nach Entwürfen des britischen Architekten<br />

David Chipperfield gebaut werden soll. Am südlichen Ufer der Norderelbe,<br />

der HafenCity direkt gegenüber, wird auf dem Kleinen Grasbrook bereits ein<br />

neuer Stadtteil geplant. Das benachbarte, in den 1920er Jahren angelegte<br />

Wohngebiet auf der Veddel wird dadurch in den kommenden Jahren aus seiner<br />

Isolation gelöst und besser an den Stadtteil Rothenburgsort, die Hafen-<br />

City und die innere Stadt angebunden werden.<br />

Im Süden der Stadt verdichten sich alte, umgenutzte Speicher mit neuen<br />

Wohn- und Gewerbebauten und der dort beheimateten Technischen Universität<br />

<strong>Hamburg</strong> am Harburger Binnenhafen zu einem neuen Wissensquartier,<br />

in dem studiert, geforscht, produziert und gewohnt wird. In größerem Maßstab<br />

wird dies zukünftig auch im Nordwesten der Stadt im Umfeld der physikalischen<br />

Teilchenbeschleunigeranlage DESY möglich sein. Die zukünftige<br />

Science City in <strong>Hamburg</strong> Bahrenfeld wird zu einem Wissenschaftsquartier<br />

mit privaten und universitären Forschungseinrichtungen, innovativen Unternehmen<br />

und Wohnungen werden <strong>–</strong> ein gut durchmischtes und lebendiges<br />

Stadt quartier, kein Technologie- oder Wissenschaftspark. An den Stadträndern<br />

erschließt <strong>Hamburg</strong> aber auch wieder neue Räume. In Oberbillwerder<br />

entsteht ein neuer Stadtteil buchstäblich auf der grünen Wiese und am Öjendorfer<br />

See wird eine neuartige Gartenstadt geplant.<br />

Den Umgang mit den Stadtquartieren aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

zeigen die aktuellen Planungen im Wohngebiet Horner Geest am östlichen<br />

Stadtrand und in der Bürostadt City Nord. Außerdem haben exemplarisch<br />

unter der Federführung der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen 14<br />

<strong>Hamburg</strong>er, nationale und internationale Architekturbüros gemeinsam mit<br />

<strong>Hamburg</strong>er Wohnungsbaugenossenschaften untersucht, welche Ansätze im<br />

städtebaulichen und architektonischen Umgang mit Wohngebieten aus den<br />

1950er bis 1970er Jahren denkbar sind. Abgerundet wird das Kapitel mit<br />

einem Überblick über neuere Entwicklungsprojekte auf Konversionsflächen<br />

der Industrie und der Deutschen Bahn sowie einem Ausblick auf die Entwicklung<br />

ehemaliger Hafenflächen.<br />

EINLEITUNG<br />

7


Blick auf das Planungsgebiet Oberbillwerder; im Vordergrund die S-Bahn-Haltestelle Allermöhe im gleichnamigen Quartier


OLAF BARTELS<br />

im Gespräch mit Oberbaudirektor Franz-Josef Höing<br />

Wie wächst <strong>Hamburg</strong> in Zukunft?<br />

OLAF BARTELS Herr Höing, <strong>Hamburg</strong> ist in den letzten Jahrzehnten eher nach<br />

innen als nach außen gewachsen. Es sind verlassene Bahnan lagen wie in Altona<br />

und ehemalige Hafenflächen wie für die HafenCity oder am Harburger Binnenhafen<br />

mit neuen, gemischt genutzten Quartieren bebaut worden. Aber <strong>Hamburg</strong><br />

wächst weiter und die Verdichtung der Stadt hat ihre Grenzen. Welche Strategie<br />

verfolgen Sie, um <strong>Hamburg</strong> weiter wachsen zu lassen?<br />

FRANZ-JOSEF HÖING Zunächst einmal war es aus meiner Sicht sehr konsequent,<br />

zu sagen: „Die wesentlichen äußeren Konturen der Stadt sind ge baut<br />

und was noch gebraucht wird, können wir innerhalb der bestehenden Stadt<br />

unterbringen.“ Es war eine erfolgreiche Strategie, die Stadt in der Stadt weiterzu<strong>bauen</strong>,<br />

und diese Strategie werden wir auch angesichts der zu erwartenden<br />

Zuwächse weiter verfolgen. <strong>Hamburg</strong> ist im Vergleich zu anderen Metropolen<br />

keine besonders dicht bebaute Stadt, auch wenn das den <strong>Hamburg</strong>erinnen<br />

und <strong>Hamburg</strong>ern manchmal so vorkommt. Die Stadt hat sich vor geraumer<br />

Zeit entschieden, die Grenzen der Bebauung bis auf wenige Ausnahmen<br />

nicht weiter nach außen zu schieben, und dabei wird es auch grundsätzlich<br />

bleiben. Eine dieser Ausnahmen betrifft den Bezirk Bergedorf, in dem der<br />

neue Stadtteil Ober billwerder entstehen soll. Eine zweite Ausnahme wird es<br />

ebenfalls im <strong>Hamburg</strong>er Osten geben, am Öjendorfer See im Stadtteil Billstedt.<br />

Am Rande dieses großen und fantastischen Volksparks können wir uns eine<br />

neue Garten stadt vorstellen. Das sind zwei Planungen in den Außen bereichen<br />

der Stadt, ansonsten wächst <strong>Hamburg</strong> in der bestehenden Stadt. Dazu schauen<br />

wir uns Lagen an, die bislang nicht so sehr im Fokus waren wie die von Ihnen<br />

erwähnten Bahnflächen und Hafenanlagen. Ich spreche über die Gebiete, die<br />

in den vergangenen 50 bis 60 Jahren, also in der Nachkriegszeit, nach den<br />

damals vor herrschenden städtebaulichen Vorstellungen bebaut worden sind.<br />

<strong>Hamburg</strong> besteht in weiten Teilen aus solchen Gebieten. Es sind in dieser<br />

Zeit weit mehr Flächen bebaut worden als zur Gründerzeit Ende des 19., Anfang<br />

des 20. Jahr hunderts in der dicht bebauten inneren Stadt. Ein Stichwort für<br />

diese Diskussion geben die Magistralen, <strong>Hamburg</strong>s Ein- und Ausfallstraßen<br />

sowie der Ring 2, auf die wir die Überlegungen fokussieren.<br />

Richtig expandieren kann <strong>Hamburg</strong> ja ohnehin nicht. Wie Bremen und Berlin ist<br />

<strong>Hamburg</strong> eine Stadt, die gleichzeitig ein eigenes Bundesland ist. Es bleibt also nur<br />

die Nachverdichtung, wenn die Stadt weiterhin wächst. Was passiert am Übergang<br />

zum Stadtumland, das ja selbst vielerorts schon städtische Strukturen aufweist?<br />

