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Unrecht tun ist schlimmer als Unrecht leiden (Sokrates bei Platon ...

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<strong>Unrecht</strong> <strong>tun</strong> <strong>ist</strong> <strong>schlimmer</strong> <strong>als</strong> <strong>Unrecht</strong> <strong>leiden</strong> 123<br />

schen RechtsansprŸche gering und unwesentlich. Da§ kompromi§loses Beharren<br />

auf irdischen Rechtspositionen oder die AusŸbung des ius talionis die<br />

Menschen vor Gott nicht gerecht machen kšnnen, wird schon daraus ersichtlich,<br />

da§ nach chr<strong>ist</strong>licher Auffassung kein Mensch frei von Schuld <strong>ist</strong>. Gewaltverzicht<br />

und Versšhnungsbereitschaft sind zweifellos auch fŸr das friedliche<br />

Zusammenleben der Menschen fšrderlicher. Aber es wŠre aus chr<strong>ist</strong>licher<br />

Sicht ein Zeichen von tšrichter SelbstŸberschŠtzung und Selbstgerechtigkeit<br />

zu meinen, man kšnne durch eigene Anstrengungen Ð so nštig sie auch<br />

immer sind Ð etwas im hšchsten Ma§e Erstrebenswertes erreichen, ohne auf<br />

die Gnade Gottes angewiesen zu sein. ãMit unserer Macht <strong>ist</strong> nichts getanÒ. In<br />

diesem Punkt unterscheidet sich das chr<strong>ist</strong>liche SelbstverstŠndnis des Menschen<br />

grundlegend von der sokratisch-platonischen Auffassung.<br />

Auch wenn die ethischen Maximen des <strong>Sokrates</strong> in mancher Hinsicht den<br />

Forderungen der Bergpredigt verwandt erscheinen, so macht doch ihre jeweilige<br />

BegrŸndung den grundsŠtzlichen Unterschied klar. ãLiebet eure Feinde<br />

und betet fŸr eure Verfolger, damit ihr Sšhne eures Vaters werdet, der in den<br />

Himmeln <strong>ist</strong>Ò. 73 Mit diesem Gebot wird von den Menschen eine Gesinnung<br />

der Nachgiebigkeit und Versšhnungsbereitschaft gefordert, und zwar nicht<br />

auf Grund der vermeintlichen Aussicht, da§ dadurch die ZustŠnde in der<br />

Welt besser werden oder da§ die Menschen sich dadurch vor Gott <strong>als</strong> gerecht<br />

erweisen kšnnten, sondern die Menschen sollen Nachgiebigkeit und Versšhnungsbereitschaft<br />

Ÿben, damit sie zu Sšhnen Gottes, ihres Vaters, werden,<br />

dessen GŸte und Gnade auch Vorbild fŸr den Umgang mit den Mitmenschen<br />

sein mu§. Konkret <strong>ist</strong> dieses Vorbild in der Lehre und dem Verhalten Jesu geworden,<br />

zu dessen Nachfolge die Chr<strong>ist</strong>en aufgerufen sind. ãIhr sollt <strong>als</strong>o<br />

vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen <strong>ist</strong>Ò. 74 Allein darin<br />

besteht der Grund fŸr die unbedingten Forderungen der Bergpredigt. Die Verwirklichung<br />

von Gerechtigkeit und GlŸck hingegen, mit denen <strong>Sokrates</strong> <strong>bei</strong><br />

<strong>Platon</strong> seine moralischen AnsprŸche begrŸndet hat, kšnnen Chr<strong>ist</strong>en, auch<br />

wenn sie sich ernsthaft bemŸhen, die Gebote der Bergpredigt zu befolgen,<br />

nach ihrem SelbstverstŠndnis aus eigener Kraft nicht erreichen, sie glauben<br />

aber um Gottes Be<strong>ist</strong>and bitten zu dŸrfen und die ErfŸllung in irgendeiner<br />

Form von seiner Gnade und GŸte erhoffen zu kšnnen. Unter diesem Aspekt<br />

kann der platonische <strong>Sokrates</strong> schlechterdings nicht <strong>als</strong> VorlŠufer chr<strong>ist</strong>licher<br />

Ethik in Anspruch genommen werden, wohl aber <strong>als</strong> Ahnherr eines ideal<strong>ist</strong>ischen<br />

Humanismus, nach dem der Mensch kraft seiner Vernunft<br />

grundsŠtzlich in der Lage <strong>ist</strong>, durch rationales Handeln und moralische<br />

73 Vgl. Mt 5,44f.<br />

74 Vgl. Mt 5,48.

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