Schweden, die Stasi und die DDR - Deutschland Archiv
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Rezensionen<br />
<strong>Schweden</strong>, <strong>die</strong> <strong>Stasi</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>DDR</strong><br />
Gustav Korlén, Nacka (<strong>Schweden</strong>)<br />
Nils Abraham: Die politische Auslandsarbeit der <strong>DDR</strong><br />
in <strong>Schweden</strong>. Zur Public Diplomacy der <strong>DDR</strong> gegenüber<br />
<strong>Schweden</strong> nach der diplomatischen Anerkennung<br />
(1972 – 1989) (Nordische Geschichte; 6), Münster u. a.:<br />
LIT 2007, 554 S., € 39,90.<br />
Birgitta Almgren: Inte bara <strong>Stasi</strong> … Relationerna Sverige–<strong>DDR</strong><br />
1949 – 1990 [Nicht nur <strong>die</strong> <strong>Stasi</strong> … Die Beziehungen<br />
<strong>Schweden</strong>–<strong>DDR</strong> 1949 – 1990], Stockholm:<br />
Carlssons 2009, 546 S., skr 320,–.<br />
<strong>Schweden</strong> war für <strong>die</strong> Auslandspropaganda der <strong>DDR</strong><br />
ein bevorzugtes Land. Davon handeln <strong>die</strong>se beiden<br />
hochinteressanten Bände. Bei Nils Abrahams Buch<br />
handelt es sich um <strong>die</strong> überarbeitete Fassung seiner<br />
Greifswalder Dissertation, bei dem der Germanistin<br />
Birgitta Almgren um den Ertrag langjähriger Recherchen<br />
zu den Beziehungen zwischen <strong>Schweden</strong> <strong>und</strong><br />
der <strong>DDR</strong>. Während Abraham sich auf <strong>die</strong> Zeit nach<br />
der Anerkennung der <strong>DDR</strong> durch <strong>Schweden</strong> im Jahr<br />
1972 beschränkt, behandelt Almgren <strong>die</strong> gesamte<br />
Zeit der Existenz der <strong>DDR</strong>.<br />
Eine wichtige Rolle spielt in beiden Werken das<br />
<strong>DDR</strong>-Kulturzentrum, das nach der Anerkennung der<br />
<strong>DDR</strong> gegründet wurde, was <strong>die</strong> Umbenennung des<br />
Deutschen Instituts der B<strong>und</strong>esrepublik in Goethe-<br />
Institut erzwang. Das Deutschlektorat des <strong>DDR</strong>-Kulturzentrums,<br />
das von der <strong>Stasi</strong> überwacht war <strong>und</strong><br />
dessen Vertreter mehrfach wegen allzu enger schwedischer<br />
Kontakte <strong>und</strong> ideologischer Unzuverlässigkeit<br />
abberufen wurden, entfaltete eine rege Tätigkeit an<br />
Schulen <strong>und</strong> Universitäten. Besonders erfolgreich<br />
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war <strong>die</strong> Zusammenarbeit mit der Fre<strong>und</strong>schaftsgesellschaft<br />
<strong>Schweden</strong>–<strong>DDR</strong>, zu der führende schwedische<br />
Kulturpolitiker gehörten. Dadurch erhielt <strong>die</strong><br />
<strong>DDR</strong> Einfluss auf den Deutschunterricht, etwa durch<br />
einen Erlass, wonach <strong>die</strong> Verfasser von Lehrbüchern<br />
zur »Objektivität« angehalten wurden, sie sich also<br />
keinerlei Kritik am sozialistischen Gesellschaftssystem<br />
der <strong>DDR</strong> erlauben durften.<br />
In beiden Arbeiten spielt der Fall Biermann eine<br />
zentrale Rolle. Die Ausbürgerung Wolf Biermanns<br />
1976 versetzte dem kulturellen Ansehen <strong>und</strong> der intellektuellen<br />
Glaubwürdigkeit der <strong>DDR</strong> den Todesstoß.<br />
Der schwedische PEN-Club <strong>und</strong> der Schriftstellerverband<br />
sowie <strong>die</strong> germanistischen Institute der Universitäten<br />
L<strong>und</strong> <strong>und</strong> Stockholm richteten scharfe Proteste<br />
an <strong>die</strong> <strong>DDR</strong>-Regierung. Besonders fatal für <strong>die</strong>se war<br />
der Umstand, dass auch führende schwedische Kommunisten,<br />
darunter Peter Weiss, in der Zeitung der<br />
KP ihre Empörung darüber ausdrückten, dass man<br />
Biermann »in heimtückischer <strong>und</strong> für <strong>die</strong> sozialistische<br />
Demokratie kränkender Weise <strong>die</strong> Bürgerschaft<br />
entzogen« hatte. – Von der Fre<strong>und</strong>schaftsgesellschaft<br />
hingegen: gesammeltes Schweigen.<br />
In einem interessanten Kapitel über »Fausts Pakt mit<br />
der <strong>Stasi</strong>« beleuchtet Almgren <strong>die</strong> Arbeit des Hallenser<br />
Literaturwissenschaftlers Rüdiger Bernhardt, der als<br />
IM »Faust« <strong>die</strong> schwedische Germanistik erfolgreich<br />
infiltrierte. Almgren kann nachweisen, dass ungefähr<br />
50 <strong>Schweden</strong> als inoffizielle Mitarbeiter für <strong>die</strong> <strong>Stasi</strong><br />
arbeiteten. Allerdings werden alle <strong>die</strong>sbezüglichen<br />
Dokumente von der Säpo, der schwedischen Sicher-
368 Rezensionen<br />
heitspolizei, geheim gehalten; <strong>die</strong> Versuche, über Gerichte<br />
daran zu gelangen, scheiterten bislang.<br />
Erstaunliches erfährt man bei Almgren zudem über<br />
<strong>die</strong> Hörigkeit der Kommunistischen Partei <strong>Schweden</strong>s.<br />
So ließ sich ihr Vorsitzender in <strong>die</strong> <strong>DDR</strong>-Botschaft<br />
zitieren, um sich dort (in der Sauna des Botschafters!)<br />
mehrere St<strong>und</strong>en lang verhören zu lassen, <strong>und</strong><br />
ein andermal, um sich dafür zu rechtfertigen, dass<br />
<strong>Schweden</strong>s Kommunisten über <strong>die</strong> Ideen des Regimekritikers<br />
Rudolf Bahro diskutierten.<br />
Gegenüber Almgren behandelt Abraham einige<br />
Aspekte gründlicher, so namentlich <strong>die</strong> außerordentlich<br />
umfangreiche Tätgkeit des <strong>DDR</strong>-Kulturzentrums,<br />
nicht nur in Stockholm, sondern auch (mit zahlreichen<br />
»<strong>DDR</strong>-Wochen«) in der Provinz.<br />
Beide Bücher ergänzen einander. Deshalb ist zu<br />
wünschen, dass sich bald ein Verlag findet, der Birgitta<br />
Almgrens Stu<strong>die</strong> in deutscher Übersetzung veröffentlicht.