Welche Art von Übergang wird es dort geben?<br />

PERSPEKTIVEN<br />

15


Der Fächerplan von Fritz Schumacher aus dem Jahr 1921 für das damalige <strong>Hamburg</strong>er Stadtgebiet (oben) und für den (damals<br />

noch preußischen) Großraum <strong>Hamburg</strong><br />

26


Das am stärksten nachgefragte Produkt beim Wohnungsneubau stellt auch<br />

heute noch das Einfamilienhaus dar. Etwa 40 Prozent der Wohnneubauten<br />

entstehen als Einfamilienhäuser und bilden dabei 60 Prozent der insgesamt<br />

entstehenden Wohnfläche. Immer noch versuchen Politik und Planung dieser<br />

Nachfrage gerecht zu werden, trotz nachweisbar hohem Bodenverbrauch<br />

und hohen Erschließungs- und Unterhaltungskosten.<br />

Obwohl allen Gemeinden und Planenden klar ist, dass die Ausweisung<br />

neuer Einfamilienhausgebiete am Stadtrand ein Auslaufmodell ist, stützt der<br />

anhaltende Wettbewerb unter Nachbargemeinden um Einkommens- und Gewer<br />

besteuer weiterhin diese Fehlentwicklungen. Für das <strong>Hamburg</strong>er Umland<br />

müsste eine regionale Selbstverpflichtung verabredet werden, der Innenentwicklung<br />

eindeutig den Vorrang zu geben und, wenn möglich, keine neuen Einfamilienhausgebiete<br />

mehr auszuweisen. Da wo dies unumgänglich ist, sollten<br />

einheitlich hohe Qualitätsmaßstäbe angelegt werden. Das wäre dann die vielzitierte<br />

regionale Kooperation über Länder- und Gemeindegrenzen hinweg, die<br />

sich auch so nennen darf. Die großen Städte versuchen stattdessen häufig<br />

vergeblich, ein adäquates Gegenangebot zu machen, das bezahlbares, verdichtetes<br />

Wohnen am Stadtrand zum Thema hat.<br />

Zersiedelung durch regionale Kooperation verhindern<br />

Die angewandten Strategien können auch als ein Baustein zur Innenentwicklung<br />

der äußeren Stadt, also des Raums zwischen Innenstadt und Umland,<br />

ver standen werden. Merkmale solcher Zwischenräume sind häufig unzureichende<br />

Infrastrukturen sowie Umwelt- und Verkehrsbelastungen. Der Rand<br />

der Stadt ist auch der Rand der Nachbargemeinde <strong>–</strong> beziehungsweise des<br />

Nach barbundeslandes im Falle <strong>Hamburg</strong>s. Die doppelte Randlage kann in einer<br />

ab gestimmten regionalen Planungsstrategie zur Mitte eines polyzentralen<br />

Raum systems werden. Für die Bewohnerschaft entsteht im neuen Stadtteil<br />

ihr Lebensmittelpunkt. Hier deren Teilhabe sowie ihre emotionale Verankerung<br />

in der Welt möglich. Voraussetzung für diese Herangehensweise ist eine gemeindeübergreifende<br />

regionale Kooperation. Solange zur Reduzierung thematischer,<br />

prozessualer und planerischer Komplexität die regionale Ebene<br />

nicht betreten wird, steht eine Entwicklung von Randlagen unter einem defensiven<br />

Vorzeichen und kann keine eigene visionäre Kraft entwickeln.<br />

Im Rahmen des Internationalen Bauforums 2019 in <strong>Hamburg</strong> zum Thema<br />

Magistralen war die von mehreren Gruppen genutzte Planmetapher das Pfauenrad<br />

mit den im Federfächer liegenden Pfauenaugen als gleichmäßig verteilte<br />

Agglomerationen im Raum. Tatsächlich hatte <strong>Hamburg</strong>s Oberbaudirektor Fritz<br />

Schumacher 100 Jahre zuvor seinen berühmten Fächerplan zu dieser Frage<br />

offengehalten. Die natürliche Entwicklung <strong>Hamburg</strong>s greift, der Sied lungswas<br />

serwirtschaft im natürlichen Gefälle geschuldet, entlang von Achsen mit<br />

abnehmender Siedlungsintensität ins nördliche Umland. Über Achsen endpunkte<br />

zur Auslastung des Nahverkehrs und die historischen Städte als Aufbaustand<br />

orte im Süden informierte der Erläuterungstext des Fächerplans.<br />

<strong>Hamburg</strong> verfolgt inzwischen unter dem Leitmotto „Mehr Stadt an neuen<br />

Orten“ auch die Entwicklung der äußeren Stadt: Neugraben-Fischbek im<br />

<strong>Hamburg</strong>er Süden oder Oberbillwerder im Bezirk Bergedorf. Die Planungsvor<br />

läufe, von der langjährigen Flächennutzungsplanung über die kooperativen<br />

Werkstatt- und Wettbewerbsverfahren bis hin zu den Hausbörsen der städtischen<br />

IBA GmbH, sind im bundesweiten Vergleich vorbildlich. Und dennoch<br />

stellt sich neben der naheliegenden Frage nach einer stärkeren regionalen<br />

Ko operation mit den Umlandgemeinden auch in zunehmendem Maß die jenige<br />

nach dem passenden Programm für das Bauen am Stadtrand.<br />

PERSPEKTIVEN<br />

27


3<br />

4<br />

Der Masterplan für Oberbillwerder sieht<br />

fünf Quartiere vor (6), die sich in ihrem<br />

Charakter, aber auch in der Höhe und<br />

der Dichte der Bebauung unterscheiden:<br />

Das GartenQuartier (3) schafft einen<br />

Übergang zur umgebenden Landschaft.<br />

Das zentrale BahnQuartier (4, 5) hat<br />

dagegen eine dichtere Bebauung und<br />

lebt dadurch von engen nachbarschaftlichen<br />

Begegnungen in gemischt genutzten<br />

städtischen Räumen. Das Grüne<br />

Quartier (7) bindet wiederum Sport-, Bildungs-<br />

und Freizeiteinrichtungen in das<br />

tägliche Leben ein.<br />

5<br />

34


■ Blaues Quartier<br />

■ BahnQuartier<br />

■ GartenQuartier<br />

■ Grünes Quartier<br />

■ ParkQuartier<br />

6<br />

7<br />

PERSPEKTIVEN OBERBILLWERDER<br />

35


Stadtrandsiedlungen der<br />

50er bis 70er Jahre


Der weitaus größte Teil des heutigen<br />

<strong>Hamburg</strong>er Stadtgebiets ist nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg neu oder wieder<br />

bebaut worden. Zu den verheerenden<br />

Folgen dieses Kriegs gehörte außerdem<br />

der Verlust von gut der Hälfte des<br />

damaligen Wohnungsbestandes. Viele<br />

erhaltene Altbauten wurden zudem in<br />

der Zeit des Wiederaufbaus abgerissen,<br />

weil man sie als nicht zukunftsfähig<br />

betrachtete. Nicht immer kamen<br />

in den 1950er bis 1970er Jahren die<br />

Prinzipien der „gegliederten und aufgelockerten<br />

Stadt“ oder „Urbanität<br />

durch Dichte“ konsequent zur Anwendung.<br />

Deshalb wurde die in diesen<br />

Konzepten erstrebte Qualität auch<br />

nicht überall erreicht.<br />

Alle damals entstandenen Wohnsiedlungen<br />

und Wohngebiete müssen<br />

sich heute, 50 bis 70 Jahre nach ihrem<br />

Entstehen, neuen Anforderungen stellen:<br />

Viele Familien sind kleiner geworden,<br />

immer öfter werden Wohnungen<br />

für alleinlebende Mensch nachgefragt.<br />

Auch die Arbeitsstrukturen haben<br />

sich verändert. Eine nach Funktionen<br />

ge trennte Stadtstruktur, wie diese<br />

Gebiete sie meist aufweisen, erweist<br />

sich heute als nicht mehr tragbar. Man<br />

arbeitet auch zuhause oder lebt mit<br />

anderen Generationen zusammen,<br />

pflegt Nachbarschaften, wäre vielleicht<br />

über Mietergärten froh, die<br />

selbst zu bewirtschaften sind, sucht<br />

Einkaufsmöglichkeiten in fußläufiger<br />

oder mit dem Fahrrad erreichbarer<br />

Entfernung und vieles mehr.<br />

Es gibt viele solcher Orte in der Stadt,<br />

vor allem an ihren Rändern. Die Freie<br />

und Hansestadt <strong>Hamburg</strong> hat 2019<br />

mit interessierten Wohnbaugenos senschaften<br />

ein Werkstattverfahren veranstaltet.<br />

Das Verfahren „Wohnen <strong>–</strong><br />

und was noch?“ war kein klassischer<br />

Wettbewerb, sondern der Versuch,<br />

auszuloten, was an diesen Orten<br />

eigentlich möglich ist. 14 über alle<br />

Bezirke verteilte Siedlungen wurden<br />

von ausgewählten Architekturbüros<br />

in enger Zusammenarbeit mit den<br />

Eigentümergenossenschaften da -<br />

rauf hin untersucht, welche Mischungen<br />

von Stadtfunktionen und welche<br />

besonderen Wohnangebote hier jeweils<br />

durch gezielte bauliche Eingriffe möglich<br />

gemacht werden können. Ziel war<br />

es, mit besonderen Wohnangeboten<br />

Menschen an diese Standorte zu<br />

locken, die bislang nicht im Fokus<br />

standen.<br />

Die Siedlungen haben sehr unterschiedliche<br />

städtebauliche Charaktere.<br />

Manche bestehen aus zwei- bis<br />

dreigeschossigen Zeilenbauten, andere<br />

aus Hochhaussolitären, wieder andere<br />

verfügen über drei- oder viergeschossige<br />

Bauten. Die Planungsbüros haben<br />

jeweils Vorschläge erarbeitet, wie<br />

durch bauliche Veränderungen neue<br />

Qualitäten geschaffen werden könnten.<br />

BeL Sozietät für Architektur aus<br />

Köln haben sich beispielsweise darüber<br />

Gedanken gemacht, wie die fast ausschließliche<br />

Wohnnutzung von Großsiedlungen,<br />

die in den 1970er Jahren<br />

entstanden sind, perspektivisch durch<br />

Arbeitsplätze, Werkstätten und Gewerbe<br />

kleinteilig, aber durchaus in großem<br />

Maßstab gut proportioniert ergänzt<br />

werden könnte <strong>–</strong> auch wenn dafür teilweise<br />

Parkplätze geopfert werden<br />

müssten.<br />

Stephen Taylor aus London zeigt<br />

in einem anderen kleineren Maßstab,<br />

wie rudimentäre Siedlungsstrukturen<br />

durch präzise kleinteilige Ergänzungen<br />

zu gut überschaubaren, fast kleinstädtischen<br />

Räumen am Rande einer<br />

Großstadt werden können. In seinem<br />

Beispiel entstehen zwischen den dreigeschossigen<br />

Wohnbauten durch die<br />

Neubauten kleine, fast intime Innenhöfe<br />

mit großen Tordurchgängen.<br />

Hausgemeinschaften oder einzelne<br />

Mieterinnen und Mieter können diese<br />

Räume individuell mit Leben füllen.<br />

Thomas Kröger aus Berlin nimmt<br />

unerschrocken das Prinzip solitärer<br />

Bauten in weitem Grün in seine Überlegungen<br />

auf und entwirft große<br />

Hochhausscheiben direkt an der<br />

Bahn strecke, die so die rückwärtige<br />

kleinteilige Bebauung gegen Lärm<br />

abschirmen. Er sucht gezielt nach<br />

Bauflächen, die eigentlich keine sind.<br />

Durch eine geschickte Grundrissorganisation<br />

werden sehr unterschiedliche<br />

Wohnungstypen und -größen in<br />

den Häusern gemischt. Den Hausgemeinschaften<br />

schenkt der Entwurf<br />

dabei große Beachtung und sieht entsprechende<br />

Räume wie Gemeinschafts<br />

küchen vor.<br />

Sehr behutsam ergänzt der Basler<br />

Architekt Luca Selva einen zweigeschossigen<br />

denkmalgeschützten Baublock<br />

in dessen grünen Innenhof durch<br />

ein leichtes hölzernes Gebäude, das<br />

zusätzliche Wohnungen aufnimmt und<br />

den Boden nur punktuell berührt.<br />

Löser Lott Architekten aus Berlin<br />

haben eine Baustruktur entwickelt,<br />

die eine offene Gruppe von Wohn<strong>–</strong><br />

bauten in einen Block einbindet. Die<br />

Bau struktur ist dabei so flexibel angelegt,<br />

dass sie von der Single- über die<br />

Familien- und Maisonettewohnung bis<br />

zu Loggia-, Atelier-, Community-, WGoder<br />

Hostel-Wohntyp eine wirklich<br />

große Bandbreite moderner Wohnvorstellungen<br />

abdeckt.<br />

Bruther aus Paris können sich hy -<br />

bride Neubauten vorstellen, die zu -<br />

nächst dem noch hohen motorisierten<br />

Individualverkehr als Parkhäuser dienen<br />

und die Parkplätze im Quartier<br />

ersetzen. Später würden sie mit besserer<br />

Radwegeverbindung und attraktivem<br />

öffentlichen Verkehr sukzessive<br />

in Wohnhäuser umgewandelt. Offensiv<br />

schaffen Bruther mit zeitgenössischer<br />

Architektur einen Kontrast zum<br />

Bestand.<br />

ifau mit projektbüro aus Berlin,<br />

planen mit gezielten Um-, An- und Zubauten<br />

gemeinschaftliches und genossenschaftliches<br />

Leben in einer<br />

bestehenden Gartenstadt wieder zu<br />

etablieren.<br />

Andere Architekturbüros haben<br />

überlegt, ob feingliedrige bauliche<br />

Strukturen so ergänzt werden können,<br />

als hätte die Ergänzung immer schon<br />

zum Bestand gehört. Es sind dabei<br />

insgesamt recht unterschiedliche<br />

Fallstudien entstanden, die teilweise<br />

durchaus prototypischen Charakter<br />

haben <strong>–</strong> also auch auf ähnliche Standorte<br />

übertragbar sind. Den Genossenschaften<br />

steht jetzt ein großer Ideenfundus<br />

für den zukünftigen Umgang<br />

mit ihren Wohnungen und Siedlungen<br />

zur Verfügung.<br />

PERSPEKTIVEN STADTRANDSIEDLUNGEN DER 50ER BIS 70ER JAHRE<br />

51


Bruther, Paris<br />

28<br />

Bruther rechnen damit, dass sich die<br />

Zahl der Pkw in den Wohngebieten langsam<br />

reduzieren wird und die so frei werdenden<br />

Flächen zum Wohnen genutzt<br />

werden können. Für diese Übergangsperiode<br />

haben sie Häuser entworfen, die<br />

sich aus einem typischen Parkhaus<br />

umwandeln lassen (28, 31). Ein Flächenvergleich<br />

zeigt die Verhältnisse (30).<br />

30<br />

29<br />

2.5<br />

5<br />

62


A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

E<br />

F<br />

G<br />

H<br />

I<br />

J<br />

K<br />

L<br />

M<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

E<br />

F<br />

G<br />

H<br />

I<br />

J<br />

K<br />

L<br />

M<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

B<br />

31<br />

A B C D E F G<br />

H<br />

A B C D E F G<br />

H<br />

Der Architekt Paul Schneider-Esleben<br />

hat 1950<strong>–</strong>1952 die Haniel-Garage in<br />

Düsseldorf als Lebensmittelpunkt<br />

entworfen (29): Außer Unterstellmöglich<br />

keiten für Autos und Motorräder<br />

beherbergt sie einen Reparatur- und<br />

Wartungsservice, und in direkter Nachbarschaft<br />

sind Wohngebäude, Restaurants<br />

und Cafés untergebracht. Sie könnte für<br />

die Ideen von Bruther als Vorbild dienen.<br />

PERSPEKTIVEN STADTRANDSIEDLUNGEN DER 50ER BIS 70ER JAHRE<br />

63


REVISION E M1:500<br />

4<br />

5 Das alte Brauereigelände und die Anlagen<br />

des alten Altonaer Güterbahnhofs<br />

sind wichtige Zeugnisse der Industrie,<br />

die dieses Gebiet ursprünglich geprägt<br />

hat. Sie werden in ein neues gemischt<br />

genutztes Stadtgewebe eingebunden,<br />

das die benachbarten Gebiete Altona-<br />

Altstadt und Ottensen einander näherbringt<br />

(4). Für die insgesamt zehn<br />

Bau felder des Areals sind Architekturwettbewerbe<br />

geplant (5).<br />

HOLSTEN AREAL MASTERPLAN<br />

74


6<br />

Viele historische Bauten auf dem Holstenareal<br />

bekommen neue Nutzungen: Die<br />

denkmalgeschützte Schwankhalle (6)<br />

wird in einen Hotelkomplex eingebunden.<br />

Die Sudhäuser und Silobauten, darunter<br />

das von dem Architekten und Baupfleger<br />

Werner Jakstein 1926<strong>–</strong>1927 errichtete<br />

Gebäude (8), bekommen eine neue<br />

öffentliche Nutzung (7).<br />

7<br />

8<br />

PERSPEKTIVEN HOLSTENAREAL<br />

75


Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung<br />

sollen auch in der Science City <strong>Hamburg</strong><br />

Bahrenfeld gemischt vorkommen (7, 8, 10).<br />

Das Bild (9) zeigt etwa in der Mitte den<br />

Wissenschaftsboulevard (10) an der<br />

Luruper Chaussee und den Fokusraum 2,<br />

der Lehre, Forschung und Wohnen am<br />

Volkspark verbindet.<br />

7<br />

8<br />

80


10<br />

9<br />

PERSPEKTIVEN SCIENCE CITY HAMBURG BAHRENFELD<br />

81


Moringa<br />

ARCHITEKTUR kadawittfeldarchitektur, Aachen<br />

AUFTRAGGEBER Landmarken AG, Aachen<br />

15<br />

Das Moringa-Gebäude ist mit seinen<br />

zwölf Geschossen das erste Wohnhochhaus<br />

Deutschlands, das nach dem Prinzip<br />

„Cradle to Cradle“ aus besonders nachhaltigen<br />

und vor allem recyclingfähigen<br />

Materialien erstellt wird. Es wird vor<br />

allem Mietwohnungen (30 Prozent davon<br />

öffentlich gefördert) enthalten, aber<br />

auch eine Kita, Gastronomie und Flächen<br />

für Co-Working (15, 16).<br />

16<br />

96


U- und S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken<br />

ARCHITEKTUR gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner, <strong>Hamburg</strong><br />

TRAGWERKSPLANUNG schlaich bergermann partner (sbp), Stuttgart<br />

BAUHERRN <strong>Hamburg</strong>er Hochbahn AG (U-Bahn-Haltestelle und Skywalk);<br />

DB-Station & -Service (S-Bahn-Haltestelle)<br />

17<br />

Die U- und S-Bahn-Haltestelle bildet nicht<br />

nur im <strong>Hamburg</strong>er Bahnverkehr einen<br />

wichtigen Knotenpunkt, sie vermittelt<br />

auch zwischen der HafenCity, dem neuen<br />

Entwicklungsgebiet „Stadteingang Elbbrücken“<br />

und dem Stadtteil Rothenburg s-<br />

ort (19). Nicht zufällig orientiert sich ihre<br />

Architektur an den historischen Elbbrücken<br />

(17). Sie bildet damit eine ästhe tische<br />

Brücke in die Vergangenheit und bereitet<br />

gleichzeitig die Elbquerung der U-Bahn vor,<br />

die die Stadtteile Veddel und Grasbrook<br />

anbindet. Die Station besteht aus zwei<br />

Gebäuden, eines für die S-Bahn und eines<br />

für die U-Bahn. Sie sind beide durch einen<br />

Skywalk miteinander verbunden (18).<br />

18<br />

19<br />

PERSPEKTIVEN ÖSTLICHE HAFENCITY<br />

97


7<br />

Der Billhafen (7) hat lange ein Schattendasein<br />

gefristet. Er ist mit weiteren kleinen<br />

Hafenbecken (9) ein Kleinod zwischen den<br />

Brücken der großen Verkehrstrassen (8).<br />

Dabei liegt er an der Veloroute zwischen<br />

dem Bezirk <strong>Hamburg</strong>-Harburg und der<br />

Innenstadt. Auch der Elbewanderweg verläuft<br />

hier. Die neue Freiraumgestaltung<br />

erschließt diese <strong>Stadträume</strong>.<br />

104


8<br />

9<br />

PERSPEKTIVEN STADTEINGANG ELBBRÜCKEN<br />

105


Der City-Hof in der <strong>Hamburg</strong>er Innenstadt bestand von 1958 bis 2020 (Architekt Rudolf Klophaus).<br />

Wenn ich die Passagen in der <strong>Hamburg</strong>er Innenstadt sehe, denke ich schon,<br />

dass dort modernere Nutzungskonzepte umgesetzt werden müssten, um<br />

ihnen wieder eine höhere Besucherfrequenz zu verschaffen. Bei den Umbauten<br />

eröffnen sich oft auch überraschend neue Wegeverbindungen und Blickbeziehungen.<br />

Die Stadthöfe sind dafür ein gutes Beispiel. Die öffentlichen<br />

Räume, die dort sozusagen in zweiter Reihe liegen, bieten eine neue Qualität<br />

in der Stadt. Also, ich glaube nicht, dass <strong>Hamburg</strong> seine Identität durch solche<br />

Baumaßnahmen verlieren wird.<br />

PETER ST JOHN Diese Frage überrascht mich, denn <strong>Hamburg</strong> ist eine Stadt,<br />

die sich durch ihre behutsame Stadtplanung und -gestaltung auszeichnet.<br />

Ich führe <strong>Hamburg</strong> stets als Beispiel dafür an, wie man eine Stadt wirklich<br />

reflektiert formt. Wenn man in London lebt und sieht, was dort seit den 1990er<br />

Jahren geschehen ist, dann kann man wirklich nicht mehr erkennen, wie die<br />

Stadt vor 20 Jahren ausgesehen hat. Wenn wir in <strong>Hamburg</strong> arbeiten, dann<br />

wird uns hingegen immer wieder bewusst, dass dort großer Wert auf die<br />

Kontinuität der Stadtstruktur gelegt und der öffentlichen Wahrnehmung der<br />

Architektur in der Stadt enorme Beachtung geschenkt wird. Man wird <strong>Hamburg</strong><br />

im Jahr 2050 also selbstverständlich wiedererkennen. Das scheint sehr<br />

gut organisiert zu sein.<br />

Wodurch, denken Sie, wird dieser Prozess garantiert?<br />

PETER ST JOHN Durch einen offenen und demokratischen Planungsprozess,<br />

der die Anliegen der Bürger mit den privaten Interessen der Entwickler in eine<br />

Balance bringt. Für mich ist es entscheidend, dass es für derartige Veränderungen<br />

ein System von Architekturwettbewerben, eine sorgfältige Auswahl<br />

116


von Architekten und ein seriöses Bewertungsverfahren gibt, in das die Öffentlichkeit<br />

einbezogen ist. Die Bauherrn sollten nicht die einzigen sein, die über<br />

die Auswahl der Architekten befinden. In Großbritannien gibt es kein vergleichbares<br />

Auswahlverfahren für Architekten, bei dem erwartet werden kann,<br />

dass die Stadt auf ähnliche Weise darin eingebunden ist wie in Deutschland.<br />

Diese sorgfältig organisierten wettbewerblichen Auswahlverfahren sind der<br />

Grund, warum wir so oft in Deutschland arbeiten.<br />

Sind die Bauten der 1950er und 1960er Jahre Teil der Identität solcher Städte?<br />

ROGER DIENER Viele dieser Bauten gehören meiner Meinung nach schon dazu.<br />

Die Bauten des späten 19. und des 20. Jahrhunderts weisen allerdings in ihrer<br />

Architektur und in ihrer Wirkung für den Stadtraum Dimensionen und Typologien<br />

auf, die den urbanen Entwicklungen bis heute standhalten können. Sie<br />

sind im Gegensatz zu den Bauten und Stadtstrukturen des Mittelalters groß<br />

genug. Bauten im gotischen Parzellenzuschnitt eignen sich heute beispielsweise<br />

weniger für den täglichen Gebrauch, ob für Handel oder als Büros im<br />

tertiären Wirtschaftssektor. Die Gebäude aus der Zeit des ausgehenden Historismus<br />

bis in die 1950er Jahre können eine Brückenfunktion erfüllen. Gerade<br />

<strong>Hamburg</strong> ist ja vor allem mit Gebäuden aus der Zeit des Expressionismus reich<br />

gesegnet, die eine absolut zeitgenössische Dimension aufweisen und sich für<br />

den heutigen Gebrauch sehr gut eignen.<br />

Die städtebaulichen Ambitionen in den 1950er bis 1970er Jahren lagen darin,<br />

gezielt mit jenen Strukturen zu brechen, die Herr Diener gerade beschrieben<br />

hat. Wie soll man mit solchen Brüchen umgehen?<br />

KARIN LOOSEN Die Nachkriegsarchitektur verdient höhere Wertschätzung.<br />

Auch in dieser Zeit sind Qualitäten entstanden, die erhalten bleiben sollten. Ich<br />

weiß, das Thema und diese Epoche sind nicht sehr beliebt, aber eine intensive<br />

Beschäftigung mit den Bauten und Siedlungsprojekten beispielsweise der<br />

Neuen Heimat hilft, Vorurteile abzu<strong>bauen</strong>, Qualitäten zu erkennen und neu zu<br />

bewerten. Die Dynamik und die Aufbruchsstimmung dieser Jahre finde ich<br />

sehr spannend. Darauf sollte der Fokus auch in der Innenstadt stärker ge -<br />

richtet werden.<br />

ROGER DIENER Ich glaube, darauf gibt es nicht nur eine Antwort. In einer Zeit,<br />

in der der Städtebau nicht mehr einer einheitlichen Spur zu folgen vermag und<br />

die städtischen Situationen sehr heterogen sind, müssen auch die Antworten<br />

differenziert ausfallen. Es gibt Fälle, in denen der Bruch mit einer in takten<br />

stadträumlichen Situation zunächst als eine Verletzung des städtischen Gewebes<br />

empfunden und eingeschätzt wird <strong>–</strong> bei einer zweiten, späteren Betrachtung<br />

kann eine Revision des früheren Städtebaus an dieser Stelle dann aber<br />

doch als sinnvoll erscheinen. In anderen Fällen, in denen bei spielsweise versucht<br />

wurde, die neuen Ströme des Automobilverkehrs zu bewältigen, entstand<br />

ein Städtebau in Dimensionen, der den hohen architektonischen und<br />

ästhetischen Qualitätsansprüchen der heutigen Zeit nicht zu genügen vermag.<br />

Es gibt beide Fälle.<br />

CHRISTOPH FELGER Ich bin Mitglied des Gestaltungsbeirats der Stadt Pforzheim.<br />

Diese Stadt hat nach dem Zweiten Weltkrieg geradezu Modellcharakter<br />

für den Wiederaufbau in Westdeutschland <strong>–</strong> sehr autofreundlich, sehr modern,<br />

sehr transparent, viel Glas. Allerdings besteht bei vielen Gebäuden aus dieser<br />

Zeit ein Problem in Bezug auf die Qualität der Bausubstanz. Da muss man sicherlich<br />

im Einzelfall überprüfen, ob und wie sich Gebäude dieser Epoche sinnvoll<br />

erhalten lassen. Es gibt natürlich die Ikonen dieser Ära, die erhalten werden<br />

STADTRÄUME<br />

117


Gebäude der Bremer Landesbank am Domshof in Bremen (2016), Architekten Caruso St John<br />

ROGER DIENER Ich glaube, Kleinteiligkeit ist notwendig, wenn man die Stadt<br />

für die Fußgänger neu erschließen will. Solche Verbindungen wie hier sind in<br />

größeren zusammenhängenden Strukturen, beispielsweise in der Zeit des<br />

Brutalismus in den 1960er Jahren, oft unwirtlich ausgefallen. Es gibt einen<br />

Vorbehalt: Wenn man zusätzliche Verbindungen in oder zwischen den Höfen<br />

schafft, lenkt man dort hin auch die urbane Energie des Orts, die die Fußgänger<br />

erzeugen, und zieht diese unter Umständen von der Straße ab. Man<br />

muss das eine gewinnen, ohne das andere zu verlieren. Eine für die Fußgänger<br />

erlebbare Qualität nobilitiert im Endeffekt die Straßen. Wenn man die Straße<br />

dem Verkehr überlässt und die Fußgänger in das Blockinnere zieht, ergibt sich<br />

eine einseitige Verlagerung.<br />

KARIN LOOSEN Ich sehe eine Antwort im Umgang mit dem öffentlichen Raum.<br />

In einem gemeinsamen Gutachten mit dem Landschaftsarchitekten Ando Yoo<br />

haben wir uns mit den Wegeverbindungen aus der historischen Innenstadt in<br />

die HafenCity beschäftigt und festgestellt, dass vieles an der Nutzbarkeit der<br />

öffentlichen Räume liegt und daran, wie Straßen und Plätze überquert werden<br />

können. Man braucht interessante Blickachsen und buchstäblich neue Perspektiven;<br />

aktive Erdgeschosszonen und eine Beleuchtung im öffentlichen<br />

Raum, die eine einladende Atmosphäre schafft und nicht nur eine Grundbe<br />

leuchtung bietet. Die Stadt wird ja zu ganz unterschiedlichen Tageszeiten<br />

genutzt. Die öffentlichen Plätze spinnen ein Netz roter Fäden in der Stadt. Ich<br />

begrüße, dass die Stadt sich dem annehmen will. Aber es geht um mehr: Es<br />

geht um die Wahrnehmbarkeit der unterschiedlichen Orte. Wenn dort ge baut<br />

wird und neue Verbindungen geschaffen werden, müssen diese so gestaltet<br />

sein, dass sie stärker genutzt und damit auch wahrgenommen werden.<br />

Welche Rolle spielt die Architektur dabei? Wie kann sie eingesetzt werden, um<br />

<strong>Stadträume</strong> attraktiver zu machen?<br />

KARIN LOOSEN Die Gebäude spielen dabei eine große Rolle. Ein Patentrezept<br />

gibt es dafür allerdings nicht. Man muss den einzelnen Orten und Situationen<br />

sehr sensibel begegnen und maßgeschneiderte Lösungen finden. Es empfiehlt<br />

122


sich sehr, Architekturwettbewerbe zu veranstalten, die in der Regel eine Vielzahl<br />

an Lösungsansätzen aufzeigen. Ich denke, die Maßstäblichkeit der Gebäude<br />

und die Feinheit ihrer Fassaden, die Art ihrer Mischung sowie die Zusammensetzung<br />

der Nutzung in ihren Raumprogrammen sind wichtig. Wir müssen die<br />

eindimensionalen Leitbilder der Nachkriegsplanung überwinden, nicht so<br />

sehr ihre Bauten. Heutige Architektur sollte diese Gebäude in eine lebendige<br />

gemischte Stadtstruktur integrieren. Das wird man mit guten Architekten sehr<br />

sensibel angehen müssen.<br />

An der „Spiegel-Insel“ in der Innenstadt, dem früheren Standort des Spiegel-<br />

Verlags, kann man sehen, dass man diese Volumina durchaus erhalten und<br />

maßstäblich ergänzen kann. Hier muss man schlicht der Architektur ge schichte<br />

Respekt zollen. Das Prinzip der Mantelbebauung ist nicht sehr beliebt, aber<br />

hier passt es gut. In den ergänzenden Bauten auf der „Spiegel-Insel“ sind Nutzungen<br />

untergekommen, die den Ort bereichern und lebendiger machen. Die<br />

Grundidee der Bauten wurde so erhalten und sie haben auch noch annähernd<br />

ihre Nutzungen behalten. In anderen Fällen kann ein Sockelgeschoss neu genutzt<br />

und belebt werden. Nicht alle Nachkriegsbauten sind „Autisten“ in der Stadt.<br />

PETER ST JOHN In <strong>Hamburg</strong> sind die Bürgersteige oftmals breit und die<br />

Gebäude können massiv sein. Das ist eine besondere Qualität dieser Stadt.<br />

Als Fußgänger mag sich das manchmal etwas undurchlässig anfühlen, wenn<br />

man es etwa mit den Maßstäben von Städten, wie London oder München vergleicht,<br />

die ich ebenfalls recht gut kenne.<br />

Es ist wirklich wichtig für eine Stadt, dass man sich in ihr zu Fuß leicht und<br />

komfortabel bewegen kann. Die Typologie verbundener Höfe und Arkaden,<br />

wie sie zum Beispiel in den Stadthöfen zu finden ist, ist tatsächlich sehr<br />

be sonders. Das sind gemeinschaftlich nutzbare Räume inmitten eines innerstäd<br />

tischen Blocks. So etwas gibt es in London nicht, weil wir von der Privatheit<br />

des Bereichs hinter den Häusern besessen sind. Wir können Parks gut<br />

<strong>bauen</strong>, wir können moderne Architektur in offene Landschaften setzten. Wir<br />

können Häuserreihen gut <strong>bauen</strong>. Aber wir können keine Innenhöfe <strong>bauen</strong>.<br />

Diese Typologie funktioniert in Großbri t annien nicht. Höfe mit einer entspannenden,<br />

ruhigen und gemeinschaftlichen Atmosphäre verbinde ich mit <strong>Hamburg</strong><br />

und Berlin. Entscheidend ist dafür die Größe dieser Räume <strong>–</strong> und die<br />

Art, wie die Architektur diese Außenräume formt.<br />

Ganz allgemein denke ich, dass Architektur in der Stadt vor allem über ihre<br />

Fassade wirkt <strong>–</strong> manchmal ist sie auch das Einzige, was Architektur zur Stadt<br />

beitragen kann. Ich denke, abgesehen von der Stadtstruktur sollten Architekten<br />

alle Zeit und Sorgfalt, die sie den Umständen ihres Projekts abringen<br />

können, auf den Entwurf der Gebäudefassaden verwenden. Wir nehmen uns<br />

dafür sehr viel Zeit. Für uns ist die Fassade fast schon ein eigenes Projekt.<br />

In Bremen bei unserem Projekt für die Bremer Landesbank ging es darum,<br />

mit der Fassade einen Abschluss des Marktplatzes gegenüber dem Dom zu<br />

bilden. Für mich ist die Fassade hier autonom, unabhängig von dem Bankgebäude<br />

dahinter, und bezieht sich eher auf die Stadt. Sie repräsentiert die<br />

Bank. Die Fassade wurde in Backstein ausgeführt und nicht in Glas oder Beton,<br />

wie es in den meisten anderen Wettbewerbsentwürfen vorgesehen war. Wir<br />

wollten ein Gebäude entwerfen, das die norddeutsche Baukultur reflektiert<br />

und sich in die mittelalterlichen Gebäude und Bauten aus dem 19. Jahrhundert<br />

einfügt. Gemauerte Fassaden schaffen in der Regel bessere Straßenräume<br />

als Glas- und Vorhangfassaden. Das hat etwas mit dem Maßstab und Detailreichtum<br />

zu tun, den gemauerte Fassaden aufweisen können. Das sieht man<br />

dann besonders, wenn man sie von schräg unten betrachtet, also wenn man<br />

die Straße entlanggeht. Im Bremer Stadtzentrum, wo es viele sehr fein ge -<br />

staltete mittelalterliche Gebäude gibt, ist das Relief in der Fassade der Bank<br />

deshalb besonders wichtig.<br />

STADTRÄUME<br />

123


Die St. Michaeliskirche in Brand am 3. Juli 1906


ALEXANDER STUMM<br />

Wiederaufbau <strong>–</strong> Abriss und<br />

Neubau <strong>–</strong> Weiter<strong>bauen</strong><br />

Drei Grundkonzepte stehen im Werkzeugkasten der Architektur zur Verfügung:<br />

Wiederaufbau, Abriss und Neubau sowie Weiter<strong>bauen</strong>. Darüber hinaus trägt<br />

die Erhaltung (als eine nicht primär architektonische Aufgabe) zur Identität<br />

einer Stadt bei. Diese eigentlich zeitlosen Grundkonzepte unterliegen in einer<br />

Gesellschaft immer wieder neuen Interpretationen und Sinnzuschreibungen.<br />

Welche Methode in einem spezifischen Fall zum Einsatz kommt, hängt, um es<br />

mit dem Soziologen Pierre Bourdieu zu sagen, von dem sich ständig verändernden<br />

kulturellen Kräftefeld ab. Geradezu beispielhaft lassen sich die Aushandlungsprozesse<br />

in der Stadt <strong>Hamburg</strong> aufzeigen, genauer gesagt anhand<br />

drei ihrer prägendsten Bauprojekte der letzten 100 Jahre.<br />

Wiederaufbau<br />

Am 3. Juli 1906 brach im Turm der <strong>Hamburg</strong>er Hauptkirche St. Michaelis ein<br />

verheerendes Feuer aus, das binnen kürzester Zeit auf das Hauptschiff übergriff.<br />

Letzteres brannte in wenigen Stunden bis auf die Umfassungsmauern<br />

nieder, der Turm stürzte ein. Damit war einer der wichtigsten protestantischen<br />

Barockbauten Nordeuropas verloren.<br />

Schon am darauffolgenden Tag wurden in einer Sondersitzung der <strong>Hamburg</strong>er<br />

Bürgerschaft Rufe nach einem Wiederaufbau laut. Ausschlaggebend<br />

war vor allem die identitätsstiftende Wirkung des Michels als zentrales Wahrzeichen<br />

in der Stadtsilhouette. Das Ereignis fiel in die Zeit eines heftigen Richtungsstreits<br />

innerhalb der Denkmalpflege in Deutschland, die mit der Debatte<br />

um das Heidelberger Schloss 1905 ihren Höhepunkt fand. Der Kunsthistoriker<br />

Georg Dehio formulierte in diesem Zuge die berühmte Maxime „konservieren,<br />

nicht restaurieren“, die zum Kampfbegriff der modernen Denkmalpflege werden<br />

sollte. Ziel war demnach die Erhaltung der historischen Substanz eines<br />

Gebäudes <strong>–</strong> Dehios Haltung gilt damit als grundsätzlich rekonstruktionskritisch.<br />

Welche Position aber nahm er im Fall der Michaeliskirche ein? Es mag überraschen,<br />

dass sich Dehio hier dezidiert für einen Wiederaufbau aussprach. 1 Dagegen<br />

erfolgte bis 1912 unter der Leitung von Julius Faulwasser ein originalgetreuer<br />

Wiederaufbau des Michels. Faulwasser hatte die Kirche schon in den<br />

1880er Jahren aufgemessen, wodurch die Gestalt <strong>–</strong> nicht ohne brandschutztechnische,<br />

aber auch stilistische Abweichungen <strong>–</strong> dem Entwurf der Erbauer<br />

Ernst Georg Sonnin und Johann Leonhard Prey angeglichen werden konnte. 2<br />

Fritz Schumacher, 1909 bis 1933 Oberbaudirektor in <strong>Hamburg</strong>, galt damals<br />

als vehementer Kritiker und plädierte für einen zeitgenössischen Neubau.<br />

STADTRÄUME<br />

131


176


FOTOESSAY<br />

HafenCity, Park am Baakenhafen<br />

177


182


FOTOESSAY<br />

Altstadt, Abriss des City-Hofs<br />

183


190


FOTOESSAY<br />

Harburg, Hafencampus Binnenhafen<br />

191


Velorouten


Radwege, die neben dem Fußweg<br />

über holprige Baumwurzeln verlaufen,<br />

gehören in <strong>Hamburg</strong> wohl bald<br />

der Vergangenheit an. Auch Radstreifen,<br />

die nur mit weißen Linien von<br />

den Fahrbahnen für Kraftfahrzeuge<br />

getrennt sind und gleichzeitig mit<br />

ihnen in Konkurrenz stehen, können<br />

nur eine Übergangslösung sein.<br />

Städte wie Kopenhagen, Amsterdam,<br />

Münster und London zeigen, dass<br />

Fahrräder ein eigenes, von anderen<br />

Verkehrsarten getrenntes Wegenetz<br />

brauchen, wenn es darum geht, auch<br />

weitere Distanzen zu überwinden.<br />

Das <strong>Hamburg</strong>er Veloroutenkonzept<br />

sieht zwölf sternförmig auf den Rathausmarkt<br />

ausgerichtete Strecken<br />

vor und zwei Ringverbindungen. Bis<br />

2025 sollen die Velorouten auf eine<br />

Gesamtlänge von etwa 280 Kilometern<br />

ausgebaut und entsprechend beschildert<br />

werden. Auch wenn dieses Streckennetz<br />

gerne in der Form des <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schnellbahnnetzes dargestellt<br />

wird, handelt es sich bei den Velorouten<br />

nicht um ein eigenständiges<br />

Wegenetz. Es folgt aber auch nicht<br />

einfach den großen Ein- und Ausfallstraßen,<br />

die in den vergangenen<br />

Jahrzehnten massiv für den Kraftfahrzeugverkehr<br />

ausgebaut worden sind.<br />

Sie bildeten mit Brücken und Unterführungen<br />

zum Teil erhebliche Zäsuren<br />

in der bestehenden Stadtstruktur.<br />

Die Velorouten sind oft gezielt abseits<br />

dieser großen Ein- und Ausfallstraßen<br />

angelegt worden, um einerseits eine<br />

Konfrontation mit dem Autoverkehr<br />

zu vermeiden, andererseits aber auch<br />

ruhige und sichere Fahrwege anzubieten.<br />

Radfahrerinnen und Radfahrer<br />

bewegen sich auf diesen Strecken<br />

dennoch in enger Nachbarschaft<br />

zum Autoverkehr oder zu Fußwegen<br />

fort <strong>–</strong> und dies durchaus nicht immer<br />

konflikt frei. Inwieweit diese Strecken<br />

noch alltagstauglich sind, wenn das<br />

Fahrrad wie in Kopenhagen oder<br />

Amsterdam zu einem Massenverkehrsmittel<br />

geworden ist, muss die<br />

Praxis erweisen. Schließlich braucht<br />

der Fahrradpendelverkehr auf den<br />

langen Strecken höhere Geschwindigkeiten<br />

und eine bessere Wegequalität<br />

als Fahrräder im lokalen Gelegenheitsverkehr.<br />

Gleichwohl erschließen diese<br />

Routen neue Räume der Stadt, verlaufen<br />

durch ruhige Quartiere, durch Parks<br />

und andere optisch reizvolle Teile der<br />

Stadt. Das Fahrrad eröffnet durch<br />

seine Geschwindigkeit buchstäblich<br />

neue Perspektiven auf die Stadt und<br />

ermöglicht eine andere physische<br />

Wahrnehmung der städtischen Räume.<br />

Allerdings erfordern auch die für<br />

Fahrräder notwendige Infrastruktur<br />

sowie Gebäude für ihr kurz- und langfristiges<br />

Abstellen, die Zwischenlagerung<br />

von Einkäufen (wie Fahrradparkhäuser<br />

und Service stationen) oder<br />

der Umgang mit Lastenfahrrädern im<br />

privaten wie im gewerblichen Bereich<br />

besondere Aufmerksamkeit bei der<br />

Integration in das Stadtbild.<br />

Die Velorouten verlaufen über Fahrradstraßen,<br />

auf denen Fahrräder Vorrang<br />

vor Kraftfahrzeugen haben (2); über<br />

Plätze (4) und durch Parks und landschaftlich<br />

reizvolle Räume wie an der<br />

Außenalster (3). Sie eröffnen neue Perspektiven<br />

auf die Stadt und ermöglichen<br />

eine andere physische Wahrnehmung<br />

der städtischen Räume. Außerdem<br />

erleichtern die Velorouten das Durchqueren<br />

der Stadt und erhöhen die Reisegeschwindigkeit<br />

mit dem Fahrrad.<br />

2<br />

3<br />

4<br />

NETZWERKE VELOROUTEN<br />

221


Abendprogramm im Rahmen des Internationalen Bauforums 2019 | Magistralen<br />

248


VERFAHREN<br />

249


Impressum<br />

© 2021 by jovis Verlag GmbH<br />

Das Copyright für die Texte liegt bei den Herausgebern beziehungsweise bei<br />

den jeweiligen Autorinnen und Autoren.<br />

Das Copyright für die Abbildungen liegt bei den Fotografinnen und Fotografen/<br />

Inhaberinnen und Inhabern der Bildrechte.<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Umschlagmotiv: Bilton Real Estate/Caruso St John<br />

Konzept: Olaf Bartels<br />

Projekttexte, Text- und Bildredaktion: Olaf Bartels, Katrin Peter-Bösenberg<br />

Redaktionsteam der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen: Viola Habeck,<br />

Mirjam Lenzen, Constanze von Szombathely<br />

Projektmanagement: Nina Kathalin Bergeest<br />

Lektorat: Miriam Seifert-Waibel<br />

Gestaltung und Satz: Anna Węsek, buchtypo, Düsseldorf<br />

Lithografie: Bild1Druck, Berlin<br />

Gedruckt in der Europäischen Union<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<br />

http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

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Lützowstraße 33<br />

10785 Berlin<br />

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ISBN 978-3-86859-625-0

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